PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE

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1 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE Der Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 2011 bis 2013 Geschäftsstelle Dialogprozess (Hrsg.)

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3 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE Der Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 2011 bis 2013 Geschäftsstelle Dialogprozess (Hrsg.)

4 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE INHALT PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE 21 WORT DES BISCHOFS Bischof Dr. Gebhard Fürst DEN GLAUBEN AN DER LIEBE GOTTES NEU AUSRICHTEN 29 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS Dr. Johannes Warmbrunn, Msgr. Herbert Schmucker HALTUNG UND METHODE 39 DER DIALOGPROZESS Direktor Prof. Dr. Thomas Fliethmann UM UNSERES HEILES WILLEN 51 DIALOG ALS GRUNDELEMENT DER DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART Karin Schieszl-Rathgeb 4

5 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE INHALT DER EINE DIALOG UND 65 DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Zeit zu hören 66 Die Veranstaltungen des Dialog- und Erneuerungsprozesses Karin Schieszl-Rathgeb Das haben wir gehört 72 Schreiben und Rückmeldungen zum Dialog- und Erneuerungsprozess Karin Schieszl-Rathgeb Die Regionalforen 93 Meilensteine im Dialog- und Erneuerungsprozess Dr. Matthias Ball Was katholische Christen von ihrer Kirche erwarten 102 Repräsentative Studie des Instituts PRAGMA im Auftrag der Diözese Rottenburg-Stuttgart Reiner App 5

6 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE INHALT THEMEN UND HANDLUNGSFELDER 117 DES DIALOG- UND ERNEUERUNGSPROZESSES Handlungsfeld Missbrauch 118 Sabine Hesse Jugend in unserer Kirche [jugendforum]³ 137 Weihbischof Thomas Maria Renz, Martin Fischer Von der lebendigen Gemeinde zur aktiven Kirche im Ort 151 Das Projekt Gemeinde Michael Elmenthaler, Domkapitular Paul Hildebrand, Domkapitular Matthäus Karrer, Susanne Muth Handlungsfeld glaubwürdiger Lebensstil 168 Weihbischof Dr. Johannes Kreidler Die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche 172 Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr, Susanne Traulsen Kirche und wiederverheiratete Geschiedene 181 Ordinariatsrat Dr. Joachim Drumm Ökumene und konfessionsverbindende Ehen und Familien 190 Domkapitular Dr. Heinz Detlef Stäps Lebensform Zölibat 196 Dr. Gerhard Schneider 6

7 PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE INHALT Menschenfreundliche und menschendienliche Sexualmoral 203 Direktor Prof. Dr. Thomas Fliethmann Glaubensvertiefung und Glaubenserneuerung 208 aus dem Erbe des Konzils Direktor Prof. Dr. Thomas Fliethmann Dialogische Kirche als zukunftsfähige Kirche 213 Schlusswort des Bischofs Bischof Dr. Gebhard Fürst AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN 227 PRESSEMITTEILUNGEN 273 der Bischöflichen Pressestelle AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL 291 FILME ZUM DIALOG 315 Fußnoten 316 Impressum 338 7

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21 WORT DES BISCHOFS PERSPEKTIVEN EINER DIALOGISCHEN KIRCHE WORT DES BISCHOFS 21

22 WORT DES BISCHOFS Wir alle haben uns in den letzten zweieinhalb Jahren verändert. Der Dialog- und Erneuerungsprozess, den ich zu Beginn des Jahres 2011 zusammen mit dem Diözesanrat und dem Priesterrat ins Leben gerufen habe, hat viele Menschen in unserer Diözese miteinander ins Gespräch gebracht und in Bewegung gesetzt. Diese Dynamik war während des gesamten Prozesses in den verschiedenen Veranstaltungen, Gesprächen, Diskussionen und auch in den Gottesdiensten in allen Regionen spürbar. Im Austausch untereinander und mit dem Bischof wurden in den verschiedensten Bereichen neue Impulse für die Kirche gesetzt. Das Gespräch untereinander, auf allen Ebenen und zwischen den verschiedenen Ebenen hatte seinen Wert in sich. Wenn tausende Menschen miteinander von Angesicht zu Angesicht in Dialog und ins Gespräch kommen, hat das seine eigene positive Wirkung. Hierbei ging es nicht allein um den Dialog um des Dialoges willen, sondern um Erneuerung der Kirche, Erneuerung aus der Kraft des Heiligen Geistes. Vor wenigen Wochen in den Tagen nach dem Pfingstfest habe ich mich, wie ich bereits zu Beginn des Dialogprozesses angekündigt habe, zusammen mit 450 Pilgerinnen und Pilgern auf den Weg ins ungarische Szombathély zum Geburtsort unseres Diözesanpatrons, des heiligen Martinus gemacht. Mit Martinus über Grenzen. : So lautete das Leitwort der Diözesanwallfahrt. Der tiefe Glaube der Menschen aus sämtlichen Orten der Diözese, jung und alt, behindert und nichtbehindert, bedürftig und begütert ihre Freude, ja, ihre Begeisterung für den Glauben haben mich tief beeindruckt. Diese Wallfahrt war von einem besonderen Geist geprägt: dem Geist der Erneuerung, getragen durch unser Vorbild im Glauben, den Heiligen Martin. Martin ist ein großer Glaubenszeuge und eine Leitfigur, in der sich das Selbstverständnis der Diözese Rottenburg-Stuttgart wie in einem Brennglas sammelt. Er ist Orientierungspunkt und Wegweiser für uns Gläubigen, für Menschen in kirchlichen Berufen, Diensten und Ämtern in unserer Kirche. Martin erinnert uns daran, dass unsere Kirche eine missionarische, diakonische, heilende und helfende Kirche ist. Aus diesem Geist sich zu erneuern, sind wir als Ortskirche von Rottenburg-Stuttgart immer wieder aufgerufen: Wendet Euch den Schwa- 22

23 WORT DES BISCHOFS chen und Bedrückten aller Art zu, unterstützt die Unglücklichen 1, das ist seine Botschaft an uns. Welch schmerzvolle Bedeutung diese Zuwendung zu den Bedrückten und Unglücklichen bekommen kann, haben wir alle erfahren, als Ende Januar 2010 das öffentliche Bekanntwerden der Missbrauchsfälle uns in besonderer Weise zu einem Höchstmaß an empathischer Zuwendung zu den Opfern und an selbstkritischer Ehrlichkeit uns selbst gegenüber herausgefordert hat. Bereits im Juli 2007 habe ich in einem Brief an die Katholik/-innen unserer Diözese anlässlich der 50. Wallfahrt nach Mariazell, die uns auch zum Geburtsort des heiligen Martin führte, formuliert: Die Ausstrahlung unserer Kirche ist niemals unabhängig von ihrer wahrnehmbaren und wahrgenommenen Gestalt, vom konkreten Lebens- und Praxisstil, in dem sich der Geist ausdrückt, der uns bewegt und prägt. 2 Martin steht als Zeuge des Glaubens für eine missionarische und diakonische Kirche. Missionarisches und diakonisches Handeln fordert gleichzeitig einen Austausch mit denen, die Kirche mit ihrem Handeln erreichen will, mit unserem Gegenüber. Das kirchlich-pastorale Handeln gelingt nur im Dialog miteinander. Dialog ein Zeichen unserer Zeit Dialog ist also ein Zeichen unserer Zeit. Zusammen mit den Diözesanen Räten habe ich immer wieder betont, dass der Dialog- und Erneuerungsprozess unter dem Leitwort steht: Glaubwürdig Kirche leben. Glaubwürdigkeit kann man durch eigenes Handeln erwerben, aber sie liegt nicht nur in der eigenen Hand. Die Glaubwürdigkeit der Kirche hängt davon ab, dass sie ein Ort wird, an dem das Evangelium sichtbar wird und der Geist Jesu Christi erfahrbar werden kann. Deshalb soll die Glaubwürdigkeit dieses Prozesses erfüllt sein von der Kraft des Heiligen Geistes. Der Gottesgeist ist die Dynamis, die Erneuerung möglich macht "Der Heilige Geist ist die Seele der Kirche", rief Papst Franziskus den Kardinälen wenige Tage nach seiner Wahl zu. 3 23

24 WORT DES BISCHOFS Wie der Dialog und die ständige Erneuerung in der Tradition der katholischen Kirche verankert sind, drückt sich auch in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils aus.alle Getauften und Gefirmten sind aufgerufen, am Heilswirken der Kirche teilzunehmen, heißt es. Das aber verlangt von uns allen, dass wir vor allem in der Kirche selbst, bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen alle in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden. 4 Dieses Gespräch zwischen allen ist wie nie zuvor in unserer Diözese in Gang gekommen. Die Diözesansynode 1985/86 war von diesem Geist geprägt. So betonte mein Vorgänger als Bischof dieser Diözese und Vorsitzender der Synode, Bischof Georg Moser, im Vorwort zu den Synodenbeschlüssen: Unsere Synode ( ) hat sich ganz bewusst in die Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Daran anknüpfend hat sie unter den Augen Gottes und angesichts der Welt von heute versucht, in die Wirklichkeit unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart hineinzuhorchen und hineinzusprechen. 5 In dieser Tradition stand der Dialog- und Erneuerungsprozess 2011 bis 2013 mit seinem Leitwort Glaubwürdig Kirche leben. Ein Zitat aus dem Epheser-Brief hat den Prozess über die ganzen Monate hinweg begleitet: Erneuert euren Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an. 6 Dieser Aufruf des Apostels Paulus formuliert in Bezug auf die Diözese Rottenburg-Stuttgart einerseits den Anspruch des Prozesses und markiert zugleich sein Ziel: Jesus Christus ist der neue Mensch. Sein Geist soll in uns lebendig werden. Von ihm her sollen wir leben und handeln und von ihm geht Erneuerung aus. 7 Erneuert euren Geist und Sinn Diese Worte verstehe ich als Verpflichtung und zugleich Selbstverpflichtung. Deshalb habe ich gleich zu Beginn alle getauften und gefirmten Katholikinnen und Katholiken der Diözese eingeladen, untereinander das Gespräch zu suchen. Die erste, zeitlich sehr breit angelegte Phase war mit dem Motto Zeit zu hören überschrieben. Diese Zeit war auch für mich eine sehr intensive Zeit der Begegnung mit Ihnen in den Kirchengemeinden, Seelsorgeeinheiten, Dekanaten, Gremien, Verbänden, Berufs- und Initiativgrup- 24

25 WORT DES BISCHOFS pen. Viele von Ihnen haben mir geschrieben oder in anderer Weise mit mir das Gespräch gesucht. Sie haben mich eingeladen und sind zu mir ins Bischofshaus gekommen. In circa 80 Dialogveranstaltungen an denen ich selbst teilgenommen habe, haben Sie mir von Ihrer Zuversicht, Ihrer Sorge, aber auch von Ihrer Enttäuschung und Ungeduld berichtet. Ich habe nicht nur gehört, sondern auch viel gelernt. Mehr als 700 Briefe und Dokumente haben mich und die Koordinierungsgruppe von Januar 2010 bis heute erreicht. Dies und nicht zuletzt Ihre aktive Beteiligung an den vier großen Regionalforen in diesem Frühjahr zeugen vom großen Engagement der Gläubigen und zeigen, wie sehr Sie um Glaube und Kirche ringen! Mich haben die Gespräche und Beiträge sehr berührt. Die Kirche geht durch eine schwierige Phase, dessen bin ich mir als Bischof wohl bewusst. Zu Beginn des Prozesses habe ich mich deshalb gemeinsam mit den Räten verpflichtet, Erneuerungen, die in unserer Diözese realisierbar sind, anzustoßen und umzusetzen. Darüber hinaus habe ich zugesagt, Ihre Anliegen, die in unserer Ortskirche in absehbarer Zeit nicht realisierbar sind, an die zuständigen Stellen, etwa die Deutsche Bischofskonferenz, weiterzugeben und dort für sie einzutreten. Der Bitte zum Dialog untereinander sind in der Diözese viele Katholik/-innen nachgekommen. In jedem Dekanat haben Dialogveranstaltungen stattgefunden. Die Verbände haben sich in zwei großen Tagungen in den Prozess eingebracht. Auf zwei Studientagen haben sich die Diözesanen Räte im Rahmen des Dialogprozesses den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils gewidmet. Die Rückmeldungen an die Koordinierungsgruppe lassen den Schluss zu, dass sich etwa Mitglieder der Ortskirche Rottenburg-Stuttgart auf unterschiedlichste Art und Weise in den Dialogprozess eingebracht haben. Dass so viele Menschen miteinander im Dialog sind über ihre Sorgen mit der Kirche und ihr Leben aus dem Glauben, zeigt, wie lebendig unsere Kirche ist. Um die Zahl der eingegangenen Schreiben zu erfassen und methodisch auszuwerten, hat die Koordinierungsgruppe ein externes Forschungsteam beauftragt. 8 Im vergangenen Jahr habe ich schließlich das in Bamberg und Reutlingen ansässige Institut PRAGMA mit einer umfassenden und repräsentativen Studie 25

26 WORT DES BISCHOFS zu den Themen Kirchenbindung und Werteorientierung beauftragt, um den Kreis der Rückmeldungen zu weiten und neben kirchlich Engagierten einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung Württembergs zu hören. Insgesamt wurden mit über im Gebiet der Diözese ansässigen Personen, davon katholische Kirchenmitglieder und Menschen aus der Gesamtbevölkerung, telefonische Interviews geführt. Auch hier waren das Gesprächsbedürfnis und die Intensität der Gespräche sehr hoch. Auszüge der Ergebnisse der PRAGMA-Studie finden sich in dem Artikel von Reiner App, "Was katholische Christen von ihrer Kirche erwarten Repräsentative Studie des Instituts PRAGMA im Auftrag der Diözese Rottenburg-Stuttgart". In beiden Studien wird deutlich, wie sehr die Missbrauchsfälle das Vertrauen der Menschen in die Institution Kirche erschüttert haben. Der weithin spürbare Glaubwürdigkeitsverlust, den die Kirche zweifellos erfahren hat, geht vielen nahe. Die überwiegende Zahl der Beiträge zeigt, wie sehr die Kirche daran Schaden genommen hat. Schnell wurde deutlich, wie groß der Gesprächsbedarf der Menschen über das Thema Missbrauch hinaus ist. So ging es in den Veranstaltungen, Briefen und Dokumenten vor allem auch um lange bekannte Themen wie die Frage nach dem Zusammenwirken von Männern und Frauen in der katholischen Kirche oder um die Situation der wiederverheirateten Geschiedenen oder der konfessionsverbindenden Ehepaare und Familien. Immer drängender wurde im Verlauf des Dialogprozesses die Frage nach der Situation der Pastoral im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils angesichts der geänderten Bedingungen in Kirche und Gesellschaft. Alles Themen, die wir in den vier Regionalforen in Biberach, Esslingen, Schwäbisch Hall und Spaichingen mit insgesamt Delegierten detailliert erörtert haben. Der vorliegende Band Perspektiven einer dialogischen Kirche, herausgegeben von der Geschäftsstelle Dialogprozess, stellt dar, was wir gehört haben, geht aber noch darüber hinaus. Im zweiten Teil werden theologische und kirchliche Positionen zu den einzelnen Handlungsfeldern erläutert und Wege für eine zukunftsfähige Kirche aufgezeigt. Abschließend nehme ich selbst zu den wichtigsten Themen noch einmal differenziert Stellung. 26

27 WORT DES BISCHOFS Diese Positionierungen sind nicht am grünen Tisch entstanden, sie sind das Ergebnis eines langen und differenzierten Diskurses mit vielen Experten und kirchlich Engagierten aus unserer Diözese, die mit viel Sachverstand, guter Kenntnis und Sensibilität diese Handlungsfelder lösungsorientiert erarbeitet haben. Allen Mitwirkenden des Prozesses möchte ich herzlich danken: den Diözesanen Räten, allen voran dem Sprecher des Diözesanrats, Dr. Johannes Warmbrunn und dem Sprecher des Priesterrats, Msgr. Herbert Schmucker, den Mitgliedern der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats, den Mitgliedern der Koordinierungsgruppe: Karl Eugen Hagmann, Dekan Karl Kaufmann, Pfarrer Ulrich Kloos, Gabriele Pennekamp, Eckhard Raabe, Marjon Sprengel, Dr. Oliver Schütz unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Fliethmann und Dr. Matthias Ball sowie der Geschäftsführerin Karin Schieszl-Rathgeb, den Mitgliedern der verschiedenen Arbeitsgruppen, Projekten und Gremien sowie den Autoren der Abschlussdokumentation, den Dekanaten, Seelsorgeeinheiten, Kirchengemeinden, Orden, Organisationen, Verbänden und Initiativgruppen, die sich aktiv am Dialog- und Erneuerungsprozess beteiligt haben. Insbesondere möchte ich aber allen danken, die sich durch Beiträge jeglicher Form in den Prozess eingebracht und ihn im Gebet begleitet haben. Rottenburg, den 22. Juni 2013 Bischof Dr. Gebhard Fürst 27

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29 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS DEN GLAUBEN AN DER LIEBE GOTTES NEU AUSRICHTEN WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS 29

30 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS Die zu Beginn des Jahres 2010 in Gang gekommene Missbrauchsdebatte hat auch die Diözese Rottenburg-Stuttgart schwer getroffen. Zahlreiche Kirchenaustritte, vor allem jüngerer Mitglieder, und ein Studien zufolge sogar überdurchschnittliches Ansteigen der Austrittswilligkeit in bislang kirchlich geprägten Regionen haben wie in einem Brennglas die Problematik schmerzhaft verdichtet und die schon viele Jahre bestehende öffentliche Kritik und die Verunsicherung bis hinein in die Gemeinden zusätzlich verstärkt. Kirchliche Formen der Glaubensverkündigung und Glaubensfeiern, kirchliche Regeln und Wertvorstellungen, so etwa in Fragen der Sexualität, verlieren immer mehr an Akzeptanz. Nicht zuletzt aber haben auch rückläufige direkte Kontakte zu Priestern und zum kirchlichen Personal zu zunehmender Distanz geführt. Die Diskrepanz zwischen der Botschaft der Liebe und dem als hartherzig empfundenen Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, konfessionsverbindend Verheirateten, mit in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Menschen und schließlich die grundsätzliche Verweigerung der Zulassung der Frauen zu allen Weiheämtern sowie die verpflichtende Verbindung des Priesteramtes mit dem Zölibat halten viele für nicht mehr akzeptabel. Das Beharren der Amtskirche auf einigen als nicht mehr zeitgemäß beurteilten Grundregeln und der Eindruck einer Tendenz, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitete Reformen nicht nur zum Stillstand zu bringen, sondern darüber hinaus wieder rückgängig zu machen, haben zur Enttäuschung und Resignation vieler geführt. Dies zeigt sich vor allem bei denen, die aus dem persönlichen Erleben des Zweiten Vatikanums viel Hoffnung und Zuversicht in Erwartung einer blühenden Zukunft der Kirche und des Glaubens geschöpft hatten. Diese Enttäuschung ist sowohl bei ehrenamtlich Tätigen als auch bei den pastoralen Mitarbeitern deutlich, in besonderer Weise auch bei den Priestern. Aus der Kirchenkrise nach dem Missbrauchsskandal leiten sie nun umso mehr die Notwendigkeit für grundlegende Reformen ab, getragen im Wechsel von der Angst vor erneuter Enttäuschung und andererseits von neuer Hoffnung, nun endlich spürbar voranzukommen. Andere wiederum beklagen eine Kultur der Beliebigkeit, hinter der christliche und insbesondere katholische Glaubensüberzeugungen immer mehr zurück- 30

31 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS treten würden. Eine Anpassung an säkulare Haltungen führe unweigerlich zur Bedeutungslosigkeit der Kirche und zum Erstarken weltlicher Bestrebungen, bei denen wie bei Suchtkranken nur noch die unmittelbare Befriedigung von Bedürfnissen, der schnelle Erfolg, der materielle Nutzen und das Obsiegen der Stärkeren über die Schwächeren eine Rolle spiele. Die Kirchenkrise sehen sie als weiteres Zeichen des Niedergangs. Deshalb müsse man von allen Reformbestrebungen Abstand nehmen und kirchliche Normen und Regeln möglichst wortgetreu einhalten. Wer dazu nicht bereit sei, solle die Gemeinschaft der Kirche verlassen. All dies hat den Diözesanrat bereits im Juni 2010, und damit an der Spitze aller Diözesan- und Katholikenräte in Deutschland, dazu bewogen, einen strukturierten Dialog ins Leben zu rufen. Bischof Gebhard hat wiederholt ausdrücklich betont, dass die Diözese anders aus der Krise herausgehen werde, als sie hineingekommen sei. Die Kirche brauche eine innovative Kraft, um als sacramentum mundi neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Während der intensiven Vorbereitung, die bereits unmittelbar nach der Sitzung im Juni 2010 begann und auch in der Interimsphase im Übergang des 8. auf den 9. Diözesanrat kontinuierlich fortgeführt wurde, wurden folgende Hauptziele des Prozesses erarbeitet: Geistliche und strukturelle Erneuerung unserer Kirche. Die Glaubwürdigkeit unserer Kirche als Trägerin und Vermittlerin der Botschaft des Glaubens stärken. Die Individualität des Glaubens und die solidarische Gemeinschaft im Glauben in ein neues, fruchtbares Miteinander bringen (Stärkung des WIR-Gefühls). Weitergabe der derzeit in unserer Diözese nicht lösbaren Anliegen an die zuständigen Stellen. Verbindliche Umsetzung bereits realisierbarer Erneuerungsschritte auch schon während des Prozesses. In beiden diözesanen Räten wird die Auffassung vertreten, dass Dialog nicht so sehr eine Kommunikationstechnik, sondern vielmehr eine Haltung der Offen- 31

32 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS heit sei, aus der heraus Veränderungen möglich werden können. Es komme darauf an, dass sich die Dialogpartner gegenseitig in einer teilnehmenden, wertschätzenden Einstellung begegnen und abweichende Meinungen nicht abqualifiziert werden. Aus dem Dialog heraus müsse das Veränderungspotenzial, das zweifelsfrei vorhanden sei, ersichtlich werden. Würden jedoch sämtliche Vorschläge zurückgewiesen, seien Enttäuschungen und die Zunahme einer resignativen Haltung unvermeidlich. Selbst Themen, die mit Blick auf geltendes Kirchenrecht und die herrschende Meinung in der Weltkirche zeitnah nicht zu verändern seien, müssten thematisiert und zumindest immer wieder den Verantwortlichen vorgetragen werden können, um nicht ins Abseits zu geraten. Der Diözesanrat hat in seiner konstituierenden Sitzung im März 2011 den Dialog- und Erneuerungsprozess mit einem liturgischen Auftakt feierlich eröffnet. Die Verantwortung für den Dialogprozess haben der Bischof und wir, die Sprecher des Diözesanrats und des Priesterrats, übernommen. Zur strukturellen Absicherung wurde ein Koordinierungsausschuss eingerichtet. Über die gesamte Zeit hinweg waren Themen und Entwicklungen des Prozesses ständig Gegenstand der Beratungen in Diözesan- und Priesterrat. Im Verlauf des Dialogprozesses, zunächst deklariert als Zeit des Hörens, trat rasch zutage, dass die aufgezeigten widerstreitenden Auffassungen über die Zukunft deutlicher als bisher artikuliert werden. Zugleich musste von Beginn an und immer wieder zur Kenntnis genommen werden, dass unter Hinweis auf die in der Weltkirche gesetzten Rechtsnormen ein Wegfall der Zölibatsverpflichtung der Priester und der Zugang von Frauen zu den Weiheämtern in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Die Zusicherung, Frauen in Führungsämtern mehr Chancen zu geben, konnte nur wenig trösten, wollen sehr viele doch die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung in allen Ämtern und an allen Orten. Hinzu kam, dass die in den letzten Jahren eingeleiteten Strukturmaßnahmen, insbesondere die Bildung von Seelsorgeeinheiten, bisher vielerorts nur wenig Akzeptanz gefunden haben. Der Verdacht, es handle sich lediglich um eine Reaktion auf den unausweichlichen Priestermangel, münde ein in eine Zentralisierung und führe letztendlich zu einer Auflösung der Kirchengemeinden, 32

33 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS konnte nie ganz entkräftet werden und fand im Verlauf des Dialogprozesses neue Nahrung trotz vielfacher Beteuerungen, dass dies keinesfalls so beabsichtigt sei. Andererseits zeichnete sich auch schon früh im Dialog- und Erneuerungsprozess ab, dass Bischof Gebhard fest entschlossen ist, innerhalb des ihm gesetzten Handlungsrahmens Veränderungen herbeizuführen. Die leitende Idee ist die der dialogischen und diakonischen Kirche, die eine Theologie nicht nur im Wort betreibt, sondern die Lebenssituation der Menschen heute wahr- und ernstnimmt und so wieder Glaubwürdigkeit zu erlangen vermag. Eine Aufspaltung von Klerus hier und Laien da müsse überwunden werden. Bischof Gebhard verwies auf eine Aussage von Papst Benedikt XVI., der ausdrücklich eine Mentalitätsveränderung eingefordert hatte mit dem Hinweis, dass Laien nicht mehr bloß Hilfen für den Pfarrer, sondern Mitverantwortliche seien. In diesem Zusammenhang sei die Stärkung des Ehrenamtes ein wichtiger Baustein, da die ehrenamtlichen Dienste die Kirche den Menschen am nächsten bringen könnten. Hierzu hat auch das Zweite Vatikanische Konzil deutlich gemacht, dass das Volk Gottes Priester und Laien umfasst. Die Laien bekommen ihren kirchlichen Rang nicht durch die Teilhabe an den hierarchischen Ämtern oder aus deren Gnade, sondern aus eigener Kompetenz als Mitglieder des Volkes Gottes. Daraus hat das Konzil diese Konsequenz gezogen: Jeder hat gemäß der gemeinsamen Aufgabe der Kirche, Volk Gottes zu sein, in seinem eigenen Lebensbereich eine priesterliche Funktion. Es gibt ein gemeinsames Priestertum aller Gläubigen. Die Laien haben unmittelbar Anteil an der Heilssendung der Kirche selbst, wie das Konzil in Lumen Gentium sagt. Ausgehend von dieser Auffassung, wurde der Gedanke des gemeinsamen Priestertums mit einem besonderen Akzent versehen. Mit Blick auf die im Codex iuris canonici vorgesehenen Möglichkeiten kann engagierten Laien die Leitung von Gemeinden übertragen werden. Vielen war nicht bekannt, dass schon seit zehn Jahren auf dem Höchstberg einer Ordensschwester aus Sießen leitende und koordinierende Funktionen in der Gemeinde- und Wallfahrtsseelsorge übertragen wurden; auch auf diese Erfahrungen sollte zurückgegriffen werden. 33

34 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS Weiterhin gibt es das Konzept pastoraler Ansprechpersonen, die mit Anerkennung durch den Bischof das pastorale Gesicht einer Gemeinde bilden können. Diese Personen werden mit Aufgaben betraut, die je nach Bedarf vor Ort vereinbart werden. Dies beschneidet nicht den Dienst der Priester und Pfarrer. In verantwortet gestalteter Weise schaffen diese Möglichkeiten auch Freiräume für die Priester. Gemeinsam kann so eine für die Seelsorge wie auch für die Gemeinschaft elementar wichtige Nähe zu den Menschen, ihren Sorgen, Nöten und Freuden besser gestaltet und gelebt werden. Daraus wurde mittlerweile, auch nach zwei Studientagen des Diözesanrats zur Kirchenkonstitution Gaudium et Spes und zur Pastoralkonstitution Lumen Gentium des II. Vatikanums, der Gedanke einer Kirche als Gemeinschaft von Gemeinschaften, in denen verantwortlich handelnde Personen in besonderer Weise gestärkt und gefördert werden, entwickelt und neu belebt. Im Rahmen des gemeinsamen Priestertums werden Laien in ganz unterschiedlichen Modellen ausdrücklich in die Leitung dieser Gemeinschaften eingesetzt. Durch sie bleibt Gemeinde am Ort lebendig. Die Hauptamtlichen unterstützen diese und werden im Gegenzug durch deren Engagement entlastet. Vielfalt wird als positiv empfunden. Die Verwaltung und Organisation indessen kann durchaus in großflächigeren Zusammenhängen erfolgen. Gemeinschaften sind und bleiben dann attraktiv, wenn jede und jeder Einzelne dort in authentischer Form geschätzt und willkommen geheißen wird, gleichberechtigt ist, und ihr und ihm ermöglicht wird, Berufungen und Begabungen zu leben und Glaubensinhalte in die Gemeinschaft einzubringen. In unserer Kirche gibt es noch viele Berufungen und Begabungen zu entdecken, gerade unter denen, die mittlerweile den Kirchen fern stehen. Sehr viele wünschen sich mehr Aufmerksamkeit und die Möglichkeit der Mitgestaltung. Hierfür sind attraktive Möglichkeiten zu eröffnen. Hier liegt auch ein sehr wesentlicher Grundzug des Dienstes der hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In einem solchermaßen gestalteten Miteinander werden auch neue Freiräume für den priesterlichen Dienst ermöglicht. 34

35 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS Unter dem Blickwinkel einer neuen Glaubwürdigkeit kirchlicher Verkündigung und pastoralen Handelns sind die Entwicklungen zu sehen, die sich der Stellung der Frauen in der Kirche, der Pastoral für wiederverheiratet Geschiedene und konfessionsverbindend Verheirateten oder Fragen der Sexualmoral widmen. Stets geht es darum, abzuwägen, bei welchen Gelegenheiten und in welcher Form die Grundregeln unseres Glaubens angesprochen werden sollten und auf die positiven Aspekte ihrer Einhaltung hingewiesen werden muss. Auf der anderen Seite führt kein Weg daran vorbei, nach dem Vorbild Jesu im Einzelfall im wertschätzenden Umgang und unter Würdigung der jeweiligen persönlichen Situation heilsame Beziehungen mit den Menschen aufrechtzuerhalten. Leitend könnte das Wort des Propheten Hosea sein, das Jesus aufgegriffen und vorgelebt hat (Mt 9,13): Barmherzigkeit will ich nicht Opfer (Hos 6,6). Die Kirchengemeinden sollten als Orte der Begegnung erhalten werden, sie sollen aber durch bewusst und gezielt gestärkte kleine Gemeinschaften mit Leben erfüllt werden. Kleine Gemeinschaften müssen offen sein und dürfen sich nicht abschotten. Dort darf nicht vorstrukturiert und vorgedacht werden. Die hauptberuflich Engagierten sind gehalten, nicht zu überformen, sondern subsidiär zu begleiten. Es geht vor allem darum, einen wirksamen Kontrapunkt gegenüber der Anonymität zu setzen, die unsere kirchlichen Feiern und Kommunikationsformen für viele so tiefgreifend prägt. In dieser Hinsicht sollte unsere Aufmerksamkeit den Berufungen und Anerkennungen von Persönlichkeiten gelten, die in der Lage sind, kleine Gemeinschaften qualitativ hochwertig zu leiten, ihnen konstruktive Impulse zu geben, gekonnt zu delegieren und die Mitglieder in guter Weise am Gemeinschaftsleben teilhaben zu lassen. Den Formen der Glaubensfeier und Glaubensverkündigung müssen wir künftig vermehrt Aufmerksamkeit widmen. Tradierte Gottesdienstformen haben weiter elementare Bedeutung in unserer Kirche und für das Leben als Christinnen und Christen. Eine zentrale Aufgabe wird jedoch die Neugestaltung der Liturgie sein, mit der deutlicher ein Bezug zur Lebenssituation der Menschen herzustellen ist. Es sind in einer neuen Vielfalt Formen des Gottesdienstes zu ermöglichen, die einen Rahmen für persönliche Begegnung und für das gegenseitige Vorstellen von Lebenswegen und Lebensinhalten schaffen, den Austausch von 35

36 WORT DES DIÖZESANRATS UND DES PRIESTERRATS Freude und Hoffnung, Trauer und Angst, im Zwiegespräch oder auch in Gruppen fördern. Auch hier haben kleine Gemeinschaften eine große Chance. Gleiches wie für die Liturgie gilt auch für die Sakramentenkatechese und -pastoral. Für den Priesterrat ist in diesen Feldern eine gründlich Analyse der Situation vor Ort, es sind Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen, neue Haltungen und Formen unabdingbar. An diesen wichtigen Punkten im Leben der Christen ist ein sensibles Vorgehen von großer Bedeutung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es hier zu vielen Begegnungen mit Menschen kommt, die nicht mehr unmittelbar in der Gemeinde sozialisiert sind. Hier ist eine Pastoral der Nähe doppelt wichtig. Die Seelsorge kann nur aus der tiefen, persönlichen Beziehung der Menschen zum dreifaltigen Gott und untereinander neu belebt werden. Darin uns gegenseitig zu stärken, im Zusammenspiel von ehrenamtlich und hauptberuflich Tätigen, im Miteinander von Engagierten und eher Distanzierteren, im Austausch zwischen den Generationen, dürfte eine ganz wesentliche Aufgabe liegen, wollen wir unseren Glauben, unsere christliche Identität, unsere Kirche Rottenburg-Stuttgart an der Lebenssituation der Menschen und am Evangelium, an der Liebe Gottes neu ausrichten. Unsere Kräfte zu bündeln und im Vertrauen auf den Geist Gottes einzusetzen, wird dazu beitragen können, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn dies gelingt, hat sich auch dieser Prozess und die damit verbundene Mühe, haben sich die vielen Gespräche und das gemeinsame Beten und Feiern gelohnt. Vieles wird sich erst in der Umsetzung zeigen. Es wird unterschiedliche Vorgehensweisen und Modelle geben. Wir werden unsere Erfahrungen miteinander teilen, einander immer wieder neu Mut machen dürfen und uns auch gelegentlich korrigieren müssen. Insofern wird auch künftig unsere Kirche eine dialogische, eine diakonische und eine sich immer wieder erneuernde sein. Dr. Johannes Warmbrunn Sprecher des Diözesanrats Msgr. Herbert Schmucker Sprecher des Priesterrats 36

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39 DER DIALOGPROZESS HALTUNG UND METHODE DER DIALOGPROZESS 39

40 DER DIALOGPROZESS Der Dialogprozess DIREKTOR PROF. DR. THOMAS FLIETHMANN Dialog ist nicht zuerst eine Methode, sondern eine Haltung die Bereitschaft zu einem unvoreingenommenen Gespräch. Wo immer sich Gesprächspartner, und das gilt auch für Organisationen, auf den Weg eines Dialogprozesses begeben, ist zu Beginn offen, wohin der Weg führen wird. Sicher ist nur, dass die Beteiligten am Ende anders aus dem Prozess hinauskommen, als sie hineingegangen sind. Eine reflektierende Darstellung des Dialogprozesses in der Diözese Rottenburg-Stuttgart darf daher nicht nur konkrete Schritte resümieren und Ergebnisse bilanzieren, sondern muss auch in den Blick nehmen, was ein solcher Prozess für das Leben der Diözese bedeutet. Neben den einzelnen Inhalten ist der Dialogprozess ein Ereignis. Dialog ein Zeichen der Zeit Dialog und Partizipation ist zu einem Merkmal unserer Zeit geworden. Das öffentliche und politische Leben ist gegenwärtig geprägt davon, dass die Menschen immer mehr Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten wünschen. Sie sind dabei einerseits geleitet von einem gewachsenen Selbstbewusstsein, demgemäß sie in Angelegenheiten, die sie betreffen, mitreden wollen. Andererseits ist das Vertrauen in Institutionen, an die Entscheidungen delegiert werden, in eine Krise geraten. Es herrscht das Misstrauen, dass gewählte Vertreter oder Abgeordnete die res publica die Angelegenheiten des Volkes nicht im Sinne des Publikums regeln. So werden die Rufe nach einer Ausweitung der Möglichkeiten förmlicher Volksabstimmungen wie in einigen Nachbarländern lauter; selbst konservative Parteien öffnen sich diesem Gedanken vorsichtig. Politischen Parteien lassen größere Programmentscheidungen abseits regulärer Parteitage auf Regionalforen diskutieren, Kandidaten für wichtige Posten werden per Urentscheid gefunden. Im politischen Umfeld der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Ankündigung einer Politik des Zuhörens zu nennen, der Filderdialog ist der Versuch, eine landespolitisch wichtige Entscheidung unter 40

41 DER DIALOGPROZESS größtmöglicher Beteiligung der Bürger zu treffen. Leitend für diese Versuche ist es, bestehende und legitimierte Strukturen der Delegation mit eher spontanen Strukturen der Partizipation zu kombinieren. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht leicht ist. Der Kirche ist die Sache des Dialogs nicht fremd. Das Zweite Vatikanische Konzil, in dessen 50-Jahr-Feier die Dialogprozesse der Katholischen Kirche in Deutschland fallen, hat den Dialog sowohl der Kirche mit allen Menschen als auch innerhalb der Kirche selbst entschieden empfohlen und verlangt, dass wir vor allem in der Kirche selbst, bei der Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden: Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint als was sie trennt. 1 Dieser Impuls wurde von Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam suam detailliert entfaltet. Nach Papst Johannes Paul II. muss die heutige Kirche mehr denn je eine Kirche des echten Dialoges sein, in dem die Kirche den Menschen und damit auch ihren eigenen Auftrag besser zu verstehen 2 sucht. Im Gefolge des Konzils wurden in der Kirche selbst dialogische Strukturen weiter entfaltet. Auf der Ebene der Ortskirche ist hier an die gemeinsame Synode der deutschen Bistümer in Würzburg zu erinnern sowie an die Diözesansynode der Diözese Rottenburg-Stuttgart In den Zusammenhang dialogischer Strukturen gehört auch der Hinweis auf das System der Kirchengemeinde- und Dekanatsräte sowie des integrierten Diözesan- und Diözesanpriesterrates, die Beratungs- aber auch Leitungskompetenzen ausüben. Der aktuelle Dialogprozess ist also eingebettet in kirchliche und säkulare Dialog- und Partizipationsansprüche, in denen sich das Volk Gottes, die konkreten Gläubigen in der Ortskirche gleichzeitig bewegen. Gerade deshalb ist auch auf die Differenz zwischen beiden Bereichen hinzuweisen. Die Legitimation von Partizipationsforderungen im politischen Bereich ergibt sich aus der grundsätzlich demokratischen Verfassung des Staates. Partizipation ist ein Konstitutivum von Staat und Gesellschaft, kein Privileg. Die Kirche ist keine Demokratie, denn in ihr geht die Macht von Gott, nicht vom Volke aus. Dies hat dazu geführt, dass die innere Struktur der Kirche als eine hierarchische organisiert ist. Für den in- 41

42 DER DIALOGPROZESS nerkirchlichen Dialogprozess hat das zur Konsequenz, einerseits die Anforderung an jeden wirklichen Dialog zu erfüllen, Offenheit für die Wahrheit in den Positionen aller Beteiligter mitzubringen, andererseits jedoch die Konsense, die vertikal aus der Tradition der Kirche wie auch horizontal aus der Breite der weltweiten Kirche vorgegeben sind, in ihrer normativen Gültigkeit anzuerkennen. Partizipation des Volkes Gottes an kirchlichen Prozessen stößt hier auf andere, aber nicht minder schwierige Strukturen wie in gesellschaftlichen Beteiligungsprozessen. Der Dialogprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart Im Jahr 2010 wurden immer mehr Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie deren Vertuschung in kirchlichen Verwaltungen bekannt. Die Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche in Deutschland war nachhaltig erschüttert. Dies hatte seine Wirkungen auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Erschütterung und Empörung manifestierten sich in öffentlichen Äußerungen, in Briefen an den Bischof und nicht zuletzt auch in zahlreichen Kirchenaustritten. In dieser Situation ergriff der integrierte Diözesanrat und Diözesanpriesterrat unter dem Vorsitz von Bischof Gebhard Fürst die Initiative und beschloss, die schwierige Situation der Kirche in einem Prozess der Selbstvergewisserung und Erneuerung zu thematisieren. Die aktuelle Erschütterung wurde zum Anlass, das vielfältige Unbehagen an der Kirche zu artikulieren und in größerer Breite die Frage zu stellen, wo die Kirche sich aufdrängende Zeichen der Zeit unzureichend wahrnimmt und ihrem Auftrag, das Evangelium den Menschen der jeweiligen Gegenwart zu verkünden, nicht angemessen nachkommt. Die Debatte um die Missbrauchsthematik wurde zum Katalysator für ein breiteres Gespräch, in dem z.t. seit Jahrzehnten diskutierte Reformthemen erneut in den Fokus rückten. Noch vor der Ankündigung des Dialogprozesses auf Ebene der Bischofskonferenz beschlossen die Räte der Diözese daher gemeinsam mit dem Bischof, einen eigenen Dialogprozess zu installieren. Der Geschäftsführende Ausschuss der Räte erarbeitete bis zum Frühjahr 2011 das Papier Glaubwürdig Kirche leben Dialog- und Erneuerungsprozess in der 42

43 DER DIALOGPROZESS Diözese Rottenburg-Stuttgart, in dem Ziele und Struktur des Prozesses niedergelegt sind. Am 26. März 2011 wurde der Dialogprozess im Rahmen einer Sitzung des Diözesanrates offiziell begonnen. Darin werden als Hauptziele des Dialogprozesses neben der geistlichen und strukturellen Erneuerung u.a. die Stärkung der Glaubwürdigkeit unserer Kirche als Trägerin und Vermittlerin der Botschaft des Glaubens, der Wille, die Individualität des Glaubens und die solidarische Gemeinschaft im Glauben in ein neues, fruchtbares Miteinander zu bringen, die Weitergabe der derzeit in unserer Diözese nicht lösbaren Anliegen an die zuständigen Stellen sowie die verbindliche Umsetzung bereits realisierbarer Erneuerungsschritte auch schon während des Prozesses genannt. 3 Insgesamt sollte der Prozess in Form eines zeitlich befristeten, klar strukturierten Projektes gestaltet sein. 4 Die Gesamtverantwortung des Dialogprozesses lag beim Bischof unter Mitverantwortung der beiden Sprecher, Dr. Johannes Warmbrunn für den Diözesanrat und Msgr. Herbert Schmucker für den Diözesanpriesterrat. Steuerungsfunktion übernahmen die Sitzung des Bischöflichen Ordinariats sowie der Geschäftsführende Ausschuss von Diözesan- und Priesterrat. Als zentrales Organ für die operative Durchführung des Dialogprozesses wurde eine Koordinierungsgruppe unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Thomas Fliethmann und Dr. Matthias Ball (beide vom Institut für Fort- und Weiterbildung) eingerichtet. Mitglieder der Gruppe waren: Karl-Eugen Hagmann und Marjon Sprengel (Bischöfliches Ordinariat), Dekan Karl Kaufmann und Dekanatsreferent Dr. Oliver Schütz (Dekanatsebene), Gabriele Pennekamp (Diözesanrat) und Pfarrer Ulrich Kloos (Diözesanpriesterrat) sowie Eckhard Raabe (Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bischöfliches Ordinariat). Die Geschäftsführung der Gruppe lag zunächst bei Mario Kaifel (Hauptabteilung Pastorale Konzeption), seit Dezember 2011 mit einem 70%-Stellenanteil bei Karin Schieszl-Rathgeb. Der Koordinierungsgruppe oblag auch die Verwaltung des Budgets, das der diözesane Finanzausschuss für den Dialogprozess bewilligte. 43

44 DER DIALOGPROZESS Zu den Aufgaben der Koordinierungsgruppe gehörten in der Erarbeitung eines Arbeitsplans mit Themenbereichen unter Berücksichtigung der Ungleichzeitigkeiten von fortlaufender Arbeit und Prozessgeschehen sowie unterschiedlicher Teilprojekte die Erarbeitung eines für prozessorientierte Fortschreibungen offenen Zeitplans, die Erarbeitung der methodischen Gestaltung des Prozesses sowie die Prozessdokumentation. 5 In monatlichen, teilweise ganztägigen Sitzungen wurden Strukturen entwickelt, wie konkrete Aktivitäten im Dialogprozess angeregt und die Ergebnisse dieser Aktivitäten gesichert und zusammengeführt werden konnten. Die besondere Herausforderung bestand darin, dass die Maxime Kein Thema ist ausgeschlossen durch eine größtmögliche Freiheit der Initiative vor Ort, in den Gemeinden, Seelsorgeeinheiten und Dekanaten, aber auch von selbstorganisierten Initiativgruppen, zur Geltung gebracht werden sollte, um im Prozess jegliche Lenkung von oben auszuschließen. Dennoch musste der Ertrag der jeweiligen Initiativen auf geeignete Weise erhoben werden, um dem Prozess Wirksamkeit für die Diözese zu verleihen. Gemäß der doppelten Ausrichtung des Dialogprozesses, nämlich sowohl ein geistlicher als auch ein themenzentrierter Prozess zu sein, wurden zu Beginn des Prozesses zwei Akzente gesetzt. Im Auftrag des Bischofs erstellten im Frühjahr 2011 Bischofssekretär Holger Winterholer und die Liturgiereferentin Margret Schäfer-Krebs eine Handreichung mit Anregungen für die geistliche und liturgische Begleitung des Dialogprozesses. 6 Die Koordinierungsgruppe gab im Herbst 2011 eine Arbeitshilfe mit Grundsatzüberlegungen für ein Dialoggeschehen sowie mit konkreten Vorlagen für die Durchführung von Veranstaltungen in verschiedenen Formaten heraus. Diese zweite Arbeitshilfe trug den Titel Zeit zu hören und nahm damit die Intention der gesamten ersten Phase des Dialogprozesses bis etwa Herbst 2012 auf: das offene Gespräch auf allen Ebenen der Diözese suchen, die schwierigen Themen vorbehaltlos ansprechen, dabei sich gegenseitig gut zuhören, besonders dann, wenn gegensätzliche Ansichten und Haltungen, auch unterschiedliche kirchliche Stile aufeinandertreffen, und die gefundenen Positionen dem Bischof und der Kirchenleitung zu Gehör bringen. 44

45 DER DIALOGPROZESS Im Blick auf den zweiten Schwerpunkt, die Aufnahme der Ergebnisse aus den vielen Dialogveranstaltungen, wurde schnell klar, dass die Koordinierungsgruppe diese Arbeit nicht alleine bewältigen konnte. Bereits vor der Ankündigung des Dialogprozesses waren ja zahlreiche Briefe an den Bischof eingegangen, die thematisch in den Dialogprozess gehörten. Mit dem Beginn des Prozesses wuchs deren Zahl deutlich. Im weiteren Verlauf kamen dann zum Teil sehr umfangreiche Dokumente aus organisierten Dialogveranstaltungen hinzu. Es erwies sich daher als beste Lösung, eine Arbeitsgruppe außerhalb des Bischöflichen Ordinariats zu beauftragen, die eingehenden Dokumente zu sichten und methodisch abgesichert auszuwerten. Über das Ergebnis informiert der Beitrag Zeit zu hören Auswertung der Briefe und Dokumente im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses von Karin Schieszl-Rathgeb in diesem Band. Mit der Zeit zu hören ist die zeitlich längere erste Phase des zweijährigen Dialogprozesses der Diözese umschrieben. Angeregt durch die beschriebenen Impulse, aber auch aufbauend auf bereits begonnene eigene Entwicklungsprozesse entwickelte sich der Dialogprozess in der Diözese sehr vielfältig in unterschiedlichen Formen und in unterschiedlicher Intensität. Zahllose Gesprächsrunden fanden statt. Vielfach wurde der Bischof zu Veranstaltungen der Seelsorgeeinheiten oder der Dekanate eingeladen. Die Sprecher der Räte stellten sich der Diskussion, auch Mitglieder der Koordinierungsgruppe wurden als Gesprächspartner eingeladen. Neben diesen sehr freien, auch relativ spontan organisierten Gesprächsforen gehören zum Dialogprozess jedoch auch viele Aktivitäten der Verbände in der Diözese, die ihre Jahrestagungen in die Dynamik des Dialogprozesses einfügten. Das [jugendforum] 3, in dem das Bischöfliche Jugendamt mit dem BDKJ bereits vor dem eigentlichen Dialogprozess einen längeren Konsultationsprozess durchgeführt hatte, muss gerade auch in seiner Eigenständigkeit ebenfalls als ein Element des diözesanen Dialogprozesses gelten. Relativ eigenständig durchgeführt, aber in die Erneuerungsdynamik des Dialogprozesses gehörig, wurde kurz nach der Eröffnung des Dialogprozesses das Projekt Gemeinde in Auftrag gegeben, das sich angesichts der personellen und strukturellen Wandlungsprozesse der Kirche mit den konkreten Seelsorgestrukturen vor Ort befasst. 45

46 DER DIALOGPROZESS Ein erstes Zwischenergebnis aus den vielfältigen Aktivitäten in der Diözese wurde in einer Pressekonferenz einer breiten Öffentlichkeit im Herbst 2012 vorgestellt. Gleichzeitig wurde ein Resümee unter dem Titel Glaubwürdig Kirche leben als Sonderbeilage des Katholischen Sonntagsblatts ( KS-Spezial ) der bis dahin eingegangenen Schreiben und Diskussionsbeiträge den Gemeinden und Seelsorgeeinheiten zur Verfügung gestellt und auch allen Einzelpersonen, die sich allein oder in Gruppen schriftlich an den Bischof gewandt hatten, als Antwort und Echo auf ihren Beitrag zugesandt. Die Zusage, dass alles, was dem Bischof oder der Koordinierungsgruppe im Laufe des Dialogprozesses zuging, in den Dialogprozess eingebracht würde, wurde damit eingelöst. Zugleich ergab sich ein bereits recht festes Fundament für eine erste thematische Bilanz. Obwohl auch nach dem Sommer 2012 zahlreiche Dialogveranstaltungen stattfanden, die durch die Koordinierungsgruppe registriert und zur Auswertung gegeben wurden, trat der Dialogprozess in eine weitere Phase ein, deren sichtbarer Ausdruck die vier eintägigen Regionalforen im Frühjahr 2013 waren (vgl. dazu den Beitrag Die Regionalforen Meilensteine im Dialog- und Erneuerungsprozess von Dr. Matthias Ball). Sehr bewusst waren diese Foren nicht als weitere, formal und thematisch völlig offene Veranstaltungen geplant, wie es sie in den eineinhalb Jahren zuvor gegeben hatte. Vielmehr wurden zu vier Veranstaltungen, die flächenmäßig die gesamte Diözese umfassen sollten, gezielt Vertreter aus Räten, Orden und Verbänden eingeladen, um einige ausgewählte Themen, die im Dialogprozess eine prominente Rolle spielten, vertieft zu behandeln. Zusätzlich zu wechselnden Reformthemen im engeren Sinne ging es auf jedem Forum auch um verschiedene Aspekte aus dem Projekt Gemeinde. Die Regionalforen boten den Projektbeteiligten eine gute Gelegenheit, konkrete Überlegungen vorzustellen und ein Feedback der Teilnehmer, die aufgrund der Einladungsstruktur bestens vertraut waren mit den Strukturen vor Ort, einzuholen. Zusammen mit dem gelungenen Ambiente wurden die Regionalforen durch die intensive Arbeit zu wichtigen Ereignissen im besten Sinne. Für die Dynamik des Dialogprozesses erbrachten sie die gewünschte Bündelung zum Abschluss der intensiven Zeit zu hören. 46

47 DER DIALOGPROZESS Entsprechend der von den Auftraggebern angesetzten zweijährigen Dauer endet der Dialogprozess wiederum mit einer Sitzung des Diözesanrates am 22. Juni Das Format einer Diözesanratssitzung wird dabei durch die Einladung weiterer Gäste erweitert, um dem Charakter des Dialogprozesses als ein diözesanes Ereigniss mit vielen Beteiligten gerecht zu werden. Im Mittelpunkt dieses Abschlusses steht die Bilanz des Bischofs mit der Ankündigung konkreter Vorhaben und Veränderungen, die sich aus dem Dialogprozess ergeben. Ebenso wird aber auch deutlich, welche Themen im Rahmen der Diözese nicht weiter verfolgt werden können oder sollen. Und das Ergebnis? Der Dialogprozess ist eine Etappe auf einem langen Weg. Wenn, wie der kürzlich verstorbene Kardinal Carlo Maria Martini in einem posthum erschienenen Interview zugespitzt sagte, die Kirche 200 Jahre zurückgeblieben ist, dann wird deutlich, dass die Transformationsprozesse, denen die Kirche in der Gegenwart unterliegt, zu einschneidend sind, als dass sie in einem relativ kurzen diözesanen Prozess abschließend bearbeitet werden könnten. In vielen kleinen, konkreten Schritten muss sich die Kirche den neuen gesellschaftlichen, epochal veränderten Verhältnissen stellen. Darüber, auf welchen Handlungsfeldern konkrete Schritte in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bereits gegangen wurden, welche in nächster Zukunft in Angriff genommen werden und welche in der Gemeinschaft der Kirche vorangetrieben werden müssen, absehbar aber noch nicht umgesetzt werden können, gibt dieser Band Aufschluss. Über die einzelnen Ergebnisse hinaus ist jedoch die Form wichtig, in der sie erzielt wurden. Der Dialogprozess hat deutlich gemacht und exemplarisch realisiert, dass neue Weisen der Kommunikation in der Kirche gefunden werden müssen. Ein wichtiger Moment in der 2010 eruptierten Kirchenkrise ist das Gefühl, dass in der Kirche über Probleme nicht offen gesprochen wird und sie deshalb auch nicht bearbeitet werden können. Dieser Tatbestand, der mehr noch als eine rationale Feststellung eine emotionale, schmerzhaft empfundene Distanzierung zur Kirche zum Ausdruck bringt, ist in den vielen Veranstaltungen 47

48 DER DIALOGPROZESS des Dialogprozesses immer wieder, teils bewegend, formuliert worden. In seiner Durchführung einen Raum für die Artikulation dieses status quo in den Strukturen der Kirche selbst geschaffen zu haben, dürfte eines der wichtigsten Verdienste des Dialogprozesses gewesen sein. Dieses oftmals erreichte, zumindest aber immer angezielte Niveau des offenen Austauschs darf in der Zukunft nicht mehr unterschritten werden, der Dialogprozess als Ereignis ist zugleich eine Selbstverpflichtung für die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ein Miteinander von Bischof, Kirchenleitung und dem Volk Gottes in der gemeinsamen Verantwortung für die Kirche bedarf verlässlicher Strukturen, die die verschiedenen Interessen an Partizipation und Nachhaltigkeit befriedigen. Die Kirche steht auf der Suche nach solchen Strukturen nicht allein, hat aufgrund ihrer Geschichte und Tradition jedoch eigene Formen zu entwickeln. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart kann sie allerdings auch auf bewährte Strukturen zurückgreifen. In der Struktur von Kirchengemeinderäten, Dekanatsräten und Diözesanrat stehen Dialog- und Beteiligungsinstrumente zur Verfügung, die in Effizienz und Kompetenz weiter ausgebaut werden müssten. Für die Kommunikation zwischen Bischof, Kirchenleitung und den Gemeinden vor Ort haben die Regionalforen ein stimmiges Format vorgegeben. Ein ähnliches Format hatten die in den vergangenen Jahren durchgeführten Gemeindeforen, die als Ort der gemeinsamen Weiterentwicklung pastoraler Themen von Kirchenleitung und Gemeindebasis genutzt werden könnten. Die Beteiligung der Gläubigen am Dialogprozess hat gezeigt, wie viel Verbundenheit mit der Kirche es in den Gemeinden und Verbänden gibt. Sie hat aber auch gezeigt, wie groß die Notwendigkeit einer auch inhaltlichen Selbstvergewisserung für die Gläubigen ist. Der Rückgang der gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit des Glaubens führt auch an der Kirchenbasis zu einer Verunsicherung hinsichtlich der eigenen Position, die in kirchlichem Handeln aufzufangen ist. Dies geht über strukturelle Anpassungen, so sehr sie vonnöten sind, hinaus. Ein Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche, das bei vielen Menschen vorhanden, aber von ihnen selbst als schwindend erlebt wird, ist ohne inhaltliche Arbeit nicht mehr zu wecken. 48

49 DER DIALOGPROZESS Es ist deutlich geworden, dass der strukturelle Umbau der Kirche nur dann auf Akzeptanz stößt, wenn seine Menschendienlichkeit sichtbar ist. Die Ausbildung von Kriterien, woran gemeinsam gearbeitet werden soll, ist daher von höchster Priorität. Der Dialogprozess der Diözese, aber nicht nur dort, wurde über weite Strecken mitbestimmt von den sogenannten Reformthemen (Umgang mit konfessionsverbindenden Ehen, mit geschiedenen Wiederverheirateten, mit dem Thema Frauen in der Kirche einschließlich der Frage nach Frauen im Weiheamt, Zölibat etc.). Obwohl bei manchen dieser Themen deutlich ist, dass Änderungen der gegenwärtigen Praxis über die Kompetenz der Diözese hinausreichen, sind sie mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Weltkirche nicht ad acta zu legen. Denn hinter diesen Themen verbergen sich oft genug Erfahrungen mit der Kirche, die nur zum Teil an konkreten Praktiken, vielmehr jedoch an latenten Haltungen Anstoß nehmen. Daran zu arbeiten, ist zwar schwieriger als konkrete Maßnahmen umzusetzen, nichtsdestoweniger jedoch notwendig. Deswegen dürfen auch die Reizthemen nicht einfach von der diözesanen Agenda verschwinden, sondern müssen ihren Ort zur Vertiefung finden. Viele engagierte Christinnen und Christen haben den Dialogrozess getragen und ihre Bereitschaft zum Engagement in der Kirche gezeigt. Darin liegt der Reichtum des Prozesses, aber zugleich seine Grenze. Viel zu wenig ist es gelungen, mit denjenigen Menschen in Dialog zu treten, die der Kirche distanziert oder gar ablehnend gegenüberstehen. Auch diejenigen, die einen Dialogprozess als solchen ablehnen, haben im Dialogprozess ihre Stimme nicht erhoben. Hier wird man die eigene Kommunikationsfähigkeit ausbauen müssen, um nicht in den eigenen Selbstverständlichkeiten zu verbleiben.der Dialogprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart wurde von Anfang an begleitet sowohl von der Hoffnung auf Veränderung und Aufschwung in der Kirche als auch von der Skepsis, ob die notwendigen Veränderungen eingeleitet würden. Beide Gefühle und Reaktionen werden sein Ende überdauern. Dennoch ist ein langer Weg und die Kirche hat sich immer wesentlich als in statu viae, als auf dem Weg, gesehen nur in einzelnen konkreten Schritten zu gehen. Der Dialogprozess war ein guter Schritt auf diesem Weg. 49

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51 DIALOG ALS GRUNDELEMENT UM UNSERES HEILES WILLEN DIALOG ALS GRUNDELEMENT DER DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 51

52 DIALOG ALS GRUNDELEMENT Dialog als Grundelement der Diözese Rottenburg-Stuttgart KARIN SCHIESZL-RATHGEB Einführung Der Begriff der Partizipation ist nicht neu. Derzeit taucht er vor allem in politischen Zusammenhängen auf. Denn aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit so scheint es haben die Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft gelernt, Menschen nun aktiv in Veränderungs- und Umgestaltungsprozesse mit einzubeziehen. Partizipation geschieht auf vielfältige Weise: durch Wahlen, Bürgerentscheide, Dialogforen, Gesprächsrunden und auch über das Internet. Insbesondere die neuen Medien, die Social Media, ermöglichen Menschen die Teilhabe und Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs. Doch gleich welches Medium, welche Form gewählt wird, das Ziel ist dasselbe: Es geht um das Recht der Mitgestaltung des Einzelnen am Gemeinwohl und an der Zukunft der Gesellschaft. Dieses partizipatorische Element ist auch der Kirche nicht fremd: In seiner dogmatischen Konstitution Lumen Gentium prägt das Zweite Vatikanische Konzil den Begriff des Volkes Gottes.1. Lumen Gentium ordnet den sogenannten Laien, den Frauen und Männern, die nicht als Priester, Diakone und Ordensleute ordiniert sind, die besondere Aufgabe zu, die zeitlichen Dinge zu durchleuchten 2 und ruft sie explizit dazu auf, am Heilswirken der Kirche teilzunehmen. In seinem Apostolischen Schreiben zur Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt, Christifideles Laici, greift Papst Johannes Paul II. im Jahr 1988 dieses Verständnis auf. Er betont ausdrücklich die Verantwortung der Christinnen und Christen für die Gesellschaft und ruft dazu auf, aktiv am politischen Diskurs teilzunehmen. 3 Denn neue kirchliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und kulturelle Gegebenheiten riefen heute mit besonderer Intensität nach dem Engagement der Laien. Diese Welt ist der Weinberg, sie ist der Ort, 52

53 DIALOG ALS GRUNDELEMENT wo die Laien dazu berufen sind, ihre Sendung zu erfüllen. Jesus will, dass sie wie alle seine Jünger Salz der Erde und Licht der Welt sind. 4 Deshalb sollten insbesondere die Laien lebendig, verantwortlich und bewusst an der Sendung der Kirche teilnehmen. In diesen Zusammenhängen und dieser Tradition steht die Idee des Dialog- und Erneuerungsprozesses der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Er hat seinen Ursprung zudem in den vier Elementen, auf die das Wirken der Diözese seit Jahren gründet: der missionarischen, diakonischen, schöpfungsfreundlichen und letztlich dialogischen Kirche. Missionarische Kirche Wovon wir überzeugt sind, davon reden wir, was wir erfahren haben, das bezeugen wir. (Joh 3,11) Die katholische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland umfasst 24,7 Millionen Mitglieder. Damit gehören 30,2 Prozent der Deutschen der katholischen Konfession an. Etwa ebenso viele sind Mitglieder der evangelischen Kirche. Doch obwohl 60 Prozent einer der großen christlichen Konfessionen angehören, haben die Kirchen in den letzten Jahren deutlich an Mitgliedern verloren. Die Kirche als Ort, in dem Religiosität und Spiritualität verankert sind, scheint immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Zudem scheint sie als Korrektiv in sozial- und individualethischen Fragestellungen immer weniger wahrgenommen zu werden. Diese Zeichen der Zeit hatte bereits die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils erkannt und den Wandel von Kirche und Gesellschaft und infolgedessen die Abkehr von den bis dahin bestehenden volkskirchlichen Strukturen beschrieben. 5 Von einer tiefen Krise ist die Rede, will man den Zustand beschreiben, in dem sich die Kirche heute befindet. Aktuelle Studien wie die sozialwissenschaftliche 53

54 DIALOG ALS GRUNDELEMENT Studie über die religiöse und kirchliche Orientierung der Katholiken in den verschiedenen Gesellschaftsschichten, die Sinus-Milieu-Studie , belegen diesen Wandel. Die von der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Rahmen des Dialogprozesses in Auftrag gegebene Studie zu Motiven von Kirchenbindung und Kirchenaustritten 7 macht deutlich, dass dennoch bei einer großen Zahl der Befragten der Gottesglaube einer der wichtigsten Orientierungspunkte darstellt. Dabei orientieren sich viele in ihrer Religiosität und Spiritualität nicht mehr an einer einzigen Glaubensgemeinschaft, so wiederum das Ergebnis der Sinus-Studie. Die christliche Botschaft muss sich mit anderen Sinnangeboten messen. Hinzu kommen die internen Schwierigkeiten, mit denen sich die Kirche in den letzten Jahren konfrontiert sah und immer noch sieht. Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle und das daraufhin nur zögerlich in Gang kommende Krisenmanagement mancher kirchlicher Verantwortungsträger erschütterte die gesamte Gesellschaft und traf insbesondere die katholische Kirche bis ins Mark. Die negativen Auswirkungen dieses Skandals sind heute, mehr als drei Jahre später, noch zu spüren, und die Kirche trägt nach wie vor schwer daran. Nahezu alle Milieus sehen die Missbrauchsfälle als Symptom für die desolate Verfassung, in der sich die Institution heute befinde, so die Erhebung der Sinus-Studie. All dies stellt die Kirche vor neue Herausforderungen. Bereits vor einigen Jahren hat Bischof Gebhard Fürst dazu aufgerufen, die neuen Orientierungsbewegungen und die Sehnsucht der Menschen nach Religiosität unter den veränderten Bedingungen zu nutzen. Die Kirche befinde sich in einem Prozess der Entwicklung von der Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk, so der Bischof. 8 Eine missionarische Kirche basiere nicht allein auf kirchlichen Traditionen als Fundament und Konsens. Sie setze Hoffnungszeichen, ohne zu vereinnahmen, und stehe im Diskurs mit den Menschen. Dieser Wandel verlange in erster Linie Glaubwürdigkeit. Es gehe darum, so der Bischof, die befreiende Wahrheit des Evangeliums im Handeln der Kirche in den kritischen Lebenslagen der Menschen zur Wirkung zu bringen. Wenn sie in solchen Lebenslagen in ihrem Handeln Transzendenz zeichenhaft vorlebe, 54

55 DIALOG ALS GRUNDELEMENT werde die Kirche künftig wieder von größerer Bedeutung sein. 9 Bereits Lumen Gentium 10 hatte deshalb insbesondere an die Laien appelliert: Ihre eigentümliche Aufgabe sei es, vom Geist des Evangeliums geleitet wie Sauerteig zur Heiligung der Welt von innen her beizutragen und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen. Eine zukunftsfähige Kirche braucht Menschen, die bereit sind aufzubrechen, ihr Leben aus ihren christlichen Wurzeln heraus zu gestalten und andere an den Sinnquellen des eigenen Lebens teilnehmen lassen und sie in besonderer Weise vorleben. 11 Der Umbruch von der Volkskirche hin zu einer missionarischen Kirche im Volk kann deshalb vor allem durch authentische Glaubenszeugen gelingen, durch Menschen, die ihre eigene Berufung leben als zeichenhafte Gestalten, als Menschen, die selbst begeistert sind, die erkennbare Profile haben. Dieser Wandel von der Volkskirche hin zu einer missionarischen Kirche im Volk, die nicht das Ziel hat, die eigenen Strukturen zu stärken, sondern die Menschen, verlangt auch neue pastorale Konzepte und Ansätze. Den Seelsorgerinnen und Seelsorgern vor Ort eröffnen sie Spielräume und Möglichkeiten, sich auf die konkrete Situation der Menschen vor Ort einzulassen. An solchen Lösungen arbeitet das 2011 ins Leben gerufene und breit angelegte Projekt Gemeinde. Mithilfe von Bedarfsanalysen und eigens dafür ausgebildeten Mentoren sollen Seelsorgeeinheiten und Gemeinden unterstützt werden, unter den vorhandenen Rahmenbedingungen speziell auf den Bedarf vor Ort abgestimmte, individuell stimmige Strukturen zu schaffen, in denen Seelsorge gelingt

56 DIALOG ALS GRUNDELEMENT Diakonische Kirche Wir dürfen nicht vergessen, dass die alte Geschichte vom Samariter zum Vorbild geworden ist für die Spiritualität des Zweiten Vatikanischen Konzils. (Papst Paul VI. Ansprache vor der öffentlichen Sitzung vom ) Missionarische Kirche kann sich vor allem dort entfalten, wo die pastoralen Strukturen, aber auch und das vor allem das persönliche christliche Engagement im Interesse des Nächsten, insbesondere zum Heil der Armen und Schwachen gestärkt wird. 13 Kirche kann vor allem dann missionarisch wirken, wenn Christinnen und Christen ihren Glauben leben. Mit ihrer Haltung und ihrem gesamten Lebensstil haben sie in der Gesellschaft Leuchtturmfunktion. In seinem Apostolischen Schreiben über die Evangelisierung der Welt von heute, Evangelii nuntiandi 14 von 1975, betont Papst Paul VI.: Die Verkündigung muss vor allem durch ein Zeugnis erfolgen. Das geschieht zum Beispiel, wenn ein einzelner Christ oder eine Gruppe von Christen inmitten der menschlichen Gemeinschaft, in der sie leben, ihre Verständnis- und Annahmebereitschaft, ihre Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit den anderen, ihre Solidarität in den Anstrengungen aller für alles, was edel und gut ist, zum Ausdruck bringen. Ferner auch dadurch, dass sie auf ganz einfache und spontane Weise ihren Glauben in Werte bekunden, die über den allgemeingängigen Werten stehen, und ihre Hoffnung in etwas, das man nicht sieht und von dem man nicht einmal zu träumen wagt. Durch dieses Zeugnis ohne Worte wecken diese Christen in den Herzen derer, die ihr Leben sehen, unwiderstehliche Fragen: Warum sind jene so? Warum leben sie auf diese Weise? Was oder wer ist es, das sie beseelt? Warum sind sie mit uns? In der Tat, ein solches Zeugnis ist bereits stille, aber sehr kraftvolle und wirksame Verkündigung der Frohbotschaft. 15 Bereits Alfred Delp forderte in der Zeit des Zweiten Weltkriegs eine Rückkehr der Kirchen zur Diakonie, in den Dienst der Menschheit. 16 Diakonisch ist auch das Profil des neuen Papstes Franziskus, der bereits in seiner Predigt 17 anlässlich seiner Amtseinführung betonte, auch er müsse, um seine Macht auszuüben, immer mehr in jenen Dienst eintreten, der seinen leuchtenden Höhepunkt am Kreuz hat, um das ganze Volk Gottes zu hüten und mit Liebe und Zärtlichkeit die gesamte Menschheit anzunehmen, besonders die Ärmsten, die Schwächsten, die Geringsten, die- 56

57 DIALOG ALS GRUNDELEMENT jenigen, die Matthäus im Letzten Gericht über die Liebe beschreibt: die Hungernden, die Durstigen, die Fremden, die Nackten, die Kranken, die Gefangenen. 18 Diakonische, heilende und helfende Kirche 19, Kirche sein mit dem Gesicht zur Welt, wie es Johann Baptist Metz genannt hat, will auch die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Vorbild ist ihr Diözesanpatron Martin von Tours. Denn er hat in der Szene der Mantelteilung auf besondere Weise ein Zeichen seines Glaubens gesetzt. Dass das Gedenken an den Heiligen aus Tours auch im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Diözesanwallfahrt ins ungarische Szombathély, dem Geburtsort des Heiligen Martin zum Ende des Prozesses Auch Papst Benedikt XVI. würdigte den heiligen Martin, der mit seiner Tat den unersetzlichen Wert des individuellen Liebeszeugnisses verdeutliche. 20 Indem er dem Armen am Wegrand einen Teil seines Mantels gibt, trifft er den Kern der Botschaft Jesu. Dieser Akt geht auf das Evangelium zurück. Dort heißt es:,,was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. 21 Indem Martin dem Bettler einen Teil seines Mantels reicht, handelt er aus seinem christlichen Selbstverständnis heraus nach dem Vorbild Jesu diakonisch. Martins Appell für die Kirche lautet: Wendet Euch den Schwachen und Bedrückten zu, unterstützt die Unglücklichen. 22 Er (der Heilige Martin) ist Träger des Wortes der Liebe und hat Christus in den Armen und Schwachen erkannt und hat ihn so auch den Menschen verkündet, so formuliert es Bischof Gebhard Fürst in seiner Ansprache zu Beginn des Jahres Das Wirken des heiligen Martin sei Maxime für die Pastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Er sei eine Ikone der Nächstenliebe 24. Welchen Anspruch dieser Satz birgt, zeigt sich ganz aktuell nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle. Hier ist ein sensibles, helfendes und heilendes Umgehen mit den Opfern gefragt. Und wie sehr hoffen diejenigen, die sich infolgedessen an der Gesprächsinitiative der Deutschen Bischofskonferenz und den Dialogprozessen in den verschiedenen Bistümern beteiligen, auf ein ent- 57

