Mein Auslandssemester an der Pontificia Universidad Católica de Chile

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1 Mein Auslandssemester an der Pontificia Universidad Católica de Chile ERFAHRUNGSBERICHT Maike Dieterich Blick auf Santiago vom Cerro San Cristobal Blick vom Cerro Santa Lucía Campus San Joaquín Campus San Joaquín Zeitraum: März Juli 2015 Fächer: Förderung: Politik-/Wirtschaftswissenschaften und Englisch auf Lehramt Baden-Württemberg-STIPENDIUM

2 1) ZUSAMMENFASSUNG Die viereinhalb Monate meines Auslandssemesters in Santiago de Chile zählen definitiv zu den besten Monaten meines Lebens. Ich habe unglaublich viel erlebt, viele neue Erfahrungen gesammelt und viel gelernt. Ich habe eine neue Kultur kennengelernt, Leute aus aller Welt getroffen und viele neue Freundschaften geschlossen, was meinen Horizont definitiv erweitert hat. Zudem konnte ich meine Spanischkenntnisse deutlich verbessern und habe ein für mich neues Universitätssystem kennengelernt. Ich hatte mir von meinem Auslandsaufenthalt genau dies erhofft und kann somit sagen, dass sich meine Erwartungen erfüllt haben. Ich würde mein Auslandsstudium als sehr gelungen bewerten. Der organisatorische Aufenthalt hat sich auf jeden Fall gelohnt. Die Zusammenarbeit mit dem Baden-Württemberg-STIPENDIUM habe ich als sehr positiv und hilfreich erlebt. Durch die vom Stipendium organisierten Events habe ich viele andere Stipendiaten kennengelernt, sowohl aus Baden-Württemberg als auch aus Chile. Es war sehr spannend die Erfahrungen aus einem Auslandssemester im eigenen Land und sogar in der eigenen Stadt mit meinen in Santiago zu vergleichen. 2) VORBEREITUNGEN VOR ANTRITT DES AUSLANDSAUFANTHALTS Mit den Vorbereitungen habe ich circa zwei Jahre vor Beginn meines Auslandsaufenthaltes begonnen. Der erste Schritt war zu verschieden Informationsveranstaltungen des Internationalen Zentrums der Universität Stuttgart zu gehen und mich über die verschieden Möglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes zu informieren. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, doch schließlich habe ich mich für ein Auslandssemester in Santiago de Chile entschieden. Der nächste Schritt war es bis zum 31. März des Vorjahres meine Bewerbungsunterlagen für das Stipendium sowie für meine Hochschule zu erstellen. Die geforderten Unterlagen waren dieselben: jeweils ein formalisierter Bewerbungsbogen, Motivationsschreiben sowie tabellarischer Lebenslauf auf Englisch und Spanisch, zwei Referenzen von Professoren zwei verschiedener Institute, ärztliches Attest, Notenauszug, Zertifikat über Spanischkenntnisse auf B1 Niveau und Immatrikulationsbescheinigung. Am schwierigsten war es die Referenzen zu bekommen, da es einiges an Zeit braucht Professoren zu suchen, die einen in den ersten Semestern genügend kennen um über einen Auskunft zu geben, in deren Sprechstunde zu gehen und bis diese die Referenz dann verfasst haben. Zudem habe ich einen Spanischkurs an meiner Universität besucht, um meine seit dem Spanisch- Abitur etwas eingerosteten Spanischkenntnisse aufzufrischen. Als dann die Bestätigung kam, dass ich für das Stipendium angenommen bin, habe ich mich natürlich riesig gefreut. Dann habe ich auf BWS-World mein Profil mit allen meinen Daten erstellt und einige Dokumente hochgeladen, die ich allerdings schon für die Bewerbung verfasst hatte. Einige Monate später kam die Bestätigung der Universität, dass ich für meine Wunsch- Partneruniversität angenommen bin. Jetzt war es an der Zeit meine Bewerbung für die Auslandshochschule zu erstellen. Dazu brauchte ich ein vom IZ unterschriebenen Bewerbungsbogen und ein Zertifikat über