Bergwanderung Ein Liederzyklus über zehn Etappen

Transkript

1 Bergwanderung Ein Liederzyklus über zehn Etappen 1. Morgendämmerung Lautlos schleicht der Morgenschein, das erste Tagesahnen in die Dunkelheit hinein, will seinen Weg sich bahnen. Sachte kriechen Nebelschwaden aus dem Tal empor. Stille, lass mich in dir baden, du schmeichelst zärtlich meinem Ohr. In dieser Stille lebt ein Geist voll Freude und Kraft zum Leben, der nun gemeinsam mit mir reist lustvoll dem Tag entgegen.

2 2. Rüstung zum Wandern Heute will ich hoch hinaus, ich will den Berg erklimmen; heute hält mich nichts im Haus, Zeitpunkt und Wetter stimmen. Rucksack gepackt und Schuhe geschnürt, es hält mich nichts im Tal. Der Berg, er hat mich angerührt, er lässt mir keine Wahl.

3 3. Aufbruch Getrieben wie vom Wind, unbändig wie ein Kind jagt es mich nach vorn ohne Müh und Plage, an diesem jungen Tage bin ich wie neugebor n. Der Berg, er ruft mich laut, ich habe ihn geschaut und mich in ihn verliebt. Ich will nur zu ihm, zu ihm rasch freudig ziehn für das, was er mir gibt. Sie gehen von alleine, die Füße und die Beine, sie sind frei und leicht; ich fühle mich erquickt, der Berg hat mich verzückt und aller Trübsinn weicht.

4 4. Erster Anstieg Der Weg, bis grad noch eben, fängt an, sich zu erheben, lenkt mich dem Gipfel zu; ich steige immer weiter, die Seele, frei und heiter, wünscht sich noch keine Ruh. Doch die Beine klagen, sie fangen an zu zagen, werden müd und schwer; erst nur ein leichtes Ächzen, dann laut nach Ruhe lechzen, mit jedem Meter mehr. Geht noch eine Weile, in Ruhe ohne Eile, tragt mich weiter fort; dann will ich euch belohnen, bald will ich euch schonen, ich weiß schon einen Ort.

5 5. Wanderers Rast Einladend, freundlich und hell strahlt das Plateau mir entgegen. Füße, lauft noch, ein paar Schritte, schnell, dann dürft ihr euch ruhen und legen. Dürft rasten vom langen Gang, die Ohren dürfen lauschen ganz in Ruhe dem Vogelsang und des Baches Rauschen. Die Zeit steht still für eine Sekunde, -- vergessen sind gestern und morgen; mein Herz, genese, mein Herz, gesunde, vergiss alle Trübsal und Sorgen.

6 6. Weitergang nach der Rast Verlockend ist das Stillestehn, die Welt scheint anzuhalten; mühsam scheint das Weitergeh n, mühsam das Nach-vorne-Seh n, mühsam das Schalten und Walten. Doch, ein kleiner Funke glimmt, voll Lebenslust und Wissensdrang, der langsam durch die Adern rinnt, mich zum Weitergehn bestimmt; die Rast scheint mir nun fast zu lang, Es kommt die alte Leichtigkeit, die Beine wollen sich regen; die Ruhe scheint nun fort, sehr weit, ich fühl in mir Lebendigkeit und steige dem Gipfel entgegen.

7 7. Gipfelsturm Die Beine heben sich nun schneller, die Seele wird mir froh und heller voll Lebenslust und Leichtigkeit, die Brust wird mir unendlich weit. Der Weltenatem bläst mich an als träte Gott an mich heran. Mein Gott, wie ist das Leben schön, ich möchte immer weiter geh n.

8 8. Am Gipfel Welt, du legst dich vor mir nieder, mein ganzes Blickfeld füllst du aus. In mir klingen alte Lieder von tiefem Frieden, von zuhaus. Du nimmst mich in den Weltenschoß, ich bin ein Ganzes, bin ein Teil, ich fühl mich winzig, endlos groß, waidwund, und doch völlig heil. Mein Ich wird unbedeutsam klein, hinter sich sein Schicksal lassend taucht es in den Äther ein und wächst unendlich, weltumfassend.

9 9. Abstieg Mühsam reiße ich mein Denken vom erhab nen Gipfel fort, muss meine Schritte wollend lenken von diesem wunderschönen Ort. Ach, könnte ich hier ewig bleiben, mein Herz fänd seine Ruh; doch Vernunft und Pflicht, die treiben ins Tal hinunter meine Schuh. Mit den Schuhen gehe ich, doch nur mit halbem Herzen. Wo stillet meine Sehnsucht sich? Wo schweigen Heimwehschmerzen?

10 10. Heimkehr Im Tale angekommen fühl ich mich nicht zu Haus. Doch was macht dich beklommen? O Seele, sprich dich aus! Ich fühl ein tiefes Brennen, ein schmerzend Sehnen, Reißen; ich kann es nicht benennen... mag es wohl Heimweh heißen? Wohin? Dorthin, wo alle Sehnsucht schweigt : Im Schoße der Unendlichkeit...