Ingenieurwesen und Technikwissenschaften: Eine Standortbestimmung. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst Schmachtenberg Rektor, RWTH Aachen
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- Jörg Fürst
- vor 6 Jahren
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1 Ingenieurwesen und Technikwissenschaften: Eine Standortbestimmung Rektor, RWTH Aachen
2 Ingenieurwesen und Technikwissenschaften: Haben wir ein richtiges Verständnis der Begriffe? Vorbemerkung: Angeregt durch die Diskussionen in Acatech wie auch durch Diskussionen mit Wissenschaftlern, Berufsverbänden und Studienreformern wuchs für mich die Notwendigkeit, mich mit den Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen. Eine umfassende Positionierung habe ich 2013 publiziert: E. Schmachtenberg: Ingenieurwesen und Technikwissenschaften, Zeitschrift Kunststofftechnik 03/2013, Seite , downloadbar unter Die grundlegenden Aussagen des vorliegenden Vortrags sind in dieser Veröffentlichung hergeleitet. Die Zahlenangaben wurden aktualisiert. 2 von 20
3 Ingenieurwesen und Technikwissenschaften: Haben wir ein richtiges Verständnis der Begriffe? Eine wichtige Setzung: 1. Es gibt den Ingenieurberuf, dieser ist geprägt von einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung und den intuitiven Fähigkeiten des Technikschaffenden. 2. Es gibt das Feld der Technikwissenschaften. (Die DFG sagt dazu immer noch Ingenieurwissenschaften, im Volksmund findet sich auch die scheußliche Form Ingenieurswissenschaften ). Lassen Sie es uns so halten, wie es die Mediziner machen: Dort spricht man über die Lebenswissenschaften und den Arztberuf, also spreche ich von den Technikwissenschaften und dem Ingenieurberuf. 3 von 20
4 Technikwissenschaften Die Technikwissenschaften haben die Aufgabe, die Technik in ihrer Gesamtheit zu beschreiben und zu dokumentieren, sie zugänglich zu machen und fortzuschreiben. Erfassen, Bewerten, Archivieren (Stand der Technik) Bereitstellen und Lehren Forschen (Erarbeitung neuer Erkenntnisse) International haben die Technikwissenschaften nicht die Anerkennung wie andere Wissenschaftsbereiche. Hier hat Zentraleuropa ein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings sind die Technikwissenschaften im Mainstream der anderen Wissenschaften international oft nicht wahrnehmbar (siehe etwa die Entscheidungen der Exzellenzinitiative). 4 von 20
5 Felder der Technikwissenschaften Bauingenieurwesen Maschinenwesen (einschließlich der Werkstoff- und Verfahrenstechnik) Elektrotechnik (mit der Energietechnik und der Nachrichtentechnik) Informationstechnik 5 von 20
6 Institutionen der Technikwissenschaften Forschungseinrichtungen Universitäten Fachhochschulen Sonstige 6 von 20
7 Veränderung in % Institutionen der Technikwissenschaften: Budgetäre Entwicklung der Fraunhofer Gesellschaft Finanzvolumen Mitarbeiter 7 von 20
8 Veränderung in % Institutionen der Technikwissenschaften Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) Budgetentwicklung industrielle Gemeinschaftsforschung (2007: 117 Mio. ) 8 von 20
9 Institutionen der Technikwissenschaften Mittleres jährliches Fördervolumen der DFG Wissenschaftsbereich Förderung (Mio. ) Anteil % Geistes- und Sozialwissenschaften 346,2 15,4 Lebenswissenschaften 737,1 32,8 Naturwissenschaften 476,7 21,2 Ingenieurwissenschaften 447,6 19,9 Weitere Bereiche 241,2 10,7 Insgesamt 2248,8 100,0 9 von 20
