Ich bitte deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
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- Birgit Böhm
- vor 8 Jahren
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1 GROSSER RAT GR VORSTOSS Interpellation Marianne Binder-Keller, CVP, Baden, vom 20. Mai 2014 betreffend Überprüfung der privaten Schulung, beziehungsweise "Homeschooling" im Kanton Aargau Text und Begründung: Gemäss 4 Abs. 4 des Schulgesetzes kann die Schulpflicht auch im Rahmen einer privaten Schulung erfüllt werden. Damit hat der Kanton Aargau zusammen mit den Kantonen Bern und Appenzell Ausserrhoden beim sogenannten "Homeschooling" eine sehr grosszügige Regelung mit wenigen Auflagen. Die wohl auffälligste: Eine private Schulung (nicht zu verwechseln mit Privatschulen) darf auch durch Personen ohne Lehrerausbildung und Lehrdiplom ausgeübt werden. Im Schulgesetz ist weiter geregelt, dass die private Schulung unter staatlicher Aufsicht steht ( 58a). Das Gesetz verlangt, dass bei einer solchen häuslichen Schulung durch die Eltern, Pflegeeltern oder durch eine Drittperson, also bei einer Schulung ausserhalb einer Privatschule, der genügende Unterricht nachgewiesen werden muss. Die Volksschule erfüllt neben dem Bildungsauftrag einen anderen ganz zentralen, nämlich denjenigen der Sozialisierung und Integration der Kinder in die Gesellschaft. Ausserdem verfügen wir im Aargau über eine hohe Qualität des Bildungssystems und der öffentlichen Schule. Die Regelung der privaten Schulung erstaunt deshalb. Schulzwang und "Homeschooling" im Kanton Appenzell spricht man sogar von "Unschooling" stehen für mich im Widerspruch. Zwingende Gründe für eine zweitweise private Schulung können krankheitsbedingt sein, weitere sind für mich schwer nachvollziehbar. Kinder sollen alle gleich behandelt werden und auf ganzheitliche Weise an Bildungsinhalte herangeführt werden; aus pädagogischen und entwicklungspsychologischen Gründen sowie aus Gründen der besseren Integration und Sozialisierung. Unsere Schulen bilden die beste Grundlage, ein breites Wissen zu erwerben und mit der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen umzugehen. Gemäss Studien geben viele Eltern auch religiöse Gründe an, wenn sie ihre Kinder zu Hause schulen, einige von ihnen gehören Sekten an und möchten ihre Kinder vor den Einflüssen der Schule und der Gesellschaft schützen. Diesen Aspekt halte ich für besonders problematisch. Ich bitte deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Wie viele schulpflichtige Kinder werden im Kanton Aargau in Form von Homeschooling unterrichtet? 2. Welche Gründe gelten für eine Bewilligung? Wer erteilt die Bewilligung? 3. Gemäss Studien werden vor allem religiöse Gründe angeführt. Trifft das auch für den Aargau zu? 4. Über welche fachlichen und pädagogischen Qualifikationen müssen die Eltern verfügen, damit sie ihre Kinder zu Hause schulen dürfen? 5. In welcher Form müssen die Eltern den Nachweis des "genügenden" Unterrichts erbringen? 6. Gibt es eine Überprüfung der Lehrmittel, des Pensums, der Stundenpläne?
2 7. Wie werden die Unterrichtsqualität und das Erreichen der Bildungsziele überprüft? Wie wird Defiziten begegnet? 8. In welcher Häufigkeit werden Schul- bzw. Hausbesuche gemacht? 9. Wer ist zuständig für die externe Evaluation des häuslichen Unterrichts? Wie sieht das Evaluationssetting aus? 10. Gibt es evidente Erkenntnisse zum Erfolg von Übertritten aus dem Homeschooling in die öffentliche Schule? Wie finden solche Übertritte statt? 11. Wie sieht der Zugang von privat beschulten Kindern zu schulischen Zusatzangeboten wie Therapien, schulärztlichen und schulpsychologischen Diensten, Instrumentalunterricht, Frei- und Wahlfächer, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sowie zu den Verstärkte Massnahmen (Förderunterricht) aus? 12. Die Kantonsverfassung regelt das Grundrecht auf Bildung wie folgt: Jedes Kind hat Anspruch auf eine seinen Fähigkeiten angemessene Bildung ( 28 Abs. 1). Kann nach Meinung des Regierungsrats die private Schulung, wie sie im Kanton Aargau zurzeit geregelt ist, dieses Grundrecht erfüllen? Mitunterzeichnet von 13 Ratsmitgliedern 2 von 2
3 REGIERUNGSRAT 2. Juli Interpellation Marianne Binder-Keller, CVP, Baden, vom 20. Mai 2014 betreffend Überprüfung der privaten Schulung, beziehungsweise "Homeschooling" im Kanton Aargau; Beantwortung I. Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach der Einreichung zugestellt. II. Der Regierungsrat antwortet wie folgt: Zur Frage 1 "Wie viele schulpflichtige Kinder werden im Kanton Aargau in Form von Homeschooling unterrichtet?" Der Regierungsrat hat Kenntnis von insgesamt 91 Schülerinnen und Schülern, die privat geschult werden (Kindergarten 24, Primarschule 51, Oberstufe 16), Stand 11. Dezember Dies entspricht rund einem Promille der Lernenden bei einer Gesamtschülerzahl von 70'690 an der Volksschule im Schuljahr 2012/13. Es besteht keine Meldepflicht der Schulpflegen gegenüber dem Departement Bildung, Kultur und Sport. Zur Frage 2 "Welche Gründe gelten für eine Bewilligung? Wer erteilt die Bewilligung?" Die Eltern müssen der Schulpflege den Beginn und die Beendigung einer privaten Schulung mindestens 14 Tage im Voraus melden. Die Schulpflege nimmt die private Schulung zur Kenntnis. Diese ist nicht zu bewilligen und muss demnach auch nicht begründet werden. Vgl. 1 Abs. 3 der Verordnung über die Volksschule (SAR ). Hingegen müssen die Eltern den Nachweis des genügenden Unterrichts erbringen. Siehe Antworten zu den Fragen 4 8. Zur Frage 3 "Gemäss Studien werden vor allem religiöse Gründe angeführt. Trifft das auch für den Aargau zu?" Die Eltern teilen der Schulpflege die Aufnahme und die Beendigung einer privaten Schulung ohne Angabe von Gründen mit. Der Regierungsrat kann über die Gründe der privat geschulten Schülerinnen und Schüler keine Aussage machen.
