Martin Fitzenreiter, Christian E. Loeben, Dietrich Raue und Uta Wallenstein (Herausgeber) Gegossene Götter

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1 Martin Fitzenreiter, Christian E. Loeben, Dietrich Raue und Uta Wallenstein (Herausgeber) Gegossene Götter

2 GEGOSSENE GÖTTER METALLHANDWERK UND MASSENPRODUKTION IM ALTEN ÄGYPTEN herausgegeben von Martin Fitzenreiter, Christian E. Loeben, Dietrich Raue und Uta Wallenstein Mit Beiträgen von Johannes Auenmüller, Christian Bayer, Martin Fitzenreiter, Norbert Franken, Tobias Gutmann, Dietrich Klemm, Rosemarie Klemm, Kristin Knebel, Katharina Krügel, Robert Lehmann, Christian E. Loeben, Ludwig D. Morenz, Margarete Oppel, Stephan Patscher, Britta Rabe, Dietrich Raue, Marie Schulze, Anne Viola Siebert, Uta Wallenstein und Joachim Werren Verlag Marie Leidorf GmbH Rahden/Westf. 2014

3 ???? Seiten mit???? Abbildungen Der Katalog wurde gefördert durch Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Fitzenreiter, Martin ; Loeben, Christian E. ; Raue, Dietrich ; Wallenstein, Uta (Hrsg.): Gegossene Götter ; Metallhandwerk und Massenproduktion im Alten Ägypten / hrsg. von Martin Fitzenreiter.... Rahden/Westf. : Leidorf, 2014 ISBN Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Alle Rechte vorbehalten 2014 Verlag Marie Leidorf GmbH Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65, D Rahden/Westf. Tel.: +49/(0)5771/ , Fax: +49/(0)5771/ info@vml.de, Internet: ISBN Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, Internet oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Erschienen anlässlich der Ausstellung Gegossene Götter Metallhandwerk und Massenproduktion im Alten Ägypten Ägyptisches Museum der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn vom 23. Oktober 2014 bis 8. März 2015 Museum August Kestner, Hannover vom 26. März 2015 bis 26. Juli 2015 Herzogliches Museum, Stiftung Schloss Friedenstein Gotha vom 16. August 2015 bis 15. November 2015 Ägyptisches Museum Georg Steindorff der Universität Leipzig vom 10. Dezember 2015 bis 29. Mai 2016 Idee: Martin Fitzenreiter und Christian E. Loeben Konzept: Johannes Auenmüller, Martin Fitzenreiter, Christian E. Loeben, Dietrich Raue, Uta Wallenstein Redaktion: Christian E. Loeben Satz und Layout: Enns Schrift & Bild GmbH, Bielefeld Druck und Produktion: druckhaus köthen GmbH & Co. KG, Köthen

4 Inhalt Zum Geleit Staatssekretär Joachim Werren, Generalsekretär der Stiftung Niedersachsen Vorwort Martin Fitzenreiter, Christian E. Loeben, Dietrich Raue, Uta Wallenstein GRUNDLAGEN Metall und Kultur Eine kurze Geschichte der thermischen Revolution Martin Fitzenreiter Metalle und ihre Verwendung im pharaonischen Ägypten Johannes Auenmüller Wertschätzung und Bedarf. Überlegungen zum Verhältnis von Kupfer und Türkis und dem darum gestrickten kulturellen Bedeutungsgewebe im Südwest-Sinai Ludwig Morenz und Tobias Gutmann Zu Vorkommen von Zinn in Ägypten Rosemarie und Dietrich Klemm TECHNIKEN Verfahren der Massenreproduktion im Alten Ägypten Christian E. Loeben Kunstguss im pharaonischen Ägypten Martin Fitzenreiter Das Wachsausschmelzverfahren Martin Fitzenreiter OBJEKTKOMPLEXE UND DEREN UNTERSUCHUNGEN Grabungsfunde von der Qubbet el-hawa im Ägyptischen Museum, Bonn Eine Gusswerkstatt auf der Qubbet el-hawa? Johannes Auenmüller und Martin Fitzenreiter Die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen Johannes Auenmüller Die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren Johannes Auenmüller 5

