Predigt am zum Jakobustag Kreuzkirche Reutlingen zu Hebräer 13,14: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir
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- Jasmin Böhler
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1 Predigt am zum Jakobustag Kreuzkirche Reutlingen zu Hebräer 13,14: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir Liebe Gemeinde, heute ist der letzte Sonntag, bevor die Sommerferien in den Schulen beginnen. Viele Familien und auch Singles werden im Laufe der nächsten Wochen Koffer packen. Kinder und Jugendliche brechen zu Freizeiten auf, und manche fahren auch allein oder in einer kleinen Gruppe weg. Aufbruchsstimmung, Urlaubsstimmung allenthalben. Und heute, am 25. Juli, ist überdies auch der Gedenktag des Jesusjüngers Jakobus. Nach seinem Namen sind die Wege benannt, die alle nach Santiago di Compostella in Spanien führen und auf denen auch in diesem Sommer wieder viele Pilgerinnen und Pilger unterwegs sind. Ferienzeit. Reisezeit. Ich glaube, hinter dem Reisen steckt so etwas wie eine Ursehnsucht. Wir suchen etwas, was im Alltag zu kurz kommt. Neue Landschaften, eine neue Umgebung, neue Eindrücke. Es ist, als ob wir von Zeit zu Zeit einen Tapetenwechsel brauchen. In einer fremden Umgebung noch einmal ganz anders sein können. Neue Seiten an sich und den Lieben in der eigenen Umgebung entdecken. Über die Weite des Meeres staunen. Angesichts des Plätscherns eines Baches zur Ruhe kommen. Die Erhabenheit eines Berges bewundern und beim Erklimmen hautnah spüren. Ein gutes Buch lesen. Zeit für Gespräche haben oder einfach fürs Nichtstun. Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir. 1
2 Mit diesen Worten hat vor über 1500 Jahren der Kirchenvater Augustinus uns Menschen beschrieben. Zu Dir hin, Gott, hast du uns geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir. Unruhig ist der Mensch, weil er noch nicht da ist, wo er hingehört, bei Gott. Diese Unruhe ist eine Sehnsucht, die mehr sucht, als zu träumen ist, und die sich nur mit einem Ziel zufrieden gibt, das über alles hinausgeht. Unser unruhiges Herz ist etwas Gutes, denn Gott selbst hat es uns gegeben, er hat uns so geschaffen. Und es ist nicht auf ewig unruhig, es hat einen Zielpunkt. Das Ziel ist die Zusage Gottes: Ich bin das Ziel deines Lebens. Bei mir kommst du an. Bei mir ist deine Vollendung. Diese Unruhe ist etwas Schönes, wie ein Kribbeln in den Zehen, wie Füße, die sich auf Wanderschuhe freuen. Manche Menschen können dieses Loblied auf die Unruhe nicht verstehen. Sie sind erschöpft, wollen endlich ihre Ruhe haben und nichts mehr müssen. Sie erleben Unruhe als bedrängend, immer auf dem Sprung sein, wie auf der Flucht vor dem nächsten Querschläger. Vielleicht hatten sie auch einmal ein Ziel, aber immer wieder stellte 2
3 sich ihnen etwas anderes in den Weg. Diese Unsicherheit nagt noch an ihnen, zehrt sie auf, und sie haben ihr Ziel aufgegeben. Bevor ich immer wieder aus der Bahn geworfen werde, bleibe ich lieber sitzen." Wer zu viel blindes Schicksal erlebt hat, der/die verkriecht sich lieber in seinem/ihrem Schneckenhaus, und Unruhe ist ihm oder ihr ein Gräuel. Die Unruhe, von der Augustin spricht, ist anders, eher wie eine Vorfreude: Wie schön wäre es, da zu sein! Sie lenkt den Blick nach vorn, beschleunigt den Schritt, entwickelt einen Sog. Sie gleicht dem Fernweh, das die wahre Heimat erst vor sich weiß. Manchmal staune ich, mit welcher Kraft ich auf ein Ziel zusteuern kann. Ich staune, dass mich die Fremde nicht unsicher macht und der Weg nicht müde, dass die Länge der Etappe mir nicht schon vorab den Mut nimmt. Da steckt auf einmal mehr in