Begleitung von substituierten Müttern und deren Familien durch den KJGD
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- Frieder Bretz
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1 Begleitung von substituierten Müttern und deren Familien durch den KJGD Dr. Matthias Brockstedt Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Bezirksamt Mitte von Berlin
2 Bezirk Mitte von Berlin Das Nettohaushaltseinkommen liegt in Mitte bei 1275 Euro im Monat, 200 Euro unter dem Berliner Durchschnitt. In der Armutsberichtserstattung liegt der Bezirk inzwischen an letzter Stelle der bezirklichen Rangordnung. Ohne beruflichen Abschluß sind in Mitte 40 % der erwachsenen Bevölkerung (Berliner Durchschnitt 30%). Mit 28,4 % hat Mitte den höchsten Anteil nichtdeutscher Einwohner (Berliner Durchschnitt 13,8%). Mitte hat mit 7,7% die höchste bezirkliche Rate an Frühgeborenen unter 2500 Gramm als Indikator für die soziale Lage und die gesundheitliche Versorgung einer Region (Berliner Durchschnitt 6,5 %).
3 Drogenbedingte Organschäden und - störungen Alkohol: Fetales Alkoholsyndrom (1:300) mit Mikrozephalie, Wachstumsretardierung, Gesichtsdysmorphien und Hemmung der intellektuellen und motorischen Entwicklung Kokain: Mikrozephalie, zerebrale Infarkte, Urogenital- oder Skelettfehlbildungen, intestinale Atresien Amfetamine, Metamfetamine: nur minor anomalies Opiate, Opioide: keine Organschäden
4 Akutsymptome bei Neugeborenen drogenabhängiger Mütter Alkohol und Rauchen: Adaptationsstörungen, Hypoglykämie und Zittrigkeit bei Früh- und Mangelgeburt Kokain: Trinkschwäche, Schlafstörungen, Zittrigkeit, schrilles Schreien, Erbrechen, Niesen, Tachypnoe, Fieber Amfetamine, Metamfetamine: Übererregbarkeit, veränderter Muskeltonus Opiate, Opioide: (klassische Entzugssymptomatik nach Stunden, mitunter erst nach Tagen); Atemnotsyndrom, zerebrale Krampfanfälle (10%), Übererregbarkeit, Zittern, Niesen, Erbrechen, Durchfall, Schlafstörungen
5 Langzeitfolgen mütterlichen Drogenkonsums Alkohol: Wachstumsstörungen, Intelligenzdefekte, Störungen von Motorik und Koordination, Verhaltensstörungen Kokain: Intelligenzdefekte, Störungen von Motorik und Koordination, Verhaltensstörungen, SIDS Amfetamine, Metamfetamine: Störungen der Intelligenzentwicklung Opiate, Opioide: ADHS
6 Gesetzliche Grundlagen für den KJGD Gesundheitsdienstreformgesetz GDG 8,2 Der ÖGD nimmt die Aufgaben der Beratung, psychosozialen Unterstützung und der Hilfevermittlung insbesondere für folgende Zielgruppen wahr, soweit sie nicht durch Dritte gewährleistet werden: 1. Für Säuglinge und Kleinkinder, wenn die Schwangerschaft oder die Geburt regelwidrig verlaufen ist, sich Besonderheiten in der frühkindlichen Entwicklung zeigen oder es zum Schutz vor anderweitigen Risiken notwendig ist; hierzu erfolgt insbesondere eine Kooperation mit Geburtskliniken, Kinder- und Frauenärzten und-ärztinnen, Hebammen und Jugendämtern zur Gewährleistung eines effektiven Gesundheits- und Kinderschutzes,..