5 Model für Wachsfiguren und Bronzen im Museum August Kestner, Hannover Bronzeguss virtuell: 3D-Erfassung von Gipsmodeln im Museum August Kestner Britta Rabe Alte und neue Analyseverfahren an den Bronzen des Museum August Kestner und was sie uns verraten Marie Schulze und Robert Lehmann Die Ständeruntersätze und Schalen aus Aniba (Grab S91) im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig Neue Untersuchungen in Mainz Stephan Patscher und Dietrich Raue ÄGYPTISCHE BRONZE-OBJEKTE Motive ägyptischer figürlicher Kleinbronzen Martin Fitzenreiter Funktion und Kontext ägyptischer Kleinbronzen Martin Fitzenreiter Ägyptische Bronzen in Nubien Dietrich Raue ÄGYPTISCHE BRONZEN FRÜHE REZEPTION IN EUROPA Ägyptische Bronzen als Sammlerstücke und Studienobjekte im neuzeitlichen Europa Uta Wallenstein Aegyptiaca und ägyptische Bronzen am Gothaer Hof Uta Wallenstein Von egyptischen kleinen Götzenbildern und Metallfiguren früherer und späterer Zeit Aegyptiaca und Altes Ägypten bei Johann Wolfgang von Goethe Katharina Krügel KATALOG DER OBJEKTE I. Ägyptisches Museum der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn Martin Fitzenreiter Kat. I.1-I Johannes Auenmüller II. Museum August Kestner, Hannover Christian E. Loeben Kat. II.1-II Christian E. Loeben mit einem Beitrag von Norbert Franken und Anne Viola Siebert 6

6 III. Stiftung Niedersachsen, Hannover Sammlung Pelling/Zarnitz Joachim Werren Kat. III.1-III Christian E. Loeben IV. Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim Christian Bayer Kat. IV.1-IV Christian Bayer V. Ägyptisches Museum Georg Steindorff der Universität Leipzig Dietrich Raue Kat. V.1-V Dietrich Raue VI. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha: Herzogliches Museum Uta Wallenstein Kat. VI.1-VI Uta Wallenstein VII. Klassik Stiftung Weimar: Goethe-Nationalmuseum Katharina Krügel Kat. VII.1-VII Kristin Knebel mit einem Beitrag von Margarete Oppel 7

7 Grabungsfunde von der Qubbet el-hawa im Ägyptischen Museum, Bonn Eine Gusswerkstatt auf der Qubbet el-hawa? Johannes Auenmüller und Martin Fitzenreiter Im Rahmen der Bonner archäologischen Arbeiten auf der Felsgräbernekropole der Qubbet el-hawa wurde 1969 im Bereich der Grabanlage QH 207 eine größere Anzahl Artefakte geborgen, die als Überreste einer ältägyptischen Gusswerkstatt anzusehen sind (Kat. I.1-I.41). Es handelt sich dabei um Modeln mit Negativformen für die Herstellung von Wachsmodellen, um Wachsmodelle kleiner Götterstatuetten, Fehlgüsse in ihrer Gussform, um bereits zum Teil freigelegte Güsse mit Resten der Gussform, um nicht freigelegte, aber bereits mit Bronze ausgegossene Gussformen und um offenbar gar nicht zum Guss gelangte, das heißt leere Gussformen sowie einige weitere Objekte, die mit der Herstellung von Götterfiguren aus Holz und Fayence in Zusammenhang gebracht werden können. Dieses Konvolut ist für das Alte Ägypten bislang singulär und stellt auch im Horizont der antiken Gusstechnik eine äußerst bedeutende Quelle dar. Ziel eines an der Universität Bonn laufenden Projektes ist es, die in Bonn aufbewahrten Materialien aus diesem Depot ausführlich zu untersuchen, zu konservieren und zu publizieren. Das Projekt wird in Kooperation mit dem LVR-Landesmuseum Bonn (Prof. Dr. Michael Schmauder und Frank Willer) durchgeführt und von der Fritz-Thyssen-Stiftung für Wissenschaftsförderung finanziert. Durch die Kooperation mit mehreren Forschungseinrichtungen konnten hochinteressante neue Erkenntnisse zur antiken Gusstechnik ge - wonnen werden (siehe unten). Der Grabungsplatz Die Qubbet el-hawa ( Kuppel der Winde ) ist ein gewaltiger Felshügel auf dem Westufer des Nils gegenüber der modernen Stadt Assuan am 1. Katarakt (Abb. 1). 1 Hier befinden sich die Grabanlagen von hochstehenden Persönlichkeiten, die in der auf der Nilinsel Elephantine gelegenen Festung und Stadt lebten. Seit dem späten Alten Reich wurden Grabkapellen und Schachtgräber in das Felsmassiv geschlagen, unter ihnen die Grabanlagen so bekannter Persönlichkeiten wie der Expeditionsleiter Sabni und Mechu und des später als lokalen Heiligen verehrten Pepinacht-Hekaib aus dem Alten Reich sowie der Gouverneure Sarenput I. und II. aus dem Mittleren Reich. Auch im Neuen 1 L. D. Morenz, M. Höveler-Müller, A. El Hawary (Hrsg.): Zwischen den Welten. Grabfunde von Ägyptens Südgrenze. Rahden/Westf