4 Zur Frage 4 "Über welche fachlichen und pädagogischen Qualifikationen müssen die Eltern verfügen, damit sie ihre Kinder zu Hause schulen dürfen?" Die auf der Kindergarten- oder Primarstufe unterrichtende Person muss mindestens über einen Abschluss der Sekundarstufe II verfügen (zum Beispiel Lehrabschluss oder Maturität). Vgl. 34 lit. e Verordnung über die Volksschule. Die auf der Oberstufe unterrichtende Person muss sich über ausreichende Fähigkeiten für das Erteilen der obligatorischen Fächer ausweisen können (Studienabschluss oder höheres Sprachdiplom). Vgl. 34 lit. f Verordnung über die Volksschule. Bei Fremdsprachen kann der Unterricht ausnahmsweise mittels geeigneten Fernstudiums erfolgen. Vgl. 34 Abs. 2 Verordnung über die Volksschule. Die Ausbildungsqualifikationen der unterrichtenden Person sowie ein allfälliger Vertragsabschluss für ein Fernstudium sind vor dem Beginn der privaten Schulung vorzulegen. Siehe Antwort zur Frage 5. Zur Frage 5 "In welcher Form müssen die Eltern den Nachweis des "genügenden" Unterrichts erbringen?" Die Eltern erbringen den Nachweis des genügenden Unterrichts gegenüber der Schulpflege. Dieser ist gemäss 34 Abs. 1 lit. a f Verordnung über die Volksschule erbracht, wenn die Bildungsziele jenen der öffentlichen Schule entsprechen; nicht mehr als fünf Kinder im selben Semester unterrichtet werden, ausser sie stammen aus derselben Familie; auf der Kindergarten- und Primarstufe höchstens zwei Kinder mindestens zwei Stunden oder eine Gruppe von drei bis fünf Kindern mindestens drei Stunden täglich fünf Mal pro Woche strukturierten Unterricht erhalten; auf der Oberstufe höchstens zwei Kinder mindestens drei Stunden oder eine Gruppe von drei bis fünf Kindern mindestens vier Stunden täglich fünf Mal pro Woche strukturierten Unterricht erhalten; die auf der Kindergarten- oder Primarstufe unterrichtende Person mindestens über einen Abschluss der Sekundarstufe II verfügt; sich die auf der Oberstufe unterrichtende Person über ausreichende Fähigkeiten für das Erteilen der obligatorischen Fächer ausweisen kann. Das Inspektorat empfiehlt den Schulpflegen, vor Beginn der privaten Schulung zusammen mit den Eltern die Rahmenbedingungen, die Erwartungen, die Form der Überprüfung und die Berichterstattung zu klären und in einer Vereinbarung schriftlich festzuhalten. Zur Frage 6 "Gibt es eine Überprüfung der Lehrmittel, des Pensums, der Stundenpläne?" Der regelmässig stattfindende strukturierte Unterricht wird überprüft im Sinne der unter Frage 7 beschriebenen rechtlichen Grundlagen. Hingegen haben Eltern bei der Wahl der Lehrmittel mehr Spielraum als die öffentliche Schule. Das Inspektorat empfiehlt die Verwendung der kantonalen Lehrmittel. Schulen können den Eltern die Lehrmittel zur Verfügung stellen. Zur Frage 7 "Wie werden die Unterrichtsqualität und das Erreichen der Bildungsziele überprüft? Wie wird Defiziten begegnet?" Die Schulpflege beauftragt in den meisten Fällen das Inspektorat mit der Überprüfung des genügenden Unterrichts. Das Inspektorat macht in der Regel zusammen mit einer Vertretung der Schulpflege Unterrichtbesuche zuhause und hat Einsicht in wichtige Dokumente. Im Fokus der Überprüfung ste- 2 von 4
