Predigt am

Transkript

1 Predigt am Heilig Abend, Christvesper Predigttext: Lukas 2,1-7 gerade haben wir wieder den biblischen Bericht des Evangelisten Lukas über die Geburt Jesu gehört. Gerne wird er auch als die Weihnachtsgeschichte angepriesen, aber wird man ihm damit gerecht? Einige der Kinder aus der Borner Grundschule schauten mich mit skeptischen großen Kinderaugen an, als ich sagte, Jesus sei nicht am geboren worden und sicher auch nicht im Jahre 0. Nun mag man streiten, ob man Kindern das so erklären sollte, wann ist der geeignete Zeitpunkt, aber erwachsene Menschen wissen, den Zeitpunkt Christi Geburt am das haben wir uns im Christentum so zu Recht gelegt. Die Missionare Deutschlands haben das parallel gefeierte rauschende Fest der Germanen zur Wintersonnenwende gerne ausgetauscht gegen das besinnliche Fest anlässlich der Geburt des Heilands der Welt. Doch das war zeitlich gesehen später. Lukas wollte wohl eher keine Weihnachtsgeschichte schreiben. Er wollte wohl eher aufschreiben, dass Gott mitten in der Geschichte der Menschheit, in ihrer Wirklichkeit, seine Geschichte, seine Wirklichkeit schrieb. Deshalb beginnt er auch so, wie er beginnt. Eben nicht im Märchenmodus, es war einmal, sondern ganz konkret. Eben so, wie wahrscheinlichen vielen unter uns bekannt und vertraut: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. da will ein Großer dieser Erde, wenn man es genau nimmt, der damals Größte dieser Erde, der Kaiser in Rom, etwas revolutionär Neues in seinem Reich einführen. Und er schreibt mit dieser Tat wirklich Geschichte. Denn, so Lukas: Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger von Syrien war. Zum ersten Mal kommt ein Herrscher auf die Idee, seine Untertanen zu zählen. Das macht er nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, oder als guter Hirte, der seine Schäfchen zählt, auf diese Idee kommt er aus rein wirtschaftlichem Interesse. Jeder Bürger seines Reiches ist ein potentieller Steuerzahler. Wenn der Kaiser weiß, wie viele Menschen in seinem Reich leben, dann kann er seine realen Einkünfte mit den möglichen vergleichen. Deshalb ordnet er an, dass jeder sich in Steuerlisten eintragen muss. So werden Steueroasen und Steuerschlupflöcher geschlossen. Das Risiko einer freiwilligen Selbstanzeige ging der Kaiser erst gar nicht ein, er machte die Anord-

