Nürnbergs inopportunes Geschenk für Karl V.

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Beate Solberg
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1 1 Nürnbergs inopportunes Geschenk für Karl V. Horst H. Figge Eine Medaille, die 1521 in Nürnberg mit großem Aufwand für Karls V. hergestellt worden ist, zeigt, dass eingebaute zweite Bedeutungsebenen gegebenenfalls zu unvorhergesehenen, unliebsamen Reaktionen geführt haben (Abb. 1). Abb. 1/2: Vorder- und Rückseite der Medaille auf Karl V. von 1521 in der üblichen Art der Abbildung, Germanisches Nationalmuseum, 71 mm. "Der Nürnberger Rat hatte geplant, diese Medaille Kaiser Karl anläßlich seines ersten Besuchs der Stadt und der damit verbundenen Huldigung der Bevölkerung zu überreichen. [...] Das von Karl IV. in der Goldenen Bulle 1356 bestätigte Vorrecht Nürnbergs, in seinen Stadtmauern jeweils den ersten Reichstag eines neugewählten Kaisers durchführen zu dürfen, bekräftigte Karl V. in seiner Wahlverschreibung." 1 "Im August 1520 entschied für die Stadt Nürnberg überraschend der Kaiser, seinen ersten Reichstag nicht in Nürnberg, sondern im ersten Halbjahr 1521 in Worms abzuhalten. Als offizielle Begründung wurde angegeben, dass 1 Hermann Maué 1987: Die Dedikationsmedaille der Stadt Nürnberg für Kaiser Karl V. von 1521, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, S. 228.

2 Seuchen Nürnberg als Tagungsort ungeeignet erscheinen ließen. [Wobei offen bleibt, ob es sich bei diesen "Seuchen" nicht in erster Linie um die Reformation gehandelt hat, die 1520 in Nürnberg Fuß zu fassen begann.] Für die Stadt war das natürlich eine herbe Enttäuschung, zumal sich abzeichnete, dass der Kaiser in allernächster Zeit einen Besuch nicht nachholen würde, sondern seine Rückkehr nach Spanien plante." 2 Auf der Vorderseite ist die Büste des Kaisers zu sehen, im Feld außerdem die Worte CAROLVS V RO IMPER. Anstelle einer Umschrift befinden sich am Rand 14 Wappen von Navarra bis Andalusien (links) und von Kastilien bis Jerusalem (rechts). Zwischen den oberen beiden Wappen sind die sogenannten Säulen des Herkules zu sehen, mit Karls Devise PLVS VLTRA auf winzigem Spruchband. Auf der Rückseite (Abb. 2) befindet sich der doppelköpfige Reichsadler mit dem österreichischen und burgundischen Wappen, unterhalb der Köpfe die Jahreszahl Das Feld ist umgeben von dreizehn Wappen, von Gibraltar bis Mazarrón (links) und von Sardinien bis Algeciras (rechts), unten links ist anstelle eines weiteren Wappens der Buchstabe N in einem Kranz eingeschoben. Hermann Maué meint dazu: "In diese Wappenfolge spanischer Besitzungen fügt sich das N für Nürnberg nur schlecht ein. Vom Bildprogramm her paßt an dieser Stelle der Hinweis auf die Reichsstadt nicht deswegen hat man wohl auch auf die Wiedergabe des Stadtwappens verzichtet formal ist es nicht gelungen, die dreizehn Wappen durch die Hinzunahme des bekränzten N symmetrisch anzuordnen". 100 Exemplare dieser Medaille sollten dem Kaiser nun trotz der Verlegung des Reichstags nach Worms überreicht werden. "Zur Übergabe [...] kam es jedoch nicht, wobei die Gründe nicht explizit überliefert sind. Eine der möglichen Ursachen war, dass sich Karl V. einen Bart hatte wachsen lassen, worauf das Bildnis auf der Medaille nicht mehr aktuell war. Zu überlegen ist aber auch, 2 2 Hermann Maué (Anm. 1), S. 230.