7 Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) Zuständigkeit: Kinder von der Geburt bis zur Schulentlassung ( 8 GDG) Team: Aufgaben: Kinderärzte, Ärzte, Sozialpädagogen, Arzthelferinnen, Angestellte u.a. Ersthausbesuch nach der Geburt eines Kindes mit Beratung zu gesundheitsbezogenen Fragen wie Ernährung, Stillen, Säuglingspflege, Impfen und sozialen Fragen wie Vaterschaftsanerkennung, Elterngeld, Finanziellen Hilfen, Schulden, Miete, ALG II, Begleitung in schwierigen Lebenslagen
8 Leistungen des KJGD Mitte 2006 Gesetzliche Reihenuntersuchungen: 2766 Schuleingangs U JAG 1675 Kitareihen U. Individualuntersuchungen: 463 nicht KV Kinder 248 Vorsorge U. 902 Kitaaufnahmen 2406 Impfungen Kinderschutz: 2358 Ersthausbesuche (präventiver Kinderschutz) 595 Betreuungsfälle (protektiver Kinderschutz) 4019 Einzelmassnahmen der Sozialpädagogen 2095 Einzelmassnahmen der Kinderärzte
9 Fürsorge substituierter Mütter gegenüber ihrem Kind (Kinder- und Jugendarzt 2007, Vol 38,5: ) Schlecht: 2 Weniger gut: 7 Weiß nicht: 8 Zufriedenstellend: 12 Gut: 22
10 Partnersituation substituierter Mütter und deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung Partnersituation Fester Partner Wechselnde P. Unbekannt Gesamt (Kinder- und Jugendarzt 2007, Vol 38,5: ) Altersgemäß Anzahl % Entwicklungsgestört Anzahl % Gesamt Anzahl %
11 Fallbeispiel 1 Kind L.S. männlich, 1. Kind einer 21-jährigen substituierten Mutter Kindesvater lebt nicht mit Km zusammen, PSB wird zunächst wahrgenommen, kurz vor der Entbindung fand Beikonsum statt. Sozialdienst der Geburtsklinik vermittelt Kontakte zu ASD und KJGD sowie eine Hebamme, 1. Hausbesuch des KJGD vor Entlassung des Jungen wegen Entzugssymptomen, danach ab Entlassung wöchentliche Vorstellung zusätzlich zu Kinderarztvorsorgen. Familienhilfe wird von Km abgelehnt, ab 3. Monat 14 tägige Betreuung durch KJGD, ab 6. Monat 4 wöchentliche Betreuung, die bis zum 13. Monat eingehalten wird. Kindliche Entwicklung altersgerecht.
12 Fallbeispiel 1, Fortsetzung Ab 15. Monat Termine beim KJGD nicht eingehalten, ebenfalls Termine bei PSB unregelmäßig, Verdacht auf erneuten Beikonsum; Gutachten beim SPD zur Weiterführung der PSB beantragt; Termin beim SPD nicht wahrgenommen, PSB sehr unregelmäßig, Ab 17.Monat zunehmende Erziehungsprobleme bei schlechtem Gesundheitszustand der Km und fraglicher Trennung vom Partner Unangemeldeter Hausbesuch des KJGD: Mutter und Kind um im Bett, KJGD drängt auf Kitaaufnahme des Jungen, hierzu Absprachen mit der noch 6 Monate bewilligten PSB und einer Kita im Wohnumfeld. Nächster Vorstellungstermin im KJGD (19. Monat)
13 Fallbeispiel 2 Kind M. R. männlich, 4. Kind einer 37 jährigen substituierten Mutter, lebt offiziell getrennt vom Kindsvater; Nach vierwöchentlicher Entzugsbehandlung Kind nach Hause mit Familienhilfe, PSB und wöchentlicher Vorstellung im KJGD, Hausbesuch 7 Tage nach Klinikentlassung, alle Termine werden eingehalten bei PSB und KJGD. Ab 3. Monat 14-tägige Vorstellung, ab 5. Monat Termine nicht eingehalten trotz Familienhilfe, aber Vorsorgeund Impftermine bei Kinderärztin wahrgenommen. Nach Intervention Jug Termine 6. Monat eingehalten, kommt zwischenzeitlich unangemeldet bei Krankheiten des Säuglings Entwicklung des Kindes altersgerecht. Nächste Vorstellung KJGD am
14 Fallbeispiel 3 Kind C.K. Weiblich, 2. Kind einer 20-jährigen drogensüchtigen Mutter, lebt mit gewalttätigem 22-jährigen Kindsvater zusammen, keine Krankenversicherung; Gemeinsam mit Jug ab 4. Lebenstag zunächst wöchentliche Vorstellung im KJGD, Regelung von KV und ALG II, wiederholte unangemeldete Hausbesuche zeigen chaotische Lebensumstände, Ab der 6.Lebenswoche schwere chronische Ekzeme, fehlende Pflege, körperliche Mangelentwicklung, Termine werden nicht eingehalten Mutter - Kind - Interaktion wird von drei ärztlichen Untersuchern zu verschiedenen Zeiträumen als gestört beschrieben (Mutter lethargisch, desinteressiert, keine mimischen Signale zum Kind). Ab 5. Monat gerichtlich verordnete Kurzzeitpflege. Ab 20. Monat Herausnahme beider Kinder auf Gerichtsbeschluß, Kindsmutter nicht auffindbar.
