28 INNOVATIONSATLAS OST Katrin Petersen, Projekt managerin bei der BioCon Valley GmbH
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1 28 INNOVATIONSATLAS OST 2010 Katrin Petersen, Projekt managerin bei der BioCon Valley GmbH
2 ERFOLGSGESCHICHTEN AUS MECKLENBURG-VORPOMMERN 29 Süßlupinen und Sicherheit Innovative Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern Das strahlende Gelb der Rapsflächen im Frühling, grüne Wiesen, Kühe und Schafe auf satten Weiden: Das Gesicht Mecklenburg-Vorpommerns wird von der Landwirtschaft geprägt. Die Landwirte sind die Gestalter und Hüter dieser Kulturräume. Sie bewirtschaften und pflegen fast zwei Drittel der Landesfläche und leisten damit auch einen wichtigen Beitrag für das Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern, das jährlich hunderttausende Urlauber an Elbe, Müritz oder Ostseestrand lockt. Die Landwirtschaft hat in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur eine lange Tradition. Mit 2,6 Prozent ist ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes heute rund dreimal so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt (0,9 Prozent). Und: Mecklenburg-Vorpommern hat erkannt, dass die großen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Nordosten Deutschlands weiteres wirtschaftliches Potenzial haben. Neben der herkömmlichen Landwirtschaft spielt heute der Bio-Anbau eine große Rolle. Auf neun Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Mecklenburg-Vorpommern wird heute bereits ökologischer Landbau betrieben. Mit diesem Anteil liegt das Land an der Spitze aller Bundesländer. Auch für den Anbau nachwachsender Rohstoffe werden die Flächen genutzt, u. a. zur Gewinnung von Biokraftstoff, Biogas und festen Brennstoffen. Darüber hinaus werden in Mecklenburg-Vorpommern landwirtschaftliche Innovationen und die Schnittstelle von Agrar- und Ernährungswirtschaft als wichtige Schwerpunkte erachtet, um die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors auch in Zukunft zu sichern und zu verbessern. Mit gezielter Standortpolitik hat das Land deshalb neuartige Konzepte für die wirtschaftliche Nutzung landwirtschaftlicher Flächen unterstützt und kann heute auf nachhaltige Erfolge und Innovationen blicken: Auf der Suche nach einer Möglichkeit der alternativen und zugleich innovativen Nutzung der Agrarflächen in Mecklenburg-Vorpommern stießen Katrin Petersen vom Life-Science-Netzwerk BioCon Valley und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf die einheimische Hülsenfrucht Blaue Lupine. Die Blaue Lupine ist eine relativ anspruchslose Pflanze, deren Saaten hochwertiges pflanzliches Eiweiß enthalten, zudem sind sie kalorienarm und cholesterinfrei. Katrin Petersen knüpfte ein Netzwerk aus Wissenschaftlern, Pflanzenzüchtern, Medizinern, Bauern, Lebensmittelherstellern und Verfahrenstechnikern und initiierte 2006 ein Innovationsforum, das die gesamte Wertschöpfungskette von der Züchtungsfor schung bis zum
3 30 INNOVATIONSATLAS OST 2010 Die Blaue Süßlupine, eine heimische Hülsenfrucht, hat großes Potenzial für die Herstellung gesunder Lebensmittel. Lebensmittelproduzenten an einen Tisch holte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte im Rahmen seiner Innovationsinitiative für die Neuen Länder, Unternehmen Region, die Idee, mit der Blauen Lupine in Mecklenburg-Vorpommern Felder zu bestellen und mit den eiweißreichen Saaten der Pflanze Lebensmittel gesünder zu machen, indem tierische Bestandteile durch eiweißreiche pflanzliche Zutaten ersetzt werden. Die Menschen wollen sich zunehmend bewusst und gesund ernähren und gerade für den Gesundheitstourismus in Mecklenburg-Vorpommern brauchen wir diese Verbindung von intakter Natur und gesunden Nahrungsmitteln, sagt Katrin Petersen. Gleichzeitig haben die Lupinensaaten gegenüber ihren Konkurrenten entscheidende Vorteile in der Verarbeitung und der klimatischen Anpassung an hiesige Bedingungen. Zudem sind sie frei von gentech nischen Veränderungen. Die Blaue Süßlupine als regionale Alternative zur Sojabohne die Bedingungen in Mecklenburg-Vorpommern sind hierfür besonders gut. Große Flächen stehen bereit, um eine einheitliche Qualität in großer Menge zu gewährleisten. Bereits heute wird die Lupine in der Region auf einer Fläche von mehreren tausend Hektar angebaut. In Zukunft soll die Ernte noch besser werden. Das Ziel von Katrin Petersen und ihrem Bündnis ist es, die Bitterstoffe in der Pflanze weiter zu verringern, den Proteingehalt zu erhöhen und die Pflanze im ökologischen Anbau gegen Krankheiten zu kräftigen, um so den Ertrag zu verbessern. Für die Landwirtschaft ist die Pflanze bereits heute ein Gewinn: Sie besitzt die Fähigkeit, mithilfe von Bakterien an den Wurzeln den Stickstoff der Luft in wertvolle Proteine umzuwandeln ganz ohne Dünger. Für die Lebensmittelindustrie wird die Blaue Lupine spätestens mit der Weiterentwicklung der Züchtung noch interessanter werden. Insgesamt vier wichtige Märkte für die hochwertigen Proteine der Blauen Lupine haben die Netzwerkpartner mittlerweile identifiziert: Backwaren, Teigwaren, Fleisch- und Wurstwaren sowie Feinkost. Bio-Supermärkte und Naturkostläden bieten bereits erste Lupinen- Produkte an. Der Verfahrenstechniker und Inhaber der Food Engineering GmbH, Gerhard Kloth, hat das Netzwerk mit aufgebaut. Er will Eiscreme ohne tierische Proteine herstellen, wobei der Proteinersatz aus einer heimischen Pflanze stammen sollte. Für ihn war die BMBF-Förderung des Vorhabens Blaue Lupine der Schlüssel zum Erfolg, denn erst das Netzwerk ermöglicht es uns, das ideale Produkt für die Verarbeitung herzustellen, sagt Kloth. Mittlerweile wurde das
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5 32 INNOVATIONSATLAS OST 2010 Projekt, aus der Blauen Lupine Proteine für die Lebensmittelindustrie zu erzeugen, von Gerhard Kloth, Katrin Petersen und den anderen Initiatoren des Netzwerks gezielt weiterentwickelt. Seit 2010 wird es erneut vom BMBF gefördert: Im Rahmen des Rostocker Innovativen regionalen Wachstumskerns Blaue Lupine Gewinnung biofunktioneller Food Ingredients aus Lupinensaaten für die Lebensmittelindustrie....Kontrolle ist besser! Landwirtschaftliche Innovationen sind auch das Arbeitsgebiet eines anderen, ebenfalls in Rostock angesiedelten Wachstumskerns. Im Gegensatz zur Blauen Lupine beschäftigt sich BioOK allerdings mit Grüner Biotechnologie und mit Zulassungs- und Überwachungsverfahren für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen.
