20 Jahre Naturnahe Forstwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Was wurde erreicht?
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- Gisela Hummel
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1 Schwerin, 7. Oktober 2015
2 20 Jahre Naturnahe Forstwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern Was wurde erreicht? Dr. Till Backhaus Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern Schwerin, Oktober
3 Einführung Der Wald in Mecklenburg-Vorpommern umfasst einen Fläche von ha. Mit 24,1% liegt der Waldanteil unter dem Bundesdurchschnitt (32%). Der Wald verteilt sich anteilig auf die Waldbesitzarten: 41 % Landeswald 40 % Privatwald (einschl. Treuhandwald) 10 % Körperschaftswald 9 % Bundeswald Der gesamte Wald des Landes verteilt sich auf ca Waldinseln. Bestimmende Baumarten sind: Kiefer mit 38 % Laubbäume mit niedriger Lebensdauer (i. b. Erle und Birke) mit 21%. Übrige Hauptbaumarten (Eiche, Buche Fichte) besitzen Anteile um 10%. Schwerin, Oktober
4 Allgemeine Wirtschaftsgrundsätze Nach Jahrhunderte langer ungeregelter Waldnutzung bis hin zu Waldverwüstungen setzte vor gut 300 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern die Phase des Wiederaufbaus und der nachhaltigen Nutzung der Wälder ein. Heute gehören die Wälder zu den besonderen Reichtümern des Landes. Ziel der Forstpolitik des Landes ist ein auf der Fläche vorherrschend multifunktionaler Wald, der gleichzeitig und nachhaltig ökonomische, ökologische und soziale Funktionen erfüllt. Das Grundprinzip der Wirtschaft lautet: Bei der Erfüllung einer der genannten Funktionen sollen möglichst viel von den anderen Funktionen mit erfüllt werden = Prinzip der Harmonisierung der Waldfunktionen. Schwerin, Oktober
5 Naturnahe Forstwirtschaft als Schlüssel der Funktionenharmonisierung Die Harmonisierung der Waldfunktionen gelingt nach vorliegenden Erfahrungen am besten mit einer auf Naturnähe ausgerichteten Forstwirtschaft. Der Landeswald wird daher seit dem Jahr 1995 verbindlich nach den Regeln einer Naturnahen Forstwirtschaft bewirtschaftet. Das Programm Naturnahe Forstwirtschaft ist inhaltlich breit angelegt. Es ist dem Grunde nach: ein naturnahes Holzproduktionsprogramm ein Waldnaturschutzkonzept eine Strategie zur Bereitstellung von Infrastrukturleistungen in Form von z. B. Erholung, Trinkwasser oder Lärmschutz. Schwerin, Oktober
6 Die 13 Ziele und Grundsätze Naturnaher Forstwirtschaft in M-V im Überblick (unterstrichene Punkte sind Gegenstand des Vortrages) 1. Wesentliche Erhöhung des Anteils standortgerechter Laubbaumarten 2. Wesentliche Erhöhung des Anteils gemischter und mehrschichtiger Bestände 3. Ausnutzung aller geeigneten Möglichkeiten natürlicher Verjüngung 4. Verbesserung des Waldgefüges 5. Gewährleistung waldverträglicher Wildbestände 6. Beschränkung des Anbaus ursprünglich nicht heimischer Baumarten 7. Waldschutz vorrangig durch mechanische und biologische Maßnahmen 8. Anwendung umweltschonender Maschinen und technischer Verfahren 9. Schutz von Pflanzen- und Tierarten 10. Erhöhung des Altholzanteils und Sicherung von Totholzanteilen 11. Gestaltung und Pflege der Waldränder 12. Einrichtung und Betreuung von Naturwaldreservaten 13. Sicherung der Schutz- und Erholungsfunktionen von Wäldern Schwerin, Oktober
7 Umsetzung Naturnaher Forstwirtschaft erfolgt durch aktuell 20 Richtlinien (Grüner Ordner Band I und II mit den Abschnitten A bis H) Teil A: 5 Richtlinien mit grundsätzlichen Regeln zur Umsetzung einer naturnahen Forstwirtschaft Teile B-E: 8 Richtlinien zur Waldverjüngung und Waldbehandlung Teil F: Teil G: Teil H: 2 Richtlinie zur Walderschließung 3 Richtlinien zum Waldnaturschutz 2 Richtlinien zur Wahrnehmung besonderer Waldfunktionen Schwerin, Oktober
8 Ziel Waldumbau Der Waldumbau ist fachlich gut begründet; er trägt bei zur: Verbesserung von Stabilität und Anpassungsfähigkeit der Wälder (wichtigste Maßnahme zur Waldanpassung an den Klimawandel). Verminderung des Marktrisikos durch Ausweitung des Produktangebotes (Produktdiversifizierung). Förderung der Schutzfunktionen des Waldes (insbesondere Klima-, Wasser- und Naturschutz). Schwerin, Oktober