58 DIALOG ALS GRUNDELEMENT schlossenes und empathisches Eintreten für Menschen in schwierigen Lebenssituationen, z.b. für Geschiedene und Wiederverheiratete oder Menschen in konfessionsverbindenden Ehen. Schöpfungsfreundliche Kirche Als am 19. März 2013 auf der Loggia des Petersdoms der Name des neuen Papstes verkündet wird, steht fest: Dieser Name soll Programm sein, denn Kardinal Jorge Mario Bergoglio nennt sich von nun an Franziskus. Er tritt damit ein großes Erbe an. Papst Franziskus will die Botschaft seines Namenspatrons, des heiligen Franz von Assisi, weiterführen und dessen Verbundenheit mit der Natur, der Schöpfung Gottes, ins 21. Jahrhundert transportieren. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit, bei seiner Einführung in das Amt der Nachfolge Petri, appelliert er an die Staatsoberhäupter: Seid Hüter der Schöpfung und der Umwelt. 25 Und zugleich mahnt er die Pflicht zur Fürsorge für die Schwächsten der Gesellschaft an. Die Kirche müsse für die Armen da sein und sie beschützen. Die Bewahrung der Schöpfung sei etwas Ur-Menschliches. Sie bestehe darin, Achtung zu haben vor jedem Geschöpf Gottes und der Umwelt. Die Sprache dieses ökologisch denkenden Papstes ist hochmodern und fügt dem Gedanken der diakonisch-missionarischen Kirche einen weiteren Aspekt hinzu. Nachhaltiges Handeln ist Teil einer Kirche, die für die ganze Schöpfung Gottes missionarisch und diakonisch einsteht. Der bewusste Umgang mit der Schöpfung und nachhaltiges Handeln sind seit Jahren fest in den Leitlinien der Diözese Rottenburg-Stuttgart verankert. Die Pastoralen Prioritäten der Diözese 26 von 2004 nennen das Handeln zum Wohl der Schöpfung und die Stärkung des nachhaltigen Handelns im persönlichen Lebensbereich sowie in Kirche und Gesellschaft als eines der vier obersten Handlungsziele der Diözese. 58

59 DIALOG ALS GRUNDELEMENT Die Klima-Initiative, die 2007 von Bischof Fürst ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels zu initiieren und zu fördern. 27 Mit der Klima-Initiative sind wir keineswegs auf einen modischen Themenzug aufgesprungen, begründet Bischof Fürst das Engagement seiner Diözese. 28 Es sei vielmehr Ausdruck des Glaubens an Jesus Christus und Ausdruck des Wissens um die globale Solidargemeinschaft der Menschen und Geschöpfe. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass sich das Heil, die Rettung, der Schalom in einem umfassenden Verständnis, die uns in Jesus Christus geschenkt sind, nicht nur auf uns Menschen und den Sinn unseres menschlichen Lebens beziehen. Vielmehr gilt dies der ganzen vielfach bedrohten und geschändeten und doch so wunderbaren Schöpfung, deren Teil wir sind. Aber diese notwendige Art der Vernunft müsse für Christen aus einer spirituellen Grundhaltung heraus erwachsen, aus einer Verantwortung gegenüber dem Schöpfergott, aus einer dankbaren Antwort auf sein Geschenk unseres eigenen Lebens und aller Kreatur. Sonst bleibt alles, so wichtig es sein mag, im Schatten des Technokratischen vielleicht auch im Schatten der Hoffnungslosigkeit, weil vieles so mühsam ist und so erfolglos zu sein scheint. 29 Bereits dreimal, 2008, 2010 und zuletzt 2012, hat die Diözese am Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi, am 4. Oktober, Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen, die sich in besonderer Weise um eine schöpfungsfreundliche Kirche verdient gemacht haben, den Franziskus-Preis verliehen. Dieser Preis ist eine Auszeichnung für ein Handeln in Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer und in tiefer Ehrfurcht vor seiner Schöpfung. An diesen Gedanken schließt letztlich auch Papst Franziskus mit seinem Appell Hüten wir Christus in unserem Leben, um die anderen zu behüten, um die Schöpfung zu bewahren 30 an. 59

60 DIALOG ALS GRUNDELEMENT Dialogische Kirche Dialog, dieses Wort löst bei vielen Christinnen und Christen Misstrauen aus. Oft steht die Frage im Raum: Dialog, warum gerade jetzt? Warum erst dann, wenn die Kirche durch (Missbrauchs-)Skandale, die Aufarbeitung ihrer eigenen Vergangenheit, dem als fragwürdig kritisierten Umgang mit Mitarbeitern in den eigenen Einrichtungen und ihrer oftmals als überkommen empfundenen Haltung gegenüber den Menschen und ihren verschiedenen Lebensentwürfen an Akzeptanz verliert. Warum erst dann, wenn ersichtlich ist, dass die Austrittszahlen unaufhaltsam steigen? Dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, im September 2010 die in Fulda versammelten Bischöfe auf ihrer Herbstversammlung dazu aufrief, alles zu tun, um das Vertrauen der Katholiken wiederzugewinnen, geschah sicherlich auch als Reaktion auf diese oben genannten Schwierigkeiten, mit der er die Kirche konfrontiert sah. Doch es war auch die Initialzündung einer neuen, in dieser Form noch nicht dagewesenen Dialoginitiative, die von vielen Kirchenleitungen, insbesondere auch von unserer Diözese, konstruktiv aufgegriffen wurde. Bereits in seiner Neujahrsansprache vom 6. Januar 2011 betonte Bischof Gebhard Fürst: Ganz nach dieser Grundeinschätzung brauchen wir in der katholischen Kirche in Deutschland einen Läuterungs- und Erneuerungsprozess. ( ) Wir werden diesen Such- und Erneuerungsprozess in unserer Ortskirche ausdrücklich im Kontext eines strukturierten Dialogs der Bischofskonferenz führen, wollen aber nicht abwarten, bis dieser beginnt! 31 Schließlich eröffnete der Bischof am 17. März 2011 zusammen mit dem Diözesanrat und dem Priesterrat mit einer liturgischen Feier den Dialog- und Erneuerungsprozess für die Diözese Rottenburg-Stuttgart und stellte ihn unter das Leitwort Glaubwürdig Kirche leben. Ein Zitat aus dem Epheser-Brief sollte den Prozess begleiten: Erneuert euren Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an. 32 Dieser Aufruf des Apostels Paulus formuliert in Bezug auf die Diözese Rottenburg-Stuttgart einerseits den Anspruch des Prozesses und markiert 60

61 DIALOG ALS GRUNDELEMENT zugleich sein Ziel. Denn für Paulus ist Jesus Christus der neue Mensch. Sein Geist soll in uns lebendig werden. Von ihm her sollen wir leben und handeln und von ihm geht Erneuerung aus. 33 Erneuert euren Geist und Sinn das ist Verpflichtung und zugleich Selbstverpflichtung. Denn dieser Satz zielt einerseits auf diejenigen, die sich im Prozess engagieren, die Akteure des Dialogs, die Katholikinnen und Katholiken der Diözese, doch zugleich auf die Initiatoren, den Bischof und die diözesanen Räte. Letztere wollen in diakonischer Haltung hören, was die Menschen bewegt, wo ihre Sorgen und Nöte liegen und in welchen gesellschaftlichen und familiären Bindungen sie leben. Dialog kann aber nicht von oben verordnet werden. Er braucht die Mitarbeit und Mitwirkung der getauften Christen, die wir als wirklich mitverantwortlich für das Sein und Handeln der Kirche anerkennen müssen, 34 so Bischof Gebhard Fürst zu Beginn des Prozesses. Erneuert euren Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, ist also Aufforderung zum empathischen Hinhören und impliziert Änderungswillen auf beiden Seiten bei Initiatoren und Akteuren. Der Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist sicherlich auch Teil und Resultat der Partizipations-Bewegungen im politischen und gesamtgesellschaftlichen Bereich. Dennoch soll er weder Modeerscheinung noch Selbstzweck sein, sondern aus der Kraft des Heiligen Geistes geschehen und aus ihr heraus Denkanstöße geben und Reformen hervorbringen. Er steht damit in der Tradition der Kirche. Denn von dieser Kraft ist auch in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils die Rede. So thematisieren diese in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder die konstitutive Bedeutung und Mitwirkungskraft der getauften und gefirmten Christen. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes etwa ruft explizit zum Dialog mit allen Menschen auf: Die Kirche wird kraft ihrer Sendung die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums erleuchten und alle Menschen aller Nationen, Rassen und Kulturen in einem Geist vereinigen, zum Zeichen jener Brüderlichkeit, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen lässt. Das aber verlangt von uns, dass wir vor allem in der Kirche selbst, 61

62 DIALOG ALS GRUNDELEMENT bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheit, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe. 35 In diese dialogische Dimension von Kirche-Sein, hatte sich bereits die Diözesansynode 1985/86 hineingestellt, wie der damalige Bischof Georg Moser ( ) und Vorsitzende der Synode im Vorwort zu den Synodenbeschlüssen betonte: Unsere Synode ( ) hat sich ganz bewusst in die Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Gemeinsamen Synode Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Daran anknüpfend hat sie unter den Augen Gottes und angesichts der Welt von heute versucht, in die Wirklichkeit unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart hineinzuhorchen und hineinzusprechen. 36 Dass sich diese Tradition der Verknüpfung von Partizipation und Verantwortung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart auch angesichts schwieriger Herausforderungen und Entscheidungen bewährt, zeigt der gut fünfzehn Jahre später geführte Konsultationsprozess zur Entwicklung pastoraler Prioritäten und Posterioritäten. Heute, angesichts einer der schwersten Krisen der katholischen Kirche, kann die Diözese Rottenburg-Stuttgart auf ihr dialogisches Fundament zurückgreifen. Sicherlich werden nicht alle Forderungen umsetzbar sein und manche Reformansätze ihre Wirkung erst mit zeitlichem Verzug entfalten. Sicherlich wird man um gestufte Lösungen ringen, wenn nicht alles auf Anhieb gelingt. Das vierte Grundelement, die dialogische Kirche, wird nicht allein ein Reflex auf zeitbedingte Entwicklungen bleiben, sondern folgt der Tradition des Konzils und den diözesanen Bewegungen der letzten Jahrzehnte. Sie ist und bleibt neben der missionarischen, diakonischen und schöpfungsfreundlichen Kirche eine weitere Grunddimension einer zukunftsfähigen Diözese Rottenburg-Stuttgart. 62

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65 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS 65

66 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Zeit zu hören Die Veranstaltungen des Dialog- und Erneuerungsprozesses KARIN SCHIESZL-RATHGEB In seiner Neujahrsansprache vom 6. Januar 2011 hat Bischof Gebhard Fürst alle getauften und gefirmten Christen/-innen aufgerufen, sich am Dialog- und Erneuerungsprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu beteiligen. 1 Dieser Erneuerungsprozess, so der Bischof, könne nicht einfach von oben verordnet werden 2. Er bedürfe der Mitwirkung möglichst vieler Katholiken in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, denn sie seien mitverantwortlich für das Sein und Handeln der Kirche. 3 Diesem Aufruf sind viele gefolgt. Der größte Teil der Veranstaltungen, die im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses stattgefunden haben, wurde von Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten initiiert. Es gab laufende Veranstaltungen wie die regelmäßigen Sitzungen der unterschiedlichen Gremien, in denen der Prozess immer wieder reflektiert und beraten bzw. einzelne Themen besprochen wurden. Es gab Gespräche vor Ort und auf allen Ebenen, die sich weitgehend selbst steuerten. Oftmals wurde der Prozess vor Ort auch auf der Ebene der Dekanate angesiedelt. Insgesamt brachten 23 von 25 Dekanaten ihre Diskussionsergebnisse, Vorschläge und Wünsche in unterschiedlicher Weise in den Dialogprozess ein. Einige Dekanate begaben sich gleich nach dem Aufruf des Bischofs in den Prozess beispielsweise durch die Einberufung von Dekanatsversammlungen, zu denen der Bischof meist eingeladen war. Sie nahmen den Dialog fest in ihr Programm auf wie zum Beispiel mittels festen Dialogreihen mit mehreren aufeinander abgestimmten Veranstaltungen. Andere stiegen erst später ein. Daraus ergab sich insgesamt eine gewisse Ungleichzeitigkeit. Diese Flexibilität war aber durchaus von Seiten der Verantwortlichen gewünscht, da sie den regionalen Besonderheiten und Unterschieden der Diözese entspricht. Einigen Dekanaten war es über den sachlichen Austausch hinaus wichtig, den Prozess in vielfältigen Formen an Gebetsreihen und Impulsen spirituell zu begleiten. 66

67 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Darüber hinaus setzten sich Verbände, Initiativgruppen und Vertreter/-innen verschiedener kirchlicher und nicht-kirchlicher Berufsgruppen mit den Themen, die die katholische Kirche bewegen, aber auch mit ihrer persönlichen Glaubenserfahrung auseinander. 4 Schließlich fanden große Rahmenveranstaltungen statt, die dem Prozess als Ganzem ein Gesicht gaben. Zu diesen Rahmenveranstaltungen gehören der Start des Prozesses bei einer konstituierenden Sitzung des Diözesanrates am 26. März 2011 im Kloster Untermachtal, die beiden Pfingstfeste im Zeitraum des Prozesses, die vier großen Regionalforen in Biberach, Esslingen, Schwäbisch Hall und Spaichingen im Frühjahr 2013, die Diözesanwallfahrt im Mai 2013 sowie die zentrale Abschlussveranstaltung am 22. Juni 2013 in Rottenburg als Schlusspunkt des gesamten Prozesses. An über 80 Veranstaltungen hat der Bischof selbst als Hörender und Diskussionspartner teilgenommen. So wurden der Koordinierungsgruppe seit Beginn des Dialogprozesses 400 Termine gemeldet. Die große Zahl der Veranstaltungen lässt darauf schließen, dass insgesamt mehr als Menschen im Rahmen des Dialogprozesses eine Veranstaltung besucht haben. Zeitlich gliedern sich die Veranstaltungen in zwei Phasen: Insbesondere im Jahr 2011 und in der ersten Hälfte des Jahres 2012 ist festzustellen, dass sich nahezu alle Ebenen zunächst mit der Struktur des Prozesses auf diözesaner Ebene und dann auch vor Ort auseinandersetzten. In vielen Dekanaten und Gemeinden erfolgte der Einstieg in den Dialog mit einer allgemeinen Themensammlung. Teilweise blieb es bei dieser, doch meist wurde an den erarbeiten Themen weitergearbeitet, und dies in unterschiedlicher Intensivität. So wurden zum Beispiel zu einzelnen Themen Arbeitsgruppen gebildet. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2012, das zeigen die Veranstaltungsprotokolle deutlich, konzentrierten sich viele Gemeinden und Gruppen auf eine lebendige Gestaltung des Gemeindelebens. 67

68 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Folgende Beispiele verdeutlichen die Vielseitigkeit des Dialogs vor Ort: Ein Dekanat, das sehr früh und sehr intensiv in den Dialog- und Erneuerungsprozess eingestiegen ist, ist das Dekanat Böblingen. Dialogische Strukturen haben in dem Dekanat in der Region Stuttgart eine lange Tradition: Bereits vor über zehn Jahren hatte der Geschäftsführende Ausschuss des Dekanatsrats begonnen, über ein Dekanatsforum Erfahrungen zu bündeln. Zwei Leitsätze standen und stehen in Böblingen dabei immer im Mittelpunkt: Kirche in der Vielfalt zu leben und die biblische Botschaft in der Gesellschaft zu verankern. Höhepunkt des Böblinger Prozesses war ein weiteres großes Dekanatsforum unter dem Motto Dialog bewegt im November 2011 in Sindelfingen mit Impulsvorträgen, Workshops, Diskussionsrunden und einem geistlichen Abschluss. 5 Unter dem Stichwort Aggiornamento, der Verheutigung des Glaubens in unsere Zeit hinein gemäß der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils, stand der Dialogprozess im Dekanat Ludwigsburg. Frustrationen begrenzen und Handlungsmöglichkeiten fördern war die Richtschnur, nach der sich der Prozess ausrichtete. Um ihn inhaltlich auf eine breite Basis zu stellen, sammelten die Kirchengemeinderäte aus 46 Kirchengemeinden zunächst Themen, die aus ihrer Sicht für den Erneuerungsprozess in der Kirche bedeutsam sind. Anschließend wurden Reformanliegen nach Handlungsebenen sortiert und in Themen, die weltkirchliche oder diözesane Entscheidungen voraussetzen und solche, die in der Verantwortung des Dekanats oder einzelner Kirchengemeinden liegen, getrennt. Erstere wurden dem Bischof weitergeleitet. Im direkten Gespräch mit Bischof Fürst konnten die Kirchengemeinden ihre Anliegen diskutieren. Um die Themen, die der Ebene des Dekanats oder den Kirchengemeinden zugeordnet wurden, zu bearbeiten, entwickelten die Ludwigsburger das Projekt Aggiornamento mit dem Ziel, auf diesen Ebenen spürbare und konkrete Veränderungen herbeizuführen. Am Projekt Aggiornamento nehmen neun Kirchengemeinden sowie ein Kloster teil. Die Handlungsfelder liegen in den Bereichen Jugendpastoral, Orte des Zuhörens, Familienpastoral, ökumenisches Bibelhaus, kommunale Stadtteilentwicklung, Geistliches Zentrum. 6 68

69 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Im Rahmen der Sebastianswallfahrt fand in Heisterkirch im Landkreis Ravensburg ein Gespräch der Kirchengemeinderäte der Seelsorgeeinheit Bad Waldsee statt, zu dem Bischof Fürst ebenfalls eingeladen war. Ausgangspunkt war eine breit angelegte Fragebogenaktion. Jeder im Ort kann etwas zur Erneuerung der Kirche beitragen - das war die Intention der zudem thematisch breit gefächerten Umfrage. Hierbei ging es um Themen wie die Bedeutung von Gott im Alltag über die Vorteile und Defizite der jeweiligen Kirchengemeinde bis hin zu der Frage, was sich in der Kirche verändern solle. Die Kirchengemeinde Obergriesheim bei Gundelsheim im Dekanat Heilbronn-Neckarsulm engagierte sich dagegen sportlich. Im September 2012 machten sich 30 Mitglieder der Gemeinde in einem 125 Kilometer langen Staffellauf nach Rottenburg auf. Dort überbrachten dreißig Läufer/-innen ihre Ergebnisse aus den Beratungen vor Ort dem Bischof. Der Staffellauf sei Symbol, so die Obergriesheimer, dass auch in Zukunft Laien und Kleriker gemeinsam aufbrechen müssen, um die großen Herausforderungen zu meistern. Der Lauf unter dem Motto Einen neuen Aufbruch wagen, dem Leitwort des Mannheimer Katholikentags, war Höhepunkt eines vielfältig angelegten Prozesses mit zahlreichen Gesprächen, Aktionen, aber auch spirituellen Angeboten und Gottesdiensten. 7 Das forum thomas will ein Ort sein für Menschen, die die heutige Kirche kritisch hinterfragen, und zwar aus Sorge um den Zustand und Fortbestand der Kirche. Deshalb will die Göppinger Initiativgruppe ihre Hand in Wunden legen, die Glaubensfragen und die gegenwärtigen Probleme der Kirche aufreißen, wie es gemäß der Schrift "Streck deine Hand..." (Joh 20,19-31) der ungläubige Thomas tat. Das forum thomas findet jeweils am letzten Montag im Monat in Göppingen St. Maria zu einem bestimmten Thema statt. Oft werden Referenten eingeladen, die über eines der unten genannten Themen referieren. Im Juli 2011 besuchte Bischof Fürst das forum thomas. 69

70 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Folgende Themen wurden bisher diskutiert: Der (personell bedingte) Rückgang der Seelsorge in den immer größer werdenden Seelsorgeeinheiten, die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Laien, um Freiräume für die Seelsorge zu schaffen, die Suche nach Wegen aus der Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche, hervorgerufen durch den Missbrauchs- und Vertuschungsskandal, die Entfremdung junger Leute von der Kirche lenken und nach Lösungen suchen, den Zugang von Frauen und verheirateten Männern zu kirchlichen Ämtern fördern, die Pflege der Ökumene und die damit verbundene ehrliche Anerkennung der evangelischen Kirche als Kirche, die Begegnung auf Augenhöhe, damit eucharistische Gastfreundschaft mit evangelischen Christen möglich wird, die Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten zum eucharistischen Mahl zu fordern und die Suche, wo in unserer Kirche Barmherzigkeit, Demut und konsequente Haltung zu finden ist. Die Abende im forum thomas haben einen festen Rahmen. Dabei wird ein Bibeltext vorgelesen und ausgelegt. Gesang und Gebet stehen dabei ebenso auf dem Programm wie das Ringen um einen guten Weg für die Kirche. Auf den Weg zur Erneuerung der katholischen Kirche begab sich auch die Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen und Verbände der Diözese Rottenburg-Stuttgart.So lautete auch der Untertitel des Tags der Verbände, zu dem die ako unter der Überschrift Im Glauben verwurzelt, politisch aktiv und die Kirche bewegend in die katholische Akademie in Stuttgart-Hohenheim eingeladen hatte. Generalvikar Clemens Stoppel sowie weitere namhafte Theologen/-innen wie die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel, die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann, und der freie Publizist Peter Bürger diskutierten mit 250 Mitgliedern der verschiedenen Verbände das Verhältnis von Klerikern und Laien, die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft und das Thema Homosexualität. Gut ein Jahr später, im April 2013, hatte die ako erneut zum Verbändegespräch nach Hohenheim geladen. In einem fünften Regionalforum erörterten die Teilnehmer/ -innen gemeinsam mit Bischof Fürst und Ordinariatsrat Dr. Joachim Drumm, wie sich die Kirche aus Sicht der Verbände verändern solle. 70

71 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Hierbei standen Themen wie demokratische Strukturen in Kirche und Gesellschaft, partnerschaftliches Miteinander und soziale Gerechtigkeit auf der Agenda. 8 Auf Initiative des Fachbereichs Führungskräfte der Diözese Rottenburg-Stuttgart suchten mehrfach Verantwortungsträger verschiedener Berufsgruppen, Ärzte, Juristen und Professoren verschiedener Fakultäten in Stuttgart und Tübingen das Gespräch mit dem Bischof. Im Zentrum der Gespräche standen hier Themen im gemeinsamen Wirkungsbereich der Handlungsfelder der verschiedenen Wissenschaften und der Normen der christlichen Ethik wie zum Beispiel die Positionen in der Medizinethik, die Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik und die Frage nach der Pille danach, aber auch juristische Fragen wie das Verständnis von Ehe und Ehescheidung, die Kirchensteuer oder der christliche Religionsunterricht. 9 Insgesamt zeigen diese Beispiele, wie umfassend, unterschiedlich und teilweise kreativ die einzelnen Einrichtungen und Organisationen den von den Verantwortlichen auf diözesaner Ebene bewusst eröffneten Spielraum, den Dialogprozess zu gestalten, genutzt haben. Die offene Struktur brachte Ergebnisse, die in ihrer Darstellung zwar sehr unterschiedlich, aber dennoch insgesamt sehr präzise und mit großem Aufwand zusammengestellt sind. Näheres zu den Ergebnissen der Auswertung im nun folgenden Artikel Das haben wir gehört Auswertung der Briefe und Dokumente im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses. 71

72 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Das haben wir gehört Schreiben und Rückmeldungen zum Dialog- und Erneuerungsprozess KARIN SCHIESZL-RATHGEB Dankbar bin ich Ihnen für das Anliegen zum Dialog für eine Erneuerung in unserer Kirche. 1 Seit dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle Anfang des Jahres 2010 haben Bischof Gebhard Fürst viele Briefe von Christinnen und Christen der Diözese Rottenburg-Stuttgart und aus dem gesamten Bundesgebiet erreicht. Viele äußerten sich darin verunsichert und besorgt über den Zustand der Kirche. Andere suchten den Dialog mit dem Bischof, weil sie erwogen, aufgrund der damaligen Entwicklungen aus der Kirche auszutreten. Meist ist also von verlorenem Vertrauen die Rede. Insgesamt sind diese Briefe aber sehr persönliche Zeugnisse des Ringens um den persönlichen Glauben sowie um den Ort, an dem der Glaube verankert ist und seinen Sitz im Leben hat die katholische Kirche. Diese Briefe bewegen und fordern zugleich heraus. In Sorge um die Zukunft der Gläubigen seiner Diözese hat Bischof Fürst deshalb in seiner Neujahrsansprache 2011 alle getauften und gefirmten Katholiken/-innen aufgerufen, sich aktiv an dem nun beginnenden Dialog- und Erneuerungsprozess zu beteiligen. 2 In der ersten Phase des Prozesses, der Zeit zu hören, sollten sie die Möglichkeit erhalten, auf offene Ohren zu stoßen. Bischof Fürst und die Diözesanleitung wiederum verpflichteten sich, den vielfältigen Anliegen und Sorgen ihr Ohr zu leihen und sich auf empathische Weise in erster Linie als Hörende einem oftmals herausfordernden und unbequemen Diskurs zu stellen. Dazu kamen zahlreiche Dokumente von Dekanaten, Seelsorgeeinheiten, Gemeinden, kirchlichen Organisationen, Verbänden und Initiativgruppen, die im Rahmen des Dialogprozesses ihre Anliegen und Probleme beschrieben. Sie baten die Diözesanleitung, sich die pastorale Not vor Ort zu eigen zu machen, und forderten entschiedenes, empathisches und ein auf die jeweilige Situation abgestimmtes Handeln. 72

73 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Um den verschiedenen Anliegen der Absender besser gerecht zu werden, gab der Bischof im Frühjahr 2011 der Koordinierungsgruppe des Dialog- und Erneuerungsprozesses unter Leitung des Direktors des Instituts für Fort- und Weiterbildung der Diözese, Professor Thomas Fliethmann, den Auftrag, alle Briefe und Dokumente zu sortieren und quantitativ und qualitativ auszuwerten. Dazu beauftragte die Koordinierungsgruppe ein externes Forschungsteam, bestehend aus drei Sozialwissenschaftler/-innen: Christine Uhlmann, Dr. Margit Auer und Jan Ferenz, die durch ihre unterschiedlichen Schwerpunkte sowohl den Bereich der quantitativen, als auch der qualitativen Analyse abdecken konnten. Sie erhielten die Aufgabe, die Auswertung sozialwissenschaftlich zu untermauern und die Ergebnisse in zwei getrennten Berichten darzustellen. Der Zeitraum der Auswertung erstreckte sich von Januar 2010 bis April 2013 die Phase, in der die Eingaben den Bischof beziehungsweise die Koordinierungsgruppe erreichten. Das Datenmaterial Es wurde deutlich, dass es die eine Stimme nicht gibt. Vielfältig sind die Ansichten und Antworten. Dennoch zeigen sich Trends und mainstreams, die nachdenklich machen. 3 Insgesamt liegen der Auswertung 256 persönliche Briefe, s und Faxe zugrunde, die jedoch nicht den Anspruch erheben, repräsentativ für die Gesamtdiözese zu sein. Die Briefe geben sehr emotional Zeugnis darüber, wie sehr die Gläubigen um ihre Kirche ringen. Ihr Inhalt zeigt, wie sehr die Absender/-innen um Veränderung bemüht sind und diese auf eine wohlwollende und respektvolle Art und Weise einfordern. In freundlichem Ton bringen die Schreiber/- innen ihre Empörung, Enttäuschung, Betroffenheit und Trauer, aber auch Bestärkung und Ermutigung zum Ausdruck. Verleumdungen und Beschimpfungen sind die Ausnahme. 73

74 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Abb. 1: Briefe an Bischof Fürst: Kirchenzugehörigkeit und Verbundenheit mit der katholischen Kirche. (Selbsteinschätzung der Absender/-innen) Zudem haben den Bischof bzw. die Koordinierungsgruppe des Dialogprozesses 334 Dokumente Briefe, Protokolle, Zeitungsartikel, Präsentationen, Schriftund Fotoprotokolle, größere textliche Ausarbeitungen sowie Fragebogenaktionen und Unterschriftensammlungen erreicht. Sie stammen allesamt aus Dekanaten und Seelsorgeeinheiten, von Verbänden, Institutionen und Initiativgruppen und setzen sich auf insgesamt 1150 Seiten auf unterschiedlichste Art mit den Reformthemen der katholischen Kirche auseinander. 74

75 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Abb. 2: Dokumente an Bischof Fürst und die Koordinierungsgruppe: Absender/-innen nach Art der Organisation Die Themen Zu Beginn der Auswertung wurde in den Briefen, die vor dem Aufruf zum Dialog eingingen, insbesondere der Missbrauch in der katholischen Kirche thematisiert. Andere Themen, die damit in Zusammenhang gesehen werden, rangierten in der Häufigkeit, in der sie genannt wurden, auf den nachfolgenden Rängen: der Zölibat, die Organisation Kirche oder ihre Glaubwürdigkeit. Nach dem Aufruf zum Dialog im Frühjahr 2011 ist die Themenpalette breiter gefächert. Inzwischen hat sich hier das Bild deutlich verschoben: 63 Prozent derer, die sich direkt an den Bischof gewandt haben, äußern sich zum Thema Organisation und Struktur von Kirche, gefolgt vom Thema Zölibat, das oft mit den Strukturen in Zusammenhang gebracht wird. Das Thema Gewalt und sexueller Missbrauch rangiert hier auf Platz drei. 75

76 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS In der Chronologie der Dokumente an die Koordinierungsgruppe fällt auf, dass sie sich im ersten Teil des Prozesses, Anfang 2010 bis Ende 2011, vorwiegend mit den Themen, die im öffentlichen Bewusstsein und in den Medien stark präsent waren, auseinandersetzten, wie zum Beispiel der Rolle der Frau in der katholischen Kirche, der Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder dem Pflichtzölibat der Gemeindepriester. Wie der Dialog geführt werden und welche Ergebnisse der Prozess bringen soll auch dazu wird dezidiert Stellung bezogen. Der Tenor ist geprägt von Freude und großer Hoffnung. 4 Dennoch ist ein weiterer wesentlicher Motor, sich am Dialog zu beteiligen, die Sorge um die Zukunft. Wir sorgen uns um die Zukunft unserer Gemeinde 5 Oftmals erfolgte der Einstieg in den Dialogprozess mit einer allgemeinen Sammlung von Themen. Teilweise blieb es bei dieser einmaligen Sammlung, teilweise wurde intensiv an Themen weitergearbeitet und man setzte Arbeitsgruppen ein. Insgesamt stieg der Eingang der Dokumente in Rottenburg von 2010 bis 2013 kontinuierlich. Ab Frühjahr 2012, nachdem das Projekt Gemeinde vom Bischof eingesetzt wurde und das Team seine Arbeit aufgenommen hatte, fokussierten sich die Erwartungen auf neue Impulse und Reformen für das Gemeindeleben vor Ort. Im Vergleich zu den persönlichen Briefen von Einzelpersonen an den Bischof haben in den Schreiben der Gemeinden und Seelsorgeeinheiten Themen rund um das Gemeindeleben vor Ort, wie zum Beispiel strukturelle und personelle Fragen in den Seelsorgeeinheiten oder auch die Entwicklung neuer Gottesdienstformen, deutliche Priorität. Im Dialogprozess soll nicht nur geredet, sondern auch gehandelt werden, und zwar auf den Ebenen, die im Ermessens- und Handlungsspielraum von Dekanat und Kirchengemeinden liegen. 6 76

77 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Folgende Grafik zeigt die Priorisierung der Themen der Organisationen und Gruppen im Vergleich zu den persönlichen Briefen: Abb. 3: Die Themen im Vergleich: Persönliche Briefe an Bischof Fürst und Dokumente von Organisationen und Gruppen an den Bischof und die Koordinierungsgruppe Die Rolle der Frau in der Kirche Unser Gott schaut nach meiner Überzeugung zuletzt auf das Geschlecht derer, die im Weinberg des Herrn arbeiten. 7 Viele Frauen fühlen sich in der katholischen Kirche nicht mehr zu Hause. Hier verschenken wir viele wichtige Charismen. 8 In den Dokumenten an die Koordinierungsgruppe wird das Thema Die Rolle der Frau in der Kirche am häufigsten genannt und führt somit mit 65 Prozent 77

78 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS an Nennungen die Auswertungsstatistik an. Allgemein wird positiv anerkannt, dass Frauen in der Kirche zunehmend Leitungspositionen innehaben. Dennoch wird unisono die Zulassung von Frauen zu den kirchlichen Weiheämtern gefordert. Denn nur auf diese Weise seien Frauen und Männer in der katholischen Kirche völlig gleichberechtigt. Hierbei lassen sich vier Argumentationslinien erkennen: Zum einen verstoße, so der Tenor, die ungleiche Behandlung von Frauen und Männern in Bezug auf die kirchlichen Weiheämter sowohl gegen die Bibel als auch gegen das allgemeine Rechtsverständnis. Frauen waren die letzten am Kreuz und die ersten am Grab des Auferstandenen. 9 Zum anderen würde die Zulassung von Frauen zu diesen Ämtern eine Entlastung in der Seelsorge und hinsichtlich des Priestermangels bewirken. Darüber hinaus würden Frauen mit ihren spezifischen Fähigkeiten den Dienst in der Seelsorge bereichern. Drittens werde das vielfältige Engagement von Frauen in den Gemeinden durch die gegenwärtige Praxis nicht adäquat gewürdigt. Mit dabei zu sein und doch nicht dazuzugehören ( ). Diesen ständigen Spagat auszuhalten, fällt immer mehr Frauen schwer. 10 Und schließlich könne die Ungleichbehandlung dazu führen, dass insbesondere junge Frauen der Kirche den Rücken kehren, sich nicht mehr engagieren oder sogar aus der Kirche austreten. Neben den Dokumenten an die Koordinierungsgruppe findet das Thema Rolle der Frau in der katholischen Kirche bei über einem Viertel der Absender der Briefe an den Bischof Niederschlag. Entsprechend der eigenen Betroffenheit 78

79 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS greifen dieses Thema mehr Frauen als Männer auf. Dreiviertel der Schreiber/- innen wünschen sich eine generelle Gleichstellung von Frauen und Männern und die Zulassung von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern. Dem gegenüber stehen 19 Prozent, die die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Kirche ablehnen oder sich dagegen aussprechen, dass die Zugangswege zu den kirchlichen Ämtern für Frauen gleichermaßen geöffnet werden. Geschiedene und Wiederverheiratete Menschen mit Brüchen in ihrer Biografie sollten uns als Kirche besonders am Herzen liegen: Gerade sie sollten wir die Liebe und Barmherzigkeit Gottes besonders erfahren lassen. 11 Ebenso bewegt das Thema Geschieden - Wiederverheiratete viele Gläubige vor Ort. Es wird in 64 Prozent der Einsendungen an die Koordinierungsgruppe genannt. Auch bei diesem Thema wird einstimmig für einen neuen Umgang der Kirche mit den Betroffenen plädiert. Demnach wünschen sich die Gläubigen eine einheitliche und offizielle Regelung im Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten, die die Zulassung zur Kommunion und eine Form des kirchlichen Segens für neue Partnerschaften ermöglicht. Das Scheitern einer Ehe sei eine belastende und krisenhafte Zeit. Der Ausschluss von der Kommunion bedeute eine weitere Zurückweisung und Verletzung in einer Lebensphase, in der die betroffenen Gläubigen angenommen sein und Unterstützung erfahren sollten. Zudem stehe die kirchliche Praxis im Widerspruch zu Jesu Lehre von Liebe und Barmherzigkeit, aber auch im Wiederspruch zu den heutigen Biografien und Lebenswirklichkeiten in unserer Gesellschaft. Partnerschaften scheitern trotz bester Vorsätze, und auch eine weitere Beziehung bedürfe Gottes Segen, vor allem dann, wenn Kinder aus ihr hervorgehen. Einige Dokumente bringen die Sorge zum Ausdruck, dass sich sogenannte Patchwork-Familien aus der Kirche ausgeschlossen fühlen und dass sich insbesondere deren Kindern der Zugang zur Kirche nicht mehr erschließt. In den Schreiben an den Bischof nimmt das Thema im gesamten Themenspektrum nur einen Anteil von 15 Pro- 79

80 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS zent ein. Aber 77 Prozent derer, die sich damit auseinandersetzen, plädieren für einen neuen Umgang der Kirche mit den Paaren, die nach einer gescheiterten Ehe wieder geheiratet haben. Der Duktus der Äußerungen schwankt zwischen Empörung, Enttäuschung und allgemeinem Unverständnis. Insbesondere bei diesem Thema wird oftmals die fehlende Orientierung an der Barmherzigkeit Jesu vermisst. Einige heben ausdrücklich das Engagement des Bischofs für einen neuen Umgang mit Geschieden - Wiederverheirateten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart positiv hervor. Der Pflichtzölibat der Priester und neue Zugangswege zum Amt Das Thema Zölibat nimmt im gesamten Themenspektrum des Dialogprozesses ebenfalls einen großen Stellenwert ein. 61 Prozent der Dokumente an die Koordinierungsgruppe setzen sich mit diesem Thema auseinander. In den von den Gemeinden durchgeführten Fragebogenuntersuchungen liegt die Kritik an der Verpflichtung zum Zölibat an vorderster Stelle. Die meisten Dokumente wertschätzen die zölibatäre Lebensweise. Dennoch wird die Zölibatsverpflichtung fast immer als reformbedürftig benannt und ihre Aufhebung gefordert. Die Priester sollten Wahlfreiheit zwischen den beiden gleich wertvollen Lebensentwürfen, Zölibat und Ehe, haben. Neben der Zulassung von Frauen zum Priesteramt würde auch die Lockerung der Verpflichtung zum Zölibat den Priestermangel in den Gemeinden verringern. Auch hier wird ein barmherziger Blick auf gescheiterte Lebensentwürfe gefordert: Priester, deren Zölibatsgelübde gescheitert ist, sollten dennoch im Amt bleiben können. Ein Thema, das häufig zusammen mit dem Zölibat benannt wird, ist die Forderung nach neuen Zugangswegen zum Priesteramt, wie zum Beispiel die Zulassung sogenannter viri probati, verheirateter erprobter Männer. Wir regen an, neue nicht-zölibatäre Lebensformen der besonderen Jesus-Nachfolge zu entwickeln und sehen im Nebeneinander und Miteinander von zölibatären und nicht-zölibatären Wegen eine große Bereicherung, das besondere Priestertum unserer Kirche auszuüben und zu leben

81 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Auch in den Briefen ergibt sich zum Thema Verpflichtung zum Zölibat ein mehrheitliches Meinungsbild: 55 Prozent der Absender, die sich zu diesem Thema äußern, stellen den Zölibat grundsätzlich in Frage. 27 Prozent plädieren für eine Lockerung des Zölibats als freiwilliges Prinzip. Die Absender/-innen messen der Frage der Ehelosigkeit der Priester eine entscheidende Bedeutung für die Zukunft der Kirche bei, dies bringen sie in einem leidenschaftlichen und emotional-einfühlsamen Ton zum Ausdruck. Auch das Alleinsein, das den Priestern mit dieser Lebensform aufgebürdet wird, wird häufig thematisiert. 13 Prozent der Schreiber befürworten jedoch den Zölibat als hohes Gut und als besonderen Ausdruck der Nähe zu Gott. Dass die Ehelosigkeit eine große Herausforderung darstellt und große Entbehrungen bedeutet, wird dabei keineswegs in Abrede gestellt. Organisation und Strukturen von Kirche Wir Laien wünschen uns aktive Teilhabe an der Weiterentwicklung der Kirche. 13 Umso mehr schmerzt es, dass gerade unsere römisch-katholische Kirche, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil einmal die Arme weit ausbreitete, uns immer stärker das Gefühl gibt, vermehrt aus- denn einzuladen. 14 Mit dem Handlungsfeld Organisation und Struktur der Kirche beschäftigt sich mehr als die Hälfte der Dokumente aus Kirchengemeinden, Organisationen und Initiativen. In den Briefen an den Bischof wird es mit 63 Prozent am häufigsten genannt. Es zieht sich als Querschnittsmotiv auch durch sämtliche weitere Themenbereiche. Trotz aller Kritik, die bei diesem Thema zu Tage tritt, ist in den Einsendungen immer wieder spürbar, dass die Gläubigen ihre Kirche vor Ort in positiver Weise erleben. Persönliche Kontakte sowie die Verwurzelung in der Heimatgemeinde bestärken sie. Dennoch ist hier eine deutliche Frustration über viele gescheiterte Veränderungsbemühungen in den letzten Jahrzehnten zu spü- 81

82 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS ren. 37 Prozent der Schreiber/-innen, die sich mit diesem Thema an den Bischof wenden, äußern sich kritisch zu den hierarchischen und von ihnen als verkrustet erlebten Strukturen der katholischen Kirche sowie der mangelnden Innovationsfähigkeit angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen. Das Verhältnis zwischen Kirchenleitung und Kirchenvolk wird in den Briefen und Dokumenten als entfremdet wahrgenommen. Kritisiert werden zudem fehlende Partizipation, mangelnde Mitsprachemöglichkeiten bzw. Reformstau, besonders bei Themen, die die Strukturen der gesamten Kirche betreffen. Ein weiterer Punkt, der unter dem Oberbegriff in den Briefen genannt wird, ist das Thema Kirchensteuer. Die Schreiber bemängeln die fehlende Entscheidungsfreiheit der Kirchenmitglieder und die Intransparenz bei der Verwendung der Ausgaben. Wie bei dem Thema Wiederverheiratete Geschiedene wird auch hier deutlich, wie sehr viele unter dem selbst verursachten schlechten Image der katholischen Kirche leiden. Da sie die heftige Kritik der Öffentlichkeit teilweise auch persönlich zu spüren bekommen, wünschen sie sich ein anderes Bild von Kirche in der Darstellung der Medien. Der Pragmatismus, mit dem das Gemeindeleben vor Ort gestaltet würde, decke sich oftmals nicht mit dem öffentlichen Bild, aber auch nicht mit der offiziellen Lehre der Amtskirche. Doch auch auf Ebene der Seelsorgeeinheiten und Kirchengemeinden könne am geschwisterlichen Kommunikationsstil zwischen Priestern, Haupt- und Ehrenamtlichen noch gearbeitet werden. In einigen Dokumenten kommt die Sorge zum Ausdruck, dass die wachsende Zahl konservativer Kräfte mögliche Reformanstöße abwenden könnte. Mit Skepsis wird zum Beispiel der bei einigen Katholiken wachsende Wunsch einer Rückkehr zur Feier der Messe in lateinischer Sprache und somit ein Rückschritt hinter die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils wahrgenommen. Den Kern des christlichen Glaubens in die heutige Zeit zu übersetzen und ein Profil zu entwickeln, das in die Gegenwart passt, sich dabei nicht dem Zeitgeist anzupassen, aber den Geist Gottes in unserer Zeit erfahrbar werden zu lassen, ist überlebenswichtig für die Kirche

83 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Die Kirche soll auf der Höhe der Zeit sein 16, ist deshalb ein vielfach genannter Wunsch. Dies soll in der Empathie für die Themen und Lebensformen sowie einer modernen Sprache zum Ausdruck kommen. Dazu gehörten auch größere Beteiligungsmöglichkeiten der Gemeindemitglieder. Als Beispiel für eine gelingende Demokratie könnten die katholischen Verbände dienen. Ihr Modell sei Vorbild beim Ausbau von synodalen Strukturen und einer zunehmenden Mitbestimmung der Laien. Verbände leben das partnerschaftliche Miteinander von Frauen und Männern, Laien und Priestern. 17 Die Dialoginitiative der Deutschen Bischofskonferenz und der Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Eine insgesamt positiv-wertschätzende und gleichzeitig kritisch-konstruktive Grundstimmung zog sich durch den bisherigen Dialogprozess in unserer Gemeinde. 18 Ich hoffe und wünsche, dass Sie sich mit der ganzen Diözesanleitung auf diesen Weg begeben und mutige Schritte wagen. Als engagiertes und interessiertes Mitglied unserer Kirche gehe ich gerne mit. 19 Ebenso viele Dokumente an die Koordinierungsgruppe, die die Organisation und Struktur von Kirche behandeln, setzen sich mit dem Thema des Dialogprozesses an sich auseinander. Vor allem Dekanate und Gemeinden, bei denen sich der Prozess vor Ort über eine längere Zeit erstreckt hat, haben diesen vielfach mit einer Definition ihres eigenen Dialogverständnisses begonnen und formulieren deutlich ihre Ziele. Mit Ankündigung des diözesanen Dialog- und Erneuerungsprozesses und dem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2011 des Bischofs war es vielen ein Anliegen, Bischof Fürst ihre Unterstützung zuzusichern, damit er sämtliche Reformvorschläge an verantwortlicher Stelle einbringen und vorantreiben kann. Die Erwartungen an Reformen waren groß. Besonders zu Beginn machen die Schreiben dem Bischof, den Verantwortlichen und den Orga- 83

84 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS nisatoren Mut. Neben Solidaritätsbekundungen wird dem Bischof Begleitung im Gebet zugesagt. Im allgemeinen Tenor schwingt aber auch die Befürchtung mit, dass manche Themen, wie Zugangswege zu den Ämtern oder die Diskussion um den Pflichtzölibat der Priester, ausgeklammert werden könnten. Später, ab Ende 2011, machen sich jedoch auch Skepsis und Kritik breit, weil in den Augen derjenigen, die aktiv am Prozess teilnehmen, Lösungen zu lange auf sich warten ließen und Reformen nicht klar erkennbar seien. Seit Beginn 2013 hoffen viele Absender ungeduldig auf eine Umsetzung der Diskussionsergebnisse und sichtbare Veränderungen in der katholischen Kirche. Insbesondere die Dekanate loben jedoch die gute Gesprächsatmosphäre bei den Veranstaltungen. In den Dokumenten ist spürbar, dass das Gelingen des angestoßenen Prozesses nicht allein in die Verantwortung des Bischofs gelegt wird. Die Absender sehen sich in der Pflicht, das Miteinander und die Zukunft aktiv zu gestalten. Alle Ebenen und Organisationen bemühen sich um konkrete und konstruktive Eingaben und senden ihre Diskussionsergebnisse zeitnah nach Rottenburg. Dennoch soll Dialog nicht nur als Methode und zeitlich begrenztes Projekt angesehen werden, sondern als Haltung innerhalb der Kirche und zwischen allen Ebenen. Dementsprechend wird auch Empörung gegenüber den Gemeinden laut, die sich dem Dialogprozess verweigern. Ein solches Verhalten stößt insbesondere bei Kirchengemeinde- und Dekanatsräten auf Unverständnis. Bischof Fürst und die Diözesanen Räte scheinen im Hinblick auf die Erwartungen an die deutschen Bischöfe eine Sonderrolle einzunehmen. Bei der Auswertung der Dokumente wie auch der Briefe wird deutlich, dass sich Gläubige aus ganz Deutschland an den Bischof wenden. Auch einzelne Dekanate und Kirchengemeinden sehen in ihm und im Diözesanrat Hoffnungsträger. Die Hoffnung vieler Menschen in Deutschland liegt auf unserem Bischof und dem Diözesanrat

85 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Seelsorgeeinheiten Was fehlt, ist die Zeit der Begegnung und die seelsorgerische Begleitung der Menschen in der Gemeinde. 21 Die Gemeindepfarrer sind mit Verwaltungsaufgaben so zugedeckt, dass die eigentlichen Aufgaben als Seelsorger nicht ausreichend wahrgenommen werden können. 22 Als drittes Thema im Mittelfeld - gemessen an der Häufigkeit, in der die Themen genannt werden - rangieren bei den Dokumenten an die Koordinierungsgruppe die Seelsorgeeinheiten. Auffallend ist, dass dieses Thema insgesamt sehr ausführlich diskutiert und dokumentiert wurde. Bei keinem anderen Thema bemühen sich die Verfasser so sehr, auf die individuelle Situation vor Ort zugeschnittene Lösungskonzepte zu entwickeln. Im Blickpunkt und in der Kritik stehen hier vor allem die Größe der Seelsorgeeinheiten und die dadurch notwendigen Verwaltungsaufgaben. Der vielerorts spürbare Priestermangel sei, so die Mehrheit, Auslöser dafür, dass dem einzelnen Priester keine Zeit für seine eigentliche Aufgabe, die Seelsorge, bleibe. Deshalb wünschen sich viele eine feste Ansprechperson in ihrer Kirchengemeinde und eine Pastoral der Lebensraumnähe. 23 Unsere mobile Gesellschaft sehnt sich nach Heimat, Nähe und Stabilität der Kirchengemeinde. 24 Doch nicht nur um das eigene Wohl sorgen sich die Katholiken in der Diözese. Immer wieder wird betont, dass die hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiter/- innen durch die Größe der Seelsorgeeinheiten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen. Die Lösung läge hier, so die mehrheitliche Meinung, in einem neuen Zuschnitt der Aufgaben, welcher die Seelsorge von Verwaltungs- und Leitungsaufgaben trennt. In diesem Zusammenhang wird auch über die Möglichkeit von Gemeindeleitung durch hauptamtliche nicht-geweihte Mitarbeiter/- innen und den Ausbau der Rechte der Ehrenamtlichen und deren Gremien nachgedacht. Zudem beschäftigt viele Kirchengemeinden die rückläufige Zahl von Kindern, Jugendlichen und jungen Familien. 85

86 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Ich wünsche mir eine Gemeinde mit mehr Jugend und Kindern! Wo sind sie geblieben? 25 Aufhalten könnten den Rückzug aus der Kirche neue Formen von Spiritualität und Liturgie Modelle mit Eventcharakter. Wichtiger als solche Veranstaltungsformate sei jedoch die Haltung der Gemeinden, die offen für die Anliegen und Ideen von jungen Menschen sein sollten. Kontrovers diskutiert wird der Stellenwert der Eucharistiefeier. Während sich einige für sogenannte Wort-Gottes-Feiern aussprechen, sehen andere die Eucharistiefeier durch keine andere Form ersetzbar. In den Briefen an Bischof Gebhard Fürst sind die Seelsorgeeinheiten mit 15 Prozent Nennungen eher ein Randthema. Insgesamt kommen die kritischen Stimmen zu den Seelsorgeeinheiten deutlich häufiger aus eher ländlich geprägten Dekanaten. Die meisten, die sich zu diesem Thema geäußert haben, heben ihr Engagement in der Kirchengemeinde vor Ort hervor. Dennoch bringen die Absender größtenteils ihre Enttäuschung und ihr Unverständnis zum Ausdruck. Kontrovers diskutiert wird die Rolle der Laien in den Seelsorgeeinheiten. Einige befürworten größere Delegationsmöglichkeiten. Andere lehnen dies ausdrücklich ab oder sehen deren Einsatzmöglichkeiten eher problematisch und wünschen sich insbesondere in Krisensituationen den Beistand durch einen Priester. Ökumene Nicht das Trennende, sondern das Verbindende sollte betont werden. 26 Ökumene wird von 45 Prozent der Gruppierungen und in 16 Prozent der Einzelschreiben thematisiert. Das Thema Ökumene wird meist im Kontext von Aufzählungen zum Veränderungsbedarf allgemein genannt. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass es weniger ausführlich besprochen wird als die anderen großen Themen. Es ist aber gleichzeitig festzustellen, dass diejenigen, die dazu Stellung nehmen, sich nach eigenen Angaben seit längerem mit diesem Thema 86

87 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS auseinandersetzen. Dabei handelt es sich meist um in Gremien und Verbänden engagierte Katholiken. Inhaltlich geht es nahezu ausschließlich um Verbindendes und Trennendes zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche oft auch in Beziehung mit der aktuellen Situation vor Ort. In erster Linie sind die Dokumente positive Zeugnisse gelebter ökumenischer Praxis in den Gemeinden vor Ort. Zahlreiche Beispiele beschreiben gelungene Veranstaltungen und Feiern. Dennoch wird hierbei vor allem die Zögerlichkeit der Amtskirche bei der Weiterentwicklung der Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten sowie die Diskrepanz zwischen der offiziellen Lehre und der gelebten ökumenischen Praxis vor Ort scharf kritisiert. Theologische Gründe für die Trennung zwischen Katholiken und Protestanten seien heute nur noch schwer zu vermitteln. Deshalb wird der Wunsch nach einem neuen Umgang in Hinblick auf die Mahlgemeinschaft mit evangelischen Christen laut. Rund ein Fünftel der Briefeschreiber, die das Thema Ökumene benennen, spricht sich hingegen für eine Beibehaltung der bisherigen Praxis der katholischen Kirche aus. Hier schwingen deutlich Ängste und Befürchtungen mit, dass es zu einer Aufweichung der eigenen Glaubenswahrheiten und -vollzüge kommen könnte. Sie bitten Bischof Fürst ausdrücklich, sich für eine Schärfung des katholischen Profils einzusetzen. Zwei Absender/-innen schreiben ausdrücklich, im Erwachsenenalter zur katholischen Konfession konvertiert zu sein und beschreiben sich als ihrer Kirche sehr verbunden und treu. Umgang mit Sexualität Mich stört die extrem konservative Haltung der katholischen Kirche zur Empfängnisverhütung. 27 Das Thema Sexualität wird in 44 Prozent der Dokumente und meist im Kontext mit der Forderung nach mehr Nähe zu den Lebensrealitäten der Gläubigen benannt, während sich jeder Zehnte der eingegangenen Briefe mit dem Thema befasst. Die meisten, die zu diesem Thema Stellung genommen haben, plädieren für einen offeneren Umgang mit Sexualität im Allgemeinen. Fast ausschließlich wünschen sie sich eine neue, offenere Position der katholischen Kirche in Form 87

88 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS einer menschenfreundlicheren Sexualethik. Dies betrifft zum einen die kirchliche Haltung zur Sexualmoral im Allgemeinen, zum anderen spezielle Themen wie Empfängnisverhütung, voreheliche sexuelle Beziehungen und Homosexualität. Wesentlicher Ausgangspunkt der Kritik ist die Auffassung, dass die von der Kirche vertretene Sexualmoral in großer Spannung zur heutigen Lebenswirklichkeit stehe. Sie sehen die Kirche in einer Vorstellungswelt verhaftet, die ihnen fremd und nicht lebbar erscheint. Besonders Jugendlichen ließe sich eine ganzheitliche und verantwortliche Sexualmoral auf Basis der hauptsächlich von Restriktionen geprägten kirchlichen Linie nur schwer vermitteln. Die Aussagen lassen aber immer wieder erkennen, dass sich die Absender keine unreflektierte Übernahme von Moralvorstellungen, die gerade en vogue sind, wünschen. Gewalt und sexueller Missbrauch Das Versagen Einzelner ist das Eine. Das Andere sind die dahinter stehenden grundsätzlichen Fragen, die das kirchliche Selbstverständnis und die Notwendigkeit von Umkehr und Erneuerung betreffen. Das Problem Gewalt und sexueller Missbrauch rangiert bei den Einsendungen aus Dekanaten, Gemeinden und Gruppen mit 40 Prozent auf Rang neun, bei den Briefen an den Bischof jedoch an dritter Stelle. Ein Großteil erreichte Bischof Fürst in der ersten Hälfte des Jahres 2010 nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle des Berliner Canisius-Kollegs und anderen kirchlichen Einrichtungen. Überdurchschnittlich viele Schreiben kommen aus dem Dekanat Ehingen-Ulm. In zwei Dritteln aller Schreiben zum Kirchenaustritt bzw. zum Kirchenaustrittsgedanken ist die Missbrauchsproblematik angeführt. Viele äußern ihre persönliche Empörung und Scham über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche und in kirchlichen Einrichtungen. Sie kritisieren den besonders zu Anfang zögerlichen Umgang der katholischen Kirche mit dieser Problematik scharf. Die Kritik in den Briefen bezieht sich auf die angebliche Vertuschung und Verschleierung der teilweise seit langer Zeit bekannten internationalen Missbrauchsskandale, insbesondere aber auf aktuelle 88

89 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Fälle in Deutschland. Konkret benannt werden zudem mehrfach die Vorwürfe an Bischof Mixa und die Vorgänge in Munderkingen und Sulz. Auch die Rolle der Presse und der Medien wird in den Briefen sehr differenziert eingeschätzt und unterschiedlich wahrgenommen. Mütter und Väter, deren Kinder in kirchlichen Institutionen und Organisationen engagiert sind, schildern sehr eindringlich das Spannungsfeld zwischen ihrer Zuwendung zur Kirche und der Sorge um ihre Kinder. Gemeinden und Gruppen sorgen sich darüber hinaus in diesem Zusammenhang um die Glaubwürdigkeit der Kirche. Auch die Forderung nach mehr Unterstützung und Hilfen für die Opfer wird laut. Neben der Kritik gibt es von einigen Absendern Anerkennung für die Bemühungen der Verantwortlichen zum adäquaten Umgang mit den Missbrauchsfällen. Die Arbeit der bereits 2002 eingesetzten Missbrauchskommission wird allgemein gelobt. Sie haben in dankenswerter Weise in unserer Diözese viel zur Aufklärung und Regelung beigetragen. 28 Briefe von Betroffenen sind allerdings die große Ausnahme. Es gibt insgesamt drei Briefe, in denen die Absender von eigenen Missbrauchserfahrungen, die viele Jahre zurückliegen, berichten. Konfessionsverbindende Ehen Wie ist es zu vereinbaren, dass Eheleute ausgerechnet dann getrennt werden, wenn sie ihren gemeinsamen Glauben an Jesus den Christus öffentlich praktizieren und leben wollen? 29 Meine Frau ist evangelisch, ich bin katholisch. Wir gehen mal hier und mal dort in den Gottesdienst, nehmen selbstverständlich an der Eucharistiefeier teil, hier wie dort. 30 Das Problem der konfessionsverbindenden Ehen ist eng mit der Frage der Ökumene verknüpft. 35 Prozent der Dokumente an die Koordinierungsgruppe, aber 89

90 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS lediglich sechs Prozent der Schreiben an den Bischof nehmen sich dieses Themas an. Auffallend ist, dass die konfessionsverbindenen Ehen sehr emotional diskutiert werden. Immer wieder berichten Betroffene sehr eindrücklich und persönlich über ihre Situation, ihre Gefühle und ihre eigene Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Sie sind enttäuscht und wütend über die Haltung der Amtskirche und bringen so ihr Unverständnis zum Ausdruck. Im Zentrum der Diskussion um dieses Thema steht die Forderung nach dem Kommunionempfang in der Eucharistiefeier. So wünschen sich die Absender vor allem Kommunionempfang des evangelischen Ehepartners oder der evangelischen Ehepartnerin, wenn es um den Sakramentenempfang der eigenen Kinder geht, zum Beispiel bei der Erstkommunion, Firmung oder kirchlichen Trauung. Außerdem sollten Ehepartner, denen der gemeinsame Gottesdienstbesuch wichtig ist, beide die heilige Kommunion empfangen dürfen, so der Wunsch. Wie bei den oben genannten Themen argumentieren die Betroffenen mit der Praxis Jesu, die in den Evangelien geschildert wird: Er habe niemanden vom Mahl ausgegrenzt, weshalb sollte es also nicht möglich sein, dass der evangelische Partner zur Kommunion gehe? Deshalb wird speziell beim Thema konfessionsverbindende Ehepaare eine sensible Praxis vor Ort, die offiziell von der Kirchenleitung befürwortet und mitgetragen wird, gefordert. Lediglich eine Schreiberin äußert Vorbehalte gegenüber konfessionsverbindenen Ehen und bringt ihre Ängste vor einem Identitätsverlust zum Ausdruck. Sie benutzt bewusst den Ausdruck konfessionsverschieden. Ihrer Meinung nach darf die Abgrenzung der Konfessionen nicht aufgehoben werden. Glaubenspraxis vor Ort Menschen, die der Kirche nahe stehen, sollen wahrnehmen, dass sie nicht alleine sind. 31 Die gelebte Glaubenspraxis ist in jedem vierten Schreiben an die Koordinierungsgruppe und in jedem fünften Brief oder Dokument an den Bischof ein Thema. Dieser Kategorie wurden im Auswertungsbericht alle Aussagen zugeordnet, die generelle Überlegungen beinhalten, ohne dass hierbei ein Bezug zu 90

91 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS einem speziellen Thema besteht. Deutlich ist hier herauszulesen, dass die Gläubigen klar zwischen der Situation vor Ort und dem gesamtkirchlichen Kontext trennen. Kirche auf Ebene der Gemeinde wird als Heimat, als Ort der Begegnung und als Unterstützung in verschiedenen auch schwierigen Lebenslagen erlebt. Große Anerkennung erfährt das Engagement der Seelsorger/-innen und Ehrenamtlichen vor Ort. Trotzdem wünschen sich die Absender neue, erlebbare Formen der Glaubenspraxis, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Familien, mehr Kreativität in der Gestaltung des Gemeindelebens, die insgesamt mehr Menschen ansprechen soll, und mehr Mut zu spirituellen Angeboten. Vor allem Dokumentationen von Workshops, Sitzungen und Konferenzen enthalten dazu vielfältige und kreative Ideen. Auch hier wird die Rückbesinnung auf die Lehre Jesu Christi gefordert. Die Absender wünschen sich eine Kirche, die Nächstenliebe und Toleranz in den Mittelpunkt rückt und eine Auslegung der Bibel, die die heutigen Lebensumstände und Lebenslagen der Menschen besser erreicht. Der wachsende Erkenntnisgewinn der verschiedenen Wissenschaften und der mit dem geänderten Weltbild verbundene Wertewandel zwinge zu einer zeitgemäßen Verkündigung des Glaubens. Zwölf Prozent der Absender der Briefe hingegen, ausschließlich Männer, die dieses Thema behandeln, sprechen sich für eine strengere Auslegung der Bibel und eine Rückbesinnung auf die vorhandene Tradition in der katholischen Kirche aus. Erneuerungsbestrebungen, die nicht die Rückkehr zu alten Formen des Brauchtums und der Glaubenspraxis bedeuten, lehnen sie ab. Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche Von der Glaubwürdigkeit der Kirche hängt ab, ob die Verkündigung des Evangeliums auf fruchtbaren Boden fällt. 32 Rund ein Viertel der Schreiben und Dokumente setzt sich mit der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche auseinander. Es ist in unterschiedlichen Ausformulierungen in allen bisher benannten Themen immanent, wird aber von wenigen explizit als eigenständiges Thema erwähnt. Die Absender kritisieren insbesondere die Diskrepanz zwischen der Lehre der katholischen Kirche und 91

92 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS der lebensweltlichen Realität der Gläubigen und sehen einen Widerspruch zwischen der Lehre und dem Verhalten der Amtsträger. Die Kirche müsse sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen, lautet die Forderung. Dies sei insbesondere auch im Hinblick auf die Jugendlichen wichtig. Jugendliche haben sehr sensible Antennen. Sie benötigten deshalb glaubwürdige Vorbilder. In den Zusendungen aus dem Jahr 2010 wird Glaubwürdigkeit deutlich häufiger erwähnt und steht inhaltlich in engem Zusammenhang mit der Missbrauchsproblematik. Enttäuschung, Empörung und Hoffnung sind die Emotionen, die in diesem Zusammenhang genannt werden. Fast alle Absender, die sich zu diesem Thema geäußert haben, sind sich einig, dass dieser Skandal dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche enorm geschadet hat. Auch der Dialogprozess an sich wird im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit thematisiert. Ergebnislosigkeit führe zu weiteren Kirchenaustritten. Nur durch Transparenz, Ehrlichkeit, Umkehr einen Neubeginn könne die Kirche ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen. Die Zeit des Hörens ist vorbei; wir brauchen eine Zeit des Handelns. 33 Die zahlreichen Briefe und Dokumente zeigen, wie sehr der immer wieder beschriebene Imageverlust der Kirche die Katholiken in der Diözese Rottenburg- Stuttgart bewegt. Ihre Kritik, ihre Zweifel, ihre Unsicherheit, aber auch die differenzierte Argumentation, in der die verschiedenen Themen angesprochen werden, sowie der Ton der Schreiben zeigen, wie sehr die Menschen um ihre Kirche und letztlich um ihren Glauben ringen. Indem sie ihre Hoffnung zu Papier brachten, schenkten sie den Verantwortlichen des Dialog- und Erneuerungsprozesses, insbesondere Bischof Gebhard Fürst, ihr Vertrauen auch weit über die Diözesangrenzen hinaus. Dies verdeutlicht, wie sehr Dialog und Teilhabe in der Tradition und der Gegenwart der Diözese Rottenburg-Stuttgart verankert sind. Doch an dieser Stelle soll die Partizipation nicht enden. Auf Basis dieses geschenkten Vertrauens, und um zu dem Gehörten Stellung zu nehmen, Position zu beziehen und Fragen zu beantworten, haben der Bischof und die Verantwortlichen der Diözese Handlungsfelder entwickelt, die künftig für die Diözese Rottenburg-Stuttgart richtungsweisend sein werden

93 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Die Regionalforen Meilensteine im Dialog- und Erneuerungsprozess DR. MATTHIAS BALL Wenn Architekten ein Haus bauen, steht am Anfang eine Vision oder Idee. Dann folgt ein Plan und in vielen Fällen wird noch ein Modell in einem bestimmten Maßstab erstellt. Von der Idee bis zur Realisierung lassen sich so die unterschiedlichen Vorstellungen zunächst von Bauherr und Architekt, dann von Architekt und Bauingenieur,sowie am Ende zwischen Architekt und den vielen Handwerkern am besten abgleichen. Auf diesem Weg wird versucht sicherzustellen, dass das fertige Haus am Ende so aussieht, wie es vom Bauherrn zu Beginn des gesamten Bauprozesses gedacht war. Das Bild vom Architekten und seinem Planungs- bzw. Arbeitskonzept ist in viele Überlegungen zur Gestaltung von Veränderungs- oder Kommunikationsprozessen eingegangen. So kann man auch den Dialog- und Erneuerungsprozess unter dieser Rücksicht betrachten. Dann gelten der Bischof und mit ihm zusammen der Priesterrat und der Diözesanrat als die Bauherren und gleichsam Auftraggeber für den Prozess. Die Sitzung des Bischöflichen Ordinariats zusammen mit dem Geschäftsführenden Ausschuss des Diözesanrates und dem Vorstand des Priesterrates ist gleichsam so etwas wie der Architekt und damit die Steuerung des Prozesses, während die Mitglieder der Koordinierungsgruppe die Ingenieure und Handwerker bilden, die für die Durchführung vieler Elemente zuständig sind. Wenn damit die Agenten im Prozess benannt sind, so kann man in der Textfassung Glaubwürdig Kirche leben Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 1 vom 26. März 2011 so etwas wie das Modell für den Prozess sehen. In diesem Modell müssen wie beim Bauen auch alle wesentlichen Elemente enthalten sein, die sich später im fertigen Bau wiederfinden. Folgt man diesem Text, so sind darin die wesentlichen Etappen für den Prozess enthalten. 2 Da gibt es die regelmäßigen Sitzungen der unterschiedlichen Gre- 93

94 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS mien, in denen immer wieder der Prozess reflektiert und beraten bzw. einzelne Themen besprochen werden; es gibt Gespräche vor Ort bzw. auf allen Ebenen, die sich weitgehend selbst steuern; und es gibt große Rahmenveranstaltungen, die dem Prozess als Ganzem ein Gesicht geben. Zwar nicht in der Reihe der zentralen Veranstaltungen, aber doch im projektierten Plan eigens benannt, sind die Regionalversammlungen. In der konkreten Durchführung sind aus den sieben Veranstaltungen orientiert an den sieben Regionen in der Diözese - vier Regionalforen in Biberach, Esslingen, Schwäbisch Hall und Spaichingen geworden, die sich als wichtige Meilensteine im Prozess erwiesen. Zielsetzungen der Regionalforen Wenn bei den Regionalforen von Meilensteinen die Rede ist, so muss sich nicht allein aus der Planung, sondern auch aus dem Verlauf des Prozesses ergeben, inwieweit hier wirklich von Meilensteinen die Rede sein kann und welche Zielsetzungen damit verbunden waren. Dafür hilft, den Prozess vom Start her zu sehen und zu verstehen. Die Einladung und Aufforderung von Bischof Fürst, zunächst im Rahmen des Dialogs eine Zeit des Hörens anzusetzen, hat zu einem ungeheuren Echo geführt. Neben diesen Gesprächsprozessen vor Ort und den Mitteilungen an den Bischof hat zum zweiten eine Reihe von Gemeinden oder Initiativen den Bischof selbst als Gesprächspartner eingeladen und der Bischof hat diese Einladungen gerne und soweit der Terminkalender das zugelassen hat auch intensiv angenommen. In diesen Gesprächen war der Bischof vorrangig in der Rolle des Hörenden und hat dies auch sehr bewusst durchgehalten. 3 Eine weitere, dritte Dynamik für den Prozess ergab sich durch das nur wenig später in Auftrag gegebene Projekt Gemeinde 4. Bei den Dekanatsbesuchen der zuständigen Hauptabteilungsleiter für die Konzeption und den Personaleinsatz wurde eine ganze Reihe von Fragen und Herausforderungen formuliert, die 94

95 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHSS nicht einfach singulär und unabhängig voneinander beantwortet werden konnten, sondern einer guten Analyse und vernetzten Erarbeitung von Lösungen bedurften. Genau dies sollte das Projekt Gemeinde leisten. Nimmt man diese Elemente, die sich eben erst im Verlauf des Prozesses als wesentlich herausgestellt haben, zusammen, dann wird verständlich, welche Bedeutung die Regionalforen im Frühjahr 2013 als Meilensteine bekommen haben und mit welcher Zielsetzung diese Foren auch unterschiedliche Dynamiken im Prozess zusammenbinden konnten. Präsentation der Schreiben und Anfragen an den Bischof Bereits früh hatte Bischof Fürst Wert darauf gelegt, dass die vielfältigen Schreiben an ihn für den Dialog- und Erneuerungsprozess genutzt und somit systematisch ausgewertet werden. Nach gut anderthalb Jahren Dialogprozess boten die Regionalforen eine gute Gelegenheit, zumindest zu den auf den Foren behandelten relevanten Themen diese Auswertung auch den Teilnehmern zu präsentieren. Diese Präsentation konnte dabei nicht nur als kurzer Überblick das waren die Themen, sondern recht detailliert erfolgen das waren die Stimmen im Einzelnen, dort lagen Schwerpunkte, das wird noch unterschiedlich bis kontrovers gesehen. Gleichzeitig wurde damit die Zusage der Transparenz eingelöst. Positionierungen zu Einzelthemen Dass der Dialog- und Erneuerungsprozess nicht nur neue, sondern auch viele schon lange bekannte Fragen neu auf den Tisch bringen wird, war klar. Der Dialogprozess wurde unabhängig von dem konkreten Anlass der übergriffigen sexuellen Gewalt durch Priester genutzt, sich mal wieder Luft zu verschaffen und die Unzufriedenheiten bzw. Problemstaufragen zu benennen, die aus Sicht vieler Kirchenmitglieder immer noch ungelöst sind. Wenn man also damit rechnen konnte, dass hier vieles neu und wieder zu Gehör gebracht wurde, so muss man 95

96 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS auch umgekehrt sagen, dass es in vielen Fragen auch geklärte Positionen des kirchlichen Lehramtes gibt, die nicht einfach zur Disposition gestellten werden können. Ging es bei den Gesprächen vor Ort in der Regel darum, dass der Unmut oder die Unzufriedenheit laut werden und vor allem dem Bischof gegenüber direkt zum Ausdruck gebracht werden konnte, 5 so boten die Regionalforen auf ganz spezifische Fragestellungen hin die Möglichkeit, auch diese Positionen den Menschen gegenüber zu Gehör und damit in den Dialog einzubringen. Diese Positionen mögen im Einzelnen nicht jedem gefallen, doch die Ehrlichkeit eines Dialogs verlangt auch, zur Kenntnis zu nehmen, was wenn man so will aus den früheren Dialogprozessen in der Gemeinschaft der Gläubigen als Bestand des Glaubens, der Lehre, des Rechts oder der Moral erarbeitet wurde. Entwicklungsstand in der Diözese So wie schon erreichte Positionen den Dialog bereichern bzw. zu dessen Fortsetzung dazugehören, so gehört auch die Wahrnehmung dessen dazu, was in der Diözese bereits an Erneuerung stattgefunden hat. So gilt das zum Beispiel für die frühzeitigen Bemühungen in der Diözese um eine angemessene Aufklärung und Aufarbeitung der übergriffigen sexuellen Gewalt durch Priester mit der Einrichtung einer unabhängigen Kommission bereits im Jahre An diese Vorreiterrolle des Bistums war immer wieder zu erinnern. Oder in ähnlicher Weise ist beim Spitzenthema Rolle der Frau in der Kirche wahrzunehmen, dass es nicht nur die Frage nach der Zulassung zu den Ämtern gibt, sondern auch die Frage nach der Wertschätzung von Frauen als Partner insgesamt und damit verbunden die Frage, welche Bedeutung Frauen in der Besetzung von Führungspositionen haben. Auch hier ist die Diözese in vielem Vorreiter. Dass die Regionalforen jetzt nicht einfach eine Leistungsschau der Diözese werden sollten, versteht sich von selbst, doch wenn man ernsthaft einen Erneuerungsprozess anstrebt, dann darf in diesem Rahmen auch benannt werden, welche Fragen man schon frühzeitig als relevant erkannt hat und wie man bislang damit umgegangen ist. Auch dafür boten die Regionalforen eine Gelegenheit. 96

