Freizeit sinnvoll. gestalten. 54 Spektrum Jagdhunde

Transkript

1 54 Spektrum Jagdhunde Jagdhunde im Alltag Freizeit sinnvoll gestalten Unterforderte unausgelastete Jagdhunde können im Alltag mit allerlei Kapriolen nerven. Es sei denn, man beschäftigt die Jagdhelfer auch in der Freizeit sinnvoll. Das verschafft der Familie Ruhe und erhält des Hundes jagdliche Fitness. JagdhundE in der familie

2 55 Autor und Fotograf: Gila Fichtlmeier Rüdeleute haben alle Tage Hunds-, aber leider keine Jagdtage. Auch unsere Hunde werden jagdlich eingesetzt, aber eben nicht immer ausreichend und kontinuierlich. Deswegen gilt es, sie auch in der jagdfreien Zeit zufrieden zu stellen und dabei ihre Einsatzfähigkeit zu erhalten. Also versuche ich, unsere Meute während meiner täglichen Gassirunden mit Aufgaben zu beschäftigen, die nicht unmittelbar mit Jagd und Wild zu tun haben und die sie körperlich und geistig so fordern, dass sie am Abend ruhig und ausgeglichen einschlafen. Nicht immer einfach, denn meine drei Rabauken sind schnell gelangweilt und zeigen mir das auch deutlich. Schnüffeln, im Revier umherstöbern, Spuren verfolgen und Beute machen wäre ihr Ding. Versteht sich, dass sie dabei problemlos auf mich verzichten würden. Ich versuche also, ihnen zu vermitteln, dass die tägliche Gassirunde zwar nichts unmittelbar mit Jagd zu tun hat, aber dennoch spannend für sie ist. Die Übungen sind so angelegt, dass die Hunde jederzeit für den Ernstfall einsetzbar sind. Um dabei als Sozialpartner interessant zu bleiben, ein Kontakthalten und gute Bindung zu bewirken, sie auszulasten und unsere Beziehung zu festigen, verwende ich Beschäftigungen, die den Arbeiten aus dem Jagdbereich ähneln. Auf diese Weise ermögliche ich meinen Vierläufern, ihre angeborenen Talente und Fähigkeiten zu trainieren und kann diese dann bei der Jagd verlässlich abrufen. Dummyarbeit Die Arbeit mit Dummies wurde entwickelt, um junge Hunde an die jagdliche Praxis heranzuführen. Mit der Dummyarbeit festigt man das Suchen, Finden und Bringen, bevor Wild zum Einsatz kommt. Sie eignet sich neben der Einarbeitung junger Hunde auch hervorragend dazu, den hohen Leistungsstand des Jagdhundes außerhalb der Jagdsaison aufrecht zu erhalten. Dieses Training ist also für die Familie eine gute f Erfolgreiche Dummy-Arbeit Worauf es ankommt Ein paar Grundvoraussetzungen bestimmen den Erfolg jeder Arbeit auch mit Dummies. Die Wichtigsten sind: Interesse an der Suche, volle Konzentration auf die Aufgabe, gute Führigkeit und freudiges Apportieren. Auch Ruhe und Warten im Bleib sollten sitzen, damit die Arbeit Spaß macht und das Erlernte nebenbei weiter gefestigt wird.