9 Ziel Waldumbau; Umsetzung 44% 46% 56% 54% Laubbäume Nadelbäume Aktuell (2012) wachsen im Landeswald auf 54 % Nadelbäume und auf 46% Laubbäume (rechte Säule). Von 2002 bis 2012 hat Fläche der Laubbäume um rd ha zugenommen (von 44% auf aktuell 46%). Bei ganz überwiegend guten Waldstandorten (ca. 75% der Standorte sind von mittlerer Nährkraft und besser) werden langfristig 50 bis 55% Laubbäume angestrebt. Unter den Laubbäumen gewinnt die von Natur aus dominierende Buche (würde 70% der Landesfläche einnehmen) am meisten an Fläche dazu (Ist = 16%, Ziel = 21 %). Der Anbau bewährter Nadelbaumarten (i. b. Kiefer, Douglasie, Lärchen- oder Tannenarten) darf nicht vernachlässigt werden (Ist = 54 %, Ziel = 45 bis 50 %). Schwerin, Oktober
10 Ziel Mischwald; Umsetzung Mischwaldprinzip gewinnt angesichts zunehmender Risiken für die Wälder nochmals an Bedeutung. 30% 28% 14% 28% Laubwälder Laub-/Nadelwälder Nadel-/Laubwälder Nadelwälder Erfreulich: Nahezu ¾ der Bestände (Farbe: grün) sind heute bereits Mischwälder. Der Anteil reiner Nadelbaumbestände (Farbe: braun) hat sich von 2002 bis 2012 um rd ha (4 % - Punkte) auf 30 % verringert. Die Umsetzung des Mischwaldprinzips bleibt eine Schwerpunktaufgabe des Waldbaus; dabei sollen künftig sogenannte Nebenbaumarten mehr berücksichtigt werden (z. B. Spitz- u. Feldahorn, Linden, Hainbuche, Flatterulme, Schwarznuss u. a.). Schwerin, Oktober
11 Ziel Verbesserung des Waldgefüges; Umsetzung Bereits heute überwiegen strukturreichere Bestände mit zwei und mehreren Schichten (61%). 39% 61% Der Anteil strukturarmer einschichtiger Bestände hat deutlich abgenommen und liegt aktuell bei 39%. zwei- und mehrschichtig Maßgebliche Gründe hierfür sind: Vermehrte Naturverjüngung sowie bevorzugte Kulturbegründung unter dem Schirm der Altbestände (Vor- und Unterbauten). einschichtig Schwerin, Oktober
12 Ziel Fruchtbarkeit der Böden erhalten; Thema: Energieholznutzung Energie aus Holz steht hoch im Kurs; im Restholz sind aber überproportional viele Nährstoffe (Ca, Mg, K u. a.) gebunden. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Forstlichen Umweltmonitoring zeigen: Mit der Vollbaumutzung (Nutzung aller oberirdischen Baumteile) werden dem Wald erheblich mehr Nährstoffe und Kohlenstoff entzogen als bei herkömmlicher Nutzung. Die Nährstoffnachhaltigkeit auf ärmeren Böden ist bei Vollbaumutzung nicht mehr gewährleistet. Kronenmaterial ist hier eine wichtige Quelle zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit (Nährstoffe und Humus). Konsequenz: Zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und um aufwendige Ausgleichs- und Sanierungsmaßnahmen zu vermeiden, findet auf ärmeren Standorten in der Landesforst keine Vollbaumnutzung mehr statt. Schwerin, Oktober
13 Ziel Bodenschutz; Thema: Holznutzung auf Nassstandorten Nassstandorte nehmen in den Wäldern M-V s mit ha einen sehr hohen Anteil ein (23 % der Waldstandorte). Die meisten verfügen über ein beachtliches Produktionsniveau (z. B. jährlicher Zuwachs der Roterle: > 10 m³/ha). Erforderlich: Speziell auf Nassstandorte ausgerichtete Produktions- und Nutzungstechnik. Die Landesforst hat (tw. in Kooperation mit dem Waldbesitzerverband) 3 Projekte (2010 bis 2014) zur bodenschonenden Holzernte auf nassen Böden durchgeführt. Heute liegen praxisnahe Lösungen bodenschonender Holzernte in Form von Seilkranbringung und vollmechanisierter Verfahren mit Raupenmaschinen vor. Schwerin, Oktober