2 nung zum Gesetz. Mit der Durchführung beauftragt, laut Lukas, Augustus den Statthalter und römischen Senator Publius Sulpicius Quirinius. Lukas ist es wichtig diesen Namen einzuführen, um den Leserinnen und Lesern deutlich zu machen, was nun geschieht steht in einem geschichtlichen Kontext. Und ein letztes, mit der Einleitung, es geschah zu der Zeit, knüpft Lukas an seinen Bericht vorher an. Denn auch die Geburtsgeschichte Jesu findet sich in einem großen geschichtlichen Zusammenhang wieder. Zuvor hatte Gott bereits an Elisabeth, der Tante der Mutter Jesu und ihrem Mann Zacharias auf wundersame Weise gehandelt. Die alte Frau hatte kurz zuvor einen Sohn zur Welt gebracht und so den Worten des Engels: Für Gott ist nichts unmöglich, Nachdruck verliehen. warum habe ich das alles so ausführlich nachgezeichnet? Weil es so wichtig ist, dass Glaube etwas mit der menschlichen Geschichte zu tun hat, weil Jesus keine Märchengestalt ist oder eine Comicadaption. Weil Glaube sich nicht an der Phantasie festmacht und in ihr lebt, sondern an der Wirklichkeit. Weil Christen keine weltfremden Phantasten, sondern Realisten sind. Gott kommt nicht als Fabelwesen auf Zelluloid gebannt und computeranimiert ins Fernsehen, sondern als reale Person in Fleisch und Blut in deine Welt. Wer das nicht begreift, wird nie ergriffen. Wer das nicht versteht, versteht Weihnachten nicht, steht nie auf. Der kommt nie in die Bewegung hinein, die zur Geburt, zum Leben führt. Damals kommt durch die geschichtliche Ausgangslage Bewegung in die Geschichte. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Jetzt geht es los. Jetzt macht sich Josef auf den Weg in seine Heimatstadt. Er muss gehen, weil Augustus das angeordnet hat. Und Augustus musste das anordnen, weil Gottes Heilsplan mit den Menschen das genau so vorsah. Langsam. In den Schriften des Alten Testamentes gab es die Verheißungen, also die Zeichen, die sich erfüllen mussten, wenn der Retter, der Messias, der Heiland zur Welt kommen wird. Diese Hilfe von Gott, so hatten es die Propheten an vielen Stellen vorhergesagt, würde aus dem Geschlecht Davids stammen. Nicht umsonst schreibt Matthäus, ein Kollege von Lukas, in seinem Bericht über Jesus den ganzen Stammbaum von Jesus auf und setzt diesen an den Anfang seines Evangeliums. Hier kann man die Namen nachlesen und von David führt eine direkte Linie zu keinem anderen als zu Josef. Lukas schreibt an dieser Stelle: Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, Andere Stellen sagen aber auch, der Heiland wird in Bethlehem geboren werden, einem kleinen Ort in der Nähe der Hauptstadt Jerusalem. Genau aus diesem Ort stammt Josef. Aber er wäre niemals in diesen Ort gegangen, der im Süden des Landes liegt, weil er seit langer Zeit im Norden, in Nazareth zu Hause war. Erst die Anordnung des Kaisers brachte ihn wieder in seine Geburtsstadt. Gemeinsam mit seiner Anvertrauten musste er dorthin. Maria war mit Josef zusam-

3 men. Der rein formale Akt der Trauung war noch nicht vollzogen, aber rechtlich waren die beiden verbunden. Denn auf der einen Seite waren sie mehr als verlobt und auf der anderen Seite hatte er sich zu dem Kind, das Maria unter dem Herzen trug, bekannt, weil er bei ihr geblieben war und sich nicht von ihr getrennt hatte. Und, liebe Gemeinde, genau zu dem kritischen Zeitpunkt, den Lukas schlicht beschreibt mit den Worten sie ward schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, da sie gebären sollte. Also in hochschwangerem Zustand machen sich die beiden auf den Weg. Augustus hatte seinen Plan genau in dem Moment angeordnet, als er in den Plan Gottes passte. Genau in diesem Moment. Liebe Gemeinde. Weihnachten hält uns Menschen wieder mehr als deutlich vor Augen, es gibt keine Zufälle im Leben. Es gibt nicht so etwas wie Kismet oder Schicksal, es gibt einen Plan und zwar einen Heilsplan. Das bedeutet, Gott möchte das, was kaputt gegangen und aus den Fugen geraten ist, wieder heil machen. Gott repariert, was aus den Fugen geraten ist, er macht ganz, was auseinandergefallen ist. Er hebt auf, was am Boden liegt. Gott macht dich heil. Deshalb heißt sein Sohn auch Jesus, das heißt übersetzt, Gott hilft. Du bist heute hier weil Gott dich hierhergebracht hat. Du bist hier, weil er dir begegnen will. Du bist nicht hier, weil das Schicksal dich hier angespült hat oder der Zufall es so wollte. Der Zufall und das Schicksal haben kein Gesicht, und da sie dich nicht anschauen können, weil Schicksal und Zufall deine Tränen nicht sehen, deine Müdigkeit nicht erkennen, den Sehnen nicht wahrnehmen können, deswegen bist du dem Schicksal und dem Zufall egal. Gott hat seit den Tagen der Weihnacht ein Gesicht. Jesus sieht deine Tränen und er sieht deinen Schmerz. Jesus spürt deine Sehnsucht und deinen kleinen Glauben. Jesus weiß um deine Träume und um deine Vergangenheit- Jesus sieht, was in dir zerbrochen ist, welche Wunden man dir zugefügt hat und welche Narben sich auf deiner Seele gebildet haben. Und sein Name ist Programm. Jesus, Gott hilft und er heilt dich, heute und hier. Genau deswegen bist du heute hier und alles andere war nur so wie es war, weil Gott es wollte. Die Kinder, die gequängelt haben, dass du mitkommst in diesen Gottesdienst. Die Partnerin, die gesagt hat, heute kannst du ja auch mal mitgehen. Die Eltern, die gesagt haben, heute gehen wir alle in die Kirche. Die innere Stimme, die nicht zum Verstummen zu bringen war und die immer wieder flüsterte: geh hin. Die Tradition, die sich eingespielt hat und dich hier her trieb. Dein tiefer und unerschütterlicher Glaube, dass dein Platz am Heiligen Abend hier ist. Egal was es war. Alles musste, wie Augustus einst, dienstbar sein Gott, der dich hierhergebracht hat, genau zur richtigen Zeit. Denn hier passiert es.

