abgebrochenen Horn «Und dann weiß man wieder, wann es war. Zeit? Was ist das schon? Seit ich beginne, Afrika zu verstehen, wird mir bewusst, wie sehr

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2 abgebrochenen Horn «Und dann weiß man wieder, wann es war. Zeit? Was ist das schon? Seit ich beginne, Afrika zu verstehen, wird mir bewusst, wie sehr ich zum Sklaven dieses Begriffs geworden bin. Wie oft hatte ich gesagt,»dazu habe ich keine Zeit«, oder»so lange kann ich nicht warten«. Oder in Paris: Das Telefon klingelt, und die Stimme eines Freundes sagt:»es ist eine sehr wichtige Sache. Bitte sei um 1 Uhr bei Fouquet.«Wenn dann auf dem Wege dahin das Taxi, in den Strom anderer Fahrzeuge eingekeilt, nicht vorankommt und das Hupkonzert ringsum ohrenbetäubend wird, kriecht Nervosität in mir hoch. Ich werde 10 Minuten zu spät kommen! Und hier? Wenn ein Farmer den anderen in Arusha auf der Straße trifft und sagt:»lass dich mal wieder sehen«, dann meint der andere:»gut, ich komme vorbei, irgendwann in diesen

3 Tagen.«In Afrika gleicht die Zeit der Landschaft. Beide strecken sich vor mir aus, so weit mein Auge reicht. Rashidi Der junge Afrikaner, der mein Zelt versorgt, heißt Rashidi. Wenn er mir morgens um fünf die Kanne mit dem dampfenden Tee bringt, singt er auf dem Wege vom Koch bis zu mir so laut, als gäbe es nur ihn auf der Welt. Kurz vor dem Zelt bleibt er stehen und ruft fragend»hodi?«(kann ich reinkommen?) Und wenn er abends die Whiskyflasche mit dem kleinen Eiskübel, den Gläsern und dem Sodawasser neben meiner Gaslampe auf dem Klapptisch vor dem Zelt abgestellt hat und sein Tagewerk damit beendet ist, verabschiedet er sich mit

4 den Worten»Lala Salaama, Bwana«(Friedlichen Schlaf, mein Herr). Rashidi ist Mohammedaner. Er stammt aus den Usambara-Bergen, östlich von hier, unweit des Indischen Ozeans. Sein Vater war Beamter bei der Kaiserlichen Post, damals, als Tanganjika noch deutsche Kolonie war und Deutsch-Ostafrika hieß. Nach der Kapitulation der Schutztruppe unter Lettow- Vorbeck zog sich der kaiserliche Postbeamte ins Privatleben zurück und erwarb von seinen Ersparnissen ein Stück Land, begann es zu roden und zu bebauen, gründete eine Familie und hatte somit seine»boma«. Allah erlaubte ihm, noch so lange zu leben, bis seine beiden Töchter verheiratet waren, wodurch die Zahl der Kühe, Schafe und Ziegen in seiner Boma beträchtlich wuchs. (Bei allen Stämmen, die ich bisher in Tanganjika kennen gelernt habe, ist es üblich, dass die heiratsfähigen Töchter

5 durch den Bräutigam käuflich erworben werden. Schönheit oder Liebreiz spielen dabei keine Rolle. Ein Mädchen muss gesund und kräftig sein, Kinder gebären und gut arbeiten können. Dann erzielt es einen hohen Preis.) Vor einigen Jahren war Mzee, Rashidis Vater, gestorben. Das Land wurde unter den vier Söhnen aufgeteilt. Rashidi tat das, was viele andere seines Stammes auch getan hätten: Er kaufte sich mit einem Teil der ererbten Kühe eine Frau und überließ ihr die Bewirtschaftung seiner kleinen Shamba (Farm). Er selber aber zog aus, um Geld zu verdienen. Zunächst als Koch und Hausgehilfe bei einem Farmer, dann bei einem White Hunter und nun hier bei der Paramount. Wenn der Film abgedreht ist, will Rashidi für eine Weile nach Usambara zurückkehren.

6 Zu seinem völligen Glück fehlen nur noch Kinder. Also muss er nach Hause. Sobald ihm seine Frau berichten wird, dass sie schwanger ist, wird er sich eine zweite Frau kaufen. (»Wozu glaubst du, Bwana, habe ich so lange gearbeitet und mir all die Shillings gespart?«) Ich malte mir aus, was wohl geschehen würde, wenn ich mit einer zweiten Frau nach Hause käme, und fragte Rashidi:»Und was sagt deine erste Frau dazu, wenn du mit der zweiten in die Boma kommst?«lange Zeit schien er angestrengt nachzudenken. Schließlich antwortete er mit jener Höflichkeit, die nur dem Nichtverstehen entspringen kann:»gar nichts wird sie sagen. Froh wird sie sein.«(liebe, Eifersucht, Treue. Bis dass der Tod euch scheidet. Absteigequartiere für verheiratete Handlungsreisende und Konferenzteilnehmer. Die offizielle