5 hen Bildungsziele, Stoffprogramm und Planungsunterlagen, Stundenplan, Lehrmittel, Spiel-, und/oder Lernmaterialien, passende Räumlichkeiten, Angaben zur Entwicklung der Selbst- und Sozialkompetenz und zur Entwicklung in den handwerklichen und gestalterischen Fächern, Musik sowie Bewegung und Sport, Fähigkeitsausweise der unterrichtenden Personen und Vertragsabschlüsse bei Fernstudium und die Dokumentation der erbrachten Leistungen der Schülerinnen beziehungsweise der Schüler. Erweist sich der Unterricht als genügend, so können die Eltern mit der privaten Schulung fortfahren, erweist er sich als mangelhaft, so ordnet die Schulpflege Verbesserungsmassnahmen an und nimmt eine erneute Überprüfung vor. Erweist sich der Unterricht weiterhin als ungenügend, so beantragt das Inspektorat bei der Schulpflege, die Schülerin/den Schüler der öffentlichen Schule zu zuweisen. Vgl. 34 Abs. 3 Verordnung über die Volksschule. Zur Frage 8 "In welcher Häufigkeit werden Schul- bzw. Hausbesuche gemacht?" In der Regel erfolgt ein Unterrichtsbesuch pro Schuljahr. Die Schulpflege und/oder das Inspektorat behalten sich jedoch weitere Unterrichtsbesuche vor. Vgl. 34 Abs. 3 Verordnung über die Volksschule. Zur Frage 9 "Wer ist zuständig für die externe Evaluation des häuslichen Unterrichts? Wie sieht das Evaluationssetting aus?" Es gibt keine externe Evaluation, welche vergleichbar mit der regelmässigen externen Schulevaluation der Volksschule ist. Zur Frage 10 "Gibt es evidente Erkenntnisse zum Erfolg von Übertritten aus dem Homeschooling in die öffentliche Schule? Wie finden solche Übertritte statt?" Ist ein Wiedereintritt in die Volksschule geplant, so erfolgt die Zuweisung in Stufe und Klasse durch die Schulpflege der aufnehmenden Schule aufgrund einer Gesamtbeurteilung der bisherigen schulischen Laufbahn und eines Gesprächs mit der betroffenen Schülerin beziehungsweise dem betroffenen Schüler. Die Schulpflege kann bei Bedarf Prüfungen anordnen. Vgl. 10 der Verordnung über die Laufbahnentscheide an der Volksschule (Promotionsverordnung; SAR ). Das Departement Bildung, Kultur und Sport erhebt systematisch keine Daten bezüglich der Anschlusslösungen von Kindern und Jugendlichen, die privat geschult werden. Der Regierungsrat verfügt deshalb über keine Kenntnisse zum Erfolg oder Misserfolg von Übertritten von der privaten Schulung in die öffentliche Schule während der Volksschulzeit und über den Übergang in die Sekundarstufe II (Berufsbildung, Mittelschule). 3 von 4
6 Zur Frage 11 "Wie sieht der Zugang von privat beschulten Kindern zu schulischen Zusatzangeboten wie Therapien, schulärztlichen und schulpsychologischen Diensten, Instrumentalunterricht, Frei- und Wahlfächer, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sowie zu den Verstärkte Massnahmen (Förderunterricht) aus?" Schülerinnen und Schüler, die privat geschult werden, haben zu den gleichen Bedingungen Zugang zum Instrumentalunterricht an der Oberstufe sowie zu den Therapien (Legasthenie, Logopädie, Psychomotorik), Schuldiensten (schulpsychologischer Dienst, schulärztlicher Dienst, Schulzahnpflege) und regionalen Gruppenangeboten im Bereich Begabungsförderung, wie die Kinder an den öffentlichen Schulen. Vgl. 58b des Schulgesetzes (SAR ). Schülerinnen und Schüler, die privat geschult werden, haben kein Anrecht auf den Besuch von Wahl- und Wahlpflichtfächern und auf den Unterricht im Rahmen von Deutsch als Zweitsprache (DaZ), der Integrierten Heilpädagogik (IHP) sowie der Verstärkten Massnahmen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Zur Frage 12 "Die Kantonsverfassung regelt das Grundrecht auf Bildung wie folgt: Jedes Kind hat Anspruch auf eine seinen Fähigkeiten angemessene Bildung ( 28 Abs. 1). Kann nach Meinung des Regierungsrats die private Schulung, wie sie im Kanton Aargau zurzeit geregelt ist, dieses Grundrecht erfüllen?" Ja. Der Regierungsrat ist der Meinung, dass dem Grundrecht gemäss Verfassung entsprochen wird. Mit der privaten Schulung übernehmen die Eltern die Verantwortung der Bildung ihrer Kinder und der Kanton stellt eine angemessene Überprüfung des genügenden Unterrichts sicher. Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1' Regierungsrat Aargau 4 von 4
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