Zuerst hatte ich Angst, dass sie mir das Geld nicht geben würden, aber die Bankangestellte sah mich nicht mal schief an. Ich kam mir unheimlich reich
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- Kristin Zimmermann
- vor 6 Jahren
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2 Zuerst hatte ich Angst, dass sie mir das Geld nicht geben würden, aber die Bankangestellte sah mich nicht mal schief an. Ich kam mir unheimlich reich vor. Und erwachsen. Was könnte ich mit dem Geld alles kaufen! Shoppen gehen, ein paar Markenjeans und die coole Tasche für 150 Euro. Sogar ein eigener Fernseher für mein Zimmer wäre drin. Aber ich blieb standhaft und gab nichts aus. Es war das Geld für die Band unsere Wienreise. Mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Ich stellte mir die Gesichter von David, Vincent und Lena vor. Und Timo. Der würde vor Freude ausflippen. So konnte er beides haben. Wien und mich. Ich überlegte, die Sportstunden am Nachmittag zu schwänzen und gleich zum Proberaum zu gehen. Aber die Kessler, unsere Sportlehrerin, verstand keinen Spaß und ich hatte in den letzten drei Monaten
3 schon zweimal unentschuldigt gefehlt. Sie hatte mir angedroht, meine Mutter vorzuladen, wenn ich noch einmal ohne triftigen Grund fernblieb. Als ob Schulsport so wichtig wäre!»hopp, hopp, meine Damen!«, rief die Kessler in regelmäßigen Abständen, um uns beim Zirkeltraining anzufeuern. Na, die hatte gut reden. Sie stand ja bloß rum, während wir uns abkämpften. Immerhin durften wir uns für die letzte halbe Stunde aussuchen, was wir spielen wollten. Die Mehrheit entschied sich für Volleyball. Das war okay. In Volleyball war ich gut. Lena und ich kamen in dieselbe Mannschaft und dreimal schnappte ich ihr den Ball vor der Nase weg.»zicke«, fauchte sie mir ins Ohr.»Selber«, zischte ich zurück.»und ich fahre mit nach Wien. Du wirst schon sehen. Von dir lass ich mir gar nichts verbieten.«
4 Kessler pfiff das Spiel ab und ich beeilte mich in der Dusche. Bis die Letzten aus der Halle kamen, war ich bereits fertig. Ich war schon unterwegs zum Proberaum, als mein Handy klingelte. Eine mir unbekannte Festnetznummer erschien auf dem Display.»Hallo?«, meldete ich mich.»corinna?«jemand schluchzte ins Telefon.»Ja?Bitte du kannst du herkommen?«schluchzen und Nasehochziehen. Angie. Ja, klar. Das war Angie. Sie war früher Vincents Freundin gewesen, bis der mit ihr Schluss gemacht hatte. Ich hatte sie damals getröstet, seither klammerte sie ein wenig und glaubte wahrscheinlich, ich wäre ihre beste Freundin. Sie war zwar nett und alles, aber so richtig viel hatten wir eigentlich nicht miteinander zu tun. Aber nachdem mit
5 Vincent Schluss war, tat sie mir irgendwie leid und ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Also telefonierten wir ab und zu oder standen wie heute in der Pause zusammen. Seit einem Monat war sie mit Bastian zusammen, der in Timos Klasse ging. Und jetzt heulte sie mir am Telefon die Ohren voll und ich verstand nicht einmal, worum es ging. Nur, dass ich zu ihr kommen sollte und das, wie es aussah, gleich. Ich seufzte, dachte an Timo, die Band und das Geld. Egal, es war nicht schlimm, wenn sie einen Tag länger warten mussten. Dann sollten sie noch ein wenig schmoren. Jetzt brauchte mich Angie mehr.»also gut, ich bin in zehn Minuten da.«angie wohnte, seit ihre Eltern sich getrennt hatten, in einem dreistöckigen Backsteinbau. Ich fand die roten Ziegel viel schicker als die grauen Fassaden in unserer
6 Neubausiedlung. Überhaupt würde ich viel lieber hier in der Stadt leben als in Kleinhardstetten. Bei uns gab es nichts. Tote Hose. Wenn ich volljährig war, würde ich nach Graz ziehen. Oder gleich nach Wien. Ich klingelte und gleich darauf ertönte das Summen des Türöffners. Angies Wohnung lag im ersten Stock, sodass ich die Treppe nahm. Als ich oben ankam, stand sie schon in der offenen Tür. Ihre Augen waren total verquollen, die Wimperntusche verschmiert. Sie trug einen ausgeblichenen, schlabberigen Kapuzenpulli. Dabei war sie sonst so etepetete, was Klamotten anging. Sie umarmte mich heftig.»danke, dass du da bist.«ich tätschelte ihren Rücken und sagte:»schon gut, ich wollte mit der Band diese Wienreise noch mal besprechen, aber jetzt müssen die anderen halt bis morgen warten.
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