Kinder- und Jugendanwaltschaft, Schießstätte 12, 6800 Feldkirch, Tel ,
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- Hetty Bretz
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1 Stellungnahme der Kinder- und Jugendanwaltschaft zu möglichen Kürzungen bei der Mindestsicherung Anregungen und Forderungen aus vergangenen Jahren Feldkirch, im März 2016 Die Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) nimmt aus aktuellem Anlass bundes- und landesweite Diskussion über mögliche Deckelung Stellung und erneuert bereits formulierte Anregungen. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist ein Instrument der Armutsbekämpfung und der Absicherung menschlicher Grundbedürfnisse. Für die kija ist es unerlässlich, dass hilfebedürftige Kinder, Jugendliche und deren Familien in ausreichender Höhe, rasch und zuverlässig Unterstützung erhalten. Deckelung der Mindestsicherung Stellungnahme zur laufenden Debatte Dem Vorhaben zur Deckelung der Mindestsicherung bei Mehr-Kind-Familien steht die kija ablehnend gegenüber. Eine derartige Kürzung würde sich insbesondere auch hinsichtlich der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder auswirken und würde die Armutsgefährdung dieser Familien/Kinder zusätzlich verstärken (nach den der kija vorliegenden Informationen wären allein in Vorarlberg ca. 700 Kinder von einer Deckelung betroffen). So erhöhen sich erfahrungsgemäß die Lebenshaltungskosten auch mit der Anzahl der zu versorgenden Kinder. Auch erhöhen sich die Lebenshaltungskosten mit zunehmendem Alter der Kinder. Dieser Umstand findet sowohl in der Familienbeihilfe vorgesehenen Altersstaffelung und den Mehr-Kind-Zuschlägen gemäß Familienlastenausgleichsgesetz, als auch in den Regelbedarfssätzen im Kindesunterhalt Berücksichtigung. Die Einführung einer Altersstaffelung für Kinder in der Mindestsicherung und die Erhöhung der Mindestsicherungssätze mit zunehmendem Alter der Kinder sind eine langjährige Forderung der kija. Ohne die diskutierten Regelungsvorschläge zur Mindestsicherung genau zu kennen, möchten wir in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass eine Deckelung der Mindestsicherung auch verfassungsrechtlich bedenklich scheint und im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz fragwürdig ist. Auch auf das BVG-Kinderrechte sei an dieser Stelle hingewiesen: Gem. Art 1 hat jedes Kind Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung, sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen die Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Im Falle einer Deckelung der Mindestsicherung bei Mehr-Kind-Familien wird das Kindeswohl nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.
2 Kürzung der Mindestsicherung Zwei-Klassen-Gesellschaft Ebenfalls kritisch betrachtet die kija das Vorhaben, die Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte und befristete Asylberechtigte zu kürzen. Die Mindestsicherung gegenüber dem angeführten Personenkreis zu kürzen scheint bedenklich. Die Mindestsicherung hat den Zweck, die notwendigen Hilfen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens sicherzustellen. Die Lebenshaltungskosten sind in Österreich für alle hier lebenden Menschen gleich hoch. Eine sachliche Begründung für eine Kürzung lässt sich nach Meinung der kija nicht finden. Ebenfalls wären von solchen Maßnahmen auch Familien und deren Kinder negativ betroffen. Auf völkerrechtlicher Ebene besteht gemäß Artikel 3 der UN-Kinderrechtekonvention die Verpflichtung zur Beachtung des Kindeswohles. Artikel 2 der Konvention sieht vor, dass sämtliche in ihr verbürgten Rechte auf alle Kinder unterschiedslos, d.h. ohne Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status angewendet werden müssen. Daraus ergibt sich, dass das Kindeswohl auch bei subsidiär schutzberechtigten Kindern und Jugendlichen oder Kindern und Jugendlichen mit befristeter Asylberechtigung eine vorrangige Erwägung sein muss, sodass bei allen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohles derselbe Maßstab anzuwenden ist, wie auf einheimische Kinder. Auch auf Art 1 BVG-Kinderrechte sei an dieser Stelle