97 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Optionen aus dem Projekt Gemeinde im Gespräch Dass die Regionalforen in der zweiten Phase des Prozesses ihren Platz hatten, bot für das Projekt Gemeinde eine günstige Gelegenheit, erste Zwischenergebnisse der Arbeit zu präsentieren und mit einem kundigen Publikum zu besprechen. Mit der Entscheidung, das Projekt Gemeinde mit den Regionalforen zu verbinden, gab es zugleich die Möglichkeit, die enge Verzahnung des zunächst unabhängig in Auftrag gegebenen Projekts mit dem Dialogprozess zu verdeutlichen und ein eigenständiges dialogisches Element in der Veranstaltung selbst vorzusehen und zu ermöglichen. Diese Chance wurde intensiv genutzt. Ablauf der Regionalforen Im Kontext dieser verschiedenen Zielsetzungen wird der Ablauf der Foren verständlich. Am Beginn steht eine Begrüßung und Einführung durch den Bischof, der ja als Gastgeber zu den Foren eingeladen hat. In seiner Einführung hat der Bischof deutlich gemacht, wie sehr die Kirche in der letzten Zeit in die Kritik geraten ist 6 und wie sehr der Dialog- und Erneuerungsprozess genau dort ansetzen will, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Daneben wurde herausgehoben, wie sehr die einzelnen thematischen Beiträge die Linie der Diözese darstellen, auch wenn der Bischof sich natürlich noch vorbehalten hat, die eine oder andere Entscheidung bzw. einen Auftrag zur Umsetzung bis zum Ende des Prozess es im Juni zu treffen. Für jedes Forum wurden aus den im gesamten Prozess immer wieder benannten wichtigen Themen 7 barmherziger Umgang mit Geschieden-Wiederverheiraten, Frauen in der Kirche und Ökumene bzw. konfessionsverbindende Ehen jeweils zwei seitens der Koordinierungsgruppe ausgewählt und durch Mitglieder der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats präsentiert. Diese Präsentation hat zum einen in wesentlichen Stichworten die biblischen, rechtlichen, dogmatischen und pastoralpraktischen Aspekte im Sinne der gebotenen Fachlichkeit, zum anderen die Situation bzw. den aktuellen Stand in der Diözese im Sinne der transparenten Ehrlichkeit benannt. 8 97

98 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Jeder der beiden Beiträge wurde mit einer kurzen Präsentation der Auswertung der Schreiben an den Bischof eingeleitet, um deutlich zu machen, was denn in der Zeit zu hören auch gehört werden sollte bzw. angekommen ist. Im Anschluss an die jeweiligen Beiträge gab es bekannt von vielen Foren kirchlicher Großveranstaltungen eine Phase, in der die Teilnehmer Fragen und Anliegen für ein anschließendes Podiumsgespräch formulieren konnten. Im Podiumsgespräch waren jeweils ein erfahrener Priester und ein Mitglied des Diözesanrats die Gesprächspartner des Bischofs. Sinn und Zweck der Gespräche war es, die Aussagen aus den Fachbeiträgen zu erden und mit der gemeindlichen Wirklichkeit in Kontakt zu bringen. Zudem ging es um die Frage, wie sehr das, was an Positionen ins Spiel gebracht wurde, auch bei den Menschen ankommt bzw. Verständnis findet. Damit das Publikum nicht nur in der zuhörenden Rolle verbleiben musste, war über die Anliegen und Fragen, eingebracht von Anwälten des Publikums, die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in das Gespräch einzubringen. 9 Der Nachmittag war ganz dem Thema der Weiterentwicklung der Seelsorge angesichts der geänderten Bedingungen in Kirche und Gesellschaft gewidmet. Eingeleitet von Domkapitular Matthäus Karrer bzw. Domkapitular Paul Hildebrand in Schwäbisch Hall, die das Projekt im Rahmen der diözesanen Entwicklung verorteten und dabei vor allem auf die erforderlichen Haltungsänderungen hinwiesen, gab es im Anschluss daran insgesamt zehn Gruppengespräche. Aus den Überlegungen des Projekts wurden dafür fünf Themenkomplexe Lebenswirklichkeit der Menschen, Pastoral und Verwaltung, differenziertes Leitungsgefüge, Gemeinde im Lebensraum und Gemeindecaritas ausgewählt und dafür jeweils zwei Gesprächsgruppen parallel angeboten. In diesen Runden wurden erste Ideen präsentiert und die Teilnehmer um eine entsprechende Resonanz gebeten. Da sich der Dialog- und Erneuerungsprozess von Anfang an auch als geistlicher Prozess verstanden hat, wurde jedes Forum mit einem Wortgottesdienst abgeschlossen. Für die Gestaltung des Gottesdienstes hatten Dekanate vor Ort die Verantwortung übernommen, so dass dadurch auch eine gewisse Vielschichtigkeit von Liturgie zum Tragen kam. 98

99 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Dass natürlich zum jeweiligen Forum auch ein entsprechendes Ambiente dazugehört, versteht sich von selbst. Von den vielen Ehrenamtlichen, die dafür einen Samstag eingesetzt hatten, wurde diese Form als Wertschätzung sehr gewürdigt und die Zeit auch für einen Austausch über Dekanats- und andere Grenzen hinweg genutzt. Einschätzungen und Erkenntnisse Die Foren als Meilensteine müssen einerseits einen Zuwachs an Erkenntnis bringen gegenüber den Gesprächen vor Ort in der Zeit des Hörens, sie können aber noch nicht die Ergebnisse liefern, die selbstverständlich erst am Ende des Prozesses vorliegen können. Wie sieht daher eine Bilanz aus? Die Foren hatten ihren Stellenwert, weil sie viele Menschen im Dialog zusammengebracht haben. Zugleich haben die Foren manche bekannte Unzufriedenheit und damit auch Dringlichkeit auf Lösungen und Ergebnisse hin formuliert, die nicht mehr überhört oder übergangen werden können. Darüber hinaus haben gemeindliche Gruppen, die erst später in den Prozess eingestiegen sind, die Gelegenheit genutzt, dem Bischof deutlich ihre Anliegen und Botschaften, teilweise sehr kreativ, zu übergeben. 10 Beim Thema Frauen zeigt sich deutlich, dass das lehramtliche Nein zum Priestertum der Frau eindeutig steht, für den Diakonat gilt das nicht in gleicher Abgeschlossenheit der Frage. Gleichzeitig und darauf macht der Bischof aufmerksam würde eine Änderung zu einer Zerreißprobe in der Weltkirche führen. Ebenso ist deutlich, dass die Ungeduld der Frauen wächst und dass sie vor allem mit der zwischenzeitlich bei der Frühjahrskonferenz der deutschen Bischofskonferenz von Kardinal Kasper ins Spiel gebrachten Möglichkeit, für die Frauen ein Amt sui generis 11 zu schaffen, nicht zufrieden sind. Diese Option von Kardinal Kasper wurde beim Forum in Spaichingen von der Diözesanrätin Gabriele Derlig und auch vom Bischof selbst zurückgewiesen

100 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Dennoch wurde beim Thema Frauen, insbesondere wenn es um die Führungsverantwortung geht, deutlich, dass hier der Bischof seinen Spielraum vielfältig nutzt und sich seit Jahren dafür einsetzt, die Quote von Frauen in leitenden Positionen zu erhöhen. Beim Thema Geschieden-Wiederverheiratete ist der Wunsch oder deutlicher der Druck der Basis nach einer angemessenen Form der Barmherzigkeit und Wertschätzung unüberhörbar. Hier will man in wirklich absehbarer Zeit Ergebnisse sehen. Es braucht auch ein konkretes Entgegenkommen der Kirchenleitung zu dem großartigen Satz von Papst Benedikt: Es scheint mir eine große Aufgabe einer Pfarrei einer katholischen Gemeinde zu sein, wirklich nur alles Mögliche zu tun, damit sie sich geliebt und akzeptiert fühlen, damit sie spüren, dass sie keine Außenstehenden sind, auch wenn sie nicht die Absolution und die Eucharistie empfangen können: Sie müssen sehen, dass sie auch so vollkommen in der Kirche leben. 13 Von den Pfarrern her wird deutlich, dass sie an der Schnittstelle dieses Drucks stehen und in ihren den jeweiligen pastoralen Gegebenheiten vor Ort geschuldeten Entscheidungen Ermutigung und Unterstützung vom Bischof erhoffen. Letztlich wurde auch deutlich, dass in Theologie und pastoraler Klugheit ausreichend Ansätze zu finden sind, die neue Regelungen zumindest nicht ausschließen, wenn nicht sogar ermöglichen. Diese müssen aber aktiv gewollt werden. Ähnlich verhält es sich beim Thema Ökumene konfessionsverbindende Ehen. Auch hier sind etliche Zeichen gegeben, die den so dringend gewünschten Kommunionempfang für den Partner der anderen Konfession auch offiziell ermöglichen könnten. Hierzu braucht es kluge und behutsame Schritte, doch diese sind nicht unmöglich. Gerade diese beiden Themen machen deutlich, wie sehr ein behutsames und dennoch kontinuierliches Bemühen auf der Ebene der Bischofskonferenz erforderlich ist, denn ein Alleingang einer Diözese würde dem Anliegen mehr schaden als nutzen. Dass es diese Spannung von ortskirchlicher Verantwortung und Einbindung in die Bischofskonferenz gibt, hat der Bischof immer wieder deutlich gemacht 14 ; umso wichtiger ist, dass auch von den Regionalforen her das Signal an den Bischof gegeben ist, beharrlich an den Fragen und ihrer Lösung dranzubleiben. 100

101 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Ganz anders sieht es bei den Fragen zur Weiterentwicklung der Seelsorge in den Gemeinden und Seelsorgeeinheiten aus. Gerade das Projekt Gemeinde hat eine Reihe von Vorschlägen bereits angedacht, die zu unterschiedlichen Lösungen führen können. Die Resonanz der Foren dazu war überwiegend positiv, nicht unbedingt im Detail, jedoch deutlich in der Hoffnung, dass die Handlungsspielräume vor Ort vergrößert und vor allem in die Entscheidungskompetenz der Verantwortlichen vor Ort gelegt werden. Am Ende bleibt so ein Tenor, der in vielen Seitengesprächen zu hören war bei allem Unverständnis darüber, dass nicht verändert wird, was im Volk nicht mehr verstanden und daher längst anders gelebt bzw. bewertet wird, bei aller Verwunderung über die Langsamkeit bei der Entwicklung von Lösungen oder bei der Enttäuschung, dass nicht die Lösung möglich ist, die man sich selbst erhofft oder erwünscht hat, dennoch der Respekt, dass sich die Diözese mit Bischof und Gremien auf diesen Prozess auch in der Form der Regionalforen eingelassen und diesen in dieser Transparenz gestaltet hat. 101

102 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Was katholische Christen von ihrer Kirche erwarten Repräsentative Studie des Instituts PRAGMA im Auftrag der Diözese Rottenburg-Stuttgart REINER APP Was erwarten katholische Christinnen und Christen von ihrer Kirche? Womit sind sie zufrieden, was fehlt ihnen, was hält sie in der Kirche? Und an welchen Werten orientieren sie sich im Alltag und Leben? Dies waren die zentralen Fragestellungen einer umfassenden Studie, die das in Reutlingen und Bamberg ansässige Institut PRAGMA im Jahr 2012 im Auftrag der Diözese Rottenburg- Stuttgart durchführte. Insgesamt wurden mit über im Gebiet der Diözese ansässigen Personen telefonische Interviews geführt, davon katholische Kirchenmitglieder und Menschen aus der Gesamtbevölkerung. Eines der wichtigsten Ergebnisse der sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgerichteten Befragung: Gesprächsbedürfnis und Gesprächsintensität waren ausgesprochen hoch. So betrug die Gesprächsdauer in der Spitze 117 Minuten. Die Befragten nutzten gerade die offenen Fragestellungen der Untersuchung, um von ihren Erfahrungen mit Kirche zu berichten, ihre Einschätzungen und Orientierungen detailliert weiterzugeben. Dabei wurden ermutigende Perspektiven genauso deutlich wie kritische Sichtweisen. Doch selbst wenn in den Interviews stellenweise Distanz sichtbar wurde, steht die überwältigende Mehrheit der katholischen Christen ihrer Kirche alles andere als gleichgültig gegenüber. Die Menschen haben hohe Ansprüche und Erwartungen und ein großer Teil ist bereit, Kirche aktiv mitzugestalten. 102

103 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Die Studie konnte eine relativ hohe Stabilität der Kirchenbindung feststellen. Über drei Viertel der Befragten gaben an, noch niemals ernsthaft über einen Kirchenaustritt nachgedacht zu haben. Die Motive für die Mitgliedschaft sind dabei teils sehr unterschiedlich, doch es kristallisierten sich einige wesentliche Punkte heraus: Für die Hälfte der Befragten hängt die Mitgliedschaft eng damit zusammen, dass es überzeugende Menschen in der Kirche gibt. Als entsprechend bedeutsam sind Authentizität und Glaubenszeugenschaft für die Bindung einzuschätzen. Daneben spielen die Heimatqualität der Kirche und die kulturelle Prägung eine herausragende Rolle für die Kirchenmitgliedschaft der Katholiken in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Insgesamt zeugen die ganz unterschiedlichen Gründe für eine Kirchenmitgliedschaft von einer regen Anteilnahme an der Kirche, stellt diese aber auch vor vielfältige Herausforderungen in der Seelsorge. 103

104 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Die personale Dimension ist eine große Chance für die Kirche, zugleich macht sie aber auch Risiken sichtbar. Viele Gläubige leiden schmerzlich am Verlust der persönlichen Nähe der Pastoral. Die Ursachen sind regional teils sehr unterschiedlich. Gerade in den traditionellen katholischen Mehrheitsgebieten der Diözese konzentrieren sich die Blicke noch immer auf die Person des Pfarrers. Entsprechend fallen die Ansprüche an die Geistlichen aus, die schon aus rein terminlichen Gründen nicht gehalten werden können. In anderen Regionen stehen dagegen bereits vermehrt Kirchengemeinderäte und andere ehrenamtlich Engagierte im Fokus der Aufmerksamkeit und es tun sich neue Möglichkeiten für die persönliche Bindung auf. Die Unterschiede machen die Notwendigkeit deutlich, regionalspezifische Bindungsstrategien zu erarbeiten. Eine der wichtigsten Zukunftsfragen von Kirche ist daher, inwieweit sie Mitglieder zu aktivieren vermag, die durch ihre Mitarbeit den Glauben für andere personal erlebbar machen. Das Thema ehrenamtlichen Engagements berührt also weit mehr als nur die Funktionsfähigkeit kirchlicher Strukturen. Es geht dabei um die Lebendigkeit und Anziehungskraft von Kirche insgesamt. 104

105 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Das Potenzial ist reichlich vorhanden: Mehr als zwei Drittel der Katholiken erklären sich bereit, für ein Thema oder Anliegen, das sie persönlich bewegt, sich in einer Gruppe, einem Verein oder einer Organisation zu engagieren. Zum Vergleich: Bei der Gesamtbevölkerung teilt nur die Hälfte diese Einstellung. Der hohen Motivation steht allerdings gegenüber, dass nur gut vierzig Prozent der Kirchenmitglieder enger in das Gemeindeleben eingebunden sein wollen. Dies verdeutlicht erstens die Bedeutung offener Strukturen des Engagementangebots, zweitens zeigt es die Notwendigkeit der weiteren Erforschung von Hürden und Beweggründen für ehrenamtliche Tätigkeiten im kirchlichen Rahmen. Spiritualität ist für die Menschen in der Diözese nichts Abstraktes, sondern es gehört zum Alltag. Fast jeder zweite Befragte gibt an, sich täglich Zeit für innere Einkehr, Gebet, Meditation oder etwas Ähnliches zu nehmen. Dies ist ein beeindruckender Gegenbefund zur oft vorhergesagten Säkularisierung und Glaubensauflösung. Allerdings wird damit auch deutlich, dass dem starken Bedürfnis nach Spiritualität oft eine mangelnde Akzeptanz kirchlicher Ange- 105

106 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS bote gegenübersteht. Gerade diese suchenden Menschen erhalten damit oft keine Antwort von kirchlicher Seite. Die persönliche Glaubenserfahrung nennt auf eine offene Fragestellung hin ( Fällt Ihnen noch ein anderer Grund für Ihre Mitgliedschaft ein? ohne Antwortvorgaben) nur ein Drittel der Kirchenmitglieder als Motiv für die Mitgliedschaft. Wie stark motivierend der Glaube sein kann, zeigt sich allerdings im Blick auf die Zukunft. Für mehr als jeden dritten Katholiken, der optimistisch auf die weitere Entwicklung der Kirche blickt, ist es der Glaube, der die Hauptmotivation für diese Einschätzung liefert. Der Aussage, Mitglied der Kirche zu sein, weil ich so geprägt bin, stimmen mehr als zwei Drittel aller Befragten zu und damit mehr als jeder anderen Aussage zur Kirchenbindung. Hier wird die Gefahr deutlich, die in einer schleichenden Distanzierung von der Kirche liegt. Das zeigt sich auch im weiterhin hohen Austrittspotenzial. Knapp ein Viertel der Katholiken gibt an, schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht zu haben, die Kirche zu verlassen. Für über ein Drittel liegt der Grund in der Entfremdung von der Kirche. Dies zeigt, wie dringend notwendig eine genaue Beobachtung des Wertewandels der gesellschaftlichen Milieus und der Veränderung der Lebensstile ist. Beobachtung heißt allerdings nicht Anpassung. Kirchenmitglieder wollen in ihrer Lebenssituation verstanden, akzeptiert und ernst genommen werden. Zugleich aber ist Authentizität ein entscheidender Parameter, an dem sie die Glaubwürdigkeit der Kirche messen. Der Aussage, die Kirche als Heimat erlebt zu haben, stimmt fast jedes zweite Kirchenmitglied zu womit eine weitere zentrale Qualität von Kirchenbindung sichtbar wird. Die entscheidende Rolle des Faktors Nähe erweist sich auch bei der Frage nach der Zufriedenheit mit den kirchlichen Leistungen. Hier liegen Kirchengemeinde und Seelsorgeeinheit vorn (mit jeweils rund 60 Prozent sehr bis eher Zufriedenen). Dicht dahinter positioniert sich allerdings die Diözese, die trotz ihrer Größe und regionalen Heterogenität als nah bei den Menschen erlebt wird und auf diese Art die erhoffte Heimatqualität bietet. 106

107 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Die kirchliche Bindekraft hat deswegen eine räumliche Dimension. Gemeinde bleibt der vorrangige Bezugspunkt für Kirche. Je weiter die Kirche vom eigenen Radius entfernt ist, desto mehr wächst auch die Distanz zu ihr. Dieser Befund lässt sich durchaus als Messlatte für die aufgrund des mangelnden Priesternachwuchses eingerichteten Seelsorgeeinheiten interpretieren. Auch von den Seelsorgeeinheiten erwarten die Gläubigen gemeindliche Qualität und Nähe. Dieses Phänomen gilt auch für andere Gemeinschaften. Die Soziologie hat es auf die Verarbeitung der Globalisierung zurückgeführt und von Glokalisierung gesprochen: Je stärker die weltweite Vernetzung in den Alltag hineinreicht, desto wichtiger werden für die Menschen die Wurzeln im Lokalen. Dies erklärt auch die relativ positive Bewertung der Kirche als Weltkirche. Denn die globale Dimension wird durch die zahlreichen weltkirchlichen Initiativen der Diözese vor Ort, d. h. im persönlichen Nahbereich, erfahrbar. 107

108 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS An welchen Werten orientieren sich die Kirchenmitglieder? Hier liegt neben dem Gottesglauben der Leitwert Toleranz und Offenheit vorne (für über 80 Prozent ist dieser Wert jeweils eher wichtig oder sehr wichtig). Auch die Sicherheitswerte erreichen relative hohe Zustimmungsquoten. Doch Nachhaltigkeit und Hilfe für Benachteiligte rangieren deutlich vor dem Wunsch nach einem hohen Lebensstandard (gut 30 Prozent) und dem Durchsetzen eigener Bedürfnisse (gut 50 Prozent). Wobei bei letzteren beiden Werten die Orientierungen der Katholiken auffallend weniger ausgeprägt sind als in der Gesamtbevölkerung (knapp 40 bzw. knapp 80 Prozent). Materialismus und Individualisierungstendenzen sind weitaus weniger ausgeprägt als in vielen kritischen Medienberichterstattungen vermutet. Auch Toleranz wird entsprechend nicht als Gleichgültigkeit verstanden, die zur weiteren Fragmentierung der Gesellschaft führen könnte, sondern als Zusammenhalt in Pluralität. Fast drei Viertel der Befragten sehen im Christentum nach wie vor ein Fundament unseres Wertesystems. Gewünscht wird daher eine Kirche, die sich mit 108

109 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS hohem Engagement und einer klaren Positionierung, aber ohne belehrend zu wirken, in gesellschaftliche Belange einmischt. Dies gilt gerade dann, wenn sich das soziale Gefüge als brüchig zeigt. Die Grundorientierung der Diözese an einer offenen Katholizität stößt damit auf hohe Zustimmung unter den Kirchenmitgliedern. Dies zeigt sich gerade bei einem höchst sensiblen Thema wie dem Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Hier stimmt die Mehrheit der Katholiken der Aussage zu, dass die Diözese alles in allem die nötigen Konsequenzen gezogen hat. Fast neunzig Prozent schließen sich der Forderung an, dass die Kirche weiterhin offensiv mit dem Thema Missbrauch umgehen soll. Die 2002 ins Leben gerufene Kommission sexueller Missbrauch erreicht ausgesprochen hohe Bekanntheitswerte. Trotz des schwierigen Hintergrunds war dies ein bedeutender Beitrag zum Aufbau neuen Vertrauens. Die Ergebnisse für dieses sensible Thema bestätigen eindeutig den Kurs der Diözese zum transparenten Umgang mit Missbrauch. 109

110 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Offenheit bestimmt insbesondere auch die Bewertung des Dialog- und Erneuerungsprozesses. Rund achtzig Prozent der Kirchenmitglieder begrüßen diese Idee. Für die Diözese besonders erfreulich: Die Zustimmung fällt besonders groß aus nicht nur bei den kommunikationsstarken, von Best-Agern geprägten Milieus im Zentrum der Gesellschaft, sondern auch bei den jungen, internetaffinen Milieus. Je schwächer die Kommunikationsaktivität der jeweiligen Milieus, desto schwächer fällt auch die Zustimmung aus. Allerdings bleibt sie selbst in traditionell und defensiv geprägten Gruppen stets deutlich über sechzig Prozent. Die Gründe für die hohe Zustimmung zum Dialog- und Erneuerungsprozess liegen vor allem in der Hoffnung, dass der Prozess eine Erneuerung bringen möge. Auf eine entsprechende offene Frage (ohne Antwortvorgaben) verwiesen 43 Prozent derer, die dem Prozess positiv gegenüberstehen, auf die Veränderungsmöglichkeiten, die sie damit verbinden. 17 Prozent begründeten ihre Zustimmung mit der für sie hohen Bedeutung, die sie der Dialog-Orientierung beimessen. 15 Prozent sahen eine Öffnung der Kirche für neue Sichtweisen. 11 Prozent hoffen vor allem auf eine Mobilisierung der Kirchenmitglieder und eine entsprechende 110

111 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Stärkung der Bindungskräfte. Auch über die Einschätzung des Dialog- und Erneuerungsprozesses hinaus hat die Kirche Zugang zu nahezu allen gesellschaftlichen Milieus im südwestdeutschen Raum. Besonders stark ist sie zwar bei den passiven und traditionell Orientierten verankert. Umso wichtiger ist daher, dass sie auch Zugang zu hoch engagierten Gruppen hat, die die Dynamik der gesellschaftlichen Debatte bestimmen. Leitmilieu hierbei sind die sogenannten Gemeinwohl-Kommunizierer, deren wichtigster Wert der Zusammenhalt der Gesellschaft ist. Ein weiteres positives Ergebnis und eine große Zukunftshoffnung stellt die Offenheit jüngerer Milieus für die Kirche dar. Diese sogenannten Toleranz-Aktivisten sind starke Multiplikatoren mit hoher Nutzung der neuen Medien. Auch wenn die Untersuchung bei der Mediennutzung der Kirchenmitglieder eine anhaltende Dominanz der regionalen Tageszeitungen und der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender feststellen konnte, ist es daher entsprechend wichtig, neue digitale Kommunikationsangebote zu schaffen und dabei insbesondere die sozialen Online-Medien zu nutzen. In den prägenden gesellschaftlichen Gruppen ist die Werte-Orientierung in Richtung Toleranz und Offenheit stärker als in allen anderen Milieus. Will die Kirche die Möglichkeiten nutzen, über die sie hier verfügt, dann erwarten sie intensive und kontroverse Debatten. Die Frage nach der Akzeptanz einer Pluralität der Meinungen wird daher zur Schlüsselfrage für die dauerhafte Gewinnung der Leitmilieus. Für die Glaubwürdigkeit von Kirche ist dabei allerdings weniger das Was als vielmehr das Wie entscheidend: Jenseits der thematischen Positionierungen wird das Erleben einer dialogischen Kirche als Signal der Ermutigung und Einladung verstanden. Hoffnung und Erwartung liegen allerdings dicht beieinander. Der Dialog- und Erneuerungsprozess wirkt als Versprechen von Veränderung, dessen Einlösung im alltäglichen Auftreten von Kirche überprüft wird. Zu einem entscheidenden Faktor hierbei wird die Kommunikation. Auffällig ist in diesem Zusammenhang das Verlangen einer Mehrheit der Befragten nach einem erneuerten Kommunikationsstil der Kirche. 111

112 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Der Aussage, die Kirche sollte offener kommunizieren und ihren Mitgliedern besser zuhören stimmen rund 80 Prozent der Katholiken zu. Rund 70 Prozent sind der Meinung, die Kirche sollte lebensnaher und weniger abgehoben kommunizieren. Offenheit und Lebensnähe sind damit, entsprechend den vorherrschenden Werteorientierungen, entscheidende Kriterien, nach denen die Kirchenmitglieder die Qualität der Kommunikationsarbeit beurteilen. Einig ist sich die Mehrheit darin, dass die Kirche nicht weniger, sondern mehr kommunizieren soll. Mehr als zwei Drittel der Katholiken wünscht sich mehr Kommunikation Einmischung ist erwünscht, und zwar auf vielfältige Art und Weise. Topthema sind dabei Soziales und Gesellschaftspolitik. Nur für eine kleine Minderheit steht die Selbstreflexion im Vordergrund der Kommunikationserwartungen. 112

113 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS Der Rückzug in ein selbst gewähltes Ghetto würde den Wünschen der überwältigenden Mehrheit der Befragten widersprechen. Das Eintreten für die Benachteiligten und den Schutz der Schöpfung, das Engagement für die Stärkung der Bindekräfte der Gesellschaft stärken die Verankerung der Kirche in der Mitte der Gesellschaft. Allerdings gilt dies nur, wenn die Meinungsbeiträge in einem bestimmten Debattenstil gehalten sind. Ansprüche auf eine absolute Deutungshoheit stoßen auf klare Ablehnung und sorgen auch wenn es sich nur um kirchliche Einzelstimmen handeln sollte für Irritation und Distanzierung. Daher befürworten auch 89 Prozent der Befragten, dass die Kirche stärker als bislang mit gesellschaftlichen Organisationen und Gruppierungen ins Gespräch kommt. Diese Haltung deutet nicht nur auf eine Einschätzung konkreter Projekte, sondern auch auf eine veränderte Sichtweise auf die Rolle von Kirche in der Gesellschaft hin: Weil Zusammenhalt und Offenheit als überaus wichtige Werte gesehen werden, erwarten die Katholiken von ihrer Kirche mehr, als dass sie diese Werte in der Öffentlichkeit vertritt. Sie wollen, dass sie diese Werte auch lebt das heißt, dass die Kirche weniger allein agiert und vermehrt die Koope- 113

114 DER EINE DIALOG UND DIE VIELEN FORMEN DES GESPRÄCHS ration mit anderen wichtigen gesellschaftlichen Akteuren sucht und zwar gerade in den Bereichen, in denen erhebliche Schnittmengen vorhanden sind. Allein dieser kleine Ausschnitt der zahlreichen in der Studie erarbeiteten empirischen Ergebnisse zeigt ein komplexes Bild von Glaube und Kirche in der heutigen Diözese Rottenburg-Stuttgart. Indikatoren für Aufbruch und Lebendigkeit stehen Kritik und klar formulierten Erwartungen an die Kirche gegenüber. Die Untersuchung hat die liberale Prägung der Menschen im deutschen Südwesten deutlich gemacht. Ob beim Dialog- oder Erneuerungsprozess, beim Umgang mit dem schwierigen Thema Missbrauch oder den weltkirchlichen Aktivitäten überall dort, wo die Diözese die von ihr gelebte weltoffene Katholizität in öffentlichkeitswirksame Signale zu übersetzen weiß, stößt sie auf große Zustimmung. Zugleich sind wesentliche gesellschaftliche Milieus von einem zunehmenden Anspruch auf Souveranität und Partizipation bestimmt. Die Dialogfähigkeit wird damit zum zentralen Faktor für den Zugang zu den Menschen. Und die Offenheit der Angebote zur Mitgestaltbarkeit von Kirche entscheidet über das Maß von Engagement und Integration. Die Buntheit gesellschaftlicher Entwicklungen anzunehmen und zu gestalten, ist für die katholische Kirche keine einfache Herausforderung. Doch die Botschaft ist klar: Nach einer offenen und lebensnahen Kirche sehnt sich die übergroße Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in der Diözese. Es ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich dafür entscheiden, ihre Sehnsucht nach Spiritualität und ihr Bedürfnis nach Heimat in dieser Kirche zu leben. 114

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117 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER THEMEN UND HANDLUNGSFELDER DES DIALOG- UND ERNEUERUNGSPROZESSES 117

118 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Handlungsfeld Missbrauch SABINE HESSE 1 Als der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs am 28. Januar 2010 mit der Nachricht an die Öffentlichkeit ging, er habe sich nach entsprechenden Hinweisen von Altschülern in einem Brief an insgesamt 600 ehemalige Schüler des renommierten Kollegs gewandt und sie gebeten, sexuelle Übergriffe von Patres der Schule an ihn zu melden, da löste dies für die katholische Kirche in Deutschland eine Krise aus, deren Wucht und Dauerhaftigkeit und deren Weiterungen zuvor niemand für möglich gehalten hätte. Es war wie ein Dammbruch: Viele Menschen traten oft nach Jahrzehnten aus ihrem Schweigen heraus und schilderten Vorgänge, die ihnen in ihrer Kindheit und Jugend durch Angehörige der Kirche widerfahren waren und die ihr Leben als eine schwere Last bedrückten. Gleichzeitig kam die zweite Ebene des institutionellen Versagens zum Vorschein, nämlich die jahrelange Verharmlosung und Vertuschung auch von bekannten Verbrechen sowie der nachsichtige Umgang mit Tätern. Auch die Diözese Rottenburg-Stuttgart wurde von der Dynamik dieser Ereignisse betroffen und erschüttert, obwohl bereits 2002 in der Diözese eine Kommission eingerichtet wurde, die diese Thematik bearbeitet. Schließlich nahmen Bischof Gebhard Fürst und die Diözesanen Räte die dadurch ausgelöste Vertrauenskrise zum Anlass, einen Dialog- und Erneuerungsprozess für die Diözese Rottenburg- Stuttgart ins Leben zu rufen. Kindeswohlgefährdung 2 Eine ähnliche Erschütterung wie die, die 2010 durch die katholische Kirche ging, haben Jugendämter einige Jahre zuvor erlebt: Namen wie Kevin und Lea Sophie gingen durch die Öffentlichkeit. Fälle, in denen es den öffentlichen Behörden und der Gesellschaft nicht gelungen ist, Kinder in ihren Familien vor dem Tod durch Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch zu schützen. Die Jugendhilfe, d. h. Jugendämter wie Einrichtungen in freier, auch kirchlicher, Trägerschaft, sah sich mit ihrem eigenen Versagen konfrontiert. Wie 118

119 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER viele professionell Verantwortliche hatten die Gefährdung des Kindeswohls nicht gesehen und ihre Verantwortung für diese Kinder eben nicht wahrgenommen? Aber auch: Wie sind die Bedingungen für Professionelle wie für die Familien selbst, das Kindeswohl zu gewährleisten? Sind Familien nicht teilweise überfordert mit allen Erwartungen, die im Zusammenhang mit der Kindererziehung an sie gerichtet werden? Wie schwer war es vielen Professionellen gemacht worden, Verantwortung zu übernehmen und hilfreich zu handeln? Und nicht zuletzt: Wie konnte es geschehen, dass in dicht besiedelten Gebieten niemand die Not der Kinder erkannt und rettend eingegriffen hat? Die Politik reagierte und änderte Gesetze: Was der 8a ist, wissen mittlerweile alle Erzieherinnen und Sozialarbeiter. Für alle anderen sei es hier erklärt: Der 8a im Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) regelt seit 2005 den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung : Der Staat schreibt dort seiner Behörde dem Jugendamt diesen Schutzauftrag noch einmal extra ins Stammbuch und er sagt, was zu tun ist, wenn ihm gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden. Die Grundphilosophie lautet: 1. Das Gefährdungsrisiko ist im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. 2. Personensorgeberechtigte sowie das Kind oder der Jugendliche selbst sind einzubeziehen. 3. Hilfen sind anzubieten. Im Zweifelsfall muss der Schutz des Kindes oder des Jugendlichen auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Auch alle Einrichtungen und Dienste, die im Arbeitsfeld Jugendhilfe aktiv sind, müssen über Vereinbarungen mit den Jugendämtern in die Pflicht genommen werden, um sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag ebenso wahrnehmen. Am 1. Januar 2012 trat schließlich das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft, das diesen Schutzauftrag aller Beteiligten noch weiter entfaltete und spezifizierte. 119

120 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Seit nicht einmal zehn Jahren hat sich also in allen Feldern, die professionell mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sehr viel bewegt. Die neuen gesetzlichen Regelungen zwangen die Beteiligten, sich ihrer Verantwortung neu bewusst zu werden. Unzählige Sitzungen und Fortbildungsveranstaltungen fanden statt, verschiedene Maßnahmen wurden ergriffen und neue Strukturen (u. a. insofern erfahrene Fachkraft ) eingeführt. Ganz zentral ist die Erkenntnis, dass Kinderschutz nicht im Alleingang zu machen ist, sondern nur als Produkt gelungener Kooperation im Netzwerk verschiedener Beteiligter, die ihre jeweilige Aufgabe verantwortlich wahrnehmen. Mit Recht kann heute behauptet werden, dass der Schutz der Kinder in unserem Land verbessert wurde. Da Kinder- und Jugendarbeit in vielfältigen Formen auch in kirchlicher Trägerschaft geleistet wird, fand die geschilderte Entwicklung natürlich auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart statt. Viele Einrichtungen der katholischen Kirche arbeiten im Rahmen des SGB VIII mit Kindern und Jugendlichen, so zum Beispiel Kindergärten, Heime und die kirchliche Jugendarbeit. Unter dem Dach von Kirchengemeinden, des Caritasverbandes, des BDKJ oder anderen Verbänden mussten sie sich mit der Herausforderung Kindeswohlgefährdung beschäftigen, haben sich dazu qualifiziert und Erfahrungen gesammelt. Dies ist eine gute Basis, auf der die neu geschaffene Stabsstelle Prävention/Kinder- und Jugendschutz aufbauen kann. Die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz Seit dem 1. Dezember 2012 gibt es eine ganze Stelle mit einer Person, die ihre Kraft voll darauf konzentrieren kann, dass dieses Handlungsfeld in der Diözese weiterhin im Blick behalten und angemessen bearbeitet wird. Die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz fungiert als diözesane Koordinationsstelle zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt und hat folgende Aufgaben: Fachberatung bei der Planung und Durchführung von Präventionsprojekten Koordination der Präventionsarbeit innerhalb der Diözese 120

121 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Vernetzung mit Präventionsbeauftragten anderer Diözesen und relevanten außerkirchlichen Stellen Weiterentwicklung von verbindlichen Qualitätsstandards Organisation von Schulungen Information über Präventionsmaterialien und -projekte Vermittlung von Fachreferentinnen und -referenten Öffentlichkeitsarbeit Zudem nimmt die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz die Geschäftsführung der Kommission sexueller Missbrauch wahr. Selbständige Träger So ist beispielweise der BDKJ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart frühzeitig aktiv geworden und hat verschiedene Maßnahmen ergriffen. Alle Mitarbeiter/-innen des Bischöflichen Jugendamts (BJA) wurden bereits 2007 zum Kindeswohl geschult; seither ist dieses Thema fester Bestandteil im Einführungsprogramm für neue Mitarbeitende. Bei seiner Diözesanversammlung am 17./18. März 2012 verabschiedete der BDKJ Standards zur Schulung zum Schutz vor Kindeswohlgefährdung. Ein Meilenstein war die Ehrenerklärung, wie sie auch von vielen anderen Trägern der Jugendarbeit mittlerweile verwandt wird: Die Diözesanversammlung des BDKJ Rottenburg-Stuttgart verabschiedete im Frühjahr 2009 die Einführung einer Ehrenerklärung, die alle in der kirchlichen Jugendarbeit Verantwortlichen abgeben müssen. Sie wird in den Gruppenleiterschulungen eingeführt und soll von allen Gruppenleiter/-innen unterschrieben werden. Kernaussagen sind: Ich schütze die mir anvertrauten Kinder und Jugendlichen vor körperlichem und seelischem Schaden, vor Missbrauch und Gewalt, insbesondere in der Zeit, in der ich für sie verantwortlich bin. Und: Ich gehe achtsam und verantwortungsbewusst mit Nähe und Distanz um. Individuelle Grenzen von anderen respektiere ich. Dies bezieht sich insbesondere auf die Intimsphäre und persönlichen Grenzen der Scham von Kindern und Jugendlichen. Das Bischöfliche Jugendamt fordert weiterhin schon seit längerem bei der Einstellung neuer hauptberuflicher Mitarbeiter/-innen ein polizeiliches Führungs- 121

122 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER zeugnis und wird dies künftig von allen Mitarbeitenden im dreijährigen Rhythmus erneut anfordern. Ab 2013 wird auch von den begleitenden Ehrenamtlichen der Ferienwelt ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Als bundesweit erste Einrichtung haben der BDKJ und das Bischöfliche Jugendamt 2011 eine Dienstvereinbarung, die persönliche Eignung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit betreffend, abgeschlossen. Für die praktische Arbeit vor Ort ist eine Hotline wichtig. Die Telefonnummer wird v. a. von Betreuenden genutzt, die eine fachliche Unterstützung bei Anzeichen für Kindeswohlgefährdung benötigen. Die Hotline ist geschaltet für Opfer sexuellen Missbrauchs im Zusammenhang mit der kirchlichen Jugendarbeit. Zwei Fachkräfte sind entsprechend ausgebildet und können kompetent reagieren. Neben dem BDKJ haben auch der Diözesan-Caritasverband (DiCV), die Stiftung Katholische Freie Schule, die Frauenorden, der DJK-Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart und viele andere eigene Anstrengungen zur Aufklärung und Prävention von sexualisierter Gewalt unternommen. Sichtbar werden diese in den jeweils eigenen Beauftragten, Regelungen und Projekten. Der DiCV hat ebenfalls eine Stabsstelle Prävention/Kinderschutz mit einer hauptberuflich beschäftigten qualifizierten Mitarbeiterin geschaffen und eine Hotline ( ) geschaltet. Zum 1. Oktober 2012 wurden die Leitlinien zur Prävention von sexuellem Missbrauch sowie zum Verhalten bei Missbrauchsfällen in den Diensten und Einrichtungen des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.v. von Bischof Gebhard Fürst in Kraft gesetzt. 3 Mit der Uni-Klinik Ulm läuft ein zweijähriges Projekt zur Entwicklung eines Caritas-spezifischen Kinderschutzkonzepts, in dessen Rahmen alle Einrichtungen zur Bestandsaufnahme mittels eines Online- Fragebogens gebeten waren. Die Ergebnisse werden noch im Juni 2013 der Öffentlichkeit auf einem Fachtag vorgestellt. Die Stiftung Katholische Freie Schule hat 2011 eine eigene Kommission zum Schutz vor sexuellem Missbrauch eingerichtet. Diese hat den Auftrag, in allen 122

123 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Angelegenheiten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an katholischen Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart betreffen, sich ein Bild von den Umständen zu verschaffen, die den Missbrauch ermöglicht haben und Empfehlungen für Maßnahmen auszusprechen, um Gefährdungen von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. 4 Der DJK Diözesansportverband in der Diözese Rottenburg-Stuttgart erstellte 2010 eigene Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt und sexuellem Missbrauch im Sportverein sowie eine Handreichung für die Vereine. Ausbildung der Priester, Pastoral- und Gemeindereferent/-innen Eine wichtige Rolle spielt die Prävention von sexuellem Missbrauch schon seit mehr als zehn Jahren in der Vorbereitung auf den Priesterberuf. Bereits zu Beginn des Studiums führt im Tübinger Theologenkonvikt Wilhelmsstift eine erfahrene Psychologin mit den Priesteramtskandidaten intensive Einzel- und Gruppengespräche, in denen es darum geht, grundlegende Fragen der Eignung für den Priesterberuf und der ehelosen Lebensform frühzeitig zu klären. Diese Fragestellung zieht sich dann als roter Faden durch die ganze weitere Ausbildung auch im Priesterseminar in Rottenburg. In vielen thematischen Zusammenhängen, die auch gemeinsam mit den Pastoral- und Gemeindereferenten im Rahmen der pastoralen Ausbildung auf der Agenda stehen, wird die Thematik aufgegriffen. Dabei geht es vor allem um die angemessene Balance von Nähe und Distanz. In die Ausbildung der Diakone wird die Thematik ab Herbst 2013 aufgenommen. Es geht nicht ohne Gesetze Im Februar 2011 erließ Bischof Gebhard Fürst das Bischöfliche Gesetz zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Hiermit wurde im Wesentlichen geregelt, dass Beschäftigte in allen kirchlichen Zusammenhängen, die mit Kin- 123

124 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER dern und Jugendlichen zu tun haben, mittels eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses nachweisen müssen, dass sie nicht wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit oder persönliche Freiheit verurteilt wurden. Dies gilt sowohl bei Neueinstellungen als auch für bereits angestellte Mitarbeiter/-innen. Eine eigens dafür eingesetzte Mitarbeiterin in der Personalverwaltung hat seit Sommer 2011 bis heute fast alle Führungszeugnisse eingeholt. Ehrenamtliche müssen laut diesem Gesetz kein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, aber eine Schulung durchlaufen und die o. g. Ehrenerklärung abgeben. Die Konstruktion dieser Vorschriften führte zu der Ungleichzeitigkeit, dass Ehrenamtliche geschult wurden, Hauptamtliche jedoch nicht. Der entsprechende Unmut und Regelungsbedarf wurde u. a. bei vier regionalen Informationsveranstaltungen für pastorale Mitarbeiter/-innen über die Präventionsordnung sexueller Missbrauch zwischen Oktober 2011 und Februar 2012 artikuliert. Das Bischöfliche Gesetz wird zurzeit durch die Personalverwaltung überarbeitet und soll noch 2013 neu veröffentlicht werden. Eine Anpassung ist auch deshalb notwendig geworden, weil zum Beispiel das Bundes-Kinderschutzgesetz vom 1. Januar 2012 die Vorlage erweiterter Führungszeugnisse auch von Ehrenamtlichen vorsieht. Die unabhängige Kommission sexueller Missbrauch Die Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch durch Vertreter der katholischen Kirche stand bereits seit Anfang der 2000er Jahre auf der weltkirchlichen Tagesordnung. Besonders in den USA und in Irland waren schon in den 1990er Jahren zahlreiche Fälle aufgedeckt und die Ortskirchen erschüttert worden. Der Vatikan hatte 2001 mit der Veröffentlichung des päpstlichen Motuproprio Sacramentorum sanctitatis tutela, das am 30. April 2001 promulgiert und am 18. Mai 2001 an alle Bischöfe versandt worden war, reagiert. Am 26. September 2002 erließ die Deutsche Bischofskonferenz daraufhin Leitlinien Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geist- 124

125 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER liche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz 5, in denen schon diözesane Missbrauchsbeauftragte, Prüfung aller gemeldeten Fälle, Hilfen für Opfer und Täter sowie Präventionsarbeit vorgesehen waren. Die Praxis in der Diözese Rottenburg-Stuttgart wurde dadurch charakterisiert, dass Bischof Gebhard Fürst bereits in den 1990er Jahren als Akademiedirektor für die Thematik der sexuellen Gewalt sensibilisiert wurde. Zeitnah hat er die vatikanischen und deutschlandweiten Regelungen in seiner Diözese umgesetzt und mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 Regularien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Kraft gesetzt. Somit war zu diesem Zeitpunkt die Diözese Rottenburg-Stuttgart die einzige Diözese, in der entsprechend gehandelt wurde! Kernstück dieser Regularien ist die Berufung einer unabhängigen Kommission sexueller Missbrauch (KsM) unter dem Vorsitz einer vom Bischof ernannten Person des öffentlichen Lebens. Die Kommission nahm zu Beginn des Jahres 2003 ihre Tätigkeit auf und existiert bis heute. Nach dem öffentlichen Aufschrei 2010 entwickelte die Bischofskonferenz ihre Leitlinien weiter. Am 31. August 2010 veröffentlichte sie die Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz. 6 Bischof Gebhard Fürst setzte sie am 15. Oktober 2010 um, indem er sie seit 2002 an die vorhandenen Strukturen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart anpasste. Er bestimmte: Die Kommission sexueller Missbrauch nimmt die in den Leitlinien vorgesehenen Aufgaben der Missbrauchsbeauftragten mit Beraterstab wahr. Die Aufgabe der KsM ist demnach, Hinweise auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Bereich entgegenzunehmen und eine erste Bewertung der Hinweise auf ihre Plausibilität vorzunehmen. 7 In enger Zusammenarbeit mit den beiden Personen, die mit der Voruntersuchung beauftragt sind, erarbeitet die KsM Empfehlungen für den Umgang mit 125

126 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER den gemeldeten Fällen und klärt sowohl, welche Hilfen für das Opfer zu gewähren sind als auch, welche Maßnahmen gegenüber dem Täter zu ergreifen sind. Alle diese Empfehlungen hat Bischof Dr. Gebhard Fürst bisher umgesetzt. Mitglieder der Kommission sexueller Missbrauch Die Kommission besteht aus Menschen, die sich, zum Teil ehrenamtlich, zum Teil innerhalb ihrer beruflichen Aufgaben, hier engagieren und sich derzeit monatlich einmal zu Sitzungen treffen. Für alle bedeutet die Mitarbeit eine besondere Herausforderung, denn sie konfrontiert mit schweren menschlichen Schicksalen, mit mächtigen psychischen Dynamiken und komplizierten juristischen Fragestellungen. Darüber hinaus beinhaltet sie die Verantwortung, sich über zum Teil kaum aufklärbare Situationen ein Urteil zu bilden. Der Vorsitzende der KsM ist laut Regularien eine Person des öffentlichen Lebens. Bis 2011 war dies Robert Antretter (MdB/SPD a. D. und Vorsitzender der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v.), der das Amt mit großem Engagement ausfüllte und es dann aus Alters- und Belastungsgründen aufgab. Seine Nachfolge hat seit dem 1. Juli 2011 Markus Grübel (MdB/CDU) aus Esslingen übernommen. Die weiteren Mitglieder sind bzw. waren: 1. Der jeweilige Leiter der Hauptabteilung Pastorales Personal: bis 2009 Domkapitular Prälat Franz Glaser, seitdem Domkapitular Msgr. Paul Hildebrand. 2. Der Leiter der Hauptabteilung Personal, zuständig für das nicht-pastorale Personal: von Beginn bis heute Hermann-Josef Drexl, Ltd. Dir. i. K. 3. Eine Juristin des Bischöflichen Ordinariats, Dr. iur. Tanja Johner-Camaj, die bis Ende 2012 im Rahmen ihrer regulären Tätigkeit (ohne ausgewiesenen Stellenanteil) auch die Geschäftsführung der KsM innehatte. 4. Der vom Offizialat bestellte Diözesanrichter und Universitätsprofessor für Kirchenrecht in Tübingen, Prof. Dr. Richard Puza, der Anfang 2013 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt aufgab. Seine Nachfolge wird in Kürze Prof. Dr. Bernhard Sven Anuth, neuer Kirchenrechtler an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen, antreten. 126

127 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER 5. Vom jeweiligen Diözesanrat wird eine Person benannt: dies ist derzeit und seit 2005 die Erzieherin Gabriele Derlig aus Reutlingen. 6. Auch der Diözesanpriesterrat benennt einen Vertreter für die Kommission sexueller Missbrauch. Dies ist seit 2003 Msgr. Herbert Schmucker aus Stuttgart. 7. Als psychiatrischer Sachverständiger arbeitet von Anfang an der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Christoph Funk aus Biberach/Gammertingen mit. Nachdem die Entwicklungen seit 2010 für neue juristische Fragen gesorgt hatten, wurde zusätzlich in beratender Funktion Daniel Noa, Oberstaatsanwalt aus Ludwigsburg, hinzugezogen. Er wurde unterdessen zusätzlich vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Missbrauchsbeauftragten ernannt und stellt damit ein wichtiges Bindeglied zwischen Caritas und KsM dar. Zu den Aufgaben der KsM gehört auch, die Öffentlichkeit in angemessener Weise zu informieren. Um dies professionell gewährleisten zu können, nahm Dr. Thomas Broch als Pressesprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit 2010 an den Sitzungen teil und berät die KsM auch nach seiner Pensionierung 2012 bis heute. Der von ihm erstellte und regelmäßig aktualisierte Bericht ist ständig auf der Homepage der Diözese verfügbar. 8 Einen weiteren Neuzugang erhielt die KsM zum 1. Dezember 2012 mit der Diplom-Theologin und Diplom-Pädagogin Sabine Hesse, die als Präventionsbeauftragte nunmehr einen eigenen Stellenanteil für die Geschäftsführung der KsM erhielt. Wesentlich getragen wird die Arbeit der Kommission sexueller Missbrauch durch die Voruntersuchungen durch den Diözesanrichter Dr. Norbert Reuhs, dessen Engagement 2011 durch Mechthild Berchtold, Referentin in der Hauptabteilung Pastorales Personal für die Pastoralreferent/-innen in der Diözese, ergänzt wurde. Vielfach führen sie die Gespräche mit den Opfern und versuchen, deren Aussagen durch Zeugenaussagen und weitere Informationen, zum Beispiel aus Akten, zu ergänzen und zu objektivieren. Ihre Berichte sind die Basis für die Beratungen der KsM. 127

128 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Entwicklungen der Arbeit der Kommission sexueller Missbrauch In den ersten Jahren ihres Bestehens traf sich die Kommission drei- bis viermal im Jahr. Der Umfang der Fälle war überschaubar, obgleich jeder einzelne Sorgfalt erfordert und die Bewertung regelmäßig nicht einfach ist. Zu vielen Opfern entstand ein persönlicher Kontakt. Sie äußerten sich dankbar, dass ihnen zugehört und geglaubt wurde. Gleichwohl gab es vereinzelt auch Fälle, in denen das Opfer die KsM nicht von seinen Schilderungen überzeugen konnte, so dass es zu Eskalationen kam, die in einem Fall vor Gericht ausgetragen werden mussten kam es dann zu einem massiven Anstieg der mitgeteilten Fälle. Deswegen musste die KsM ihren Arbeitsrhythmus erhöhen. Die Deutsche Bischofskonferenz erarbeitete neue Strukturen und Hilfemöglichkeiten. Als eine der ersten Institutionen sprach sie den Opfern sexuellen Missbrauchs finanzielle Leistungen zu, auch wenn die Beträge im Umfang von ca Euro nicht als Entschädigung gelten können. Beim Vorsitzenden und bei Mitgliedern der KsM sowie bei den vom Bischof mit der Voruntersuchung beauftragten beiden Personen haben sich zwischen Oktober 2002 und Februar 2013 insgesamt 116 Personen als Opfer zu erkennen gegeben. Dies geschah durch Briefe, s, Telefonanrufe und (seit 2011) durch formelle Anträge auf Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde. 83 der Betroffenen sind männlich, 33 weiblich. Die Beschuldigungen, mit denen sich die KsM zu befassen hatte, gehen bis in das Jahr 1945 zurück. Insgesamt sind uns seit 1945 bis heute 163 (mutmaßliche) Opfer (124 männlich/39 weiblich) bekannt. Die KsM hat sich in der genannten Zeit mit insgesamt 102 Beschuldigten befasst. Davon sind 70 Priester in Diensten unserer und anderer Diözesen oder von Orden, 13 Ordensfrauen sowie 19 haupt- und ehrenamtliche Laien. Neben dem Tatort Kirchengemeinde in allen Facetten erhält die KsM vergleichsweise oft Mitteilungen über sexuellen Missbrauch in früheren Kinderheimen. Die Thematik der Heimerziehung bis ca war und ist ebenfalls ein öffentliches Thema, das zur Anerkennung des in diesen Einrichtungen verursachten Leidens und neuen Hilfemöglichkeiten geführt hat. 9 In der Diözese Rottenburg- 128

129 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Stuttgart wurde unter Federführung der Hauptabteilung Caritas eine Studie durchgeführt und 2011 veröffentlicht. 10 Die körperlichen und seelischen Demütigungen in diesen Heimen geschahen teilweise auch mittels sexueller Gewalt. Als Schwerpunkt solcher Taten hat sich vor allem die Piuspflege in Oggelsbeuren herausgestellt. Der KsM liegen mittlerweile 14 Fälle von zum Teil schweren Misshandlungen und sexuellem Missbrauch durch verschiedene Pfarrer, Ordensschwestern und Mitarbeiterinnen im Jungenheim Piuspflege Oggelsbeuren vor. Die Geschichte der Einrichtung und die Gründe für diese Häufung von schweren sexuellen Misshandlungen über viele Jahre hinweg soll nun anhand von Akten und Zeitzeugen/-innen erforscht und aufgearbeitet werden. Im Juni 2013 startet ein Projekt zur Aufarbeitung. Kooperationspartner der KsM sind dabei die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Untermarchtal, die damals für die Betreuung der Kinder verantwortlich waren, die Stiftung Piuspflege Oggelsbeuren als damaliger Träger sowie die Hauptabteilung Caritas des Bischöflichen Ordinariates. Leistungen der Kommission sexueller Missbrauch Wie bereits beschrieben, besteht die Leistung der KsM nicht nur im Zuhören und Aufklären von Missbrauchsfällen durch Mitarbeiter/-innen der Kirche. Die deutschen Diözesen haben 2011 die Möglichkeit geschaffen, an Opfer sexuellen Missbrauchs im Raum der katholischen Kirche einen Betrag auszuzahlen, mit dem das erlittene Leid anerkannt werden soll. Darüber hinaus können Kosten für Psychotherapie und Paarberatung übernommen werden. Alle Hilfen der katholischen Kirche haben das Ziel, zur Heilung der Folgen sexuellen Missbrauchs beizutragen. Die Bischöfe und Ordensoberen bringen durch das Angebot immaterieller und materieller Hilfen zum Ausdruck, dass sie das Leid der Opfer sehen und das Unrecht der Täter verurteilen. Ausgangspunkt und Maßstab sind die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen, deren Traumatisierung soweit wie möglich behoben und in Bezug auf ihre Folgen gemildert werden soll

130 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die Möglichkeit der diesbezüglichen Antragstellung haben in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bis Februar Betroffene in Anspruch genommen. Diejenigen, die sich vor Inkrafttreten dieser Möglichkeit an die KsM gewandt hatten, wurden 2011 angeschrieben und es wurde ihnen ein vereinfachtes Antragsverfahren angeboten. Zum Stichtag 8. April 2013 war die Auszahlung dieser finanziellen Zuwendung in insgesamt 61 Fällen erfolgt. In der Regel handelte es sich dabei um einen Betrag von Euro, bei besonders schweren Fällen wurde mehrfach darüber hinausgegangen. Insgesamt wurden bisher Euro für Anerkennungsleistungen und circa Euro für ergänzende Hilfen (Therapiekosten einschließlich Fahrtkosten zur Therapie sowie individuell notwendige Hilfeleistungen) ausbezahlt. Wichtig ist, dass dieses Geld nicht aus Kirchensteuermitteln kommt, sondern dem Bischöflichen Haushalt entnommen wird. In diesen Haushaltsposten fließen auch Gelder, die Täter aufgrund einer Sanktion des Bischofs oder freiwillig zahlen. Wenn sich Betroffene an die KsM wenden, ist dies meistens nicht mit einem Kontakt getan. Für sie ist dieser Kontakt ein Schritt in einem längeren Prozess der Aufarbeitung. Deswegen ergibt es sich zuweilen, dass einzelne Mitglieder der KsM eine länger andauernde Begleitung von Missbrauchsopfern übernehmen. Wichtig ist jedoch auch, den Betroffenen Hilfeleistungen zum Beispiel in Beratungsstellen der Caritas zu vermitteln und sie bei der Durchsetzung gesetzlicher Ansprüche, etwa nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), zu unterstützen. Um seine persönliche Anteilnahme zu bekunden, hat Bischof Fürst mit vielen Opfern selbst persönliche Gespräche geführt. Neben der wohnortnahen Versorgung ist auch dieses Zeichen der Anerkennung von oben für die Betroffenen ein wichtiges Element in ihrem Aufarbeitungsprozess, da sie allzu oft erfahren mussten, dass die offizielle Kirche mehr den Täter als das Opfer hörte. Was geschieht mit den Tätern? Auch wenn aufgrund der staatlichen Verjährungsfristen zumeist keine rechtlichen Ansprüche der Opfer an die Täter mehr bestehen, hat die Kirche aufgrund ihres eigenen Rechtssystems die Möglichkeit, Sanktionen gegenüber erwiese- 130

131 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER nermaßen schuldig gewordenen Priestern zu verhängen.hier ein Einblick in bisher verhängte Strafen, die durch die Arbeit der KsM vorbereitet wurden: Fünf Priester wurden auf Entscheidung der Glaubenskongregation aus dem Klerikerstand entlassen, einer aus dem Dienst suspendiert, in acht Fällen sprach der Bischof eine sogenannte Monitio aus, die mit Auflagen verbunden ist. In einem Fall wurde zum Beispiel für fünf Jahre ein Verbot der Ausübung aller pastoralen Tätigkeiten und in dieser Zeit Verfügbarkeit für eine andere, nicht pastorale Tätigkeit im Dienst der Diözese verhängt, weiterhin die Kürzung der Bezüge um 20 Prozent. Dieser Betrag wird in den oben erwähnten Topf für die Unterstützung von Opfern eingezahlt. 12 Auch hier kam es zu einem noch andauernden Rechtsstreit durch mehrere Instanzen, weil der Täter diese Sanktion nicht hinnehmen wollte. Die Feststellung einer Schuld ist häufig sehr schwierig, da sexueller Missbrauch per se ein Verbrechen ohne Zeugen und die Beweislage mehr als dürftig ist. Zu den bitteren Erfahrungen der KsM gehört sodann, dass die Beschuldigten in der Regel die Vorwürfe von sich weisen. Vielfach stellt sich die Frage nach Sanktionen jedoch nicht mehr, weil die Beschuldigten bereits verstorben sind. Das Spannungsfeld der Arbeit der Kommission sexueller Missbrauch In den Regularien von 2002 betont Bischof Fürst, dass die besondere Aufmerksamkeit dem Wohl des Opfers und seinem Umfeld gelten müsse. Allerdings stellt er auch klar, die in der Pastoral hauptberuflich Tätigen müssten sicher sein und darauf vertrauen können, dass der Bischof sie mit aller Kraft vor ungerechtfertigten und verleumderischen Anschuldigungen in Schutz nimmt. Schließlich macht der Bischof in dem Dekret deutlich, dass erfolgreiche Prävention der beste Opferschutz ist. Diese drei Aspekte Opferschutz und -hilfe, sensibler Umgang mit Anschuldigungen und der Blick nach vorn bestimmen die Arbeit im Handlungsfeld sexueller Missbrauch. Es liegt auf der Hand, dass sich hieraus für die Kommission sexueller Missbrauch massive Spannungen ergeben, die sie in ihrer Arbeit zu bewältigen hat: 131

132 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER 1. Die Opfer erwarten, dass ihnen geglaubt wird und sie wenigstens ansatzweise Gerechtigkeit erfahren. Opfer sexuellen Missbrauchs haben in der Regel ihre Erlebnisse lange Zeit für sich behalten. Zum einen kann dies selbst ein Ergebnis der Traumatisierung darstellen, weil die Psyche sich damit vor der Erfahrung massiver Ohnmacht schützt. Aber auch wenn der sexuelle Missbrauch den Opfern bewusst ist, fällt es ihnen sehr schwer, darüber zu reden. Sie schämen sich häufig für das, was ihnen angetan wurde, und machen sich selbst Vorwürfe. Sie haben meist auch schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ihnen nicht geglaubt wurde. Das öffentliche Klima in den letzten Jahren hat vielen Betroffenen Begriffe zur Verfügung gestellt für das, was sie erleiden mussten, und sie ermutigt, sich zu öffnen. Gleichwohl: Da sexueller Missbrauch ein Verbrechen ist, das im Verborgenen geschieht, können sie erst recht nach vielen Jahren nur schwer oder gar nicht beweisen, was ihnen geschehen ist. 2. Die Beschuldigten erwarten einen fairen Umgang und Fürsorge durch ihren Arbeitgeber, die Kirche. Das juristische Prinzip der Unschuldsvermutung kann und darf nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. Letztlich ist selbst hinsichtlich einer guten Rückfallprophylaxe ein menschenwürdiger Umgang mit Tätern wesentlich Der Schritt an die Öffentlichkeit 2010 war wichtig und notwendig. Gleichzeitig geht es um Angelegenheiten, die intime Bereiche der beteiligten Personen betreffen und die nicht auf den Marktplatz der Medien gehören. Aufklärung kann nur unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsschutzes geschehen. 4. Die Verantwortung der Diözese beschränkt sich nicht nur auf Opfer und Täter eines sexuellen Missbrauchs, sondern auch auf die involvierten Gemeinden, Arbeitsteams, Gremien, Einrichtungen kurz gesagt: die sozialen Organisationen, in denen die sexuelle Gewalt ausgeübt wurde. In verschiedenen konkreten Fällen wurde ersichtlich, dass diese vielfach ebenso wie die Opfer von dem Verdacht oder dem Missbrauch stark irritiert sind und der Unterstützung bedürfen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat deshalb zum Teil Supervisoren und Gemeindeberater eingesetzt, um betroffene Systeme zu 132

133 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER begleiten. Gemeinsam mit Fachleuten aus anderen Diözesen haben einige von ihnen an einer entsprechenden mehrteiligen Fortbildung teilgenommen. Im März 2013 veröffentlichten sie eine Erklärung, in der sie u. a. festhalten: Die juristische Aufarbeitung wird von der Diözesanleitung/dem Bischof zu Recht delegiert. Sie dient der Klärung der Vorwürfe, der Bestrafung der Täter und dem Ausgleich für die Opfer. Die soziale Verarbeitung kann (und darf) hingegen nicht delegiert werden. Sie ist in der Verantwortung der Bistums-Leitung (Bischof, Generalvikar, Personalverantwortliche, Missbrauchsbeauftragte...) und kann nicht ohne diese geschehen. 14 Was sich sonst noch getan hat: Entwicklungen im Umfeld der Diözese Rottenburg-Stuttgart Über die Diözese Rottenburg-Stuttgart hinaus gibt es Prozesse, die rund um die Diözese geschehen und selbstverständlich einen Einfluss auch auf unsere Arbeit haben. Die Deutsche Bischofskonferenz hat in den vergangenen drei Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die geschehenen Missbrauchsfälle aufzuarbeiten sowie mittels Prävention weitere Grenzüberschreitungen zu vermeiden. Dies hatte wie teilweise schon gezeigt Auswirkungen auf die Arbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. 15 Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hat die Lebensberatung des Bistums Trier im März 2010 eine bundesweite Beratungshotline für Betroffene sexueller Gewalt gestartet und zum 31. Dezember 2012 beendet. Eine ausführliche Auswertung mit interessanten Erkenntnissen über Opfer und innerkirchliche Mechanismen liegt vor. 16 Am 7. Dezember 2012 wurden die Ergebnisse der Studie Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland Eine Analyse forensischer Gutachten 2000 bis 2010 vorgestellt, die vom Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen unter Prof. Leygraf durchgeführt wurde. Hierin finden sich einige Erkenntnisse über die psychische Struktur von Tätern. 17 In allen Diözesen wurden Missbrauchsbeauftragte eingesetzt. 133

134 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER In allen Diözesen wurden (teils in strikter Trennung von den Missbrauchsbeauftragten, teils in enger Zusammenarbeit oder Personalunion) Präventionsbeauftragte eingesetzt. Diese haben sich schon mehrfach bundesweit getroffen und arbeiten kollegial zusammen. In vielen Diözesen haben die Präventionsbeauftragten bereits umfangreiche Schulungen von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gang gesetzt. Die Rahmenordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch wird derzeit überarbeitet und wird in Zukunft auch den Schutz von erwachsenen Schutzbefohlenen stärker gewichten. Die Koordination von diesen und weiteren Prozessen geschieht über das Büro für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich beim Sekretariat der DBK in Bonn. Im Sinne der Nachhaltigkeit der bisherigen Bemühungen auch in unserer Diözese wäre zu wünschen, dass die DBK diese Infrastruktur stabilisiert und weiterentwickelt. Auf ein weiteres zukunftsweisendes Programm soll noch hingewiesen werden: Die päpstliche Universität Gregoriana in Rom (Prof. Dr. P. Hans Zollner) gründete in Kooperation mit der Erzdiözese München Freising (Monsignore Klaus Peter Franzl) und der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Ulm (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Jörg Fegert) das Centre for Child Protection in München. Oberstes Ziel dieses Zentrums ist die Implementierung eines webbasierten Präventions- und Interventionsprogrammes im Interesse des Kinderschutzes, speziell im kirchlichen Kontext. 18 Einige Personen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart nehmen an diesem E-Learning teil. Die aufgezeigten kirchlichen Aktivitäten finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern hängen ihrerseits mit politischen und gesellschaftlichen Prozessen zusammen, die in den letzten drei Jahren eine erhebliche Dynamik entfaltet haben: Der seit April 2010 bestehende Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich erarbeitete einen Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Lage von Missbrauchsopfern und zur Prävention

135 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die Stelle eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (zunächst Frau Dr. Christine Bergmann, jetzt Herr Johannes-Wilhelm Rörig) richtete ebenfalls eine telefonische Anlaufstelle ( ) ein, die wissenschaftlich begleitet wurde. Die Ergebnisse der Begleitforschung liegen seit einigen Monaten vor. 20 Mittels eines sog. Monitorings wurde jüngst der Umsetzungsstand der Empfehlungen des Runden Tisches erhoben, an dem sich auch viele Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart beteiligt haben. Schließlich ist am 1. Mai 2013 der Fonds Sexueller Missbrauch für Opfer sexuellen Missbrauchs in Familien gestartet, so dass damit auch die Mehrzahl der Missbrauchsopfer materielle Hilfen in Form von therapeutischer Unterstützung u.ä. erhalten kann. 21 Ausblick Die Kommission sexueller Missbrauch wird weiterhin gebraucht. Es werden auch künftig Menschen den Mut finden, über erlittene sexuelle Übergriffe im kirchlichen Kontext zu sprechen. Für sie muss weiterhin eine Anlaufstelle in der Diözese zur Verfügung stehen. Die bisher gesammelten Erfahrungen sollten im Hinblick auf präventive Maßnahmen ausgewertet werden, nach dem Motto Was lernen wir daraus?. Weitere Forschungsfragen, wie zum Beispiel anhand der Piuspflege geschildert, ergeben sich und sollten bearbeitet werden. Die KsM fungiert zudem als zentrale Meldestelle für alle Fälle, die auch bei den eigenständigen kirchlichen Trägern eingehen, die mittlerweile eigene Strukturen aufgebaut haben. Die Einhaltung und Weiterentwicklung der verabschiedeten Leitlinien und Regularien ist zu beobachten und zu begleiten. 135

136 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Präventionsarbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart Die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz verfolgt nicht nur das Ziel, dass durch kirchliche Mitarbeiter/-innen keine sexuelle Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen mehr verübt wird, sondern dass sich die Kirche generell in einen sicheren Ort für Betroffene verwandelt. Hierfür ist der Erwerb von Wissen, aber auch die Veränderung von Haltungen und Verhalten, etwa hin zu einem konfliktfähigen Umgang zwischen Kollegen, notwendig. Es geht um die Entwicklung einer Kultur der Achtsamkeit und der Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen der Organisation. Dazu wird es nicht nur neue Fortbildungsangebote geben, sondern zum Beispiel auch Hinweise im Zusammenhang mit der Personalführung. Vor Ort in den Dekanaten werden weitere kompetente Ansprechpersonen ausgebildet und benannt werden. 22 Die zu Anfang geschilderten Skandale in Kirche und Gesellschaft richten unseren Blick verstärkt auf die verletzten und verletzlichen Menschen, denen die erste Sorge der Kirche in der Nachfolge Jesu zu gelten hat und dies im Sinne der missionarischen Kirche jeweils dort, wo sie leben. Und noch einen Schritt weiter: Es wird auch darum gehen, nicht nur zu sorgen, sondern systematisch die Perspektive zu wechseln und auf die Opfer zu hören. Kontakt: Stabsstelle Prävention/ Kinder- und Jugendschutz, Sabine Hesse Bischöfliches Ordinariat Diözese Rottenburg-Stuttgart Postfach 9, Rottenburg Eugen-Bolz-Platz 1, Rottenburg Tel.: Fax: Mail: Internet: 136

