Es war der 24. Dezember 1944, draussen Schnee und eisige Kälte. Plötzlich klopfte es an die Tür. Mutter eilte

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1 Weihnachten im Krieg! im Krieg Vor dem letzten Weltkrieg ging mein Vater nach Frankreich, nahe der Grenze, auf die Jagd. An Wochenenden bewohnte er jeweils ein kleines Häuschen in den Ardennen, nahe der Belgisch-Deutschen Grenze. Es lag mitten in den Wäldern. Als unsere Heimatstadt im 2. Weltkrieg immer mehr bombardiert wurde, schickte uns Vater in jenes Jagd-Häuschen in den Wäldern der Ardennen. Als 12 jähriger Junge war ich nun mit der Mutter soweit in Sicherheit. Vater war im Luftschutzdienst eingezogen und 6 Km von der Grenze entfernt. Eine Woche vor Weihnachten im Jahre 1944 hatte General Feldmarschall von Rundskedt mit der letzten, verzweifelten deutschen Offensive begonnen, und es tobte ringsum die Ardennenschlacht. Aus der Ferne hörten wir das dumpfe Dröhnen der Geschütze. In unserer Nähe kämpften und starben Tausende von deutschen und alliierten Soldaten. Es war der 24. Dezember 1944, draussen Schnee und eisige Kälte. Plötzlich klopfte es an die Tür. Mutter eilte 1

2 vor mir zum Ausgang und stiess die Türe auf. Sie legte ihre Hand auf meine Schulter und stand schweigend da, fast unfähig sich zu bewegen, denn es waren feindliche Soldaten; Amerikaner. Die Männer waren bewaffnet, aber sie rührten sich nicht. Sie baten mit einem Wink und mit den Augen um Einlass. Einer war verwundet, den stützten die beiden anderen. Keiner sprach Deutsch, so versuchte es Mutter mit Französisch, und in dieser Sprache konnte sich einer der Männer einigermassen verständigen. Der Verwundete wurde auf mein Bett gelegt, er hiess Harry. Die andern, Jim, gross und schlank, Robin, klein und dunkel, waren durchgefroren. Mutter befahl mir, ihnen die Jacken und Stiefel auszuziehen, denn ihre Finger waren steif vor Kälte. Ich holte einen Eimer Schnee und rieb ihnen die blaugefrorenen Füsse mit Schnee ab. Mutter zerriss ein Stück Leintuch in Streifen und verband damit Harry s Wunde. Er hatte einen Schuss in den Oberschenkel bekommen und wäre beinahe verblutet. Sie hatten ihre Einheit verloren und irrten seit 3 Tagen im Wald umher. Sie waren unrasiert und sahen ohne ihre schweren Mäntel wie grosse Jungen aus, und als solche behandelte sie Mutter auch. Im stillen Gebet, legte sie die 3 in Gottes liebreiche Hände. Jim und ich halfen der Mutter beim 2

3 Weihnachtsessen. Es roch nach gutem Hackbraten, den wir schon lange gerüstet hatten. Ich deckte den Tisch, als es wieder klopfte. In der Erwartung noch mehr verirrte Amerikaner zu sehen, öffnete ich ohne Zögern. Draussen standen deutsche Soldaten. Ich war vor Schrecken wie gelähmt; ich kannte das Gesetz wohl Wer feindliche Soldaten beherbergt, begeht Landesverrat. Wir konnten alle erschossen werden. Mutter hatte Angst. Ihr Gesicht war ganz weiss; aber sie trat hinaus und sagte ruhig Fröhliche Weihnachten. Die Soldaten wünschten ihr ebenfalls eine Frohe Weihnachten. Wir haben unsere Einheit verloren und möchten gerne bis morgen früh warten, können wir bei ihnen bleiben, fragte der Unteroffizier. Natürlich :erwiderte die Mutter. Sie können auch eine gute, warme Mahlzeit haben und essen, so lange etwas da ist. Mutter fuhr ganz energisch fort: Aber, wir haben noch 3 Gäste hier, die Sie vielleicht nicht als Freunde ansehen werden. Ihre Stimme war mit einem Mal so streng, wie ich sie noch nie gehört hatte. Heute ist Heiliger Abend, da feiern wir unseres geliebten Heilandes Geburt und hier wird nicht geschossen! Wer ist drin? fragte der Unteroffizier barsch: Amerikaner? 3

