4. September 1229 ab urbe condita 4. September 476 n. Chr »Toll trieben es die alten Römer«der Fall Roms im Film... 16
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- Jobst Becker
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2 Inhalt Ein Kindkaiser wird abgesetzt September 1229 ab urbe condita 4. September 476 n. Chr Ein Wendepunkt, den keiner merkt »Toll trieben es die alten Römer«der Fall Roms im Film Die hundert Jahre vor dem Ende Ein Koloss auf eisernen Füßen Die Teilung des Imperiums in Ost und West und die Reichsreform »Schlimmer als Cannae«die Niederlage von Adrianopel Völkerwanderung was bedeutet das eigentlich? Der Fall Roms Ewiges Rom Visionen und Ideologien Kurzzeitige Restauration und neue Germaneneinfälle Die Hunnen kommen Zeit der Wirren und ein letztes Aufbäumen Das Ende des Weströmischen Reiches Der Machtzuwachs der Heermeister Die römische Armee in der Spätantike Hofbürokratie, Senat und Großgrundbesitzer Das Bewusstsein von der Krise Die Rolle der Kirche Die Schwierigkeiten der spätantiken Wirtschaft Die unterschiedliche Entwicklung Ostroms und Westroms Die letzten Jahre des Weströmischen Reiches Versuche einer Neuordnung Ein germanischer König Italiens Odoaker beim hl. Severin
3 Inhalt +++ Theoderichs»Kampf um Rom« Nibelungenlied und Dietrichsage Justinians»Kampf um Rom« Felix Dahns Roman»Kampf um Rom« Italien fällt an die Langobarden Der Osten des Imperiums überlebt kleiner und mit viel Glück »Dunkle Zeiten« Neue Reiche und Machtkonstellationen in Europa Der Fall Roms in den Augen der Nachwelt Rom als Projektionsfläche der jeweiligen Gegenwart Erben des Imperiums Rom im frühen und hohen Mittelalter Das Heilige Römische Reich Die Renaissance entdeckt Rom neu und das finstere Mittelalter Die Aufklärer deuten den Fall des Imperiums Der Einfall der Barbaren Fortschritt oder Verhängnis? Römische Was-wäre-wenn-Geschichten in Literatur und Wissenschaft »Der Untergang des Abendlandes« Ein vorsichtiges Fazit Warum das Imperium fiel Was wäre geschehen, wenn...? Bruch oder Übergang? Anhang Zeittafel Kurzviten der wichtigsten Herrscher und Heerführer Bibliografie Quellen Literatur Geografisches Register Namensregister
4 Ein Wendepunkt, den keiner merkt Die hundert Jahre vor dem Ende +++ Durch die Reichsreform schien Mitte des vierten Jahrhunderts das Imperium gefestigter denn je. Aber dann kamen Katastrophen: die verheerende Niederlage von 378, die Eroberung Roms 410, der Verlust der reichen Provinzen Afrikas und schließlich die Hunnen. Das Imperium zeigte, was noch in ihm steckte und erholte sich jeweils erstaunlich schnell. Aber jede Krise zehrte an den Kräften, vor allem, weil man sich in den kurzen Erholungspausen Machtkämpfe und Intrigen leistete.
5 Ein Koloss auf eisernen Füßen +++ Ein Koloss auf eisernen Füßen Mitte des 4. Jahrhunderts war das Imperium Romanum ein unerschütterlich scheinendes Reich. Von Euphrat und Tigris im Osten bis zu den Säulen des Herkules, von den reichen Provinzen Nordafrikas bis zum britannischen Hadrianswall herrschten ein Recht und ein Kaiser. Ein Netz von gut befestigten Straßen durchzog das riesige Territorium, geschützt von unzähligen Grenzbefestigungen, die oft durch Wälle verbunden waren, dem Limes. Zudem sicherte ein gewaltiges, höchst professionelles Berufsheer den inneren und äußeren Frieden. In über fünfhundert Jahren hatten die Römer höchst unterschiedliche Völker ihrer Herrschaft einverleibt. Städte und Regionen unterstanden dem gleichen Gesetz und hatten ähnliche Verwaltungsstrukturen, jedoch weitgehende Autonomie, solange sie ihre Steuern und Abgaben bezahlten. Latein wurde die gemeinsame Sprache zumindest der Eliten und veränderte regionale Sprachen nachhaltig. Vor allem aber: Die zuvor unterworfenen Völker nahmen römische Sitten und Gebräuche spätestens in der dritten Generation an und konnten damit recht gut leben. Sie waren gleichsam»gut integriert«. Auch wenn sich die Menschen als Gallier oder Griechen, Ägypter oder Spanier verstanden sie identifizierten sich gleichermaßen als Römer. Die Unterschiede waren weniger regional als vielmehr sozial. Überall im Reich gab es eine vielleicht fünf Prozent umfassende reiche und politisch aktive Landbesitzerschicht, aus der sich die bürokratisch-militärische Elite rekrutierte. Dazu kamen eine Mittelschicht in den Metropolen und arme Gruppen in Stadt und Land, die sich zwar zu gelegentlichen Unmutsäußerungen bis hin zu seltenen lokalen Aufständen bewegen ließen, aber doch im Großen und Ganzen besser lebten als vor der Einverleibung ins Imperium. Die Unterschicht bildeten die armen, immer mehr in Abhängigkeit geratenden Bauern und die Sklaven. Dazu kamen die von allen Schichten verachteten»barbaren«, bürgerrechtslose Gesellen, die von außerhalb stammten und deshalb nur als Sklaven und zur Belustigung in den Arenen der Groß- und Provinzstädte taugten.