mir, als ich vorher auch nur geahnt hatte. Es ist, als ob der, der mir die Unruhe ins Herz legte, mir auch die Energie dazugab, ihr zu folgen. Als ob Gott selbst sich mit mir auf den Weg macht. Instrumentales Zwischenspiel Manchmal komme ich an. Ich bin am Ziel, lege den Rucksack ab und die Beine hoch. Endlich kann ich die Füße lüften auch sie freuen sich, Schuh und Socken abzustreifen und endlich wieder frische Luft zu fühlen. Ich kann den Rucksack fallen lassen und mich selber auch. Die Anspannung weicht aus mir, und die Augen eilen nicht mehr voraus, die nächste Abzweigung zu klären, die Gedanken müssen keine Probleme bewältigen. Ein schönes Gefühl ich bin da, wo ich immer hinwollte, ich bin am Ziel. Die unruhige Erwartung ist aus 3
4 meinem Herzen gewichen, der Atem kommt zur Ruhe. Ich genieße den Augenblick zu Recht, und weiß doch: Die Ruhe ist nicht ewig. Neue Aufgaben werden kommen, neue Fragen werden wach, neue Sehnsucht wird nachwachsen. Die Unruhe, die Gott mir ins Herz gegeben hat, wäre zu klein gedacht, wenn sie hier und jetzt schon zufriedengestellt wäre. Ich glaube, die feste Stadt, das himmlische Jerusalem, wird kommen, aber vorerst leben wir noch auf dem Weg dahin. Gut, dass es unterwegs Oasen gibt, Schatten, Bäume, einen Brunnen, eine Karawanserei, die uns gastfreundlich ihre Tore öffnet. Gäste sind wir, und das heißt nach alter Sitte: Drei Tage sind wir herzlich willkommen, haben Zeit, uns auszuruhen und uns stärken zu lassen und dann geht es weiter. Das große Ziel gibt jeder einzelnen Oase ihren Wert. Sie ist ein Schritt auf dem Weg zur Ewigkeit. Das Ziel prägt den Weg. Und dennoch gibt es auch Umwege, das Sich-Verfahren, die steinige Wegstrecke, der Durst und die Unlust, die Müdigkeit und der Zweifel, die Momente der Verzweiflung, die quälende Frage Warum?. Aber das alles ist überwindbar, wenn die (Aus-)Richtung stimmt. Pilgerinnen und Pilger auf dem Jakobsweg haben ein Ziel. Auf dem Weg folgen sie den Wegzeichen: der Jakobsmuschel und den gelben Richtungspfeilen. Pilgernde können nur leichtes Gepäck mit sich tragen. Vor dem Aufbruch zur Pilgerreise müssen sie sich im Dalassen üben, im Loslassen von Dingen, die wir selbstverständlich jeden Tag zur Hand haben: Kein voller Kleiderschrank, kein gut bestückter Kühlschrank, 4
5 kein voller Terminkalender, der mir zeigt, wie wichtig ich bin, kein PC steht plötzlich mehr zur Verfügung. Nach dem ersten Schock finden viele Pilgernde dies als große Bereicherung: nur das Nötigste dabei zu haben, sich auf das zu besinnen, was ich wirklich brauche. Ich glaube, die Sommerferienzeit ist eine gute Zeit, um das Loslassen zu üben: eine Zeit ohne Termindruck, eine Zeit der langen Tage mit vielen hellen Stunden bei Tageslicht, und wir brauchen meistens nur leichte Bekleidung und Sandalen. Ich wünsche uns allen, dass wir in dieser Sommerzeit spüren, wie befreiend es sein kann, loszulassen und was für ein Glück es ist, alle Erdenschwere des Alltags hinter sich zu lassen. Zu Dir hin, Gott, hast du uns geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in Dir. Amen. Gebet: Gott, manchmal bin ich müde. Dann sind meine Arme schlaff und meine Beine träge, mein Herz ohne Kraft und meine Seele ohne Antrieb. Wecke mich, Gott, wenn ich müde bin und mein Leben vertrödele. 5
6 Wecke die andere Seite in mir, die ausschreitet und neugierig nach dir sucht, der du Leben schaffst. Sieh mich bitte an, rufe mich zu dir. Wecke die Lust am Leben in mir, dich zu feiern mit Singen und Beten in diesem Gottesdienst. 6
Ich glaube, hinter dem Reisen steckt so etwas wie eine Ursehnsucht.
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