"Software" - virtueller Partner oder Werkzeug
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- Eike Beltz
- vor 6 Jahren
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1 Informatik Rolf Todesco "Software" - virtueller Partner oder Werkzeug Die Erfindung der Programmiersprache Essay
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3 Rolf Todesco "Software" - virtueller Partner oder Werkzeug Die Frage, was ist Software, erzeugt normalerweise eine einfache Antwort: Programme, oder alles, was man nicht anfassen kann. Auch unter Informatikern gilt es als unhöflich, sich mit dieser Antwort nicht zu bescheiden. Das hat Grund. Software virtualisiert Werkzeuge, die weit über das hinausgehen, was der gesunde Menschenverstand von einer simplen Maschine mit einigen (zig)tausend Stromschaltern erwarten würde: unter anderem Maschinen, die uns vormachen als Kommunikationspartner mit uns zu sprechen oder (sprachliche) Befehle entgegennehmen und ausführen zu können. Software erscheint als Geist solcher Maschinen. Wie aber werden diese Maschinen beseelt? Spätestens seit Darwin die Evolutionstheorie von Wallace zum Allgemeingut machte, sind wir uns gewohnt, nicht nur Märchen, sondern auch Geschichten, die wahr sein wollen, ohne Anfang - ohne Schöpfung - zu denken. Bekannt ist bezüglich der Software allgemein nur die Evolution vom Assembler zum Case-Tool. Software muss sich nicht zuletzt der Geschichte ihres ursprünglichen Gewordenseins entziehen, damit wir im Paradoxon von sprachfähigen Maschinen verweilen können. Aber Evolutionsgeschichten sind dialektisch, sie lenken unsere Aufmerksamkeit immer auch auf den Punkt, den sie ausblenden (wollen), nämlich eben auf den Anfang. Ueber unseren Anfang werden wir uns sinnigerweise keine Bilder machen, aber daraus sollten wir keineswegs - wie es gemeinhin in Software-Evolutions-Geschichten getan wird - ableiten, dass sich auch Nachdenken über den Anfang der sogenannten Software nicht lohnen könnte. Die "Software" ist nicht wie wir auf die Welt gekommen. Mit dem Wortteil "-ware" bringen wir diese (Tat)sache deutlich zum Ausdruck, auch wenn wir mit dem näher bestimmenden "soft-" die Eindeutigkeit des gemeinten Gegenstandes etwas relativieren. Programmiersprachen In den Evolutionsgeschichten steht: Die ersten Computer wurden sehr umständlich und aufwendig mittels einer sogenannten Maschinensprache programmiert. Suggeriert wird durch diese evolutionistische Redeweise, die den Anfang der Programmiersprachen ausblendet, dass bereits die Erfinder der Computer ihren Maschinen sprachliche Anweisungen gegeben hätten. Dem war aber keineswegs so. Die Programmier-Sprache fiel nicht termingerecht vom Himmel. Sie ist vielmehr eine eigenständige Erfindung, die die massenhafte Verbreitung der Computer überhaupt erst möglich machte. Die Programmiersprache entspricht in gewisser Hinsicht dem Buchdruckes von Gutenberg oder dem Benzinmotores von Otto, die beide eine bereits vorhandene Ware, nämlich das Buch und das maschinell angetriebene Fahrzeug massentauglich machten. Wenn wir die Computer - wie in den Anfängen - ohne Programmiersprachen programmieren müssten, würden sie heute noch in den Forschungslaboratorien statt auf jedem Schreibtisch stehen. Als Erfindung teilt die Programmiersprache das Schicksal vieler genialen Erfindungen. Sie liegen im Nachhinein so sehr auf der Hand, dass sie gar nicht als Erfindungen wahrgenommen werden. Der naiv interpretierte Wortteil "-sprache" verleitet zusätzlich zur Annahme, dass Programmiersprachen wie unsere Sprachen zwar konkret geformt sind, aber als Sprache
