Erfahrungsbericht über mein Wintersemester 2010/11 an der ECUST (East China University of Science and Technology)

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1 Erfahrungsbericht über mein Wintersemester 2010/11 an der ECUST (East China University of Science and Technology) Von Andreas Winter Interesse an China hatte ich schon seit längerer Zeit und beim Start an der FHL bin ich schnell auf das Chinabuddies-Programm aufmerksam geworden. Im Rahmen des Programms wurden mir zwei chinesische Studenten zugewiesen, mit denen ich während ihres Aufenthalts in Deutschland ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufgebaut habe. Gemeinsame Unternehmungen und Einladungen in meine Heimatstadt waren dadurch selbstverständlich. Das Interesse an dem Shanghai-Stipendium hingegen wurde bei mir erst später geweckt, was allerdings vorwiegend privaten Gründen zuzuschreiben war. Da ich in vielen Vereinen und Organisationen engagiert bin und auch familiär meine Aufgaben zu erledigen habe, war es mir nämlich unvorstellbar, einfach für ein halbes Jahr alles stehen und liegen zu lassen. Letztlich siegte aber die Überzeugung, dass ein 6-monatiger Auslandsaufenthalt eine einmalige Chance ist (auch hinsichtlich späterer Berufsperspektiven). Nachdem mich die freudige Nachricht erreicht hat, dass ich einer der Auserwählten bin die nach Shanghai dürfen, habe ich schnell meine zwei Mitreisenden ausfindig gemacht. Zu meiner Freude waren es mit Stefanie und Hendrik zwei Kommilitonen aus meinem Studiengang, mit denen ich schon vorher befreundet war. Auch wir haben uns im Vorfeld für einen Kurzurlaub in Dubai entschieden, da wir mit der Fluggesellschaft Emirates ohnehin einen Stopover dort gehabt hätten und somit quasi nur Hotelkosten und etwas Taschengeld für uns angefallen sind. Dubai kann man sich auf jeden Fall ein paar Tage angucken, auch Abu Dhabi ist schnell zu erreichen. Jedoch sollte man darauf gefasst sein, dass die Temperaturen Ende August unmenschlich heiß sind und das Meer eher einer warmen Badewanne gleicht. Zudem waren wir in der Zeit des Ramadans da, was sich auf das tägliche Leben der Bevölkerung natürlich ausgewirkt hat (Restaurants waren tagsüber geschlossen, bei MC Donalds durfte man am Tage ebenfalls nur zum Mitnehmen bestellen, in der Öffentlichkeit durfte vor Sonnenuntergang weder gegessen noch getrunken werden). Nach ein paar sonnigen Tagen in Dubai ging es weiter nach Shanghai. Mit einer Mischung aus Heimweh und Vorfreude auf die kommenden 6 Monate, erreichten wir den Airport in Pudong. Dort wurden wir von einem von der ECUST bestellten Taxifahrer in Empfang genommen. Dieser fuhr uns vom Flughafen direkt bis zu unserem Wohnheim auf dem Campus der ECUST. Erstaunlicherweise hat der Fahrer niemanden umgefahren, als er sich auf dem Campus den Weg durch die Massen von Studierenden geschlängelt hat. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich aber an den Fahrstil der Taxifahrer. Auf dem Campus angekommen wurden wir von Frau Zhang und unseren Buddies in Empfang genommen. Nach ein paar organisatorischen Dingen bekamen wir unsere Zimmer gezeigt und hatten Zeit uns einzurichten. 6 Monate in einem fremden Land mit einer anderen Kultur sollten nun folgen.