6 ERFOLGSGESCHICHTEN AUS MECKLENBURG-VORPOMMERN 33 Junge Keimlingspflanzen der Blauen Lupine werden für Laboruntersuchungen unter kontrollierten Wachstumsbedingungen im Gewächshaus an gezogen. Dienstleister auf diesem Gebiet in Europa werden. Hierzu züchtet ein Netzwerk aus Wissenschaftlern der Universität Rostock, fünf Unternehmen der Bio-Sicherheitsforschung und einem Steinbeis-Transferzentrum im Umkreis von Groß Lüsewitz neue gentechnisch veränderte Produkte auf Versuchsfeldern und in Gewächshäusern. Diese werden mithilfe innovativer Technologien analysiert, die das Netzwerk in Deutschland einzigartig machen. Ziel von BioOK ist es, die Zulassung und die anbaubegleitende Überwachung von gentechnisch veränderten Produkten (GVP) in ganz Europa durchführen. Vor dem Hintergrund der deutlichen Zunahme des weltweiten Anbaus von gentechnisch veränderten Produkten ist deren gesetzlich vorgeschriebene Risikobewertung ein Wachstumsmarkt mit enormen wirtschaftlichen Chancen. Bis 2014 will BioOK der führende Seit 2005 unterstützt das BMBF den Aufbau dieses Zulassungs- und Überwachungsprozesses für neue agrobiotechnologische Verfahren und damit die wissenschaftlich-technologischen Kompetenzen der Region. Auch das Land steht hinter diesem Versuch, neue Möglichkeiten zur Nutzung der Landwirtschaft zu finden, erklärt Kerstin Schmidt, Initiatorin des BioOK-Netzwerkes: Das Land Mecklenburg-Vorpommern sagt: Wir wollen in unserem Agrarland einen sorgfältigen Umgang mit der Gentechnik sicherstellen und nicht pauschal ja oder nein zu Gentechnik sagen. Für uns stellt sich die Frage, ob es interessante Entwicklungen gibt, die für unsere Landwirte, die einen wesentlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt leisten, wichtig sein könnten?
7 34 INNOVATIONSATLAS OST 2010 Am Anfang steht die Züchtungsforschung: Auswertung der DNA-Muster von Lupinenkeimlingen im Hinblick auf wichtige Pflanzeneigenschaften. Kerstin Schmidt und Inge Broer, Professorin für Agrobiotechnologie der Universität Rostock und Mitinitiatorin von BioOK, erfahren für ihre Sache schon jetzt Anerkennung. Sie wissen, dass sie eine Dienstleistung anbieten, mit der sie eine einmalige und herausragende Stellung erreicht haben. Wenn ich überlege, wo wir hergekommen sind, was hier vorher war, in dieser Region, im Bereich der Zukunftstechnologien, dann bin ich schon stolz. Heute spielen wir weltweit mit, sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich, berichtet Schmidt. Die grüne Biotechnologie hat insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern weiteres Entwicklungspotenzial. Die Technologieprognosen sehen gentechnische Veränderungen von Pflanzen und Tieren als wichtige Treiber von Innovationen. Und Mecklenburg-Vorpommern gilt im Bereich der Pflanzenbiotechnologie als exzellenter wissenschaftlicher Standort; vor allem auch aufgrund der außerordentlich guten Vernetzung der Akteure. Der BioCon- Valley-Verbund ist eine regional etablierte Marke mit mehr als 160 Mitgliedern und auch darüber hinaus existiert eine Vielzahl von Netzwerken und Kooperationsstrukturen das ist die besondere Stärke Mecklenburg-Vorpommerns. Momentan sind viele dieser Cluster außerhalb heimischen Region nur wenig bekannt. Doch wenn die wirtschaftliche und technologische Entwicklung im Bereich der Grünen Biotechnologie ähnlich weitergeht wie bisher und die BioRegionen konsequent vermarktet werden, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich dies in Zukunft ändert. DNA-Fingerprinting von Lupinenpflanzen im Labor des Julius Kühn-Instituts in Groß Lüsewitz.
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