ERASMUS-Erfahrungsbericht: Joensuu, Finnland 2011/12

Transkript

1 ERASMUS-Erfahrungsbericht: Joensuu, Finnland 2011/12 Vorbereitung Den Entschluss am ERASMUS-Programm teilzunehmen habe ich Dank zwei guten Freundinnen gefasst, die mich mit ihrem Erasmus-Fieber angesteckt haben. Nach einer tollen Erasmus-Informationsveranstaltung im Dezember 2010 fiel meine Wahl auf Joensuu, Finnland. Alles war perfekt: kein "normales" Land, ein breites Kursangebot im Bereich Umweltwissenschaften, Unterrichtssprache Englisch. Die Bewerbung ist eigentlich unkompliziert, aber man kann mit den zusätzlich einzureichenden Unterlagen schnell etwas durcheinander kommen. Außerdem hat man - zumindest beim Fachbereich VI - kompetente Ansprechpartner, die immer gerne helfen. Für Finnland ist ein Sprachtest in Englisch erforderlich, der aber machbar ist, wenn man gute (Schul-)Englischkenntnisse hat. Auf Weboodi (ähnlich wie LSF) kann man sich schon vorab das Vorlesungsverzeichnis anschauen und nach passenden Kursen suchen. Um die Anerkennung habe ich mich erst nach der Rückkehr gekümmert. Das ist zwar möglich, aber ich würde es im Nachhinein jedem empfehlen schon vorher alles mit den Dozenten an der Heimathochschule abzuklären. Reise nach und Ankunft in Joensuu Um nach Joensuu bzw. nach Deutschland zu kommen habe ich bei der Hin- und Rückreise die Ryanair-Zug-Variante gewählt. Von Frankfurt-Hahn nach Tampere gibt es immer wieder günstige Flüge für z.b. ca. 85 mit insgesamt 45 kg Gepäck. Der Zug kostet ohne finnischen Studentenausweis 60 (mit 30 ). Nachteil: Man ist insgesamt um die 14 Stunden unterwegs. Man kann aber auch direkt nach Joensuu fliegen (mit 1 oder 2 Zwischenstopps). Diese Flüge kosten mindestens 300 (hin und zurück), nach oben ist keine Grenze gesetzt. Alles "Lebensnotwendige", was ich nicht mehr in die Koffer bekommen habe, habe ich mir per Post nachschicken lassen. Das ist nicht ganz billig, aber für ein paar Kilogramm geht es (Versandkosten der einzelnen Paketdienste vergleichen!). Von Finnland nach Deutschland ist es nochmal etwas teurer (ca. 26 für 10 kg). Die Ankunft oder das Ankommen in der noch fremden Stadt wird einem wirklich sehr leicht gemacht. Jeder wird schon im Vorfeld einer Tutorgruppe zugeteilt. Die Tutoren nehmen

2 schon einige Wochen vor Uni-Beginn Kontakt mit ihren Schützlingen auf, geben nützliche Tipps und stehen immer für Fragen zur Verfügung. Wenn man ihnen rechtzeitig Bescheid gibt wann man ankommt, holen die Tutoren vorher den Zimmerschlüssel ab und fahren (meistens) auch mit bis zur Wohnung. University of Eastern Finland - Campus Joensuu In Joensuu ist man als Erasmus-Student wirklich gut aufgehoben. Man hat immer Ansprechpartner wenn man Fragen hat. Man bekommt schon einige Wochen vor Semesterbeginn ein Infopaket zugeschickt und zusätzlich sind am Anfang des Semesters mehrere Orientationdays. Bild 2: University of Eastern Finland, Joensuu Die Uni ist nicht riesig, aber für finnische Verhältnisse hat sie schon eine beachtliche Größe. Ich habe mich als Studentin im Studiengang Environmental Sciences für das Studienprogramm Environmental Sciences and Forestry eingeschrieben. Man kann sich dann bei der Studentunion anmelden. Die Mitgliedschaft für zwei Semester kostet ca Das lohnt sich auf jeden Fall, denn man bekommt einen Rabatt für die Mensa (2,20 für einen vollen (!) Teller, Wasser, Salat und Brot so viel man will), 50 % auf Zugtickets innerhalb von Finnland und man kann die Student Health Services kostenlos nutzen. Letzteres ist eine universitätseigene Krankenstation. Die Dozenten/innen in meinem Fachbereich waren zu 95 % sehr kompetent und immer für Fragen offen. Die meisten sprechen auch sehr gut und sicher englisch, nur bei 1 oder 2 Lehrern hatte ich das Gefühl, dass sie sich nicht ganz wohl mit der englischen Sprache fühlen. Was die Klausuren angeht kann man sagen, dass es, wie in Deutschland auch, mal leichte und mal schwere Klausuren gibt. Englische Wörterbücher sind natürlich erlaubt. Der Stundenplan ändert sich in Finnland von Woche zu Woche, da es nur Blockveranstaltungen gibt. Man hat 1 bzw. 2 Wochen nach Ende des Kurses die erste und die zweite Klausurmöglichkeit. Zusätzlich gibt es einmal pro Monat den sogenannten General Examination Day. Außerdem werden Sprachkurse angeboten, z.b. auch Finnisch. Für Anfänger ohne Vorkenntnisse gibt es Survival Finnish (reicht für 1 Semester Aufenthalt) und Finnish 1 (für Interessierte und 2 Semester Aufenthalt). Mir hat der Finnish 1 Kurs sehr gut gefallen. 2