4 überhaupt immer schon da waren. In diesem Sinne werden Programmiersprachen auch oft als künstliche Sprachen bezeichnet, wobei das Attribut "künstlich" nicht auf die Sprache als erfundenes Produkt bezogen wird, sondern lediglich darauf, dass die Syntax oder die Form der Sprache eindeutig (eingeschränkt) ist. Die Ware, die durch Programmiersprachen massentauglich wurde, ist der Computer. Mit dem Ausdruck "Computer" bezeichnen wir eine nicht scharf abgegrenzte Teilmenge der Automaten, also der konstruktiv explizit gesteuerten Maschinen. Computer sind Maschinen, die programmiert werden müssen. Ohne Programmierung ist der Computer unvollständig, wir bezeichnen das entsprechende Halbfabrikat als "Hardware". Die Hardware alleine kann man sowenig brauchen, wie eine einzelne Schraube, die Bestandteil der Hardware ist. Zum Computer gehört die Programmierung. Die Programmierung und der Computer sind unter dem Gesichtspunkt der Erfindung dasselbe. Wir können also uneingeschränkt sagen, wann die Programmierung erfunden wurde. Eine andere Frage ist, ob die Erfinder der Computer deren Programmierung auch Programmierung nannten. Und eine noch andere Frage ist, wie die ersten Computer tatsächlich programmiert wurden. Was heisst programmieren überhaupt? Die Antwort zu dieser Frage liegt in der Evolution der Werkzeuge: Hammer und Sichel sind primitive Werkzeuge, die der Benutzer sowohl antreiben wie steuern muss. Entwickeltere Werkzeuge sind Maschinen, wie etwa das Auto, in welchem der Benutzer nur noch steuern muss. Noch entwikeltere Werkzeuge, eben die Computer, enthalten eine explizit konstruierte Steuerung. Computer machen, was in ihrer Steuerung festgelegt ist. Das Festlegen der Steuerung heisst programmieren. Sehr anschaulich ist die Steuerung einer Maschine mit einem eigens dazu konstruierten Mechanismus beispielsweise bei primitiven Musikautomaten, bei welchen Stiftchen auf einer Walze bestimmte Melodien bewirken. Man kann diese Automaten für bestimmte Melodien programmieren, indem man die Stiftchen auf der Walze entsprechend anordnet. Nicht viel weniger anschaulich sind die Lochkarten-Maschinen, die auf verschiedene Lochmuster reagieren. Der Webstuhlbauer Jacquard hat bereits um 1800 entdeckt, dass man entsprechend konstruierte Webstühle mit Lochkarten so programmieren kann, dass bestimmte Stoffmuster gewoben werden. Diese Beispiele zeigen, dass man zur Programmierung einer Maschine keine Programmiersprache - und insbesondere auch keine "0"/"1"-Sprache - braucht. Auch die ersten Computer im engeren Sinne wurden ohne Programmiersprache programmiert. Man hat die Löcher auf den Lochkarten "einfach" so angeordnet, wie es die jeweilige Computersteuerung verlangte. Einfach war das natürlich keineswegs, wenn man etwas kompliziertere Abläufe programmieren wollte. Die Computer, die wir heute bei weitem nicht nur zum Rechnen verwenden, heissen deshalb "Rechner", weil man am Anfang - ohne Programmiersprachen - praktisch nur Rechenaufgaben, die ähnlich einfach wie Stoffmuster sind, programmieren konnte. Ada, die Pressesprecherin von Babbage, der seine Computer in Anlehnung Jacquards Webstuhlsteuerung konstruierte, sagte: "Wir können höchst zutreffend sagen, dass die analytische Maschine algebraische Muster webt". Abgesehen davon, dass man bei der sprachlosen Programmierung die Maschine bis ins letzte Detail begreifen musste, verloren auch die besten Programmierer relativ rasch die Uebersicht darüber, welches Loch an welche Stelle gehörte. Bei einer gegebenen Steuerung bewirkte eine bestimmte Lochkarte, respektive eine entsprechende Serie von Lochkarten natürlich immer dasselbe Maschinenverhalten. Deshalb kam nicht erst Jacquard auf die Idee, die Lochkarten ihrer Wirkung entsprechend anzuschreiben. Wenn man in der Maschine einen bestimmten Ablauf steuern wollte, steckte man die entsprechend angeschriebenen Lochkarten in die Maschinensteuerung. Die
5 Beschriftung der Lochkarten hatte aber mit den Löchern in der jeweiligen Karte nur einen sehr vermittelten Zusammenhang. Die Löcher selbst ergaben für den Betrachter der Karte zunächst keinen sprachlichen Sinn, sie signalisierten keine Zeichen, die man lesen konnte. Man wusste einfach, dass ein bestimmtes Lochmuster auf der Maschine ein bestimmtes Resultat erzeugte. Deshalb - und das war die entscheidende Einschränkung - konnte man beim Programmieren der Maschine die Löcher auch nicht einfach gemäss sprachlicher Zeichen anordnen, man musste die Logik der Steuerung sprachunabhängig kennen. Die "Erfindung der Programmiersprache" bestand darin, dass man den Steuerungsmechanismus so baute, dass die Löcher auf der Lochkarte zugleich als sinnhafte Beschriftung der Lochkarte zu lesen waren. Wenn man mit einem solchen "versprachlichten" Steuermechanismus arbeitete, konnte man die Lochmuster für eine bestimmte Aktion so eingeben, das die Löcher gerade die Bezeichnung dieser Aktion ergaben. Nun konnte man die Maschine beispielsweise mit Löchern in den Feldchen "A" "D" "D" zum Addieren veranlassen. Deutlich kann man diesen Zusammenhang noch anhand der Lochkarten von Hollerith sehen, die um 1900 bei amerikanischen Volkszählungen verwendet wurden, weil dort die Codierung der Zeichen noch sehr anschaulich war. Die "Erfindung der Programmiersprache" besteht in der Erfindung, den Steuermechanismus so zu konstruieren, dass seine Bedienung sprachhaft wurde. Deshalb kann Wirth, der Erfinder von vielen Programmiersprachen sagen: "Eine Programmiersprache stellt einen abstrakten Computer dar, der die Ausdrücke dieser Sprache verstehen kann". Selbstverständlich versteht die Maschine nichts. Sie versteht die Programmiersprache nicht, sie reagiert einfach auf bestimmte Lochkartenmuster, oder wenn sie etwas moderner ist, auf entsprechende Magnetisierungs- oder Strommuster, und zwar völlig unabhängig davon, ob wir in diesen Mustern sprachliche Zeichen erkennen oder nicht. Die Maschine hat keine Sprache. Software als ideologisches Konzept Die Programmierung eines Computers ist dermassen kompliziert, dass bereits die einfachsten Maschinen, die den Namen Computer verdienen, ohne Programmiersprache praktisch nicht programmiert werden könnten. In den Software-Evolutionsgeschichten liest man häufig, dass die Entwicklung der höheren Programmiersprachen wie beispielsweise Fortran, die in die 50- er Jahre zurückgeht, mit der Zielsetzung in Angriff genommen wurde, den Programmieraufwand zu reduzieren. Das gilt natürlich noch in viel höherem Masse für die sogenannten Maschinensprachen, die gemeinhin gar nicht als Programmiersprache bezeichnet werden, sondern quasi als Verursacher des mit Programmiersprachen zu lösenden Problems erscheinen. Die auf der Ebene der Maschine unüberschaubare Programmieraufgabe wurde durch die Erfindung der sogenannten Programmiersprache lösbar gemacht. Von der Reduktion des Programmieraufwandes durch Programmiersprachen ist ein wesentlicher Anteil darin begründet, dass die Programmierer vom Computer praktisch nichts wissen müssen. In der Tat kann von einem kommerziell eingesetzten Programmierer kaum verlangt werden, dass er beim Programmieren über die zu verwendende Zahlendarstellung oder gar über die Eigenschaften der Speichervorrichtung in einem Computer entscheidet. Die Programmiersprachen nehmen dem Programmierer diese Entscheidungen nicht nur ab, sie verstecken auch, (dass und) wie diese Entscheidungen in der jeweiligen Maschine getroffen wurden. Die Programmiersprachen bilden eine Benützeroberfläche, die die dahinterstehende Maschine im Sinne der Bedienbarkeit extrem einfach erscheinen lassen. Sie erzeugen aber - nicht nur beim Laien - die Vorstellung, dass man mit einem Computer sprechen oder ihm
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