8 Abb. 1: Die Felsgräbernekropole der Qubbet el-hawa Reich wurde die Nekropole von der lokalen Elite belegt. Im 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung (v.u.z.) ist es nicht nur in der Region von Assuan, sondern in ganz Ägypten üblich, ältere Grabanlagen wieder zu benutzen. So fand man auf der Qubbet el-hawa Dutzende von spätzeitlichen Bestattungen mit den für diese Zeit typischen und umfangreichen Beigabenensembles, zum Teil in reich dekorierten Särgen und mit vergoldeten Mumienmasken ausgestattet, die in den Felskapellen der älteren Zeit zum Teil bis unter die Decke gestapelt waren. Zwischen 1959 und 1984 führte das Ägyptologische Seminar der Universität Bonn unter der Leitung von Professor Elmar Edel ( ) in über zwanzig Kampagnen Reinigungsarbeiten und Ausgrabungen auf der Qubbet el-hawa durch. Die Anlagen wurden während der Arbeiten mit dem Kürzel QH (für Qubbet el-hawa ) versehen und fortlaufend nummeriert. Die damals noch praktizierte Fundteilung ermöglichte es, dass mehr als 1000 Fundstücke aus insgesamt 25 Gräbern von Assuan nach Bonn gelangten. Heute besitzt das Ägyptische Museum der Universität Bonn die weltweit größte Sammlung von Objekten aus dieser Nekropole außerhalb Ägyptens. Das Grab QH 207 (Sobek-hotep und Ii-schema) Das Grab QH 207 wurde 1963 entdeckt und 1969 vollständig ausgegraben und dokumentiert. Es liegt an der Ostspitze der Qubbet el-hawa in der untersten der drei Felsgräberreihen in einem Bereich, der durch eine Agglomeration von Felsgrabanlagen des späten Alten Reiches charakterisiert ist (Abb. 2). Vor der Anlage QH 207 befindet sich ein in den Fels gearbeiteter Hof, von dem noch weitere Grabanlagen des Alten Reiches und der Ersten Zwischenzeit abgehen; die Nord- und Südseite des Hofes diente im Mittleren 102

9 Abb. 2: Plan der Felsgräber an der Ostspitze der Qubbet el-hawa um QH 207 Reich als Bestattungsplatz, aus dem Neuen Reich kennt man von hier keine Grablegen. Die in den Fels geschlagene Anlage mit der Nummer 207 weist eine nahezu quadratische Kultkammer von etwa 20 m² Grundfläche mit zwei Pfeilern und vier Grabschächten auf, die zu insgesamt acht Sargkammern führen. Die Anlage wurde nach Ausweis der Architektur und der epigrafischen Befunde in der späten 6. Dynastie in der Regierungszeit Pepis II. (um 2250 v.u.z.) angelegt; die wenigen ikonografischen Hinweise nennen ein Großes Oberhaupt des Königs Sobek-hotep als Grabherrn, aber auch ein Höfling Ii-schema, der Set-ka genannt wurde, scheint in QH 207 opferempfangsberechtigt gewesen zu sein, da er eine eigene Scheintür besaß. Das Besondere an dieser Anlage war die ungestört vorgefundene Situation von zwölf Bestattungen aus der Spätzeit ( v.u.z.) in der Kultkammer, die auf einer mächtigen Sandschicht lagen (Abb. 3). Die Kultkammer wurde dabei für die sukzessiven Grablegen durch Trockensteinmauern in vier Räume unterteilt. Die Ausstattung der Gräber entspricht mit stuckierten und bemalten Holzsärgen, Kanopenkästen, Mumienmasken und -auflagen, Ushebtis, Schmuck, Amuletten und Ptah-Sokar-Osiris-Statuetten dem be - kannten Muster des 5. Jahrhunderts v.chr. Insgesamt sind 75 Fundnummern aus diesem Grab in Bonn gelistet, sie stammen zum überwiegenden Teil aus den spätzeitlichen Kultkammerbestattungen, aus der Füllung des Schachtes I und aus der Sargkammer des Schachtes II. Ein einzigartiges Konvolut stellen die bereits erwähnten Objekte einer kunsthandwerklichen Werkstatt dar, die so überhaupt nicht zum Beigabenmaterial gehören, das üblicherweise in einer Bestattung dieser Periode zu erwarten wäre. 2 Auch wenn die genaue Fundlage der Objekte nicht gesichert 2 E, Edel, K.-J. Seyfried, G. Vieler: Die Felsgräbernekropole der Qubbet el-hawa bei Assuan. I. Abteilung, Band 3. Paderborn u.a. 2008,