B2- Spanischkenntnisse. Zudem musste ich einen neuen Reisepass beantragen, da mein alter in der Zeit meines Auslandsaufenthalts abgelaufen wäre, und musste eine Vorauswahl treffen, welche Kurse ich in Chile besuchen möchte. Diese Auswahl war jedoch nicht endgültig; die eigentliche Kurswahl fand erst in Chile statt. Jedoch empfand ich es als sehr hilfreich, dass ich mich schon mit dem chilenischen Vorlesungsverzeichnis befasst hatte und überlegt hatte, was mir davon in Stuttgart angerechnet werden könnte. Als dann Mitte Dezember die endgültige Bestätigung aus Chile kam, habe ich so schnell wie möglich meinen Flug gebucht, mit den Impfungen begonnen und mein Studentenvisum beantragt. Es hat circa einen Monat gedauert, bis ich dieses in München im chilenischen Konsulat abholen konnte. Zudem habe ich begonnen mich mit Santiago zu beschäftigen. Dabei war das vom IZ der Universität

3 Stuttgart organisierte Treffen aller Studierenden, die gerade ein Auslandssemester in Stuttgart absolvierten und denjenigen, die im nächsten Jahr ins Ausland gehen sehr hilfreich. Ich habe erstens andere deutsche Studierende, die in der gleichen Zeit wie ich nach Chile gehen und zweitens chilenische Studenten, die gerade in Stuttgart studierten, kennengelernt. Von diesen habe ich viele hilfreiche Tipps erhalten; z.b. zum Thema wo man in Santiago gut wohnt und was sich dort lohnt zu unternehmen. Außerdem habe ich die jeweils zuständigen Professoren kontaktiert um sicherzugehen, dass mir die Kurse die ich in Chile belegen wollte auch angerechnet werden. Ich bin in die Sprechstunden gegangen und wir haben gemeinsam ein informelles Learning-Agreement erstellt. Ein Zimmer habe ich erst in Santiago vor Ort gesucht, jedoch davor schon Besichtigungstermine ausgemacht. Im Endeffekt habe ich dieses dann über compartodepto.cl, dem chilenischen WGgesucht, gefunden und habe superzentral in einer WG am Plaza Italia gewohnt. Alles in allem haben die Vorbereitungen einiges an Zeit in Anspruch genommen. Jedoch hat es sich definitiv gelohnt! 3) STUDIUM IM GASTLAND Am ersten Tag des Semesters ab es eine Einführungsveranstaltung für alle Austauschstudierenden. Uns wurde erklärt, welche Formalitäten wir zu beachten haben und was wir in den ersten Wochen alles erledigen müssen. Außerdem haben wir Informationen zur Bibliothek und außeruniversitären Aktivitäten erhalten. In der zweiten Hälfte der Veranstaltung waren chilenische Studenten aller Fakultäten anwesend, denen wir Fragen zu den Kursen und den Professoren stellen konnten. Dies war sehr hilfreich. Die endgültige Einschreibung für die Kurse fand für uns Austauschstudierende allerdings erst in der dritten Woche statt. In den ersten zwei Wochen hatten wir Zeit um uns die Kurse anzuschauen und uns dann zu entscheiden. Allerdings wurde jeweils nur eine begrenzte Anzahl von Plätzen freigehalten, wodurch nicht jeder seine Wunschkurse belegen konnte. Nachdem ich mir die Kurse angeschaut hatte, die ich mir in Deutschland ausgesucht hatte, habe ich beschlossen nur zwei Kurse auf Spanisch zu belegen und weitere zwei auf Englisch, was neben Politikwissenschaft mein zweites Fach ist, denn das chilenische Spanisch ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig und schwer zu verstehen. Vier Kurse waren mehr als genug, da diese sehr umfangreich sind. Pro Woche hat man pro Kurs zweimal jeweils 80 Minuten Unterricht und auch entsprechend viel Lektüre. Die meisten Austauschstudierenden hatten drei oder vier Kurse anstatt fünf wie die Chilenen. Mehr würde ich auch nicht empfehlen, da man im Austauschsemester nicht nur am Schreibtisch sitzen möchte und eventuell in der Fremdsprache für alles