137 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Jugend in unserer Kirche [jugendforum]³ WEIHBISCHOF THOMAS MARIA RENZ, MARTIN FISCHER Der Dialog als Grundprinzip des kirchlichen Selbstverständnisses hat schon eine recht lange und gute Tradition in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Bedeutung der Räte auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens wurde seit deren Einführung im Kontext der pastoralen Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von allen Rottenburger Bischöfen mit hoher Wertschätzung wahrgenommen, ernst genommen und gefördert. An diese bewährte Tradition eines partnerschaftlichen und effektiven, wenngleich auch nicht immer ganz spannungsfreien Miteinanders zwischen Bischof, Diözesanleitung und gewählten Laienvertreterinnen und -vertretern konnte die Rottenburger Diözesansynode 1985/86 nahtlos anknüpfen. Auf ihr wurde der Dialog als Grundverständnis und Voraussetzung allen kirchlichen Handelns in der Diözese noch einmal auf eine breitere Basis gestellt und verbindlich verankert. Schon ganz zu Beginn der Synodenbeschlüsse haben die Synodalen das deutlich formuliert: Glaube will sich mitteilen, er drängt über den einzelnen Gläubigen hinaus auf Gemeinschaft hin, und er ist der Kirche als der Gemeinschaft der Glaubenden anvertraut (Teil I, 1). Dass also der Glaube selbst gemeinschaftsstiftend ist und sich die Communio der Gläubigen gerade in der ständigen Kommunikation mit Gott und untereinander zeigen und bewähren muss, das hat das Zweite Vatikanische Konzil für die Weltkirche (vgl. AG 41, GS 3 und 93) und die Rottenburger Diözesansynode für die Diözese Rottenburg-Stuttgart klar und verbindlich festgelegt. Deshalb war es nur folgerichtig, wenngleich zu diesem Zeitpunkt auch noch einzigartig in den deutschen Diözesen, dass sich der Dialog als Grundprinzip des kirchlichen Selbstverständnisses und Handelns gerade auch für die Jugendarbeit in einer weitreichenden Anordnung der Diözesansynode niedergeschlagen hat: In der Diözese Rottenburg-Stuttgart findet künftig alle fünf Jahre ein Jugendforum statt, dessen Aufgabe es ist, die inhaltliche Ausrichtung der Jugendarbeit im Lichte des Evangeliums und im Blick auf die Zeichen der Zeit kritisch zu beleuchten und weiterzuentwickeln (Teil IV, 52). Seither ist das Jugendforum 137

138 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER ein festes Element einer dialogischen Kultur in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Alle fünf Jahre treffen sich seither junge Menschen mit dem Bischof und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Diözesanleitung, um sich über aktuelle Herausforderungen der Jugendarbeit auszutauschen und verbindliche Schritte zur Umsetzung von notwendigen Entscheidungen zu vereinbaren. Das Jugendforum dient also zum einen der Partizipation junger Menschen in und an Kirche: Es kommt darauf an, dass Jugendliche den ihnen zukommenden Ort in der Kirche finden (Teil III, 17). Zum anderen dient es aber eben auch der inhaltlich-konzeptionellen Weiterentwicklung der Jugendarbeit. Jedes Jugendforum hatte seither seine eigenen Themenschwerpunkte und seine eigene Form. Das Jugendforum war damit immer auch Spiegel der jeweiligen Zeit: 1991 erstes Jugendforum; ein Prozess der Themensuche von den Gemeinden bis zum Jugendforum, der Reiz des Neuen mit heißen (kirchen-)politischen Themen und Beschlüssen 1994 kleines Jugendforum zur Weiterarbeit an vorhandenen Themen 2000 Jugendforum von Delegierten mit anschließendem diözesanen Jugendtag 2006 eine niederschwellige Form zur Beteiligung vieler im Rahmen des Jugendtags in Untermarchtal 2010 [ jugendforum]³ als Konzeptentwicklungsprozess mit Experimenten Trotz des unterschiedlichen Charakters ist den Jugendforen eines gemeinsam: Sie sind ein eingeführtes und starkes Element der dialogischen Kultur in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das [ jugendforum]³ 2010 fand bereits im Vorfeld des Dialogprozesses statt. Die Umsetzungsphase der formulierten Empfehlungen fällt jedoch in diese Zeit. Auch wenn das [ jugendforum]³also keine explizite Maßnahme des Dialogprozesses war, lässt es sich hervorragend unter diesem Blick betrachten. 138

139 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Wie es zum [jugendforum]³ kam: Herausforderungen an die Jugendarbeit Im Bereich des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und des Bischöflichen Jugendamtes (BJA), in Jugendverbänden, anderen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen der Jugendarbeit hatten sich spätestens 2009 fachliche Wahrnehmungen zu einer deutlich veränderten Situation der Jugendarbeit angesammelt. Veränderungen im Bereich Schule, wie zum Beispiel die Ausweitung von Ganztagsschulen und die Einführung des achtjährigen Gymnasiums, wirken sich konkret auf den Alltag junger Menschen aus. Gleichzeitig bietet sich Schule als Kooperationsmöglichkeit für die Jugendarbeit an. Der demografische Wandel reduziert darüber hinaus in vielen Gegenden die Zahl der potentiell Beteiligten an der Jugendarbeit. Bildung und Engagement verändern sich ebenso wie ihre gesellschaftspolitische Bedeutung. Spirituelles Interesse junger Menschen findet Resonanz in Jugendkirchen; digitale Medien werden zum Lebensund Sozialraum. Über all diesen Themen steht das Ergebnis der ersten Sinus-Jugend-Milieustudie von 2008, welches besagt, dass kirchliche Jugendarbeit in den meisten modernen Jugendmilieus keine Rolle spiele. Es stellt sich die Frage: Wie kann Kirche unter diesen Vorzeichen durch die Jugendarbeit weiterhin dem Leben junger Menschen dienlich sein? Diese Befunde bilden zentrale Herausforderungen an die Jugendarbeit. Nach ersten Überlegungen, diese Herausforderungen im Kreis von ehrenamtlichen Verantwortlichen und hauptberuflich Tätigen zu bearbeiten, entstand der Gedanke, die Diskussion auf breitere Füße zu stellen. Die Herausforderungen im Blick, entstand die Idee, das 2010 oder 2011 anstehende Jugendforum als einen Konzeptionsentwicklungsprozess für die Jugendarbeit zu gestalten und eine breite Beteiligung zu ermöglichen. 139

140 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Der Prozess sollte zeitlich mehrere Phasen deshalb [jugendforum]³ haben und fand in folgender Form statt: Die Vorphase des [ jugendforum]³ In der zweiten Jahreshälfte 2009 wurden die Herausforderungen an die Jugendarbeit in verschiedener Form verbreitet. Als Medium gab es beispielsweise Postkarten mit Thesen. Alle Bereiche der Jugendarbeit wurden zur offenen Diskussion eingeladen. Erster Teil: Zukunftskonferenz in Obermarchtal 2010 startete dann der dreistufige Prozess des [jugendforum]³ mit einer mehrtägigen Zukunftskonferenz im Januar. Dabei wurden die Herausforderungen konzentriert diskutiert. Die Teilnehmer/-innen wurden eingeladen, in ihrer eigenen Praxis der Jugendarbeit ein konkretes Experiment zu machen und mit einer abgeänderten Praxis auf die Herausforderungen zu reagieren. Als Veranstaltung sprengte die Zukunftskonferenz alle Maßstäbe: Über 200 Anmeldungen machten sogar die Verlegung vom Jugendhaus Rot an der Rot ins größere Tagungshaus Obermarchtal nötig. Selten zuvor dürfte zudem eine so breite Mischung von Akteuren aller Bereiche und Ebenen der Jugendarbeit eine so konzentrierte fachliche Diskussion geführt haben, die mit der besten Party des Jahrzehnts gekrönt wurde. Zweite Phase des [ jugendforum]³: Experimente und weitere Beteiligung Die Zukunftskonferenz führte zur Vereinbarung von 50 Experimenten in der Praxis der Jugendarbeit und der zweiten Phase des [ jugendforum]³ im Verlauf des Jahres bis Herbst Die Experimente wurden von regionalen Begleitern betreut und qualifiziert, das Gesamtteam des Prozesses sammelte Zwischenergebnisse. Bischof, Weihbischöfe und die Hauptabteilungsleiter/-innen des Bischöflichen Ordinariats wurden eingeladen, Experimente vor Ort mitzuerleben. 140

141 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER An den Inhalten der Experimente wird sichtbar, wie die Eigendynamik des Prozesses thematische Schwerpunkte geformt hat. Elf Experimente haben sich mit dem Thema Medien beschäftigt und die zentrale Bedeutung der Medien im Lebensalltag junger Menschen untermauert: Foren und Plattformen sollten als neue Orte von Jugendarbeit genutzt, Werbeclips und mediale Darstellung von wichtigen Themen und Inhalten erstellt werden. Zwölf Experimente behandelten im weitesten Sinn katechetische Themen mit der Grundfrage, wie in der Jugendarbeit Glaube gelebt und vermittelt werden kann. Fünf Experimente erprobten schließlich strukturelle Veränderungen, ein gemeinsames Jugendpastoralteam für mehrere Seelsorgeeinheiten oder die Spezialisierung der einzelnen Jugendreferate in einer Region. Einige Verbände experimentierten mit ihrer Struktur oder strukturellen Einbindung und brachten die Diskussion über zeitgemäße Jugendverbände in Bewegung. Andere Zielgruppen (zum Beispiel Kirchengemeinden als Veranstalter eines regionalen Jugendkulturfestivals prägnanter Jugendkulturen) und neue Sozialformen (z.b. Flash- Mob ) waren Gegenstand weiterer Experimente. Im Erleben der Experimentgruppen und der Außenstehenden zeigten sich immer wieder Diskrepanzen: Einerseits war, was für die einen ein Experiment war, andernorts vielleicht schon bewährte Praxis. Entscheidend ist jedoch, dass auch an diesen Experimentorten Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Auf der anderen Seite standen Experimentgruppen, die einen so hohen Anspruch an das Neue stellten, dass sie dabei gering einschätzten, was sie eigentlich für das Gesamte der kirchlichen Jugendarbeit in Bewegung brachten. Des Weiteren war in dieser zweiten Phase des [jugendforum]³ eine Beteiligung am Prozess im Rahmen von Konferenzen der ehrenamtlichen Leitungen und der Hauptberuflichen sowie durch Aktivität Einzelner möglich. Eine konstruktiv-kritische Initiative kam in Obermarchtal und danach aus dem Kreis der pastoralen Mitarbeiter/- innen. Aus ihrer Sicht sollten vor allem Ressourcen- und Strukturfragen dringend diskutiert und Prioritäten für den Personaleinsatz beschlossen werden. Um diesem Anliegen Raum zu geben, lud das BJA im Juli 2010 zu einem jugendpas- 141

142 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER toralen Forum ein, an dem 20 pastorale Mitarbeiter/-innen sowie Vertreter der Hauptabteilungen Pastorale Konzeption und Pastorales Personal teilnahmen. Hauptanliegen waren eine stärkere Spezialisierung und Zielorientierung von pastoralen Mitarbeiter/-innen im Bereich der Jugendarbeit und die Notwendigkeit von Prioritäten und richtungsweisenden Modellen. Das Forum machte deutlich, wie wichtig der direkte Dialog der Akteure und Verantwortlichen für die Weiterentwicklung der Jugendpastoral ist und wie selten er in der Praxis stattfindet. Es spricht zudem für die offene Dynamik des [ jugendforum]³, dass eine Veranstaltung wie das jugendpastorale Forum entstanden ist. Spätestens an dieser Stelle des Prozesses zeigte sich auch, dass die Weiterentwicklung der Jugendarbeit eine gesamtdiözesane Aufgabe ist, in der alle Ebenen gefragt sind. Dritter Teil des [ jugendforum]³: Ergebnisse und Empfehlungen Im Herbst 2010 wurden die Ergebnisse der Experimente abgefragt und ausgewertet. Der inhaltliche Ertrag aus den Experimenten konnte so in fünf thematische Bereiche gebündelt werden: Wir und die anderen: ein schwieriges Verhältnis? (Reichweite und Image der kirchlichen Jugendarbeit) Medien und Social Web: Lagerfeuer der Zukunft?! Glaube und Jugendarbeit: Es gibt mehr als du denkst, mehr als du siehst, mehr als du glaubst! Ressourcen und Strukturen: Kraftakt kirchliche Jugendarbeit?! Orte, Formen und Angebote: Programmheft in Neuauflage?! Am fand in Wernau der dritte Teil des [jugendforum]³ statt. Wiederum diskutierten über 200 ehrenamtliche und hauptberufliche Akteure sowie Bischof Fürst, Weihbischof Renz und die vollständig versammelte Kirchenleitung die Ergebnisse und formulierten zu diesen fünf inhaltlichen Bereichen 60 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der kirchlichen Jugendarbeit. Diese Empfehlungen sind nicht am grünen Tisch entstanden. Sie sind die Frucht eines über einjährigen Prozesses, der Praxis und theoretische Reflexion verknüpft und in der Diskussion 142

143 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER alle Ebenen und Bereiche, junge ehrenamtlich Engagierte, hauptberufliche Fachkräfte und Verantwortliche der Diözese zusammengebracht hat. Umsetzung der Empfehlungen des [jugendforum]³ ab 2011 Einige konkrete Anliegen und Empfehlungen des [ jugendforum]³ konnten 2011 unmittelbar realisiert werden: Ein Ausbildungsweg für Jugendreferenten/-innen zum Überstieg in den Beruf der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten wurde geschaffen Die Richtlinien für den kirchlichen Jugendplan wurden wunschgemäß an veränderte Praxisbedingungen angepasst Eine Plakatkampagne für Jugendräume, ein Brief des Bischofs an Verantwortliche in der Jugendarbeit und eine Videobotschaft des Bischofs zum Jugendsonntag 2011 unterstrichen den Stellenwert der Jugendarbeit. Vor allem aber haben die Empfehlungen des [ jugendforum]³ komplexere Themenfelder geschaffen, die seither bearbeitet und künftig bespielt werden müssen. Diese Themenfelder sind nicht nur inhaltlich so breit, dass sie die eingeführten jugendpastoralen Kategorien und Zuständigkeiten wie Jugendarbeit, Schule, Katechese oder Jugendhilfe überlappen und dazu zwingen, Jugendpastoral als Ganzes in den Blick zu nehmen. Sie ermöglichen auch eine neue Stufe des Dialogs nach dem Jahr des [jugendforum]³, indem der Bischof, die Sitzung des Bischöflichen Ordinariats, verschiedene Hauptabteilungen, Diözesanebene und Dekanatsebene, Verbände und andere Akteure der Jugendarbeit und der Jugendpastoral sich verständigen und gemeinsame Umsetzungsarbeit leisten. Update [jugendforum]³ 2013 Im März 2013 fand auf Initiative von Bischof Gebhard Fürst eine Veranstaltung statt, um den Stand der Umsetzung der Empfehlungen des [jugendforum]³ zu überprüfen. Dabei wurden insbesondere die erwähnten Themenfelder betrach- 143

144 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER tet, die bisherige Arbeit bewertet und Anregungen gesammelt. Diese Themenfelder werden auch künftig bearbeitet und eine wichtige Rolle spielen. Die folgende Vorstellung dieser Themenfelder zeigt den aktuellen Stand der Bearbeitung, veranschaulicht aber auch, um welche konkreten Dinge es jeweils geht: (1) Digitale Medien als Kommunikations- und Lebensraum junger Menschen sowie die Präsenz der Kirche im Web 2.0. Die entsprechenden Empfehlungen des [jugendforum]³ wurden in einer Projektgruppe aus Mitarbeiter/-innen der Fachstelle Medien der Hauptabteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit sowie des BDKJ/BJA, operativ geplant und teilweise bereits umgesetzt. Der Umsetzungsprozess wurde in den strategischen Zielen für 2011/2012 der Hauptabteilung Jugend verankert. Inhaltlich gliedert sich die Umsetzung in zwei große Bereiche: die Kompetenz von Hauptberuflichen und spirituelle bzw. seelsorgerliche mediale Angebote. Kompetenz Hauptberuflicher Im Januar 2011 hat die Jugendseelsorgetagung des BDKJ/BJA unter Mitarbeit der Hauptabteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit und der Fachstelle Medien umfassende Informations-, Diskussions- und Qualifizierungsmöglichkeiten geboten. Die Projektgruppe hat nötige Qualifizierungsinhalte für Mitarbeiter/-innen gesammelt. Diese gingen mit in eine Workshopreihe der Fachstelle Medien ein, die seitens des BDKJ/BJA beworben und genutzt wird. Für Mitarbeiter/-innen im Bereich Jugend fanden zudem spezielle Workshops zum Thema Facebook-Nutzung statt. Im Bereich Medienrecht hat sich die Fachstelle Medien kompetent gemacht, um bei Anfragen zu diesem Gebiet künftig konkret reagieren zu können. Noch offen ist die Einrichtung einer eigenen Fachgruppe Medien im BDKJ/BJA sowie eine Absprache mit der Hauptabteilung Pastorales Personal, ob und wie Mitarbeiter/-innen, die in die Jugendarbeit wechseln, im Bereich Medien und bei anderen Themen fortgebildet werden. 144

145 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Spirituelle/seelsorgerliche mediale Angebote Als weiteres Ergebnis wurde die Internetseite aufgebaut. Zum Jugendsonntag 2011 gab es eine Videobotschaft von Bischof Fürst. Zudem haben die KJG und das Bischöfliche Jugendamt bereits dreimal im Rahmen der Filmschau Baden-Württemberg den Katholischen Jugendmedienpreis veranstaltet. Unterstützt wurden sie unter anderem von der Hauptabteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit und der Medienstiftung der Diözese. Spezielle Jugend-Seelsorgekonzepte im Internet sind Teil kirchlicher Planungen insgesamt. Daran arbeiten insbesondere die Hauptabteilungen Pastorale Konzeption sowie Medien und Öffentlichkeitsarbeit. Wegen der Bedeutung des Themas für junge Menschen ist die Mitarbeit des BDKJ/BJA hier besonders wichtig. (2) Kooperation von Jugendarbeit und Schule Nicht weniger als 16 Empfehlungen beschäftigen sich mit dem Thema Schule. Inhaltlich geht es um die Präsenz der Kirche und der kirchlichen Jugendarbeit am Lebensort Schule sowie um Angebote für Religionslehrer/-innen. Fragen der Vernetzung und Zuständigkeiten zwischen Kirchengemeinden, Jugendreferaten, Religionslehrer/-innen und Hauptabteilungen wurden aufgeworfen, Zuständigkeiten sollten geklärt oder neu definiert werden. Die Empfehlungen wurden zum einen der Hauptabteilung Schulen und dem diözesanen Arbeitskreis Kirche und Schule zur Diskussion und Kommentierung vorgelegt. Zum anderen wurden Expertenmeinungen aus dem Bereich Schulpastoral und Jugendverbandsarbeit eingeholt. Unterstützt wurde der Umsetzungsprozess durch ein entsprechendes strategisches Ziel der Hauptabteilung Jugend. Alle Rückmeldungen münden in einen Umsetzungsplan, der fünf der 16 Empfehlungen priorisiert, vorrangige Zielgruppen nennt und konkrete Maßnahmen vorschlägt. Der BDKJ empfiehlt in seinem 2012 verabschiedeten Positionspapier seinen Mitgliedsverbänden Kooperationen mit Schule auszuprobieren. Die 75%- Stelle an der Fachstelle Jugendarbeit und Schule wurde entfristet und dauerhaft eingerichtet. Die Arbeit im diözesanen Arbeitskreis Kirche und Schule wurde mit 145

146 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER der Verabschiedung der Konzeption Kirche und Schule und der Einsetzung der sieben Dekanatsbeauftragten Kirche und Schule greifbar. Die enge Zusammenarbeit hat sich bewährt, weil die wichtigen Akteure an einem Tisch vereint sind. Die Kooperationen von Jugendarbeit und Schule wurden durch die Jugendseelsorgetagung JUSETA des BDKJ/BJA im Januar 2012 vielfältig bearbeitet. Seither gibt es in der Praxis vermehrt Kooperationen. Die JUSETA war gleichzeitig eine erste, große Fortbildungsmaßnahme im Bereich Jugendarbeit & Schule. Weitere Angebote werden folgen. Veranstaltungen für Multiplikatoren werden angeboten und bei Bedarf intensiviert. Der Bedarf an Schulungsangeboten für Jugendliche ab 13 Jahren wird mit dem Junior-Schülermentoren-Programm bedient. In den letzten drei Jahren stieg die Teilnehmerzahl von ca. 60 auf über 200 Teilnehmer pro Jahr. Die Kooperation mit der Hauptabteilung Schulen wird nach der Vakanzzeit im Referat Schulpastoral ab September 2013 neu ausgerichtet und soll gemeinsame Zielgruppen wie Engagierte in der Schulpastoral und Maßnahmen wie die Tage der Orientierung in den Blick nehmen. (3) Jugendarbeit und Firmung/Firmkatechese In der Projektgruppe haben zwei Mitarbeiterinnen der Pastoralen Konzeption bzw. des Instituts für Fort- und Weiterbildung der Diözese, ein Pastoralreferent einer Seelsorgeeinheit, zwei Mitarbeiter/-innen des BDKJ/BJA und ein moderierendes Mitglied der Umsetzungs-Steuerungsgruppe mitgearbeitet. In Empfehlungen des [ jugendforum]³ kommt die Kooperation von Firmkatechese und Jugendarbeit in vierfacher Hinsicht vor: In der Idee, für alle Anliegen der Jugendpastoral Orte und Zentren zu schaffen (Jugendspirituelle Zentren Jugendkirchen - Thematische Zentren - Schwerpunktgemeinden, in denen auch Firmkatechese und Firmung stattfinden). Die Projektgruppe sieht solche Zentren als zusätzliches Angebot und Bereicherung im Rahmen von Firmkatechese. Die Zentralisierung der Firmkatechese in Schwerpunktgemeinden ist sinnvoll, wenn dadurch ein Gewinn für 146

147 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER junge Menschen entsteht, wird aber abgelehnt, wenn sie nur aus Ressourcengründen erfolgt. Im Vorschlag, vorhandene Strukturen und Orte der Jugendarbeit auch für Firmkatechese und Firmung zu nutzen: Die Projektgruppe befürwortet die Firmung im Jugendverband. Die Projektgruppe spricht sich insgesamt für eine Kooperation von Firmung und Jugendarbeit aus zum Beispiel durch Prüfung zu Beginn der Firmkatechese, welche Gruppen bereits bestehen, wer welche Maßnahmen übernehmen könnte etc. Wenn davon am Ende junge Menschen profitieren, werden Jugendarbeit und Katechese zum Dienst an jungen Menschen. In der Empfehlung, für alle Anliegen der Jugendpastoral hauptberuflich-personell übergreifende Zuständigkeiten zu schaffen, zum Beispiel Jugendpastoralteams oder Spezialisten anstatt vieler kleiner Stellenanteile. Die Projektgruppe erachtet dies als sinnvoll und schlägt vor, dies an drei Orten auszuprobieren. In der Forderung nach übergreifenden Konzepten für alle Felder der Jugendpastoral auf diözesaner, regionaler und lokaler Ebene: Die Projektgruppe befürwortet die konzeptionelle Weiterentwicklung des Zusammenhangs von Jugendarbeit und Firmung bzw. Jugendarbeit und Katechese sowie die Entwicklung von lokalen und regionalen Jugendpastoralkonzepten. Ein diözesanes Konzept wird hierzu nicht für nötig erachtet. (4) Jugendspirituelle Zentren Empfehlungen des [jugendforum]³ sehen Zentren in verschiedener Form als neue Orte der Jugendarbeit vor: Jugendkirchen, Zentren für thematische Arbeit und Spiritualität oder jugendpastorale Zentren etc. waren die vielfältige Ideenvorgabe für die Projektgruppe. Die Projektgruppe erarbeitet deshalb ein Konzeptionspapier für Jugendspirituelle Zentren in der Diözese Rottenburg- 147

148 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Stuttgart. Ziel ist es, damit Standards zu formulieren, die sich an die Verantwortungsträger auf allen Ebenen wenden und Interessierte zu eigenen Überlegungen, Versuchen und Projekten ermutigen. Bis zum Sommer 2013 soll das Papier fertig und umsetzungsfähig sein. Mitgedacht werden auch die zukünftige Vernetzung, die konzeptionelle Weiterentwicklung und der Austausch zwischen den Jugendspirituellen Zentren.Bestehende Jugendkirchenprojekte, Vertreter der Hauptabteilungen IV (Pastorale Konzeption) und V (Personal) sowie VertreterInnen aus vier Dekanaten, in denen jugendspirituelle Zentren im Aufbau sind oder entstehen sollen, arbeiten in dieser Projektgruppe mit. (5) Strukturen der Jugendarbeit Die Strukturen der Jugendarbeit sollen überprüft und so verändert werden, dass sie besser zur Lebenssituation junger Menschen und der engagierter Ehrenamtlichen passen. Herausforderungen sind hier: Mobilität, Medien, Ausdehnung der täglichen Schulzeit, früheres Ende des Engagements durch das achtjährige Gymnasium. Die Anliegen wurden in eine AG der BDKJ-Diözesanversammlung eingebracht, die sich generell mit der Weiterentwicklung der Jugendverbände befasst. Im Rahmen der Arbeit der AG Selbstverständnis des BDKJ fand eine Abfrage statt, bei der sowohl BDKJ, Dekanatsleitungen als auch Leitungen der Mitgliedsverbände eine Einschätzung zur Arbeit auf der strukturellen mittleren Ebene gegeben hatten. Dabei wurde deutlich, dass die Dekanatsebene für viele Verbände eine nicht passende Ebene ist wenn sich der Verband zum Beispiel in anderen Größen wie Bezirken organisiert oder bei kleineren Verbänden, die keine Ebene zwischen Ort und Diözese brauchen. Die AG Selbstverständnis nimmt deshalb momentan das Strukturelement BDKJ-Dekanatsversammlung genauer in den Blick. Ein Verband die Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG) hat nach ihrem eigenen Experiment im Jahr 2010 ihr Versammlungswesen umgestellt. Aus einer Versammlung, die bisher über ein komplettes Wochenende reinen Gremiencharakter hatte, wurde eine Veranstaltung mit verschiedenen Akzenten. 148

149 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER (6) Regionale Jugendpastoralkonzepte Auf Empfehlung des [jugendforum]³ arbeiten alle Jugendreferate in den Dekanaten an regionalen Jugendpastoralkonzepten. Dabei geht es um zukünftige Profile und Schwerpunkte, die zu den jeweils regionalen Gegebenheiten, Möglichkeiten und Notwendigkeiten passen. Regionale Lebensräume und Themen junger Menschen standen deshalb im Mittelpunkt einer Analyse im Jahr Miteinbezogen wurden hier die bestehende Jugendarbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene innerhalb und außerhalb der Verbände, aber auch Daten zu demografischen Entwicklungen, Schulströmen, Freizeitorten junger Menschen u.a. Aus dieser Analyse wurden Szenarien für die künftige Ausrichtung der Jugendpastoral formuliert, die aktuell mit relevanten Akteuren und Gremien im Dekanat beraten werden. Die Ergebnisse dieses Beratungsprozesses münden in ein regionales Jugendpastoralkonzept für jedes einzelne Dekanat. Mit der Fertigstellung dieser Konzepte ist im Sommer 2013 zu rechnen. Bereits jetzt zeigen sich sehr vielfältige regionale Akzente von der Orientierung an Schulen oder Jugendkirchen bis hin zur bewussten Dezentralisierung der jugendpastoralen Arbeit, um einige konkret zu nennen. Bisher nicht bearbeitet wurde der Themenkomplex Hauptberufliches Personal mit zwei Akzenten, die sich aus den Empfehlungen des [ jugendforum]³ ergeben: Qualifizierung Hauptberuflicher im Hinblick auf die Jugendarbeit: Die Anliegen des [ jugendforum]³ zielen v.a. auf eine bessere Beziehungs- und Kontaktfähigkeit zu jungen Menschen. Andere Verteilung hauptberuflicher Ressourcen (z.b. SpezialistInnen für Jugendarbeit, Zusammenfassen kleiner Stellenanteile in Jugendpastoralteams für Dekanate) Die Thematik muss und wird mittelfristig auf der Agenda der zuständigen Hauptabteilungen auftauchen. Die zunehmende Zahl von Jugendfachkräften im Dienst von Seelsorgeeinheiten ist eine Facette davon. Eine andere sind die Berufsperspektiven für JugendreferentInnen, wo ein konkreter Erfolg zu verbuchen ist. 149

150 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER [jugendforum]³, Umsetzung der Empfehlungen und Dialogprozess Unter der Blickrichtung des Dialogs haben das [ jugendforum]³ von 2010 und die Umsetzung der Empfehlungen vieles ermöglicht: Die erste Stufe ist der Dialog von Theorie und Praxis. Neu und einmalig ist, wie praktische Veränderung und theoretische Reflexion miteinander verbunden wurden. Eine nächste Stufe des Dialogs ist der Dialog zwischen ehrenamtlichen Akteuren, Hauptberuflichen, Diözesanleitung, BDKJ/BJA und Verantwortlichen der Kirchenleitung, die in einmaliger Form und an verschiedenen Stationen gemeinsam Konzeptentwicklung betrieben haben. In einer weiteren Form des Dialogs wurde und wird an der Umsetzung der Empfehlungen des [jugendforum]³ gearbeitet: Kirchenleitung, Mitarbeiter/-innen verschiedener Abteilungen, Bereiche und Ebenen bearbeiten Themenfelder, die sich aus den Empfehlungen ergeben haben, gemeinsam. Dies ist ungewohnt und deshalb vielleicht manchmal etwas holprig die Bedeutung schmälert das aber keinesfalls. Den Themenfeldern selbst eignet im Übrigen eine besondere Dignität. Darüber hinaus haben diese Themenfelder eines gemeinsam: Sie ergaben sich aus einem ausführlichen und dialogischen Prozess unterschiedlicher Akteure und stellen damit Expertisen für Themenfelder dar, die nicht linear abzuhaken und zu erledigen sind, sondern auch in naher Zukunft als Entwicklungsbereiche jugendpastoral bespielt werden müssen. Schließlich hat das Update [ jugendforum]³ im März 2013 eine weitere Form des Dialogs geboren: Bischof Fürst, Weihbischof Renz und weitere Hauptabteilungsleiter/-innen werden einen regelmäßig stattfindenden jugendpastoralen Dialog einrichten und pflegen, um kontinuierlich jugendpastorale Themen vernetzt bearbeiten zu können. Alle Empfehlungen des [jugendforum]³, die Experimente und Berichte aus verschiedenen Prozessstadien finden sich im Internet unter 150

151 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Von der lebendigen Gemeinde zur aktiven Kirche im Ort Das Projekt Gemeinde MICHAEL ELMENTHALER, DOMKAPITULAR PAUL HILDEBRAND, DOMKAPITULAR MATTHÄUS KARRER, SUSANNE MUTH Ausgangslage Eine Vielzahl an Briefen und Dokumenten, die Bischof Gebhard Fürst und die Koordinierungsgruppe des Dialogprozesses von Einzelpersonen und Gruppen erhalten haben, thematisiert die Sorge über die Zukunft der Gemeindeseelsorge mit. Als Gründe nennen die Autoren den Priestermangel, die zurückgehende Zahl der Gottesdienstbesucher und die Tatsache, dass es immer schwieriger wird, genügend ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Arbeit in den Kirchengemeinden zu finden. Aus all diesen Schreiben und aus den Ergebnissen der PRAGMA-Studie können wir eine hohe Identifikation mit der Kirchengemeinde vor Ort entnehmen. Die Katholiken in der Diözese Rottenburg-Stuttgart wollen eine Kirche im pastoralen Nahraum und sehnen sich nach einem direkten personalen Angebot vor Ort. Die Bildung von größeren Einheitsgemeinden und die Einrichtung zentraler Gottesdienstorte, wie sie in anderen deutschen Diözesen in den letzten Jahren vollzogen wurden, erfüllt sie mit großer Sorge. Viele fürchten, dass dies nun auch in der Diözese Rottenburg- Stuttgart anstehen wird. Als Hauptlösungsweg für die Zukunft der Seelsorge wird in vielen Schreiben die Überprüfung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt gefordert. Man verspricht sich davon mehr Priesterberufungen und eine kleinräumigere Organisation der Pastoral. Andere fordern eine Reduzierung der Verwaltungsaufgaben der Priester und hauptamtlichen Mitarbeiter/- innen. Sie versprechen sich davon mehr Zeit für die direkte Seelsorge und eine erhöhte Attraktivität der pastoralen Berufe. Bereits vor Beginn des Dialog- und Erneuerungsprozesses haben die Leitungen der Hauptabteilungen Pastorales Personal und Pastorale Konzeption in den Jahren 2009 bis 2011 begonnen, alle Dekanate der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu besuchen. Neben einem Rückblick auf die Dekanatsreform in den vorausgegan- 151

152 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER genen Jahren hatten die Besuche das Ziel, aus erster Hand einen Überblick über die pastorale Situation in der Diözese zu bekommen. Es wurde eine große Ungleichzeitigkeit und Heterogenität innerhalb der Diözese deutlich. Während viele Seelsorgeeinheiten bereits sehr gut funktionieren und die Zusammenarbeit zwischen den Kirchengemeinden als sehr wohltuend und hilfreich erlebt wird, sind andere Seelsorgeeinheiten gerade erst auf dem Weg des Zusammenwachsens mit allen Anfangs- und Abstimmungsschwierigkeiten. Darüber hinaus sind einige wenige Seelsorgeeinheiten immer noch nicht vollzogen oder erweisen sich aufgrund ihrer personellen oder territorialen Situation auch als nicht vollziehbar. Viele Priester und hauptamtliche Seelsorger/-innen sehen sich durch immer komplexere Strukturen und einen immer größeren Sitzungsund Abstimmungsaufwand überfordert. Ergänzt werden diese Problemanzeigen durch längere Vakanzen beim Wechsel von Pfarrern und hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen. Die Rückmeldungen aus dem Dialog- und Erneuerungsprozess und die Erfahrungen aus den Dekanatsgesprächen haben Bischof Fürst und den Diözesanrat veranlasst, das Projekt Gemeinde für die gesamte Diözese auf den Weg zu bringen. In der Diözesanratssitzung Ende 2011 wurde der endgültige Beschluss für die Einberufung des Projekts gefasst. Bereits Ende Januar 2012 begann die Arbeit in den vier Teilprojekten Organisation der Gemeindepastoral, Personal in der Gemeindepastoral, Praxis der Gemeindepastoral und Adaption und Transfer. In den Teilprojekten arbeiten 80 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen aus allen Ebenen der Diözese mit, ergänzt durch Vertreter/-innen aus dem Diözesanrat. Mit großem Engagement treffen sich die Teilprojektgruppen seither alle vier bis sechs Wochen für einen Tag. Das Gesamtprojekt ist auf drei Jahre angelegt und wird bis Ende 2014 dauern. Anschließend wird es dann eine Umsetzungsphase geben, die vermutlich einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Parallel zum diözesanen Projekt Gemeinde hat das Stadtdekanat Stuttgart in Abstimmung mit dem bischöflichen Ordinariat das Projekt Aufbrechen ins Leben gerufen. Dieses eigene Projekt ist der Tatsache geschuldet, dass die pastorale und gesellschaftliche Situation in der Großstadt Stuttgart von anderen Herausforderungen gekennzeichnet ist als in der Fläche der Diözese. Den Kirchengemeinden im Stadtdekanat Stuttgart macht insbesondere der massive de- 152

153 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER mografische Wandel zu schaffen. Durch den Rückgang der Katholikenzahlen werden einige Kirchengemeinden immer kleiner und können ihre Aufgaben weder pastoral noch wirtschaftlich eigenständig erfüllen. In pastoraler Hinsicht verändern sich die Lebensgewohnheiten der Menschen in der Großstadt. Viele fühlen sich immer weniger einer konkreten Gemeinde zugehörig, sondern wählen aus dem vielfältigen Angebot der Kirchengemeinden die aus, in der das jeweils passende Angebot vorgehalten wird. Der große Gebäudebestand macht dem Stadtdekanat wirtschaftlich zu schaffen. Zum einen wurde für eine größere Zahl von Katholiken gebaut, zum anderen stehen in den nächsten Jahren viele große Sanierungen an. Ziel ist es, in Stuttgart ein pastorales Konzept für die gesamte Stadt zu entwickeln, dem dann die organisatorischen und baulichen Strukturen folgen. Sowohl im Projekt Aufbrechen als auch im Projekt Gemeinde wurde sehr schnell deutlich, dass vor allen strukturellen und organisatorischen Fragen die zukünftige pastorale Orientierung der Gemeindepastoral in den Blick genommen werden muss. Im Sinne einer missionarisch-diakonischen Kirche dürfen wir nicht nur die Gemeindemitglieder und aktiven Kirchgänger im Blick haben, sondern alle Menschen, die in einem konkreten Sozialraum, d.h. in einem Dorf, in einem Stadtteil, in einer Stadt leben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes dies sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi, und es findet sich nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihrem Herz Widerhall fände. 1 Das Konzil bezieht diesen Auftrag für das christliche Handeln nicht nur auf die Katholiken, sondern öffnet ihn auf alle Menschen hin. Dies tut es in engster Verbundenheit zur biblischen Überlieferung. Jesus trägt seinen Jüngerinnen und Jüngern auf, die Botschaft zu verbreiten und das Reich Gottes anzukünden in Taten und Worten, im Weitergeben dessen, was sie gesehen und gehört haben. 2 Grundlage aller Zukunftsperspektiven in der Seelsorge wird der Blickwechsel von der lebendigen Gemeinde zur aktiven Kirche im Ort sein. Und dieser Blickwechsel hat Konsequenzen. Nicht mehr der Erhalt der bisherigen Struktu- 153

154 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER ren wird im Mittelpunkt des pastoralen Handelns stehen, sondern die Orientierung an der Lebenswelt der Menschen und die daraus erwachsenden Aufgaben. Kirchengemeinden werden nicht mehr die Vollversorger in Sachen Spiritualität und Pastoral sein. Sie sind eingebunden in ein pastorales Netzwerk, zu dem zum Beispiel die anderen Kirchengemeinden einer Seelsorgeeinheit oder auch die Einrichtungen großer kirchlicher Sozialträger zählen. Wenn sich statt Misstrauen und Konkurrenz Vertrauen und eine Verweiskultur entwickelt, entlastet dies nachhaltig die seelsorgerliche Arbeit. Ein weiterer Punkt wird in den Überlegungen für eine Pastoral der Zukunft immer wichtiger: Die Qualität des pastoralen Handelns ist sehr wichtig und muss regelmäßig überprüft werden. Denn das erste Ziel des pastoralen Handelns ist nicht, Menschen für die Mitarbeit in der Gemeinde zu rekrutieren, sondern sie mit Gott in Berührung zu bringen. Das ist eine äußerst anspruchsvolle, aber dann auch entlastende Botschaft. Dabei müssen wir insbesondere die sogenannten Feiern der Lebenswende wie Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, aber auch Einschulungs- und Erstkommuniongottesdienste in den Blick nehmen. Viele Menschen kommen nur zu diesen Anlässen in die Kirche. Sie mit einer offenen und ansprechenden Gestaltung positiv anzusprechen und mit der Botschaft Gottes in Berührung zu bringen, darin liegt die Chance. Entlastend für alle ist dabei aber auch, sich nicht dem Druck aussetzen zu müssen, nach den Feiern in Gruppen und Kreisen in der Gemeinde aktiv zu sein. Ein solcher Blickwechsel in der Pastoral hat auch Auswirkungen auf die Priester und alle Seelsorger/-innen im Haupt- oder Ehrenamt. Künftig wird weniger der Einzelkämpfer, sondern der Teamspieler gefordert sein von der Allzuständigkeit, vor allem des Priesters, hin zu einer Delegation der Aufgaben auf viele Schultern. Im Sinne des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen hat auch Konkurrenzdenken zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen genauso wenig Platz wie die Sichtweise, dass ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen nur Helfer/-innen der Hauptamtlichen sind. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt von vielen Themen, mit denen sich die Projekte Gemeinde für die gesamte Diözese und Aufbrechen für das Stadtdekanat Stuttgart beschäftigen. Im Folgenden wird nun das diözesane Projekt Gemeinde näher beschrieben. 154

155 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Das Projekt Gemeinde und seine Teilprojekte Oberstes Ziel des Projekts Gemeinde ist es, die Kirchengemeinden in der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf die Zukunft hin auszurichten. Um dies zu konkretisieren und inhaltlich und organisatorisch zu strukturieren, wurde das Projekt in Abstimmung mit der Diözesanleitung zunächst in vier Teilprojekte gegliedert. Den Teilprojekten wurden Grundfragen zugeordnet, die sie in der Ergebnisfindung leiten sollten: Teilprojekt Organisation der Gemeindepastoral Wie kann lebensraumorientierte Pastoral und eine missionarisch-diakonische Kirche unter zukünftigen Rahmenbedingungen strukturell gewährleistet werden? Wie können Seelsorgeeinheiten und Kirchengemeinden bei verminderten finanziellen und personellen Ressourcen effektiver strukturiert und organisiert werden? Teilprojekt Personal in der Gemeindepastoral Wie kann der Personaleinsatz besser gesteuert werden? Wie kann Leitung in Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten angesichts einer sich ändernden Personalstruktur (weniger Priester, mehr Teilzeitkräfte) sichergestellt werden? Wie kann Personalentwicklung verbindlich eingeführt werden? Wie kann die Fort- und Weiterbildung verbindlich gestaltet werden, um die Qualität pastoralen Handelns zu gewährleisten? 155

156 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Teilprojekt Praxis der Gemeindepastoral Wie kann das Angebot von Gottesdiensten angesichts von Veränderungen in der Struktur des hauptberuflichen Personals sichergestellt werden? (Eucharistiefeiern, Wort-Gottes-Feiern, weitere liturgische Rituale) Wie kann die Caritas in der Gemeinde verstärkt als Grunddienst entwickelt werden? Teilprojekt Adaption und Transfer Die Besonderheit dieses Teilprojektes besteht darin, dass es von Beginn an die Aufgabe hatte, die Vorschläge und Zwischenergebnisse der anderen Teilprojekte auf ihre Umsetzbarkeit hin zu prüfen und gleichzeitig Ideen zu entwickeln, wie eine Umsetzung effizient gelingen kann. Zusammensetzung der Teilprojekte Um eine möglichst breite Repräsentanz von Praxiserfahrungen im Projekt zu haben und gleichzeitig die Akzeptanz der Ergebnisse zu erhöhen, wurden die Teilprojektteams mit Vertretern/-innen aus den unterschiedlichsten Bereichen besetzt: Referenten/-innen des Bischöflichen Ordinariats Mitglieder aus Dekanatsleitungen Berufsgruppenvertreter/-innen Vertreter/-innen von Einrichtungen und Verbänden Gremienvertreter/-innen Kirchengemeinderatsmitglieder Darüber hinaus wurden zu den jeweiligen Fragestellungen Gemeinden und Einrichtungen besucht, die bereits konkrete Erfahrungen zu den jeweiligen Fragen gesammelt haben. 156

157 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER An diesen so genannten Lernorten kamen die Mitglieder der Teilprojekte unter anderem zu folgenden Fragestellungen mit Menschen vor Ort ins Gespräch: Wie gelingt die Vernetzung eines geistlichen Zentrums mit der Seelsorgeeinheit? Wie funktioniert geteilte Leitung praktisch? Wie sieht eine diakonisch-missionarische Pastoral konkret aus? Wie erleben sich Kirchengemeinden als Teil einer Gesamtkirchengemeinde? Warum entscheiden sich Kirchengemeinden einer Seelsorgeeinheit für einen Zusammenschluss? Welche Vor- und Nachteile hat das? Wie befasst sich ein Kirchengemeinderat konkret mit dem karitativen Profil seiner Gemeinde? Wie bewährt sich der Einsatz anderer pastoraler Mitarbeiter/-innen in Vakanzsituationen? Die Gespräche an den Lernorten ergeben folgendes Bild: Vielerorts wird in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bereits mutig und vorausschauend Neues ausprobiert. Erfahrungen, die an solchen experimentierfreudigen Orten gemacht werden, können genutzt und für die ganze Diözese fruchtbar gemacht werden. Lernen aus der Praxis Studium unserer vorliegenden Konzepte Neben diesem praktischen Zugang wurden die vorliegenden Konzepte der Diözese durchgearbeitet mit einer überraschenden Feststellung: Es fehlen nicht die Konzepte für unser pastorales Handeln, doch oftmals sind sie in der Praxis nicht angekommen. Es mangelt nicht an Visionen einer der Welt zugewandten Pastoral. Diese ist schon lange Grundanliegen in der Diözese. Woran es aber an einigen Stellen fehlt, sind Strategien, wie aus Konzepten pastoraler Alltag werden kann. Damit ergab sich für das Projekt Gemeinde eine Schärfung des Auftrags, die bedeutete: Der Umsetzung kommt bereits im Projekt eine hohe Bedeutung zu. 157

158 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Rückbindung an die Leitung Die Rückbindung an die Diözesanleitung gehörte in regelmäßigen Abständen zur Prozessarchitektur des Projekts Gemeinde. Regelmäßige Gespräche mit den auftraggebenden Domkapitularen Matthäus Karrer und Paul Hildebrand, regelmäßige Justierung der Projektarbeit durch Abstimmungsgespräche mit Bischof Fürst, Präsentation von Zwischenständen in der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats, bei Verbandsleitungen und Führungskräften sowie in den Gremien des Diözesanrats auf diese Weise wurde sichergestellt, dass das Projekt Gemeinde seinem Auftrag wirklich gerecht werden kann, dass seine Empfehlungen plausibel sind und auch tatsächlich übernommen werden. Auf diese Weise entstanden die nachfolgenden Empfehlungen, die zum jetzigen Zeitpunkt kein Endergebnis, sondern lediglich einen Zwischenstand darstellen. Einiges wird bereits im Detail ausgearbeitet, anderes muss noch entschieden werden. Einiges wird in so genannten Piloten praktisch erprobt, anderes direkt umgesetzt. Zwischenergebnisse: die Empfehlungen Erstes Ziel: Orientierung der Pastoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen Nachfolge Christi geschieht als Sendung zu den Menschen. Deshalb richtet sich die Pastoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen in einem bestimmten Lebensraum (z.b. einer Seelsorgeeinheit) aus. Kirche ist im Lebensraum präsent, kooperiert und inspiriert das Zusammenleben der Menschen. Sie lebt ihren missionarischen Auftrag, indem sie die Menschen in ihrem Lebensraum wahrnimmt, sich mit ihnen verbindet, die Botschaft des Evangeliums bezeugt und auf die Zeichen der Zeit hört. Empfehlung: Jede Seelsorgeeinheit überprüft anhand der Lebenswirklichkeiten vor Ort bis spätestens 2018 ihre pastoralen, strukturellen und wirtschaftlichen Ziele. Innerhalb der Pastoralvisitation werden diese gezielt in den Blick genommen. Auf diese Weise entsteht ein Entwicklungsplan Pastoral. Dieser beinhaltet eine Be- 158

159 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER standsaufnahme vor Ort. Darüber hinaus benennt er zum Beispiel Prioritäten und zeigt eine Profilierung auf. Ziel ist es, auf diese Weise die pastorale Nähe vor Ort zu gewährleisten. Das Prinzip der Subsidiarität muss eingehalten werden. Unterstützungsmaßnahmen für Seelsorgeeinheiten (Beratung, geistliche Begleitung, Unterstützung von Leitung) werden über die Dekanate zur Verfügung gestellt bzw. vermittelt. Der Entwicklungsplan Pastoral ist in Zukunft Bestandteil der Pastoralvisitation durch den Dekan. Zweites Ziel: Caritas in der Gemeinde als Schwerpunkt Der angestrebte Blickwechsel weg vom Erhalt des Bestehenden, stärker hin zur Lebenswirklichkeit der Menschen wirkt sich auf die Verankerung der Caritas im Leben von Gemeinden positiv aus. Wird die Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Menschen ernst genommen, ist Gemeindecaritas oft stärker als bisher ein originäres Anliegen von Gemeinden vernetzt mit den anderen Grunddiensten Liturgie und Verkündigung und ihnen gleichwertig. Empfehlung: Gemeinden reflektieren den Stellenwert der Caritas in ihrem pastoralen Denken, Planen und Handeln im Verhältnis zu Liturgie und Verkündigung. Im Rahmen der Erstellung ihres Entwicklungsplans Pastoral findet hier, wo nötig, eine ausgewogenere Justierung statt. Drittes Ziel: Verlässliches Angebot von Gottesdiensten in Seelsorgeeinheiten In Seelsorgeeinheiten ist das Angebot von Gottesdiensten (Eucharistiefeiern und Wort-Gottes-Feiern) sichergestellt. Von Priestern im aktiven Dienst wird das Feiern von drei Messen am Wochenende erwartet. 159

160 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Wort-Gottes-Feiern, Wortgottesdienste ohne Eucharistiefeier, sind ein liturgisches Angebot, das einer Pastoral der Nähe entspricht, bei der die Kirche im Dorf bleibt. Sie sind ein in den Gottesdienstplänen (nicht nur in Ferienzeiten) verankertes Angebot und stehen nicht in Konkurrenz zur Eucharistiefeier. Menschen, die vor Ort in einer Wort-Gottes-Feier ihre Verbundenheit miteinander und mit Gott ausdrücken, erfüllen ihre Sonntagspflicht. Es besteht Offenheit gegenüber neuen liturgischen Formen. Empfehlung: Jede Seelsorgeeinheit verfügt über eine Gottesdienstplanung, die eine gute Verteilung von Eucharistiefeiern und Wort-Gottes-Feiern gewährleistet. Dort, wo Gemeinde lebendig ist, soll sie sich auch zum Gottesdienst versammeln. Die Gottesdienstplanung ist Gegenstand des Jahresgespräches der Dekane mit den Pfarrern. Da ein Priester nicht mehr als drei Eucharistiefeiern am Wochenende zelebrieren soll, sind Wort-Gottes-Feiern ein fester und regelmäßiger Bestandteil der Gemeindeliturgie. Viertes Ziel: Ökumenische Zusammenarbeit Menschen erwarten von glaubwürdigen Kirchen, dass sie ihre Anliegen zum Wohl der Menschen, wo immer möglich, gemeinsam vertreten, um in der Gesellschaft Gehör zu finden. Gleichzeitig bestehen Unterschiede, insbesondere bei ethischen Fragestellungen. Die ACK ist eine wichtige und erprobte Plattform ökumenischer Zusammenarbeit. Empfehlung: Die Anliegen und Selbstverpflichtungen, die im Rahmen der ACK vereinbart sind, werden nachdrücklich in Erinnerung gebracht und weiterentwickelt. Wo gemeinsame Trägerschaften von Einrichtungen angestrebt werden, braucht es verbindliche ethische Leitlinien. 160

161 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Fünftes Ziel: Gemeindeleitung sicherstellen Leitung wird sowohl in kleinen Gemeinden (Postulat der Nähe) als auch in großen Einheiten sichergestellt. Verschiedene Formen einer gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat ausgestalteten Gemeindeleitung sind möglich. Der wachsenden Bedeutung von Laien wird entsprochen, indem sie als beauftragte Leitungs- und Ansprechpersonen in Gemeinden (in Abstimmung mit der gewählten Leitung des Kirchengemeinderats) eingesetzt werden können. Ihr Profil wird geschärft, damit sie als qualifizierte Außenvertretung der Gemeinde anerkannt werden. Auf diese Weise wird Leitung auch angesichts einer zurückgehenden Anzahl von Priestern sichergestellt. Empfehlung: Neben der üblichen Form von Gemeindeleitung (s. Kirchengemeindeordnung KGO) sind folgende Formen möglich: Jede Kirchengemeinde einer Seelsorgeeinheit hat eine beauftragte, gewöhnlich hauptberufliche Ansprechperson, die mit dem Kirchengemeinderat zusammen Leitung wahrnimmt und im jeweiligen KGR stimmberechtigtes Mitglied ist. Die Ansprechperson ist Teil des Pastoralteams der Seelsorgeeinheit. Gemeinsame Leitung einer Seelsorgeeinheit durch einen Pfarrer und andere pastorale Dienste, denen in Absprache mit den Kirchengemeinderäten Leitungsverantwortung verbindlich delegiert wird ( Team mit Spitze ). Leitung einer vakanten Kirchengemeinde nach Codex Iuris Canonici (CIC) Can 517,2 durch eine/-n Pfarrbeauftragte/-n zusammen mit dem Kirchengemeinderat (evtl. befristet) und dem zuständigen Moderator. In Kirchengemeinden mit mehreren Teilorten können ehrenamtliche Ansprechpersonen in den Teilorten beauftragt werden. 161

162 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Sechstes Ziel: Verbindliche Fortbildung der pastoralen Dienste und ehrenamtlicher Führungspersonen Die Begleitung ehrenamtlicher Mitarbeiter/-innen in Seelsorgeeinheiten ist durch hauptberufliches und gut ausgebildetes bzw. fortgebildetes pastorales Personal sichergestellt. Die stärkere Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Menschen verlangt von den pastoral Handelnden die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle, der eigenen Perspektive und Haltung sowie angemessenes Handwerkszeug aus Methoden und Instrumenten. Ehrenamtlich Mitarbeitende werden regelmäßig geschult und setzen sich mit den diözesanen Konzepten auseinander. Personen mit Leitungsverantwortung (Priester und andere pastorale Dienste) werden begleitet, um die Qualität von Leitung zu gewährleisten. Empfehlung: Das Institut für Fort- und Weiterbildung entwickelt in enger Kooperation mit den Hauptabteilungen Pastorale Konzeption und Pastorales Personal ein Fortbildungscurriculum, an dem alle pastoralen Dienste in mindestens zweijährigem Rhythmus verbindlich (und möglichst im Team) teilnehmen. Die Zweiten Vorsitzenden der Kirchengemeinderäte werden durch regelmäßige Studientage in ihren Aufgaben unterstützt. Kurse zur Qualifizierung und Stärkung von Führungskräften werden intensiviert. Siebtes Ziel: Förderung der Qualität pastoralen Handelns Die Qualität pastoralen Handelns ist ein entscheidender Aspekt dessen, ob Kirche in unserer Gesellschaft als wertvoll wahrgenommen oder als bedeutungslos ausgeblendet wird. Deshalb werden verbindliche Qualitätsstandards für pastorale Handlungen eingeführt. 162

163 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Empfehlung: Die Qualität pastoralen Handelns vor Ort wird im Rahmen der gestuften Personalführung durch das Bischöfliche Ordinariat, den Dekan, den Pfarrer oder eine andere Führungskraft zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Führungsgespräche. Im Bereich von Kasualien, Ritualen, Katechese und Organisation (zum Beispiel Erreichbarkeit, Besetzung des Pfarrbüros) gelten Qualitätsstandards (die bereits bestehen bzw. noch entwickelt werden). Sie sind Gegenstand von Fortbildungen, (Team-)Beratungen, Klausuren und anderen Maßnahmen. Achtes Ziel: Steuerung des Personaleinsatzes Die Besetzung von wichtigen und lange vakanten Stellen wird durch stärkere Steuerung des Personaleinsatzes ( Sendung ) gefördert. Bewerbungsverfahren haben neben dem Bedürfnis der betroffenen Personen auch den Bedarf der Organisation im Blick. Zwischen beiden Polen besteht eine gute Balance. Empfehlung: Anreizsysteme (zum Beispiel Zulagen, zur Verfügung gestellter Wohnraum) werden entwickelt, um Stellenbesetzungen dort zu fördern, wo das freie Bewerbungsverfahren seine Grenzen zeigt. Eine stärkere Profilierung von Gemeinden (die im Entwicklungsplan sichtbar werden soll) stellt auch an die Auswahlverfahren neue Herausforderungen. Die Frage des Stellenwechsels nach zehn bis fünfzehn Jahren wird für alle Berufsgruppen geprüft und in geeigneter Form eingeführt. Dies gilt auch für kategoriale und diözesane Stellen. Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten sollen in Zusammenhang mit einer neuen Stellenplanung geprüft werden. 163

164 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Neuntes Ziel: Seelsorgeeinheiten werden rechtlich handlungsfähig Die Seelsorgeeinheit wird rechtlich handlungsfähig, Verwaltungsabläufe werden vereinfacht. Auf diese Weise können Pfarrer, pastorale Dienste und Gremien die vorhandenen Ressourcen verstärkt für pastorale Aufgaben einsetzen. Empfehlung: Bis zur Kirchengemeinderatswahl 2020 werden die Seelsorgeeinheiten rechtlich handlungsfähig: als Gesamtkirchengemeinde oder durch freiwilligen Zusammenschluss von Kirchengemeinden zu einer Kirchengemeinde mit Teilorten. Diese Strukturen brauchen dezentral die Kirche im Dorf. Formen des Gemeindelebens im Nahbereich werden unterstützt. Es beginnt umgehend eine Überprüfung aller Seelsorgeeinheiten (Zuschnitt, Kooperationsmöglichkeiten, aufgetretene Probleme). Wo sich die konkrete Gestalt einer Seelsorgeeinheit nicht bewährt hat, wird diese (begleitet durch die Hauptabteilung Pastorale Konzeption) geändert. Zehntes Ziel: Stärkung der mittleren Leitungs- und Führungsebene Dekanatsgeschäftsstellen werden so weiterentwickelt, dass sie den Leitungsauftrag des Dekans effektiver unterstützen und die pastorale Entwicklung der Seelsorgeeinheiten wirkungsvoller fördern können. Empfehlung: Eine gestärkte Dekanatsleitung (Dekan, Geschäftsführung, Beratung und Fortbildung, Rechnungsführung) ist in der Lage, in den Dekanaten: 164

165 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER die anstehenden Entwicklungsprozesse zu steuern und inhaltlich zu inspirieren, Mitarbeiter/-innen und Pfarrer zu führen, die geplanten Schritte der Weiterentwicklung voranzutreiben, den Gemeinden und Seelsorgeeinheiten bei der Umsetzung hilfreich zur Seite zu stehen. Hierzu wird bis Ende 2013 durch die Hauptabteilungen Pastorale Konzeption und Pastorales Personal sowie durch die Hauptabteilung Kirchengemeinden und Dekanate ein Konzept ausgearbeitet und dann erprobt. Ausblick Im Projektverlauf überschneiden sich derzeit zwei Phasen. Einerseits wird von den Mitarbeiter/-innen im Projekt Gemeinde noch an Empfehlungen gearbeitet, gleichzeitig beginnen erste Überlegungen, wie die Umsetzung der Vorschläge gesichert und angegangen werden kann. Erneuerung beginnt ja nicht erst jetzt. An vielen Orten und durch viele Initiativen suchen Menschen schon lange nach Wegen, wie Kirche am Ort lebendig und glaubwürdig sein kann. Projekte mit dem Ziel einer missionarisch-diakonischen Kirche, Prozesse zur Gemeindeerneuerung, Exerzitien im Alltag, Moderation von Kirchengemeinderatsklausuren und vieles mehr sind wichtige und wertvolle Ressourcen, die wir in unserer Diözese haben und weiter brauchen werden. Darüber hinaus werden nun konkrete Hilfen für Seelsorgeeinheiten entwickelt, damit vor Ort herausgefunden werden kann, wie ganz praktisch Freiräume geschaffen werden können, um überhaupt Kräfte verfügbar zu haben, die für eine Erneuerung gebraucht werden. Viele stöhnen und fühlen sich bis an den Rand belastet. Gerade aber in solchen Zeiten ist es wichtig, nicht einfach weiterzumachen, sondern stehen zu bleiben, zu reflektieren, zu gewichten und schließlich neu zu entscheiden. Dieser Prozess soll in den Gemeinden unterstützt werden dazu braucht es die notwendigen Kompetenzen und Hilfen. 165

166 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Empfehlungen werden praktisch überprüft Mit den oben beschriebenen Empfehlungen sind grundsätzliche konzeptionelle Grundentscheidungen getroffen. Bis zum voraussichtlichen Ende des Projekts im Sommer 2014 werden diese Grundentscheidungen an so genannten Piloten überprüft. Piloten sind Gemeinden, Seelsorgeeinheiten, Teams und Einrichtungen, bei denen schon heute erlebt werden kann, wie sich die vorgeschlagenen Grundentscheidungen auswirken. In dieser Phase wird ein Projektpate aus der Projektgruppe in regelmäßigem Abstand das Gespräch vor Ort suchen. Die positiven und negativen Erfahrungen sind interessant, um die Umsetzung des Erneuerungsprozesses abzusichern und zu gewährleisten. Bei der Übertragung auf ein diözesanweit gültiges Konzept können auf diese Weise frühzeitig Stolpersteine ausgemacht und aus dem Weg geräumt werden. Umsetzungsschritte werden vorbereitet Für die Umsetzung der Schritte im Erneuerungsprozess braucht es Multiplikatoren: Menschen, die überzeugt sind, dass der vorgeschlagene Weg der richtige ist. Menschen kann man aber nur gewinnen, wenn man mit ihnen spricht, Sorgen und Ängste ernst nimmt, auf Fragen Antworten erarbeitet und sie auf dem Weg mitnimmt. Deshalb werden die Verantwortlichen des Projektes Gemeinde in vielen Dekanaten die vorgeschlagenen Entwicklungsschritte vorstellen und mit Priestern, hauptberuflichen wie ehrenamtlichen Mitarbeitenden diskutieren. Entwicklung kann nur geschehen, wenn Menschen sich bewegen lassen. Da die Empfehlungen aber eine breite Grundlage haben und auf von vielen geäußerte Wünsche reagieren, zeigen auch erste Erfahrungen, dass viele mitgehen werden und sich freuen, dass es vorwärts geht. Für die Umsetzung mancher Empfehlungen braucht es Vorbereitungen, die seitens des Bischöflichen Ordinariats oder auch des Diözesanrats zu treffen sind. Rechtliche Konsequenzen für die Kirchengemeindeordnung müssen eingearbeitet werden (zum Beispiel Stimmrecht im Kirchengemeinderat für Ansprechpersonen in Gemeinden). Hausaufgaben gehen an verschiedene Abteilungen, 166

167 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER um konzeptionell und personell weiterzuarbeiten. Das geht bis hin zur Erstellung eines neuen Stellenplans für die Gemeindepastoral, die Weiterentwicklungen der Dekanatsgeschäftsstellen, aber auch die ganz praktische Entwicklung des Fortbildungskonzeptes für das Pastorale Personal, das ab 2015 bereits zur Verfügung stehen soll. Erneuerung ist ein Prozess Erneuerung ist auch Geschenk Aufgabe in dieser Veröffentlichung ist es, die Arbeit des Projekts Gemeinde darzustellen. Ungeheuer intensiv und motiviert, mit großem persönlichen Einsatz an Zeit und Phantasie wurde von den am Projekt Gemeinde Beteiligten bisher gearbeitet und dies wird weitergehen. Entscheidend wird aber schließlich sein, dass in der Diözese Rottenburg-Stuttgart wirklich ein Erneuerungsprozess in Gang kommt, der die Menschen vor Ort mitnehmen kann. Erneuerung braucht Wurzeln, braucht die Basis und braucht die Offenheit, sich auf den Geist, der alles neu macht einzulassen. Hier sind alle Beteiligte gefragt Priester, pastoral Mitarbeitende (beruflich wie ehrenamtlich), Kirchenpfleger und Mitarbeitende in den Verwaltungszentren, Mitglieder von Vereinen und Verbänden und viele mehr. Es bleibt die große Hoffnung, dass, wie bei einem Schneeball, aus kleinen Anfängen etwas Großes entsteht. Vieles daran ist unserer Gestaltung anvertraut. Und doch werden in diesem Erneuerungsprozess die eigentlichen und wichtigsten Entwicklungsschritte dort geschehen, wo Gott sie will. Manchmal werden wir staunen über das, was er uns schenken wird. 167

168 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Handlungsfeld glaubwürdiger Lebensstil WEIHBISCHOF DR. JOHANNES KREIDLER Vieles hängt an der Glaubwürdigkeit! Wie anders soll man das verstehen, wenn Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche sagen: Wir können die schönen Worte nicht mehr hören? Was vermissen sie im Überdruss der Worte? Doch wohl, dass die Worte durch das Leben gedeckt sind. Glaubwürdigkeit ist ein starkes Argument. Im kirchlichen Kontext steht und fällt Glaubwürdigkeit mit der Übereinstimmung von Glaube und Leben. Es kommt eben auf den Lebensstil an! Christen legen das Evangelium nicht nur durch Worte aus, sondern durch ihr Handeln und durch ihr Leben! Auch die Strukturen der Kirche sind sehr sprechende Auslegung der Botschaft, auch sie sind Lebensstil der Kirche. Glaubwürdigkeitskrise und Dialogprozess Die Häufigkeit des Begriffs Glaubwürdigkeit in den Medien der letzten Jahre sagt auch etwas über das starke Bedürfnis nach Glaubwürdigkeit: Menschen wollen glaubwürdigen Menschen und glaubwürdigen Institutionen begegnen. Besonders die Kirche ist seit dem Aufdecken der zahlreichen Missbrauchsfälle in ihren Reihen in eine bis dahin unvorstellbare Glaubwürdigkeitskrise geraten. Der aus diesem Anlass angestoßene und darüber hinaus ganz allgemein auf einen Neuaufbruch der Kirche geweitete Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat der Thematik Glaubwürdigkeit immer wieder Gewicht gegeben. Schon in seiner Neujahrsansprache 2011 hat Bischof Gebhard Fürst den Satz geprägt: Welches Bild wir als Kirche nach außen abgeben, hängt unmittelbar mit dem inneren Zustand unserer Kirche zusammen. Glaubwürdigkeit erlangt man nicht durch PR-Maßnahmen, sondern durch glaubwürdiges Sein und Handeln. In der ersten Prozessphase Zeit zu hören wurde unter dem Aspekt Glaubwürdigkeit in vielen Briefen insbesondere die Diskrepanz zwischen der Lehre der Katholischen Kirche und der lebensweltlichen Realität der Gläubigen kritisiert 168

169 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER und der Glaubwürdigkeitsverlust durch Unstimmigkeiten zwischen der Lehre und dem Verhalten einzelner Amtsträger angesprochen. Auch viele Beiträge bei den Regionalforen setzten Themenfelder wie Frau in der Kirche oder wiederverheiratete Geschiedene in den Kontext von Glaubwürdigkeit beziehungsweise Unglaubwürdigkeit. Das Evangelium als Maßstab für die Glaubwürdigkeit der Kirche Die Kirche hat den Auftrag, den liebenden und befreienden Gott Jesu Christi zu verkünden. Das Zweite Vatikanische Konzil sieht sie als Werkzeug und Zeichen für die Freiheitsbotschaft des Evangeliums. An ihr soll der Kern dieser Botschaft für die Menschen ablesbar werden. Zugegeben, ein hoher Anspruch, aber wenn die Kirche etwas davon verwirklicht, dann gewinnt sie an Glaubwürdigkeit. Beglaubigen im Sinne von garantieren muss sie die Freiheitsbotschaft des Evangeliums nicht, das hat Gott selber im Leben und im Sterben seines Sohnes und in dessen Auferweckung getan. Doch an der Kirche ist es, die Botschaft auf den Menschen der jeweiligen Zeit hin glaubhaft zu machen. Maßstab für Handeln und Sozialgestalt der Kirche ist also das Licht und die Freiheit des Evangeliums. Das hat Konsequenzen für die Kirche: Nicht sich selber soll sie lichtvoll inszenieren, indem sie die Lichtkegel der Scheinwerfer auf sich selbst dreht, sondern transparent werden für das Licht des Evangeliums, durchlässig werden für dessen befreiende und heilende Kraft. Bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit der Kirche geht es provokant gesagt nicht einmal primär um die Kirche, sondern um die Menschen, um derentwillen die Kirche da ist. Glaubwürdigkeit konkret Was Glaubwürdigkeit meint, scheint damit eindeutig. Doch die Schwierigkeit des Begriffs liegt im Konkreten. So kann man fragen: Wäre die Kirche schon glaubwürdig, wenn sie sich auf die reine Lehre und auf die genaue Einhaltung ihrer Normen berufen könnte, aber gleichzeitig in der Außensicht von einer Vielzahl von Menschen her nur noch als unglaubwürdig wahrgenommen 169

170 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER würde? Glaubwürdigkeit kann auf die Außensicht nicht verzichten. Andererseits könnte das Bild von der Fremdheit der Kirche in den Augen der Menschen auch Resultat einer besonders radikalen Evangeliums-Nachfolge sein, was dann die Glaubwürdigkeit der Kirche gerade unterstreichen würde. Oder haben etwa Hauptamtliche in den pastoralen Berufen, die an ihrer Kirche leiden und das auch offen sagen, die gar etwas von eigenen Glaubenszweifeln bekennen, ihre Glaubwürdigkeit verloren? Glaubwürdigkeit könnte so auch gewonnen werden, hat sie doch immer auch mit Transparenz und mit Wahrhaftigkeit zu tun. Glaubwürdigkeit ist eng verwandt mit dem Mut zur Wirklichkeit. Sie bewegt sich immer zwischen dem eigenen, mit Authentizität vertretenen Standpunkt und der Wirkung auf das Gegenüber. Keiner kann das Bild von Glaubwürdigkeit letztlich selber herstellen, es entsteht. Eine Asymmetrie bleibt der Glaubwürdigkeit eigen. Glaubwürdigkeit und Unglaubwürdigkeit haben unterschiedliche Dimensionen. Unglaubwürdig sind nicht nur Einzelpersonen durch ihr Fehlverhalten, unglaubwürdig können auch Institutionen als Ganzes werden. So hat der Missbrauchsskandal nicht nur das Fehlverhalten Einzelner offenkundig gemacht, sondern darüber hinaus auch systemimmanente Ursachen in der Institution Kirche ans Licht kommen lassen. Eine Kirche, die sich um der Glaubwürdigkeit willen auf allen Ebenen erneuert Gefragt ist ein glaubwürdiger Lebensstil, der alle Ebenen der Kirche umfassen muss, die Amtsträger wie die Ehrenamtlichen, die kirchlichen Berufe wie die Großzahl der durch das Sakrament der Taufe und Firmung berufenen Frauen und Männer in der Kirche. Wahrgenommen wird die Kirche oft als Institution, welche die Moral der Menschen, einzeln und gesellschaftlich, im Auge hat und Bestimmtes anmahnt, ohne sich selber daran messen zu lassen. Das aber transportiert das 170

171 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Bild von Scheinheiligkeit. Nur wer deutlich machen kann, dass er sich selbst an Standards hält, die er gegenüber anderen einfordert, wird von anderen einen Vertrauensvorschuss bekommen und auf Dauer glaubwürdig bleiben. Mich bewegt ein Wort des jüdischen Religionsphilosophen Abraham J. Heschel. Er schreibt: Die Welt braucht mehr als die verborgene Heiligkeit persönlicher Innerlichkeit. Sie braucht mehr als fromme Gefühle und gute Absichten. Gott fordert das Herz, weil er das Leben des Menschen braucht. Durch gelebtes Leben wird die Welt erlöst, durch Leben, das in Übereinstimmung mit Gott lebt, durch Taten, welche die begrenzte Nächstenliebe des menschlichen Herzens überwinden. (Zit. n. Pastoralblatt , S. 161) Eine glaubwürdige Kirche kann fördern und wecken, dass Menschen ihr Herz ins Spiel bringen. Sie muss die Menschen dazu ernst nehmen und auf sie hören. Ich bin froh, dass dem im Dialog- und Erneuerungsprozess unserer Diözese Raum gegeben wurde. Eine Kirche, die noch immer meinte, von oben herab, belehrend oder autoritär zu den Menschen sprechen zu müssen, spricht im wahrsten Sinn des Wortes nicht an, sondern verlautbart nur sich selber. Sie nimmt Menschen nicht mit, sondern lässt sie in deren innerer Emigration zurück. Glaubwürdigkeit hat sich in einem nicht endenden Dialog zu bewähren. 171

172 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche ORDINARIATSRÄTIN UTE AUGUSTYNIAK-DÜRR, SUSANNE TRAULSEN Eines der im Dialogprozess am häufigsten genannten Themen ist das der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche. Vielen brennt dieses Thema besonders auf den Nägeln, weil hier die Diskrepanz zwischen der modernen Gesellschaft und der Kirche besonders deutlich wird, und weil die Frauen zwar zahlreich in der Kirche vertreten und engagiert sind, aber nach wie vor eher mit untergeordneten Diensten beauftragt werden. Frauen sind nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche jahrhundertelang gegenüber den Männern zurückgesetzt und benachteiligt worden. Gerade weil das Bewusstsein heute dafür so geschärft ist, ist der Blick auf unsere Wurzeln hilfreich: Schöpfungstheologisch gesehen, gibt es keine Unter- bzw. Überordnung von Männern oder Frauen. Gott schuf, so Gen 1,26 1, den Menschen nach seinem Bilde, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Wenn Mann und Frau Abbild Gottes in der Welt sind, dann ist es ihr gemeinsamer Auftrag, dieses Antlitz Gottes in der Welt zu zeigen. Konsequenterweise muss man dann argumentieren, dass ohne die Frau ein Stück Gott in der Welt fehlt. 1 In Jesus Christus wird Gott Mensch. Nirgendwo ist aber von einer Mannwerdung Gottes die Rede, sondern immer von seiner Menschwerdung. Im Kreis der Menschen um Jesus befanden sich Männer und Frauen 3 wie Maria Magdalena, die Frauen unter dem Kreuz, die Frauen als Zeuginnen der Auferstehung. Durch Jesus ist eine neue Zuordnung der Menschen zueinander geschaffen worden, die Paulus im Galaterbrief (Gal 3,28) folgendermaßen formuliert: Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus. Die Rechtspositionen und Unterschiede werden deshalb nicht einfach außer Kraft gesetzt, das tut auch Jesus nicht. 4 Aber das neue Miteinander ist durch die Einheit in Christus bestimmt, in der jedem und 172