10 Abb. 2: Die Kultkammer von QH 207 mit den Bestattungen der Spätzeit ist, so stammen einige von ihnen jedoch mit Sicherheit aus einem größeren Keramikgefäß, dass im Bereich der allerletzten, d.h. jüngsten Bestattung in QH 207 (Begräbnis 1), neben dem Sarg am Ende des ersten von Trockensteinmauern eingefassten Raumes abgestellt war. Bei diesem Gefäß handelt es sich um eine Flasche mit zylindrischem Hals, der zwei charakteristische Wülste zeigt. Dieser Typ ist u.a. gut aus den spätsaitischen und frühperserzeitlichen Schachtgrabanlagen aus der memphitischen Nekropole in Abusir bekannt. In Verbindung mit anderen keramischen Formen aus QH 207 und 104

11 dem funerären Beigabenensemble lässt sich die Bestattung und damit die Deponierung des kunsthandwerklichen Konvolutes relativ genau in die Zeit der 26. Dynastie im Übergang zur ersten Perserzeit (27. Dynastie, um v.u.z.) datieren. Beigabe, Depot oder Gießerei? Aufgrund der seltenen archäologischen Befunde von Werkstätten ist die antike Bronzegusstechnik Ägyptens bisher noch kaum erforscht. Die meisten der bis heute vorliegenden Erkenntnisse beruhen auf der Untersuchung von vollendeten Bronzeobjekten oder auf Analogieschlüssen aus dem Belegmaterial anderer antiker Kulturen des Mittelmeerraumes. Zusammen mit Ergebnissen ethnoarchäologischer Forschung und der Beobachtung rezenter Gusstechniken sind Grundfragen der Herstellungstechnik und der Gestaltung von Objekten aus Kupferlegierungen einigermaßen gut bekannt. Aus der Untersuchung von Bronzeobjekten konnten einschlägige Erkenntnisse insbesondere zur Endfertigung am Gussstück (Kaltarbeit) gesammelt werden (s.o.). Sehr viel schlechter ist es hingegen um die Erforschung der speziellen Etappe der Umwandlung eines in Wachs geformten Gussmodells in ein metallenes Objekt bestellt. Da dieser Zwischenschritt regelhaft die Zerstörung sowohl des Modells (Wachsausschmelzverfahren) als auch der Form (Guss in verlorene Form) impliziert, sind Belege und Quellen äußerst rar. Die verwendeten Gussformen, ihre Herstellungstechniken und Materialien sind aus diesem Gund bisher so gut wie unbekannt. Dies gilt ebenso für Wachsmodelle, die speziell zur Verwendung als Gussmodelle angefertigt wurden, ihre Bestandteile und das genaue Verfahren ihrer Herstellung. Die geringe Kenntnis über den Herstellungsprozess von Gussobjekten beruht auch darauf, dass sich entsprechende Werkstätten im weiteren Siedlungsumfeld befunden haben und heute archäologisch nicht mehr greifbar sind. Ausnahmen bilden industrielle Zonen, wie man sie etwa in der bald nach der Gründung verlassenen Stadt Achet-Aton (Tell el-amarna) gefunden hat. 3 Diese Belege zeigen wiederum, dass derartige Anlagen der Stoffumwandlung ganz allgemein Keramiköfen, Anlagen zur Glasproduktion, Gießereien oft relativ klein waren und nur kurzzeitig betrieben wurden, was wieder ihre archäologische Sichtbarkeit beeinträchtigt. Um so überraschender ist es, dass ausgerechnet auf einem Friedhof eine Gruppe von Gegenständen gefunden wurde, welche praktisch alle Etappen des Wachsausschmelzverfahrens abbilden von der Negativform über das Wachsmodell, der Gussform bis zum fertigen Guss. Eine Interpretation des Konvolutes als funerär geprägtes Beigabenensemble erscheint jedoch äußerst fraglich. Während im 3. und 2. Jahrtausend v.u.z. durchaus gelegentlich Gegenstände aus dem Lebensumfeld der Bestatteten zum Beigabeninventar gehören können (neben Objekten, die im tatsächlichen Alltagsgebrauch waren, insbesondere solche, die einen bestimmten Status markieren), ist dies im 1. Jahrtausend v.u.z. absolut unüblich. Der nun als Osiris aufgefasste Tote wird ganz bewußt aus seiner irdischen Erscheinungsform in die 3 P. Nicholson: Industrial archaeology at Amarna. In: Egyptian Archaeology 7 (1995)