15 Fallbeispiel 4 Kind E. T. Weiblich, 2 Kind einer 34-jährigen substituierten Mutter, in Scheinehe lebend; Sozialdienst der Geburtsklinik vermittelt Mutter und Kind nach Entzug an Jug und KJGD, eine PSB findet nicht statt, lediglich telefonische Abstimmung mit substituierendem Arzt. Erster gemeinsamer Hausbesuch Jug / KJGD vor dem Entlassungstag, danach wöchentliche, ab 3. Monat 4 - wöchentliche Vorstellung des sich normal entwickelnden Mädchens im KJGD. Ab 9. Monat werden Termine nicht eingehalten, erst wieder nach unangemeldetem Hausbesuch durch Jug. Ab 18. Monat Verzug der Familie, Wiederaufspüren mit sporadischen Kontakten bis 2. Lebensjahr; Mutter lehnt Hilfen ab Da Vorsorgen und Impfungen bei Kinderärztin wahrgenommen wurden und Kind stets versorgt und altersgerecht entwickelt war, keine weiteren Angebote.
16 Fallbeispiel 4, Nachtrag Kind wird Untersucher im Alter von 5 Jahren 9 Monaten bei der Kitareihen Untersuchung der 3 ½ bis 4 ½ - Jährigen vorgestellt: Freundliches mitteilsames schlankes Mädchen mit beidseitiger unkorrigierter Sehstörung, erheblichen Defiziten in der Feinmotorik und Visuomotorik und Artikulationsstörung (psychosoziale Deprivation). Mit schriftlicher Zustimmung der Mutter Einleitung von Fördermaßnahmen in Vorbereitung auf nächstjährigen Schulbesuch.
17 Fallbeispiel 5 Kind G.E. weiblich, 1. Kind einer 20-jährigen substituierten Mutter, gewalttätiger Kindesvater mit Drogen- und Alkoholproblem, zeitweise getrennt lebend; zwischendurch Scheinehe mit 17 Jahr älterem Jugoslawen. Ab Geburt regelmäßige Betreuung durch Jug und KJGD gemeinsam, PSB wird eingehalten, Urinkontrollen nicht immer sauber. Kitaaufnahme des Mädchens ab 12. Monat, SEV - Ab 20. Monat erneute engmaschige Betreuung durch KJGD und gemeinsame Hausbesuche Jug / KJGD wegen häuslicher Gewalt des Kindesvaters unter Alkohol. In 12 Monaten 19x beim KJGD, Mutter erneut schwanger, der vor 5 Monaten geborene Junge verbleibt bis zur Klärung der weiteren Familiensituation in Kurzzeitpflege mit engen Besuchskontakten beider Eltern; Einhaltung der PSB und Antrag einer Familientherapie aus dem Weddinger Milieu heraus.
18 Schlußfolgerungen Eine intensive langzeitige Betreuung durch koordinierte Hilfesysteme ist zur Sicherstellung der kindlichen Entwicklung in den Familien substituierter Mütter (und Väter) zwingend erforderlich. Sie ist am ehesten erfolgreich, wenn - eine gelingende Mutter-Kind-Beziehung existiert, - Eltern zur Kooperation bereit sind, - Eltern zuverlässig Termine wahrnehmen, - keine kindlichen Zusatzrisiken bestehen, - die substituierten Mütter in einer festen Beziehung leben, - ein Milieuwechsel stattgefunden hat, - familienbezogene Therapien in neuem Umfeld wahrgenommen werden
19 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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