173 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER jeder die gleiche Würde gemäß seinem beziehungsweise ihrem je eigenen Charisma der Christusnachfolge zukommt. Frauen haben in den urchristlichen Gemeinden ganz selbstverständlich wichtige Aufgaben des Gemeindelebens übernommen wie zum Beispiel Priszilla, die mit ihrem Ehemann Aquila einen Handwerksbetrieb besaß (Apg 18,2) und einem Hauswesen vorstand, das die beiden im Dienst der gemeindlichen Infrastruktur und Organisation zur Verfügung stellten. Paulus bezeichnet sie gleichermaßen als seine synergoi, seine Mitarbeiter. Zu nennen wäre auch Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä (Röm 16,1f), die auch als Diakonin bezeichnet wird. Wie diese Ämter der Frauen allerdings zu gewichten und zu werten sind, wird theologisch unterschiedlich gesehen. Mit zunehmender Anpassung der christlichen Gemeinden an die jüdisch-hellenistische Umgebung und durch Abgrenzung von häretischen Bewegungen wie der Gnosis 5 gerieten Frauen jedoch bald in den Hintergrund und verloren ihre weitgehende Gleichberechtigung. So ist auch der Diakonat der Frau im Lauf der Zeit verschwunden. 6 In der orthodoxen und auch in der armenischen Kirche gibt es noch spätere Zeugnisse von Diakoninnen oft im Zusammenhang von Klöstern, in denen die Äbtissinnen auch Diakoninnen waren. Diese haben hin und wieder auch die westliche Kirche beeinflusst. Eine offizielle Anerkennung von Diakoninnen gab es jedoch dort nicht. Bezüglich des Priestertums haben die Ostkirchen heute die gleiche Auffassung wie die römisch-katholische Kirche und sehen dieses nur für Männer offen. Die anglikanische Kirchengemeinschaft und die altkatholische Kirche haben in neuerer Zeit den Frauendiakonat nach heftigen Diskussionen wiederbelebt, die altkatholische Kirche 1982/85 beziehungsweise 1987, die AnglicanCommunion 1986/87. Später wurde in diesen Kirchen entschieden, Frauen auch zur Priesterweihe zuzulassen (1996 bzw. 1992), allerdings war dieser Prozess von Austritten und in der Altkatholischen Kirche von einem Schisma in der Utrechter Union begleitet. 7 Auch in den Kirchen der Reformation gibt es Pfarrerinnen. 173

174 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Wie ist der Stand der Frauenfrage in der katholischen Kirche heute? Für Papst Johannes XXIII. gehörte die Frauenfrage zu den Zeichen der Zeit. Er sprach 1963 im Zusammenhang mit der Frau ausdrücklich von der Würde der menschlichen Person und gleichen Rechten der Frau sowohl im Privatbereich als auch im Staat 8. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte den Diakonat der Frau nicht im Blick, wohl aber die Würde aller Getauften im allgemeinen Priestertum. Dabei wird nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden. So gibt es auch im Codex Iuris Canonici von 1983 in der Einleitungsnorm des Grundrechte- und Pflichtenkatalogs die klare Aussage: Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken. (can. 208) Mit der Formulierung gemäß der je eigenen Stellung und Aufgabe sind die sendungsspezifischen Unterschiede angesprochen, die es zwischen Klerikern und Laien gibt, nicht aber die zwischen Mann und Frau. Die deutschen Bischöfe forderten 1981: Die Kirche soll Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen sein. 9 In der Diözese Rottenburg- Stuttgart ist davon bereits vieles verwirklicht. Unzählige Frauen bringen in der Seelsorge, Erziehung, Caritas und Kirchenverwaltung sowie als Theologinnen im Hochschulbereich ihre Kompetenzen und Charismen ein. Wie von der Bischofskonferenz auf ihrer Frühjahrsvollversammlung im Februar 2013 ausdrücklich festgestellt wurde, wird das kirchliche Leben in Deutschland in hohem Maße von Frauen getragen 10. Ein großer Impuls für mehr Beteiligung von Frauen ging unter anderem von der katholischen Jugend aus. So beschäftigten sich 1991 beim ersten großen Jugendforum der Diözese Rottenburg-Stuttgart zwei Arbeitsgruppen mit dem Thema 174

175 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Frauen und Kirche. Sie forderten unter anderem die Einrichtung einer Frauenkommission. Bischof Walter Kasper nahm dieses Anliegen auf und berief 1992 eine Frauenkommission als Beratungsgremium des Bischofs in Frauenfragen. In ihrer nunmehr über 20-jährigen Geschichte hat sich die Frauenkommission sowohl mit Fragen zur Rolle der Frau in der Kirche als auch mit gesellschaftlichpolitischen Frauenthemen beschäftigt. Dass kirchliches Engagement von Frauen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart inzwischen sehr mannigfaltig ist, belegen die folgenden Zahlen. Darüber hinaus ergibt sich hieraus eindrücklich, dass Frauen am kirchlichen Leben nicht nur aktiv teilnehmen, sondern es auch wesentlich mitgestalten. In der Diözese sind 149 Pastoralreferentinnen angestellt. Der Frauenanteil liegt hier bei 45 Prozent. Bei den Gemeindereferenten liegt der Anteil der Frauen, die diesen Beruf ausüben, bei 87 Prozent. Von den 28 Dekanatsreferenten sind 21 Prozent weiblich; pastorale Ansprechpersonen gibt es 24, davon sind 50 Prozent Frauen. 33 Prozent der Schuldirektoren der freien katholischen Schulen sind weiblich, bei den katholischen Schuldekanen sind es 31 Prozent. Der Frauenanteil in der Sitzung des Bischöflichen Ordinariates, dem obersten diözesanen Leitungsgremium der Diözese unter Vorsitz des Bischofs, beträgt mit vier weiblichen Mitgliedern 25 Prozent 11 und im Diözesanverwaltungsrat sind ebenfalls 25 Prozent der Mitglieder Frauen. Die Diözesanleitung des Bischöflichen Jugendamtes ist paritätisch, d.h. mit einem Frauenanteil von 50 Prozent, besetzt. In den ehrenamtlichen Leitungs- bzw. Beratungsgremien sowie den Kommissionen der Diözese sieht es wie folgt aus: Im Diözesanrat, der als Katholikenund Pastoralrat die oberste Laienvertretung der Diözese ist und der in seiner Funktion als Kirchensteuervertretung auch den Diözesanhaushalt beschließt, beträgt der Frauenanteil in der aktuellen Amtsperiode unter den stimmberechtigten Laien 53 Prozent (in der vorherigen Amtsperiode waren es 44 Prozent). Stimmberechtigt sind im Diözesanrat außerdem die stimmberechtigten Mitglieder des Priesterrats. Bei den Kirchengemeinderäten beträgt der Frauenanteil insgesamt 51 Prozent. 38 Prozent der Zweiten Kirchengemeinderatsvorsitzenden sind Frauen (2005 betrug ihr Anteil bei den Zweiten Vorsitzenden 34 Prozent). 175

176 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Der Frauenanteil in der Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsrechts (KODA) beträgt in der 8. Amtsperiode 35 Prozent; unter den stimmberechtigten Mitgliedern der Kommission sexueller Missbrauch (KSM) sind 29 Prozent Frauen, am kirchlichen Arbeitsgericht gibt es zwei vorsitzende Richter und 12 Beisitzende, von denen 33 Prozent weiblich sind wurde auf Initiative der Frauenkommission das Amt einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten geschaffen, das 2001 in Gleichstellungsbeauftragte umbenannt wurde. Die Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten ist es, in der Diözese auf Schwierigkeiten und Hindernisse bei der Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf hinzuweisen und Lösungsmöglichkeiten vorzuschlagen. In seiner Neujahrsansprache am 6. Januar 2012 hat Bischof Gebhard Fürst angekündigt, 12 mehr Führungspositionen für qualifizierte Frauen öffnen zu wollen und damit öffentlich seine Bereitschaft bekundet, in diesem Bereich mehr Gleichberechtigung für Frauen zu schaffen. Die Gleichstellungsbeauftragte hat das Anliegen des Bischofs aufgegriffen, mit der Frauenkommission Vorschläge zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen erarbeitet und diese im September 2012 dem Bischof vorgestellt. Auf Grundlage dieser Vorschläge wurde zum 1. April 2013 das Projekt Frauen in Führungspositionen 2020 eingerichtet; die Projektleitung wurde der Gleichstellungsbeauftragten übertragen. Ziel ist es, zunächst einen genauen Überblick über die Geschlechterverteilung bei den Führungspositionen im verfassten Bereich der Diözese zu erhalten. 13 Sobald die Führungspositionen im verfassten Bereich statistisch erfasst sind, werden im Rahmen des Projekts unter Berücksichtigung der Altersstruktur der derzeitigen Führungskräfte Fördervorgaben für eine Erhöhung des Frauenanteils bis 2020 erarbeitet. Gleichzeitig wird geprüft, welche strukturellen Barrieren für Frauen bestehen und wie diese abgebaut werden könnten, damit sich mehr Frauen auf Führungspositionen bewerben können. Dazu werden auch neue Modelle von Führung (zum Beispiel Führung in Teilzeit bzw. Führung im Tandem) erprobt und überprüft, wie Frauen durch Fortbildungsmaßnahmen wirksam gefördert und die Vereinbarkeit von Führungsaufgaben und Familienaufgaben verbessert werden können. So soll im verfassten Bereich der Diözese 176

177 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER bis 2020 erreicht werden, dass sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich erhöht hat. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Arbeiten neben ihren Familienaufgaben zu erleichtern, wurde in der Diözese schon frühzeitig auf eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf Wert gelegt. So gehörte das Bischöfliche Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu den ersten deutschen Unternehmen, die sich als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren ließen. Es war 2002 das erste auditierte Ordinariat in Deutschland und kann heute auf eine über zehnjährige Erfahrung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurückblicken. Als Trägerin zahlreicher Kitas und Kindergärten hat die Kirche zudem einen großen Anteil daran, dass Familien mit kleinen Kindern qualitativ hochwertige Kinderbetreuung finden und ermöglicht oft überhaupt erst die Berufstätigkeit vieler Mütter und Väter. Die Zahlen und das Engagement so vieler Kirchenmitglieder zeigen, dass die Diözese Rottenburg-Stuttgart beim Bestreben eines gleichberechtigten Zusammenwirkens von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche nicht am Anfang steht. Die Frage der Weiheämter von Frauen liegt allerdings außerhalb der Zuständigkeit der Ortskirche. Hierzu ist Folgendes festzuhalten: Die katholische Kirche sieht sich, so formuliert es die Kongregation für die Glaubenslehre, aus Treue zum Vorbild des Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. 14 Es wird im 1976 veröffentlichten Dokument Interinsignoris wie auch im Schreiben OrdinatioSacerdotalis von 1994 auf das Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln gewählt habe, und auf die Fortsetzung dieser Tradition durch die Apostel verwiesen 15. Davon ausgehend, wird auch die Möglichkeit eines Diakonats der Frau kritisch gesehen. Wesentliches Argument gegen den Diakonat der Frau ist die Einheit des Ordo, d.h. die Zusammengehörigkeit der Ämter (Diakon,- Priester- und Bi- 177

178 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER schofsamt). Der Diakonat sei auf das Priesteramt hingeordnet. Nachdem allerdings der ständige Diakonat für Männer durch das Zweite Vatikanische Konzil wiederbelebt worden ist und auch Männern offen steht, die nicht Priester werden wollen oder können, stellt sich die Frage nach dem Diakonat der Frau von dorther noch einmal neu. Im Unterschied zur klaren Beantwortung der Frage nach dem Priestertum der Frau gibt es für den Diakonat der Frau keinen solchen abschließenden Bescheid. Man kann also hoffen, dass hier für die Zukunft noch Spielraum besteht. Die Diskussion ist ja durch die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz und verschiedener Äußerungen dazu (zum Beispiel durch Kardinal Walter Kasper) noch einmal angeregt worden. Das gleichberechtigte Einbeziehen von Frauen, wo immer es möglich ist, ist unser gemeinsames diözesanes Bemühen. Der Bischof ist in seiner Umsetzung der Beteiligung von Frauen in kirchlichen Ämtern, auch und gerade in Führungspositionen, ein Wegweiser und Vorbild. So sehr die Weihefrage auch drängen mag, so darf unsere Erneuerungs- und Gestaltungskraft doch nicht auf die Frage des Diakonats für Frauen reduziert werden. Denn wenn man die Frage der Wertigkeit der Frau generell und die Frage nach der Zulassung zu Ämtern von vornherein vermischt, folgt aus der Nichtzulassung zu Ämtern automatisch eine Herabsetzung der Frau im Sinne mangelnder Gleichwertigkeit. Wenn wir jedoch das eine als etwas sehen, was nicht oder noch nicht möglich ist und es als solches zunächst stehen lassen können, dann bindet das Pochen an diese derzeit von uns nicht zu öffnenden Türen nicht unsere ganze Energie. Energie brauchen wir nämlich für die offenen Räume, die nach unserer Gestaltung rufen, wohl wissend, dass das eine Frauen in Führungspositionen nicht das andere den von vielen Frauen als schmerzhaft erfahrenen Ausschluss von Ämtern einfach aufheben oder ersetzen kann. Wir sind nicht nur in einem Dialog-, sondern auch in einem geistlichen Erneue- 178

179 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER rungsprozess. Und hier stellen sich viele Fragen: Haben wir die Sprengkraft des christlichen Menschenbildes schon ausgeschöpft? Sind wir bereit, im Antlitz des anderen, unabhängig ob Mann oder Frau, Gott zu finden? Wie viel Würde gestehen wir in unserem täglichen und alltäglichen Handeln dem anderen und der anderen zu? Wie sehr sind unsere aus Männern und Frauen bestehenden Seelsorgeteams von gegenseitiger Wertschätzung und Achtung geprägt? Wie würdigen die kirchlichen Amtsträger in unseren Gemeinden das oft hohe Engagement von Frauen? Macht kann nur von denen geteilt werden, die sie haben. Wenn wir wirklich ernst machen mit unserer christlichen Botschaft an den Menschen und die Welt, dann wird unser Miteinander auch unsere Strukturen verändern. An den Strukturen arbeiten wir, im Projekt Gemeinde wie auch in den Förderungsprojekten für Frauen auf Führungspositionen hin, aber wir müssen die Veränderungen in unserem Miteinander auch spüren! Dazu braucht es uns alle, die Männer und die Frauen, die Kleriker und die Laien, denn Systeme lassen sich nur im Miteinander verändern. Wir sollten dabei nicht allzu pessimistisch sein und denken, dass sich nichts ändert. Wenn man den Ausschnitt zu kurz wählt, dann sieht man Entwicklungen nicht erlaubte Baden als erstes Bundesland Frauen das Hochschulstudium, heute haben wir in Deutschland mehr Abiturientinnen als Abiturienten, und, wenn man alle theologischen Studiengänge zusammennimmt, mehr Theologiestudentinnen als -studenten. Dieser hohe Anteil von jungen Frauen unter den Theologiestudierenden wurde vor kurzem von der Bischofskonferenz noch einmal ausdrücklich begrüßt. Zur Zeit des Konzils gab es in unserer Kirche noch keine Ministrantinnen, keine Kommunionhelferinnen und Lektorinnen, keine Pastoralreferentinnen und Gemeindereferentinnen und schon gar keine Ordinariatsrätinnen. Wie viel Selbstverständlichkeit im Miteinander haben wir bei allen durchaus noch zu beklagenden Defiziten doch auch schon erreicht! 179

180 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die deutschen Bischöfe haben sich in der Frühjahrsvollversammlung vom 18. bis zum 21. Februar 2013 in Trier intensiv mit der Frage des Zusammenwirkens von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche befasst. Neben der ausdrücklichen Anerkennung von Enttäuschungen kirchlich engagierter Frauen wurde als Ziel formuliert, dass sich noch mehr Frauen als bisher verantwortlich mit ihren Charismen und Kompetenzen in die Kirche und ihre Sendung einbringen 117 und dass theologisch geprüft werde, welche Leitungsaufgaben Frauen und Männer aufgrund von Beauftragung durch den Bischof wahrnehmen könnten. Was also kann heute durch unsere Arbeit in unserer Diözese wegbereitend dafür getan werden? 118 Was sind unsere Visionen für die Zukunft der Kirche? Wo können wir durch die aktuelle Erklärung auch auf die Unterstützung durch die Deutsche Bischofskonferenz hoffen? Welche neuen Möglichkeiten eröffnet uns vielleicht auch unser Papst Franziskus? Vielleicht gibt es bei allem Bemühen um die Einheit der Weltkirche mit Blick auf die kulturellen und politischen Unterschiede, in denen sich Kirche verwirklicht, doch auch Regelungen für Frauen bei uns, die in anderen Teilen der Weltkirche so noch nicht möglich sind und das, ohne dass die Weltkirche daran zerbricht! Es sind die Visionen, aus denen die Kraft kommt. Gleichwohl braucht Zukunft immer auch Herkunft. Wir sind und bleiben ausgespannt zwischen unseren Wurzeln und Traditionen einerseits und unseren Visionen andererseits. Gestalten können wir nur die Gegenwart. 180

181 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Kirche und wiederverheiratete Geschiedene ORDINARIATSRAT DR. JOACHIM DRUMM Das Thema Kirche und wiederverheiratete Geschiedene treibt viele Gläubige um. 64 Prozent der Einsendungen an die Koordinierungsgruppe gehen auf das Thema ein. Aus vielen Äußerungen spricht Unverständnis und Enttäuschung, ja, Empörung, weil Kirche hier offensichtlich nicht als Gemeinschaft der Versöhnung, sondern als unbarmherzige Kirche empfunden wird. Vor allem Paare, die der Kirche besonders verbunden sind, erleben ihren Ausschluss von Kommunion und Beichte als besonders schmerzlich. Papst Benedikt XVI. bezeichnete im Rahmen des Weltfamilientreffens im Juni 2012 dieses Problem als großes Leiden der heutigen Kirche 1. Er machte damit deutlich, dass das Thema wiederverheiratete Geschiedene nicht nur ein Problem der Betroffenen ist, sondern auch ein Problem der Kirche. An die Kirchengemeinden adressiert, machte der Papst deutlich: Es scheint mir eine große Aufgabe einer Pfarrei (una parocchia) einer katholischen Gemeinde (una communità cattolica) zu sein, wirklich nur alles Mögliche zu tun, damit sie sich geliebt und akzeptiert fühlen, damit sie spüren, dass sie keine Außenstehenden ( fuori ) sind, auch wenn sie nicht die Absolution und die Eucharistie empfangen können: Sie müssen sehen, dass sie auch so vollkommen in der Kirche leben (deveno vedere che anche cosí vivono pienamente nella chiesa). Bischof Gebhard Fürst ist es ebenfalls ein wichtiges Anliegen, den betroffenen Paaren das lebhafte Bewusstsein zu vermitteln, dass sie in die Mitte der Kirche gehören. Im Fastenhirtenbrief 2012 schreibt der Bischof: Wir alle müssen ( ) lernen, das Scheitern von Menschen und ihrer Lebensplanung ernster zu nehmen und Hilfen anzubieten, damit neues Leben gelingen kann. Auch das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Trotz dieser Bemühungen und Zusagen fühlen sich wiederverheiratete Geschiedene oftmals nicht als vollwertig in der Kirche akzeptiert oder gar zurückgestoßen. Verständlicherweise. Denn einerseits wird besonders seit dem Zweiten 181

182 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Vatikanum betont, die eucharistische Kommunion sei wirksames Zeichen der Einheit, andererseits wird den wiederverheirateten Geschiedenen und eigentlich nur ihnen gesagt, dass keine Notwendigkeit dieses Zeichens bestehe; stattdessen werden sie zur geistlichen Kommunion eingeladen. So wird verweigert, was als Zentrum christlich-kirchlicher Existenz gepredigt wird, bei gleichzeitiger Betonung, dass sich die Betroffenen deshalb nicht als von der Kirche getrennt betrachten sollen. Ein unaufgelöster Widerspruch. Daraus ergeben sich drei Fragen: 1. Wie begründet das kirchliche Lehramt theologisch, dass wiederverheiratete Geschiedene die Absolution und die Eucharistie nicht empfangen können? Die Verweigerung der Absolution und der Ausschluss von der Kommunion sind im Zusammenhang mit dem tradierten katholischen Eheverständnis, aber auch mit dem Verständnis von den Sakramenten zu sehen besonders der Eucharistie und nicht zuletzt mit dem Selbstverständnis von Kirche. Nach katholischer Lehre ist die sakramentale Ehe unauflöslich. Sie endet auch dann nicht, wenn die Partner nicht mehr miteinander leben wollen oder können. Auch eine zivilrechtliche Scheidung ändert nichts am Fortbestand einer sakramentalen Ehe. Denn sie steht wie die Taufe unter der Zusage der Treue Gottes. Ehe als Sakrament bedeutet: Mann und Frau werden füreinander zum lebendigen Zeugnis der Liebe und Treue Gottes. Im konkreten Füreinander-Dasein in guten und in schlechten Tagen wird Gottes Liebe und Treue konkret erfahrbar. Zentraler biblischer Bezugspunkt für dieses Eheverständnis ist das Markusevangelium. Dort heißt es: Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. 2 Und weiter: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet

183 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER In der Logik des katholischen Eheverständnisses begeht, wer wiederverheiratet ist, dauerhaft Ehebruch. Durch die Wiederheirat wird dieser Ehebruch manifest. Da der Wiederverheiratete so die Logik an diesem Zustand des Ehebruchs festhält, zeigt er offensichtlich keine Reue. Da er keine Reue zeigt, kann er auch nicht die Absolution der Beichte empfangen. Und weil Wiederverheiratete in objektivem Widerspruch zur sakramentalen Dimension der Ehe stehen, können sie auch das Sakrament der Eucharistie nicht empfangen. Das nachsynodale apostolische Schreiben Familiaris Consortio von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1981 bringt es so auf den Punkt: Die Kirche bekräftigt ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden, denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen im objektiven Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. 4 In den Folgejahren wurde diese lehramtliche Auffassung mehrfach bestätigt. Mögliche Spielräume wurden eher eingeengt als ausgeweitet. Einerseits entspricht das katholische Eheverständnis zutiefst der menschlichen Sehnsucht nach unbedingter Annahme Jugendstudien belegen, dass Treue und Verlässlichkeit gerade unter jungen Menschen überaus hohe Werte sind. Andererseits ist es ein Faktum, dass jede dritte Ehe in Deutschland, in Ballungszentren sogar jede zweite, geschieden wird. Ca. 25 Prozent aller geschlossenen Ehen sind Wiederverheiratungen. Damit ist ein großer Teil der Katholiken de jure vom Kommunionempfang ausgeschlossen. Der Graben zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist tiefer geworden, und damit der Graben zwischen kirchlicher Norm und pastoraler Realität und Erfordernis. Angesichts dieser Lage muss es Ziel sein, Lösungsansätze zu finden, die dem Anliegen der kirchlichen Tradition und der Situation der betroffenen Menschen gerecht werden. Einerseits kann das katholische Eheverständnis nicht zur Disposition gestellt werden. Andererseits geht es um einen lebens- und glaubensfördernden Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. 183

184 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Kurz gesagt: Erforderlich ist eine neue Vermittlung von Norm und Lebenswelt. Hierfür braucht es Handlungsstrategien im Blick auf die Betroffenen, die Ortskirche und die Weltkirche. 2. Gibt es Spielräume für Weiterentwicklungen der theologischen Sichtweise und für die pastorale Praxis? Wenn ja, in welcher Hinsicht? Zunächst zum biblischen Bezugspunkt: Das biblische Zeugnis zu Ehe und Ehescheidung lässt sich nicht aus einem einzelnen Jesuswort herleiten. Es muss auch aus der Praxis Jesu erhoben werden, die gekennzeichnet ist durch Zuwendung und Barmherzigkeit. Des Weiteren ist die Stoßrichtung der biblischen Zeugnisse nicht ganz einheitlich. Mit dem Bibelwissenschaftler Hubert Frankemölle kann man sagen: Die verschiedenen urchristlichen Gemeinden haben das Jesuswort von der unbedingten Gültigkeit der Ehe entsprechend ihrer gesellschaftlichen Situation immer wieder angepasst. Sie haben darüber hinaus auch das Wort Jesu von der unbedingten Gültigkeit der Ehe als Norm festgehalten und zugleich anerkannt, dass es Situationen gibt, die eine Scheidung der Ehe ermöglichen. Mit der Folge, unverheiratet zu bleiben (1 Kor 7,11) oder neu zu heiraten (Mt 5,32; 19,9). 5 Bereits die Deutungsgeschichte des Scheidungsverbots bei Paulus und Matthäus dokumentiert eine theologisch verantwortete Anpassung und Fortschreibung des Herrenwortes. 6 Ähnliches gilt im Blick auf die sich anschließende Tradition. Josef Ratzinger schreibt in seiner Theologie der Ehe aus dem Jahr 1969: Unterhalb der Schwelle der klassischen Lehre ( ) hat es offenbar immer wieder in der konkreten Pastoral eine geschmeidigere Praxis gegeben, die zwar nicht als dem wirklichen Glauben der Kirche ganz konform angesehen, aber doch nicht schlechthin ausgeschlossen wurde

185 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Schrift und Tradition sind also nicht ganz ohne Spielräume für Weiterentwicklungen des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen. Bemerkenswert ist, dass die ostkirchliche Praxis, die trotz eines noch rigoroseren Verständnisses der Unauflösbarkeit der Ehe Zweitehen zulässt, von der lateinischen Kirche nie verurteilt wurde. 3. Was ist im Blick auf eine mögliche Weiterentwicklung des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen grundsätzlich zu bedenken? In welcher Richtung wären Lösungsansätze zu suchen? Perspektivische Thesen: Ohne die Normvorstellung von ehelicher Bindung und Treue zu verletzen, bedarf es einer lebensnäheren Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen und der konkreten Situation wiederverheirateter Geschiedener. Statt Verurteilung und Entmutigung braucht es konkrete Hilfestellungen aus dem Glauben und der kirchlichen Praxis, zumal mit dem Zerbrechen einer Ehe auch viele andere Beziehungen und Netzwerke verloren gegangen sind. Ehenichtigkeitsverfahren lösen kaum die menschliche Problematik. Aber es muss sie auch künftig geben für Menschen, die sie in Anspruch nehmen wollen. Im Jahr 2011 wurden am Bischöflichen Offizialat Rottenburg fast 200 geschiedene und wiederverheiratete geschiedene Menschen kirchenrechtlich und seelsorgerlich beraten. Ungefähr 70 zerbrochene Ehen wurden 2011 kirchlich für ungültig erklärt oder aufgelöst. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass die Wirklichkeit weitaus vielschichtiger und pluraler ist, als die öffentliche Diskussion vermuten lässt. Noch wesentlich mehr Menschen könnten das Beratungsangebot des Offizialats und die kirchlichen Eheverfahren beanspruchen und auch eine Beschleunigung der Verfahren wäre unter bestimmten Umständen möglich. Eine zivile Zweitehe sollte nicht einfach als fortdauernder Ehebruch verurteilt, sondern je nach Situation auch als verantwortungsvoller Ausweg toleriert werden. 185

186 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Es muss im konkreten Gemeindealltag erfahrbar werden, dass auch wiederverheiratete Geschiedene zur Kirche gehören und nicht ausgegrenzt werden. Ziel der Pastoral muss es sein, Menschen auf der Suche nach gangbaren Wegen in die Zukunft zu begleiten. Die Problematik der wiederverheirateten Geschiedenen kann nicht durch die Bagatellisierung des Scheiterns der ersten Ehe gelöst werden. Es gilt, die Erfahrungen ebenso ernst zu nehmen wie die Entscheidungen zu Trennung und Zweitehe. Der Kern des Problems liegt nicht in der römisch-katholischen Ehelehre. Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine fundierte Ehetheologie entwickelt, wonach Ehe als personale und dynamische Lebensgemeinschaft verstanden wird. Das Kirchenrecht hat die Ehetheologie in die rechtliche Sprache zu übersetzen versucht. Inwieweit das gelungen ist, ist umstritten. Es gilt jedenfalls ein kirchenrechtliches Instrumentarium voll auszuschöpfen, erforderlichenfalls auch weiterzuentwickeln, und zwar in einer der heutigen Ehetheologie entsprechenden Weise. Dabei ist nicht zuletzt auch das Scheitern zwischenmenschlicher Beziehungen als Realität anzuerkennen. Die Frage nach der Erteilung der Absolution und der Zulassung zur Kommunion ist auch eine Frage an die kirchliche Botschaft von Schuld, Umkehr und Versöhnung, zugleich eine Frage an das Selbstverständnis von Kirche als Ort der Versöhnung und an das Verständnis von Eucharistie. Ist die Eucharistie ein Mahl der Versöhnten oder ein Mahl der Versöhnung? Jeder Gläubige, der zur Kommunion hinzutritt, bekennt sich wie dies in den eucharistischen Gebeten zum Ausdruck kommt als Sünder. Nicht die vorgängige Heilung von den Sünden wird erwartet, sondern vielmehr das Bewusstsein des Zustandes der Sünde. Der Zustand, der den Empfang der Eucharistie erlaubt, ist nicht die Rechtfertigung, sondern die Reue und die Umkehr. 8 Die Eucharistie selbst ist die Quelle der Vergebung und Barmherzigkeit Gottes für alle. 9 (Belok 2010) 186

187 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Sofern eine zivile Zweitehe als verantwortungsvoller Weg in die Zukunft betrachtet werden kann, ist jetzt schon eine Segnung im privaten Rahmen möglich. Entsprechende Modelle gibt es in diversen Diözesen. Die Verwechslung einer Segnung mit einem Scheidungsritual oder einer Trauungsfeier ist jedoch in jedem Fall zu vermeiden. Wichtig ist, dass es sich nicht um Segnungsgottesdienste handelt, sondern darum, dass der Seelsorger unabhängig von der neuen Eheschließung mit den wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen und ihren Angehörigen im privaten Rahmen (nicht in der Kirche) gemeinsam betet und einen Segen spendet. Die engmaschigen Festlegungen durch das römische Lehramt und die Bedeutung der damit verbundenen theologischen Fragen lassen auf Diözesanebene grundlegende Neuregelungen des Zugangs zur Kommunion unmöglich erscheinen. Für generelle Regelungen ist die Geschichte einer jeden Ehe und ihres Scheiterns auch zu unterschiedlich. Um dem Einzelfall gerecht zu werden, können mögliche Wege nur im intensiven Gespräch mit den einzelnen Paaren gefunden werden. Dabei geht es nicht einfach nur um die zumeist kaum eindeutig zu klärenden Schuldfragen. Es geht auch um Fragen wie diese: Ist jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen worden? Ist eine neue standesamtliche oder nichtkatholisch-kirchliche Verbindung eingegangen worden im Hinblick auf die Erziehung der Kinder oder in der subjektiven Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war? Ist, wenn beim Scheitern der ersten Ehe schweres Versagen mit im Spiel war, die übernommene Verantwortung anerkannt und die begangene Schuld bereut worden? 187

188 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Steht glaubhaft fest, dass eine Rückkehr zum ersten Partner wirklich nicht möglich ist und die erste Ehe beim besten Willen nicht wieder belebt werden kann? Ist eventuell begangenes Unrecht und ein angerichteter Schaden nach Kräften wiedergutgemacht worden? Werden die Verpflichtungen gegenüber Partner und Kindern aus der ersten Ehe erfüllt? Hat ein Partner seine erste Ehe unter großem öffentlichen Aufsehen und eventuell sogar Ärgernis zerbrochen? Hat sich die zweite eheliche Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum hinweg im Sinne eines entschiedenen und auch öffentlich erkennbaren Willens zum dauerhaften Zusammenleben nach der Ordnung der Ehe und als sittliche Realität bewährt? Ist das Festhalten an der zweiten Bindung gegenüber dem Partner und den Kindern eine neue sittliche Verpflichtung geworden? Steht hinreichend sicher fest, dass die Partner der neuen Ehe versuchen, aus dem christlichen Glauben zu leben und ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen? 10 Mit solchen Fragen, bei denen die gesamtkirchlichen Vorgaben beachtet und zugleich die teilkirchlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, kann in der Regel für jeden einzelnen wiederverheirateten Menschen eine befriedigende Lösung gefunden werden die Teilnahme am sakramentalen Leben nicht ausgeschlossen. Die Rottenburger Synode 1985/86 fordert unter Betonung der Aufrechterhaltung der Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe, dass die Seelsorger Betroffene, die den Zutritt zu den Sak ramenten begehrten, in eingehenden seelsorgerlichen 188

189 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Gesprächen bei der Bildung ihrer Gewissensentscheidung beraten sollten. Wichtig sei eine diözesanweit einheitliche Linie in der Seelsorge an Wiederverheirateten; dabei gehe es um die Glaubwürdigkeit der Kirche. 11 In einem Votum bittet die Synode die Deutsche Bischofskonferenz ganz allgemein, endlich den Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland umzusetzen und einheitliche pastorale Lösungswege zu suchen. Es stimmt hoffnungsvoll, dass die Deutsche Bischofskonferenz nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die sich dieser Aufgabe widmet. Sehr konkret geht es hierbei auch um eine Reform des Arbeitsrechts, um es auch wiederverheirateten Geschiedenen zu ermöglichen, in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis zu bleiben oder in ein solches einzutreten. 189

190 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Ökumene und konfessionsverbindende Ehen und Familien DOMKAPITULAR DR. HEINZ DETLEF STÄPS In der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist die Ökumene auf einem guten Weg. In den Gemeinden, in den Dekanaten und auch auf der Ebene der Diözesanleitung ist das Thema Ökumene fest verankert. Ökumenische Gottesdienste feiern landauf und landab das Verbindende zwischen den Christen. Im Gemeindeleben gibt es vielfache Berührungspunkte mit den ökumenischen Partnern, an vielen Orten wird das Wort Gottes miteinander gelesen und bedacht. Christen stellen sich gemeinsam den sozialen Herausforderungen. Auf lokaler Ebene entstanden fast überall Orts-ACKs, wo unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen die christlichen Gemeinden ganz konkret zusammenarbeiten, auch über die großen Kirchen hinaus. Und dennoch gibt es in der Ökumene auch Problemanzeigen, Druckpunkte, von denen vor allem Familien betroffen sind. Zahlreiche Rückmeldungen innerhalb des Dialogprozesses zeigen die Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten von konfessionsverbindenden Ehen und Familien. Viele dieser Rückmeldungen zeugen sowohl von großen Verwundungen als auch vom ehrlichen Ringen und Suchen der Betroffenen. Die Dimension wird deutlich, wenn man bedenkt, dass inzwischen jede dritte in manchen Regionen der Diözese sogar jede zweite sakramental geschlossene Ehe konfessionverbindend ist. Im Jahr 2012 machten diese in der Diözese Rottenburg- Stuttgart 42 Prozent der Eheschließungen aus, ebenso entstammen 42 Prozent aller katholisch getauften Kinder konfessionsverbindenden Ehen. Hinter diesen nackten Zahlen aber stehen vor allem Schicksale von Menschen. Denn für viele Christinnen und Christen, die in konfessionsverbindenen Ehen und Familien leben, stellen sich ganz eigene Herausforderungen und Probleme beginnend mit der Feier der Trauung bis zur Frage nach der Taufe und der Erziehung der Kinder. Besonders schmerzvoll aber ist es für die Betroffenen, dass es bisher offiziell für den evangelischen Partner bzw. die evangelische Partnerin einer konfessionsverbindenden Ehe in der katholischen Eucharistiefeier nicht möglich ist, die heilige Kommunion zu empfangen. 190

191 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Dabei ist gerade der Ausschluss von der Kommunion bei den Festen der Kinder, wie Erstkommunion und Firmung, aber auch bei der Begräbnismesse des katholischen Ehepartners für viele Menschen schwer zu akzeptieren. Besonders schmerzlich ist das gerade für die Ehepaare, die sich entschieden haben, ihre Kinder katholisch taufen zu lassen und im katholischen Glauben zu erziehen. Nicht wenige evangelische Partner gehen gerade deshalb regelmäßig zur katholischen Eucharistiefeier, um ihren Kindern einen inneren Zugang zu ermöglichen. Diese Paare sind deshalb oft die eigentlichen Leidtragenden der konfessionellen Spaltungen und der nicht immer leichten Situation in der Ökumene. Aus diesem Grunde hat Bischof Dr. Gebhard Fürst im Herbst 2011 eine eigene Arbeitsgruppe Konfessionsverbindende Ehen und Familien einberufen mit dem Auftrag pastorale Regelungen zu finden, welche die konkrete Situation von konfessionsverbindenden Familien stärker in den Blick nehmen als bisher. Insgesamt gehören dieser Arbeitsgruppe elf Mitglieder des Diözesanrats und des Priesterrats, dem Netzwerk Ökumene konfessionsverbindende Paare und Familien in Deutschland, aber auch weitere Experten vor allem zum Thema Kirchenrecht an. Unter der Leitung von Domkapitular Dr. Heinz Detlef Stäps, dem Leiter der Hauptabteilung Glaubensfragen und Ökumene im bischöflichen Ordinariat, wurden hier die grundlegenden Probleme und Chancen konfessionsverbindender Ehen und Familien besprochen und schriftlich niedergelegt. Im besonderen Fokus steht dabei die Frage des Empfangs der Eucharistie im katholischen Gottesdienst durch evangelische Christinnen und Christen, die in konfessionsverbindender Ehe mit einem Katholiken/einer Katholikin leben. So hat die Arbeitsgruppe einen Vorschlag vorgelegt, wie es in den kommenden Jahren gelingen kann, in konfessionsverbindender Ehe lebenden Paaren die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistiefeier auch in deren Zentrum, dem Empfang des Leibes Christi, zu ermöglichen. Der Vorschlag beschränkt sich zunächst auf die Mitglieder der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, da die konfessionsverbindenden Ehen in unserer Diözese zum weitaus größten Teil mit Mitgliedern dieser Kirche geschlossen werden. 1 Ausgehend von der pastoralen Situation vor Ort, kam die Arbeitgruppe zu dem Schluss, dass den konfessionsverbindenden Ehen mit ihren spezifischen Er- 191

192 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER schwernissen, aber auch Chancen, größere Aufmerksamkeit zuteil werden müsse. Da die Konfessionszugehörigkeit bei der Partnerwahl heute kaum noch eine Rolle spielt, entsteht häufig der Eindruck, die Konfessionsverschiedenheit könne mittlerweile kein Problem mehr bedeuten. Dennoch sind die konfessionsverbindenden Ehepaare in besonderer Weise Leidtragende der Spaltung der Kirchen. Gerade Ehepaare, die eine intensive Verbindung zu ihren Kirchengemeinden suchen und dort ihren Glauben leben wollen, stoßen bei der Trauung, bei der Taufe und Erziehung der Kinder, beim gemeinsamen Gottesdienstbesuch und insbesondere bei der Teilnahme an der Eucharistie beziehungsweise dem Abendmahl auf Schwierigkeiten. Diese können zu erheblichen Belastungen der Partner und ihrer Familien werden, wenn eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen, eingeschränkten Möglichkeiten erfahren wird. Den emotionalen Spannungen, die dadurch auf Seiten der Ehepaare und innerhalb ihrer Familien ausgelöst werden, können Gewissenskonflikte bei den Amtsträgern entsprechen. Es gibt konfessionsverbindende Ehepaare, die ihren Glauben nicht explizit in einer Kirchengemeinde leben; für sie spielt die Konfessionsverschiedenheit eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet jedoch nicht, dass es damit nicht zu Konflikten kommen kann. Spätestens bei der Erstkommunion und Firmung der eigenen Kinder werden die Eltern mit kirchlichen Vorschriften konfrontiert, die für sie nicht hilfreich sind. Weil zuvor kein oder kaum Kontakt zur Kirchengemeinde bestanden hat, fühlen sich diese Ehepaare oft alleingelassen und wenden sich noch mehr von ihr ab. Wenn aber ein Ehepaar oder eine Familie bewusst in beiden Kirchengemeinden seinen bzw. ihren Glauben konfessionsverbindend leben will, werden die Chancen, die sich aus einer solchen Beziehung ergeben, seitens der Kirchengemeinden oft nicht gesehen. Wer in ökumenischer Verbundenheit sein Christsein verwirklichen möchte, wünscht sich, dass bei der Erstkommunion und Firmung eines Kindes, aber auch bei jedem gemeinsamen Gottesdienstbesuch die besondere Situation der Familie wahrgenommen und berücksichtigt wird. Das heißt konkret: dass die Familie an der Eucharistie teilnehmen kann und nicht ein Elternteil vom Tisch des Herrn ausgeschlossen bleibt. Dass eine gemeinsame Teilnahme an der Kommunion derzeit kirchen- 192

193 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER rechtlich nicht ohne Weiteres möglich ist, markiert eine offene Wunde. Viele Ehepaare reagieren deshalb mit Rückzug und Resignation: Sie leben eine für sie praktikabel erscheinende selbstverantwortete Lösung, auch wenn sie nicht den kirchenrechtlichen Normen entspricht. Dies ist Realität, die wir sehen und wahrnehmen. Trotzdem braucht es offizielle Lösungen. Denn es gibt viele Paare, bei denen der evangelische Partner bewusst nicht zur Kommunion geht, weil er weiß, dass er nicht eingeladen ist. Außerdem braucht es eine offizielle Lösung, damit die Paare nicht vom Urteil der Pfarrer abhängen, das von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich sein kann. Am 29. April 2007 haben elf Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) in einem festlichen Gottesdienst im Dom zu Magdeburg einen gemeinsamen Text zur wechselseitigen Taufanerkennung unterzeichnet. 2 Dies bedeutet, dass die unterzeichnenden Kirchen wechselseitig anerkennen, dass die in der jeweils anderen Kirche gespendeten Taufen gültig sind und anerkannt werden. Mit der Taufe wird der Täufling nicht allein in eine konkrete Konfession, sondern zuerst in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" Jesu Christi, wie wir sie im Glaubensbekenntnis bekennen, aufgenommen. Zu dieser una sancta ecclesia im Sinne des Credos gehören folglich auch Getaufte anderer Kirchen. Wenn aber alle gültig Getauften unabhängig von ihrer Konfession zu der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Jesu Christi gehören, dann muss auch alle Getauften ein Band der kirchlichen Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche verbinden. Dies ergibt sich daraus, dass in dieser die Kirche Jesu Christi verwirklicht ist 3, auch wenn es keine volle Kirchengemeinschaft zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Kirche des Getauften einer anderen Konfession gibt. Schon das Ökumenische Direktorium von 1993 formulierte: Gleichzeitig lehrt die katholische Kirche, dass durch die Taufe die Mitglieder anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften in einer wirklichen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen und dass die Taufe ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen begründet, die durch sie wiedergeboren sind (...), und ihrem ganzen Wesen nach hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus 4. Es ist deshalb festzuhalten, dass zwischen zwei Getauften, die in einer 193

194 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER konfessionsverbindenden Ehe leben, ein Band der kirchlichen Gemeinschaft besteht, auch wenn einer der beiden zu einer Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft gehört, die mit der römisch-katholischen Kirche nicht in voller Kirchengemeinschaft steht. Dieses Band der kirchlichen Gemeinschaft erhält darüber hinaus eine neue Qualität, wenn Katholiken und Nichtkatholiken im Sakrament der Ehe durch Christus verbunden sind. Wenn zwei Getaufte miteinander eine gültige Ehe eingehen, so spenden sie einander das Sakrament der Ehe. Bei einer konfessionsverbindenden Ehe hat also der nichtkatholische Ehepartner ein gültiges katholisches Sakrament empfangen. 5 Er/sie ist deshalb mit einem sakramentalen Band an seinen Ehepartner/ seine Ehepartnerin gebunden, der/die zur römisch-katholischen Kirche gehört. Auf diese Weise ist auch der nichtkatholische Ehepartner durch ein sakramentales Band mit der katholischen Kirche verbunden. Das Zweite Vatikanische Konzil prägt für die Ehe den Begriff der Hauskirche" 6 : Die Ehe wird in der Art einer Hauskirche" ( velut Ecclesia domestica") betrachtet, denn die Ehepartner haben sich das Sakrament der Ehe gespendet und versuchen, in ihrer Familie die Liebe Christi zu leben, ihren Glauben an ihre Kinder weiterzugeben und nach außen zu bezeugen. Nach Überzeugung des Konzils ereignet sich Kirche, wenn Ehegatten einander ihren Glauben bezeugen und aus diesem Glauben leben wollen, wenn sie als Eltern in der Annahme und Erziehung der Kinder (...) ihre eigene Gabe im Gottesvolk" erfüllen, wenn sie durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sind und die einem jeden eigene Berufung fördern". Wenn konfessionsverbindende Familien miteinander beten, die Schrift lesen, auf das Wort Gottes hören und sich gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen, hat dies kirchliche Qualität. Aus ihrem Zusammenleben in einer Art Hauskirche entsteht deshalb eine Form der Kirchengemeinschaft eigener Qualität. Beide Ehegatten sind durch das doppelte Band des Sakraments der einen Taufe und des Ehesakraments verbunden, das ein Element der una sancta ecclesia" sichtbar macht, die über die Konfessionsgrenzen hinausreicht. Diese häusliche Kirchengemeinschaft darf auch bei der Frage des Empfangs der Eucharistie durch den nichtkatholischen Partner einer konfessionsverbindenden Ehe im katholischen Gottesdienst nicht vernachlässigt werden. 194

195 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Gerade weil Eucharistiegemeinschaft und Kirchengemeinschaft nach katholischem Verständnis unlösbar zusammengehören, legt die konfessionsverbindende Ehe sogar die Gemeinschaft in der Eucharistie nahe, denn sie vollzieht Kirche. Für Kirche ist nach katholischer Überzeugung Eucharistie unverzichtbar und konstitutiv. Durch eine bewusst gelebte konfessionsverbindende Ehe kommen beide Ehepartner in eine geistliche Gemeinschaft mit der Kirche ihres Partners, die uns den Ausschluss vom Kommunionempfang als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lässt. Denn insbesondere mit Blick auf die vom Herrn der Kirche gewollte Einheit des Leibes Christi wird hier eine eigene Qualität von Kirche gelebt, die wörtlich verstanden konfessionsverbindend wirkt und so einen wichtigen prophetischen Dienst an der una sancta ecclesia" leistet. Bischof Gebhard Fürst hat sich dieses drängende Thema schon sehr früh zu eigen gemacht. Er ist Pate des Netzwerks Ökumene konfessionsverbindender Ehen. Er hat das Thema schon auf dem Ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin und zuletzt beim Katholikentag in Mannheim 2012 mutig angesprochen. Immer hat er sich dafür eingesetzt, das Thema in der Deutschen Bischofskonferenz voranzubringen und wird dies auch in Zukunft tun. Die erneute Beratung des Themas in der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz hat er initiiert. Dies stimmt hoffnungsfroh, dass es in absehbarer Zukunft möglich sein wird, eine Lösung zu erarbeiten, die in konfessionsverbindender Ehe lebenden evangelischen Christen ermöglichen wird, die Eucharistie im katholischen Gottesdienst zu empfangen. 195

196 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Lebensform Zölibat DR. GERHARD SCHNEIDER Der Zölibat (von lat. caelebs, ehelos) polarisiert. Er gehört zu den wenigen kirchlichen Themen, die regelmäßig ihren Weg aus der innerkirchlichen Diskussion hinaus in die breite mediale Öffentlichkeit finden. Längst ist die Frage nach dem Zölibat zu einer Metapher für die Frage nach der Reformfähigkeit der Kirche insgesamt geworden. Einer differenzierten Betrachtung des Zölibats ist diese Entwicklung wenig zuträglich. Zwei Präzisierungen sind für eine Annäherung an das Thema wichtig: Beim Streit um den Zölibat geht es erstens um die sogenannten Weltpriester, also die Priester, die ihren Dienst in der Regel im Auftrag einer Diözese als Pfarrer in Kirchengemeinden versehen. Die zölibatäre Lebensform der Ordensfrauen und -männer wird kaum in Frage gestellt. Es geht deshalb zweitens meistens nicht um die Sinnhaftigkeit und Berechtigung einer zölibatären Lebensweise an sich, sondern um die Verpflichtung zu dieser für das Priesteramt in der römisch-katholischen Kirche. 1 Festgehalten ist diese Verpflichtung in Canon 277 des kirchlichen Gesetzbuches Codex Iuris Canonici (CIC): Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelsreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welchen die Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können. Ihre existentielle und verbindliche Konkretion findet die Verpflichtung zum Zölibat im Weiheversprechen der Priesteramtskandidaten bei der Diakonenweihe (nicht bei der Priesterweihe!). Diese Norm ist kirchlichen (und nicht göttlichen) Rechts. Sie könnte also außer Kraft gesetzt werden. Bei der bestehenden Gesetzeslage kann der Papst auf Antrag des Ortsbischofs Ausnahmen in Einzelfällen ermöglichen, was beispielsweise bei konvertierten ehemaligen evangelischen oder anglikanischen Pfarrern geschieht, wenn sie verheiratet sind. Dass die Diskussion um den Zölibat oft besonders emotional geführt wird, liegt auch daran, 196

197 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER dass Änderungen hier unbestritten leichter möglich wären als etwa bei den Zulassungsbedingungen zum Amt. Was allgemein gefordert wird, gibt es schon, wenn auch nur ausnahmsweise und in sehr kleiner Zahl: Priester in der römisch-katholischen Kirche, die verheiratet sind. Außerdem ist der Zölibat des Weltpriesters in etlichen katholischen Ostkirchen ebenfalls nicht vorgesehen. Biblische Wurzeln Einerseits ist der Zölibat nur kirchlichen Rechts, andererseits gründet er tief in den Evangelien. Seinen Ausgangspunkt nimmt er bei der ehelosen Lebensweise Jesu. 2 Diese wird nirgendwo ausdrücklich erwähnt, aber an vielen Stellen fraglos vorausgesetzt: Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel des Himmels ihre Nester. Der Menschensohn aber hat nichts, wohin er seinen Kopf legen könnte (Lk 9,58). 3 Ein anderes Jesuswort (Mt 19, 9-12) gibt einen wichtigen Hinweis auf die Sinngebung des Zölibats: Die Ehelosigkeit geschieht um des Himmelsreiches willen. Bei der Diskussion um den Ursprung, die Legitimation und vor allem die Bedeutung des Zölibats ist diese Ausrichtung grundlegend: Es geht weder um eine Verachtung der Sexualität noch um eine Abwertung der Ehe, sondern um ein radikales eschatologisches Zeichen, d.h. um ein Zeichen für das kommende Reich Gottes und für die darauf hinweisende umfassende Kraft der Liebe Gottes schon in dieser Welt. In diesem Sinne bezieht Jesus seine Lebensform auch auf seine Nachfolge und zumindest der engere Kreis der Jünger ist ihm darin auch gefolgt: Da sagte Petrus: Siehe, wir haben unser Eigentum verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, wird dafür schon in dieser Zeit das Vielfache erhalten und in der kommenden Welt das ewige Leben (Lk 18, 29). 4 Es wird deutlich: Es geht hier (noch) nicht um Ehelosigkeit. Petrus war mit Sicherheit verheiratet, da im Markusevangelium von der Heilung seiner Schwiegermutter die Rede ist (Mk 1, 29-31). Es geht vielmehr um Enthaltsamkeit. Die bereits verheirateten Jünger ließen vielmehr Frau und Kinder in der Großfamilie zurück und folgten stattdessen Jesus unter Verzicht auf die ehe- 197

198 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER liche Gemeinschaft. 5 Uns fällt es heute schwer, derart radikale Schritte wie das Verlassen der Familie als richtig oder gar vorbildlich zu akzeptieren. Fest steht jedoch, dass diese ehelose bzw. enthaltsame Lebensweise Jesu und der Apostel zahlreiche Bewunderer und Nachahmer fand, allen voran Paulus. 6 Die Unterscheidung zwischen Ehelosigkeit (was Zölibat dem Wort nach bedeutet) und Enthaltsamkeit ist wichtig. Denn es ist unbestritten, dass es in der frühen Kirche keine Verpflichtung der Kleriker zum Zölibat gab. 7 In den späteren Schriften des Neuen Testaments ist ganz selbstverständlich von verheirateten Bischöfen, Priestern und Diakonen die Rede (zum Beispiel in 1 Tim 3, ). Umstritten ist nun aber, ob diese verheirateten Amtsträger nach der Weihe enthaltsam leben mussten oder nicht. 8 Dass die ehelose/enthaltsame Lebensweise jedenfalls als jesuanisch und damit als erstrebenswert betrachtet wurde, ist unbestritten. Die Diskussion geht vielmehr darum, wann und in welcher Weise aus diesem Ideal eine innere oder äußere Verpflichtung für (verheiratete) Amtsträger entstand. Geschichtliche Entwicklung Die weitere geschichtliche Entwicklung des Zölibats verläuft komplex. Lange Zeit wurde der Zölibat weniger mit der maßgeblichen und ursprünglichen neutestamentlichen Motivation (als eschatologisches Zeichen) in Verbindung gebracht als mit anderen wirkmächtigen Leitideen wie der vom Priester erwarteten kultischen Reinheit 9 oder mit pragmatischen Fragen der fehlenden legalen Erbfolge bei Unverheirateten. Die erste eindeutige Vorschrift für die Lebensform kirchlicher Amtsträger erfolgte in der Synode von Elvira (heute Granada) in Spanien um das Jahr 306. Für die Synode ist nach wie vor selbstverständlich, dass es verheiratete Amtsträger gibt. Von diesen wird nun aber ausdrücklich Enthaltsamkeit verlangt. 10 In den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder Synoden und Dekrete, die Enthaltsamkeit und zunehmend auch den Ehelosigkeits-Zölibat einforderten auch ein Zeichen dafür, dass seine Durchsetzung sehr mühsam war. Die parallele Existenz von (zur Enthaltsamkeit aufgerufenen) verheirateten und unverheirateten Priestern beendete das Zweite 198

199 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Laterankonzil (1139), das nur noch letztere zuließ. Allerdings waren verheiratete Männer nach wie vor nicht von der Weihe ausgeschlossen, ihre vorher geschlossenen Ehen wurden nun aber für ungültig erklärt. Erst das Konzil von Trient ( ) brachte die Form des Pflichtzölibats, wie wir sie heute kennen. Das Zweite Vatikanische Konzil ( ) bestätigte den Zölibat. 11 Die Päpste und einige Bischofssynoden haben dies seitdem mit verschiedenen Akzentuierungen ebenso bekräftigt wie die deutschen Bischöfe. 12 Die Diskussion um den Pflichtzölibat kam jedoch immer wieder auf, zuletzt 2010/2011 infolge des Missbrauchsskandals. Auch unter Bischöfen kam es dabei durchaus zu unterschiedlichen Stellungnahmen zum Beispiel bezüglich der Frage, ob die Priesterweihe von verheirateten viri probati eine Alternative sein könnte oder nicht. 13 Aktuelle Diskussion In der aktuellen Zölibatsdiskussion haben sich zwei Schwerpunkte herausgebildet: zum einen die Frage, ob der eschatologische Zeichencharakter des Zölibats heute überhaupt noch aktuell ist und als solcher erkannt wird, zum anderen die Frage, ob durch eine Freigabe des Zölibats der Priestermangel beseitigt oder zumindest gemildert werden könne. Bei beiden Themen geht es auch um die Frage, ob Priestern heute der Zölibat zugemutet werden könne oder ob er nicht schlicht eine Überforderung mit beträchtlichen Risiken darstelle. Die Frage nach dem Wesen und der Relevanz des Zeichencharakters des Zölibats ist in der Tat die Kernfrage der gesamten Zölibatsdiskussion. Es geht dabei nicht um ein qualitatives Zeichen in dem Sinne, dass der Zölibatäre eine bessere und deswegen zeichenhafte Lebensform lebe. Es geht vielmehr um eine Einheit von geistlichem Amt und geistlicher Existenz. [ ] Die Ehelosigkeit ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der, der amtlich Christus zu vergegenwärtigen und wie dieser für das Kommen des Reiches Gottes einzustehen hat, dieses sein Amt auch existentiell lebt. 14 Der Zölibat ist das sichtbare und provokante Zeichen für eine existentielle Lebensweise, die darauf hinweist, dass Erfüllung und Liebe eine Dimension haben, die über diese Welt hinaus in das künftige Reich Gottes ver- 199

200 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER weist. Es geht dabei um einen umfassenden Lebensstil, eine in diesem Sinne geläuterte Persönlichkeit und nicht nur um den (durchaus auch schmerzlich empfundenen) Verzicht auf gelebte Sexualität und die eheliche Beziehung. Zölibat in diesem Sinne ist Charisma, Gnadengabe Gottes, und wo er so gelebt und von anderen erfahren wird, ist er auch heute wirkmächtiges Zeichen. Der Zölibat erhält seinen Zeugnischarakter nicht durch das, was er verbietet, sondern durch das, was er ermöglicht. Zweifelsohne gelingt priesterliche Existenz auf diese Weise häufig sicherlich nicht immer. Wenn sie aber gelingt, wird dies mitunter nicht positiv, sondern negativ mit dem Zölibat in Verbindung gebracht und vermutet, dass dies nicht wegen, sondern trotz des Zölibats möglich sei. Die Tatsache, dass der Zölibat meist ausschließlich als Verbot von Ehe und gelebter Sexualität verstanden wird, verhindert positive Konnotationen. Soll der Zölibat nicht als anachronistisches oder gar unmenschliches Verbot verstanden werden, sondern als Charisma und Ermöglichungsgrund einer eschatologisch-zeichenhaften Lebensweise, liegt es an der Kirche, diesen Zusammenhang plausibel zu machen. Die Frage nach dem Zusammenhang von Zölibat und Priestermangel bildet den zweiten Schwerpunkt der aktuellen Diskussion. Er berührt einen zentralen Nerv der Kirche, nämlich die Möglichkeit einer Gemeinde, Eucharistie zu feiern. Geht man von einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen Zölibat und Priestermangel aus, wofür es gute Gründe gibt, liegt hier das theologisch stärkste Argument gegen den Pflichtzölibat. Denn fraglos ist die Feier der Eucharistie ein höheres Gut als die ehelose Lebensweise der Priester. Gleichwohl ist die Sache komplizierter. Die Vorstellung, allein die Aufhebung des Pflichtzölibats ermögliche zahlreiche neue Priesterweihen von ständigen Diakonen oder Pastoralreferenten, verkennt die eigenständigen Charismen und Berufsbilder, die sich mit diesen Ämtern und Diensten verbinden. Nur ein kleinerer Teil davon versteht sich als "verhinderte Priester". 15 Auch lässt sich das Amt und Charisma eines Priesters nicht nur auf die zölibatäre Lebensweise reduzieren. Die Diskussion um den Zölibat kann deswegen nicht isoliert geführt werden. Die Frage nach der Rolle und dem Wesen des Priesteramts kommt notwendigerweise hinzu. In diesem Zusammenhang ist das Ergebnis einer Umfrage unter siebzig ange- 200

201 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER henden Theologiestudentinnen und -studenten der Diözese Rottenburg-Stuttgart interessant, die einen kirchlichen Beruf anstreben oder zumindest erwägen. 16 Bei der provokanten Frage "Was ist der größte Fehler, den die Kirche heute macht?" (Mehrfachnennungen möglich) nennen nur vier Prozent ausdrücklich den Zölibat, obwohl dieser für die Befragten ja in verschiedener Beziehung eine elementare Rolle spielt. Zumindest zwei Schlüsse lassen sich daraus ziehen: Zum einen scheint ein größerer Teil der Befragten durchaus positive Erfahrungen mit zölibatär lebenden Frauen und Männern gemacht zu haben, zum anderen sind die kirchlichen Berufe in der Diözese Rottenburg- Stuttgart, die nicht an den Zölibat gebunden sind, offenbar so attraktiv, dass der Zölibat an sich nicht unmittelbar zum berufsrelevanten Problem wird. Herausforderungen für die Berufungspastoral Sich zu einem zölibatären Leben berufen zu fühlen, diese Berufung zu klären und sich schließlich dafür zu entscheiden, ist das eine. Diese Entscheidung öffentlich zu machen und nach außen zu vertreten, ist das andere. So paradox es klingen mag: Letzteres ist für junge Männer mit dem Ziel des Priesteramts heute mitunter schwieriger als ersteres. Denn Berufungen zum zölibatären Priesteramt gibt es auch heute, und sie werden als verheißungsvoll und erfüllend erlebt. Die Anfragen, das Unverständnis und die Verdächtigungen, die indes auf die Interessenten am Priesteramt zukommen, sobald sie ihren Berufswunsch im privaten Umfeld kommunizieren, sind vielfältig und werden immer öfter auch im kirchlichen Umfeld und in der eigenen Familie geäußert. 17 Für die Berufungspastoral folgt daraus, dass sie einen vertraulichen Begegnungs- und Orientierungsraum bieten muss, in dem Interessenten am Priesteramt ihre Berufung klären, läutern und ins Wort fassen können. Der Zölibat spielt eine zentrale Rolle bei der Motivationsklärung. Weder darf das Priesteramt trotz, noch wegen des Zölibats angestrebt werden. Die notwendigen Klärungen vollziehen sich im Zusammenspiel von geistlicher Begleitung, den Ausbildungsleitungen, anderen Interessierten am Priesteramt und Frauen und Männern, die bereits zölibatär leben und nicht zuletzt auch im Gebet. Dieser 201

202 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Prozess dauert heute deutlich länger als früher und ist selten mit Beginn des Theologiestudiums abgeschlossen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit der beteiligten Ausbildungsabteilungen intensiviert und so gestaltet, dass sich die Entscheidungsprozesse junger Männer gut begleitet und in einem geeigneten Rahmen vollziehen können. Der Interessentenkreis Priester der Diözesanstelle Berufe der Kirche bietet Interessenten am Priesterberuf ein vielfältiges Programm zur Information, Orientierung und Entscheidungsfindung. Im Theologisch-propädeutischen Seminar Ambrosianum bereiten sich Frauen und Männer mit unterschiedlichen Berufszielen in einer für die Berufs- und Berufungsentscheidung wichtigen Phase gemeinsam auf das Theologiestudium vor. Beide Einrichtungen sind im neu gestalteten Johanneum in Tübingen untergebracht, wodurch eine unmittelbare und selbstverständliche Nähe zum Bischöflichen Theologenkonvikt Wilhelmsstift und zum Theologischen Mentorat ermöglicht wird. Interessierte am Priesterberuf finden in diesem Kontext eine Vielzahl an Orientierungsmöglichkeiten und Gesprächspartnern vor, die für eine freie und verantwortete Entscheidung zum Priesteramt und damit auch zum Zölibat wichtig sind. Die Ausbildungsprogramme und die geistliche Begleitung von Wilhelmsstift und Priesterseminar sorgen schließlich für ein Fundament, auf dem dann die endgültige Entscheidung zu einem zölibatären Leben vollzogen werden kann. 202

203 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Menschenfreundliche und menschendienliche Sexualmoral DIREKTOR PROF. DR. THOMAS FLIETHMANN Liebe und Freundschaft, erotische Beziehungen und Ehe gehören zum Schönsten, was Menschen erleben können. Im Geliebt-Werden sind sie ganz bei sich und werden sie selbst, im Lieben können sie über sich hinauswachsen und erfahren gerade in der Absichtslosigkeit der Liebe, wie ihr Leben Sinn und Bedeutung gewinnt. Weil Gott selbst Liebe ist, 1 rühren Menschen in ihrer Liebe immer auch an das Geheimnis göttlichen Lebens. Zugleich sind Liebesbeziehungen in ihrer Intimität und Intensität fragil und gefährdet. Nirgendwo sind Menschen verletzlicher als da, wo sie sich in Liebe füreinander öffnen und dann enttäuscht werden. Dies alles gilt auch für die sexuelle Dimension der Liebe. Als Wesen, die geistig und leiblich zugleich sind, leben Menschen ihr Leben, auch und gerade ihre Beziehungen, immer in beiden Dimensionen: Sich-Verstehen, Zuneigung, Liebe finden ihre Orte und ihren Ausdruck im konkreten Zusammensein bis hin zur sexuellen Begegnung als besonders intensiver Weise der Gemeinsamkeit. Und weil in der Sexualität die intimste und intensivste Begegnung zweier Menschen geschieht, ist sie ein Ort größter Verletzlichkeit. Es bedarf daher eines sorgsamen Umgangs mit dem wunderbaren Gottesgeschenk der Sexualität, damit sie wirklich Ort und Ereignis der Fülle des Lebens werden kann. Menschliche Sexualität ist eine Gabe und Anlage, aber sie ist nicht automatisch praktizierte Sexualität. Zur Kultur der Sexualität gehören innerhalb und außerhalb der Partnerschaft Zeiten der intensiven Begegnung und Zeiten, in denen diese Dimension zurücktritt. Darüber hinaus hat die Kirche eine lange Tradition mit Lebensformen, die den Zölibat um des Reiches Gottes willen pflegen. In aller Entschiedenheit ist zu betonen, dass in diesen Lebensformen keine Reduktionen des Menschseins Ausdruck finden, dass vielmehr in diesen Lebensformen andere Lebenserfahrungen ermöglicht und zum Ausdruck gebracht werden. Dies gilt es, auch im innerkirchlichen Umgang miteinander, in Respekt und Diskretion zu achten. 203

204 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die Kirche hat der Kultivierung des Verhältnisses von Mann und Frau in Liebe immer viel Aufmerksamkeit gewidmet. In der Entwicklung ihres Eheverständnisses war die freie Übereinstimmung der Eheleute in ihrer Partnerschaft von jeher ein konstitutives Prinzip. Kinder, die als geliebte Kinder Gottes ihrerseits liebesfähig und zur Liebe berufen sind, haben in der freien, wechselseitigen Liebe der Eltern ihren genuinen Platz. Auch unter gewandelten gesellschaftlichen Bedingungen können die Gestaltung und Kultur des partnerschaftlichen Lebens der Menschen der Kirche deshalb nicht gleichgültig sein. Damit steht sie freilich vor einer großen Herausforderung. In unserer Gesellschaft gilt die Partnerschaft, gerade auch die erotische Beziehung, als das Private schlechthin. Gegenüber einer Gesellschaft, die in ihrer gesteigerten Effizienz und zunehmenden Ökonomisierung den Menschen immer mehr in Sachzwänge und vermeintlich objektive Abläufe einplanen will, suchen die Menschen in der intimen Partnerbeziehung einen geschützten Raum, der vor den allseitig wachsenden Ansprüchen bewahrt. Davon sind auch moralische Normen betroffen. Moral, besonders auf dem Feld der Sexualität, ist zum Inbegriff der Fremdbestimmung geworden. Das heißt nicht, dass die Paare in ihrem gemeinsamen Leben keine moralischen Werte verwirklichen aber die Vorgabe von außen wird als eine unangemessene Einmischung in die Privatheit abgelehnt. Auch deshalb ist nicht nur die kirchliche Sexualmoral in Verruf geraten, auch gesellschaftlich gibt es keinerlei normativen Diskurs über Sexualität: Die einzige akzeptierte Norm ist Autonomie und Freiheit, häufig genug freilich in einem verflachten Verständnis. Viel spricht jedoch dafür, dass dies nicht nur ein Anzeichen für eine entspannte Befreiung von Einschränkungen, sondern auch für Orientierungslosigkeit ist. Trotzdem wirkt in diesem Umfeld die Kirche mit ihrer traditionellen Norm-Orientierung gänzlich unzeitgemäß, ja geradezu als menschenunfreundlich. Diesem Image der Kirche steht freilich entgegen, dass viele der Werte, die die Kirche mit ihren traditionellen Normen zu schützen sucht, bei jungen Menschen hoch im Kurs stehen: Verlässlichkeit in der Partnerschaft, Treue, Familienzusammenhalt erzielen in entsprechenden Umfragen immer hohe Werte. Umso tragischer ist es, dass die Kirche als Ort der Einübung entsprechender Le- 204

205 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER bensformen gesellschaftlich weithin in Misskredit geraten ist, ja, dass über weite Strecken junge und ältere Gläubige von ihrer Kirche auf diesem Feld keine Orientierung erwarten. So mag sich auch erklären, warum im Dialogprozess das Thema Sexualmoral immer wieder als eines der heißen Eisen genannt wurde: Dass der Glaube und die christliche Auffassung vom Menschen etwas zur Gestaltung partnerschaftlichen Lebens beizutragen hat, wird noch vermutet, wohl auch gewünscht; dass die Kirche mit ihren konkreten Vorgaben und Normen dieser Erwartung jedoch nicht gerecht wird, wird zur Kenntnis genommen. Wie nun kann die Kirche auf diesem wichtigen Feld des Lebens Kompetenz und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und das Evangelium vom menschenfreundlichen Gott, der das Leben in Fülle für alle will, verkündigen? In der Vergangenheit erschien die Kirche sehr stark als eine Verkünderin von Normen, deren Förderlichkeit für ein menschengemäßes Leben von Liebe und Partnerschaft mittlerweile nur noch begrenzt wahrgenommen oder rundweg bezweifelt wird. Welche Vision von einem guten Zusammenleben in Partnerschaft hat die Kirche aus dem Evangelium anzubieten? Nach christlichem Glauben ist dem Menschen als geschaffenem Ebenbild Gottes die Sehnsucht und Fähigkeit zur unbedingten Liebe ins Herz gegeben und auf diesem Niveau muss sich das kirchliche Nachdenken über Partnerschaft bewegen, will sie nicht ihre genuine Inspiration unterlaufen. Dazu gehört aber auch die Anerkennung der konkreten menschlichen Bedingungen der Liebe, die sie immer wieder anfällig für Scheitern, Misslingen, Zurückbleiben hinter ihrer Dynamik machen. In dieser Spannung bewegen sich die konkreten Formen und Ausgestaltungen von Partnerschaft. In der Ehe, in der sich Mann und Frau gegenseitig Liebe und Treue für ihr ganzes Leben versprechen und dabei im Vertrauen auf Gott mehr wagen, als sie aus eigener Kraft garantieren können, findet dieses Verständnis unbedingter Liebe seine konkrete Form: Weder Status und Attraktivität des Partners noch die Wandelbarkeit der eigenen Stimmung, die nie ganz im eigenen Verfügen ist, sollen zum Maßstab, zur Bedingung der Annahme des Partners gemacht werden. Der Weg zu einem solchen Versprechen, auch der Weg mit einem solchen Versprechen, ist freilich eine Entwicklung. Junge Menschen müssen sich einüben in partnerschaftliches Leben, ohne frei- 205