3 56 Spektrum Jagdhunde Beschäftigungsmöglichkeit mit dem Hund, weil ein Dummy für den Hund fast immer eine Form von Ersatzbeute darstellt. Über diesen Beuteersatz läuft parallel zum Apportiervorgang eine soziale Interaktion zwischen dem Hund und seinem Menschen ab. Hier geht es um die Verwaltung und Verteilung von reellen Ressourcen, wie Futter oder Wild. Das kann der Hundehalter ausgezeichnet nutzen, um neben der Auslastung des Hundes Übereinkünfte in Bezug auf das Überlassen von jeglicher Beute, Führigkeit und Gehorsam zu treffen. Ein wichtiger Punkt! Guter Gehorsam verhilft der Familie bei Wildaufkommen zu einer besseren Kontrolle des Hundes in der freien Natur. Des Weiteren fordern Apportieraufgaben den Hund geistig und tragen bei überlegter Vorgehensweise mit dazu bei zu überprüfen, wie er mit Beute umgeht. Sucht er sie interessiert und anhaltend oder gelangweilt? Lässt er sich dabei leicht ablenken? Nimmt er Beute nach dem Finden sofort auf, um sie sogleich zurückzubringen und ordentlich abzugeben? Oder versucht er etwa, sie in Sicherheit zu bringen oder zeigt er durch Imponiertragen, dass er die Verteilung von Ressourcen in Frage stellt? Wie trägt er die Beute? Neigt er zum Knautscher oder Totengräber? Fängt er an damit zu spielen, sie in die Luft zu schleudern, um sie wieder zu fangen oder schüttelt er sie, als wolle er sie töten? Beute freiwillig überlassen Alle diese Verhaltensmuster geben Aufschluss darüber, wie es um die augenblickliche Stimmung unseres Vierläufers bestellt und was in Bezug auf das Überlassen von Beute von ihm zu erwarten ist. Wenn uns diese Muster augenscheinlich werden, können wir entsprechend reagieren und sein Verhalten in erwünschte Bahnen lenken. Einen Hund dazu zu bringen, uns seine Beute freiwillig zu überlassen, ist gerade bei einem jagdlich eingesetzten Hund eine sehr wichtige Übereinkunft. Bei vielen Jagdhunderassen ist der Wille, Beute zu suchen und sie dann für sich zu behalten stark ausgeprägt. Das kann schnell zu Konflikten führen, wenn man nicht rechtzeitig gegensteuert und dieses Verhalten modifiziert. Durch das Tauschprinzip Beute gegen Futter entwickelt sich eine ausgeprägte Apportierfreude und nach und nach die so genannte Bringtreue. Getauscht wird übrigens jede Beute, gleichgütig ob Dummy, Ente oder Hase. Jeder Vierläufer sollte Gegenstände, die er ins Maul nimmt, nach einmaliger freundlicher Aufforderung heranbringen und im Tausch gegen Futter überlassen. Verweigert er zu tauschen, wird er auch nicht von Dingen lassen, die er unbedingt haben will. Überlässt ein Hund problemlos und ohne Wenn und Aber Wild oder Futter, das er im Fang hält, ist es um ein Vielfaches leichter für uns Wild, das er noch nicht in f Klauen, Zerren, Spielen Tabu! Einfache Apportieraufgaben zeigen, wie der Hund mit Beute umgeht. Foto: Gila Fichtmeier

4 htlmeier Foto: Gila Fic Vorbildlich: Hingucken erlaubt, Nachsetzen nicht. 57 Apport im Alltag Genug Möglichkeiten Für Apportierübungen bietet fast jede Alltagssituation eine Gelegenheit: Im eigenen eingezäunten Garten kann sich der Hund unserer Einwirkung nicht entziehen gerade im Welpenalter höchst bedeutsam! Auch auf Spazierwegen machen Apportieraufgaben den Weg interessanter und lassen den Hund Feld und Wald für gewisse Zeit vergessen. Selbst in Wald und Flur ist das möglich, allerdings sollte man die Übungen hier gerade bei jungen Hunden mit einer Feldleine absichern, damit er Wild oder dessen Spuren nicht verfolgen kann. Auch das Übungsgelände von Hundeschulen bietet sich für eine kontrollierte Beschäftigung an. Und selbst im Haus schaffen Hilfsarbeiten wie Zeitung oder Pantoffeln holen Beschäftigung und Spaß für Mensch und Hund. Gehorsam ohne Worte: Auf Handzeichen verharrt Vizslahündin Berta still im Sitz. Verräterischer Seitenblick, meine Beute ganz allein!