2 Essen Die chinesische Küche ist wohl eine der umfangreichsten die es gibt, d.h. alles Erdenkliche landet irgendwann auf dem Teller, was wiederrum nicht immer für Freude sorgt. Es ist also in keinster Weise mit dem Essen zu vergleichen, das man in deutschen Chinarestaurants bekommt. Denn da sind die Speisen auf den deutschen/europäischen Geschmack abgestimmt. Wenn man mit Chinesen ein Restaurant besucht, kann es durchaus vorkommen, dass man neben wirklich vielen schmackhaften Speisen, auch mal eine Suppe mit Hühnerkopf serviert bekommt. Auch über Schildkröten in der Speisekarte sollte man sich nicht wundern. Manchmal war ich wirklich froh, einige dieser Speisen nicht probieren zu müssen, da ich seit geraumer Zeit Vegetarier bin. Vegetarier sind in China übrigens ziemlich selten und viele Chinesen können damit auch überhaupt nichts anfangen, d.h. der Erklärungsprozess kann sich manchmal über mehrere Restaurantbesuche erstrecken. Generell werden Speisen in China fast überwiegend mit Fleisch zubereitet. Jedoch gibt es auch hervorragende vegetarische Gerichte, für die es sich zu suchen lohnt. Sehr beliebt bei uns waren die Straßen-Barbecues, welche sich ab ca. 22 Uhr bis in die frühen Morgenstunden über das ganze Stadtgebiet erstrecken. Hier bekommt man für 1 Yuan Gemüsespieße und für 3 Yuan Fleischspieße, ein willkommener Snack wenn es abends mal später geworden ist. Das Frühstück ist dem Deutschen ebenfalls nicht gleichzusetzen. Traditionell gibt es Reissuppe oder auch frittierte Teigtaschen. In den Supermärkten bekommt man aber problemlos Toast, Butter und Konfitüre und Milchprodukte. Falls das Verlangen nach heimischer Kost dennoch zu groß wird, findet man in ca. 15 Minuten Reichweite vom Campus einen Carrefuor-Markt, einen Metro-Markt und einen City-Shop mit importierten Lebensmitteln aus aller Welt. Reisen Das Reisen in China ist prinzipiell sehr einfach und angenehm. Die Verkehrssysteme sind sehr modern und werden ständig ausgebaut. Da der öffentliche Nahverkehr sehr günstig ist, braucht man sich jedoch nicht wundern, wenn man ihn mit vielen Menschen teilen darf. Für mich bedurfte das einer kurzen Zeit der Eingewöhnung, da auf den Straßen und in den U-Bahnstationen einfach überall Menschen sind, was ich als Landei in dieser Form noch nicht erlebt habe. Während der 6 Monate konnte ich viele Städte besichtigen, Suzhuo, Hangzhou, Nanjing, Wuxi und Nantong können bequem mit dem Zug erreicht werden und eignen sich für Tagesausflüge. Einen Ausflug zu den Yellow Mountains in Huang Shan sollte man auf jeden Fall auch unternehmen. Die Landschaft dort ist einfach unbeschreiblich schön und der Sonnenaufgang ebenfalls. Natürlich standen auch Xian (Terrakottaarmee) und Beijing auf der Reiseagenda. In allen Städten gibt es zahlreiche Hostels, die, zu meiner Überraschung, meistens tadellos waren und sehr freundliche und serviceorientierte Mitarbeiter hatten. Eine Übernachtung inkl. Frühstück bekommt man in der Regel für ca. 10 Euro. Aber auch in Shanghai gibt es unwahrscheinlich viel zu besichtigen. Besonders beeindruckend ist der Bereich am Bund und natürlich die Skyline der Hochhäuser in Pudong. Zudem gibt es in Shanghai eine Reihe von Sportveranstaltungen, die man sich während seines Aufenthalts nicht entgehen lassen sollte. So kamen wir z.b. in den Genuss vom ATP Rolex Masters Tennisturnier, den HSBC Golfchampionships (mit Tiger Woods, Martin Kaymer u.a.), einem Autorennen der DTM in Pudong und auch ein Basketballspiel der Shanghai Sharks gegen die Rivalen aus Beijing konnten wir uns angucken.

3 Taxi: Die Taxifahrten sind sehr günstig, für 10km bezahlt man ca. 3 Euro. Jedoch sprechen 99% der Taxifahrer kein Englisch, d.h. man muss die Adressen auf Chinesisch aussprechen können oder aufgeschrieben haben. Das Internet ist dabei eine große Hilfe, einfach kurz die Adresse abfotografieren oder eine App aufs Handy laden, und schon kommt man überall hin wo man hin möchte. Zudem gibt es seit der Expo eine Magic Number, dies ist ein Telefonservice, dem man auf Englisch sein Reiseziel sagt und der es dem Taxifahrer dann auf Chinesisch übersetzt. Die Magic Number kann einem auch sagen, wieviel eine Fahrtstrecke in etwa kostet, dies kann hilfreich sein, falls der Fahrer einem die große Hafenrundfahrt aufgedrückt hat. Aus unserer Erfahrung