206 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER lich Freunde und Freundinnen zum Übungsmaterial zu degradieren. Man kann zwar nicht auf Probe lieben, aber es gibt legitimerweise verschiedene Intensitätsgrade von Bindung. Wie diese gelebt werden, ist nicht für alle Fälle zu normieren, sondern muss und darf dem Gewissen der Partner überlassen bleiben. Evangeliumsgemäße Ethik wird jedoch darauf beharren, dass weder offene noch subtile Verzweckungen der Partner die Beziehung von innen her bestimmen und damit verstimmen dürfen, soll sie das angesprochene Niveau nicht unterlaufen. In der kirchlichen Sexualmoral hat die Bindung der Weitergabe des Lebens an die gelebte Sexualität in der Ehe eine wichtige Rolle gespielt. In den vergangenen Jahrzehnten ist diese natürlich und gesellschaftlich vorgegebene Bindung mehr und mehr gelockert worden. Das ist insofern positiv, weil die Sexualität stärker als Ausdruck der partnerschaftlichen Liebe gewürdigt werden kann. Auch die Bindung von Sexualität an Nachkommenschaft kann zu einer Verzweckung werden, die der Liebe nicht angemessen ist. Allerdings bezieht sich die Verantwortung, die mit der sexuellen Begegnung verbunden ist, nicht nur auf den Partner, sondern auch auf die mögliche Weitergabe des Lebens. Hier muss die Kirche Wege, nicht zuletzt Worte finden, die Balance zwischen der Verantwortung füreinander, zu der auch die lust- und liebevolle Begegnung der Liebenden gehört, und für das Kind, dessen Zeugung der Dynamik sexuellen Lebens nichts Äußerliches ist, bewusst zu machen und die Entwicklung guter Lebensformen dafür zu fördern und anzuerkennen. Ein besonders prominentes Thema ist in der jüngeren Vergangenheit die kirchliche Haltung zu homosexuellen Menschen geworden. Gesellschaftliche Diskriminierung, die sich oft genug zu Recht oder zu Unrecht auf kirchliche Normen gestützt hat, tritt mehr und mehr zurück, und dies ist sehr zu begrüßen. In zahlreichen Äußerungen haben auch die Päpste betont, dass homosexuelle Menschen als geliebte Kinder Gottes willkommene Glieder in der Kirche sind und jegliche Diskriminierung abzulehnen ist. Müsste dementsprechend nicht eine Partnerschaft, in der homosexuelle Menschen sich lieben und ihrer Liebe eine verlässliche, dauerhafte Form geben, in der sie Sorge füreinander übernehmen, als menschlicher Wert respektiert werden? 206

207 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Dennoch kann die Kirche, ungeachtet einer rechtlichen Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im bürgerlichen Recht, solche Partnerschaften nicht mit einer Ehe gleichstellen, die zwischen Mann und Frau geschlossen wird. Die prinzipielle Offenheit für Kinder, auch wenn im Einzelfall biologische, gesellschaftliche oder moralische, im Gewissen verantwortete Gründe gegen eigene Kinder stehen mögen, gehört nach der Lehre der Kirche so wesentlich zu einer Ehe dazu, dass sie einen Unterschied zu Partnerschaften begründet, die dafür prinzipiell nicht offen sein können. Die Wahrnehmung dieses Unterschiedes ist keineswegs eine Diskriminierung. Diese offene, willkommen heißende Haltung im Leben der Kirche zu verankern, ist jedoch eine Aufgabe, der sich alle Gläubigen immer wieder widmen müssen. 207

208 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Glaubensvertiefung und Glaubenserneuerung aus dem Erbe des Konzils DIREKTOR PROF. DR. THOMAS FLIETHMANN Der Dialogprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart fällt in die Zeit des 50-jährigen Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils. Mit seiner Öffnung zur Welt, seiner Aufforderung zum Dialog mit allen Menschen 1 hat das Konzil das Ereignis des Dialogprozesses inspiriert. Das Konzil hat aber mehr zu sagen. Für die Zukunft der Kirche wird es darauf ankommen, die Anregungen des Konzils aufzunehmen und nicht nur in ihrer äußeren Gestalt umzusetzen, sondern sich auch im Glauben von dem Geist bewegen zu lassen, den das Konzil bezeugt hat. Das Zweite Vatikanische Konzil war für die Kirche ein Ereignis von historischer Dimension. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Intensität, mit der immer noch über die Auslegung der Texte diskutiert wird. Die Päpste der Nachkonzilszeit haben keinen Zweifel an der bleibenden Bedeutung des Konzils gelassen. Papst Johannes Paul II. hat den Eintritt in das neue Jahrtausend maßgeblich unter die Vorzeichen des Konzils gestellt; 2 auch Benedikt XVI. nahm gleich zu Beginn seines Pontifikats dieses Erbe auf. 3 Aktiv und viel diskutiert hat der Papst sich in die Diskussion um die rechte Auslegung des Konzils eingeschaltet. Vor kurzem erst hat Papst Franziskus gemahnt, das gegenwärtige Jubiläum nicht zu einem Monument des Konzils werden zu lassen, das nicht unbequem ist und nicht stört. Der Heilige Geist dürfe nicht gezähmt werden. 4 Auch Franziskus mahnt also entschieden, der geistlichen Herausforderung durch das Konzil nicht auszuweichen. Liest man 50 Jahre nach dem Konzil die Texte, so vermag immer noch die Weitsicht der Konzilsväter zu faszinieren, mit der sie die moderne Welt in all ihrer Pluralität wahrnehmen und der Kirche hoffnungsfroh einen Weg darin weisen, trotz aller Schwierigkeiten und Gefährdungen für den Menschen, die sie durchaus sehen. Wenn sie das Programm mit den Worten eines der Konzilsmoderatoren, Kardinal Suenens, in die Frage kleiden: Kirche, was sagst Du über Dich selbst?, so muss die facettenreiche Antwort in dem zuversichtlichen Geist ver- 208

209 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER standen werden, der das Konzil prägte. Die Facette mit der vielleicht geistlich tiefgründigsten Implikation lautet: Kirche ist das Volk Gottes. Volk Gottes verweist auf Gemeinschaft. Keiner glaubt für sich allein. Die Gemeinschaft der Glaubenden hilft in der mitunter unübersichtlichen Vielfalt der modernen Welt dabei, aus dem Glauben heraus Lebensformen zu entwickeln, die den Glauben zu einem lebbaren Glauben machen. Auch hier ist Dialog gefordert. Erzählen wir uns von unseren Erfahrungen mit dem Glauben, lassen wir uns Anteil haben an dem, was uns trägt und auch an unseren Zweifeln. Nur dann wird der Glaube als Option für das Leben ansichtig, die über schöne Worte hinausreicht. Volk Gottes zu sein ist eine Berufung, die Gott in seiner universalen Liebe allen Menschen schenkt. Die Kirche ist deshalb immer über sich in ihrer verfassten Form hinausgewiesen auf alle Menschen, denen Gottes Liebe gilt und denen sie diese Liebe zu bezeugen hat durch den Widerschein, den Christus, das Licht der Völker, auf ihrem Antlitz hinterlässt. 5 Der Impuls, dem wir als missionarische Kirche folgen, führt uns deshalb immer schon zu Gott, der vor jeder kirchlichen Aktivität bei allen Menschen guten Willens wohnt. Volk Gottes knüpft an die alttestamentliche Tradition des Volkes Gottes auf seinem Weg vor Gott an. Kirche darf nichts Statisches sein. In einer sich wandelnden Welt steht auch die Kirche vor neuen Herausforderungen und Anfragen, wie die befreiende Botschaft des Evangeliums in den je konkreten Umständen zu verkünden ist, was die Botschaft Jesu in der konkreten Situation genau bedeutet. Die Antwort auf diese Fragen des konkreten Lebens zu finden, ist selbst ein Weg, der immer wieder zu gehen ist. Deswegen eignet sich das Symbol des Weges besonders gut, um die Dynamik der Kirche zum Ausdruck zu bringen. Die Kirche als Ganze ist eine pilgernde, wie das Konzil immer wieder sagt. Viele Menschen machen sich auf den Weg, die alte Tradition des Pilgerns kommt in den vergangenen Jahren zu neuer Blüte. In unserer Diözese nehmen wir diese Tradition auf, gehen ganz konkret auf dem Jakobsweg oder versuchen auf dem Martinus-Weg in die geistlichen Fußstapfen unseres Diözesanpatrons zu treten. Im gemeinsamen Gehen, in Gesprä- 209

210 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER chen und im Nachdenken wird die Bewegung des Pilgerns auch zu einer inneren Bewegung. Mit beiden Wegen sind wir zugleich über die Grenzen unserer Ortskirche hinaus gewiesen, weil beide Wege europäische Routen sind, deren Bedeutung für das kulturelle Zusammenwachsen Europas noch zu entdecken ist. Nicht geringer hat das Konzil über die Kirche gedacht, als sie sie das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit 6 nannte. Volk Gottes verweist auch auf die gemeinsame und allen aufgetragene Verantwortung für das Evangelium. Durch die Wiederentdeckung des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen vor jeder Unterscheidung spezifischer Dienste ist die Kirche als Ganze und jeder Einzelne, jede Einzelne in ihr gerufen, Zeugnis von der Hoffnung des Glaubens zu geben. Das von Papst Benedikt XVI. aus Anlass des Konzilsjubiläums ausgerufene Jahr des Glaubens steht in unserer Diözese unter dem Motto Von Glaubenszeugen Glauben lernen. Glaube vermittelt sich nur im gelebten Leben konkreter Menschen. Die Glaubenszeugen der Diözese, an die das Jahr des Glaubens erinnert, sind gewiss besondere Menschen. Mit der Betonung des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen ruft das Konzil jedoch alle Gläubigen dazu auf, Botschafter ihres Glaubens zu sein. Mit einem eigenen Dokument (Apostolicam Actuositatem), intensiv jedoch auch in den großen Kirchenkonstitutionen, hat das Konzil die Würde und Berufung der sogenannten Laien besonders hervorgehoben: Alle sind zur Heiligkeit berufen, es waltet unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi 7. Diese Berufung kann sich, wie es in unserer Diözese vielfach geschieht, in der Kirche in haupt- und ehrenamtlicher Tätigkeit ausdrücken. Das Konzil zielt mit der Rede vom besonderen Weltdienst der Laien jedoch vielmehr auf das bewusst gläubige Leben, das Laien in ihren konkreten Lebenszusammenhängen in Familie, Beruf, Gesellschaft führen. In einer Zeit, in der die Selbstverständlichkeit der Sozialform Kirche schwindet, ist es eine große Aufgabe aller, den Geist Jesu Christi dort lebendig werden zu lassen, wo Christus selbst in der Welt, besonders in den Geringsten (Mt 25,40) begegnet. Missionarisch-diakonische Kirche muss da sein, wo sie gebraucht wird, auch und besonders außerhalb der verfassten Kirche. 210

211 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Worin besteht nun das geistliche Fundament, auf dem die Kirche als Volk Gottes aufruht? Der grundlegende Maßstab für alles Tun der Kirche ist Jesus Christus, das Licht der Völker (Lumen Gentium), der in seinem Geist die Welt durchdringt. Das Konzil erinnert an die besondere Beziehung zu Gott, in die der Mensch durch Jesus Christus eintritt: In seiner Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1, 15; 1 Tim 1, 17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33, 11; Jo 15, 14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3, 38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen 8. Dieses Freundschaftsverhältnis zu Gott ist das eigentliche Evangelium, die Frohe Botschaft, von hierher ergeben sich die Grundorientierung für das eigene Leben wie auch der Impuls für die Gestaltung der Welt, in der wir leben. Real wird dieses Verhältnis im persönlichen Gebet der Einzelnen und Gruppen, in dem sich die Beter immer wieder Gott anvertrauen und so das Freundschaftsverhältnis zu Gott zur bestimmenden Wirklichkeit ihres Lebens werden lassen. Besondere sakramentale Dichte gewinnt die Begegnung in der Liturgie, besonders in der Eucharistie; sie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt 9. In der Eucharistie bringen wir uns und unser Leben vor Gott, lassen es vom Geist Christi verwandeln, und gehen so erneut gestärkt das Leben mit den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen an. Zur Erneuerung der Kirche gehört es, dass Liturgie, besonders die Eucharistie, wirklich als Höhepunkt und Quelle erfahrbar werden. Das Konzil hat zur tätigen Teilnahme (participatio actuosa) an der Liturgie aufgefordert und damit eine Liturgiereform angestoßen, von deren Dynamik wir heute noch zehren. Diese tätige Teilnahme besteht aber nicht nur an der Beteiligung in Gebeten und Gesängen oder der Übernahme liturgischer Dienste durch die Gläubigen der Gottesdienstgemeinde, sondern darin, dass wirklich das christliche Leben vor Gott und im Gottesdienst zur Sprache gebracht wird. Nur dann erstarrt der Gottesdienst nicht zum Ritual, sondern wird gefeierter Ausdruck der großartigen Vision, die das Konzil der Kirche für ihr Leben in der Welt mitgegeben hat: Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi

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213 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE SCHLUSSWORT DES BISCHOFS 213

214 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Dialogische Kirche als zukunftsfähige Kirche BISCHOF DR. GEBHARD FÜRST In den letzten zwei Jahren, seit Beginn des Dialog- und Erneuerungsprozesses, haben viele dazu beigetragen, an Positionen zu den verschiedenen Handlungsfeldern zu arbeiten. In meiner Neujahrsansprache im Jahr 2011 habe ich meine Zusage gegeben, Themen, die in der Diözese angegangen werden können, mutig anzupacken 1 und andere, die nach katholischem Kirchenverständnis im Kontext der Kollegialität der katholischen Bischöfe und der Universalkirche gesehen und bearbeitet werden müssen, an die zuständigen Institutionen weiterzugeben. Deshalb habe ich bereits zu Beginn für mehrere Handlungsfelder Arbeitsgruppen eingesetzt, die an Lösungen arbeiten. Seit Beginn des Jahres 2012 erarbeiten 80 Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen im Projekt Gemeinde an der Zukunft unserer Pastoral. Andere Gremien wiederum, wie beispielsweise die Kommission sexueller Missbrauch oder die Verantwortlichen des [jugendforum] 3, haben ihre Tätigkeit im Rahmen des Dialogprozesses fortgesetzt und ihre Erkenntnisse in den Prozess eingebracht. Viele von Ihnen warten ungeduldig auf Ergebnisse und Leitlinien. Im Folgenden werde ich nun auf dieser Basis zu den verschiedenen Handlungsfeldern Stellung nehmen. Umgang mit dem sexuellen Missbrauch, der in unserer Kirche stattgefunden hat. Bereits 2002, lange vor dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle, hat die Diözese die Regularien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger in der Diözese Rottenburg-Stuttgart der Deutschen Bischofskonferenz in Kraft gesetzt. Ein Jahr später habe ich die unabhängige Kommission sexueller Missbrauch eingesetzt. Ihre vorrangige Aufgabe ist es seitdem, Hinweise auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Bereich entgegenzu- 214

215 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE nehmen, zu untersuchen und Empfehlungen für den Umgang mit den gemeldeten Fällen auszusprechen sowohl Hilfen für das Opfer zu gewähren als auch Maßnahmen den Täter betreffend auszusprechen. In regelmäßigen Berichten, die auch auf der Homepage der Diözese abrufbar sind, macht die Kommission ihr Arbeitsfeld der Öffentlichkeit seither transparent. Darüber hinaus habe ich selbst mit vielen Opfern das direkte Gespräch gesucht. Um das Bewusstsein für Missbrauch jedweder Art zu schärfen und Präventivmaßnahmen zu erarbeiten, wurde im vergangenen Jahr die Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz eingerichtet und direkt beim Generalvikar angesiedelt. Ebenso haben sich Kirchengemeinden, der Diözesancaritasverband, das Bischöfliche Jugendamt bzw. der BDKJ und andere Verbände dem Thema Kindeswohlgefährdung gestellt, sich qualifiziert und im Präventivbereich Erfahrungen gesammelt. Wir alle sind dem BDKJ zum Dank verpflichtet, dass er bereits lange vor 2010 vorbildlich gehandelt hat zum Beispiel durch das Einfordern von Ehrenerklärungen bei allen Verantwortlichen in der Jugendarbeit. Zudem ist bereits seit 2006 die Prävention sexueller Gewalt fester und selbstverständlicher Bestandteil des Einführungsprogramms für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Februar 2011 habe ich das sogenannte Bischöfliche Gesetz zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Bistum Rottenburg-Stuttgart unterzeichnet. Hiermit wurde im Wesentlichen geregelt, dass Beschäftigte in allen kirchlichen Zusammenhängen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, mittels eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses nachweisen müssen, dass sie nicht wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit oder persönliche Freiheit verurteilt wurden. Dies gilt sowohl bei Neueinstellungen als auch für bereits angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Prävention von sexuellem Missbrauch ist auch Teil der Ausbildung der Bewerberinnen und Bewerber für die pastoralen Berufe. Weiterhin fordern sämtliche Träger im Jugendbereich das Bischöfliche Jugendamt teilweise schon seit längerem bei der Einstellung neuer hauptberuflicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein polizeiliches Führungszeugnis. Neben dem BDKJ haben auch der Diözesan-Caritasverband 215

216 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE (DiCV), die Stiftung Katholische Freie Schule, die Frauenorden, der DJK-Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart und viele andere eigene Anstrengungen zur Aufklärung und Prävention von sexualisierter Gewalt unternommen. Dazu gehören neben Beauftragten und Regelungen auch Telefonhotlines für Betroffene. [jugendforum] 3 Ein weiteres Handlungsfeld, das bereits vor Beginn des diözesanen Dialog- und Erneuerungsprozesses begonnen wurde, dessen dialogische Konzeption und dessen Ergebnisse aber erheblichen Anteil an den Ergebnissen des Prozesses insgesamt haben, ist das vom Bischöflichen Jugendamt durchgeführte [ jugendforum] 3. Nach Experimenten in der Praxis der Jugendarbeit legte die Jugend bereits Ende 2010 der Diözesanleitung 60 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der kirchlichen Jugendarbeit vor. In einem Update im März des laufenden Jahres wurden folgende Themenfelder angegangen: die Kooperation von kirchlicher Jugendarbeit und den Schulen, die bessere Verzahnung von Jugendarbeit und Firmkatechese, die Schaffung und Ausweitung von jugendspirituellen Zentren beziehungsweise die Definition von Standards für diese neuen Orte der Jugendarbeit, die Formulierung von spezifisch regionalen Konzepten der Jugendpastoral sowie die Qualifizierung von Mitarbeiter/- innen im Bereich der digitalen Medien. Bis Herbst 2013 wird es in praktisch allen Dekanaten ein Konzept für Jugendarbeit geben, das auf die spezielle regionale Situation Bezug nimmt und Schwerpunkte setzt zum Beispiel: jugendspirituelle Zentren und Jugendkirchen, Schwerpunkte an Schulen, aber auch gezielte Unterstützung der Gemeindeebene. Im Bereich der innerkirchlichen Laufbahn haben wir für Jugendreferenten/-innendie Möglichkeit eröffnet, sich durch entsprechende Maßnahmen für den Beruf des Gemeindereferenten/der Gemeindereferentin zu qualifizieren. Dadurch erreichen wir zugleich eine Vermehrung der Zahl der Gemeindereferenten/-innen und somit eine bessere Versorgung der Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten mit diesem pastoralen Dienst. Eine wichtige Neuerung im 216

217 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Dienst der menschennahen und diakonischen Pastoral. Die Diözesanleitung trifft sich künftig regelmäßig zu einem jugendpastoralen Dialog, um die Zielgruppe "junge Menschen" unabhängig von der Zuständigkeit der einzelnen Abteilungen im Blick zu haben und nötige Kooperationen schneller realisieren zu können. Das Projekt "Gemeinde" In zahlreichen Gesprächen habe ich wahrgenommen, dass die größte Sorge der Kirchenmitglieder der Zukunft der Kirchengemeinden und der Seelsorge gilt. Wie steht es um die Regelmäßigkeit von Eucharistiefeiern? Wie kann Kirche den Menschen angesichts wachsender personeller Engpässe und vor allem angesichts der weniger werdenden Priester, nahe bleiben? Wie entfaltet das Evangelium seine Kraft zum Heil der Menschen? Mit diesen Fragen setzen sich die Mitarbeiter/-innen des Projekts Gemeinde auseinander. Das Projekt, das bis Ende 2014 anberaumt ist, soll die Seelsorge vor Ort, die Pastoral im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und der neuen Herausforderungen stärken und weiterentwickeln helfen. Die vier Teilprojekte des Gesamtprojekts befassen sich mit der Organisation der Gemeindepastoral, den personellen Ressourcen, der Praxis in Liturgie, Verkündigung und Diakonie sowie mit Adaption und Transfer. Um das Projekt handlungsfähig zu machen, wurden hier aus dem Diözesanhaushalt finanzielle Mittel in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ziel und Maxime des Projekts ist es, Lösungen nicht einfach von oben nach unten zu verordnen, sondern in wirklich dialogischer Zusammenarbeit mit der Basis der Verschiedenheit der pastoralen Situationen gerecht zu werden. Zudem wurde schnell deutlich, dass wir im Sinne einer missionarisch-diakonischen Kirche nicht nur die Gemeindemitglieder und aktiven Kirchgänger im Blick haben dürfen, sondern alle Menschen, die in einem konkreten Sozialraum, d.h. in einem Dorf, in einem Stadtteil, in einer Stadt leben. 217

218 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Grundlage aller Zukunftsperspektiven in der Seelsorge wird der Blickwechsel von der lebendigen Gemeinde zur aktiven Kirche im Ort sein. Und dieser Blickwechsel hat Konsequenzen: Nicht mehr der Erhalt der bisherigen Strukturen wird im Mittelpunkt des pastoralen Handelns stehen, sondern die Orientierung an der Lebenswelt der Menschen und die daraus erwachsenden Aufgaben. Einzelne Kirchengemeinden werden nicht mehr die Vollversorger in Sachen Spiritualität und Pastoral sein. Sie sind eingebunden in ein pastorales Netzwerk, zu dem zum Beispiel die anderen Kirchengemeinden einer Seelsorgeeinheit oder auch die Einrichtungen großer kirchlicher Sozialträger zählen. Zudem ist es unerlässlich, die Qualität pastoralen Handelns regelmäßig zu überprüfen und zu fördern. Denn das erste Ziel des pastoralen Handelns ist nicht, Menschen für die Mitarbeit in der Gemeinde zu rekrutieren. Das erste Ziel des pastoralen Handelns ist es, Menschen mit Gott in Berührung zu bringen. Dabei müssen wir insbesondere die sogenannten Feiern der Lebenswenden wie Taufen, Firmungen, Hochzeiten, Beerdigungen, aber auch Einschulungs- und Erstkommuniongottesdienste noch stärker in den Blick nehmen. Ein solcher Blickwechsel in der Pastoral hat auch Auswirkungen auf die Priester und alle Seelsorger/-innen im Haupt- oder Ehrenamt. Künftig wird weniger der Einzelkämpfer, sondern vielmehr der Teamspieler gefordert sein von der Allzuständigkeit, vor allem des Priesters, werden wir uns hinentwickeln zu einem Verteilen der Aufgaben auf viele Schultern. Dabei wird dem leitenden Pfarrer weiterhin eine zentrale Rolle zukommen. Den leitenden Pfarrern der Seelsorgeeinheiten wird vom Bischöflichen Ordinariat besondere Unterstützung für ihre anspruchsvoller gewordenen Führungsaufgaben angeboten. Ein entscheidender Schritt zur Entlastung der leitenden Pfarrer in den Seelsorgeeinheiten wird die verstärkte Beteiligung von haupt- und ehrenamtlichen Laien an der Gemeindeleitung vor Ort sein. Ich werde dabei die gesamten Spielräume des Kirchenrechts und der Kirchengemeindeordnung unserer Diözese ausnutzen. Konkrete Schritte werden sein: die verstärkte Ermöglichung einer Gemeindeleitung nach can. 517,2 und die Profilierung von hauptamtlichen pastoralen Ansprechpersonen durch den Erhalt des Stimmrechts im Kirchengemeinderat der Gemeinde, für die sie zuständig sind. Im Sinne des gemeinsamen Priester- 218

219 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE tums aller Gläubigen hat auch Konkurrenzdenken zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen genauso wenig Platz wie die Sichtweise, dass ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen nur Helfer der Hauptamtlichen sind. Mitte und Ziel des kirchlichen Lebens vor Ort ist und bleibt die Feier der Eucharistie. Alle Priester im aktiven Dienst sind angehalten, am Sonntag (einschließlich der Vorabendmesse) drei Eucharistiefeiern vorzustehen. Dort, wo keine Eucharistiefeier am Sonntag angeboten werden kann, ist es in unserer Diözese gute Tradition, dass sich die Gemeinde zur Wortgottesfeier, gerne verbunden auch mit der Kommunionspendung, in der Kirche versammelt. Diese gute Tradition unserer Diözese werde ich weiterhin als Bischof garantieren und aktiv fördern. Besonders danke ich den vielen haupt- und ehrenamtlichen Leiter/- innen von Wortgottesfeiern für ihren wertvollen Dienst. Alle diese genannten Herausforderungen in der Pastoral erfordern auch eine intensivere Fort- und Weiterbildung der Priester und aller hauptamtlichen pastoralen Dienste. Hier brauchen wir in unserer Diözese eine neue Kultur. Deshalb startet im ersten Halbjahr 2015 ein Fortbildungscurriculum, an dem alle Priester und pastoralen Dienste gemeinsam in den jeweiligen Pastoralteams teilnehmen werden. Im kommenden Jahr werden zwei Gemeindeforen im Juli und im September zur Implementierung der Ergebnisse des Projekts Gemeinde stattfinden. Damit auch der Dialog mit den Engagierten in den Gemeinden nicht abbricht, ist bereits im November 2014 ein großer Kongress zum Ehrenamt und seiner Förderung in Planung. Frauen in der Kirche Frauen und Männer sind nach der biblischen Botschaft in gleicher Weise Abbild Gottes. Sie sind eins in Christus. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus (Gal 3,28). Um diese Botschaft glaubwürdig zu verkörpern, müssen in unserer Kirche noch erhebliche Schritte zu einem gerechten Miteinander zwischen Frauen und Männern getan werden. Frauen haben einen erheblichen Anteil am 219

220 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Gelingen der Kirche. Als hauptamtliche Mitarbeiterinnen sind sie in sämtlichen Bereichen der Seelsorge und der Verwaltung tätig. Sie nehmen in den verschiedensten Bereichen Führungsaufgaben wahr. So ist beispielsweise die Diözesanleitung des BDKJ/BJA seit Jahren paritätisch besetzt. In der Sitzung des Bischöflichen Ordinariats sind derzeit bereits vier Frauen vertreten. Im säkularen Bereich würden wir sie Ministerinnen nennen. Somit sind 25 Prozent derer, die in höchster leitender Verantwortung stehen, Frauen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Anteil der Frauen in den verschiedenen Gremien der Diözese. Im Diözesanrat, der obersten Laienvertretung der Diözese, beträgt der Frauenanteil in der aktuellen Amtsperiode unter den stimmberechtigten Laien 53 Prozent 2. Zudem nimmt eine große Zahl Frauen in den Kirchengemeinden Verantwortung wahr, beispielsweise als Mitglieder der Kirchengemeinderäte. Hier sind es 50 Prozent Frauen. Bereits im letzten Jahr habe ich angekündigt, mehr Führungspositionen für qualifizierte Frauen öffnen zu wollen. Die Gleichstellungsbeauftragte hat mein Anliegen aufgegriffen und zusammen mit der diözesanen Frauenkommission Vorschläge zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen erarbeitet. Auf Grundlage dieser Vorschläge hat im vergangenen April 2013 das Projekt Frauen in Führungspositionen 2020 seine Arbeit aufgenommen. In den zahlreichen Gesprächen, die ich als Bischof in den letzten Jahren geführt habe, wurde immer wieder deutlich, wie sehr sich insbesondere Frauen, aber auch viele Männer, den Zugang für beide Geschlechter zu den kirchlichen Weiheämtern wünschen. Den Ausschluss von Frauen vom Priesteramt und dem Diakonat empfinden insbesondere engagierte Frauen als persönliche Verletzung. Viele Frauen haben mir immer wieder geschildert, wie sehr sie darunter leiden, ihre Charismen nicht innerhalb eines Weiheamtes einbringen zu können. Deshalb habe ich dieses Thema bewusst mit in den Dialogprozess hineingenommen. Ich kann aber nicht davon absehen, dass die Zulassung zur Weihe von Frauen nicht im Bereich der Selbstbestimmung der Ortskirche, sondern in der Letztverantwortung der Universalkirche liegt. 220

221 THEMEN UND HANDLUNGSFELDER Die katholische Kirche sieht sich, so formuliert es Johannes Paul II., aus Treue zum Vorbild des Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. 3 Die Dokumente Inter Insignores von 1976 sowie Ordinatio Sacerdotalis von 1994 verweisen hierbei auf das Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln gewählt habe, und auf die Fortsetzung dieser Tradition durch die Apostel. 4 Eine Veränderung der derzeitigen Praxis der Kirche wird es deshalb aus heutiger Sicht nicht geben. Im Unterschied zur klaren Beantwortung der Frage nach dem Priestertum der Frau gibt es für den Diakonat der Frau keinen solchen abschließenden Bescheid. Doch ist auch das Diakonat der Frau faktisch und vom katholischen Kirchenverständnis eine Frage, die auf Ebene der Weltkirche geklärt werden muss und nur von dieser Ebene her geklärt werden kann. Mit anderen Worten: Bezogen auf die Gesamtsituation der Ortskirchen der universalen katholischen Kirche, ist die Zeit noch nicht reif. 5 Einen Sonderweg der katholischen Kirche in Deutschland oder gar einer einzelnen Diözese kann es meines Erachtens nicht geben. Die Einführung eines Diakonenamts für Frauen sui generis, wie es neuerdings vorgeschlagen wurde, halte ich nicht für zielführend. Allerdings können und müssen die deutschen Diözesen die Stellung der Frau in den anderen Diensten und Ämtern noch erheblich verbessern und steigern und hier eine Vorreiterrolle für die Universalkirche übernehmen. Dies unterstütze ich nachdrücklich! 6 In der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist schon vieles in diese Richtung Weisende geschehen. Wiederverheiratete Geschiedene Ein weiteres Thema, an dem wir im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses intensiv gearbeitet haben, ist der Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen. Nach kirchlichem Recht ist eine gültig geschlossene sakramentale Ehe unauflöslich. Dennoch ist es mir wichtig festzustellen, dass Menschen, deren Beziehung gescheitert ist, in die Mitte der Kirche gehören. Eine Scheidung schließt weder von den Sakramenten noch von anderen Rechten in der Kirche 221

222 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE aus. Aber auch Menschen, die nach einer gescheiterten Ehe mit einem neuen Partner eine ernsthafte Gemeinschaft eingehen und vielleicht sogar gemeinsame Kinder haben, gehören zur Kirche. Ein wegweisendes Signal dazu hat Papst Benedikt XVI. gesetzt. Er bezeichnete das Problem der wiederverheirateten Geschiedenen heute als eines der großen Leiden der Kirche und fügte hinzu: Es scheint mir eine große Aufgabe einer katholischen Gemeinde zu sein, wirklich nur alles Mögliche zu tun, damit sie sich geliebt und akzeptiert fühlen, damit sie spüren, dass sie keine Außenstehenden sind, auch wenn sie nicht die Absolution in die Eucharistie empfangen können: Sie müssen sehen, dass sie auch so vollkommen in der Kirche leben. Auch im Kreis der Bischöfe gibt es inzwischen Überlegungen Wege der Barmherzigkeit zu finden, geschiedenen Wiederverheirateten eine Teilnahme an den Sakramenten zu ermöglichen. In mehreren Stellungnahmen habe ich versprochen, das Anliegen eines barmherzigen Umgangs mit den wiederverheirateten Geschiedenen in die Deutsche Bischofskonferenz einzubringen. Dieses Anliegen ist in der Bischofskonferenz angekommen und wird inzwischen in zwei verschiedenen Arbeitsgruppen behandelt wird. Das stellt die Unauflöslichkeit der Ehe nicht infrage, berücksichtigt aber das Scheitern von Beziehungen. Die Geschichte einer jeden Ehe und auch ihres Scheiterns ist individuell. Dem wollen wir im intensiven seelsorgerlichen Gespräch gerecht werden. In zahlreichen Äußerungen zu diesem Thema, wie in den Neujahrsansprachen von 2011 und 2012, sowie in den beiden Pressekonferenzen zum Dialogprozess und auch in meinem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2012 habe ich festgestellt: Wir alle müssen das Scheitern von Menschen und ihrer Lebensplanung ernster nehmen und Hilfen anbieten, damit neues Leben gelingen kann. 7 Auch das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit! Doch trotz dieser Bemühungen und Zusagen fühlen sich wiederverheiratete Geschiedene oftmals nicht als vollwertig in der Kirche akzeptiert oder gar zurückgestoßen. Als Bischof setze ich mich für einen sensiblen und differenzierten Umgang mit der individuellen Situation der wiederverheiratet Geschiedenen ein. 222

223 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Deshalb habe ich einen Brief an die von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe von sechs Bischöfen geschrieben, der Lösungen in dieser Richtung nachdrücklich anmahnt. Ich erwarte auch, dass die Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz zum Arbeitsrecht die Möglichkeit eröffnet, dass wiederverheiratete Geschiedene in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis stehen können. Konfessionsverbindende Ehepaare und Familien Ein weiteres Handlungsfeld ist der Umgang mit Menschen in konfessionsverbindenden Ehen und Familien. Dies hat in unserer Diözese eine große Bedeutung, da bei den württembergischen Katholiken Ehen zwischen katholischen und evangelischen Partnernmehr als die Hälfte der geschlossenen Ehen ausmachen. Auch als Schirmherr des Netzwerks konfessionsverbindende Ehepaare und Familien liegt mir dieses Thema persönlich sehr am Herzen. Aufgrund dessen habe ich bereits im Herbst 2011 eine eigene Arbeitsgruppe einberufen mit dem Auftrag, pastorale Regelungen zu finden, die die konkrete Situation von konfessionsverbindenden Familien stärker in den Blick nehmen als bisher. Die Arbeitsgruppe hat einen Vorschlag erarbeitet, wie es in den kommenden Jahren gelingen kann, in konfessionsverbindender Ehe lebenden Paaren in bestimmten Fällen und Situationen die gemeinsame volle Teilnahme an der Eucharistiefeier zu ermöglichen. Ich sehe die Möglichkeit des Kommunionempfangs für evangelische Ehepartner, insofern sie das katholische Eucharistieverständnis mittragen können. Meine Position, in konfessionsverbindenden Ehen im Einzelfall nach bestimmten Kriterien den evangelischen Partner zur Kommunion zuzulassen, habe ich ebenfalls in einem jüngst geschriebenen Brief in die Bischofskonferenz eingebracht. Auch hier habe ich mein Versprechen, diese Fragen auf die Agenda der Deutschen Bischofskonferenz zu setzen das ich auch mehrere Male öffentlich formuliert habe eingelöst. 223

224 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Zölibat des Weltpriesters Ein Thema, das in Gesprächen und Briefen immer wieder erörtert wurde, war die Frage nach dem Zölibat der Priester. Mir war es stets ein Anliegen, darüber ins Gespräch zu kommen. Ich verstehe Ihre Sorge um die individuelle Lebenssituation der Priester und auch die mit der Ehelosigkeit der Priester verknüpfte Sorge um den Priestermangel in den Kirchengemeinden. Ich selbst verstehe in der Lebensform Zölibat ein hohes Gut, das tief in der geistlichen Tradition der Kirche verankert ist. Hierbei geht es um mehr als um eine beliebige kirchenrechtliche Regelung. Die Ehelosigkeit der Priester bleibt ein besonderer und zeichenhafter Weg in der Nachfolge Jesu Christi und im Dienst der Kirche. Deshalb werde ich eine Veränderung der derzeitigen Position und Praxis der Kirche nicht anstreben. Menschenfreundliche und lebensdienliche Sexualmoral Das Thema der Sexualmoral wurde in den Gesprächen immer wieder genannt. Mit circa 50 Jugendlichen habe ich in Wernau einen Nachmittag und Abend sehr persönlich und ernsthaft darüber gesprochen. Ich schätze das Thema keineswegs gering und möchte es auch nicht undiskutiert lassen. Allerdings ist das Thema Sexualmoral ein sehr sensibles. Dabei geht es nicht nur um kirchliche Normen, die in der Gesellschaft auf Unverständnis stoßen. Es gilt: Wer in guter Weise über Sexualität sprechen will, muss über Beziehung sprechen, über Freundschaft, Liebe, Vertrauen, Verlässlichkeit, über Treue, über die Sehnsucht nach gelingender Partnerschaft, über Ehe, Kinder und die Bedeutung von Familie. Menschen sind offen für diese Themen, allerdings reagieren sie sensibel auf Bevormundung. Es wird deshalb eines längeren Weges bedürfen, der nicht nur in der Kirche gegangen werden kann, um hier zu einer angemessenen und diskreten Sprache zu finden. Ich wünsche mir sehr, dass die Kirche ein Ort wird, an dem diese Aufgabe gelingt. In der Vergangenheit war die Kirche wohl nicht immer sensibel genug dafür, in der Gegenwart tut sie sich, wie viele andere in der Gesellschaft, schwer damit. Ich hoffe auf die Kompetenz vieler in diesem Bereich, um das Thema Sexualität und Sexualmoral aus der Sprachlosigkeit zu befreien. 224

225 DIALOGISCHE KIRCHE ALS ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE Fazit In den letzten Jahren hat sich in der Diözese vieles bewegt. Viele Themen wurden besprochen. In einigen Bereichen haben wir bereits erste Schritte unternommen, andere Themen sind noch auf dem Weg. Sicherlich haben einige von Ihnen auf noch weitreichendere Reformen gehofft. Dennoch haben wir auf der Ebene unserer Diözese weitreichende Veränderungen angestoßen. Die Erneuerung unserer Kirche, der Kirche Jesu Christi lokal und universal in der Kraft des Heiligen Geistes, bleibt eine ständige Aufgabe des pilgernden Gottesvolkes. Erneuert euren Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an. (Eph 4,23) Der Dialogprozess lebt von der dialogischen Grundhaltung unserer Diözese. Deshalb markiert die Abschlussveranstaltung am 22. Juni 2013 keinen Endpunkt, sondern zugleich einen Doppelpunkt. Wir werden an der Umsetzung und Schärfung der Themen weiterarbeiten. Und wir werden aus dem Prozess der Zeit des Hörens dialogischer herauskommen, als wir in diese eingetreten sind. Wir sind und bleiben eine Ortskirche im Dialog. Der Dialog und die Erneuerung gehen weiter! 225

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227 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN 227

228 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Neujahrsansprache 2011 Kirchenkrise als Kairos geistlicher Erneuerung Stuttgart, 6. Januar 2011 Meine sehr geehrten Damen und Herrn! Lassen Sie mich ohne Umschweife beginnen: Das Jahr 2010 war für die katholische Kirche alles andere als ein einfaches Jahr. Meine diesjährige Rede hat deshalb mehr als sonst auf den ersten Blick eher innerkirchlichen Charakter. Aber der innere Zustand der Kirche und die binnenkirchliche Atmosphäre ist für die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Wirkung nach außen von großer Bedeutung. Welches Bild wir als Kirche nach außen abgeben, hängt unmittelbar mit dem inneren Zustand unserer Kirche zusammen. Glaubwürdigkeit erlangt man durch glaubwürdiges Sein und Handeln. Menschen schauen sich die Kirche genau an und fragen: Ist in der Kirche drin, was draufsteht? Je nachdem werden sie sie beachten, ignorieren oder ablehnen. Ein Erneuerungsprozess muss daher von innen kommen! Eine kritische Darstellung dessen, was in der Kirche 2010 war und welche Lehren und Konsequenzen wir als Kirche daraus ziehen müssen, ist deshalb auch eine Botschaft an die Öffentlichkeit, die ich zu diesem Neujahrs-Empfang ja auch mit einlade und erreichen möchte. Und so möchte ich diesem Erneuerungsprozess von innen einige Überlegungen widmen. ( ) Die Räte unserer Ortskirche 2010 war oft zu hören, die Verantwortlichen der Katholischen Kirche würden 228

229 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN den Christen-Menschen zu wenig zuhören, sie würden das Volk Gottes zu wenig ernst nehmen und sich zu wenig raten und beraten lassen. In der Tat, Rat und Beratung sind für uns als Kirche von großer Bedeutung. Ich möchte deshalb hierzu insbesondere zur Bedeutung der Räte einiges ausführen, geht es doch um die kirchenrechtlich vorgeschriebene und ortskirchlich geregelte Mitwirkung und Mitverantwortung der Laien in der Kirche. Rat und Beratung erhält und erwartet der Bischof und die Diözesanleitung in Rottenburg-Stuttgart in qualifizierter Weise vom Diözesanrat, der sich unter Leitung des Präsidiums regelmäßig trifft. Er besteht aus ca. 100 aus dem Gottesvolk gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Diözese und berät in Sachen der Pastoral sowie des kirchlichen und politischen Handelns der Diözese. Und er hat in unserer Diözese einzigartig in der Universalkirche! als Kirchensteuervertretung die Finanzhoheit und beschließt den Haushalt. So haben wir z.b. die Pastoralen Prioritäten das heißt das, was die Seelsorge und das kirchliche Handeln leiten soll und für die Pastoral diözesanweit vom Bischof in Kraft gesetzt wird mit großem Erfolg in den Jahren 2002 und 2003 gemeinsam erarbeitet. Sie sind bis heute hochaktuell und in Geltung. Die sehr weitreichenden Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung konnte die Diözesanleitung zusammen mit dem Diözesanrat fassen und ohne Entlassungen und ohne größere Konflikte realisieren. So haben wir und ich bin stolz darauf dank des Zusammenwirkens von Diözesanleitung und Diözesanrat einen schuldenfreien Doppelhaushalt 2011/2012 verabschieden können. Weil die Räte so wichtig sind und erfolgreich, effektiv und effizient arbeiten, rufe ich ihre Bedeutung für unsere Ortskirche immer wieder in Erinnerung. Und ich kann dieses Modell, das wir das Rottenburger Modell nennen, nur über die Diözesangrenzen hinaus empfehlen. Es bewährt sich im konstruktiven Miteinander, gerade in so schwierigen Situationen wie im Augenblick in unserer Kirche. Am 11. September 2010 konnten wir das 40-jährige Bestehen unseres Diözesanrates feiern. Bei diesem Anlass habe ich das Wirken der Räte erneut und nachdrücklich begründet und gezeigt, wie wichtig mir in der Ortskirche Rottenburg-Stuttgart die aus frei gewählten, getauften Christinnen und Chris- 229

230 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN ten bestehenden Räte auf der Kirchengemeindeebene, der Dekanatsebene und Diözesanebene sind und welch wichtige Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte sie haben.wir können dankbar dafür sein, dass mit der Einrichtung der verschiedenen Räte der Laien wichtige institutionelle, personelle und vor allem inhaltliche Schritte zu synodalen Strukturen der Kirche im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils getan werden konnten. In aller Öffentlichkeit möchte ich deshalb meinen Dank aussprechen für die Arbeit der Räte, insbesondere meinen Dank richten an den achten Diözesanrat, dessen Amtszeit zu Ende geht. Ich danke dem Präsidium und Herrn Dr. Johannes Warmbrunn, dem Sprecher des Diözesanrats, für die vertrauensvolle und konstruktive und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit. Inzwischen haben Neuwahlen stattgefunden. So möchte ich auch all denjenigen danken, die sich für den 9. Diözesanrat zur Wahl gestellt haben, und all denen meine Gratulation aussprechen, die gewählt worden sind. Im März vergangenen Jahres hat auch die Neuwahl der Kirchengemeinderäte stattgefunden auf dem Höhepunkt der durch den Missbrauchsskandal erzeugten Kirchenkrise. Die Wahlbeteiligung und die Bereitschaft von Kandidaten, sich aufstellen zu lassen, haben Gott sei Dank darunter nicht gelitten. So konnten wie in den Wahlen zuvor wieder ca Ehrenamtliche in die Kirchengemeinderäte gewählt werden! Auch hierfür möchte ich sehr herzlich Dank sagen. Warum sage ich Ihnen das in der Neujahrsansprache 2011? Wenn wir heute, und das ist eine Herausforderung in dieser Zeit der Krise an uns als Kirche, christliche Gemeinden als Orte verstehen und gestalten wollen, in denen die christliche Botschaft gegenwärtig ist und lebendig erfahren und erlebt werden kann, dann wird deutlich, wie wichtig in der Pastoral und für sie die Mitwirkung und Mitverantwortung der getauften und gefirmten Christen vor Ort ist. Eine Kirchengemeinde soll eine für die Menschen in ihren Sorgen und Nöten bewohnbare Gemeinschaft sein, in der für die zerrissenen Seelen unserer Zeit etwas erfahrbar wird vom Heil und der Heilung durch die christliche Botschaft. Es geht um die Verwirklichung der Kirchengemeinde und der Seelsorgeeinheiten als Orte, als geistlich lebendige Räume, in denen und an denen die Frohe Botschaft des Christentums, 230

231 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN das heilsame Evangelium Jesu Christi erlebbar wird, und wo Menschen in dieser oft heil- und gnadenlosen Welt Halt finden und die schützende und rettende Kraft des Glaubens erfahren können. Als zur Verwirklichung anstehende Vision muss uns dies immer vor Augen stehen. Unsere Pastoral muss derart gestaltet sein, dass es uns wenigstens in Anfängen gelingt, dass der Gott, der sich uns in Jesus Christus gezeigt hat, der unter uns erschienen ist, in unseren Gemeinden und Gemeinschaften lebendig und erfahrbar wird. Unsere Pastoral muss so stattfinden, dass der Gott des Lebens in der Art des Zusammenlebens seiner Jüngerinnen und Jünger als der barmherzige Gott lebendig ist, der im Scheitern der Menschen gnadenvoll gegenwärtig wird und in ihre gebrochenen Biographien und in ihre seelische Obdachlosigkeit mit der Kraft seiner Liebe heilsam hineinwirkt. Selbstkritisch müssen wir uns fragen: Sind unsere Gemeinden in dieser Weise Biotope des Lebens, der Liebe, der Hoffnung? Geben wir als Kirche ein solches Bild nach außen ab? Nehmen uns Menschen so wahr? Erleben wir selbst die Kirchengemeinde im Miteinander so? Bilden wir Räume, in denen wir versöhnt zusammenleben, in denen Menschen in Würde leben können? Räume, wo gegenseitiger Respekt, Freude aneinander, Wertschätzung, geheiltes Leben, erlöstes Dasein in all unseren Zerrissenheiten gelebt und erfahrbar wird? Können wir in unseren Gemeinden etwas davon spüren und erfahren lassen, dass wir erlöste, aus unseren Verlorenheiten gerettete Menschen sind? In diesem Sinne lebendige Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten sind das A und O für eine lebendige Kirche. Deshalb wollen wir von der Leitung der Diözese her alles tun, um die Gemeinden strukturell und personell so auszustatten und zu unterstützen, dass dies möglich ist. Gemeindeerneuerung in diesem Sinne ist Erneuerung unserer Kirche. Die Gaben und Begabungen der Christen sind also von großer Bedeutung für unser Kirchesein. Dass sie in die Seelsorge, in die Pastoral vor Ort, im Ehrenamt oder im persönlichen Engagement auch eingebracht werden können, ist lebensnotwendig für eine lebendige Kirche. Und lebendige Gemeinden können nur leben durch das Engagement von Christen vor Ort. 231

232 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Läuterung und Erneuerung der Kirche Am 3. Februar des letzten Jahres kam ich voll tiefer Erfahrungen und Eindrücke kirchlich-christlichen Lebens und Handelns von einer dreiwöchigen Pastoralreise in Indien zurück. Schon am ersten Tag und in den folgenden Tagen mit wachsendem Maße brachen Nachrichten über sexuellen Missbrauch durch Ordensleute und Priester der katholischen Kirche wie ein gewaltiger Tsunami über die katholische Kirche herein. Dies wuchs sich zu einem bisher nicht gekannten öffentlichen Skandal für die Kirche aus. Er führte schließlich zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche und ihres Seelsorgepersonals. Die katholische Kirche geriet in die größte Vertrauenskrise hinein, seit ich denken kann. Wir müssen hier angesichts dessen, was geschehen ist, in aller Demut um Vergebung bitten! Seit dem ersten Tag ihres Bekanntwerdens sind wir als Kirche dabei, uns diesen furchtbaren Geschehnissen sexuellen Missbrauchs zu stellen. Dabei wurde in der Öffentlichkeit meist übersehen, dass in unserer Ortskirche Rottenburg- Stuttgart bereits seit 2002, als Reaktion auf schon damals bekannt gewordene Fälle in den USA, eine unabhängige Kommission von mir eingesetzt wurde, die nach einer, der Öffentlichkeit bekannten, transparenten Verfahrensweise mit Anzeigen von Missbrauch umgeht. Eine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft erschien uns in den allermeisten Fällen als angemessen und selbstverständlich. Die Täter wurden und werden zur Rechenschaft gezogen und aus ihrem Dienst abgezogen. Die Opfer werden angehört und ihnen muss Gerechtigkeit widerfahren. Mit mehr als zehn Männern und Frauen, die Opfer geworden waren, habe ich persönlich gesprochen und mich bei ihnen entschuldigt. Wir sind dabei, uns dem diesen Menschen zugefügten, sehr großen Leid und Unrecht zu stellen rechtlich und seelsorglich. Und ich möchte bei dieser Gelegenheit den Mitgliedern der Kommission sexueller Missbrauch und ihrem Vorsitzenden, Herrn Dr. Antretter, für ihre verantwortungs- und mühevolle Arbeit herzlich danken. Nach dem Bekanntwerden von Vorkommnissen seit Februar 2010 Anzeigen, Gerüchte und Fälle, die allermeist weit zurückgehen, teilweise bis 1950 und früher 232

233 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN haben wir die Opfer noch mehr in die Mitte unserer Achtsamkeit und Sorge gestellt. Zusammen mit 150 Priestern habe ich im Dom zu Rottenburg eine öffentliche Eucharistiefeier gefeiert und in einem ausdrücklichen Schuldbekenntnis Gott und die Menschen um Vergebung gebeten für das, was geschehen ist. In mehreren Publikationen habe ich meine Stellungnahmen, Predigten und Gottesdienste veröffentlicht und einem größeren Kreis zugänglich gemacht. In Vorträgen und Bildungsveranstaltungen haben auch mit der Situation vertraute Verantwortliche Rede und Antwort gestanden. Die Auswirkungen des Skandals spüren wir in der katholischen Kirche bis heute, und wir tragen schwer daran. Wir werden uns der Verantwortung in keiner Weise entziehen. Es gibt an dem, was geschehen ist, nichts zu beschönigen. Ich möchte jedoch sagen dürfen, dass nach dem heutigen, aufrichtigen Wissensstand 99% des Klerus der Diözese Rottenburg-Stuttgart frei ist von dieser schweren Schuld. Ich möchte auch fragen dürfen wenngleich dies manchen nicht opportun scheint: Wer ist wirklich öffentlicher Anwalt der Opfer, deren Missbrauch auch außerhalb der Kirche geschehen ist? Wer sorgt sich mit Nachdruck um sie? Und ich frage auch, warum es in der öffentlichen Diskussion fast wie ein Tabu behandelt wird, dass der weitaus größere Teil der Opfer mitten in der Gesellschaft zu Opfern sexuellen Missbrauchs werden? Die Zahlen, hier unter uns in Deutschland, sind erschütternd. Sie bewegen sich im Zeitraum von 2006 bis 2010 zwischen und jährlich angezeigten Fällen. In 2006 sind es zum Beispiel Fälle. Entsetzt bin ich über die Vorkommnisse an der Odenwaldschule. Entsetzt über die Aussage eines, von den Opfern schon vor 2010 zu Gesprächen zwischen Verantwortlichen der Odenwaldschule gebetenen Psychologen, der nach den Gesprächen die pädagogische Praxis an der Odenwaldschule als Kindsmissbrauch als Kulturprogramm bezeichnete. So die Meldung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 2. Januar Im Fall der Odenwaldschule waren Persönlichkeiten involviert und an der Vertuschung beteiligt, die bisher bei mir und uns allen höchsten Respekt genossen haben. 233

234 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Ziel des Umgangs mit dem Thema Missbrauch in der Kirche muss sein, mit den furchtbaren Vergehen einiger so umzugehen, dass wir glaubwürdig nicht als Ablenkung von eigener Schuld für die Opfer in den anderen Bereichen unserer Gesellschaft eintreten können! Wer nimmt sich dieser traumatisierten Menschen an? Die Frage, warum es in einem Großteil der Medien ganz besonders in den ersten Monaten fast nur zu einer Debatte über die Verfehlungen in der katholischen Kirche gekommen ist, beschäftigt mich sehr. Ich möchte hier keine vorschnellen Einschätzungen abgeben. Ich habe sehr viel fairen Journalismus erlebt. Aber auch viel Häme, ja Hass und Feindschaft. Ich hatte eigentlich gedacht, dass solche Aktionen und Reaktionen in unserer gegenwärtigen Kultur überwunden wären. Ich spüre darin teilweise auch kirchenfeindliche Ressentiments aus früheren Zeiten, die ich in unserer informierten und toleranten Zeit für ausgestanden hielt. Dieses schmerzhafte Thema traf natürlich unsere Hauptamtlichen in der Pastoral besonders. Sie haben im Jahr 2010 viel Enttäuschung und Selbstzweifel erlebt und sich auch viel Unschönes anhören müssen. Ich bin deshalb für den Weihnachtsbrief des Diözesanrates an die Priester, Diakone und pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr dankbar. Das Präsidium hat im Zusammenhang des Endes der Wahlperiode des 8. Diözesanrats eigens an die Priester und Hauptamtlichen in der Pastoral gedacht und ihnen für ihre Arbeit gedankt. An die Priester gerichtet schreibt das Präsidium: Unser erster Gedanke gilt heute den Priestern in unserer Diözese. Wir sind froh, dass wir unsere Priester haben und schätzen in hohem Maße ihre Fähigkeit und ihren unermüdlichen Dienst Das schreckliche Versagen einiger weniger hat den Priesterberuf und die Kirche im Ganzen in eine Vertrauenskrise geführt. Die Priester gerieten insgesamt unter Generalverdacht. Die Sinnhaftigkeit und Kostbarkeit der zölibatären Lebensweise, die uns wichtig ist, wird vielfach nicht gesehen. In der Aufarbeitung der Probleme stehen unsere Priester nicht allein. Der Diözesanrat steht in großer Geschlossenheit an ihrer Seite. Unser gemeinsamer Auftrag ist es, all das im zurückliegenden Jahr zutage getretene Schmerzliche zu bewältigen. Da allein die Missbrauchsfälle nicht die Vertrauenskrise begründen, dürfen wir uns mit vordergründigen Erklärungsmus- 234

235 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN tern nicht zufriedengeben. Ein gemeinsames Anliegen ist unvermindert, den Priesterberuf insgesamt zu beleben und ihm zu neuer Geltung zu verhelfen. Meine Damen und Herren, die Vertrauenskrise der Kirche wurde ausgelöst durch die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle, aber sie gründet letztlich in Fragen und Sorgen, die sich schon seit Jahren in der katholischen Kirche stellen. Papst Benedikt schrieb im März des Jahres 2010 in seinem Brief an die Katholische Kirche in Irland: Für die Bewältigung der gegenwärtigen Krise sind Maßnahmen, die gerecht mit individuellem Unrecht umgehen, unerlässlich, aber allein für sich sind sie nicht ausreichend: Wir brauchen eine neue Vision, um zukünftige Generationen zu inspirieren, das Geschenk unseres gemeinsamen Glaubens zu schätzen. Bereits zwei Monate vorher hatte er Mitte Januar 2010 formuliert: Ein Blick in die Geschichte der Kirche zeigt uns, dass Kirche immer wieder der Reform bedarf dass sie ihr Gesicht verändern müsse und vermutlich eine neue Gestalt annehmen werde! Im jüngst erschienen Interviewbuch des Papstes ist von ihm die Aussage zu lesen: Das Christentum nimmt vielleicht ein anderes Gesicht, auch eine andere kulturelle Gestalt an. Es hat nicht den Kommandoplatz in der Weltmeinung inne, da regieren andere. Aber es ist die Lebenskraft, ohne die auch die anderen Dinge nicht weiterbestehen würden. Von der notwendigen Läuterung der Kirche müssen wir weiterschreiten zur geistlichen und strukturellen Erneuerung der Ortskirche! Dialogisch angelegter Erneuerungsprozess in unserer Diözese Ganz in der Richtung dieser Grundeinschätzung brauchen wir in der katholischen Kirche in Deutschland einen Läuterungs- und einen Erneuerungsprozess. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, hat einen strukturierten Dialog angemahnt, der von der Bischofskonferenz möglichst rasch wirklich begonnen werden sollte. Ein erstes sehr gelungenes eineinhalbtägiges Gespräch zwischen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken hat bereits stattgefunden und wird weitergeführt. Wir werden in der Ortskirche Rottenburg-Stuttgart einen dialogisch angelegten Erneuerungsprozess unverzüglich beginnen. Dabei wollen wir auch die Fragen 235

236 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN besprechen, die viele Christen bedrücken und am Herzen liegen: Wie geht es mit den Fragen der Geschiedenen und Wiederverheirateten weiter? Wie geht es mit den konfessionsverbindenden Ehen weiter? Wie steht es um die Stellung der Frau in der katholischen Kirche? Wir werden diesen Such- und Erneuerungsprozess in unserer Ortskirche ausdrücklich im Kontext des strukturierten Dialogs der Bischofskonferenz führen, wollen aber nicht abwarten, bis dieser beginnt! In ausgiebigen Gesprächen im Diözesanrat, im Bischöflichen Ordinariat und weiteren Gesprächskreisen sind die für die Durchführung des dialogisch angelegten Erneuerungsprozesses notwendigen Vorüberlegungen nahezu abgeschlossen. Dieser Erneuerungsprozess kann aber nicht einfach von oben verordnet werden, er braucht die Mitarbeit und Mitwirkung der getauften und gefirmten Christen, die wir als wirklich mitverantwortlich für das Sein und Handeln der Kirche anerkennen müssen. Diese Sicht der christifideles laici, der christgläubigen Laien, der Getauften und Gefirmten, ist in unserer Diözese seit dem Konzil schon weit fortgeschritten, so dass der beginnende Erneuerungsprozess von möglichst vielen engagierten Christen mitgetragen werden kann. Im Brief an die Priester, Diakone, pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe ich als Bischof zusammen mit dem Präsidium des Diözesanrats deshalb schon Ende letzten Jahres geschrieben: In unserer Diözese hat soeben der Dialogprozess begonnen, von dem wir hoffen, dass er gemeinsam mit Maßnahmen der Erneuerung gute und für Sie alle im positiven Sinne spürbare Ergebnisse bringen wird. Es muss gesagt werden: Der Dialogprozess in unserer Diözese hat schon intensiv begonnen! Und er wird intensiv fortgesetzt werden! Wir wollen, dass dieser Such-Prozess zur geistigen und realen Erneuerung mit Vertrauen und Augenmaß weitergeht. Seiner Kirche hat Gott zugesagt, dass Er mit ihr ist, dass Sein Heiliger Geist, der in Jesus Christus gewirkt hat und unter uns Auferstandenen gegenwärtig wirkt, uns stärkt, führt und leitet! Der dialogisch angelegte Erneuerungsprozess in einer Ortskirche wird im katholischen Kirchenverständnis im Kontext der Kollegialität der Bischöfe und 236

237 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Ortskirchen und der Universalkirche geführt werden. Aber was die einzelne Ortskirche tun kann, sollte sie mutig anpacken und die notwendigen Schritte zur Erneuerung tun. Dies ist keine einfache Aufgabe und wird allen Beteiligten viel abverlangen. Wo wir vom Gottesgeist geleitet vorangehen, wird die Kirchenkrise zum Kairos, zur geschenkten Chance, für eine wirkliche Erneuerung der Kirche aus der Kraft des Heiligen Geistes, im Dienst und zum Heil der Menschen und mit missionarischer Wirkung. Darauf vertraue ich, und von diesem Vertrauen lasse ich mich leiten. ( ) Ausblick Ich komme zum Beginn meiner Ausführungen zurück und schließe damit ab: Am meisten Freude und Mut hat mir im zurückliegenden Jahr die Begegnung mit der Jugend gemacht. Das von März bis Oktober 2010 durchgeführte JugendforumhochDrei war für mich sehr beeindruckend und ein wahres Hoffnungszeichen. Besonders die Art, wie es durchgeführt wurde, sowie die Ergebnisse, die es gebracht hat, waren bereits ein Beginn des Erneuerungsprozesses in unserer Ortskirche, den die Jugend unserer Diözese angestoßen hat und an dem nahezu alle Mitglieder der Diözesanleitung teilgenommen haben. Beim Abschlusstag in Wernau haben die Jugendlichen und die Leitung des bischöflichen Jugendamtes ihre Erwartung an die Kirche deutlich formuliert: Ihre Erwartung, als Jugend in der Kirche ihren eigenen authentischen Platz haben zu dürfen. Ihre Erwartung an sinnstiftende Spiritualität und Religiosität und ihre wache Zeitgenossenschaft, z.b. im Gebrauch und im Einsatz der neuen Medien dies alles hat mich begeistert. Die Jugendlichen haben mit ca. 60 Empfehlungen und Erwartungen der Diözesanleitung kräftig eingeheizt! 237

238 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Ich werde an alle Gemeinden unserer Diözese einen Brief richten, dass die Jugend die Zukunft unserer Kirche ist und dass entsprechend mit ihr umgegangen werden muss! Ich habe den beim Jugendforum in Wernau anwesenden Jugendlichen zugesagt, dass wir uns, als Diözesanleitung und Bischof, ihnen in zwei Jahren stellen werden, um geradezustehen für das, was wir von ihren berechtigten Erwartungen und Empfehlungen zur Erneuerung der Jugendarbeit, und damit eines wesentlichen Teils unserer Pastoral, verwirklichen konnten. Es ist unsere Pflicht als Kirche, sie, die Kinder und Jugendlichen in unserer Kirche um ihrer selbst willen anzunehmen, wertzuschätzen, aber auch um der Zukunft unserer Kirche willen! Heute und in der kommenden Generation sind sie die Kirche. Oder sie sind es nicht. Und dann sind wir als Kirche nicht mehr! In der Annahme der Kinder und Jugendlichen durch unsere Kirchengemeinden vermitteln wir ihnen die Annahme der Kinder und Jugendlichen durch Gott! Wir können ihnen keinen größeren Dienst tun. Und die jungen Menschen werden kritisch hinschauen, ob bei uns als Kirche das drin ist, was draufsteht! Ich danke Ihnen für Ihr Hiersein, für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen und uns allen ein von Gott gesegnetes Jahr 2011! Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart Dr. Gebhard Fürst 238

239 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Neujahrsansprache 2012 Lebendige Kirche in unruhiger Zeit Eine Ermutigung zum Leben und zum Glauben Rottenburg, 6. Januar 2012 ( ) Heimatlos Gewordenen Beheimatung ermöglichen Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern, liebe Brüder! Alle Dialoge und Erneuerungsprozesse haben im letzten das Ziel, eine Kirche lebendig zu gestalten, die für heimatlos gewordene, suchende Menschen bewohnbar ist: ganzheitlich, intellektuell, ethisch und ästhetisch. Das Ziel, heimatlos gewordenen Sinnsuchern Beheimatung zu ermöglichen in der Gemeinschaft von Glaubenden in einer lebendigen Verkündigung, das ist der Auftrag der Kirche. Unter Glaubens-Verkündigung verstehe ich hier die ganzheitliche Erschließung eines Lebenssinnes in gegenwärtiger Erfahrung hier und jetzt im Glauben und über den Tag und die irdische Zeit hinaus. Menschen auf der Suche nach Sinn und Erfüllung In diesem aufgezeigten Sinne sind die Menschen wie selten in der Geschichte auf der Suche nach Sinn, nach Sinnerfüllung. Einen Wandel von der Flucht in die Sinne zu einer Suche nach Sinn! stellt ein zeitgenössischer Forscher besonders bei Jugendlichen fest. Es muss im Leben mehr als alles geben, nämlich Sinn im transzendenten Sinne zu erleben. Menschen sind heute mehr Suchende denn je: Menschen auf ihrer Lebensreise. Hoffnung stellt sich ein als Weggefühl, wo sich Heimat erschließt, eine Herberge am Rand des Weges sich auftut. Und die Erfüllung beginnt, wenn dieses Suchen zu einem Finden wird. 239

240 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Dialog und Erneuerung in der Kirche Aber: Wir erleben gegenwärtig eine Phase in der katholischen Kirche, in der sich ihr Glaubenszeugnis verdunkelt hat. Sie wurde ausgelöst durch den sexuellen Missbrauch, auch in der Kirche. Dies hat eine wirkliche Vertrauenskrise bewirkt. So kamen Themen wieder hoch, die schon lange in der Kirche umstritten sind. Die Aufgabe, an der glaubwürdigen Gestalt und am überzeugenden Verhalten der Kirche in all ihren Gliedern zu arbeiten, stellt sich derzeit besonders drängend. Wie kann sich glaubwürdige Glaubensverkündigung ereignen, dass die Menschen nicht bloß hören, sondern die Lebenshaltigkeit dieser Botschaft bei sich selbst spüren? Zeit der Läuterung Ein erster Schritt zur Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit ist die Aufarbeitung dessen, was an Schlimmem geschehen ist. Wir haben von der Diözesanleitung her versucht, uns offen und transparent der Verantwortung zu stellen. Inzwischen sind Präventions-Konzepte für alle verschiedenen Bereiche der Ortskirche erarbeitet und entsprechende Maßnahmen in Kraft gesetzt, um ein Maximum an Schutz für Kinder und Jugendliche vor Missbrauch zu gewährleisten. Wir haben alle uns bekannten Opfer angeschrieben und sie eingeladen, die finanzielle Zuwendung und gegebenenfalls auch Therapiekosten zur Anerkennung erlittenen Leids anzunehmen. Die Täter wurden sofern noch am Leben zur Rechenschaft gezogen, aus der pastoralen Arbeit abgezogen und auch entsprechend bestraft. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verstehen uns, als Kirche, als Anwalt aller Menschen, die, wo auch immer irgendwie oder ganz konkret, Opfer geworden sind. Und unsere Gesellschaft muss insgesamt mehr Aufmerksamkeit für die Opfer aufbringen, die mitten unter uns in erschütternd großer Zahl leben. Es ist unser aller Pflicht, sich diesen schweren menschlichen Dramen noch intensiver und offensiver zu stellen und nicht uns in Schlagzeilen zu ergehen. 240

241 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Stand des Dialog- und Erneuerungsprozesses Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass wir nach intensiver Vorbereitung mit entsprechenden Gremien des Diözesanrates seit März 2011 in unserer Diözese einen Dialog- und Erneuerungsprozess durchführen. Wir führen ihn, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und die Pastoral vor Ort was ganz intensiv mit dem eingangs Gesagten in Zusammenhang steht zu qualifizieren. Zeit zu hören Wir haben uns eine Zeit zum Hören vorgenommen und Unterlagen zur Gestaltung des Dialogs den Gemeinden und Einrichtungen zukommen lassen. Nun sind manche skeptisch und sagen: Dieser Dialog wird doch nichts bringen. Ich bitte Sie, sofern Sie auf irgendeine Weise mit beteiligt sein können, diesem Dialog doch eine Chance zu geben! In den letzten Monaten dieses letzten Jahres habe ich schon zahllose Veranstaltungen besucht: Dekanatstage, Treffen mit Vertretern von Berufsgruppen. Ich habe mit vielen anderen Gruppierungen gesprochen, die Erwartungen der Menschen gehört und mit ihnen Dialoge geführt. Ich weiß auch, dass der Sprecher unseres Diözesanrates in vielfacher Weise solche Gespräche geführt hat. Angesprochene Inhalte und Themen werden an die eingerichtete Koordinierungsgruppe weitergeleitet und dort bearbeitet, damit wir uns weiter damit befassen und Konsequenzen ziehen können. Dabei, meine Damen und Herren, hat schon das offene Gespräch miteinander seinen Eigenwert. In unserer Kirche gibt es zur Pastoral, zu der Gestalt und Gestaltung der Dienste und Ämter, zur Erneuerung der Kirche Jesu Christi viele, oft auch sehr unterschiedliche Stimmen und auch gegensätzliche Positionen. Sie miteinander ins Gespräch zu bringen, damit Respekt und Verständnis füreinander wachsen, ist eine gute Sache, auch eine herausfordernde Aufgabe für uns alle. In der Vielfalt der Positionen die Einheit im Glauben der Kirche zu leben und in der Eucharistie zu feiern, ist ein großes Gut, das wir nicht verspielen sollten. Keine Fragen sollen von vornherein ausgeschlossen werden auch wenn jeder weiß, dass es in der Kirche verbindliche Positionen gibt, die nicht einfach zur 241

242 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Disposition gestellt werden können. Wir sind ja hineingestellt in den großen Zusammenhang der lebendigen Überlieferung des Glaubens in der katholischen Kirche. Dass wir vom offenen Dialog miteinander auch zur wirklichen Erneuerung der Kirche kommen müssen, das ist für mich keine Frage. Die Erneuerung der Pastoral, ihrer Strukturen und Schwerpunkte wird derzeit in verschiedenen Projekten vorangebracht. Ich werde gleich noch einiges dazu sagen. Vieles kann von uns mutig entschieden werden, in Vielem können wir als Ortskirche vorausgehen. Vieles können wir angehen. Andere Fragen, die Vielen am Herzen liegen, können hier in einer Ortskirche allein nicht entscheiden werden das wissen Sie. Ich werde sie aber in die Beratungen der Bischofskonferenz einbringen. Wir sollten dort pastorale Regelungen finden, die beispielsweise bei den wiederverheiratet Geschiedenen und bei den konfessionsverschiedenen Ehen von größerer Barmherzigkeit geprägt sind als bisher. Zeit des Handelns [jugendforum] 3 Neben der Zeit des Hörens hat auch schon die Zeit des Handelns begonnen. Schon im Jahr 2010 hat in unserer Diözese das [jugendforum]³ stattgefunden. Aus dem Dialog der Jugend mit der Diözesanleitung sind Empfehlungen für die künftige Gestaltung der Jugendpastoral hervorgegangen. Nur auf einige Empfehlungen, die schon in der Verwirklichung stehen, möchte ich hinweisen: So werden die Berufsperspektiven für Jugendreferentinnen und Jugendreferenten, die in den Dekanaten die Jugendarbeit unterstützen, durch die Möglichkeit eines Überstiegs in den Beruf der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten verbessert. Auf Empfehlung des Jugendforums arbeiten die Jugendreferate in den Dekanaten an profilierten regionalen Jugendpastoralkonzepten. Das [jugendforum]³ hat auch angestoßen, der zunehmenden Bedeutung digitaler Medien für die Jugend mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu muss zum einen die Medienkompetenz der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht werden, zum anderen sind spezielle Jugend-Seelsorgekonzepte im Internet zu entwickeln. Ein weiteres Projekt ist die Kooperation im Bereich 242

243 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN von Jugendarbeit und Schulen sowie von Jugendarbeit und Firmkatechese. Die Strukturen der Jugendarbeit ein weiterer Schwerpunkt sollen überprüft werden, um zu schauen, dass sie besser zur Lebenssituation junger Menschen passen. Ein großes Anliegen sind den Jugendlichen regionale spirituelle Zentren für junge Menschen und das Projekt der Jugendkirchen. Projekt Gemeindepastoral Meine Damen und Herren, zusammen mit dem Priesterrat und Diözesanrat haben wir im November bei seiner letzten Sitzung des Jahres 2011 das Projekt Gemeindepastoral auf den Weg gebracht. Es ist das erste große Projekt im Dialog- und Erneuerungsprozess. Dieses Projekt besitzt Höchstpriorität, der Diözesanrat hat sie in seiner Sitzung zum Dialog- und Erneuerungsprozess vom 21. Mai 2011 ausgesprochen. Es steht damit an erster Stelle der Maßnahmen im Kontext des Dialog- und Erneuerungsprozesses. In der Gestalt der Pastoral unserer Ortskirche kann Vieles neu gestaltet werden. Im kommenden Jahr werden wir im Rahmen dieses beschlossenen Projekts von der Diözesanebene aus pastorale Erfahrungen vor Ort anhören und sie dann in Überlegungen einbringen, die Impulse setzen, um die Pastoral und ihre Strukturen weiterzuentwickeln. Wir werden auf die stärkere Beteiligung von Laien an der Mitverantwortung in der Leitung der Gemeinden setzen. Dabei ist schon Vieles gewachsen, das weiterentwickelt werden kann. Kirchengemeinden, die ohne Pfarrerwohnsitz sind, werden vermehrt ein Gesicht oder einen Ansprechpartner erhalten. Das bedeutet, dass die bereits vorhandene Zahl der Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerinnen zurzeit circa 25 sukzessive vermehrt wird. Wir werden 30 neue geeignete Personen anstellen, die die Erziehungszeit der ca. 30 Gemeindereferentinnen, die derzeit aus gegebenen Anlässen nicht zur Verfügung stehen das ist immer ein ungefähr gleicher Prozentsatz so ausgleichen können. Die sukzessiven Anstellungen führen in 30 Seelsorgeeinheiten zur Besetzung unbesetzter, aber im Stellenplan vorhandener Stellen. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung der Personalsituation. 243

