Henrik Eberle DAS VERLORENE SYMBOL. Der Schlüssel zu Dan Browns Bestseller

Transkript

1 Henrik Eberle DAS VERLORENE SYMBOL Der Schlüssel zu Dan Browns Bestseller

2 verbirgt. Das Symbol des allsehenden Gottes findet sich also nicht, stattdessen wird durch die Erhitzung der Goldpyramide eine sinnvolle Buchstabenfolge sichtbar. Dazu an anderer Stelle mehr. Abb. 1: Die Pyramide auf dem 1932 neu gestalteten Dollarschein war gedacht als Zeichen für die Wirtschaftsreformen des»new Deal«und eine neue, stabile gesellschaftliche Ordnung. Präsident Franklin D. Roosevelt nutzte die freimaurerische Symbolik bewusst und bezog sich dabei auf die Lehren des

3 Alten und Angenommenen Schottischen Ritus. [>] Der Tempel, das Heredom Der atemlosen Jagd nach dem Rätsel der Freimaurerpyramide ist eine weitere Episode vorgeschaltet. Sie spielt im Tempel des Alten und Angenommen Schottischen Ritus in Washington D. C., Sechzehnte Straße NW, Nr Er ist der Ort, an dem die Geschichte schließlich enden soll: das Heredom.»Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht.«Diese Inschrift findet sich, wie wir am Ende des Romans lesen können, auf dem Altar des Tempels.6) Zuvor erfahren wir, dass dieser Bau»die Nachbildung eines vorchristlichen Heiligtums, des Tempels König Mausolos II.«7) sein soll. Jede Nische, jeder Raum habe eine symbolische Bedeutung, berge sein eigenes Geheimnis. Das klingt geheimnisvoll und war es sicher lange Jahre auch. Heute aber bieten die Mitglieder des Schottischen Ritus Führungen an, und im Internet gibt es sogar eine virtuelle Tour durch die Räumlichkeiten.8) An einem Ritual teilnehmen dürfen Uneingeweihte allerdings nicht; bei der»maurerischen Arbeit«bleibt der Tempel für Nichtmitglieder geschlossen. Notgedrungen bleibt daher auch Dan Brown bei der

4 Schilderung des Initiationsritus für den 33. Grad etwas vage. Obwohl sich der Architekt des Tempels, John Russel Pope, sicher bei seinen Planungen von freimaurerischen Idealen inspirieren ließ, ist die Angabe auf der Website der Freimaurer, dass der Tempel eine genaue Nachbildung des Grabmals für Mausolos II. sei, nicht ganz richtig. Türkeireisende kennen das Grabmal, dessen Reste sich in der Touristenhochburg Bodrum (dem antiken Halikarnassos) besichtigen lassen. Kreuzritter verwüsteten die gigantische Grabanlage bereits im 14. Jahrhundert sie brauchten die Steine für den Bau einer Burg. Die Reste ließ ein britischer Archäologe 1856 ausgraben und die wertvollen Funde nach London bringen. Pope kann also gar keine exakte Nachbildung des Grabmals geschaffen haben, da er schlicht nicht wissen konnte, wie es einst aussah. Die Bauarbeiten für den Washingtoner Tempel begannen 1911 übrigens aus gutem Grund genau an diesem Platz, denn die Sechzehnte Straße führt vom Weißen Haus nach Norden und bildet mit dem Washington Monument und dem Weißen Haus eine Linie. Sie steht auch für den erfolglosen Versuch der Amerikaner, den Nullmeridian nach Washington zu verlagern. Nach ihrem Willen sollte die Hauptstadt der Vereinigten Staaten und nicht Greenwich fortan als Nabel der Welt betrachtet werden, doch die Machtverhältnisse waren im 19. Jahrhundert andere, und so blieb die Sechzehnte Straße eine einfache Straße in Washington. Die Idee der Amerikaner wurde zwar 1884 auf

5 einer Konferenz in Washington diskutiert, die Abstimmung endete aber mit einer Niederlage der Gastgeber.9) Das Datum der Grundsteinlegung des Tempels war ebenfalls mit Bedacht gewählt: Exakt hundertdreißig Jahre zuvor, am 18. Oktober 1781, hatte die britische Armee bei Yorktown kapituliert; der Unabhängigkeitskrieg war entschieden. Kommandierender General auf amerikanischer Seite in dieser entscheidenden Schlacht des Bürgerkriegs war Sie ahnen es George Washington. Warum der erst 36-jährige Architekt John Russel Pope den Auftrag zum Bau des Tempels bekam, wissen wir nicht. Aber wir dürfen davon ausgehen, dass er Freimaurer war und einen hohen Rang in der Hierarchie des Schottischen Ritus innehatte. Ohnehin gehörte er zu den höheren Kreisen der Gesellschaft: Sein Vater war ein überaus erfolgreicher Porträtmaler und ermöglichte seinem Sohn eine exzellente Ausbildung: Pope studierte an der Columbia-Universität in New York Architektur und reiste dann nach Europa, wo er seine Faszination für antike Tempel entdeckte und die Renaissance erforschte. Den letzten Schliff erhielt er anschließend an der École des Beaux-Arts in Paris. Zurück in den USA bekam er bald den Auftrag, ein Haus für die märchenhaft reiche Familie Vanderbilt zu bauen. Mit seinem Entwurf für den Tempel in der Sechzehnten Straße gelang ihm dann endgültig der Durchbruch Zeitgenossen bezeichneten ihn als ein»anbetungswürdiges«bauwerk von»kraftvoller Würde«.

6 Später leitete Pope den Umbau der Nationalgalerie, war Architekt des Nationalarchivs und legte die ersten Entwürfe für das Jefferson Memorial vor. Auftraggeber für diese Bauten war Franklin D. Roosevelt, ein Freimaurer. Nicht überraschend bei einem ausdrücklich freimaurerischen Bau wie dem beschriebenen Tempel: Auch die Bezeichnung»Heredom«, die sich auf der Steinpyramide findet und auf den Tempel verweist, ist ein zentraler Begriff in der Freimaurerei nach Schottischem Ritus.»Heredom«soll der Name eines Berges in Schottland sein, genauer: eines Berges unweit von Kilwinning. Am Ort seiner angeblichen geografischen Lage ist er jedoch unbekannt. Für Hinweise sind wir also wieder auf die Welt der Sage angewiesen, derzufolge sich auf dem Friedhof der Abtei seltsame Gräber finden, angeblich von Tempelrittern. Läge in der Sage das berühmte Körnchen Wahrheit, käme das Wort»Heredom«nicht, wie Robert Langdon im Roman mithilfe eines virtuellen Lexikons plausibel erläutert, von hieros domos (»heiliges Haus«),10) sondern ließe sich von heredis domus ableiten, dem»haus der Erben«. Gemeint wären damit die Erben der letzten Tempelritter, die nach der Flucht aus Frankreich in Schottland Asyl fanden. Diese sind wiederum Teil der Ursprungslegende der Schottischen Freimaurerei; ihr 30. Grad trägt den Titel»Ritter Kadosch«. Das Ritual zur Aufnahme in diesen Grad