sind die Taxifahrer aber immer ehrlich und freundlich. Nur manchmal leider etwas übermüdet, in diesem Fall lieber aussteigen oder (wenn es das Chinesisch denn zulässt) den Taxifahrer in unendliche Gespräche verwickeln. Metro: Shanghai verfügt über ein sehr gut ausgebautes U-Bahnnetz. Die Fahrpreise sind mit unter einem Euro pro Strecke ebenfalls sehr günstig. Während der Rushhour kommt man mit der Metro auch meistens schneller zum Ziel als mit dem Taxi, da die Straßen dann hoffnungslos verstopft sind und es dann ohnehin schwierig ist, ein freies Taxi zu bekommen. Einziges Manko bei der Metro ist, dass sie leider nur bis 23 Uhr fährt. Eisenbahn: Das Bahnfahren in China ist einfach ein Erlebnis, das man während seiner Zeit in Shanghai ausprobiert haben muss. Anders als ich es erwartet habe, sind die Züge bestens ausgestattet und sie stehen den deutschen ICE Zügen in nichts nach. Derzeit wird auch massiv ein neues Hochgeschwindigkeits-Zugnetz aufgebaut, das die Reisezeiten in Zukunft weiter reduzieren wird. Leider gestaltet sich der Fahrkartenkauf manchmal zum Problem, da man die Zugtickets nur an der Station kaufen kann und sie erst 5-11 Tage vor dem Reisetag erhältlich sind. Während der nationalen Feiertage und Ferien ist es besonders schwer Fahrkarten zu bekommen. Für ein Zugticket nach Beijing durfte ich 3 Stunden anstehen um dann doch leer auszugehen. Flugzeug: Von Shanghai aus kommt man dank zweier Flughäfen in alle Regionen Chinas und darüber hinaus. Die Flüge sind relativ günstig, auch wenn man kurzfristig bucht, hat man noch die Chance auf einen guten Preis. Der Service an Bord steht dem westlicher Airlines auch in nichts nach. Für den Check-In benötigt man in den meisten Fällen nur den Reisepass. Projekt Mein Projekt bestand in der Computersimulation von Strömungen einer Klimaanlage in einem Raum. Leider war das Thema völliges Neuland für mich, so dass ich eine gewisse Zeit der Einarbeitung brauchte. Mein zuständiger Professor stand mir aber immer mit Rat und Tat zur Seite und war sehr an meiner Arbeit interessiert. Während der Einarbeitungsphase in das Computerprogramm konnte ich überwiegend zuhause bleiben, da ich dafür 2 Handbücher durcharbeiten musste. Als es dann an die Simulationen ging, war ich regelmäßig im Büro. Dort hatte ich auch eine Assistentin die bereits seit längerer Zeit mit dem Programm gearbeitet hat und mir viele nützliche Tipps geben konnte. Insgesamt waren 7 Studenten in dem Büro und alle waren sehr umgänglich und hilfsbereit. Mein Projekt endete planmäßig nach einer Reihe von unterschiedlichen Simulationen und dem darauffolgenden Anfertigen eines genauen Versuchsberichts über das gesamte Projekt.

4 Campus/ Wohnen Der Campus der ECUST ist eine andere Dimension als in Lübeck. Unzählige Kantinen und Shops befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Wohnheim. Die Qualität des Essens ist gut und geschmacklich ist es meistens super. Viele Gerichte werden frisch im Wok zubereitet. Es dauert nur eine gewisse Zeit bis man etwas für seinen Geschmack gefunden hat, aber letztlich ist für jeden etwas dabei. In manchen Kantinen werden die Speisen leider mit Unmengen an Öl zubereitet, darauf sollte man verzichten wenn man Wert auf eine gesunde Ernährung legt. Auf dem Campus besteht zudem die Möglichkeit viel Sport zu machen. Die Chinesischen Studenten spielen überwiegend Basketball und Fußball. Es gibt jedoch auch Tennisplätze, eine Sporthalle für Badminton und Tischtennis und ein Fitnessstudio. Das Fitnessstudio ist mit allen Geräten ausgestattet, an welchen aber schon der Zahn der Zeit nagt. Zudem gibt es viele Mücken die einem das Leben etwas schwerer machen. Wenn einen das nicht stört, kann man es im Fitnessstudio auf dem Campus sehr gut aushalten. Ansonsten gibt es in unmittelbarer Nähe zum Campus noch weitere Fitnessstudios, mit denen man meistens auch einen günstigen Preis aushandeln kann. Unser Wohnheim ist das Modernste auf dem Campus. Hier leben überwiegend ausländische Studenten mit denen man viel Spaß haben kann. Auf jeder Etage steht eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung, welche aber nur zu bestimmten Zeiten geöffnet ist. Während unseres Aufenthalts wurden wir von ein paar chinesischen Freunden in deren Wohnheim eingeladen. Dieses war mit unserem jedoch nicht zu