4 Mutter sah jedem einzeln in das frosterstarrte Gesicht. Hört mal sagte sie langsam, Ihr könntet meine Söhne sein, und die da drinnen auch. Einer ist schwer verwundet und ringt um sein Leben, und seine beiden Kameraden sind verirrt, hungrig und müde wie ihr. Und zum Unteroffizier sprach sie: In dieser Heiligen Nacht denken wir nicht an s Töten! Der Unteroffizier starrte sie an. Für zwei, drei lange Sekunden herrschte Schweigen. Dann machte Mutter der Ungewissheit ein Ende. Da, legen Sie Ihre Waffen auf das Holz, und machen Sie schnell. Wie benommen legten sie auf die Kiste mit Feuerholz im Gang: 2 Pistolen, 3 Karabiner und weitere Munition. In dieser Zeit ging Mutter voraus und sprach mit Jim auf Französisch, er gab Robin auf Englisch wohl den Befehl weiter, und beide gaben der Mutter ihre Waffen, die sie versorgte. Als nun die Deutschen und die Amerikaner in der Stube standen, war Mutter wieder im Element. Lächelnd suchte sie jedem einen Sitzplatz. dann machte sie sich ohne von der gespannten Atmosphäre Notiz zu nehmen, an s fertig kochen. Rasch sagte sie mir: Hol noch ein Paar Kartoffeln und Haferflocken, die Jungen haben Hunger. 4

5 Während ich die Vorratskammer plünderte, hörte ich Harry stöhnen. Als ich zurück kam, beugte sich einer der Deutschen über des Amerikaners Wunde. Sind Sie Sanitäter, fragte Mutter. Nein, aber ich habe in Heidelberg bis vor wenigen Monaten Medizin studiert. Er erklärte auch den Amerikaner in fliessendem englisch, dass Harry s Wunde dank der Kälte nicht infiziert sei. Er habe nur sehr viel Blut verloren. Er brauche Ruhe und kräftiges Essen. Heinz und Willi waren aus Köln, waren erst 16, und der Unteroffizier 23 Jahre alt. Mutter schnitt den Laib schwarz Brot in Scheiben, dann sprach sie das Tischgebet mit Tränen in den Augen. Und als ich mich in der Tischrunde umsah, waren auch die Augen der kriegsmüden Soldaten feucht. Sie waren wie Buben, die einen aus Amerika die anderen aus Deutschland. Gegen Mitternacht gingen wir alle zur Türe bis auf Harry der schlief, wir schauten einen Augenblick den hellsten Stern am Himmel, den Sirius, und vergassen in diesem Augenblick den Krieg. Mutter betete noch mit uns und dankte, dass Jesus, unser Erlöser auf unsere Fluchbeladene Erde kam und das Heil brachte. 5

6 Unser privater Waffenstillstand hielt auch am nächsten Morgen an. Mutter flösste Harry Fleischbrühe ein, und wir assen Haferflocken. Dann wurde aus 2 Stöcken und Mutters bestem Tischtuch eine Tragbare für Harry angefertigt. Der deutsche Unteroffizier zeigte den Amerikanern über Jim s Karte wie sie zu ihrer Truppe zurückfinden konnten. Mutter gab allen ihre Waffen zurück, und wünschte ihnen, dass Gott sie beschütze und jeder wieder dorthin käme, wo er hingehöre: nach Hause. Allen gaben einander die Hand und wir sahen ihnen nach, bis sie in entgegengesetzter Richtung verschwunden waren. Hätten diese Soldaten nicht dies weihnachtliche Treffen im Jagdhäuschen erlebt, so wären die mörderischen Kugeln gegeneinander gerichtet geworden. So erlebten sie: Frieden auf Erden. Aus dem französischen übersetzt. F. Vincker 6