3 Wohnung und Finanzielles Die Wohnungssuche ist unkompliziert in Joensuu, aber man sollte trotzdem keine Zeit verlieren. Letztes Jahr zum Wintersemester 2011/12 hatten einige Austauschstudenten Bild 3: Karjamäentie 4 im Februar anfangs noch keine Wohnung und mussten für kurze Zeit in Notunterkünfte. Man kann sich ganz einfach bei der lokalen Wohnungsgesellschaft Joensuun Elli für eine Wohnung bewerben. Austauschstudenten werden hauptsächlich in den Wohngebieten Karjamäentie, Latolankatu und Noljakka am Stadtrand einquartiert. Ich habe in einer 3er-WG in Karjamäentie 4 gewohnt (ca. 4 km zur Uni) und war damit sehr zufrieden. Für ein möbliertes Zimmer (mit Internet-Flatrate, Bett, Schreibtisch, Drehstuhl, Schrank, Regal, ca. 20 m²) habe ich 225 bezahlt. Waschmaschinen und Trockner muss man reservieren, sind aber kostenlos. Außerdem ist einmal pro Woche kostenlose Sauna-Time - natürlich nach Geschlechtern getrennt. Finnland ist definitiv immer noch teurer als Deutschland was die Lebenshaltungskosten angeht, v.a. Lebensmittel (bis zu 30 % mehr). Ich habe monatlich insgesamt ca ausgegeben (inkl. Miete, größere Reisen nicht eingerechnet). Transport Transportmittel Nummer 1 in Joensuu ist eindeutig das Fahrrad. Vor allem ist es die billigste Variante. Second Hand Fahrräder gibt es eigentlich immer zu kaufen oder man mietet sich eins für die Aufenthaltszeit. Meistens bezahlt man für ein gebrauchtes Fahrrad (wenn man sich mit einem älteren Modell zufrieden gibt). Die Mietgebühr für 10 Monate kostet ca. 68. Die Busverbindungen sind tagsüber recht gut. Allerdings fahren die Busse abends nicht allzu lange, sodass man spätestens ab 24 Uhr Taxis nutzen muss. Ein Monatsticket für den Bus ist mit ca. 57 recht teuer. Wenn man bei der Student Union angemeldet ist, bekommt man eine Student Card, mit der man 50 % Rabatt auf alle Zugfahrten innerhalb von Finnland bekommt. Das macht das Reisen über weite Strecken um einiges billiger. Auch das Fernbusnetz ist gut ausgebaut. 3

4 Leute und Leben Die Finnen sind wirklich nette Leute. Teilweise etwas schräg, aber nett. Manchmal schüchtern und zurückhaltend, aber nicht ganz so schlimm wie man vermuten könnte wenn man an das Klischee vom wortkargen, schüchternen Finnen denkt. Die jüngeren Finnen, v.a. die Studenten, sprechen meistens sehr gut Englisch. Nicht außer Acht zu lassen sind natürlich die niedrigen Temperaturen im Winter (bis zu -30 C ist normal). Das ist aber alles halb so schl imm, denn warme Kleidung und Schuhe wurden ja nicht umsonst erfunden. Die lange Dunkelheit hat sich schon etwas auf meinen Tagesrhythmus ausgewirkt bzw. diesen etwas durcheinander geworfen, aber so schlimm, dass man gleich Depressionen bekommt, ist es wirklich nicht. In Joensuu leben etwas über Menschen. Ein vergleichsweise hoher Anteil davon sind Studenten. Bevor man sich also für diese Stadt entscheidet, muss man sich klar machen, dass Joensuu nun mal eine eher kleine Stadt ist. Dennoch werden viele kulturelle Veranstaltungen angeboten. Die Stadt an sich ist vielleicht nicht die allerschönste, aber trotzdem erkennt man nach einiger Zeit ihren Charme. Am Fluss, am See oder in den umgebenden Wäldern findet man unendlich viele schöne Plätze (Tipp: Koli Nationalpark in ca. 75 km Entfernung). Langweile gibt es während dem Erasmus-Jahr eigentlich nicht. Wenn man nicht allein sein will, ist man auch nicht allein. Wir haben alles Mögliche privat organisiert, wie z.b. Kochabende (mit Ländermottos), Plätzchen backen vor Weihnachten, eine Osterfeier etc. Zudem werden auch von ESN (Erasmus Student Network), der Studentunion oder den Fakultäten viele Veranstaltungen organisiert, wie z.b. eine Welcome-Party, Länderabende, Sport-Tage und natürlich Reisen (Nationalpark Koli, Stockholm, St. Petersburg, Lappland, alles wirklich tolle Fahrten und sehr zu empfehlen). Auch das Nachtleben kommt in Joensuu nicht zu kurz (Clubs: Night, Bepop, Kerubi, Bars: Jet Set, Palaveri, Bar Play). Außerdem gibt es ein Kino und ein Schwimmbad und in der Arena werden viele Sportarten gespielt, an denen man einfach so teilnehmen kann (z.b. Fußball, Volleyball, Basketball). Die Uni hat auch ein eigenes Fitnessstudio, das man kostenlos nutzen kann. Was man außerdem auf jeden Fall machen muss ist Eisschwimmen (im Polarbear-Club am See)! Bild 4: Stockholm Bild 5: Sauna vor dem Bad im Arktischen Ozean in Norwegen 4

5 Fazit Leider habe ich doch nicht so viele Kurse anerkannt bekommen, wie ich gedacht habe, was z.b. daran lag, dass einige passende Kurse leider nur alle zwei Jahre angeboten werden. Trotzdem hat das Studieren und das Leben in Finnland sehr viel Spaß gemacht und ich kann sagen, dass ich mit Joensuu die richtige Wahl getroffen habe. Es war eine unvergessliche Zeit und ich kann es jedem nur empfehlen. Kiitos, moi moi und viel Spaß beim Erasmus-Aufenthalt! Nützliche Internetlinks Universität: Weboodi: Joensuun Elli: Zugverbindungen: Busverbindungen: Post/Paketpreise: