Nahe der Fall-Linie runter zum Strand. Wer s eilig hat, kann die Vorder- bremse ziehen. La Palma wird auch La Isla Verde genannt die grüne Insel.

Größe: px

Ab Seite anzeigen:

Download "Nahe der Fall-Linie runter zum Strand. Wer s eilig hat, kann die Vorder- bremse ziehen. La Palma wird auch La Isla Verde genannt die grüne Insel."

Kajetan Curt Bach
vor 6 Jahren
Abrufe

1 FREERIDEABENTEUER Man muss die Dinge dann machen, wenn man sie machen kann. Warum also nicht einen Billigflug nach La Palma ergattern und einfach mal freeriden gehen, wenn die anderen im Herbstdunst Frust schieben?

2 Dauerregen, Betonhimmel und Kälte der Herbst steht in den Startlöchern, das Wetter zeigt sich oft von seiner miesen Seite. Jetzt hat man die Wahl: Im Schmuddelwetter Trübsal blasen oder die Flucht nach vorne antreten. Zum Beispiel auf die Kanaren. Auf La Palma lacht jetzt nicht nur die Sonne, auch das Herz eines jeden Freeriders macht hier Freudensprünge. FREERIDE 4/06 73

3 FREERIDEREISE Nahe der Fall-Linie runter zum Strand. Wer s eilig hat, kann die Vorderbremse ziehen. La Palma wird auch La Isla Verde genannt die grüne Insel.

Die spektakuläre Abfahrt nach Puerto de Tazacorte. Downhill-Racer Daniel Schäfer kennt sie so gut, dass er sie mit verbundenen Augen hinunterrollen könnte.

4 Die spektakuläre Abfahrt nach Puerto de Tazacorte. Downhill-Racer Daniel Schäfer kennt sie so gut, dass er sie mit verbundenen Augen hinunterrollen könnte. Macht er aber natürlich nicht dafür ist die Aussicht zu schön. TEXT und FOTOS: Marco Toniolo N ur mein Kopf ragt aus dem Meer, ich blicke Richtung Strand. Und dann weit nach oben in die zerklüfteten Berge. Ich folge mit den Augen der schier endlosen Linie, auf der wir gerade abgefahren sind. Dann drücke ich auf Repeat, und der Film läuft in meinem Kopf noch einmal ab. Vom Meter hohen Roque de los Muchachos bis hinunter ans Meer sind wir gedonnert. Durch Wüste, Dschungel, Buschland und über Felsen. Wir fröstelten im Schnee am Gipfel, rissen uns auf halbem Weg die Klamotten vom Leib. Zwei unfassbare Stunden Downhill. Unsere Reifen rollten über Kies und Felsplatten, Piniennadeln, Schotter und weichen Waldboden. Würden meine Finger nicht noch vom Bremsen pochen ich würde es für einen Traum halten. Wir sind auf La Palma, der Kanareninsel. Es ist Dezember, und es ist 24 Grad warm. Hier im Wasser angenehme 20. Gefühlte Jahreszeit: Sommer. Daniel Schäfer und Philipp Foltz lockten mich hierher. Vergiss Ski und Pulverschnee, die Insel ist ein Freeride-Paradies, hatte Daniel durchs Telefon geschwärmt. Die zwei sind so von der Insel überzeugt, dass sie eine Firma gründeten und im Winter Freeride-Touren über die Insel anbieten. Bei der Ankunft am Flughafen von Santa Cruz de la Palma bekomme ich einen Schock: Im Himmel Feierabend auf La Palma. Während daheim die knäulen sich die Wolken so dick, dass sie beinahe die Dächer berühren. Der Taxi-Fahrer murmelt pausenlos etwas von Frio, mucho frio in seinen Schnauzbart. Kalt sei es, sehr kalt sogar. Dabei dreht er hektisch am Radio, als könne er mit einem neuen Sender den Regen abdrehen. Es prasselt laut aufs Taxi-Dach, die Scheibenwischer flappen hilflos hin und her. Dann fahren wir durch einen langen Tunnel. Als wir rauskommen: Sonne, blauer Himmel. Auf La Palma gibt es tatsächlich eine Wetterscheide wie am Alpenhauptkamm. In den nächsten zwei Wochen werde ich immer wieder die Wolken beobachten, die wie Cappuccino-Schaum über den Tassenrand zu uns rüberschwappen wollen. Erfolglos. In Puerto Naos, einem Dorf direkt am Meer, entlässt mich der Fahrer aus seinem Škoda-Taxi. Hier treffe ich Daniel und Philipp, von hier starten wir auch zu unserer ersten Tour. Daniel und Philipp kennen jeden Trail auf der Insel, sagen sie. Ohne jemanden, der sich auskennt, ist die Orientierung auf La Palma schwierig, meint Daniel. Mit Stoppelbart, blonden Strähnen im Haar und tiefgebräunter Haut könnte man ihn auch für einen Surfer auf Wellensuche halten. Wären da nicht die rasierten Biker-Beine. Unweit von Puerto de Tazacorte, 15 Kilometer von Puerto Naos entfernt, befindet sich El Mirador del Time, ein Aussichtspunkt mit Bar, 400 Meter oberhalb des Ozeans. Diese Stelle lieben Biker wegen des spektakulären Panoramas, den leckeren Kuchen an der Bar und den legendären Trails. Sie sind alle technisch fordernd, schließlich geht es dicht an der Falllinie hinunter zum Meer. Einer der Trails ist etwas gefährlich, sagt Philipp, weil er sehr ausgesetzt ist. Den nehmen wir. Er schlängelt sich am Felsen entlang und zackt dann in engen Serpentinen in die Tiefe. Unten funkelt das Meer türkis. Schaut man über den Lenker, glaubt man, man sei beim Fallschirmspringen, so weit geht es in die Tiefe. > FREERIDE 4/06 75

FREERIDEREISE La Palma zählt zu den höchsten Inseln der

Der Schein trügt: statt Heustadl-Idylle Fliegenalarm.

5 FREERIDEREISE La Palma zählt zu den höchsten Inseln der Erde. Dieser Trail schlängelt sich auf Meter Höhe. Der Schein trügt: statt Heustadl-Idylle Fliegenalarm. Deswegen das Zelt im Hintergrund. Men on the Moon Biken auf dem Mond. Was für ein Service: Die Aliens haben den Weg mit Lavagestein markiert. Mauer-Drop auf dem Weg zum Meer. FREERIDE 04/06 76

Als wir unten ankommen, wartet die nächste Bar am Strand auf uns.

Wellenrauschen bekomme ich gratis dazu. Man denkt, auf La Palma gäbe es nur Lava- Trails, erzählt Philipp. Das ist aber falsch. La Palma ist die grünste Insel der Kanaren.

Der Schatten tut gut und macht das Pedalieren erträglich. Oben am Kamm bläst uns ein eisiger Wind fast aus dem Sattel.

6 Als wir unten ankommen, wartet die nächste Bar am Strand auf uns. Die kommt mir wie gerufen, denn so kann ich das Adrenalin in meinem Blut mit einer kalten Cola verdünnen und meine zittrigen Beine über einen Hocker baumeln lassen. Wellenrauschen bekomme ich gratis dazu. Man denkt, auf La Palma gäbe es nur Lava- Trails, erzählt Philipp. Das ist aber falsch. La Palma ist die grünste Insel der Kanaren. Tatsächlich strampeln wir von Puerto Naos durch knackig grüne Wälder hoch in die Berge, wo in den Felsspitzen die Wolken der anderen Seite wie an einem Gartenzaun hängen. Der Schatten tut gut und macht das Pedalieren erträglich. Oben am Kamm bläst uns ein eisiger Wind fast aus dem Sattel. Wolkenfetzen schwappen auf die andere Seite der Bergspitzen und versuchen, den sonnigen Teil der Insel zu erreichen. Doch sie werden von dem Föhnwind einfach zerstäubt. Fasziniert verfolge ich dieses Wetterspiel. Daniel und Philipp schenken ihm keine Beachtung. Sie grinsen vor sich hin, denn sie wissen, dass die Abfahrt gleich beginnt. Ein handtuchbreiter Waldboden-Trail beschleunigt uns Richtung Meer, mündet in eine Folge von Spitzkehren und Anliegern. Oberhalb von Puerto Naos bleibt der Wald dann zurück, wir fahren durch enge Gassen an den riesigen Bananen-Plantagen vorbei und irgendwann endet der Trail wieder am schwarzen Strand. Jetzt will ich aber auch mal die berühmten Lava-Trails erleben, fordere ich ein und schon sitzen wir in Daniels Shuttle-Bus. Wir fahren bis zu einem riesigen Lava-Feld. Es sieht aus, als wären die Brocken erst vor ein paar Jahren aus dem Vulkan geflogen. Vor 25 Jahren ist hier ein kleiner Vulkan ausgebrochen, erklärt Philipp in Reiseführer-Manier. Und die Natur fängt erst jetzt an, sich zu erholen. Das Skurrile dabei: Der Trail ist von Blumen umsäumt, die auf der schwarzen Lava in allen Farben leuchten. Auf bizarre Lavagebilde treffen wir auch während unserer Königs-Tour: Als wir ganz in der Früh auf den Gipfel des Roque de los Muchachos kommen, sind wir gottlob die Einzigen. Der Roque de los Muchachos ist nichts anderes als ein erloschener Vulkan, bei dessen Eruptionen die ganze Insel entstanden ist. Heute ist der Berg die Haupt attraktion für die Touristen auch weil man mit dem Auto bequem bis ganz nach oben kommt und bei klarer Sicht die Nachbarinseln wie Schiffe im Meer schaukeln sieht. Der Shuttle- Fahrer muss die letzten Meter bergauf mit Sommerreifen durch Schnee schlittern. Noch liegt die Dämmerung über der Landschaft und der Frost kriecht uns in die Knochen. Doch als die Sonne aus dem Meer auftaucht, lässt sie die Welt um uns herum in zartem Rosa aufleuchten. Wir biegen in den Trail ein. Die Höhenmeter purzeln und jeder bezwungene Höhenmeter bringt ein bisschen Wärme. Irgendwann sind die Muskeln warm, der Fahrstil wird flüssiger und schon verschmelzen wir mit dem Trail vor unseren Reifen. Später im warmen Meerwasser scheint der Schnee vom Vulkan wie ein Traum. Genau wie der unglaubliche Trail. Ich bewege die Finger. Sie spannen noch immer vom Bremsen und Lenkerhalten. Ich muss mich nicht kneifen, um zu wissen, ob ich träume. Kakteen-Sprung. Lieber nicht stürzen! Daniel und Philipp haben sich gut eingepackt. Schließlich können die beiden erst Meter weiter unten wieder in ihre Badehosen schlüpfen, hier oben liegen noch Schneereste. FREERIDE 4/06 77

Ähnliche Dokumente

2. Tag: (Do) Puerto Tazacorte Naos El Remo Salinas de Fuencaliente

2. Tag: (Do) Puerto Tazacorte Naos El Remo Salinas de Fuencaliente Idee Wir wollten die Kanaren kennlernen, zumindest eine dieser spanischen Inseln. Die Wahl fiel auf La Palma, einerseits vielleicht, weil die Insel ein klein wenig unserem letzten Reiseziel ähnelt (im