SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss
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- Kristin Weber
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1 Az.: 2 B 45/11 3 L 526/10 Ausfertigung SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache des Herrn prozessbevollmächtigt: Rechtsanwaltssozietät - Antragsteller - - Beschwerdegegner - gegen den Freistaat Sachsen vertreten durch - Antragsgegner - - Beschwerdeführer - wegen Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Widerruf (LB) Antrag auf 80 Abs. 5 VwGO hier: Beschwerde
2 2 hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn am 20. Juli 2011 beschlossen: Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 18. Februar L 526/10 - geändert. Der Antrag des Antragsstellers wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.087,40 festgesetzt. Gründe 1 2 Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. 1. Der Antragsteller ist Beamter auf Widerruf im Polizeivollzugsdienst des Antragsgegners und begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners, aufgrund dessen seine Ernennung zum Polizeimeisteranwärter unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit zum Tag der Ernennung zurückgenommen wurde. Der Bescheid ist auf 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG gestützt; der Antragsteller habe bei seiner Einstellung nicht angegeben, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren geführt werde. Er habe damit arglistig getäuscht. 3 Das Verwaltungsgericht hat auf seinen Antrag hin die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederhergestellt. In der Antragsschrift sei unter Anbieten eines Zeugenbeweises ein Sachverhalt mitgeteilt worden, der - bei Unterstellung seiner Erweislichkeit - dazu führen könne, dass dem Antragsteller eine arglistige Täuschung i. S. v. 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG möglicherweise nicht vorgeworfen werden könne. Daher könne man nicht davon ausgehen, dass der angefochtene Bescheid im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich
3 3 rechtswidrig sei. Die durchzuführende Interessenabwägung falle zugunsten des Antragstellers aus. Er sei als Beamtenanwärter momentan in der Polizeifachschule beschäftigt und trete mithin der Bevölkerung entgegen der Befürchtung des Antragsgegners nicht gegenüber. Die rein fiskalischen Interessen des Antragsgegners stünden den Interessen des Antragstellers am Bestreiten seines Lebensunterhalts durch die Anwärterbezüge entgegen. Sie würden die Interessen des Antragstellers aber nicht überwiegen. Denn der Antragsteller könne ansonsten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens seine Ausbildung nicht fortsetzen. 4 Der Antragsgegner trägt in seiner Beschwerde u. a. vor, dass der Antragsteller ausweislich der von ihm am 1. September 2010 unterschriebenen Erklärung nicht nur angegeben habe, ihm sei nicht bekannt, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig sei. Darüber hinaus sei er in dem Vordruck für diese Erklärung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er auch hinsichtlich möglicher tatsächlicher Gegebenheiten, aufgrund derer er sich außerstande sehe, die Erklärung zu unterschreiben, Angaben zu machen habe. Da er in Kenntnis dieses Hinweises die Erklärung unterschrieben habe, habe er seine Ernennung durch arglistige Täuschung i. S. v. 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG herbeigeführt Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, führen zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts. 6 Nach 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die Behörde nach 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO - wie hier - die sofortige Vollziehung anordnet, die aufschiebenden Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ist eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Nach diesem Maßstab ist der Antrag des Antragstellers abzulehnen. 7 Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung des Antragsgegners vom 9. November 2010 ist 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG. Danach ist eine Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Eine solche arglistige Täuschung liegt nach der
4 4 Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22. Juli A 359/08 -, juris Rn. 22 m. w. N.) vor, wenn der Ernannte durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entscheidung zu bestimmen. Unrichtige Tatsachen sind danach stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde danach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung erheblich sind oder sein können. Diese Voraussetzungen liegen vor. 8 Der Antragsteller hat eine arglistige Täuschung in dem genannten Sinne begangen, weil er in Kenntnis des einen Monat vor seiner Ernennung stattgefundenen Verkehrsunfalls beim Antragsgegner erklärt hat, dass mir nicht bekannt ist, dass gegen mich ein Strafverfahren oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder ein Disziplinarverfahren anhängig ist, noch gegen mich eine Disziplinarmaßnahme 2 verhängt worden ist. Diese Erklärung ist auf einem dafür vorgesehenen Vordruck abgegeben worden. Auf dem Vordruck, der aus einer Seite besteht, wird als Fußnote 1 ausgeführt: Soweit der Bewerber sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten außerstande sieht, diese Erklärung zu unterschreiben, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Ernennung vorgenommen werden kann. Hierzu ist der Bewerber auch aufzufordern, der Einstellungsbehörde sein Einverständnis zur Einsichtnahme in die entsprechenden Akten bei der Staatsanwaltschaft oder Gericht bzw. der zuständigen Disziplinarbehörde schriftlich zu erteilen (Hinweis: hinsichtlich möglicher tatsächlicher Gegebenheiten sollen diese aufgeführt werden. Die Unterschriftsleistung ist darunter mit Datum vorzunehmen.) 9 Vor dem Hintergrund dieser Erläuterung wird es auf die vom Verwaltungsgericht für das Hauptsacheverfahren für notwendig gehaltene Beweisaufnahme nicht ankommen. Der Senat teilt zunächst die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass nach der Erkenntnislage im Eilverfahren dem Antragsteller aufgrund der tatsächlichen Abläufe nicht vorgehalten werden kann, dass er konkret von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen ihn wusste; der Senat verweist auf die Ausführungen des
5 5 Verwaltungsgerichts in seinem angegriffenen Beschluss (dort S. 6 und 7). Indes wird in dem Formblatt, das der Antragsteller unterschrieben hat, mehr verlangt als nur die Angabe einer Erklärung darüber, ob bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Denn auf Grundlage der Fußnote 1 dieses Formblatts muss jedem, der die entsprechende Erklärung abgibt, klar sein, dass bei Zweifeln über die Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens diese darzulegen sind. Dass der Antragsteller sich darüber bewusst war, dass auf Grundlage des Verkehrsunfalls vom 31. Juli 2010 in ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein könnte, ergibt sich zunächst schon aus der Schwere des Unfalls und der Verursachung durch den Antragsteller. Dass der Antragsteller mit einem Ermittlungsverfahren rechnete, zeigt sich aber auch besonders daran, dass er am 2. August 2010 vorsorglich seinem Prozessvertreter eine Vollmacht wegen eines etwaigen Strafverfahrens (S. 13 der Verwaltungsakte) erteilt hat; dies bestätigt auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers. Weil in dem Vordruck auch nach einem etwaig anhängigen Ermittlungsverfahren gefragt wurde, sind die Angaben des Antragstellers in seiner Erklärung vom 1. September 2010 unrichtig. Da nach diesen Tatsachen ausdrücklich gefragt wurde, hat der Antragsteller offenkundig in Kauf genommen, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung erheblich sind oder sein können. 10 Mit der arglistigen Täuschung hat der Antragsteller seine Ernennung zum Beamten auch herbeigeführt, 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG. Das ist dann der Fall, wenn die Ernennungsbehörde bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, Abstand genommen hätte (SächsOVG, Urt. v. 6. Mai 1998, SächsVBl S. 218, 222 m. w. N.). Dies ist ausweislich der Fußnote 1 in der Erklärung und den Angaben des Antragsgegners der Fall. 11 Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 VwGO. 12 Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung durch das Verwaltungsgericht, gegen die die Beteiligten nichts vorgetragen haben.
6 6 13 Der Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). gez.: Grünberg Dehoust Hahn Ausgefertigt: Bautzen, den Sächsisches Oberverwaltungsgericht
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