etwas länger braucht. Ich habe letztendlich folgende Kurse belegt: Guerras Civiles después de la Guerra Fría (Ciencias Políticas): Sehr interessantes Seminar über Bürgerkriege. Es ging um Definition von Guerra Civil, Konflikte aus ethnischen Motiven und in wie fern sich diese von nicht-ethnischen Konflikten unterscheiden, was die Dauer und das Ende beeinflusst, warum manche Konflikte gewalttätiger sind als andere und die Situation nach dem Konflikt und was die internationale Gemeinschaft tun kann. Es gab recht viel Lektüre, die allerdings auf Englisch war und im Unterricht besprochen wurde. Es ging nicht nur um Theorie; jeweils am Ende einer Einheit haben wir in Gruppen die Theorie auf einen konkreten Fall angewendet. Prüfungsleistungen waren zwei theoretische Examen, eine Take-Home - Fallanwendungsklausur und eine Hausarbeit in Gruppen zu dem bearbeiten Fall, in meinem Fall Südafrika. Cultura Chilena (Kurs extra für Austauschstudierende): Hierbei handelt es sich um einen multidisziplinären Kurs aus Soziologie, Geschichte, Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften; alles mit Fokus auf Chile. Ich habe diesen Kurs als sehr interessant und bereichernd empfunden, da man auf diese Weise viel Neues über das Gastland lernen konnte. Im Gegensatz zu meinen anderen Kursen war dieser sehr viel weniger zeitaufwändig

4 und auch weniger anspruchsvoll, da er extra für Ausländer war. Prüfungsleistungen waren jeweils eine Klausur am Ende jeder Einheit. World Literature (englische Literaturwissenschaft): Dies war einer meiner englischen Kurse. Wir haben uns mit Literatur befasst, die im traditionellen Canon nicht enthalten ist, und darauf einige literarische Konzepte angewendet. Dieser Kurs war sehr zeitintensiv, da wir circa alle zwei Wochen ein neues Buch behandelt haben, das man ins dahin natürlich gelesen haben sollte. Trotzdem hat er mir sehr viel Spaß gemacht, da ich mich mit Literatur beschäftigt habe, von deren Existenz ich zum Teil zuvor nichts gewusst hatte und ich habe dadurch viel Neues gelernt. Prüfungsleistungen waren zwei Klausuren, eine Gruppenreferat und eine Hausarbeit. 19th Century Novel (englische Literaturwissenschaft): Auch mein zweiter englischer Kurs hat mir sehr viel Spaß gemacht. Wir haben verschiedene novels des neunzehnten Jahrhunderts gelesen; unter anderem Frankenstein und The Picture of Dorian Gray. Prüfungsleistungen waren drei Kurzklausuren, ein Gruppenreferat und eine Hausarbeit. Zusätzlich zu diesen vier Kursen bin ich in den Uni-Chor gegangen, was für die Chilenen auch als ein Kurs zählt. Mir werden in Stuttgart alle Kurse anerkannt, Cultura Chilena allerdings nur als USL. Im Gegensatz zu Deutschland ist das chilenische Studiensystem sehr viel verschulter. Oft besteht Anwesenheitspflicht und man hat anstatt einer Klausur oder Hausarbeit am Ende des Semesters kontinuierlich Leistungskontrollen, dafür aber in den Semesterferien wirklich frei. Mir kam es so vor als ob in Chile in einem Semester zwar mehr Stoff behandelt wird aber dafür das Niveau der Eigenleistung niedriger ist. Außerdem ist studieren in Chile im Gegensatz zu Deutschland nicht umsonst, sondern es müssen meist sehr hohe Studiengebühren bezahlt werden. Dadurch werden Studierende mit reichen Eltern privilegiert, was immer wieder zu Protesten und Streiks führt. So fand auch in meinem letzten Monat oft kein Unterricht statt. An der Católica gibt es die Gruppe von Studierenden CAUC, die Partys und viele verschiedene Aktivitäten für die Austauschstudierenden organisiert. So war ich zum Beispiel im nahe gelegenen Cajón de Maipo Gleitschirm fliegen. Auch verschiedene Reisen in verschiedene Regionen Chiles wurden von CAUC organisiert. Ansonsten gibt es außerhalb der regulären Kurse talleres, für die man allerdings etwas zahlen muss; vergleichbar mit unserem Hochschulsport. Ich habe Pilates und baile entretenido belegt. 