244 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Auf Dekanatsebene soll für Jugendreferentinnen und Jugendreferenten eine bessere Zukunft des Berufes ermöglicht werden, so dass sie länger als bisher im kirchlichen Dienstverhältnis bleiben ein gemeinsames Projekt mit dem vorhin angesprochenen Jugendforum. Eventuell kann eine Weiterbildung zum Gemeindereferenten oder zur Gemeindereferentin geschehen. Ich möchte noch einmal betonen, dass viele dieser Maßnahmen aus der Zielsetzung des Dialogprozesses, der Diözesanratssitzungen und des Jugendforums aus dem Jahre 2010 hervorgegangen sind. Wir sind in der Realisierung dieser Dimensionen. Und so kann das Jahr 2012 zu einem Jahr der Chance für die pastoralen Räume und die Pastoral für die Menschen in unserer Diözese werden, damit für sie Gottes Wort, die Feier der Liturgie und das Leben aus dem Glauben deutlicher spürbar wird und ihnen nahe sein kann. Frauen in Führungspositionen Des Weiteren werden wir mit einem Projekt Frauen in Führungsverantwortung noch mehr Frauen für hohe und höhere Führungspositionen gewinnen. Die in unserer Diözese schon lange arbeitende Frauenkommission und die Gleichstellungsbeauftragte werden hier mitwirken. Geistliche Zeit Die Spiritualität des Prozesses Der Dialog- und Erneuerungsprozess kann nur ein von einer geistlichen Dimension geprägter Prozess sein. Schon der Apostel Paulus ruft die Gemeinden in Ephesus dazu auf: Erneuert euren Geist und Sinn. Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist! (Eph 4, 23b-24a). Der Dialogund Erneuerungsprozess bezieht seine Kraft aus der Orientierung an Jesus Christus, dem neuen Menschen, der Weg und Wahrheit und Leben ist. Seinen Geist sollen wir in uns lebendig werden lassen und aus ihm heraus dann handeln. Dabei wollen wir uns als Glieder am Leib Christi, als Mit-Glieder im einen weltweiten Volk Gottes verstehen, von denen es in einer Präfation, die wir in 244

245 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN den Gottesdiensten beten heißt: Einst hast du Israel, dein Volk, mit starker Hand durch die weglose Wüste geleitet. Heute führst du deine pilgernde Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes. So brauchen wir alle neben der Zeit des Hörens, des Entscheidens und des Handelns auch die geistliche Zeit zum Gebet, aus der die Zeit aufeinander zu hören, auf Gott, auf die Kirche als weltweites Gottesvolk erst herauswachsen kann. ( ) Schluss Liebe Damen und Herren, liebe Schwestern, liebe Brüder, ich wünsche Ihnen für das neue Jahr, dass Sie in diesem neuen Jahr Gottes Segen erfahren, in Gesundheit, in Ihrer eigenen Lebensgeschichte den treuen Gott mit uns. Ich wünsche Ihnen, uns allen für das neue Jahr, dass in unserer Kirche der Dialog- und Erneuerungsprozess Früchte tragen möge und die Gottesverkündigung, das Heilsangebot für uns Menschen erfahrbar werden kann. Ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen im Jahr 2012! Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart Dr. Gebhard Fürst 245

246 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Neujahrsansprache 2013 Kirche in Erneuerung, Erneuerung durch Kirche Stuttgart, 6. Januar 2013 Meine sehr geehrten Damen und Herren! ( ) Dialog- und Erneuerungsprozess Stand und Perspektiven Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner Neujahrsansprache am 6. Januar 2011 habe ich von dieser Stelle aus den Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit folgenden Worten angekündigt. Wir werden in der Ortskirche Rottenburg-Stuttgart einen dialogisch angelegten Erneuerungsprozess unverzüglich beginnen. Dabei wollen wir auch die Fragen besprechen, die viele Christen bedrücken und ihnen am Herzen liegen: Wie geht es mit den Fragen der Geschiedenen und Wiederverheirateten weiter? Wie geht es mit den konfessionsverbindenden Ehen weiter? Wie steht es um die Stellung der Frau in der katholischen Kirche? Bei zahlreichen Anlässen habe ich seither einen barmherzigeren und zeitgemäßen Umgang mit den angezeigten Fragen angemahnt und selbst versprochen, mich dafür einzusetzen. Ich komme auf meine Ankündigung von vor zwei Jahren zurück, damit Sie selbst sehen können, dass ich sie diesbezüglich eingelöst habe und die von mir in Aussicht gestellten Perspektiven realistisch sind! Es geht mir dabei um Glaubwürdigkeit. Ein Dialog mit der Basis Der diözesane Dialogprozess war von Anfang an dezentral angelegt. Zeit zu hören, das sollte die Haltung ausdrücken, die den Dialogprozess prägt. Alle Themen, die auf den Nägeln brennen, sollten ohne Vorbehalte angesprochen werden 246

247 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN können. Aufgrund der Offenheit des Prozesses hat sich eine Dynamik während der Zeit zu hören entwickelt. Zu Beginn erreichten mich viele Briefe von Einzelnen oder kleinen Gruppen. Im weiteren Verlauf des Dialogprozesses fanden dann Gespräche in den Gemeinden, Seelsorgeeinheiten und Dekanaten statt. Häufig waren die Prozesse vor Ort verbunden mit einer Einladung an mich, direkt mit den Gläubigen in Dialog zu treten. Von Anfang an gehörte es zu einer meiner Prioritäten, für solche Gespräche in ganz verschiedenen Kreisen zur Verfügung zu stehen. Ich habe dabei die Sorgen der Menschen gehört und vieles gelernt. Ich habe aber auch Stellung bezogen. Vor allem aber war mir wichtig, die Stimmung vor Ort aufzunehmen. An manchen Orten gründeten sich Initiativgruppen. Was erarbeitet wurde, was in Gesprächen mit mir angesprochen wurde, aber auch das, was seine Wirkung in den Gemeinden entfaltete, all das macht wesentliche Elemente des Dialogprozesses aus. Er ist damit zu einem Dialog an der Basis der Diözese geworden. Eine wissenschaftlich ausgewertete Zwischenbilanz im Dialogprozess ist in der Sonderbeilage zum Katholischen Sonntagsblatt vorgestellt. Ein Dialog mit den Bischöfen Das Thema Wiederverheiratete Geschiedene steht inzwischen auf der Agenda der Deutschen Bischofskonferenz. Auch hier habe ich mein Versprechen eingelöst. Wir Bischöfe haben bereits mehrmals darüber beraten. So beim Ständigen Rat im August und bei der Herbst-Vollversammlung in Fulda im September Wir haben inzwischen eine aus Bischöfen zusammengesetzte Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich dieser großen pastoralen Herausforderung stellen wird. Die Deutsche Bischofskonferenz wird im Februar 2013 bei ihrer Frühjahrs- Vollversammlung einen Studientag durchführen mit dem Thema Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Leben und Dienst der Kirche. Weitere Wegmarken Wie geht es nun in unserer Ortskirche weiter? Die Diözese ist keine Insel. Sie hat 247

248 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN ihren Ort innerhalb der katholischen Weltkirche. Die meisten Fragen sind komplex und nicht mit einem Federstrich oder einem einfachen Entscheid des Bischofs zu lösen. Auf vier Regionalforen, die im Frühjahr stattfinden i, werden die Themen des Dialogprozesses aus der Zeit zu hören inhaltlich vertieft, bereits auf den Weg gebrachte Neuerungen vorgestellt, weiterführende Optionen zur Sprache kommen und mögliche Wege in die Zukunft beleuchtet. Gleichzeitig werden erste Ergebnisse und Ideen aus dem bereits angelaufenen pastoralen Projekt Gemeinde präsentiert. Gerade hier bestehen drängende Fragen nach der Zukunft von Kirche vor Ort, die durchaus auf der Ebene der Diözese gelöst werden können. Insofern liegt hierin ein Schwerpunkt bei den Regionalforen. Im Juni 2013 wird dann der seit März 2011 laufende Dialogprozess mit einer öffentlichen Sitzung des Diözesanrates in Rottenburg abgeschlossen. Dieses Datum markiert einen Schluss-Doppelpunkt. Der Dialog in der Diözese wird nicht enden, aber die Anstöße aus dem Dialogprozess müssen aufgenommen und in Schritte umgesetzt werden, die vor Ort zu tun sind. Was in der Bischofskonferenz angegangen wird, werde ich im Sinne meiner Positionierungen mitgestalten. Was wir selbst tun können in der Ortskirche Rottenburg-Stuttgart, das haben wir schon angepackt und werden wir beherzt weiterentwickeln. Die Erneuerungsphase hat schon begonnen und erste Früchte getragen. Erneuerung der Pastoral vor Ort Ein besonders wichtiges Feld der geistlichen Erneuerung ist die Erneuerung der Pastoral vor Ort. ii Sie wird von allen Seiten besonders hervorgehoben und eingefordert. Der Erneuerungsprozess muss immer wieder übergehen in die konkrete Verwirklichung der christlichen Lebensart innerhalb der Familien, Gemeinschaften und Gemeinden. Dazu habe ich bereits bei meiner Neujahrsansprache 2011 festgestellt: Eine Kirchengemeinde soll eine für die Menschen in ihren Sorgen und Nöten bewohnbare Gemeinschaft sein, in der für die zerrissenen Seelen unserer Zeit etwas erfahrbar wird vom Heil und von der Heilung durch die christliche Botschaft. Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten sollen als geistlich lebendige Räume erlebbar sein, wo die Frohe Botschaft des Christentums, das heilsame Evangelium Jesu Christi seinen Ort hat und wo 248

249 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Menschen sich wie aus einer oft sinnlosen, heil- und gnadenlosen Welt Gerettete fühlen können.... In diesem Sinne lebendige Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten sind das A und O für eine lebendige, erneuerte Kirche. Deshalb wollen wir von der Leitung der Diözese her alles tun, um die Gemeinden strukturell und personell so auszustatten, dass dies wirklich werden kann. Die Erneuerung der Seelsorgeeinheiten und Kirchengemeinden in diesem Sinne ist Erneuerung unserer Kirche. Um das noch überzeugender zu verwirklichen und neuen Anforderungen entsprechen zu können, sind zahlreiche Anstrengungen bereits unternommen und ein Projekt Gemeinde von der Diözesanleitung initiiert worden, das schon weit fortgeschritten ist. Inzwischen sind neben dem Projekt Gemeinde auf Diözesanebene weitere verschiedene Projekte zur Erneuerung eingerichtet worden. An ihrer Verwirklichung wird mit großem Engagement gearbeitet. So das Projekt Aufbrechen im Stadtdekanat Stuttgart und Projekte in anderen Dekanaten wie zum Beispiel Aalen, Ehingen-Ulm und Ludwigsburg. Für die Erneuerung der Pastoral vor Ort ist das Mitwirken der getauften und gefirmten Christen, also das Ehrenamt, von großer Bedeutung. Ehrenamtlich tätig zu sein bedeutet, die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen zu verwirklichen. Eine mit dem Diözesanrat erarbeitete Schrift zum Ehrenamt steht kurz vor der endgültigen Inkraftsetzung. Jahr des Glaubens Erneuerung von innen Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlässlich der Zusendung der Sonderbeilage des Katholischen Sonntagsblatts zum Dialogprozess schrieb mir eine Frau: Mehr als viele Themen beschäftigt mich die Erneuerung von innen, in der Grundhaltung zum Mitmenschen als Bruder, als Schwester. Ich kann ihr nur zustimmen! Ein Prozess der Erneuerung muss von innen kommen. Gerade deshalb ist auch der Dialog- und Erneuerungsprozess mit dem Wort aus dem Epheserbrief überschrieben: Erneuert euren Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an. (Eph 4,23) Die vom 249

250 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN christlichen Geist geprägte Pastoral lebt vom christlich durchformten Leben einzelner Glaubender (Alfons Auer). Hier setzt das Jahr des Glaubens an. Wir begehen es von Oktober 2012 bis November Wir gestalten es im Geist der rettenden und erlösenden Botschaft, wie sie uns in der Feier des Weihnachtsfestkreises des Kirchenjahres verkündet und vermittelt wird. Ich habe diesen Hoffnungshorizont eingangs aufgezeigt. Papst Benedikt lädt die katholischen Christen ein, den Weg des Glaubens wiederzuentdecken, um die Freude und die erneuerte Begeisterung der Begegnung mit Christus immer deutlicher zutage treten zu lassen und in das Leben der Gemeinschaft mit Gott zu führen. Suchenden Menschen gilt es, den Weg des christlichen Glaubens neu anzubieten. Wie erreichen wir diese Sinnsucher, wie gehen wir mit dieser Glaubenssehnsucht um? Sie ist ja auch bei uns selbst da. Wie kann es gelingen, den Weg des Glaubens wiederzuentdecken und zu vertiefen? ( ) Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart Dr. Gebhard Fürst 250

251 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Hirtenbrief an die Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur österlichen Bußzeit 2011 Erneuert euren Geist und Sinn! Eph 4,23 Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich grüße ich Sie zum Beginn der österlichen Bußzeit! In diesen für die katholische Kirche schwierigen Zeiten denke ich in ganz besonderer Weise an Sie alle in den Kirchengemeinden, den Seelsorgeeinheiten und muttersprachlichen Gemeinden. Ich denke an all die Gruppen, Einrichtungen und Gemeinschaften, in denen der Glaube lebendig ist. Ich denke an die vielen, die unter der gegenwärtigen Situation leiden und verunsichert sind. In der Sorge um unsere Kirche und im persönlichen Gebet bin ich mit Ihnen verbunden. Viele von Ihnen haben mir als ihrem Bischof Briefe geschrieben. Sie haben ihre Anliegen mitgeteilt und Sie haben Vorschläge zur Neugestaltung der Pastoral gemacht. Jeden einzelnen Brief habe ich aufmerksam gelesen und dann all die Erwartungen und Vorschläge zusammengetragen. Sie werden eingehen in den Dialog, mit dem wir unverzüglich beginnen. Als geistliches Tor für diesen Gesprächs- und Erneuerungsprozess ist die vor uns liegende Zeit des Kirchenjahres ein wirkliches Geschenk! Das Fasten des Leibes geschieht für uns Christen ja nicht um seiner selbst willen. Die Fastenzeit dient mit Blick auf das Osterfest der eigenen geistlichen Vertiefung des Glaubens und der Erneuerung des eigenen Lebens ebenso wie der Erneuerung des Zusammenlebens im Volke Gottes. Solcher Erneuerung bedürfen wir immer wieder. Alte Gewohnheiten wollen wir ablegen und uns an Geist und Seele, an Haupt und Gliedern erneuern. Nur so werden wir als Gemeinschaft der Glaubenden neu leben und handeln. Der auferstandene Christus, auf den wir in den kommenden vierzig Tagen zugehen, schenkt uns seinen Leben schaffenden Gottesgeist. Ohne ihn vermögen wir nichts! 251

252 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Unsere Kirche bedarf der Erneuerung! Die Ereignisse des Jahres 2010 haben uns dies in bedrängender Weise gezeigt. Wir müssen wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen. Dass wir als Menschen und als Kirche immer wieder der Erneuerung bedürfen, darauf hat das Zweite Vatikanische Konzil eindrucksvoll hingewiesen! Kirche sagt das Konzil ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie muss immerfort den Weg der Buße und der Erneuerung gehen! Liebe Schwestern und Brüder, begeben wir uns auf diesen Pilgerweg! Schon der Apostel Paulus ruft seinen Mitchristen zu: Erneuert euren Geist und Sinn! (Eph 4,23) Dieser Aufruf des großen Missionars ergeht heute besonders eindringlich an uns alle! An die Dienste und Ämter in der Kirche, genauso an das ganze Volk Gottes und an jeden Einzelnen: Erneuert euren Geist und Sinn! Und Paulus fügt hinzu: Zieht den neuen Menschen an! den neuen Menschen, also Jesus Christus, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Seinen Geist sollen wir in uns lebendig werden lassen. So hat alles darin seinen Ursprung, dass wir unseren Geist und Sinn erneuern aus dem Geist und Sinn Jesu Christi. Von IHM her wollen wir leben und handeln, von IHM her Kirche sein! Ein Prozess der Erneuerung muss also vom Inneren, von der Erneuerung von Geist und Sinn ausgehen und muss sich im Äußeren, in der Gestaltung unseres Zusammenlebens so auswirken, dass unsere Kirche die lebensdienliche und Heil schaffende Botschaft vom menschenfreundlichen Gott nicht verdunkelt, sondern einladend bezeugt und erfahren lässt. Denn wir verkünden die Botschaft nicht in Worten bloß, sondern durch die ganze Lebensgestalt der Kirche (Arnobius), so hat ein Christ ganz am Anfang des Christentums geschrieben. Liebe Schwestern und Brüder! Wir sind in Bewegung, auf dem Pilgerweg der Erneuerung! Am 25./26. März wird der vor kurzem neu gewählte, neunte Diözesanrat zum ersten Mal zusammenkommen und seine Beratungs- und Mitwirkungsarbeit aufnehmen. Wir sind so weit, dass bei diesem Treffen der Diözesanräte im Kloster Reute beschlossen werden kann, wie wir den Dialog zur Erneuerung der Kirche in unserer Diözese führen wollen. Die Vorbereitung mit den gewählten Laienchristen sieht vor, dass wir uns in den verschiedenen Be- 252

253 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN reichen unserer Ortskirche miteinander auf einen zweijährigen Weg machen, kirchliches Leben zu erneuern. Wir wollen dies in einem dialogisch angelegten Prozess der Läuterung und der Erneuerung unserer Kirche erreichen. Aber wir beginnen nicht am Nullpunkt. Die Jugend unserer Diözese ist vorangegangen: Mit dem im letzten Jahr über mehrere Monate durchgeführten Jugendforum 3 hat der Erneuerungsprozess bereits begonnen! Unsere Jugend hat ihn angestoßen. Als Bischof nahm ich und nahezu alle Verantwortlichen der Diözesanleitung an den Foren teil. Beim Abschlusstag in Wernau trugen die Jugendlichen ihre Erwartung an die Kirche vor: Sie wollen als Jugend ihren Platz in einer zeitgenössischen Kirche haben, sie möchten eine sinnstiftende, lebensechte und authentische Spiritualität und Religiosität leben. Dazu gaben sie dem Bischof und der Diözesanleitung viele Empfehlungen. Diese gilt es jetzt zu bearbeiten. Auch bei vielen Treffen mit Kirchengemeinden und Kirchengemeinderäten, bei Dekanatskonferenzen, bei Gesprächs- und Diskussionsforen war die Erneuerung unserer Kirche schon seit Mitte letzten Jahres Thema eines engagierten Austausches. Nun geht es darum, die pastoralen Strukturen zu erneuern. Die entscheidende Frage ist für mich: Wie können wir unsere Seelsorgeeinheiten und die pastorale Arbeit vor Ort in kirchlichen Einrichtungen, in Gemeinden und Gemeinschaften so weiterentwickeln, dass die Erneuerung an Geist und Sinn sich so auswirkt, dass Kirche mit der ihr anvertrauten Frohen Botschaft den Menschen in ihrem Leben wirklich nahe, hilfreich und heilsam sein kann? Die pastoralen Strukturen müssen der Seelsorge und der Spendung der Sakramente dienlicher werden. Denn der Gottes-Geist, der unter uns wirken will, ist ein den Menschen dienender Geist. Der Geist, der von Christus ausgeht, wirkt durch das Leben der getauften und geweihten Christen im Volk Gottes. Die Gestalt unserer Kirche, ihre Dienste und Ämter und all die Charismen, Begabungen und Talente müssen so wirken, dass sie dem Geist und Leben Christi durch ihr Miteinander und Füreinander Raum geben. Da wollen wir Möglichkeiten ausschöpfen, die in der Verantwortung der Ortskirche liegen, aber noch nicht verwirklicht worden sind. Die Gemeinschaft der Glaubenden soll als eine bewohnbare Gemeinschaft erfahren werden, in der Menschen Heimat finden und neue Hoffnung schöpfen. In einer 253

254 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN bewohnbaren Kirche sollen sie etwas vom erlösten Dasein spüren können. Wir wollen auf diesem Pilgerweg auch über Fragen miteinander ins Gespräch kommen, die viele sehr beschäftigen: so beispielsweise über die Zukunft katholischer geschiedener Christen, die wieder geheiratet haben oder heiraten wollen. Wie kann ihnen die Barmherzigkeit Gottes nahegebracht werden, die gerade im Scheitern und im Neuanfang wirksam sein will? Welche Verpflichtung zur Wandlung erwächst der Kirche daraus? Wie sieht die Zukunft für die konfessionsverschiedenen Ehen aus? Was muss im ökumenischen Geist geschehen, damit sie wirklich konfessionsverbindend werden? Wie steht es um die Rolle der Frau in der katholischen Kirche? Welche mutigen Schritte können wir hier anstoßen und gehen? Bei meiner Neujahransprache in Stuttgart habe ich gesagt: Wir werden den Erneuerungsprozess in unserer Ortskirche im Kontext des strukturierten Dialogs der Bischofskonferenz führen. Wie wollen aber nicht abwarten, bis dieser beginnt. Die Gespräche möchte ich nach katholischem Kirchenverständnis im Zusammenhang der Kollegialität der Bischöfe, der Ortskirchen und der weltweiten Kirche führen. Aber was die einzelnen Ortskirchen tun können, sollten sie mutig in Angriff nehmen. Da und dort wird unsere Diözese sicher mutig vorangehen. Aber bei all dem, was wir vorhaben, dürfen wir uns nicht überfordern, denn die Einheit unserer globalen, katholischen Kirche ist ein hohes Gut! Ich rufe alle in der Diözese Rottenburg-Stuttgart dazu auf, dass wir diesen Prozess zur Erneuerung mit Vertrauen, Mut und Augenmaß gehen. Seiner Kirche hat der auferstandene Christus zugesagt: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28,20b) Leben und handeln wir aus diesem Versprechen unseres Herrn Jesus Christus! Liebe Schwestern und Brüder, ich danke Ihnen, für Ihr Mitgehen, für Ihre Treue! Ich bitte Sie, bei allem unsere Kirche als Ganze im Auge zu behalten. Was wir anfangen und das, was wir an einzelnen Schritten tun, muss der Gemeinde, der Ortskirche und der Weltkirche zur Auferbauung dienen! 254

255 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Möge uns Gott mit seinem Beistand begleiten, Jesus Christus in allem zum Vorschein kommen und wir so als Kirche geistlicher, lebendiger und wieder glaubwürdiger erfahrbar werden! In all unserem Tun möge uns der dreifaltige Gott segnen! Rottenburg am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 2011 Ihr Bischof Dr. Gebhard Fürst 255

256 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Hirtenbrief an die Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur österlichen Bußzeit 2012 Suchende Menschen Pilgernde Kirche Ich ließ mich finden von denen, die nicht nach mir suchten; ich offenbarte mich denen, die nicht nach mir fragten. (Röm 10,20) Liebe Schwestern und Brüder! ( ) Die Besinnung auf Jesus Christus wird unserer Kirche neue Kraft und neue Glaubwürdigkeit geben. In IHM wurde Gott für uns Mensch. ER hat zu unserem Heil ein den Menschen in Liebe zugewandtes Leben geführt. ER hat sein Leben am Kreuz für uns hingegeben und wurde von Gott zu neuem Leben auferweckt. Menschen unserer Zeit dabei zu helfen, diese Botschaft zu hören und sie anzunehmen, diesen wahren Lebenssinn zu finden, darin sehe ich den Auftrag der Verkündigung der Kirche. Alle Dialoge und Erneuerungen sind dieser Aufgabe geschuldet. Liebe Schwestern und Brüder! Sie wissen, dass wir in der Diözese Rottenburg- Stuttgart derzeit einen Weg des Dialogs und der Erneuerung gehen. Wir haben uns eine Zeit zum aufeinander Hören vorgenommen. Manche sind skeptisch und sagen: Dieser Dialog wird doch nichts bringen! Ich bitte Sie aber, diesem Dialog eine Chance zu geben! Ich selbst war in den letzten Monaten bei vielen Veranstaltungen, habe mit Reformgruppen gesprochen und die Erwartungen der Menschen gehört und Dialoge geführt. Dabei hat schon das offene Gespräch miteinander seinen Eigenwert. In unserer Kirche gibt es zur Pastoral, zur Gestalt unserer pastoralen Dienste und Ämter, zur Erneuerung der Kirche viele, oft auch sehr unterschiedliche Stimmen, nicht selten in der eigenen Kirchen- 256

257 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN gemeinde. Sie stehen meist unvermittelt nebeneinander, ja gegeneinander. Diese Positionen miteinander ins Gespräch zu bringen, damit Verständnis und Respekt füreinander wachsen, ist eine große Aufgabe für uns alle. Gerade in der Vielfalt der Überzeugungen die Einheit im Glauben zu leben und in der Eucharistie zu feiern, ist ein hohes Gut. Dass wir aber von diesem offenen Dialog miteinander auch zur wirklichen Erneuerung der Kirche kommen müssen, das ist für mich keine Frage. So hat in der Zeit des Hörens auch schon eine Zeit des Handelns begonnen. In einem auf den Weg gebrachten Projekt Gemeindepastoral werden wir die Erneuerung der Pastoral vor Ort voranbringen. Und wir haben es uns vorgenommen, daran zu arbeiten, mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen zu bringen. Vieles kann in unserer Ortskirche mutig angegangen werden und Vieles ist schon auf dem Weg. Andere Fragen wiederum können in der Ortskirche nicht allein entschieden werden. Ich werde diese Fragen aber in die Konferenz der Bischöfe einbringen. Wir alle müssen dabei lernen, das Scheitern von Menschen und ihrer Lebensplanung ernster zu nehmen und Hilfen anzubieten, damit neues Leben gelingen kann. Auch das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die Sehnsucht der Menschen, Sinn zu finden und eine Heimat zu haben in einer aufgeregten Zeit, ist auch in Zeiten großen Wohlstands alles andere als erloschen. Wir sind aufgerufen, als Kirche den rettenden Glauben zu verkünden und eine einladende Kirche zu sein. Besonders die Kirchengemeinden können Orte sein, wo heimatlos gewordene Menschen Zuflucht und Lebenssinn finden können. In einer Gemeinde, in der die Frohe Botschaft des christlichen Glaubens lebendig ist, können Menschen in ihren Sorgen und Nöten in dieser oft heil- und gnadenlosen Welt eine bewohnbare, eine bergende Gemeinschaft erleben, wo sie Halt finden und die schützende und rettende Kraft des Glaubens erfahren können. Darauf werden Menschen aufmerksam, davon werden sie sich einladen lassen und kommen und bleiben. Die Botschaft Gottes an uns wird in der Kirche Ereignis und Erlebnis, wo der 257

258 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Glaube festlich gefeiert wird. In der Liturgie erfahren wir Gottes Botschaften für unser Leben mit allen Sinnen. Die Eucharistiefeier ist voll sprechender Zeichen und Gesten, die wir mit vollziehen und in denen wir zu Hause sein können. Von der Liturgie lassen wir unser Herz bewegen und unsere Seele erheben. Liebe Schwestern und Brüder, müssen wir nicht alles tun, um unseren Kindern und Jugendlichen, um den fernstehenden und suchenden Menschen dieses kostbare Geschenk so nahe zubringen, dass Menschen die spirituelle und vitale Kraft entdecken können, die in der Feier der Liturgie liegt? Der Dialogprozess muss also auch und besonders für Liturgie und Gemeinde zu einem Erneuerungsprozess werden, damit suchende Menschen Orte finden, wo erfahrbar wird, was es heißt, gerettet zu sein aus den Verlorenheiten des Lebens, damit aus Scheitern wieder ein erfülltes Leben wachsen kann. Als Ihr Bischof möchte ich mich kraftvoll einsetzen und mithelfen, dass die Erneuerung unserer Kirche gut vorankommt. Vertrauen wir auf dieser Pilgerreise vor allem auf Gott, von dem wir in einem Gebet der Liturgie dankbar sagen: Gott, einst hast Du Israel, dein Volk mit starker Hand durch die weglose Wüste geleitet. Heute führst Du Deine pilgernde Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes. * Liebe Schwestern und Brüder, gehen wir gemeinsam einen Weg des Vertrauens und der Erneuerung zu einem glaubwürdigen Zeugnis als Christen in der Welt. Dazu möge Ihnen, möge uns allen Gott seinen reichen Segen schenken! Rottenburg, am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 2012 Ihr Bischof Dr. Gebhard Fürst 258

259 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Hirtenbrief an die Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur österlichen Bußzeit 2013 Sei ohne Furcht, glaube nur! (Mk 5,36) Aus Glauben Leben Erneuert euren Geist und Sinn! Herr, belebe Deine Kirche und fange bei mir an! Herr, ermutige deine Kirche und fange bei mir an! Herr, öffne Deine Kirche und fange bei mir an! Herr, sende Deine Kirche und fange bei mir an! (R. H. nach J. H. Newman) Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Wie in jedem Jahr schreibe ich Ihnen zum Beginn der Fastenzeit wieder einen Brief. In diesem Jahr liegt die österliche Bußzeit mitten im Jahr des Glaubens, das Papst Benedikt XVI. für die Katholische Kirche ausgerufen hat. In unserer Diözese begehen wir dieses Jahr des Glaubens vom Oktober 2012 bis November Gleichzeitig befindet sich unsere Ortskirche Rottenburg-Stuttgart mitten im Dialog- und Erneuerungsprozess. Seit eineinhalb Jahren ist der innerkirchliche Dialog auf allen Ebenen in vollem Gang und weit fortgeschritten. Eine Sonderbeilage des Katholischen Sonntagsblatts dokumentiert den augenblicklichen Stand des diözesanen Dialogs. Ich möchte Ihr Interesse auf diese Sonderbeilage lenken. Sie finden darin alle Informationen über den Dialogprozess. Sie können die Auswertung der eingegangenen Briefe lesen und ebenso der Gespräche, die in den Gruppen, Versammlungen, Räten und Gremien untereinander und mit mir als Bischof geführt wurden. Auch über die Perspektiven des weiteren Dialog- und Erneuerungsprozesses werden Sie informiert. Gleichzeitig berichtet die Sonderbeilage über ein bereits angelaufenes Projekt Gemeinde, das die Erneuerung der Seelsorge vor Ort in den Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten zum Ziel hat. Gerade im Bereich der Erneuerung der Seelsorge in den Kirchengemeinden und pastoralen Räumen haben sich drän- 259

260 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN gende Fragen nach der Zukunft der Pastoral in unserer Diözese gezeigt. Sie können auf der Ebene der Ortskirche angegangen und spürbar vorangebracht werden. In der Zeit bis Mai finden diözesanweit vier Regionalforen statt: in Biberach, Esslingen, Schwäbisch Hall und in Spaichingen. Bei diesen Foren wird der Dialog zur Erneuerung der Pastoral ein besonderer Schwerpunkt sein. Zu den Regionalforen sind Delegierte aus den Dekanaten der Diözese eingeladen. Sie sollen die vorhandene Vielfalt in den Seelsorgeräumen unserer Ortskirche und in der Pastoral vertreten und in den Dialog einbringen. Liebe Schwestern und Brüder! Auf die Zusendung der Sonderbeilage des Sonntagsblatts zum Erneuerungsdialog schrieb mir eine Frau: Mehr als viele Themen beschäftigt mich die Erneuerung von innen, in der Grundhaltung zum Mitmenschen als Mitbruder, als Mitschwester. Ich kann dem nur zustimmen. In der Tat: Der notwendige Prozess der Erneuerung muss von innen kommen. Gerade deshalb steht auch der Dialog- und Erneuerungsprozess unter dem Paulus-Wort Erneuert euren Geist und Sinn. Zieht den neuen Menschen an. iii Die vom Geist des Evangeliums geprägte Seelsorge vor Ort wird erst vom christlich durchformten Leben einzelner Glaubender her lebendig. Wir wollen im diözesanen Dialogprozess unseren Glauben nicht beiseitelassen. Der Erneuerungsprozess der Kirche darf nicht nur ein folgenloses Suchen bleiben, nicht nur im Strukturellen verharren. Erneuerung muss aus einem lebendigen Glauben gespeist werden und zugleich zum Glauben einladen. Nur so kann Erneuerung übergehen in die konkrete Verwirklichung der christlichen Lebensart bei uns selbst im eigenen Leben, aber auch im Zusammenleben, innerhalb der Familien, der Gemeinschaften und Gemeinden. Hier kann der christliche Glaube in unserem Leben eine Art zu leben stiften, die authentisch ist, den Mitmenschen hilft und weiterwirkt. Wo Glaube dagegen erstarrt und sich im Leben nicht auswirkt, da verliert er seine Strahlkraft und verschwindet schließlich spurlos. ( ) Rottenburg, am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 2013 Ihr Bischof Dr. Gebhard Fürst 260

261 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Erklärung des Diözesanrats Rottenburg-Stuttgart zu den neu bekannt gewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs 20. März Wir sehen das Leid der Opfer Erschüttert haben die Diözesanräte und Diözesanrätinnen in den vergangenen Wochen die von den Opfern ans Licht gebrachten Missbrauchsfälle zur Kenntnis genommen. Den Opfern gehört unsere Achtung für den Mut, diese schmerzhaften und belastenden Erfahrungen öffentlich zu machen. Ihnen gehört auch unsere tief empfundene Anteilnahme für das Leid, das ihnen zugefügt wurde und das ihr ganzes Leben beeinflusst. Jetzt kommt es darauf an, sich den Opfern einfühlsam zuzuwenden, sie in der Aufklärung der Missbrauchsfälle tatkräftig zu unterstützen und ihnen zu helfen, mit dem, was ihnen angetan wurde, leben zu können. 2. Wir sehen die Schuld der Täter und das Versagen der Mitwisser Es entsetzt uns, wie viele Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen missbraucht worden sind. Die Schuld der Täter wiegt schwer. Schwer ist auch die Schuld derer, die von den Missbrauchsfällen wussten und dazu geschwiegen haben. Jetzt kommt es darauf an, dass die Fälle konsequent geahndet werden. Die Täter müssen sich ihrer Schuld stellen. Pädophilie ist nicht heilbar. Die Täter müssen sich aktiv mit ihrer pädophilen Neigung auseinandersetzen und lernen, verantwortungsvoll mit ihr umzugehen. Die Kirche muss ihre hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter mit pädophiler Neigung konsequent und ausnahmslos von der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen fernhalten und sie verpflichten, sich einer 261

262 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Therapie zu unterziehen. Gleichzeitig muss in der Kirche wie in der Gesellschaft ein Klima entstehen, das es Pädophilen ermöglicht, ihre Neigung gegenüber Ausbildern, Personalverantwortlichen oder Ärzten offenzulegen. 3. Wir sehen die Verantwortung der katholischen Kirche und der Gesellschaft Sexuelles Fehlverhalten ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Damit Kinder und Jugendliche unversehrt aufwachsen können, brauchen wir ein Bündnis aller gesellschaftlichen Kräfte. Jetzt kommt es darauf an, aus den Missbrauchsfällen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Der Diözesanrat ist dankbar für den verantwortungsvollen und zielführenden Umgang seitens unseres Bischofs Dr. Gebhard Fürst und unserer unabhängigen Kommission sexueller Missbrauch mit Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch. Der Diözesanrat fordert die Verantwortlichen für Ausbildung, Personalführung und Jugendarbeit im Bischöflichen Ordinariat, in den Verbänden und kirchlichen Einrichtungen auf, in Zusammenarbeit mit Fachleuten präventive Maßnahmen kontinuierlich an die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft anzupassen. Der Diözesanrat regt an, die Frage der Verjährungsfristen zu überprüfen. Der Diözesanrat informiert sich regelmäßig über die Präventionsmaßnahmen in der Diözese. Ebenso lässt er sich regelmäßig von der Kommission sexueller Missbrauch Bericht erstatten. Kloster Schöntal, 20. März

263 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Erklärung des Diözesanrats Rottenburg-Stuttgart zur aktuellen Situation der Kirche 19. Juni 2010 Unsere Kirche in der Krise wir sind herausgefordert Unsere Kirche ist in einer großen Krise. Das betrifft uns als Gläubige und in besonderer Weise als ehrenamtlich und hauptberuflich engagierte Diözesanräte und Diözesanrätinnen. Diese Krise ist offenkundig geworden im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Missbrauchsfällen. Entwickelt hat sie sich jedoch über längere Zeit. Viele Gläubige sind mit den Festlegungen in Fragen wie Ökumene, Sexualität, Frauenpriestertum oder Zölibat nicht einverstanden. Was Not tut, ist eine ehrliche und mutige Auseinandersetzung unter den Gläubigen und mit der Leitung der Kirche. Diesen Prozess anzustoßen und voranzutreiben, erkennen wir als eine Aufgabe für uns als Diözesanrat. Dazu verpflichtet uns die Botschaft Jesu Christi, deren Verkündigung einer glaubwürdigen Kirche bedarf. Untermarchtal, 19. Juni 2010 Diözesanrat Rottenburg-Stuttgart zur Entschließung des ZdK Für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche November 2011 Der Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, in seiner Funktion als Katholikenrat, begrüßt und unterstützt die Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche vom 18. November Bad Waldsee / Kloster Reute, 26. November

264 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Positionierung des Diözesanrats Rottenburg-Stuttgart zu einigen Aspekten des partnerschaftlichen Miteinanders von Frauen und Männern in der Kirche 30. November 2012 Gott schuf Mann und Frau als sein/ihr Abbild. Was das Buch Genesis in einer Schöpfungserzählung beschreibt und Paulus im Galaterbrief als theologische Erkenntnis formuliert, bekennt das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Aussage: Es ist also in Christus und in der Kirche keine Ungleichheit aufgrund von Rasse oder Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht Das verpflichtet uns als Kirche, diese grundlegende Gleichheit aller Menschen in der Welt abzubilden. Das heißt für die Besetzung von Führungspositionen und die Übernahme von Verantwortung durch Ehrenamtliche: In unserer Diözese profitieren wir seit Jahrzehnten vom Zusammenwirken von Männern und Frauen sowie von Haupt- und Ehrenamt in den kirchlichen Gremien und Verbänden nicht zuletzt hier im Diözesanrat unter dem Vorsitz des Bischofs, außerdem seit zwei Jahrzehnten von der Zusammenarbeit von Männern und Frauen, Klerikern und Laien in der Diözesanleitung. Auf der Basis dieser Erfahrungen unterstützen wir das Projekt Frauen in Führungsverantwortung in unserer Diözese mit dem Ziel, mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen zu bringen und mit entsprechender Entscheidungskompetenz auszustatten. Im Juni 2010 hat der achte Diözesanrat den Beschluss gefasst, die Verantwortung Ehrenamtlicher durch Beauftragungen sichtbar zu machen. Derzeit bereiten der neunte Diözesanrat und die Diözesanleitung die Umsetzung vor. 264

265 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Wir sind der Überzeugung, dass beide Ansätze einen wichtigen Beitrag zu einem partnerschaftlichen Miteinander von Männern und Frauen in der Kirche bilden und auf allen Ebenen in die aktuellen Beratungen und Entscheidungen zur Zukunft unserer Kirche einfließen müssen. für die Nutzung kirchenrechtlicher Spielräume und für den Zugang zu den Weiheämtern Bischof Dr. Fürst hat mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, in die Diskussion darüber einzutreten, was für Frauen kirchenrechtlich schon möglich ist, aber nicht wahrgenommen werde. Hierin unterstützen wir den Bischof voll und ganz. Gleichzeitig halten wir es um des Evangeliums willen für unabdingbar, die Zugangsmöglichkeiten für Frauen zu den kirchlichen Weiheämtern weiterhin theologisch zu diskutieren und eingehend zu beraten. Wir erwarten, dass dies auch in der Deutschen Bischofskonferenz geschieht. Denn wir glauben tatsächlich, dass es hier auch um das Verständnis der Botschaft Jesu Christi, der Reich- Gottes-Botschaft geht, die sich im Umgang Jesu mit den Frauen seiner Zeit und in der entsprechenden Darstellung in den Evangelien ausdrückt. Dazu gehört unseres Erachtens auch die Öffnung des Diakonats. Viele Frauen üben eine Fülle von Tätigkeiten aus, die an sich dem Diakonenamt zukommen. Der Ausschluss dieser Frauen von der Weihe bedeutet eine theologisch und pastoral nicht zu rechtfertigende Trennung von Funktion und sakramental vermittelter Heilsvollmacht.. Dieses Votum der Würzburger Synode machen wir uns zu eigen und fordern, den Frauen zeitnah den Zugang zum Diakonat zu ermöglichen. für die weltkirchliche und gesellschaftliche Verantwortung In vielen Teilen der Welt ringen die Frauen um Teilhabemöglichkeiten, die in 265

266 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN unseren Augen selbstverständlich sind! Solidarisch mit ihnen setzen wir uns nachdrücklich ein für ein partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft gleichermaßen. In der frühen Kirche hatten die Frauen eine für die damalige Zeit und Gesellschaft ganz außergewöhnliche, anerkannte Stellung. Dies trug entscheidend zum Überleben und zur Attraktivität der frühen Gemeinden bei. In der Kirche heute, die sich in einem zunehmend säkularen Umfeld bewähren muss, sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen. Da heute die Frauen eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es von großer Wichtigkeit, dass sie auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen. Diesen Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils und der deutschen Bischöfe gilt es verstärkt umzusetzen. 266

267 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Deutsche Bischofskonferenz: Erklärung zum Abschluss des Studientages vom Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche Gott schuf also den Menschen als sein Abbild. Als Mann und Frau schuf er sie. (Gen 1,27) Ein erfülltes Menschsein kann es ohne dieses Zueinander von Mann und Frau nicht geben. Die Geschlechterdifferenz ist vom Schöpfer zur gegenseitigen Bereicherung gewollt. Auf der Grundlage dieses Menschenbildes haben wir uns daher während der Frühjahrs-Vollversammlung im Rahmen eines Studientages erneut mit Fragen des Zusammenwirkens von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche befasst. Schwerpunkte bildeten dabei die Perspektiven von Frauen im kirchlichen Ehrenamt, ihre Rolle als hauptberufliche Mitarbeiterinnen in Seelsorge, Erziehung, Caritas und Kirchenverwaltung sowie als Theologinnen im Hochschulbereich. Im Anschluss an den Studientag verpflichten wir uns, Frauen noch stärker bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu fördern, die allen Christen für das kirchliche Leben aufgetragen ist. Die Vielfalt an verantwortlichem Engagement von Frauen in der Kirche hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Arbeit in der Kirche wird bereichert durch Theologieprofessorinnen, Leiterinnen von Hauptabteilungen, Caritas- und Finanzdirektorinnen, Ordinariatsrätinnen, kirchliche Richterinnen, Schulrektorinnen, aber auch durch Geistliche Leiterinnen in katholischen Verbänden und durch Pfarrgemeinderatsvorsitzende. Nicht zuletzt üben Ordensfrauen seit vielen Jahrhunderten geistliche Leitung in der Kirche aus. Wir Bischöfe wissen aber auch um Enttäuschungen bei kirchlich engagierten Frauen und drücken unser Bedauern aus, dass der Rahmen der Möglichkeiten, verantwortliche Aufgaben der Kirche mit Frauen zu besetzen, für viele Frauen nicht genügend genutzt wird. Viele, gerade auch jüngere Frauen vermissen daher weibliche Vorbilder in kirchlichen Führungspositionen, an denen sie sich orientieren können. 267

268 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Das kirchliche Leben wird in hohem Maße von Frauen und ihrem zumeist ehrenamtlichen Engagement getragen. Es sind gerade Frauen, die in Verkündigung und Katechese, aber auch im diakonischen Handeln und bei der Übernahme liturgischer Dienste das Leben der Kirche mittragen. Sie geben der Kirche für viele Menschen in unserer Gesellschaft ein weibliches Gesicht. Wir wollen, dass dieser hohe Anteil von Frauen an der Sendung der Kirche sich auch in der öffentlichen Darstellung von Kirche widerspiegelt. Im Bereich der kirchlichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sollen Frauen mehr als bisher wahrnehmbar und sichtbar werden. Frauen sind heute genauso wie viele Männer gut ausgebildet und leisten eine hochqualifizierte Arbeit in vielen auch in den kirchlichen Berufen. Wir Bischöfe setzen uns dafür ein, in Kirche und Gesellschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine echte Wahlfreiheit für Frauen und Männer gewährleisten, die Rollen und Aufgaben in Ehe, Familie, Beruf und Ehrenamt gerecht aufzuteilen. Ausdrücklich lehnen wir jegliche Diffamierung von Frauen ab, die Beruf und Familie vereinbaren wollen oder die als Mütter zu Hause bleiben, um sich ganz der Familie zu widmen. Ihre Dienste für die Erziehung und Ausbildung der Kinder sind von unschätzbarem Wert. Auch der Wiedereinstieg von Müttern in den Beruf soll erleichtert werden, wo dies gewünscht wird. Ebenso gilt unsere hohe Wertschätzung den Frauen, die kinderlos oder alleinerziehend sind oder sich als unverheiratete Frauen in der Kirche engagieren. Unser Wunsch ist es, dass sich noch mehr Frauen als bisher verantwortlich mit ihren Charismen und Kompetenzen in die Kirche und ihre Sendung einbringen können. Wir erleben, dass die Kirche in unserer Zeit ein neues Gesicht bekommt. Manche Aufgaben, die nicht wesentlich an das Sakrament der Weihe gebunden sind, werden vermehrt von Laien wahrgenommen. Wir wollen daher theologisch weiter klären, was Führung in der Kirche bedeutet. Was ist theologisch zwingend an die Weihe gebunden? Welche Leitungsaufgaben können Frauen und Männer aufgrund von Beauftragung durch den Bischof wahrnehmen? Wir wollen prüfen, welche neuen Dienste und Ämter außerhalb des Weiheamtes entwickelt werden können. 268

269 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Die Erfahrung zeigt, dass gemischte Teams aus Frauen und Männern kreativer und zielorientierter arbeiten. Wir erwarten daher positive Folgen für Leben und Dienst der Kirche, wenn vermehrt Führungspositionen und Leitungsaufgaben von Frauen wahrgenommen werden. Die Kirche kann es sich nicht leisten, auf die Kompetenzen und Charismen von Frauen zu verzichten. Wir wollen daher auch in den Gremien der Bischofskonferenz darauf achten, einen entsprechend hohen Anteil von Frauen als Beraterinnen zu berufen. Zugleich fordern wir alle Zusammenschlüsse von Laien auf, konkrete Vorschläge zu entwickeln, wie sich der hohe Anteil von Frauen am ehrenamtlichen Engagement auch auf deren Leitungsebenen widerspiegeln kann. Der derzeitige Anteil von Frauen an den Leitungsaufgaben in den Ordinariaten und Generalvikariaten von bis zu 19 Prozent weist in eine gute Richtung, ist aber noch nicht hinreichend. Wir werden daher verstärkt nach Möglichkeiten suchen, den Anteil von Frauen in Leitungspositionen weiter zu erhöhen. Die Entwicklungen in diesem Bereich werden wir in fünf Jahren erneut prüfen. Wir begrüßen den hohen Anteil von jungen Frauen unter den Theologiestudierenden. Es ist im Interesse der Kirche, wenn auch entsprechend qualifizierte Frauen eine wissenschaftliche Laufbahn in der Theologie anstreben. Frauen sollen sowohl in der Ausbildung von Lehrer/innen, Gemeindereferent/innen und Pastoralreferent/innen wie in der Priesterausbildung tätig sein. Gerade diesen Frauen kommt eine wichtige Vorbildfunktion in der Kirche zu, wenn sie dazu beitragen, das Verhältnis von Priestern und Laien im Sinn einer gegenseitigen Anerkennung der unterschiedlichen Berufungen, Charismen und Dienste in der Kirche weiterzuentwickeln. Wir sind dankbar, dass eine große Zahl von Frauen in der Pastoral tätig ist. Für das Wirken der Kirche in der heutigen Gesellschaft ist eine geschlechtersensible Pastoral von hoher Bedeutung. Sie kann nur gelingen, wenn Frauen und Männer ihre je spezifischen Gaben und Sichtweisen in Verkündigung, Gottesdienst und Caritas einbringen. Gemeinsam mit Papst Benedikt wollen wir daher stets den Heiligen Geist bitten, dass er in der Kirche heilige und mutige Frauen wie die hl. Hildegard von 269

270 AUSZÜGE AUS TEXTEN, REDEN UND POSITIONSPAPIEREN Bingen erwecke, die in der Wertschätzung und mit dem Einsatz der von Gott empfangenen Gaben ihren eigenen wertvollen Beitrag leisten zum geistlichen Wachstum unserer Gemeinden und der Kirche in unserer Zeit. (Papst Benedikt XVI., Audienz 8. September 2009) 270

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273 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE 273

274 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Sich abzuschotten kann und darf nicht der Weg der Kirche sein Diözese Rottenburg-Stuttgart stellt Dialog- und Erneuerungsprozess vor DR. THOMAS BROCH Rottenburg/Stuttgart. 31. März Einen Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat Bischof Gebhard Fürst am Donnerstag, 31. März, gemeinsam mit den Sprechern des Diözesanrats und des Diözesanpriesterrats, Johannes Warmbrunn und Herbert Schmucker, in Stuttgart vorgestellt. Der auf zwei Jahre angelegte Prozess war von den beiden Gremien mit vorbereitet und am vergangenen Samstag, 26. März, vom neu gewählten Diözesanrat bei dessen konstituierender Sitzung im oberschwäbischen Kloster Reute beschlossen worden. Der gesellschaftliche und innerkirchliche Hintergrund dieses Prozesses, so Bischof Fürst, sei der schwerwiegende Vertrauens-, Glaubwürdigkeits-, Akzeptanz- und Relevanzverlust, vor dem die Kirche stehe. Der Missbrauchsskandal habe wie ein Ventil gewirkt, durch das jetzt vieles lange Aufgestaute mit großem Druck nach außen dränge. Zwischen dem Mainstream des modernen Lebensgefühls und dem Bild, das die offizielle Kirche vielfach vermittelt, entsteht eine immer tiefere Kluft, betonte der Bischof. Auch in der Kirche selbst seien viele enttäuscht und sagten, es bewege sich nichts mehr. Die Kirche müsse den Mut haben, in diesen Spiegel zu schauen, auch wenn dies bitter sei. Bischof Fürst warb für eine geistliche und strukturelle Erneuerung. Das bedeute eine Rückbesinnung auf das Evangelium, die aber immer im Kontext der jeweiligen Zeit stehe. Auch wenn die heutigen Fragestellungen in allen Lebensbereichen äußerst komplex und kaum überschaubar seien, wäre ein Rückzug ins scheinbar Sichere und Überschaubare eine Illusion. Nichts ist dauerhaft überschaubar und sicher, betonte der Bischof. Sich abzuschotten kann und darf nicht der Weg der Kirche sein. Denn unsere Kirche ist eine Kirche der Hoffnung und des Zukunftsvertrauens und nicht der Angst. Immer müsse es darum gehen, dass die Kirche auf Christus und auf die befreiende Botschaft des Evan- 274

275 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE geliums hin transparent werde. Der Erneuerungsprozess werde in einem vorbehaltlosen Dialog in den Gemeinden, Seelsorgeeinheiten und Regionen vorangebracht, erläuterte Bischof Fürst. Wichtig sei es dabei auch, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich von der Kirche innerlich entfernt hätten oder von denen sich die Kirche nach und nach entfernt hat. Manchmal seien Menschen hilfreich und wegweisend, die normalerweise nicht zu den von der Kirche konsultierten Ratgebern gehören. Es gehe darum, Tore zu öffnen, durch die Menschen eintreten können und durch die wir hinaus zu ihnen gehen, unterstrich Bischof Fürst und warb für eine Atmosphäre und Spiritualität der Hoffnung anstelle eines defensiven und ängstlichen Verhaltens, aber auch für eine Atmosphäre des Respekts vor der Meinung anderer. Dialog bedeute immer ein gemeinsames Ringen um Wahrheit, Rechthaberei diene der Wahrheit nicht. Diözesanratssprecher Johannes Warmbrunn rief dazu auf, den Dialogprozess zu unterstützen. Es gebe skeptische Stimmen gegenüber dem Dialog- und Erneuerungsprozess, die diesen entweder nicht für notwendig oder aber nicht für aussichtsreich hielten. Gar keinen Dialog zu führen, wäre indessen aus meiner Sicht die denkbar schlechteste Variante, betonte Warmbrunn. Welche Ergebnisse letztlich für Erfolg oder Misserfolg stünden, lasse sich jetzt nicht sicher prognostizieren. Aber eine Forderung sei unbestreitbar: Der Stil des Umgangs miteinander, die Fähigkeit, authentisch wahrzunehmen, alles auf sich wirken zu lassen und danach mit Augenmaß zur richtigen Zeit und in spürbarer Ausprägung die notwendigen Schritte zu tun das ist es, woran wir gemessen werden. Auch Priesterratssprecher Herbert Schmucker unterstrich die Notwendigkeit des Prozesses: Unsere Kirche wäre nicht die Kirche Jesu Christi, wenn sie sich nicht immer wieder erneuern würde. Auch für die Priester gebe es viele offene Fragen, wie die nach dem Umgang mit der Schuld von Priestern bei den Missbrauchsfällen, die des Priestermangels, der Zölibatspflicht, des Verhältnisses von Haupt- und Ehrenamt oder der zeitgemäßen Glaubensverkündigung, 275

276 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Der Austausch im persönlichen Gegenüber steht im Vordergrund Bischof Fürst gibt ersten Zwischenbericht zum Dialog- und Erneuerungsprozess DR. THOMAS BROCH Rottenburg. 29. Juli In einem ersten Zwischenbericht hat Bischof Gebhard Fürst vor Beginn der Sommerpause per Newsletter die Mitarbeitenden der Diözese Rottenburg-Stuttgart über den derzeitigen Stand und demnächst anstehende Initiativen des Dialog- und Erneuerungsprozesses in der Diözese Rottenburg-Stuttgart informiert. Glaubwürdig Kirche leben steht als Leitgedanke über diesem Prozess. Dialog, so heißt es in diesem Schreiben, sei nicht in erster Linie Methode, sondern eine Haltung des Hinhörens, Verstehens und Austauschens. Begegnungen und Gespräche im persönlichen Gegenüber stünden daher im Mittelpunkt der Aktivitäten, bei denen es dem Bischof wichtig sei, als Hörender in der Diözese präsent zu sein und als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Dies sei bereits bisher und werde auch weiterhin bei Dialogveranstaltungen der Dekanate der Fall sein. Gespräche hätten aber auch mit kritischen Initiativgruppen wie der Gruppe pro concilio in Esslingen oder dem Forum Thomas in Göppingen stattgefunden. Er würdige das Engagement solcher Gruppen und werde auch künftig das Gespräch mit ihnen suchen, betonte Bischof Fürst. Einen wichtigen Part im Dialog- und Erneuerungsprozess weist Bischof Fürst den gewählten Beratungsgremien Diözesanrat und Diözesanpriesterrat zu. So habe sich der Diözesanrat im Mai dieses Jahres unter seinem Vorsitz mit zahlreichen bedrängenden Themen befasst und diese in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit benannt: Zukunft der Pastoral in den Kirchengemeinden, Stellung der Frau in der Kirche, so genannte konfessionsverbindende Ehen und Familien, Zölibatsverpflichtung für Weltpriester, geistliche Erneuerung sowie heutige Aufgaben in Welt und Gesellschaft. In Ausschüssen berate der Diözesanrat diese Themen weiter und werde die Ergebnisse in den Dialogprozess einbringen. Im Oktober, so der Bericht, befasse sich der Diözesanrat in einem Studientag mit den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils über Die Kirche in der Welt 276

277 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE von heute und mache damit deutlich, dass die theologischen und pastoralen Vorgaben des Konzils Leitlinien des kirchlichen Erneuerungsprozesses sein müssen. Präsenz und Mitgestaltung der Kirche in der Gesellschaft sei eine zentrale und bleibende Aufgabe. Auch kontrovers diskutierte Themen, so genannte heiße Eisen, sollen nach dem Willen von Bischof Fürst ausdrücklich aufgegriffen werden. So habe sich der Diözesanpriesterrat bereits im Mai diesen Jahres mit der Situation von Menschen befasst, die geschieden und wieder verheiratet sind. Im September will er diese Diskussion fortsetzen. Auch Fragen der kirchlichen Sexualmoral stehen auf der Agenda. Im Dezember wird sich Bischof Fürst mit Jugendlichen zu einem Gespräch über Sexualität Kirche Moral treffen. Die schriftlich im Rahmen des [jugendforum] 3 fixierten Erwartungen und Empfehlungen junger Menschen an die Kirche werden im Dialogprozess einen wichtigen Platz einnehmen, so der Bischof. Für die Bearbeitung einiger der dringlichsten Themen, die der Diözese nach den Worten des Bischofs auf den Nägeln brennen, wurden in der Verantwortung von Mitgliedern der Diözesanleitung Arbeitsgruppen gebildet: zur Situation konfessionsverbindender Ehen, zum Thema wiederverheiratete Geschiedene und zu Strukturfragen der Seelsorge Letzteres ist ein Thema, das wegen seiner Komplexität in Unterkommissionen beraten und vorangebracht werden muss. 277

278 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE An Lernorten Neues wagen Projekt Gemeinde im Dialogprozess gestartet Modelle ausprobieren UWE RENZ Rottenburg/Wernau, 23. Januar Ein Projekt Gemeinde hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart im Rahmen ihrer Dialog- und Erneuerungsinitiative gestartet. Das bis 2014 anberaumte Projekt soll Seelsorge vor Ort stärken und weiterentwickeln helfen, wie es am Montag bei der Auftaktveranstaltung in Wernau hieß. Kern der Unternehmung sind zu entwickelnde Modelle an verschiedenen Lernorten. Es werde manches zugelassen, wovor man bisher zurückgewichen ist, sagte der Leiter der Hauptabteilung Pastorale Konzeption, Domkapitular Matthäus Karrer, rund 50 haupt- und ehrenamtlichen Projektbeauftragten. Die vier Teilprojekte des Gesamtprojekts mit einem geschätzten Finanzbedarf von 1,2 Millionen Euro befassen sich mit der Organisation der Gemeindepastoral, Personal, Praxis in Liturgie, Verkündigung und Diakonie sowie mit Adaption und Transfer. Nach einer ersten Phase machen die Projektverantwortlichen dem Zeitplan zufolge Modellvorschläge für eine zweite Konzeptionsphase ab Ostern 2013, für die Bischof Gebhard Fürst ad experimentum dann die Umsetzung genehmigen soll. Das Projekt endet mit der Inkraftsetzung eines Rahmenplans für die Gemeindepastoral in der württembergischen Diözese. Das Gemeindeprojekt kam zustande nach Rückmeldungen aus Dekanaten und Gemeinden im Rahmen des von Bischof Fürst ausgerufenen Dialogprozesses. Die Zufriedenheit in den Gemeinden hänge davon ab, wie die Gläubigen personale Nähe vor Ort spüren. Diese Zufriedenheit zu stärken in teils komplexen Strukturen von Seelsorgeeinheiten, ist laut Domkapitular Karrer Ziel des Gemeindeprojekts. Es soll nicht von oben nach unten funktionieren, sondern der Verschiedenheit in vielen Gemeinden an vielen Orten gerecht werden. 278

279 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Wertvolle Hinweise aus Zeit zu hören Diözese mit positiver Zwischenbilanz in Dialog- und Erneuerungsprozess UWE RENZ Rottenburg/Stuttgart, 5. November Eine positive Zwischenbilanz haben Bischof, Diözesan- und Priesterrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart in dem im März vergangenen Jahres von Bischof Gebhard Fürst eröffneten Dialog- und Erneuerungsprozess gezogen. Heute stehe die württembergische Diözese anders da, als sie in den Prozess unter dem Leitwort Erneuert euren Geist und Sinn aus der Kraft des Heiligen Geistes hineingegangen sei, sagte Bischof Fürst am Montag in Stuttgart vor Journalisten in einer Zwischenbilanz nach einer Zeit zu hören genannten ersten Prozessphase. In kontroversen Fragen etwa zur Situation wiederverheirateter Geschiedener, der Stellung von Frauen in der Kirche oder der Zukunft von Seelsorgestrukturen zeige sich eine positive Dynamik. Bischof Fürst betonte, die meisten thematisierten Fragen seien komplex und nicht mit einem Federstrich zu lösen. Er kündigte für das kommende Frühjahr vier so genannte Regionalforen an. Sie verdeutlichten die nächste Phase im Prozess mit einer Zeit des Innehaltens und Bedenkens. Die Foren finden am 23. Februar in Biberach statt, am 2. März in Stuttgart, am 23. März in Heilbronn und am 11. Mai in Spaichingen. Eingeladen sind dazu Delegierte aus den Dekanaten der Diözese. Eigens eingerichtet wurde für den weiteren Dialog eine Homepage: Der Leiter der Koordinierungsgruppe des Dialogprozesses, Thomas Fliethmann, berichtete von bisher 230 an den Bischof gerichteten Briefen und 300 teils umfangreichen Dokumenten. Rund 300 Veranstaltungen mit mehr als beteiligten Menschen habe die Koordinierungsgruppe registriert; Bischof Fürst habe an über 70 Begegnungen teilgenommen. Den Spitzenplatz in der Themenliste habe die Rolle der Frau in der Kirche belegt. Dahinter verberge sich meist auch die Frage nach dem kirchenrechtlich für Frauen nicht möglichen Priester- und 279

280 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Diakonenamt. Allerdings votiere ein Sechstel jener, die sich zum Thema äußerten, auch gegen eine Öffnung des Amtes für Frauen. Als vorrangiges Thema habe sich auch das Thema Geschiedene und Wiederverheiratete erwiesen, so Fliethmann. Hier gehe es darum, dass Menschen in einer zweiten Ehe eine volle Teilnahme am kirchlichen Leben, also besonders den Kommunionempfang wünschen, und das in einer klaren, geregelten Weise. Weiteres sehr häufig angesprochenes Thema sei der priesterliche Pflichtzölibat. Er werde als wichtiger Grund für den Priestermangel kritisiert. Knapp ein Zehntel der Schreiber stufe den Zölibat indes als hohes Gut ein. Als Querschnittsthema bezeichnete der Koordinator das Thema Struktur von Kirche. Hier bündele sich Kritik an einer hierarchischen Verfassung der Kirche, mangelnder Innovationsfähigkeit und am Verhältnis von Kirchenleitung und Basis. Der Kritik stehe gegenüber, dass die Menschen Kirche etwa in den Gemeinden vor Ort positiv erfahren. Bischof Fürst hob hervor, dass im Dialog- und Erneuerungsprozess keine Fragen von vornherein ausgeschlossen worden seien, auch wenn jeder wisse, dass es vom kirchlichen Lehramt geklärte Positionen gibt, die nicht einfach zur Disposition gestellt werden können. Er versicherte, er werde weiterhin und verstärkt dafür sorgen, dass Frauen in der Diözese Führungspositionen übernehmen können. Eine Arbeitsgruppe der Frauenkommission verfolge das Thema; sie habe ihm im September Vorschläge dazu gemacht, wie der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht werden kann. Die Situation von Menschen, deren Ehe gescheitert ist und die in einer neuen Partnerschaft leben, berühre ihn tief, sagte der Bischof. Diese Paare gehören in die Mitte der Kirche. Die Bischofskonferenz habe eine Arbeitsgruppe zum Thema eingesetzt. Es gehe auch um eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts, damit geschiedene Wiederverheiratete in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis bleiben oder in ein solches eintreten können. Mit Blick auf die Strukturen sagte Bischof Fürst, der Priestermangel erfordere Lösungen, die Seelsorge nahe bei den Menschen ermöglichen. Intensiv arbeite 280

281 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE die Diözesanleitung an neuen Ideen und Konzepten. Im derzeit laufenden Projekt Gemeinde würden Modelle bearbeitet, wie Seelsorge ein jeweils vor Ort passendes Profil bekommen kann. Dazu gebe es Leuchtturmprojekte. Diese an so genannten Lernorten erprobten Modelle, etwa zur Frage der Gemeindeleitung oder einer möglichst profilierten Seelsorge, würden weiter entwickelt und im kommenden Jahr vorgestellt. Der Sprecher des Diözesanrates, Johannes Warmbrunn, bestätigte auch im Namen des Priesterrates, bei Fragen wie beispielsweise der Übertragung von Weiheämtern, gebe es unterschiedliche Positionen. Wichtig ist aber: Wir sind bereit, gemeinsam für unsere Kirche Verantwortung zu übernehmen, unterstrich Warmbrunn. Die meisten Chancen für Bewegung sehe er beim Thema des gemeinsamen Priestertums. Erneuerung bedeute für ihn in erster Linie, Verantwortung neu zu verteilen. Konkret erwähnte er mögliche innovative Formen der Beauftragung für Ehrenamtliche, die in besonderer Weise Führungsverantwortung gemeinsam mit Priestern und hauptberuflich Tätigen übernehmen wollen und können. Eine neue Verteilung von Verantwortung mache nach innen wie nach außen sichtbar, dass die Gestaltung unserer Kirche nicht Auftrag einiger weniger ist. Warmbrunn wies darauf hin, dass die Frauen im Diözesanrat eine Initiative zum Thema Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche ergriffen hätten. Das Gremium werde Bischof Fürst dazu Positionierungen übergeben. Ebenso sei eine Positionierung zur Seelsorge für konfessionsverbindende Ehepaare und Familien vorgesehen. Diözesan- und Priesterrat würden zudem weiter dafür eintreten, dass unsere Kirche zu einem angemessenen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen findet. Nach wie vor ungelöste Themen wie die Haltung der katholischen Kirche zur Sexualität, zum Pflichtzölibat der Priester oder zum Diakonat und Priesteramt für Frauen bleiben weiter auf der Agenda, sagte der Diözesanratssprecher. 281

282 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Gesprächsforen in den Regionen beginnen Auftakt am Samstag in Biberach Teil des Dialogprozesses der Diözese UWE RENZ Rottenburg/Biberach. 18. Februar Die von Bischof Gebhard Fürst angekündigte Reihe von Regionalforen im Dialog- und Erneuerungsprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart beginnt am Samstag im oberschwäbischen Biberach. Auf den insgesamt vier Foren werden Schwerpunktthemen behandelt, die sich im Dialogprozess bisher herauskristallisiert haben. An den vier Orten Biberach, Esslingen (2. März), Schwäbisch Hall (23. März) und Spaichingen (11. Mai) nehmen insgesamt haupt- und ehrenamtliche Delegierte aus allen wichtigen kirchlichen Feldern teil. Zu den Themen gehören der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten, Frauen in der Kirche, konfessionsverbindende Ehen, Ökumene und Seelsorge. Der Dialogprozess steht unter dem Leitwort Glaubwürdig Kirche leben. Bei dem in Biberach um 10 Uhr beginnenden Forum stellt der Verantwortliche für den Dialogprozess, Thomas Fliethmann, Stellungnahmen aus Schreiben an Bischof Fürst vor. Statements geben auch ab der Leiter der Hauptabteilung Gesellschaft und Politik, Ordinariatsrat Joachim Drumm, die Leiterin der Hauptabteilung Schulen, Ute Augustyniak-Dürr, und der Leiter der Hauptabteilung Pastorale Konzeption, Domkapitular Matthäus Karrer. Im Podiumsgespräch stellt sich Bischof Fürst den Fragen. 282

283 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Spurensuche in schwierigen Fragen Regionales Forum in Biberach sicherte Fortschritte im Dialogprozess UWE RENZ Rottenburg/Biberach. 24. Februar Mit teils schwierigen aktuellen Herausforderungen der katholischen Kirche haben sich über 280 Delegierte im Rahmen des Dialogprozesses der Diözese Rottenburg-Stuttgart am Samstag im oberschwäbischen Biberach befasst. Beim ersten von insgesamt vier so genannten Regionalforen unter dem Leitwort Glaubwürdig Kirche leben wurden Fortschritte in dem im März 2011 eröffneten Dialogprozess gesichtet und gesichert. In Biberach standen im Vordergrund der kirchliche Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und die Chancen von Frauen auf verantwortungsvolle Positionen in der Kirche. Zum Auftakt betonte Bischof Gebhard Fürst, die Regionalforen könnten keine Entscheidungsforen sein. Es gehe darum, das bisher im Prozess Gehörte zu bündeln und es für den weiteren Prozess der Erneuerung zu nutzen. Im Dialogprozess zeigte sich bisher, dass eine deutliche Mehrheit von Katholiken sich einen barmherzigeren Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen wünscht. Ordinariatsrat Joachim Drumm betonte als perspektivische These, dass beim grundsätzlichen Festhalten an der Unauflöslichkeit der sakramental geschlossenen Ehe eine Zweitehe nicht einfach als fortdauernder Ehebruch verurteilt werden, sondern je nach Situation auch als verantwortungsvoller Ausweg toleriert werden solle. Die Frage nach der Erteilung von Absolution nach der Beichte und der Zulassung zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene sei auch eine Frage an das Selbstverständnis von Kirche als Ort der Versöhnung und an das Verständnis von Eucharistie, sagte Drumm. Bischof Fürst betonte in Biberach wiederum, er habe sein Versprechen eingelöst und die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz eingebracht. Er hoffe, dass eine dort gebildete Arbeitsgruppe bald Wege aufzeigen werde. 283

284 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Zur Frage der Führungsverantwortung von Frauen bezog Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr Stellung, eine von vier Frauen in der Diözesanleitung. Sie betonte, Frauen seien jahrhundertelang in Kirche und Gesellschaft den Männern nachgeordnet worden. Für eine solche Zurücksetzung gibt es biblisch keinerlei Rechtfertigung. Augustyniak-Dürr unterstrich, dass ein Zugang von Frauen zum sakramentalen Weiheamt der Kirche dogmatisch und kirchenrechtlich derzeit nicht möglich sei, aber es abgesehen davon zahlreiche haupt- und ehrenamtliche Arbeitsfelder und Entfaltungsmöglichkeiten gebe. Sie ergänzte: Wenn wir die Frage der Wertigkeit der Frau generell und die Frage nach der Zulassung zu Ämtern von vornherein vermischen, folgt aus der Nichtzulassung zu Ämtern automatisch eine Herabsetzung der Frau im Sinne mangelnder Gleichwertigkeit. Die Ordinariatsrätin ermunterte Frauen zu Optimismus. Allein im vergangenen Jahrhundert hätten sich auch in der katholischen Kirche große Fortschritte gerade auch in Fragen der Frauenrechte ergeben. Wenn wir wirklich ernst machen mit der christlichen Botschaft, dann wird unser Miteinander auch unsere Strukturen verändern. Bischof Fürst wies darauf hin, dass seine Diözese seit Jahren die Chancen auf Führungsverantwortung für Frauen besonders fördere. Die Kirche brauche die Kompetenz von Frauen und deren spezifisches Charisma existenziell. In einer Podiums- und Plenumsrunde brachten Delegierte ihre Erfahrungen aus dem kirchlichen Alltag vor. Sowohl Ehepaare in Krisen wie auch solche nach Scheidung oder einer zweiten Eheschließung müssten sich voll angenommen fühlen können. So berichtete der Ulmer Dekan Matthias Hambücher vom Gespräch mit einer Frau, die mit einem geschiedenen Mann verheiratet ist. Sie habe, so Hambücher, der Kirche verbittert vorgeworfen, sich moralisch über andere zu erheben, wo sie sich doch moralisch selbst stark verfehlt habe. Der Dekan mahnte, solche Konflikte und Probleme nicht mit rechtlichen Strukturen und Formeln lösen zu wollen. Vielmehr sei grundsätzlich ein im kirchlichen Leben konsequent offenes und einladendes Miteinander mit Menschen anzustreben, die in ihrer Ehe gescheitert sind. 284