5 58 Spektrum Jagdhunde Ablegen heißt Liegenbleiben auch, wenn der Führer sich entfernt. Was Hänschen lernt: Freudiges Bringen und Tauschen gegen ein Leckerli legen den Grundstein beim Welpen. Besitz hat und dem er hinterhergehen oder dessen Spuren er verfolgen will, mit einem Nein zu belegen. Unser Prinzip soll heißen: Alles meins! Was er noch nicht im Fang hat, gehört uns und ist erst einmal tabu für ihn. Wie immer ist es das Beste, wenn wir das einen Vierläufer bereits im Welpenalter lehren. Will er zum Beispiel Unrat aufnehmen, können wir ihm durch kommentarloses Werfen beispielsweise eines Schlüsselbundes, einer Wurfkette oder Ähnlichem Einhalt gebieten, dabei schnell in die Hocke gehen, ihn sogleich freundlich heranrufen und mit Futter belohnen. Ähnlich verfahren wir, wenn er unerwünscht Spuren aufnehmen will. Nur, dass wir dabei ein lautes unmutiges Nein artikulieren. Als Ersatz können wir ihm einen Dummy zum Apportieren anbieten und ihn fürs Bringen und Überlassen belohnen. Auch Ruhe und Konzentration können über Apportierübungen gefördert und gefestigt werden. Im praktischen Jagdbetrieb soll der Hund ruhig und lautlos neben seinem Jäger sitzen, damit dieser das Wild unbemerkt ansprechen kann. Ruhe und Konzentration Auch im privaten Bereich ist es angenehm, wenn der Vierläufer auf diverse Reize ruhig und gelassen reagiert. Sei es, dass jemand an der Tür klopft, am Zaun vorbeiläuft oder man mit einem Hundebesitzer nebst Hund beisammensteht, um sich zu unterhalten. Wenn der Hund in solchen Situationen bereits die Selbstkontrolle verliert, ist kaum zu erwarten, dass er bei Anblick eines fliehenden Hasen ruhig und gelassen zusieht, wie dieser am Horizont verschwindet. Wir genießen es, wenn unsere Hunde auf Gesellschaftsjagden entspannt zusehen, wie ihre Artgenossen im Einsatz sind. Dazu habe ich einen nicht unerheblichen Teil beigetragen. Trotzdem testen gerade unsere beiden Rüden (Weimaraner und Foxterrier) immer wieder aus, wie weit sie gerade bei mir gehen können wie weit also ihr individueller Spielraum ist. Der geschlechtsspezifische Aspekt in der Hundeführung spielt eben durchaus eine Rolle. Das kümmert mich allerdings nicht, denn gerade in nicht jagdlichen Bereichen wird ihnen von mir vermittelt, dass ich nicht bereit bin mit ihnen zu diskutieren. Das lässt sich dann prima auf das jagdliche Geschehen ausweiten. Ablenkung üben Da wir mehrere Hunde führen, kann ich täglich kleine Übungen mit dem Ziel einbauen, dass jeder der Vierbeiner auch unter Ablenkung ruhig auf seinem Platz verharrt. Während zwei Hunde abliegen, darf der Dritte apportieren oder an der Reizangel vorstehen, nachziehen und auf Kommando einspringen und packen. So vermittle ich den Hunden, dass sie nur an der Reihe sind, wenn sie beim Namen genannt werden und ihnen dann auch eine Aufgabe gestellt wird. Tabuthema Spielen Dummies nur zum Training! Auch, wenn es hier um spielerisches Alltags-Training geht Dummies sind keine Spielsachen! Sie werden nur zum Training eingesetzt. Denn Dummies zum Spielen ziehen leicht unerwünschtes Verhalten wie In-Sicherheit-bringen oder imponierendes Herumgekaue auf der Beute nach sich. Und wer will sich im Nebeneffekt seiner Hundebespaßung schon einen Knautscher oder gar Totengräber heranziehen?

6 59 Steht kein zweiter Hund zur Verfügung, um unter Ablenkung zu üben, bietet man seinem Hund dadurch eine Reizlage, dass man ihn zum Beispiel absitzen lässt, sich etwas von ihm entfernt und dann mehrere Dummies an ihm vorbei oder über ihn hinweg wirft. Dann rennt man aufgeregt los und sammelt alle Dummies hochmotiviert selbst ein, legt sie nacheinander beim Hund ab und belohnt diesen jedes Mal für ruhiges Zusehen und Warten. Steht der Hund auf, wird das jedoch bereits im Ansatz korrigiert. Bei hartnäckigen Fällen legt man dem Hund Halsband und Leine an und lässt einen Gegenstand, zum Beispiel den Rucksack, an dem Platz, an dem er warten soll, neben ihm auf dem Boden. Dabei ist es unwichtig, ob er nun sitzt, steht oder liegt. Warten im grünen Bereich ist jetzt angesagt. Entfernt sich der Hund vom Gegenstand, läuft man ihm unmutig nach, nimmt das Ende der Leine auf, zieht ihn energisch dorthin zurück und artikuliert dabei ein aggressives Pfui. Am Gegenstand angekommen, lässt man die Leine fallen, um sich sogleich wieder mit einer deutlichen Geste für Bleib, ich will nicht, dass du mir folgst zu entfernen. Um ihm den Gegenstand positiv zu verknüpfen, kann man dort schnell einen Futterbrocken fallen lassen, bevor man sich wieder entfernt. Nach meiner Erfahrung spricht die Mehrzahl der Hunde sehr gut auf diese Methode an. Nach wenigen Übungssequenzen kann man sich problemlos außer Sicht vom Hund entfernen und Dummies verstecken. Er wird uns während dieser Zeit kontinuierlich im Sinn haben. Das fördert neben seiner Ruhe auch seine Konzentration auf die zu erwartende Aufgabe und die gemeinsame Aktivität. eu Nächste Folge: Dummy-Arbeit für Familien detailliert beschrieben in PIRSCH Nr. 11/2012