Norbert Geis Mitglied des Deutschen Bundestages
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- Eugen Lorenz
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1 Norbert Geis Mitglied des Deutschen Bundestages Platz der Republik 1 Wilhelmstraße 60, Zi Berlin Tel: (030) Fax: (030) norbert.geis@bundestag.de 1 Rede zur 2./3. Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung und zum Betrieb eines bundesweiten Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen (Hilfetelefongesetz HilfetelefonG) (Drs. 17/ 7238) Rede gehalten in der 146. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, den 01. Dezember 2011 Rede geht zu Protokoll 40 % der in Deutschland lebenden Frauen werden in ihrem Leben mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Das ist auch im europäischen Vergleich ein hoher Anteil. Dabei fällt auf, dass bestimmte Frauengruppen deutlich stärker von Gewalt betroffen sind, als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung in Deutschland. Die Opferschutzorganisation der Weiße Ring hat ermittelt, dass Migrantinnen, Bewohnerinnen von Asylbewerberheimen und Prostituierte in höherem Maß der Gewalt ausgesetzt sind, als Frauen, die stärker in unsere Gesellschaft integriert sind. Das kann nicht verwundern. Diese Frauen leben in einem Milieu, in dem Gewalt nicht selten an der Tagesordnung ist. Gerade deshalb aber müsste die Polizei hier eine größere Präsenz zeigen und stärker durchgreifen. Es darf nicht sein, dass Migranten in ihrem Ghetto leben, in das die staatliche Gewalt nicht hineinreicht. Deshalb muss den Migranten klar gemacht werden, dass sie in Deutschland leben und nicht in einem Land, in dem es keine Besonderheit ist, wenn Männer ihre Frauen schlagen. Auch wenn die Sharia Gewalt gegen Frauen in bestimmten Fällen zulässt. In
2 Deutschland gilt das Strafgesetzbuch und danach sind Gewalttaten mit Körperverletzung strafrechtlich zu verfolgen. 2 Die Frauen von Migranten müssen sich aber selbst auch stärker zur Wehr setzen. Sie dürfen die Gewalt, die sie erfahren müssen, nicht einfach hinnehmen. Untersuchungen der Universität Ankara habe ergeben, dass Frauen türkischer Herkunft eher bereit sind, Gewalt von ihrem Partner hinzunehmen, als deutsche Frauen. Wenn aber eine Frau sich wehrt und Strafanzeige erstattet, muss die Polizei und die Staatsanwaltschaft dieser Sache auch nachgehen und darf sie nicht als privaten Streit abtun. Hier kann das Hilfetelefon große Bedeutung erlangen. Solche Frauen wenden sich nicht so schnell an Frauenhäuser oder die Behörden. Sie sind aber bereit das Telefon als ein erstes, anonymes Hilfeangebot anzunehmen. Wir reden viel von Integration. Hier ist ein Ansatzpunkt. Den Männern ausländischer Herkunft muss klar gemacht werden, dass Gewalt gegen Frauen ein schlimmes Vergehen, ja auch ein schweres Verbrechen sein kann, das entsprechend geahndet werden muss. Nur wenn solche Gewalttäter erkennen, welche Folgen ihr Verhalten hat, werden sie umdenken und sich in ihrem Verhalten anpassen. Das gleiche gilt für Prostituierte und Frauen in Asylbewerberheimen, die überproportional oft Gewalttätigkeit ausgesetzt sind. Auch hier muss die Polizei mehr als bisher eingreifen und solche Straftaten verfolgen. Die sozialen Dienste müssen stärker auf solche Vorfälle in diesem Milieu achten. Gerade für diese Frauen kann das mehrsprachige Hilfetelefon ein große Hilfe sein. Denn dort können sie in Ihrer Muttersprache ihre Sorgen der Mitarbeiterin am anderen Ende des Hilfetelefon kund tun und ohne Angabe von persönlichen Daten fachkundigen Rat erhalten. Auch kann
3 von dort durch entsprechende Benachrichtigung der Behörden Unterstützung herbeigerufen werden. 3 Gewalt gegen Frauen gibt es aber nicht nur in den drei vorgenannten Gruppen. Gewalt wird mindestens im selben Umfang auch gegen deutsche Frauen von deutschen Männern verübt und dies sehr oft in der häuslichen Umgebung, in der eigenen Wohnung, also im privaten, intimen Bereich. In 2/3 dieser Fällen, so sagt uns eine Studie aus dem Familienministerium, kommt es zu schweren bis lebensbedrohlichen Verletzungen. Opfer sind oft Schwangere, die in einer besonderen hilflosen Situation sind, aber auch Mädchen mit Behinderungen, insbesondere auch geistigen Behinderungen, die sich nicht wehren können. Die Folgen sind nicht selten schwere körperliche, aber auch schwere psychische Schäden. Meist kommt diese Gewalt im intimen Bereich der Wohnung von ehemaligen oder auch aktuellen Partnern. Die betroffenen Frauen sind dann nicht selten so sehr in ihrem Innersten verletzt, so eingeschüchtert, dass sie außerstande sind, sich selbst aus diesem Teufelskreis von Privatheit, Abhängigkeit und Gewalt zu befreien. Wegen dieser außerordentlichen Betroffenheit sind diese Frauen auch gar nicht in der Lage, sich an die nächstmögliche Einrichtung zu wenden, um Hilfe zu suchen. Dies, obwohl wir in Deutschland ein dichtes Netz von entsprechenden Einrichtungen haben. Die von Gewalt bedrohten Frauen wenden sich aus den verschiedensten Gründen nicht an solche Einrichtungen. Sie schämen sich. Sie wollen nicht, dass ihre Situation bekannt wird. Sie haben Angst vor ihrem Partner, er könne davon erfahren und sie erneut schlagen und quälen und so ihre Not nur noch vergrößern. Aus all diesen Gründen nehmen 80 % der betroffenen Frauen die angebotene Hilfe nicht in Anspruch.