4 Lukas schreibt: Und Maria gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Jesus wird jetzt geboren. Jetzt, wo die Zeit sich erfüllt hat, jetzt, wo alles passt. Auch wenn nach menschlichem Ermessen die Umstände nicht gut waren. Wenn man sich für das junge Paar sicherlich eine Fürstensuite mit Meerblick gewünscht hätte. Wenn man sich einen Ärztestab des besten Krankenhauses der Stadt erwartet hätte. Wenn man dem Vater einen Schwangerschaftskurs mit dem richtigen Erlernen der Atemtechnik des Hechelns empfohlen hätte. Alles hat gepasst. Nun konnten Ochs und Esel ihren Herrn begrüßen, die Hirten von den Feldern kommen und die Weisen aus dem Morgenland an die Krippe treten. Und nun, kannst auch du kommen. Alles ist bereit. Jesus wartet auf deinen Besuch, damit du bei ihm zu Hause ankommst. Denn du suchst doch auch. Du bist doch ein Suchender des Lebens im Leben. Du suchst nach Sinn und Verständnis. Du suchst nach Antworten auf Fragen deines Lebens. Du suchst nach dem, was bleibt in aller irdischen Vergänglichkeit. Du suchst nach Bestand in aller Unbeständigkeit und in allen Wechselbädern dieser Zeit. Du suchst nach Ruhe für Körper, Seele und Geist in dieser unruhigen und hektischen Wirklichkeit. Du suchst nach Geborgenheit inmitten der grellen und kalten LED Glitzerwelt. Du suchst nach Licht, welches dir einen Weg aus den Dunkelheiten deines Lebens bahnt. Du bist ein Suchender. Besuche doch Gottes Sohn, Jesus, und Gott hilft. In den Vortagen der Weihnacht erzählte mir jemand von einem lieben Menschen, der nicht mehr konnte, der zusammengeklappt ist, bei dem nichts mehr passte. Ich war erstaunt, da war doch alles da, was man menschlich gesehen zum Leben brauchte, tolles Auto, intakte Familie, ein lieber Partner, ein tolles Haus, eine gute berufliche Absicherung, da hatte doch alles gepasst. Das hatte das Schicksal doch gut eingerichtet, so dachte dieser Mensch. Aber das Schicksal kann man nicht besuchen, und das Schicksal gibt nicht Heimat, und es heilt auch nicht kaputte Seelen. Jesus kann das. Jesus macht das. Jesus heilt dich und mich. Jesus schenkt uns Gästen auf einem fremden Stern Heimat in seiner Welt.

5 Du bist heute hier, weil Gott es so gewollt hat. Tritt ein und komm zum Heiland der Welt, zum Heiland deines Lebens, er macht dich heil und wenn du ihn besuchst, kommst du zu dir selbst und nach Hause! Amen