14 Ziel Schutz und forstliche Nutzung der Moore Intakte Moore sind wichtige Lebensräume vieler spezialisierter Pflanzen- und Tierarten und wichtige Kohlenstoffspeicher. Waldmoore nehmen im Land insgesamt rd ha ein. Die meisten (ca. ¾) sind mehr oder weniger stark entwässert und belasten die Umwelt mit Treibhausgasen. Von 2000 bis 2014 wurden im Sinne des Moorschutzkonzeptes (aus 2000/2009) auf rd ha Waldmoore revitalisiert (ca. 8 % der entwässerten Waldmoorfläche). Die Erstaufforstung wiedervernässter Moore zur Holzproduktion soll nach umfangreicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit (z. B. Projekt AlNUS) gezielt in Angriff genommen werden (Stichwort Paludikulturen). Versuchsfläche Brudersdorf : Erstaufforstung auf wiedervernässtem Moor Schwerin, Oktober
15 Ziel Sicherung von Alt- und Totholz; Thema: Alte Laubwälder Der Erhalt ausreichender Anteile alter Wälder und die Integration von Totholz in den Wirtschaftswald ist für viele Waldarten wichtig. Aktuell nehmen im Landeswald die über 160-järigen Eichen- und Buchenwälder 9 % ihrer Anbaufläche ein. Im Zeitraum von 2002 bis 2003 hat sich ihre Fläche um ha auf aktuell rd ha mit Schwerpunkt in den Nationalparken erhöht. Schwerin, Oktober
16 Ziel Sicherung von Alt- und Totholz; Thema: Altholzinseln Altholzinseln sind 0,2 bis 5 ha große Altbestände, die temporär bis zu ihrem Zerfall nicht genutzt werden. Sie haben sich waldökologisch als sehr effizient und praktikabel zur Alt- und Totholzsicherung im Wirtschaftswald erwiesen. Seit 2002 wurden in den Forstämtern insgesamt Altholzinseln mit einer Fläche von ha ausgewiesen. Die Altholzinseln verfügen aktuell über einen Holzvorrat von m³. Darüber hinaus verbleiben aktuell je Hektar 16,3 m³ Holz zur Sicherung von Totholz in den Wäldern. Schwerin, Oktober
17 Ziel Forschung in Naturwaldreservaten Naturwaldreservate (NWR) dienen der wissenschaftlichen Beobachtung natürlicher Waldentwicklungsprozesse und liefern damit Grundlagen für eine naturnahe Forstwirtschaft. Gleichzeitig übernehmen sie als Prozessschutzwälder Funktionen ungenutzter Wälder. Aktuell existieren 36 Naturwaldreservate mit einer Fläche von insgesamt ha, die vom Forstlichen Versuchswesen der Landesforst wissenschaftlich betreut werden. Nach fast vollständiger Erstinventur liefern Wiederholungsaufnahmen in den Reservaten interessante Einblicke in die Waldentwicklung unter den aktuellen Umweltbedingungen (Herr Gehlhar wird heute hierrüber berichten). Schwerin, Oktober
18 Ziel Forschung in Naturwaldreservaten Thema: Spezialuntersuchungen zur Totholzkäferfauna: Mit Untersuchungen in 25 Naturwaldreservaten bzw. Vergleichsflächen wurden auf dieser geringen Fläche (weniger als 0,2 % der Gesamtwaldfläche) nahezu die die Hälfte aller bisher für M-V nachgewiesenen Käferarten (ca Arten) gefunden. Davon werden mehr als 600 Arten in den aktuellen Roten Listen geführt. Darüber hinaus wurden fast 200 Erst- und Wiederfunde für M-V erbracht. Darunter 24 deutschlandweit besonders seltene, so genannte Urwaldrelikt-Arten. Eledonoprius armatus (Foto: S. Gürlich) Schwerin, Oktober
19 Schlussbemerkungen Der Landeswald wird seit 1995 erfolgreich nach den Regeln einer Naturnahen Forstwirtschaft bewirtschaftet. Nutzen und Schützen finden in dem Konzept gleichermaßen Berücksichtigung und sind auf einen (gesetzlich geforderten) größtmöglichen Gesamtnutzen für die Allgemeinheit ausgerichtet. Die Ergebnisse der 3. Bundeswaldinventur belegen, dass nicht nur im Landeswald, sondern im Gesamtwald des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf hohem ökologischen Niveau und verantwortungsbewusst gewirtschaftet wird. Es bleibt eine stetige Aufgabe die positiven Leistungen unserer Forstwirtschaft mit Fakten der Gesellschaft zu vermitteln, weil diese leider bei zunehmender Entfremdung von der Landnutzung durch einige wenige Interessengruppen leicht zu verunsichern ist. Der Klimawandel stellt für unsere Wälder und die Forstwirtschaft die wohl größte Herausforderung dar. Eine im Kern auf Vielfalt ausgerichtete Naturnahe Forstwirtschaft kann einen wesentlichen Beitrag zur Waldanpassung leisten. Schwerin, Oktober
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Schwerin, Oktober
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