hingewiesen. Bereits in den Jahren 2013 und 2015 hat die kija Vorschläge zur Änderung des Mindestsicherungsgesetzes und der Mindestsicherungsverordnung eingebracht. Ein Überblick über Anregungen und Forderungen der kija folgt nachstehend. Auszug aus den Stellungnahmen Auf die Bedürfnisse von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen besonders einzugehen, ist uns ein wichtiges Anliegen. Deshalb bitten wir die unten ausgeführten Änderungsvorschläge zum Mindestsicherungsgesetz (MSG) und zur Mindestsicherungsverordnung (MSV) in die laufende Diskussion zur Armutsbekämpfung einfließen zu lassen: 1. Keine Rückforderung von Überbezügen bei Versorgungspflichten gegenüber Kindern Aus verschiedenen Gründen kommt es immer wieder zur Rückforderung von Überbezügen aus der Mindestsicherung. Gemäß 9 Abs 2 MSG darf ein Kostenersatz nur insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Mindestsicherung gefährdet würde. Diese Bestimmung erscheint in zweierlei Hinsicht kritisch. Erstens sind Ermessensspielräume im Vollzug problematisch, da es der Einschätzung der jeweiligen Mitarbeiterin bzw. des jeweiligen Mitarbeiters obliegt, wann der Erfolg der Mindestsicherung gefährdet ist. Ermessensspielräume gewährleisten somit kein einheitliches Vorgehen in der Vollzugspraxis. Zweitens trifft die Rückforderung des Überbezuges nicht nur jenes Familienmitglied, das den Überbezug zu verantworten hat, sondern ebenso alle anderen Familienmitglieder (insbesondere Kinder und Jugendliche), da der gesamte Haushalt die Folgen des Abzuges zu tragen hat.
3 Die kija möchte deshalb anregen, den 9 Abs 2 MSG insoweit zu ändern, als eine Rückforderung von Überbezügen in jenen Fällen auszuschließen bzw. aufzuschieben ist, in denen nicht selbsterhaltungsfähige Kinder im gemeinsamen Haushalt zu versorgen sind. Entsprechende Rückforderungen sollten erst nach dem Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder möglich sein. Etwaige Vorkehrungen zur Abwendung einer Verjährung könnten vorgesehen werden. Die Möglichkeit Mitarbeitende in der Vollziehung mittels Erlass zum oben beschriebenen Verhalten anzuhalten, wird abgelehnt, da Erlässe für die Betroffenen wenig Rechtssicherheit bieten, nicht einklagbar sind und leicht abgeändert werden können. 2. Einführung einer Altersstaffelung für Kinder in der Mindestsicherungsverordnung Angeregt wird, die Mindestsicherungssätze den altersentsprechenden Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen anzupassen und eine entsprechende Staffelung in der Mindestsicherungsverordnung vorzusehen. Im 6 Abs 1 lit c MSV ist ein vom Alter unabhängiger Mindestsicherungssatz für Minderjährige vorgesehen. Dies entspricht nicht den tatsächlichen finanziellen Erfordernissen für Kinder. So ist auch bezüglich Unterhaltsleistungen ein Regelsatzbedarf (Durchschnittsbedarf, den ein durchschnittliches Kind in Österreich in dieser Altersgruppe aufweist) festgelegt, der eine Altersstaffelung vorsieht und Kostensteigerungen aufgrund des Alters berücksichtigt. Auch die in der Familienbeihilfe vorgesehene Altersstaffelung nimmt auf die zunehmenden Kosten Rücksicht, kann aber für die fehlende Altersstaffelung in der MSV unserer Ansicht nach keinen Ausgleich schaffen. Zwar liegt Vorarlberg mit den festgelegten Mindestsicherungssätzen für Minderjährige deutlich über dem Mindeststandard der Vereinbarung gem. Art 15a BVG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung. Jedoch ergibt sich im Bundesländervergleich bei einem Berechnungszeitraum von einem Jahr, dass Vorarlberg bei der Mindestsicherung für Minderjährige lediglich an der 7. Stelle liegt (Mindestsicherung in Österreich weiterhin Unterschiede zwischen den Ländern, ÖGPP, Hauenschild Oktober 2012). Dem Ziel, Vorarlberg zum kinder-, jugend- und familienfreundlichsten Bundesland zu machen, könnte mit der Einführung einer Altersstaffelung und einer entsprechenden Erhöhung der Mindestsicherungssätze weiter entsprochen werden. Die kija regt deshalb an, eine Altersstaffelung für Kinder in der MSV vorzusehen und die Mindestsicherungssätze den tatsächlichen Kosten der Kindererziehung anzupassen.