6 Die hundert Jahre vor dem Ende +++ Freilich geriet das Reich im 4. Jahrhundert buchstäblich an seine Grenzen. Neue Eroberungen jenseits von Rhein und Donau würden mehr kosten als einbringen, schon die britannischen Provinzen galten bei der kühl kalkulierenden imperialen Bürokratie als Zuschuss-, wenn nicht als Verlustgeschäft. So stand Verteidigung im Vordergrund, und auch einer Einwanderung standen die römischen Eliten skeptisch gegenüber. Vor allem wehrte sich in seltener Einigkeit die ursprüngliche wie die in den letzten Jahrhunderten integrierte Bevölkerung eine»mittelschicht«, die um ihren Wohlstand fürchtete gegen alle Arten von Zuwanderung, egal ob die Betreffenden mit dem Schwert oder mit dem Bettelstab an die Pforten des Reiches klopften. Angesichts der Ausdehnung des Imperiums war eine Aufteilung in Herrschaftsbereiche notwendig geworden. Zwar blieb Rom auch im 4. Jahrhundert die offizielle Hauptstadt, doch im Osten wurde Konstantinopel das neue Zentrum mit Antiochia als zweiter Schaltstelle, im Westen residierten die Kaiser in Mailand und Trier, näher an potenziellen Konfliktherden. Die Säulen des späten Reiches waren die Spitzen des Militärs und eine wachsende Hofbürokratie, die palatini. Der in Rom tagende Senat genoss zwar noch hohes Ansehen, hatte aber außer in der Stadt selbst an Einfluss verloren. Das zeigte sich deutlich daran, dass die Senatoren dem Kaiser nachreisen mussten, letztere aber immer seltener die Ewige Stadt besuchten. Die Herrscher selbst wurden zunehmend ein in höhere Sphären entrücktes Symbol, das allerdings großen Einfluss auf die hohen Bürokraten und Militärs das galt auch umgekehrt und die letzte Entscheidungsgewalt hatte. Diese Elite hatte erheblich bei der Kaisernachfolge mitzureden und konnte sogar eine blutige oder unblutige Absetzung inszenieren. Als strategische Hauptgefahr sah man die Perser im Osten an, die sich zu einer zweiten Großmacht entwickelten. Die verheerende Niederlage gegen Schapur I. im Jahr 260 und die darauf folgende lebenslange Gefangenschaft Kaiser Valerians waren Menetekel und Ansporn zugleich. Die Konsequenz war eine Wirtschafts- und Heeresreform, die dem Militärapparat höchste Effizienz verlieh, das Imperium aber auch an den Rand seiner finanziellen Möglichkeiten brachte. Den Barbaren, die sich immer
7 +++ Ein Koloss auf eisernen Füßen wieder an Rhein und Donau zeigten und glaubten, ins Imperium vordringen zu können, fühlte man sich militärisch überlegen und war es lange Zeit auch. Noch 357 hatten römische Legionäre ein dreifach überlegenes Alamannenheer bei Straßburg vernichtend geschlagen. Potenzieller Schwierigkeiten jenseits von Rhein und Donau entledigte man sich weniger mit Krieg als nach dem Divide-etimpera-Prinzip, indem man einige Germanenstämme zu foederati, zu Verbündeten machte, mit Waffen ausstattete und gegen andere Gruppierungen Krieg führen ließ. Der rege Kontakt mit den Germanen zeitigte aber auch langfristige Folgen. So lernten diese, wenn sie sich bei der römischen Armee verdingten, deren Kampftaktiken kennen. Zudem profitierten Roms Vasallengebiete durchaus von Handel und Technologietransfer. Am wichtigsten war eine Agrarrevolution, die kurzfristig die periodisch auftretenden Hungerkrisen milderte und langfristig zu einem Bevölkerungswachstum führte. Ebenso bedeutend wurde die wachsende Produktion und Verarbeitung von Eisen, die nicht nur den Handel, sondern auch die Quantität und Qualität der Waffen erhöhte. Insgesamt wuchs der Wohlstand in der damals bei den germanischen Stämmen noch breiten Schicht der»freien«, wenn auch die Anführer und ihre Familien am meisten profitierten. Für die meisten Römer war indessen Persien die große Gefahr, während man die Germanen mit militärischen und vor allem diplomatischen Mitteln glaubte, leicht in Schach halten zu können. So erschien die Geschichte des Imperiums den meisten Zeitgenossen bis zum letzten Viertel des 4. Jahrhunderts bei allen kurzzeitigen Rückschlägen und inneren Wirren als fast durchgängige Erfolgsgeschichte was sie ja durchaus auch war. Einen Fall des Imperiums in den nächsten hundert Jahren hätten auch die größten Pessimisten nicht vorausgesehen. Gleichwohl erkannten Realisten, dass das Reich nicht nur an seine an den Marksteinen sichtbaren Grenzen gestoßen war eine weitere Aus- oder gar Überdehnung konnte es sich nicht leisten, die Ernährung der Bevölkerung, die Finanzierung von Infrastruktur und Militär konnten gerade noch aufrechterhalten werden, die durchaus vorhandenen Rücklagen wurden knapper.
8 Die hundert Jahre vor dem Ende +++
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