4) AUFENTHALT IM GASTLAND Chile ist ein unglaublich vielfältiges Land, welches ich an verlängerten Wochenenden auch etwas bereist habe. So war ich zum Beispiel im Süden in der Seenregion, im Norden in La Serena und im Valle de Elquí. Außerdem war ich mehrmals in der nahen Hafenstadt Valparaiso und in Mendoza in Argentinien. Mir gefällt an Chile, dass es sowohl Gletscher (Patagonien) als auch Wüste (Atacama) gibt. Ich habe viele mir zuvor unbekannte Landschaften kennengelernt. Meine Reisen habe ich immer gemeinsam mit anderen Austauschstudierenden unternommen. Ich habe in meiner Zeit in Santiago viele Leute aus aller Welt kennengelernt und neue Freundschaften geschlossen. Es hat mir sehr gut gefallen, dass es so viele verschiedene Kulturen nebeneinander gelebt haben, dadurch habe ich viel Neues über viele verschiedene Länder und Kulturen gelernt. Außerdem habe ich am Tandemprojekt der Universität teilgenommen und mich immer wieder mit meiner chilenischen Tandempartnerin getroffen. Dadurch habe ich erstens mein Spanisch (und vor allem mein Chilenisch) verbessern können und zweitens noch tiefer in die chilenische Kultur eintauchen können, da ich sie alles fragen konnte. Des Weiteren habe ich einen Salsa-Kurs gemacht; dieser fand jeden Dienstag und Donnerstag auf einem Platz in der Nähe der Metro Católica statt. Es haben Chilenen sowie Austauschstudierende teilgenommen, dadurch habe ich auch Leute außerhalb meiner Kurse kennengelernt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

5 Die Lebenshaltungskosten sind ähnlich hoch wie in Stuttgart. Allerdings habe ich monatlich trotzdem mehr ausgegeben, da ich viel mehr unternommen habe (z.b. Reisen an verlängerten Wochenenden, Rafting, Paragliding, ). Im Anschluss bin ich noch 6 Wochen gereist, was meine Südamerika-Erfahrung noch vertieft hat. Ich war im Norden Chiles, Norden Argentiniens und Süden Perus. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt! 5) PRAKTISCHE TIPPS FÜR NACHFOLGENDE STIPENDIATINNEN UND STIPENDIATEN 1) Nicht von der Sprache abschrecken lassen! Das chilenische Spanisch unterscheidet sich sehr stark von dem Spanisch, das man in der Schule oder Universität lernt. Die Chilenen sprechen sehr schnell und haben viele eigene Wörter, sogenannte Chilenismen. Jedoch hört man sich in ein bis zwei Monaten ein und kommt dann sehr gut klar. 2) Etwas für alle Jahreszeiten einpacken! Wenn man so wie ich im Februar in Santiago ankommt, ist noch fast Hochsommer und man kann kurze Hosen und Sandalen sehr gut gebrauchen. Auf der anderen Seite wird es im Juni und Juli aber sehr kalt, und man sollte vor allem wenn man nach dem Semester noch reisen möchte warme Sachen mitnehmen. Die meisten Gebäude in Chile sind sehr schlecht isoliert und haben keine Heizung. 3) Am besten zentral im Zentrum oder Providencia und in der Nähe einer Metro-Station wohnen! Santiago ist von der Fläche her riesig und die Busse fahren nur sehr unregelmäßig. Die meisten Sehenswürdigkeiten, Museen und Bars konzentrieren sich im Kern der Stadt. 4) Wenn im Anschluss an das Semester noch ein wenig Zeit (und Geld) übrig ist: So viel wie möglich reisen! Chile und auch die angrenzenden Länder haben so unglaublich viel zu bieten! Das sollte man sich nicht entgehen lassen! 7) SONSTIGES Ich habe mein Auslandssemester in Chile sehr genossen! Es lohnt sich! Falls du noch weitere Informationen brauchst: Frau Langer gibt dir sicher gerne meine Adresse.