285 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Bischof Fürst zeigte sich tief betroffen. Zum einen verwies er auf das Jesuswort von der Unauflöslichkeit der Ehe. Die modernen Herausforderungen an die Ehe seien allerdings teilweise enorm. Von Jesus vorgelebte Barmherzigkeit, Zuwendung und Liebe gelte es konkret zu vermitteln. Dies müsse auch gelten mit Blick auf gescheiterte Ehebeziehungen, die für die meisten Betroffenen eine Tragödie darstellten. Jedes einzelne Scheitern bedürfe der besonderen Achtsamkeit durch Seelsorgerinnen und Seelsorger, Pfarreien und Gemeinden, damit sie dem Leben der Einzelnen eine neue Chance eröffnen. Mit Blick auf die Stellung von Frauen in der Kirche betonte Diözesanrätin Margret Kehle, Frauen fühlten sich trotz aller theoretisch anderslautenden Stellungnahmen vielfach als Menschen zweiter Klasse. Auf Augenhöhe und gleichwertig am kirchlichen Leben beteiligt zu sein, das wünsche sie sich als Frau. Wir wollen keine Notnägel sein. Als drängendes Problem etwa nannte die Delegierte, dass Seelsorgerinnen beispielsweise die Krankensalbung nicht spenden dürften. Kehle verlangte eine konsequente theologische Aufarbeitung solcher Problemfelder. Dekan Hambücher fügte hinzu, dass Frauen im katholischen Seelsorgedienst sich gegenüber evangelischen Kolleginnen zurückgesetzt fühlten. Grundsätzlich erkenne er die Frage nach Frauen in der Kirche als solche an das christliche Menschenbild. Nach diesem Bild müssten Männer und Frauen die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten haben. 285

286 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Balsam auf offene Wunden Dialogforum in Esslingen: Konfessionsverbindende Familien im Blick UWE RENZ Rottenburg/Esslingen. 3. März Ein gemeinsames religiöses Leben in der katholischen Kirche bringt für viele Ehepaare und Familien unterschiedlicher Konfession Konflikte mit sich. So setzt etwa der Empfang der heiligen Kommunion nach katholischer Lehre Kirchengemeinschaft voraus. Für betroffene Paare heißt das oft: Resignation und Rückzug oder eben Handeln wider kirchliche Norm. In Esslingen, beim zweiten Regionalforum des Dialogprozesses der Diözese Rottenburg-Stuttgart unter dem Leitwort Glaubwürdig Kirche leben, befassten sich am Samstag mehr als 250 Delegierte unter anderem mit der Lage dieser Paare und Familien. Generalvikar Clemens Stroppel ließ sie spürbar aufatmen: Durch das doppelte Band der Taufe und der Ehe leben diese Paare in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche, was den Ausschluss vom gemeinsamen Kommunionempfang nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen lässt. Stroppel, der die Situation der konfessionsverbindenden Paare als offene Wunde und sie selbst als besonders Leidtragende der Spaltung der Kirche bezeichnete, berief sich unter dem Beifall der Delegierten auf das Zweite Vatikanische Konzil. Nach der Linie dieses Konzils seien konfessionsverbindende Paare durch Taufe und Ehe sakramental verbunden, eingeschlossen der nichtkatholische Partner. Diesen Weg zu einer möglichen Lösung fand eine von Bischof Gebhard Fürst eingesetzte theologische Arbeitsgruppe. Der Generalvikar räumte ein, dass die volle kirchliche Gemeinschaft zwar nicht erreicht sei. Aber durch die gegenseitige Anerkennung der Taufe durch die in der Arbeitsgemeinschaft ACK vertretenen Kirchen öffne sich ein theologisch stimmiger und pastoral notwendiger Weg. Konfessionsverbindende Paare und Familien könnten damit als Hauskirche anerkannt werden. Aus dieser Perspektive sehe er einen Weg für die Diözese Rottenburg-Stuttgart zu einem neuen Umgang mit konfessionsverbindenden Ehepaaren. 286

287 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE Allein die pastorale Not erfordere Lösungen, unterstrich der Generalvikar. So seien 43 Prozent der 2011 in der Diözese Rottenburg-Stuttgart katholisch geschlossenen Ehen konfessionsverbindend. Vor 50 Jahren lag laut Stroppel der Prozentsatz bei 30 Prozent. Und vor zwei Jahren entstammten 42 Prozent der in der Diözese getauften Kinder konfessionsverbindenden Familien. In einer Podiumsdiskussion mahnten Delegierte mehr Offenheit der Kirche auch in Fragen des gemeinsamen Kommunionempfangs an. Bischof Fürst erinnerte daran, dass er seit zehn Jahren einen Weg anmahne, im kirchlichen Leben engagierten Paaren solle der Kommunionempfang möglich werden. Er werde diese Auffassung erneut auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz einbringen. Es brauche eine verbindliche und pastoral stimmige Lösung, mahnte der Böblinger Dekan Karl Kaufmann: Es kann nicht sein, dass in der einen Pfarrei konfessionsverbindende Paare beim Sakramentenempfang willkommen sind, während sie in der anderen abgelehnt werden. Thema Leben in Kirchengemeinde, Pfarrei, Seelsorgeeinheit : Wie es mit einer Pastoral der Nähe weitergehen soll, auch damit befassten sich die Delegierten. Domkapitular Matthäus Karrer, Leiter der Hauptabteilung Pastorale Konzeption, stellte Perspektiven des 2011 begonnenen Projekts Gemeinde vor. 80 Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten seither konzeptionell daran im Auftrag des Bischofs und des Diözesanrates. Es bestehe eine große Ungleichzeitigkeit in den Gemeinden, betonte Karrer. Wo es hier hapere mit der Verlebendigung von Seelsorgeeinheiten, da mangele es dort etwa an personaler Substanz, um zufriedenstellend eine Pastoral der Nähe zu leisten. Wir brauchen je vor Ort lebensraumbezogene Antworten, betonte Karrer. Nötig dafür sei ein Blickwechsel vom Wohlbekannten hin zu Neuem. Als Beispiel nannte der Pastoralexperte eine Öffnung von Gemeinden hin zu ihrem jeweils unterschiedlichen gesellschaftlichen Umfeld. Seine Thesen trugen Titel wie Von der Vollversorgergemeinde zum pastoralen Netzwerk, von der versorgten Gemeinde zum mitsorgenden pastoralen Handeln oder von der Gleichmacherei zur Qualitätssicherung und -entwicklung. Dies habe, so Karrer, Folgen auch für das haupt- und das ehrenamtliche Personal. Hier lauteten die Thesen vom Ver- 287

288 PRESSEMITTEILUNGEN DER BISCHÖFLICHEN PRESSESTELLE walter zum Seelsorger, von der Allzuständigkeit zur Delegation oder vom alten Ehrenamt (im Sinne eines Pfarreivereins) zum neuen Ehrenamt (im Sinne der Charismenlehre des Apostels Paulus). 288

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292 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Der Dialog für ein Wir-Gefühl Publikation: Schwäbische Post, ULRIKE SCHNEIDER Weihbischof Thomas Maria Renz initiiert Dialog in Aalen Ziel: Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen Zölibat, fehlender Priesternachwuchs, sexueller Missbrauch durch Priester und überdurchschnittlich viele Kirchenaustritte. Weihbischof Thomas Maria Renz hat am Mittwoch im Salvatorheim in Aalen die kritischen Themen alle angesprochen. Gekommen waren etwa 70 Pfarrer und pastorale Angestellte aus dem gesamten Dekanat Ostalb. Das Ziel: die Erneuerung der katholischen Kirche. Aalen. Die katholische Kirche steckt nach dem Jahr 2010 in der Krise, räumte Weihbischof Thomas Renz am Mittwochnachmittag im Aalener Salvatorheim offen ein. Man müsse offensiv mit den Problemen sexueller Missbrauch, Kirchenaustritten und Zölibat umgehen. Das hat uns sehr erschüttert, was in Deutschland geschehen ist", konstatierte Renz. Daher hat man bereits im vergangenen Herbst einen Dialogprozess angestoßen deutschlandweit. Offiziell soll dieser im März auch hier starten im Diäzösenrat. Die Ostalb ist schon einen Schritt voraus. In einer Runde mit den Pfarrern und pastoralen Angestellten wie Diakone, Pastoralreferentinnen und -referenten im Dekanat hat der Weihbischof den offenen Dialog gesucht, ohne jegliches Tabu. Man müsse sich auf Augenhöhe begegnen. Statt einer Abstimmung mit den Füßen gelte es, unter den Katholiken ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Die Bischöfe müssten O-Töne einfangen und auf die Menschen hören, meinte Renz. Wir brauchen diesen Dialogprozess dringend", sagte er. Auf allen Ebenen, von der Kirchengemeinde zum Dekanat, von der Diözese bis zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Wir müssen die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zurückgewinnen", beschrieb Renz das Ziel. Er verwies dabei auch auf das Zweite Vatikanische Konzil und den Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2011 von Bischof Dr. Gebhard Fürst: Kirche müsse sich immer wieder erneuern. 292

293 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Und wie sie sich diese neue Kirche vorstellen, dazu konnten sich die Teilnehmer konkret äußern. Auf verschiedenfarbigen Kärtchen galt es, die persönlichen Wünsche zu formulieren: Was bedeute Kirchenerneuerung für sie, welche Themen müssten im Dialog behandelt werden und wie soll die Beteiligung aussehen. Ausgewertet wird später. Doch Weihbischof Renz zeigte auch die Grenzen der lokalen Gestaltungsmöglichkeiten auf. Etwa beim Zölibat. Er halte es für einen Denkfehler, wenn man sich bei diesem Thema einen deutschen Sonderweg vorstelle. Da ist nichts zu erwarten. Das haben drei Weltbischofssynoden gezeigt", stellte Renz fest. Das könne man bedauern, aber das regle allein die Weltkirche, und die bewege sich beim Zölibat momentan nicht. Zumal weltweit die Zahl der Priester steige. Deshalb müsse man für Deutschland nach neuen Wegen suchen, wie Pfarrer entlastet werden können. Mit weniger Verwaltungsaufgaben und mehr pastoralen Elementen. Auch dem Bedürfnis vor allem der Jugend nach Spiritualität müsse man entsprechen mit neuen spirituellen Zentren. Dabei müsse man sich an Jesus orientieren. Man sammle die Kräfte und sende sie aus. Als Beispiel nannte Renz Weingarten, wo möglicherweise französische Geistliche künftig gemeinsam im Kloster leben und von dort aus die Gemeinden betreuen. Dort wie hier gelte es, individuelle Lösungen zu suchen. Und auch dazu brauche es den Dialog und einen Pastoralplan, der am Ende des Dialoges stehen müsse. 293

294 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Glaubenskrise Katholiken aus dem Echaztal beteiligen sich am innerkirchlichen Dialog- und Erneuerungsprozess Publikation: Reutlinger Generalanzeiger, CHRISTOPH B. STRÖHLE Weil Kirche nicht fertig ist Katholiken aus dem Echaztal beteiligen sich am innerkirchlichen Dialog- und Erneuerungsprozess Pfullingen. Ausgehend von den Missbrauchs- und Vertuschungsskandalen der vergangenen Jahre, hat die katholische Kirche in Deutschland unter dem Titel Zeit zu hören einen Dialog- und Erneuerungsprozess in Kirche und Gemeinde angestoßen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Für die Diözese Rottenburg- Stuttgart hat Bischof Dr. Gebhard Fürst dazu festgestellt: Keine Fragen sollen von vornherein ausgeschlossen werden. Wo auf Ebene der Ortskirche Erneuerung stattfinden kann, werde ich diese angehen. Was nicht auf der Ebene der Ortskirche möglich ist, möchte ich zur Besprechung in die Bischofskonferenz mitnehmen. Zwei Jahre Zeit will sich der Bischof für den 2011 gestarteten Dialog nehmen und die Anliegen sammeln, die in Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten, kirchlichen Gruppen und Einrichtungen vorgetragen werden. Im Pfullinger Gemeindehaus St. Wolfgang diskutierten am Donnerstag zwei Dutzend Katholiken aus dem Echaztal darüber, wie sich Glauben in der heutigen Zeit leben lässt und wie sie sich die Strukturen und Aufgaben von Kirche im 21. Jahrhundert vorstellen. Professor Dr. Thomas Fliethmann, Leiter des Instituts für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Leiter der Koordinierungsgruppe für den diözesanen Dialog, hielt einleitend ein Impulsreferat. 294

295 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Dialog nötig Es gehe um mehr als nur ein Wegräumen von Schutt, sagte er. Die Kirche als Ganze, zumindest hier in Deutschland, ist in einer Häutung. Anders gesagt: Die Raupe wird zum Schmetterling. Bloß, dass es ein Schmetterling wird, weiß man erst hinterher, wenn es geklappt hat. So als Raupe hat man Angst, weil man nicht weiß, was da kommt. Kirche brauche den Dialog, weil sie eben nicht fertig ist. Der Dialog sei dabei nicht nur als Methode zu verstehen, sondern als Haltung, als Bereitschaft, sich durch die Begegnung verändern zu lassen. Keine Sozialform der Kirche sei alternativlos, gab Fliethmann zu bedenken. Antworten müssten für jede Zeit und jede gesellschaftliche Realität neu gefunden werden. Wenn man heute Kinder erzieht, kann man auch nicht auf Muster von früher zurückgreifen. Was die Gläubigen in Pfullingen und Lichtenstein bewegt, ließ sich an den teils schonungslosen, teils zynischen oder zweifelnd-nachdenklichen Kommentaren ablesen, die die Anwesenden in Kleingruppen zu Papier brachten. Wenn ich den Papst ernst nehmen würde, müsste ich austreten, war da zu lesen. Oder: Wie weit müssen wir von Rom abhängig sein? Da wurde nach dem Umgang mit Ersatzreligionen der jungen Leute, vor allem Facebook, gefragt oder nach der Wahrnehmung vieler, dass es scheinbar auch ohne Kirche geht. Gefordert wurde eine dezidiert christliche Werteerziehung und gleichzeitig gewarnt vor Überforderung bei der Ausgestaltung ehrenamtlicher Tätigkeit. Unter der Hand hat sich vieles entwickelt, meinte einer der Diskutanten. Wie kriegen wir es hin, da auch die Leitung mit einzubinden? Gemeint war unter anderem der Umgang mit Geschiedenen/Wiederverheirateten, die, als Sünder gebrandmarkt, offiziell von der Kommunion ausgeschlossen sind. In der Praxis wird dies oft weniger strikt gehandhabt. 295

296 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Sprachlosigkeit überwinden Ein Gläubiger sagte, er habe niemanden, mit dem er über seinen Glauben reden könne. Ich komme mir relativ alleingelassen vor. Am ehesten möglich sei ein solcher Diskurs mit den Zeugen Jehovas, befand ein anderer. Er jedenfalls lasse diese, wenn sie klingeln, immer rein, um sich argumentativ zu schulen und zugleich die eigene Sprachlosigkeit zu überwinden. Fertige Konzepte hatte an diesem Abend keiner der Anwesenden parat, allenfalls Ansätze wie: Da müssen Werbestrategen her, die gezielt die Jugend ansprechen. Einer Frau kamen der von den Kirchenoberen gestartete Dialog und die neue Offenheit gut, aber irgendwie surreal vor. Ich habe jahrelang anderes erlebt, was Kirche ist und Kirche macht, sagte sie. Der Abend habe gezeigt, dass eine Unzufriedenheit da ist, meinte am Ende Pastoralreferentin Ines Spitznagel. Die Kirche sei mit dem Dialogprozess auf einem guten Weg und erkenne, wo die Schwierigkeiten sind. Für mich ist die Frage aber, ob unsere Kirche wirklich den Schritt wagt, neue Wege zu gehen, oder ob sie diese Chance verstreichen lässt. (GEA) 296

297 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Druck von unten" zur Erneuerung Publikation: Gäubote, NADINE DÜRR Kuppingen: Umfrage zum Dialogprozess in der katholischen Kirche Gespannt erwartete man in der katholischen Kirchengemeinde Kuppingen das Ergebnis der Umfrage zum Dialogprozess. Nach der Vorstellung der Resultate diskutierte die Gemeindeversammlung, was die Kuppinger bewegt, welche Ängste, Wünsche und Bedürfnisse vorhanden sind. Durchweg zwischen 60 und 90 Prozent lag die Zustimmungsrate zu den 15 Themen der Umfrage. Ob es sich um mehr Personal für die Jugendarbeit, den ökumenischen Dialog, eine Aktualisierung der Sexualmoral, die Weihe von Diakoninnen, Priesterinnen oder verheirateten Männern zu Priestern handelte die Kuppinger bekannten sich zu einer Erneuerung der katholischen Kirche. So stimmten 97 Prozent für die Freistellung des priesterlichen Zölibats, 59 Prozent begrüßten die Weihe von Priesterinnen. Dieses Ergebnis ist nicht erstaunlich", kommentierte eine Teilnehmerin der Versammlung. Es belegt eigentlich nur, was man als allgemeine Stimmung überall spürt." Einen Wermutstropfen stellte die geringe Beteiligung an der Umfrage dar. Lediglich drei Prozent der Kuppinger Katholiken umgerechnet sind das 79 Personen beantworteten den Fragebogen. Wesentlich höher sei das Engagement in anderen Gemeinden gewesen. Mangelndes Interesse und die Überzeugung, dass an der Situation ohnehin nichts zu ändern sei, führte die Kirchengemeinderätin Doris Philipp als Gründe für dieses passive Verhalten in der Gemeinde an. Auch gäbe es viele schlafende Leute, die gerade ein Problem mit der Kirche haben". 297

298 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Sich an der Umfrage zu beteiligen, wäre für Doris Philipp eine große Chance gewesen, die vertan wurde". Denn die Erneuerung der Kirche werde allein durch eine Bewegung an der Basis in Gang kommen. Pfarrer Reiner Debert äußerte: Von oben wird die Veränderung nicht kommen, es geht nur mit Druck von unten. Wir werden einen langen Atem brauchen. Der Prozess des Dialogs, prognostizierte er, wird ein Weg der kleinen Schritte sein. Im Kirchenblatt hatte man Menschen katholischen Glaubens über 14 Jahre dazu aufgerufen, im Rahmen der Aktion "DIALOG bewegt" des Katholischen Dekanats Böblingen an der Umfrage teilzunehmen. Jeder Gemeinde blieb es selbst überlassen, die Fragen für die Erhebung zu formulieren. Die Ergebnisse der Umfrage sollen noch in diesem Monat Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart vorgelegt und mit ihm im kleinen Kreis diskutiert werden. Die Schwerpunkte des Gesprächs werden sich um die Themen Zölibat, Ökumene, Weihe von verheirateten Männern zu Priestern und Zulassung von Wiederverheirateten und Geschiedenen zu den Sakramenten gruppieren. Ob die Kuppinger Impulse vom Bischof wohl nach Rom weitergetragen werden und ob dort wahrgenommen werden wird, was an der Basis auf den Nägeln brennt, sorgte sich eine Teilnehmerin: Die Leute haben durch die Umfrage eine enorm hohe Erwartung. Wir möchten nicht, dass alles wieder in der Schublade verschwindet und versandet. Die Gesellschaft hat sich verändert und man sollte dem auch seitens der Kirche Rechnung tragen." Dranbleiben müsse man deshalb, war man sich schnell einig und überlegte, an welchen Themen konkret vor Ort gearbeitet werden könnte. Um eine volle Stelle für den Jugendreferenten Franz Szymanski wolle man kämpfen. Er macht einen sehr guten Job und hat einen guten Draht zu den Jugendlichen", sagte Kirchengemeinderätin Gertrud Bürkle. Von Bedeutung war einer Teilnehmerin außerdem, dass Kinder aus konfessionsverschiedenen Ehen in beiden Gemeinden willkommen geheißen werden und sich dort zu Hause fühlen können. Außer ökumenischen Bestrebungen und einer Belebung der Liturgie regte Pfarrer Debert schließlich eine Kirchenerneuerung im biblischen Sinne an: Wir sollten berücksichtigen, wie die Urchristen lebten und dann sehen, wo wir heute gelandet sind. Wir müssen zurück zu den Quellen, um die Bibel besser verstehen zu können." 298

299 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL In der nächsten Gemeindeversammlung sollen die gesammelten Verschläge und Wünsche wieder aufgenommen und die Ergebnisse der jetzt folgenden Diskussion mit dem Rottenburger Bischof präsentiert werden. 299

300 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Interview beim Katholikentag Wir werden den Laien mehr Verantwortung geben" Publikation: Stuttgarter Zeitung Stadtausgabe, Stuttgart. Beim Zölibat werde sich auf absehbare Zeit nichts tun, sagt der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst. Konfessionsverschiedenen Ehepaaren macht er aber Hoffnung. Der Theologe warnt zudem vor Zentralisierung. Herr Bischof, was ist für Sie das wichtigste Erlebnis des Katholikentags? Ich habe fast alle Gruppen besucht, die sich auf dem Treffen präsentiert haben. Dort habe ich erlebt, wie vielfältig die Aktivitäten sind und wie groß das Engagement in unserer Kirche ist. Es ist beeindruckend, wie stark sich die Menschen mit ihrer Aufgabe identifizieren. Es gab aber auch viel Kritik wegen des Reformstaus. Die Bischöfe seien mutlos, hat Norbert Lammert gescholten zu Recht? Wir Bischöfe sind gehalten, in der lebendigen Überlieferung unserer Kirche nach vorne zu gehen. Da ist nicht alles, was gewünscht wird, machbar. Wir Bischöfe verstecken uns aber nicht hinter Rom. Wir wissen, dass sich etwas ändern muss. Was heißt das konkret? Durch den Missbrauchsskandal sind wir sehr stark in die Defensive geraten. Viele Menschen, die sich bei uns einsetzen, sind verunsichert worden. Das schmälert die Kraft. Manchmal ist der Wunsch nach einem Wandel aber gar nicht so konkret. Drängende Probleme sind für viele, dass wiederverheiratete Geschiedene und konfessionsverschiedene Ehepaare momentan in der Regel nicht zur Eucharistie zugelassen sind. Auch die Stellung der Frau wird oft angesprochen. Diese Themen haben in Mannheim jedoch nicht alles bestimmt. Vielmehr wurde auch stark gefragt, wie die heilsame Botschaft des Evangeliums den Zeitgenossen wirksam vermittelt werden kann. 300

301 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Der Katholikentag war eine weitere Etappe im Dialogprozess. Wie sichern Sie, dass der Prozess wirkliche Ergebnisse bringt? In der Diözese Rottenburg-Stuttgart habe ich selber schon rund 50 Dialogveranstaltungen durchgeführt. Ich habe viele Briefe bekommen, wie sich die Kirche weiterentwickeln soll. Wir werden sichten, was alles auf dem Tisch liegt. Dann werden wir die Veränderungen im Sinne einer größeren Nähe zu den Menschen angehen. Sicher ist, dass die Laien in der Mitverantwortung für die Gemeinden, in der Katechese, in der Verkündigung eine größere Rolle spielen sollen. Was ich hier tun kann, werde ich tun. Die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen und der konfessionsverbindenden Ehen werde ich definitiv in die Bischofskonferenz einbringen. Da müssen wir einen Schritt weiterkommen, schon im Blick auf die Zahlen: 47 Prozent aller Ehen werden bei uns in der Diözese mittlerweile zwischen katholischen und evangelischen Christen geschlossen. Bei Themen, die auf der Ebene der Weltkirche angesiedelt sind wie etwa der Zölibat oder das Diakonat der Frau, sehe ich freilich keine Bewegung. Sie wollen die Nähe zu den Menschen sichern. Gibt es hier keine XXL-Gemeinden? Wir werden Zentralisierungstendenzen, die es in anderen Bistümern gibt, nicht mitmachen. Wir setzen unsere Linie mit dem Erhalt der Kirchengemeinden fort. Wenn vor Ort kein Pfarrer mehr da sein kann, werden wir Laien Frauen oder Männer als Ansprechpartner vorsehen und sie auch in die Gemeindeleitung mit aufnehmen. Es darf keinen Rückzug aus der Fläche geben. Das Weiterleben unserer Kirche hängt von dem Fortbestehen der kleinen Einheiten ab, in denen Menschen konkret Kirche erfahren. Sie gehen also einen ganz anderen Weg als Ihr Bischofskollege in Augsburg. Wir gehen einen ganz anderen Weg. Das darf die Öffentlichkeit ruhig wissen. 301

302 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL In Österreich rebellieren viele Pfarrer jetzt. Könnte die Welle zu uns schwappen? Ich vermute nicht. In Österreich fehlt die Tradition von Katholikentagen. Es gibt dort keinen derart organisierten Laienkatholizismus wie bei uns. Das heißt, es fehlen die Foren, auf denen hart miteinander gerungen und gestritten wird. Die Menschen honorieren hier, dass sie ihre Sorgen und Anliegen vorbringen können. Das erlaubt es ihnen, dem Wandel zu trauen, der sich ja bereits anbahnt. Kardinal Kasper sieht die Kirche in Mitteleuropa vor einer Epochenwende. Was erwarten Sie? Unsere Kirche wird sich wandeln. Sie wird sich aber in ihrer Grundgestalt nicht völlig ändern. Ich glaube nicht, dass wir in 10 bis 15 Jahren zur marginalisierten Minderheit werden. Wir werden unsere Kirchengemeinden wie bisher haben, mit einer größeren Beteiligung der Laien und einer stärkeren Verantwortung der Basis. 302

303 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Wir müssen beweglicher werden" Publikation: Stuttgarter Zeitung, NICOLE HÖFLE Religion. Der katholische Stadtdekan will mehr Personen ansprechen, und die evangelische Kirche pflegt ihre Vielfalt Es ist ein Gottesdienst für frisch Verliebte. Aber auch für diejenigen, bei denen die Schmetterlinge im Bauch nicht mehr flattern, die aber trotzdem einen Segen wollen. Zu der Segnungsfeier im Wonnemonat Mai hat der katholische Pfarrer Johannes Steinbach eingeladen. Er predigt seit 15 Jahren in Sankt Georg im Stuttgarter Norden und sucht nach Gottesdienstformen, die Personen ansprechen, die sonst den Weg in die Kirche nicht finden. An diesem Sonntagabend predigt Steinbach deshalb über Liebe, Lust und Sexualität und lässt im Anschluss zwei Schauspieler vor dem Altar auftreten. Die beiden schmachten sich an, tauschen Liebesschwüre und Anzüglichkeiten und landen schließlich engumschlungen unter dem Mosaik, das Christus als den Welterlöser zeigt. Für Steinbach ist der Gottesdienst für Verliebte ein Experiment, genauso wie die Gottesdienstreihe Omnibus", die nicht in der Kirche, sondern an anderen Orten stattfindet, zuletzt bei der Landesbaugenossenschaft in der Nordbahnhofstraße. Wir müssen uns fragen, wie wir den Menschen den Weg zu Gott erleichtern können", sagt der Theologe und fordert mehr Bewegung in einer erstarrten Kirche". Bewegung wünscht sich auch der katholische Stadtdekan Christian Hermes, der zwar Wert auf die Feststellung legt, dass die katholische Kirche in Stuttgart jeden Sonntag durchschnittlich Gläubige zusammenbringe, der aber zugleich Veränderungen anmahnt. Wir müssen wegkommen von den Sonntagsgottesdiensten zwischen 9.15 und 11 Uhr" Hermes zählt auf: Von den hundert Gottesdiensten, welche die katholische Kirche in Stuttgart jeden Sonntag anbietet, starten lediglich sieben zu anderen Zeiten. Wir müssen flexibler werden. Familien wollen am Sonntagmorgen nicht in die Kirche, sie wollen in aller Ruhe in den oftmals einzig arbeitsfreien Tag in der Woche starten." Der Dekan hält des- 303

304 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL halb die 46 Pfarreien an, im Zuge des Erneuerungsprozesses, welcher derzeit diözesanweit abläuft, auch über andere Gottesdienstzeiten nachzudenken genauso wie über andere Gottesdienstformen. Für viele Menschen ist eine katholische Eucharistiefeier heute genauso verständlich wie ein japanisches Teeritual", sagt Christian Hermes. Er überlegt deshalb, Gottesdienste für Anfänger zu konzipieren, die den Bürgern helfen sollen, die fest gefügten Abläufe zu verstehen. Ich erwarte nicht, dass künftig jede Gemeinde ihre Zeiten verschiebt und Gottesdienste für Anfänger anbietet, aber jede Gemeinde soll darüber nachdenken, welches Angebot in ihrem Stadtteil sinnvoll wäre", sagt der Stadtdekan. Dabei legt der Theologe Wert darauf, die fast 2000 Jahre alten Rituale zu achten. Wo haben wir denn heute noch eine so unglaubliche Tradition?" Wie man Menschen dazu bewegen kann, in die Kirche zu gehen, darüber machen sich auch die Verantwortlichen bei der evangelischen Kirche Gedanken. Die Landeskirche hat deshalb das Jahr 2012 zum Jahr des Gottesdienstes ausgerufen. Wir wollen daran erinnern, dass der Gottesdienst der Mittelpunkt des Gemeindelebens ist", sagt der landeskirchliche Sprecher Oliver Hoesch. Und vergisst nicht zu erwähnen, dass es sich dabei nicht etwa um eine Maßnahme zur Steigerung der Gottesdienstzahlen" handele: Es gehe auch nicht darum, in diesem Jahr möglichst viele neue Formen zu erfinden, davon gibt es in der evangelischen Kirche schon jede Menge". Zu denen, die in Stuttgart mit Erfolg vom typischen Sonntagsgottesdienst abweichen, zählen der frühere Obertürkheimer Pfarrer Ralf Vogel sowie sein Kollege Albrecht Hoch aus dem Stuttgarter Osten. Während Vogel bei seinen Nachtschicht-Gottesdiensten auf prominente Gäste und eine aufwändige Inszenierung der Bibeltexte setzt, ist Hoch ein Anhänger christlicher Populärmusik. Wenn der Gospelchor der Heilandskirche mit seinen mehr als 200 Sängern auftritt, ist das Gotteshaus voll. Es kommen viermal so viele Leute wie an Heiligabend", erzählt Hoch und ergänzt: Da kann keiner mehr umfallen." Zusätzlich lädt die Kirche einmal im Monat zum Frühschicht-Gottesdienst ein, den ebenfalls Mitglieder des Chores mitgestalten und bei denen Hoch seine Predigt um 30 Prozent kürzt". Das Engagement für die populäre christliche Musik 304

305 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL zahlt sich aus: Von den Taufen und Trauungen, die ich mache, kommen fünf Prozent aus meiner Gemeinde, der Rest von außerhalb." Hoch findet, man müsse dem Volk im Sinne Luthers auch musikalisch aufs Maul schauen": Wir haben als Kirche zu lange weitergemacht wie bisher und damit riskiert, dass der Normalgottesdienst zu einer Art Sondergottesdienst für Ältere wird." Ralf Vogel ist mit Kritik zurückhaltend, er erzählt lieber, dass er Gottesdienst machen will, wie es ihm Spaß macht. Seine Nachtschicht-Reihe hat sich zum Publikumsrenner entwickelt und ist der Landeskirche inzwischen eine halbe Sonderpfarrstelle wert. Im Durchschnitt besuchen 500 Gäste die Gottesdienste, beim Auftritt von Joachim Gauck im Januar mussten die Organisatoren 200 Interessierte wieder nach Hause schicken. Vogel skizziert, wohin es künftig gehen könnte: Wir haben einen After-Work-Gottesdienst bei Daimler in Untertürkheim gestaltet, zu dem viele Besucher mit der Aktenmappe unterm Arm kamen." Wenn After-Work-Partys gut laufen, warum sollten es dann nicht auch After- Work-Gottesdienste tun, fragt Vogel. Neue Formen, andere Zeiten, die Bestrebungen stoßen auch auf Skepsis. Herbert Schmucker, der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Sankt Maria-Sankt Fidelis, weist zum Beispiel daraufhin, dass es in jeder Gemeinde Zwänge gebe: Wir müssen auch die Gottesdienste der muttersprachlichen Gemeinden unterbringen. Schmucker warnt zudem davor, die treuen Gottesdienstbesucher mit zu vielen Experimenten zu vergrätzen. Der evangelische Pfarrer Dieter Kümmel aus Zuffenhausen, der selbst regelmäßig gut besuchte Gottesdienstreihen gestaltet, warnt vor hohen Erwartungen: Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Zeiten mehrfach verschoben, mehr Leute sind nicht gekommen." Der evangelische Stadtdekan Hans-Peter Erlich freut sich über die Vielfalt, weiß aber auch: Ob Leute kommen, hängt davon ab, ob der Pfarrer gut ist. Die Besucher wollen eine ordentliche Predigt hören, das ist gute protestantische Tradition." 305

306 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Im Schnitt gehen zehn Prozent der Katholiken in die Kirche Besucher Von Mitgliedern, die die katholische Kirche in Stuttgart hat, besuchen im Schnitt etwas mehr als zehn Prozent die sonntäglichen Gottesdienste. Bei der evangelischen Landeskirche liegt der Schnitt an einem normalen Sonntag wesentlich niedriger, nämlich lediglich bei rund vier Prozent, an Weihnachten sind es allerdings auch schon mal 34 Prozent. Zählung Beide Kirchen haben feste Sonntage, an denen die Gottesdienstbesucher gezählt werden. Die evangelische Kirche zählt viermal im Jahr, auch an Feiertagen: am ersten Sonntag der Passionszeit, am Karfreitag, an Erntedank und am 1. Advent. Die Katholiken zählen am zweiten Sonntag in der Fastenzeit und am zweiten Sonntag im November, also an gewöhnlichen Sonntagen. Besonderheit In der Statistik der katholischen Kirche findet sich auch manche lokale Eigenheit. So kommt beispielsweise St. Bonifatius in Steinhaldenfeld (eine Gemeinde mit rund tausend Mitgliedern) auf durchschnittlich 587 Gottesdienstbesucher. Die gute Quote von 54 Prozent lässt sich erklären: in St. Bonifatius trifft sich die polnische Gemeinde. Erneuerung Gottesdienste. Die Kirchen machen schon jetzt ein großes Angebot, suchen aber weiter nach neuen Wegen. Wenn es um das Thema Gottesdienste geht, erinnert sich der evangelische Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich gerne an seine Kindheit zurück. Damals gehörte es in den meisten Familien zum Sonntag dazu, vor dem Braten und dem gemeinsamen Mittagessen den Gottesdienst zu besuchen. Ausnahmen wurden von den Eltern nicht geduldet. Die Mentalität ist mittlerweile eine ganz andere. Wer heute in den Gottesdienst geht, tut dies aus freien Stücken und nicht, weil ihn elterliche Erwartungen oder Traditionen dazu anhalten und so konkurrieren die Kirchen mit unzähligen anderen Freizeitangeboten: Die Familien können 306

307 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL sich entscheiden: Gehen sie zum sonntäglichen Brunch in den Biergarten, zum Jazzfrühstück, in die Theatermatinee, ins Freibad oder doch zum Familiengottesdienst? Die Kirchen haben dabei oft das Nachsehen, wie ein Blick in die Statistiken der vergangenen Jahre zeigt. Besuchten im Jahr 2002 in Stuttgart noch im Schnitt fast Menschen die Gottesdienste der katholischen Kirche, so sind es inzwischen nur noch etwa Bei der evangelischen Kirche ist die Entwicklung ebenfalls seit Jahren stetig rückläufig, wie die regelmäßigen Zählsonntage zeigen. Der katholische Stadtdekan Christian Hermes hat seine Gemeinden jetzt angehalten, über alternative Gottesdienstzeiten und auch über andere Formen nachzudenken. Seine Ansage, dass die katholische Kirche in Stuttgart weg müsse von den Zehn-Uhr-Sonntagsgottesdiensten, ist bemerkenswert. Sie zeigt, dass die katholische Kirche weit weg von Vatikan und Papst nach einer Erneuerung sucht: dort, wo die Menschen sie spüren, vor Ort, in den Gemeinden. Ob die Bemühungen Erfolg haben werden, lässt sich nicht vorhersehen. Denn ein Blick auf die evangelische Kirche zeigt, dass man mit einzelnen Gottesdienstreihen abseits der Sonntagvormittage zwar durchaus ein großes Publikum gewinnen damit aber den grundsätzlichen Trend nicht aufhalten kann. Eines sollte aber schon jetzt anerkannt werden: die Vielfalt, die sich in den vergangenen Jahren in Stuttgarts Gotteshäusern entwickelt hat. 307

308 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Wünsche an den Bischof Balinger Katholiken beteiligen sich am Dialogprozess Publikation: Zollern-Alb-Kurier, KLAUS IRION Der Zölibat, das Frauenpriestertum, das gemeinsame Abendmahl mit Protestanten. Es sind genau diese Schlagworte, die auch die Balinger Katholiken umtreiben. Eine Umfrage unterstreicht dies. Balingen. Im Heute glauben wo stehen wir?", fragen sich seit Juli 2011 bundesweit die Katholiken. Es ist dies das Motto des Dialogprozesses zur Zukunft der katholischen Kirche (siehe dazu auch unseren Extra-Artikel). Auch Mitglieder der Balinger Heilig-Geist-Gemeinde haben dazu jüngst ihre Meinung geäußert. Vor einigen Monaten waren sie dazu aufgefordert worden, einen Fragebogen zu kirchlichen Gegenwartsthemen zu beantworten, Wir haben die Fragebögen nach Absprache mit Pfarrer Jochen Boos und den Mitgliedern des Kirchengemeinderats im Pastoralausschuss ausgearbeitet und in zwei Gottesdiensten verteilt", sagt Gemeindereferentin Marion Faigle. Es sei den Initiatoren wichtig, dass es eine Aktion der gesamten Kirchengemeinde und nicht einer einzelnen Gruppe darstelle. Insgesamt 137 Gemeindemitglieder aller Altersklassen (71 Frauen, 62 Männer, 4 ohne Geschlechtsangabe) kamen dem Ansinnen nach. Dieser Tage wurden erste Ergebnisse präsentiert. Interessant sind dabei die häufigsten Wünsche an die Bischöfe und den Papst". Den Spitzenplatz belegt der Wunsch nach Aufhebung des Zölibats, der 30 Mal genannt wurde. Zwei Drittel dieser Voten kamen von Frauen. Ebenfalls hoch im Kurs die Forderung, katholische Frauen zum Priesteramt zuzulassen (17 Frauen, 10 Männer). Ein gemeinsames Abendmahl mit den evangelischen Christen wünschen sich 17 Heilig-Geist-Fragenbogen-Beantworter (10 Frauen, 7 Männer) als Erstes. Weitere Punkte, die genannt wurden: Geschiedene zur Kommunion zuzulassen, die Verhütung offiziell zu erlauben, Homosexualität zu akzeptieren, ein selbst- 308

309 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL bewusstes Auftreten der Kirche in der Öffentlichkeit auch gegen den Mainstream" zu forcieren, mehr Nähe der Amtskirche zum Kirchenvolk zu demonstrieren. Die kompletten Auswertungen wollen die Gemeindeverantwortlichen in den Gottesdiensten am 22. und 23. September vorstellen und auf Plakaten einige Wochen der Öffentlichkeit präsentieren. Auch sollen die wichtigsten Erkenntnisse mit einem Brief an den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst gesendet werden. Schließlich war er es ja auch, der uns zum Dialog aufgefordert hatte", so Faigle. Bischöfe stoßen Dialogprozess an Großer Abschluss 2015 Dialog"-Ursprung: Im November 2010 vereinbarten Vertreter der Bischofskonferenz und des Zentralrats der Katholiken unter der Überschritt Der Weg der Kirche in die Zukunft im Rahmen des Dialogprozesses zwei gemeinsame Arbeitsprojekte, mit denen überprüft werden soll, wie das Evangelium unter den Bedingungen der heutigen Zeit und der Lebenswelten der heutigen Menschen verkündet werden kann. Die beiden Projektgruppen befassen sich mit den Themen Priester und Laien in der Kirche und Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat. Im März 2011 verabschiedeten die Bischöfe in Paderborn einen Rahmen für den Dialogprozess auf Ebene der Bischofskonferenz. Seither gibt es bis zum Jahr 2015 eine Reihe kirchlicher Kongresse und Dialogmöglichkeiten. Quelle: katholisch.de 309

310 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Wollen gehört werden Im Dialogprozess der Diözese melden sich Laien zu Wort vor allem Frauen Publikation: Schwäbisches Tagblatt, FRED KEICHER Zwischen Rosenkranz und Austritt. Wohin geht es mit der Kirche in Rottenburg?" Zum ersten Podiumsgespräch der Rottenburger Dialog-Gruppe kamen am Donnerstag fast 70 Besucher ins Domgemeindehaus. Rottenburg. Zeit zu hören, nannte Bischof Gebhard Fürst die erste Phase des Dialog- und Erneuerungsprozesses, den die katholische Kirche initiiert hat. Für den Anfang gehe es darum, Verschiedenheiten wahrzunehmen und stehen zu lassen", berichtete Karin Sauter. Das Dialog-Café hat vor zwei Wochen stattgefunden. Ich liebe meine Kirche und leide an ihr", hatte eine Teilnehmerin dort ihr Verhältnis zum Katholizismus beschrieben. Der Bischof wird etwas zu hören kriegen. In einem Dialog auf Augenhöhe. Der wird nicht geführt in der Absicht, dass alles bleibt wie es ist, wie einer auf dem Podium sagte. Die Laien wollen mitreden. Die engagierten Laien sind in der Mehrzahl Frauen. Das Podium, moderiert von Matthias Ball vom Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese, verkörperte das: Drei Männer und drei Frauen saßen dort, vier Laien, ein Pfarrer, ein Diakon. Monika Knauf, Kinderanalytikerin, zählt sich zur Rosenkranzgruppe", die sehr verwurzelt" sei in der Kirche. Sie will scharfkantige Konflikte entschärfen". Sie wünscht sich ein weites Herz, um den Anderen ganz zu verstehen: als Frau den Mann, besonders den eigenen, als Erwachsener die Kinder, als Lebendiger den Tod, als Mensch Gott, als Fortschrittliche die Konservativen". Diakon Matthias Schneider spricht ganz selbstverständlich davon, dass die Dompfarrei von einem Team geleitet wir, in dem neben dem Pfarrer zwei Diakone vorkommen, zwei Pastoralreferentinnen und eine Gemeindereferentin. 310

311 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL Die Mitarbeit in der Dialoggruppe ist für Schneider ehrenamtlich. Er erlebe dort eine Riesenbreite der Meinungen: 100 Rückmeldungen mit 80 Positionen". Katholisch sein heißt für ihn auch: Es darf dort viele Meinungen nebeneinander geben." Früher war er Dekan in Heidenheim, jetzt ist Stefan Cammerer Pfarrer in Ulm und Mitglied der Aktionsgruppe Rottenburg wie weitere 160 Pfarrer auch. Er setzt Dialog" in Anführungszeichen ein echter Dialog ist es ja nicht", sagt er. Die Bischöfe seien immer noch die Mächtigen. Was Dialog heißen könnte, werden die Montagsbriefe zeigen, die die Gruppe ab 1. Advent an die deutschen Bischöfe verschickt. Das wird immer eine Auslegung des Sonntagsevangeliums sein: Da wird mancher Bischof sagen: Hoppla, da habe ich ja falsch gepredigt." Nadine Schneider arbeitete im Jugendgottesdienstteam mit, jetzt studiert sie katholische Theologie in Tübingen. Denen, die gehen, sage sie: Du hast Dich nie drauf eingelassen." Sie möchte ihnen eine neue Tür öffnen, eine Möglichkeit zeigen, dass sie dabeibleiben." Aufklärung sei wichtig, warum die Sachen in der Kirche sind, wie sie sind", der Zölibat etwa. Zwei Drittel derer, die in Tübingen katholische Theologie studieren, sind Frauen. Der Jurist Martin Wenig betet regelmäßig den Rosenkranz. Er kommt aus Hechingen und hat sich in Rottenburg verheiratet hat Wenig eine kleine Gruppe mitbegründet, die sich meet pray talk" nennt. Einige Menschen treffen sich, lobpreisen, beten den Rosenkranz und besprechen Glaubensthemen. Danach essen wir was und trinken was. Auch Wenig relativiert den Begriff Dialog, weil es in der Kirche Positionen gebe, die nicht verhandelbar sind: die Ordinierung von Frauen etwa. Schülerin Laura Hahn war die jüngste auf dem Podium. Im Jugo-Team sei sie sofort aufgenommen worden, sie habe jetzt einen Platz, wo sie ihr Dings" einbringen könne. Meine Vision ist, in 30 Jahren sagen zu können: Früher war die Kirche streng und langweilig." Das fange mit der Musik an, ein neuer Grundton" müsse her, 311

312 AUSGEWÄHLTE PRESSEARTIKEL wie im Jugendgottesdienst die Band Dornbusch. Nichts anfangen kann sie mit der Predigt: Wie der Pfarrer so dasteht und was er erzählt. Der kennt doch nicht mal meinen Namen!" Wie ein richtiger Dialog auszusehen hätte, sagte Stefan Cammerer: auf Augenhöhe und auf Veränderung zielend. Wie sich dogmatisch festgezurrte Positionen etwa zum Zölibat oder zur Frauenordination verändern lassen, blieb offen, auch das Verhältnis der Weltkirche zur Ortskirche. Cammerer vertraute auf die Kreativität des Heiligen Geistes, der weht ja, wo er will, nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft." Monika Knauf ist auch, was die Musik angeht, katholisch, also umfassend. Sie schätzt Dornbusch, aber begeistert ist sie vom Domorganisten Ruben Sturm. Dem Bischof würde sie gerne ein T-Shirt verpassen. Hinten drauf stünde: Mach's wie Gott, werde Mensch." Und vorne: Mach's wie Sturm, zieh' alle Register." 312

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315 FILME ZUM DIALOG FILME ZUM DIALOG 1. Tandem 2. Regionalforum Biberach 3. Regionalforum Esslingen 4. Regionalforum Schwäbisch-Gmünd 5. Regionalforum Spaichingen 6. Lernort Facebook in Schemmerhofen 7. Lernort Oberndorf Die Kirche bleibt im Dorf Teil 1 8. Lernort Oberndorf Die Kirche bleibt im Dorf Teil 2 (Beiligende DVD) 315

316 FUSSNOTEN Perspektiven einer dialogischen Kirche Wort des Bischofs 1 Brief des Bischofs aus Szombathély an seine Diözese, in: Gebhard Fürst (Hrsg.), Martin von Tours. Ikone der Nächstenliebe, Ostfildern 2011, S. 128 f. 2 Ders. S Papst Franziskus, Empfang der Kardinäle in der Sala Clementina, 15. März Gaudium et Spes 2 5 Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation Beschlüsse der Diözesansynode Rottenburg-Stuttgart 1985/86, Bischöfliches Ordinariat Rottenburg (Hrsg.), Ostfildern 1986, S Eph 4,23 7 Vgl. Bischof Dr. Gebhard Fürst: Erneuert euren Geist und Sinn, Fastenhirtenbrief Die Auswertungsergebnisse sind in dem Artikel von Karin Schieszl-Rathgeb, "Das haben wir gehört. Schreiben und Rückmeldungen zum Dialog- und Erneuerungsprozess", beschrieben. Haltung und Methode Der Dialogprozess 1 Pastorale Konstitution Gaudium et Spes über die Kirche in der Welt von heute, Nr. 92, vat-ii_const_ _gaudium-et-spes_ge.html 2 Papst Johannes Paul II., Schreiben an die Deutsche Bischofskonferenz, 15. Mai Vgl. Glaubwürdig Kirche leben. Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg- Stuttgart, S. 4 4 Ders. S. 5 5 Ebd. 6 Erneuert euren Geist und Sinn. Gebete, Gottesdienste und Impulse für den Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg 2011, S. 392 f. Um unseres Heiles willen Dialog als Grundelement der Diözese Rottenburg-Stuttgart 1 Lumen gentium 2 Lumen gentium 31 3 Johannes Paul II: Christifideles Laici, Kap. 3 hf_jp-ii_exh_ _christifideles-laici_ge.html 4 Ebd.; vgl. Mt 5, Gaudium et Spes, 7 6 Sinus-Milieu-Studie 2013, Sinus-Institut Heidelberg im Auftrag der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz 7 PRAGMA-Studie: Verweis auf Artikel 8 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Wohin geht die Kirche morgen? Kirche auf dem Weg von der Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk, in: Wohin geht die Kirche morgen Entwicklung Pastoraler Prioritäten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Klaus Kießling, Viera Pirker, Jochen Sautermeister (Hrsg.), S. 387 ff. 9 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Zeichenhaft handeln zum Wohl der Menschen, Neujahrsansprache 2006, [backpid]=8920&chash=2be

317 FUSSNOTEN 10 Lumen Gentium Bischof Dr. Gebhard Fürst: Zeichenhaft handeln zum Wohl der Menschen, Neujahrsansprache 2006, [backpid]=8920&chash=2be Von der lebendigen Gemeinde zur aktiven Kirche im Ort Das Projekt Gemeinde Michael Elmenthaler, Domkapitular Paul Hildebrand, Domkapitular Matthäus Karrer, Susanne Muth, S. 151 ff. 13 Vgl. Bischof Dr. Gebhard Fürst: Wohin geht die Kirche morgen? Kirche auf dem Weg von der Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk, in: Wohin geht die Kirche morgen Entwicklung Pastoraler Prioritäten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Klaus Kießling, Viera Pirker, Jochen Sautermeister (Hrsg.), S. 392 f. 14 Apostolisches Schreiben Evangelii Nuntiandi, Papst Paul VI. an den Episkopat, den Klerus und alle Gläubigen der katholischen Kirche über die Evangelisierung in der Welt von heute, Nr. 41, hf_p-vi_exh_ _evangelii-nuntiandi_ge.html 15 Evangelii Nuntiandi Alfred Delp, Schriften IV, S Heilige Messe Übergabe des Palliums und des Fischerrings zum Beginn des Petrusdienstes des Bischofs von Rom, Papst Franziskus, Predigt, Vgl. Mt 25, Brief des Bischofs aus Szombathely an seine Diözese, in: Gebhard Fürst (Hrsg.): Martin von Tours. Ikone der Nächstenliebe, Ostfildern 2011, S. 128 f. 20 Papst Benedikt XVI: Enzyklika Deus Caritas est 21 Vgl. Mt 25,40 22 Brief des Bischofs aus Szombathély an seine Diözese, in: Gebhard Fürst (Hrsg.): Martin von Tours. Ikone der Nächstenliebe, Ostfildern 2011, S. 128 f. 23 Vgl. Kirche in Erneuerung, Erneuerung durch Kirche, Neujahrsansprache, Stuttgart Martin von Tours Ikone der Nächstenliebe, Gebhard Fürst (Hrsg.), Ostfildern Heilige Messe Übergabe des Palliums und des Fischerrings zum Beginn des Petrusdienstes des Bischofs von Rom, Papst Franziskus, Predigt, , papa-francesco_ _omelia-inizio-pontificato_ge.html 26 "Zeichen setzen in der Zeit Pastorale Prioritäten in der Diözese Rottenburg-Stuttgart", Bischöfliches Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hrsg.), S Die Klima-Initiative der Diözese Rottenburg-Stuttgart Fünfjahresbilanz , 28 Bischof Dr. Gebhard Fürst, Ansprache bei der Verleihung des Franziskuspreises, 4. Oktober 2012, Stuttgart, [backpid]=8795&chash=b7ec10f4ba 29 Bischof Dr. Gebhard Fürst, Ansprache bei der Verleihung des Franziskuspreises, 4. Oktober 2008, Stuttgart, ttnews%5bbackpid%5d=8788&chash=b24722c Heilige Messe Übergabe des Palliums und des Fischerrings zum Beginn des Petrusdienstes des Bischofs von Rom, Papst Franziskus, Predigt, , papa-francesco_ _omelia-inizio-pontificato_ge.html 317

318 FUSSNOTEN 31 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Kirchenkrise als Kairos geistlicher Erneuerung, Neujahrsansprache, Stuttgart, 6. Januar 2011, [backpid]=8920&chash=383d3662cd 32 Eph 4,23 33 Vgl. Bischof Dr. Gebhard Fürst: Erneuert euren Geist und Sinn, Fastenhirtenbrief 2011, [tt_news]=16783&tx_ttnews[backpid]=8527&chash=9099edba76 34 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Kirchenkrise als Kairos geistlicher Erneuerung, Neujahrsansprache, Stuttgart, 6. Januar 2011, [backpid]=8920&chash=383d3662cd 35 Gaudium et spes Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation Beschlüsse der Diözesansynode Rottenburg-Stuttgart 1985/86, Bischöfliches Ordinariat Rottenburg (Hrsg.), Ostfildern 1986, S. 13 Zeit zu hören Die Veranstaltungen des Dialog- und Erneuerungsprozesses 1 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Kirchenkrise als Kairos geistlicher Erneuerung, Neujahrsansprache, Stuttgart, 6. Januar 2011, [backpid]=8920&chash=383d3662cd 2 Ebd. 3 Vgl. dazu Papst Benedikt, Pastoraltagung der Diözese Rom Detaillierte Auswertung der Ergebnisse im Artikel Das haben wir gehört - Auswertung der Briefe und Dokumente im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses, Karin Schieszl-Rathgeb, S. 72 ff. 5 Weitere Informationen unter 6 Weitere Informationen unter 7 Weitere Informationen unter kirchengemeinde/index.php?seite=3.3 8 Weitere Informationen unter 9 Weitere Informationen unter Das haben wir gehört Schreiben und Rückmeldungen zum Dialog- und Erneuerungsprozess 1 Zitat aus dem Bericht Auswertung der Schreiben an Bischof Dr. Gebhard Fürst im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Auswertungsbericht 1: Briefe), Margit Auer, Jan Ferenz, Christine Uhlmann, Dokument Nr Bischof Dr. Gebhard Fürst: Kirchenkrise als Kairos geistlicher Erneuerung, Neujahrsansprache, Stuttgart, 6. Januar 2011, =16208&tx_ttnews[backPid]=8920&cHash=383d3662cd 318

319 FUSSNOTEN 3 Zitat aus dem Bericht Auswertung der Schreiben an Bischof Dr. Gebhard Fürst und die Koordinierungsgruppe im Rahmen des Dialog- und Erneuerungsprozesses in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Auswertungsbericht 2: Dokumente aus Dekanaten, Seelsorgeeinheiten, Kirchengemeinden, Verbänden, Einrichtungen und Gruppen), Margit Auer, Jan Ferenz, Christine Uhlmann, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr. 1 5 Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 1, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Brief Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Auswertungsbericht 2, Dokument Nr Handlungsfelder einer dialogischen Kirche s. S. 117 Die Regionalforen Meilensteine im Dialog- und Erneuerungsprozess 1 Glaubwürdig Kirche leben Dialog- und Erneuerungsprozess in der Diözese Rottenburg- Stuttgart, Bischöfliches Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg, Bei den strukturellen Rahmenbedingungen heißt es: Der Dialog- und Erneuerungsprozess wird in Form eines zeitlich befristeten, klar strukturierten Projektes gestaltet. ( ebd. S. 5) 3 So hat der Bischof dort konsequent auf ein eigenes Referat oder auf eigene Themensetzungen verzichtet, sondern sich grundsätzlich der Agenda vor Ort gestellt. 4 Themen und Handlungsfelder des Dialog- und Erneuerungsprozesses, S

320 FUSSNOTEN 5 Als Moderator vieler dieser Gespräche des Bischofs vor Ort ist mir aufgefallen, dass bei aller Vorbereitung der Gruppierungen die fachlich-sachlichen Aspekte, die es zu den Themenstellungen gibt, nur wenig bekannt waren bzw. die Antworten, warum etwas in der Kirche (noch) so ist, wie es ist, jeweils vom Bischof erwartet wurden so als ob es in den Gemeinden keine theologisch kompetenten Personen bzw. Mitarbeiter gibt. 6 Auch aktuelle Anlässe wie die Absage der Bischofskonferenz gegenüber dem Kriminologischen Institut zur Aufarbeitung der sexuellen Gewalt durch kirchliche Mitarbeiter konnten dabei benannt und eingeordnet werden. S. Anhang Seite Leitend für die Auswahl war zum einen das Ranking im Rahmen der Auswertung der Schreiben an den Bischof sowie das Ranking der Themen im Kontext einer Diözesanratssitzung im Frühjahr Impulsgeber waren dabei Ute Augustyniak- Dürr für das Thema Rolle der Frau, Dr. Joachim Drumm für das Thema Geschieden-wiederverheiratet und Domkapitular Heinz Detlef Stäps für das Thema Ökumene - konfessionsverbindende Ehen bzw. Generalvikar Dr. Clemens Stroppel beim Forum in Esslingen. 9 Beim letzten Forum in Spaichingen gab es auf Wunsch einer Initiativgruppe eine Veränderung im Ablauf. Statt über die Anwälte des Publikums wurde ermöglicht, dass einzelne Teilnehmer direkt ihre Fragen stellen bzw. ein Statement abgeben konnten. 10 Diese Übergaben waren kein offizieller Bestandteil, doch bot z.b. die Mittagspause dafür reichlich Gelegenheit. Für einzelne Gruppen hatte die direkte Begegnung mit dem Bischof einen hohen Stellenwert. 11 Könnte sie (die Kirche) also heute angesichts neuer Herausforderungen nicht ein Amt für Frauen vorsehen, das nicht das des Diakons wäre, das vielmehr so wie damals ein eigenes Profil hätte? Walter Kardinal Kasper, Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche, Vortrag beim Studientag der Deutschen Bischofskonferenz, Trier, 20. Februar 2013, S Der Bischof wörtlich: Wir sollten in der Kirche nicht ein neues Amt schaffen, das erneut die Frauen brüskiert. 13 So eine Aussage von Papst Benedikt beim Weltfamilientreffen 2012, im Statement von Dr. Drumm bei den Foren zitiert. 14 Wo auf der Ebene der Ortskirche Erneuerung stattfinden kann, werden wir dies beherzt angehen. Was nicht auf der Ebene der Ortskirche möglich ist, hat seinen Platz in den Beratungen und Entscheidungen der Deutschen Bischofskonferenz so zuletzt in Glaubwürdig Kirche leben, KS-Spezial November 2012, und ähnlich auch im Hirtenwort zur österlichen Bußzeit Handlungsfeld Missbrauch 1 Die Autorin bedankt sich bei Dr. Thomas Broch für die Unterstützung beim Verfassen dieses Artikels. 2 Unter Kindeswohlgefährdung werden in der sozialarbeiterischen und juristischen Fachdiskussion körperliche, seelische und sexuelle Misshandlung sowie Vernachlässigung zusammengefasst. 3 Vgl. Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg-Stuttgart, Bischöfliches Ordinariat der Diözese Rottenburg 8 (Hrsg.) Nr 11, Stuttgart, Rottenburg, ders. S. 350 ff. 5 Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz, Leitlinien mit Erläuterungen, Deutsche Bischofskonferenz 320

321 FUSSNOTEN (hrsg.), Bonn , 6 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz, Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn Leitlinien.pdf 7 ders. Pkt.10 ff. 8 Bericht der Kommission sexueller Missbrauch, 9 Vgl. den Runden Tisch Heimerziehung und den daraus folgenden Fonds Heimerziehung, 10 Schäfer-Walkmann, Susanne/Störk-Biber, Constanze/Tries, Hildegard: Die Zeit heilt keine Wunden. Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Freiburg Auszug aus dem Merkblatt zum Antrag auf materielle Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde. 12 Hallermann, Heribert/Meckel, Thomas/Pfannkuche, Sabrina/Pulte, Matthias (Hg.): Der Strafanspruch der Kirche in Fällen von sexuellem Missbrauch, Würzburg Vgl. das Good Lives Model in den USA: dargestellt von Msgr. Edward J. Arsenault bei der Tagung Opfergerechter Umgang mit Tätern, Bad Honnef, 16. November 2012, veranstaltet vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. 14 Konferenz der Verantwortlichen für Supervision in den deutschsprachigen Bistümern und Konferenz der Verantwortlichen für Gemeindeberatung in den deutschen Bistümern: Schritte zur Beratung und Begleitung traumatisierter und irritierter Organisationen nach Fällen sexualisierter Gewalt, Fassung vom 28. März Weitere Informationen unter und 16 Verfügbar unter 17 Verfügbar unter Dossiers_2012/2012_Sex-Uebergriffe-durch-katholische-Geistliche_Leygraf-Studie.pdf Verfügbar unter 20 Vgl. Fegert, Jörg M./Rassenhofer, Miriam/Schneider, Thekla/Seitz, Alexander/ Spröber, Nina: Sexueller Kindesmissbrauch Zeugnisse, Botschaften, Konsequenzen. Ergebnisse der Begleitforschung für die Anlaufstelle der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Frau Dr. Christine Bergmann. Weinheim/Basel Vgl. Enders, Ursula (Hg.): Grenzen achten. Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen. Ein Handbuch für die Praxis. Köln Die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche 1 Priesterschriftliche Weltschöpfung, entstanden im Babylonischen Exil. 2 Auch die oft gegenläufig interpretierte Stelle aus der anderen Schöpfungserzählung (Jahwistische Menschenschöpfungserzählung), wonach die Frau als nur aus der Rippe Adams Geschaffene diesem gegenüber minderwertig sei, ist angesichts der Schöpfungsmythen der Umweltreligionen, in denen die Frau aus der Ferse oder dem Kopf des Mannes geschaffen worden ist, also diesem über- bzw. unterzuordnen ist, nicht haltbar. Auch hier ist eine Gleichwertigkeit formuliert. 321

322 FUSSNOTEN 3 Vgl. z. B. LK 8,1-3, Mk 15,0 und Mt 27,55 f 4 Mt 5, 17: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. 5 In diesem Zusammenhang steht nach S. Demel das vielzitierte Pauluswort: Das Weib schweige in der Gemeinde. 1 Kor 14,33 f., vgl. Sabine Demel, Nur weil wir Frauen sind? Die Frage nach der Gleichstellung in der kath. Kirche, Studientag zur Frauenseelsorge Bayern Andere Deutungen, vgl. Marlies Gielen, Frauen als Diakone in paulinischen Gemeinden, in: Dietmar Winkler (Hrsg.), Diakonat der Frau, Wien 2010, S. 38, gehen auf Grund der deutlichen Widersprüchlichkeit zu anderen paulinischen Aussagen hier von einer späteren Einfügung aus. 6 In den gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfassten Pastoralbriefen (1.2. Tim sowie Tit.) werden bereits deutliche Bestrebungen greifbar, Frauen aus der Gemeindeöffentlichkeit herauszudrängen. Vgl. Marlies Gielen, a. a. O. S Vgl. Basilius J. Groen, Einige liturgische und ökumenische Aspekte des Frauendiakonats, in: Winkler, Diakonat der Frau, a. a. O. S Vgl. Enzyklika Pacem in terris, Nr. 1 9 Die deutschen Bischöfe 30, Zu Fragen der Stellung der Frau in der Kirche und Gesellschaft 1981, S Erklärung zum Abschluss des Studientages der deutschen Bischofskonferenz Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche (PM DBK vom ) 11 Laut einer Erhebung durch die deutsche Bischofskonferenz vom Januar 2013 liegt der Frauenanteil in den Generalvikariaten und Ordinariaten auf der oberen Leitungsebene bei durchschnittlich 13 Prozent. 12 Bischof Dr. Gebhard Fürst, Lebendige Kirche in unruhiger Zeit, Neujahrsansprache 2012, Rottenburg, 6. Januar Da der Begriff Führungsposition diözesanweit bislang nicht einheitlich erfasst ist, lagen bis dato nämlich weder insgesamt noch in Bezug auf den Frauenanteil statistische Daten für die Diözese zu Führungspositionen vor. Es ist daher notwendig, in allen Einrichtungen der Diözese, der Dekanate und der Kirchengemeinden Führungspositionen zu definieren und in Führungsebenen zu erfassen. 14 Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe/Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt, 2., veränderte Auflage 1995, S A.a.O. S.4 Kirche und wiederverheiratete Geschiedene 1 Papst Benedikt XVI., Predigt an die Familien, Abschlussgottesdienst des Weltfamilientreffens in Mailand, Mk 10,9 3 Mk 10,11 f 4 Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio, an die Bischöfe, die Priester und Gläubigen der ganzen Kirche über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute, Abs. 85; apost_exhortations/documents/hf_jp-ii_exh_ _familiaris-consortio_ge.html. 5 Hubert Frankemölle, QD 1995, 46 f. 6 vgl. Knut Backhaus, Das Verbot der Ehescheidung bei Jesus, in: De Processibus Matrimonialibus 17/18 Potsdam 2010/2011, S

323 FUSSNOTEN 7 Joseph Ratzinger, Zur Theologie der Ehe, in: G. Krems/R. Mumm (Hrsg.), Theologie der Ehe, Regensburg-Göttingen 1969, S Vgl. Ps 13; Joh 8,7 9 Belok Nach Scheidung im Recht. Die Rechtsstellung wiederverheirateter Geschiedener in der katholischen Kirche, Richard Puza, Stefan Ihli, Engelbert Frank, Tübingen 2001, S. 150 f. 11 Beschlüsse der Diözesansynode Rottenburg-Stuttgart 1985/86 Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation, Bischöfliches Ordinariat Rottenburg, Ostfildern 1986, S. 147 f. Ökumene und konfessionsverbindende Ehen und Familien 1 Umgekehrt wird die Frage der Zulassung von katholischen Christen, die in einer konfessionsverbindenden Ehe leben, zum Abendmahl in einer nichtkatholischen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft zunächst nicht in den Blick genommen, da hier die theologischen Fragestellungen anders gelagert sind. 2 Der Text der Taufanerkennung im Magdeburger Dom, , 3 Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 8, vat-ii_const_ _lumen-gentium_ge.html 4 Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, Nr general-docs/rc_pc_chrstuni_doc_ _directory_ge.html 5 Bei vorheriger Dispens von der Formpflicht auch bei der Trauung vor einem/ einer evangelischen Pfarrer/Pfarrerin oder am Standesamt 6 Lumen Gentium, Nr Ebd. Lebensform Zölibat 1 Auch entschiedene Gegner des Pflichtzölibats erkennen den freiwillig gewählten Zölibat grundsätzlich als eine wichtige, womöglich sehr zeichenhafte Form christlichen Lebens an. Vgl. z.b. Hanspeter Schmitt, Charisma als Pflicht?, in: Münchner Theologische Zeitschrift 62 (2011) S , hier Vgl. dazu z.b. Gisbert Greshake, Priester sein in dieser Zeit, Freiburg(2) 2000, S. 295f. 3 Vgl. Ansgar Wucherpfennig, Neutestamentliche Wurzeln des Zölibats, in: Geist und Leben 85 (2012), S , hier Häfner verweist darauf, dass nur im Lukasevangelium die Frauen ausdrücklich genannt werden. Vgl. Gerd Häfner, Ehelosigkeit um des Himmels willen der neutestamentliche Befund, in: E. Garhammer (Hrsg.), Zölibat. Zwischen Charisma und Zwang, Würzburg 2011, S , hier Vgl. Stefan Heid, Zölibat in der frühen Kirche, Paderborn 1997, S Vgl. Greshake, a.a.o., S. 296 f. 7 Vgl. Heid, a.a.o., S. 12 f. 323

324 FUSSNOTEN 8 Es ist also davon auszugehen, dass die Pastoralbriefe von den Kandidaten ab dem Tag ihrer Weihe völlige Enthaltsamkeit erwarten. Vgl. Heid, a.a.o. S. 44. Häfner geht dagegen davon aus, dass sich eine entsprechende Erwartung oder gar Verpflichtung nicht nachweisen lässt. Vgl. Häfner, a.a.o., S Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt(2) 2000, S ; Hubertus Lutterbach, Der Pflichtzölibat. Mittelalterliche Religiosität in der Moderne?, in: Zölibat. Zwischen Charisma und Zwang, a.a.o., S , hier Umstritten ist hier, ob diese Vorschrift generell galt (vgl. Heid, a.a.o., S. 101) oder nur phasenweise im Kontext kultischer Handlungen. 11 Vgl. Dekret über den Dienst und das Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 16. Gleichwohl war der Zölibat Diskussionsthema. Vgl. Ottmar Fuchs, Theologischer Kommentar zum Dekret über den Dienst und das Leben der Presbyter, in: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil Bd. 4, Freiburg 2005, S , hier Paul VI. in der Enzyklika Sacerdotalis coelibatus (1967), Johannes Paul II. im nachsynodalen Schreiben Pastores dabo vobis (1992, Nr. 29), Benedikt XVI. im nachsynodalen Schreiben Sacramentum caritatis (2007, Nr. 24). Vgl. auch Brief der Deutschen Bischöfe an die Priester (2012). 13 Vgl. z.b. Georg Kraus, Plädoyer für die Freiwilligkeit des Zölibats der lateinisch-katholischen Priester, in: Stimmen der Zeit 228 (2010) S , hier 579; Walter Kardinal Kasper, Kommen wir zur Sache, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom , S. 9; zum Thema viri probati : Richard Hartmann, In Sorge um die Kirche: viri probati sind eine zu einfache Lösung, in: Herder-Korrespondenz 65 (2011), S Greshake, a.a.o., S Vgl. z.b. P. M. Zulehner / K. Renner (Hrsg.), Ortssuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006, S. 118 ff. 16 Vgl. Gerhard Schneider, Um wen geht es eigentlich? Wer heute wie in Kontakt mit der Berufungspastoral kommt und was von ihr erwartet wird, in: P. Müller / G. Schneider (Hrsg.), Ein Beruf in der Kirche? Fragen der Berufungspastoral, Ostfildern 2013, S , hier Vgl. Klaus Demmer, Priesterliche Ehelosigkeit ein Thema der Moraltheologie, in: Trierer Theologische Zeitschrift 116 (2007), S , hier Menschenfreundliche und menschendienliche Sexualmoral 1 Joh 4.16 Glaubensvertiefung und Glaubenserneuerung aus dem Erbe des Konzils 1 Gaudium et Spes 92 2 In Papst Johannes Paul II.: Apostolisches Schreiben NOVO MILLENNIO INEUNTE zum Abschluss des Großen Jubiläums des Jahres 2000 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 150), Bonn Der Anfang Papst Benedikt XVI. Joseph Ratzinger. Predigten und Ansprachen (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 168), Bonn Predigt am im vatikanischen Gästehaus Santa Marta 5 Vgl. Lumen Gentium 1 6 Lumen Gentium 1 7 Lumen Gentium

325 FUSSNOTEN 8 Dei Verbum 2 9 Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum Concilium, Abs vat-ii_const_ _sacrosanctum-concilium_ge.html; vgl. Lumen Gentium Gaudium et spes 1 Dialogische Kirche als zukunftsfähige Kirche 1 Bischof Gebhard Fürst: Kirchenkrise als Kairos Neujahrsansprache In der vorherigen Amtsperiode waren es 44 Prozent 3 Bischof Dr. Gebhard Fürst, Lebendige Kirche in unruhiger Zeit, Neujahrsansprache 2012, Rottenburg, 6. Januar Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe/ Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt, 2., veränderte Auflage 1995, S A.a.O. S.4 6 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken bei der Generaldebatte zum Entschlussantrag Für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche, 18. November Ebd. 8 Bischof Dr. Gebhard Fürst: Erneuert euren Geist und Sinn! Hirtenbrief an die Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur österlichen Bußzeit

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