12 einer jenseitigen Sakralentität überführt; Aspekte seines diesseitlichen Status spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Und wer außer seinem ärgsten Feind würde einem Kunstgießer auch ausgerechnet eine Sammlung seiner schönsten Fehlgüsse mit ins Grab geben? Denkbar ist, dass die Objekte etwa analog zu den sogenannten Votiven aus Tierfriedhöfen hier an einem liminalen, die Verbindung zum sakralen Jenseits ermöglichenden Platz niedergelegt wurden (siehe Kap. Funktion und Kontext ägyptischer Kleinbronzen). Damit würde es sich um ein Depot handeln, in dem sakral wirksame Objekte unabhängig von einer bestimmten Bestattung abgelegt wurden. Da es sich jedoch um Fehlgüsse und halbfertige Objekte handelt, ist die Deponierung im Sinne von mit Heilserwartungen verbundenen Ritulen unwahrscheinlich. Eher könnte es sich um die Deponierung von durch die Form (Götter) und das Material sakralisierten Abfällen handeln, die man nicht an profaner Stelle entsorgen konnte. Die Deponierung ausgedienter Sakralgeräte darunter vieler Bronzen in sogenannten Cachettes im Tempelbereich ist andernorts gut belegt. Man hätte also nicht mehr benötigte Objekte aus einer Werkstatt zur Herstellung von Sakralobjekten neben Bronzen gehören auch hölzerne Gegenstände und eventuell auch solche aus ägyptischer Fayence zu dem Konvolut kurz vor dem endgültigen Verschluss der Bestattungsanlage hier mit vermauert. Verwunderlich bleibt dann aber doch, warum man nicht wie sonst sicher üblich die Fehlgüsse wieder dem Materialkreislauf zugeführt hat und warum selbst hohle Gussformen so stark sakral kontaminiert waren, dass man sie gesondert verwahren musste. Zuletzt ist es daher auch möglich, im weiteren oder näheren Umfeld der Grabanlage eine, vielleicht nur temporär betriebene, Werkstatt zu vermuten. Der Bereich um QH 207 liegt an einer exponierten Stelle, so dass an der Felskante entlangziehende Aufwinde, die vorhandenen Felsräume und Höfe sowie die mittelbare Entfernung zur Siedlung das Gelände durchaus als idealen Ort für Werkstätten der Metallverarbeitung erscheinen lassen. Man könnte daher vermuten, dass im Hofbereich von QH 207 oder seiner Umgebung für eine kurze Zeit eine Schmelzanlage eingerichtet wurde. Dabei vorgefallene Fehlgüsse wurden teilweise in einem Topf gesammelt und im damals noch offenen Zugangsbereich zur bereits als Bestattungskammer genutzen Felskapelle abgestellt, vergessen und schließlich nach der letzten Bestattung mit vermauert. Abgesehen von dem sehr anekdotischen Charakter dieses Szenarios bleibt als Problem, dass sich im Hofbereich keinerlei Spuren einer kleinen Giesserei gefunden haben. Neben einer Feuerstelle würde man vor allem Bruchstücke von Tiegeln und Blasrohrpfeifen erwarten, wie sie von anderen Fundplätzen der Metallverarbeitung gut belegt sind. Wie dem auch sei, dass das Konvolut überhaupt erhalten blieb, ist ein großes Glück für die Archäologie. Und es liegt wohl auch daran, dass der Ort der Bewahrung so ein ungewöhnlicher ist. 106