4 4 Von daher ist es nicht nur richtig, sondern dringend geboten, ein niederschwelliges Angebot vorzuhalten, das schnell erreichbar ist. Diese Aufgabe kann das geplante bundesweite Hilfetelefon leisten. Dort können die Frauen kostenlos, anonym, auch in fremder Sprache, anrufen und so Hilfe erlangen. Entscheidend ist, dass dieses Telefon barrierefrei, d. h. kostenlos, jederzeit und ohne Probleme benutzt werden kann, dass die Telefonnummer bekannt ist und am anderen Ende immer sofort abgehoben und von geschultem Personal sofort entsprechend beraten und nach Unterstützung gesucht wird. Bei Gefahr im Verzug kann sofort die Polizei, die Feuerwehr und der Krankenwagen gerufen und die Justiz verständigt werden. Immer aber muss die Anonymität der Anruferin gewahrt bleiben und die Daten müssen wieder gelöscht werden, wenn keine Notwendigkeit zur Speicherung mehr besteht. Das Hilfetelefon kann auch von den Kindern, von Verwandten, Nachbarn, Kollegen und Kolleginnen, Bekannten aber auch Personen beansprucht werden, die ganz zufällig von der Gewalt gegen eine Frau Kenntnis erhalten. Auch Personen, die durch ihren Beruf, seien es Beraterinnen, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder im medizinischen Dienst mit Gewalt konfrontiert werden, können das Hilfetelefon beanspruchen und sich Rat holen. Die Hilfe, die angeboten wird, ist breit gefächert. Das bundesweite Hilfstelefon wird nicht nur technisch, sondern vor allem auch personell hervorragend ausgestattet sein. Jährlich sind für das Hilfetelefon rund 6 Millionen Euro veranschlagt. Der Ministerin ist für Ihre Initiative sehr zu danken. Entscheidend aber ist, dass sich unsere Gesellschaft durch nachbarschaftliche Hilfe und durch ein größeres bürgerschaftliches Engagement der gefährlichen Tendenz
5 5 zur Gewalt widersetzt. Die Menschen in deren Nähe sich Gewalt ereignet, dürfen nicht wegschauen. Sie müssen private Initiative entwickeln und sofort die Polizei rufen. Der Gewalttäter muss spüren, dass er auf eine geschlossene Ablehnung in der Gesellschaft stößt, die auch zur handfesten Gegenwehr fähig ist. Insbesondere aber muss der Staat in stärkerem Maße die Gewalt verfolgen. Er muss wegkommen von der Vorstellung, wenn der Partner die Partnerin schlägt, handele es sich um eine Privatangelegenheit und die Staatsanwaltschaft könne ein solches Verhalten auf den Privatklageweg verweisen, weil kein öffentliches Interesse bestehe. Im Gegenteil. Durch solche Gewalttaten wird die öffentliche Ordnung ganz empfindlich verletzt. Der Friede in der Gesellschaft und die Rechtsordnung werden dadurch viel stärker gefährdet, als durch ein Fehlverhalten im Straßenverkehr. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ist in solchen Fällen immer gegeben. Staatsanwaltschaft und Gerichte müssen deshalb einschreiten. Die weitverbreitete Auffassung, es handle sich bei häuslicher Gewalt um ein privates Delikt, das die Öffentlichkeit nichts angehe, ist falsch. Gerade Gewalt in der intimen Sphäre der eigenen Wohnung ist besonders verwerflich. Hier liegt nicht nur eine Verletzung von Art. 1 und Art. 2 GG vor, sondern auch eine Verletzung des hohen Rechtsgutes der eigenen Wohnung. Durch solche schweren Verfehlungen wird immer auch der öffentliche Frieden verletzt.
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