vergleichen, d.h. es verfügte nicht über eine Klimaanlage, TV oder Ähnliches. Besonders im Winter gehen die meisten Chinesen deshalb nur zum Schlafen in ihr Wohnheim und den Rest des Tages verbringen sie an beheizten Plätzen wie den Vorlesungsräumen oder der Bibliothek. Obwohl die Klimaanlagen auch etwas heizen können, waren unsere Räume in den Wintermonaten nicht so schön warm wie man es aus Deutschland kennt. In Anbetracht dessen, dass es viele Studenten hier aber noch viel komfortloser haben, sollte man mit den Gegebenheiten des Wohnheimes aber sehr zufrieden sein. Nützliches Sehr hilfreich für uns waren unsere chinesischen Buddies, die uns schon bei unserer Ankunft direkt in Empfang genommen haben. Besonders in der Anfangszeit, haben sie uns bei vielen organisatorischen Sachen gerne ihre Hilfe angeboten und im späteren Verlauf des Semesters kam es immer mal wieder zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten wie Karaoke, Badminton, Essengehen usw.. An der ECUST besteht für uns Studierende aus Lübeck auch die Möglichkeit, an einem Chinesischkurs teilzunehmen. Der Kurs fand dreimal pro Woche statt und hatte unterschiedliche Lerninhalte (Reden, Schreiben, Zuhören). Am Ende warteten drei Prüfungen auf uns, welche man mit einer intensiven Vorbereitung durchaus bestehen kann. Zudem war der Kurs für uns eine schöne Sache, da wir in unserer Klasse mit anderen Überseestudenten zusammen waren und somit viele neue Kontakte knüpfen konnten. Auch die Lehrkräfte waren sehr umgänglich und hilfsbereit. Prinzipiell kommt man in Shanghai zwar auch ohne chinesisch sprechen zu können zurecht, allerdings ist es kein Ding der Unmöglichkeit sich ein paar Basics der Sprache anzueignen, die einem dem Alltag enorm erleichtern können. Für alle potenziellen BAföG-Kandidaten kann ich nur empfehlen, den Antrag für das Auslands-BAföG mindestens 6 Monate im Voraus zu stellen, da sich die Bearbeitung in der zuständigen Behörde über diesen Zeitraum hinziehen wird. Wer keinen Anspruch auf BAföG hat, kann indes einen Flugkostenzuschuss beim DAAD beantragen, der in der Regel pauschal 1000 Euro beträgt. Zudem sollte man für seinen Asienaufenthalt rechtzeitig ein paar Schutzimpfungen auffrischen (Hepatitis A

5 und B usw.), die Kosten dafür werden von den meisten Krankenkassen leider nicht mehr übernommen oder es bedarf ewiger Diskussionen darüber. Da meine Krankenkasse auch nicht gewillt war, meine Impfungen zu übernehmen, bin ich zur Techniker Krankenkasse gewechselt, welche die Impfkosten in ihren Regelleistungen enthält. Fazit Das Semester an der East China University of Science and Technology war eine hervorragende und bereichernde Erfahrung für mich. Natürlich ist ein halbes Jahr eine lange Zeit, allerdings vergeht sie in Shanghai relativ schnell, da man sehr viel unternehmen kann. Das Leben auf dem Campus hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Die gesamte Anlage ist mit vielen Bäumen gestaltet und bietet eine willkommene Abwechslung zum normalen Großstadtleben. Ebenso war es schön, die chinesische Kultur besser kennenzulernen. Von meinem Chinabuddie aus Lübecker Zeiten, wurde ich in seine Heimatstadt eingeladen, um dort ein Wochenende zu verbringen. Währenddessen besuchten wir auch seine Großeltern, welche in einem kleinen Dorf auf dem Land wohnen und ein sehr einfaches Leben mit etwas Landwirtschaft führen. Zu meiner Freude wurden wir dort sehr herzlich empfangen und der Einblick in die ursprüngliche Lebensweise einer chinesischen Familie war sehr beeindruckend. Ich wünsche allen zukünftigen Chinareisenden, ebenfalls in den Genuss zu kommen, mal ein Stückchen echtes China zu erleben. Denn Shanghai ist zwar eine großartige Stadt, in der man als Europäer bestens leben kann, jedoch ist das traditionelle China aufgrund der starken Urbanisierung in Shanghai doch sehr verloren gegangen. Abschließend möchte ich mich bei allen Personen und Organisationen bedanken, die mir diese tolle Erfahrung ermöglicht haben. Mein Dank gilt also der Fachhochschule Lübeck und der Chinakoordination mit Nicola und Stefanie, der ECUST in Shanghai und dem Sino German College mit Frau Zhang und Frau Yufei, dem Amt für Ausbildungsförderung und natürlich meinen beiden Mitreisenden Hendrik und Stefanie, sowie vielen neuen Freunden aus allen Teilen der Welt.