10 Institutionen der Technikwissenschaften Vergleich Drittmittel und Fachstudienanfänger/-innen Typ Merkmal Drittmittel/ Professor ( )* Anteil Technik- Studierende** Universität Fachhochschule zur Forschung ausgestattet überwiegend in der Lehre tätig % % * für 2012 ** für WS 2014/15 alle Angaben: 10 von 20
11 Weitere Einrichtungen der Technikwissenschaften Fachwissenschaftliche Vereinigungen Akademien Museen Norm- und Patentwesen Prüfämter 11 von 20
12 Technikforschung Unterschiede: Forschung: Suche nach neuen Erkenntnissen! Entwicklung: Umsetzung des Standes der Erkenntnisse in neue Produkte, Prozesse etc.! Forschung ist das methodisch geleitete systematische Suchen nach neuen Erkenntnissen. Forschung baut auf dem gesicherten Stand des Wissens auf! Das Ergebnis von Forschung ist nicht vorhersehbar! Die ertragreiche Forschung liegt meist an den Rändern der Disziplinen! Technikforschung befasst sich oft mit dem Verhalten großer Systeme! 12 von 20
13 Methoden der Technikforschung Modellbildung Experiment Zur Analyse und Synthese von Wirkprinzipien Hermeneutische Methoden zur Verifizierung von Erfahrungswissen Sozialwissenschaftliche Methoden im Wechselfeld Mensch und Technik 13 von 20
14 Relevanz der Technikforschung Ziel der Technikforschung: Neue und verbesserte Technik (Anwendungsbezug) Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit der Industrie: Relevante Fragestellungen für die Technikforschung erfassen! 14 von 20
15 Ingenieurwesen Das Ingenieurwesen ist der Berufsstand derer, die Technik wissenschaftsbasiert entwickeln und zur Anwendung bringen. Historische Entwicklung: Vom erfahrungsbasierten Berufsbild (Handwerk) zum wissenschaftsbasierten Berufsbild. Heute: 50% eines Jahrgangs durchlaufen eine akademische Bildung, dabei sind zahlreiche angehende Ingenieure (Wintersemester 2014/15: Neueinschreibungen in den Ingenieurwissenschaften bei Neueinschreibungen insgesamt). 15 von 20
16 Berufsbild Ingenieur Methodenkompetenz (Mathematik, Naturwissenschaft, Technik) Anwendungskompetenz (Erfahrung bei Entwicklung von Produkt, Produktionstechnologie und Einsatz von Technik) Technik entwickelt sich evolutionär, in großen Gewerben Spezialisierung, langjähriger Erfolg, Befähigung zur Zusammenarbeit Beherrschung von Technik beruht oft auf Erfahrung, nur selten auf vollständiger Beschreibung aller Wirkzusammenhänge von Technik Technik wird häufig von Ingenieuren erfunden, patentiert, genormt, bevor sie zum Gegenstand von Forschung wird. 16 von 20
17 Ausbildung der Ingenieure Universität Fachhochschule Ausbildung Dr.-Ing. (zur Forschung befähigt) stärker technikwissenschaftlich orientiert stärker auf den Ingenieurberuf orientiert Master Bachelor (1. berufsqualifizierender Abschluss) 17 von 20
18 Daten zum Ingenieurberuf in Deutschland (VDI) Werktätige mit Ingenieurausbildung: Stand 2005: 1,39 Mio. Stand 2011: 1,66 Mio. Zuwachs : ca. 19 % Ingenieurlücke 1. Quartal 2015: Arbeitssuchende: Offene Stellen: Ingenieurlücke: von 20
19 Fazit Im jeweiligen Feld der Technik gilt zu unterscheiden zwischen: Technikwissenschaftler Sicheres Beherrschen der Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens Befähigung zum Forschen und Lehren Ingenieur Sicheres Beherrschen des Standes der Technik Befähigung zur Entwicklung und Betrieb von Technik was nicht bedeuten soll: Ein guter Technikwissenschaftler könnte kein guter Ingenieur sein! (und umgekehrt) 19 von 20
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Univ.-Prof. Dr.- Ing. Ernst Schmachtenberg
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