4 3. Kostentragung für Tagesbetreuung aus Mitteln der Mindestsicherung Derzeit sind die Kosten für eine Tagesbetreuung nicht in den Sätzen der Mindestsicherung enthalten. Kosten für Tagesbetreuung zählen daher allenfalls zu den Sonderleistungen gem. 4 MSV. Aus mindestsicherungsrechtlicher Sicht besteht somit kein Rechtsanspruch auf Übernahme dieser Kosten. Die zuständigen Mitarbeitenden prüfen im Einzelfall die Hilfsbedürftigkeit der Familie und bestimmen den zumutbaren Einsatz der eigenen Kräfte und Mittel. Auch hier ist ein Ermessenspielraum gegeben, der für die betroffenen Familien wenig Rechtssicherheit bietet und zu einer unterschiedlichen Vollzugspraxis führt. Sozial benachteiligte Kinder werden durch die derzeitige Regelung zusätzlich benachteiligt. Im Sinne der Chancengleichheit sollten die Kosten für notwendige und sinnvolle Tagesbetreuung aus Mitteln der Mindestsicherung übernommen und ein diesbezüglicher Rechtsanspruch auf Kostentragung geschaffen werden. Gerade für mindestsicherungsbeziehende Kinder könnten so Voraussetzungen geschaffen werden, dass diese frühzeitig Fähigkeiten erlangen, die ihre weitere schulische Laufbahn fördern, im späteren schulischen und beruflichen Leben aber nur schwer nachgeholt werden können. 4. Antragsrecht für mündige Minderjährige/Ausbezahlung der Mindestsicherung an von besonderen Härtefällen betroffene mündige Minderjährige Tatsächlich gibt es verschiedene Gründe (z.b. Vernachlässigung, Gewalt), weshalb Jugendliche nicht im selben Haushalt mit ihren Obsorgeberechtigten leben können und gleichzeitig mittellos sind. Manche von ihnen werden auch nicht in Einrichtungen der Kinderund Jugendhilfe betreut. Diese schwierige Situation mündiger Minderjähriger muss auch im MSG bzw. in der MSV berücksichtigt werden. Gemäß 37 MSG kann jeder Hilfsbedürftige in seinem Namen Mindestsicherung beantragen. Die allgemeinen Regelungen über die Vertretung bleiben unberührt. Damit verweist 37 MSG auf 9 AVG, der wiederum in Bezug auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit auf das bürgerliche Recht verweist. Mündige Minderjährige sind nicht voll geschäftsfähig und können deshalb nach den angeführten Bestimmungen keine eigenständigen Anträge auf Mindestsicherung stellen. Die kija regt deshalb an, die Möglichkeiten eines Antragsrechtes für mündige Minderjährige in sozialen Härtefällen im MSG zu prüfen und entsprechende Regelungen vorzusehen. Weiters möchten wir auf die in Tirol und der Steiermark geltenden Mindestsicherungsvorschriften hinweisen und eine entsprechende Regelung für Vorarlberg anregen: So ist im 5 Abs 4 Tiroler Mindestsicherungsgesetz und im 10 Abs 1 Steirisches Mindestsicherungsgesetz ein Mindestsicherungssatz für alleinstehende (mündige) Minderjährige vorgesehen. Auch diese beiden Gesetze sehen vor, dass die Mindestsicherung auf Antrag oder von Amts wegen zu gewähren ist. Eine amtswegige Genehmigung der Mindestsicherung erfolgt in Tirol und der Steiermark häufig über Anregung der Kinder- und Jugendhilfe.
5 Die Auszahlung der Mindestsicherung erfolgt direkt an die minderjährige Person. Der Mindestsicherungssatz richtet sich dabei nach den Sätzen für alleinstehende bzw. alleinerziehende Personen. Für alleinstehende mündige Minderjährige die schwerwiegende soziale Situationen zu meistern haben, regt die kija deshalb an, in der MSV entsprechende Mindestsicherungssätze vorzusehen und diese jenen für alleinstehende und alleinerziehende Personen anzupassen, sowie eine Auszahlung der Mindestsicherung an mündige Minderjährige zu ermöglichen. Sozial schwerwiegende Situationen sind beispielsweise, dass Jugendlichen nicht mehr zugemutet werden kann, weiterhin im Elternhaus zu wohnen (schwerwiegende Kinder- und Jugendhilfeindikationen). Der Anspruch auf Mindestsicherung würde Jugendlichen in besonderen Notlagen ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die kija Vorarlberg wird auch bei einer neuerlichen Novellierung diese Anregungen und Forderungen aufrechterhalten. DSA Michael Rauch Kinder- und Jugendanwalt des Landes Vorarlberg
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