3 dass dem Kaiser eher am Materialwert der Geschenke gelegen war. Bei den silbernen Medaillen war dieser geringer." 3 Jedenfalls ist die Annahme verweigert worden oder zumindest ist die Übergabe von den eigenen Leuten nicht für oportun gehalten worden, denn in einem Schreiben des Rats an die Nürnberger Delegation in Worms heißt es: "Den übersandten silbernen Pfennig [d.h. die Medaille] betreffend haben wir Eure Nachricht und Eure Nachforschungen empfangen und stellen daraufhin unser Vorhaben zunächst zurück." 4 Es kann davon ausgegangen werden, dass dem Kaiser und seinen Getreuen merkwürdig erschienen sein musste, dass von Vertretern der massiv brüskierten Stadt Nürnberg (scheinbar) devot ein besonderes Geschenk übergeben werden sollte. Besonders "allergisch" reagierten sie dabei natürlich auf beleidigende Doppeldeutigkeiten. Ein Grund für die Ablehnung des Geschenks scheint bisher übersehen worden zu sein, weil gegenwärtig Bildnismedaillen meist so wiedergegeben werden, dass sie die abgebildete Person mit hoch erhobenem Kopf zeigen. Auch die Vorderseite der sogenannten "Ehrenmedaille" auf Kaiser Karl ist anscheinend immer so abgebildet worden, dass das Bildnis seiner Bedeutung entsprechend wirkt (Abb. 1). Dreht man die Medaille aber in die Senkrechte, die eindeutig durch die Wappen unten und die Herkulessäulen oben vorgegeben ist, dann erkennt man, dass der Kaiser tatsächlich mit leicht geneigtem Haupt und gesenktem Blick dargestellt worden ist (Abb. 3). Von seinem seinerzeit anscheinend als besonders "energisch" angesehenen Kinn ist sowieso nicht mehr viel zu sehen. Dass diese Position der ursprünglichen Absicht entspricht, zeigt nicht nur die Spitze der Krone, auch der Text im Feld ist entsprechend orientiert; denn beide Teile der Umschrift, CAROLVS V und RO IMPER, stehen sich erst dann exakt gegenüber. Überraschend ist nun, dass aus dem linken Teil der Umschrift CAROLVS V durch bloße Änderung der Worttrennung die Aus- 3 3 Ursula Timann 2002: Goldschmiedearbeiten als diplomatische Geschenke, in: Quasi Centrum Europae, Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum, S Hermann Maué (wie Anm. 1), S. 230.

"Bis 1519 konnte er [Karl] seine Anerkennung in Spanien [...] durchsetzen.

4 sage CARO LVSV entsteht, was "Durch die teure Spielerei" oder "Dem durch Spielerei Teuren" bedeuten kann. Dies wird seinerzeit offensichtlich gewesen sein und konnte auf die Kaiserwahl bezogen werden, die wegen der hohen Bestechungsgelder maßlos teuer gewesen war. "Bis 1519 konnte er [Karl] seine Anerkennung in Spanien [...] durchsetzen. Nach dem Tod Maximilians bewarb sich Karl unter Einsatz von riesigen durch die Fugger [aus Augsburg, Nürnbergs Konkurrenzstadt!] bereitgestellten Geldmitteln um die Kaiserkrone und wurde [...] am in Frankfurt gegen König Franz I. von Frankreich zum Kaiser gewählt. Im Oktober 1520 betrat Karl [zum ersten Mal!] den Boden des Reichs, wurde in Aachen zum deutschen König gekrönt und eröffnete am den Wormser Reichstag, der das Wormser Edikt gegen Luther verkündigte." 5 4 Abb. 3/4: Kaiser Karl V. mit gesenktem Haupt und der geneigte Adler. Die Doppeldeutigkeit ist dadurch auf die Spitze getrieben, dass auf der rechten Seite die Angabe Romanorum Imperator zu RO IMPER abgekürzt worden ist; denn man braucht nur die Buchstaben RO zu verschieben und erhält IMPEROR ("ich werde beherrscht"). Zusammen ergibt die Aufschrift der Medaille also 5 Gerhard Taddey 1977: Lexikon der deutschen Geschichte, S. 615.

5 CARO LVSV IMPEROR ("Durch teures Spiel werde ich beherrscht"). 6 Nun waren die hundert Nürnberger Medaillen natürlich dazu gedacht, einzeln vom Kaiser weiterverschenkt zu werden, das heißt, wenn es dazu gekommen wäre, hätte er sich selbst dem Gespött preisgegeben. Die eingebaute Despektierlichkeit war dann aber doch zu offensichtlich, und konnte den zensierenden Instanzen, die den Kaiser schützend umgaben, nicht entgehen. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die Medaille insgesamt 27 Wappen zeigt von Navarra bis Jerusalem, von Gibraltar bis Algeciras, aber kein einziges deutsches; das macht nämlich den Eindruck, als würde die Herrschaft Karls als Kaiser der deutschen Länder nicht anerkannt. Zumindest ist er aufgrund des Fehlens deutscher Wappen als der Fremdling dargestellt, der er ja tatsächlich gewesen ist. Einzig das N auf der Rückseite scheint für alle möglichen deutschen Wappen zu stehen, und angesichts des Auftraggebers der Medaille steht es sicherlich in erster Linie für das Wort "Nürnberg". Das ist nun ganz besonders witzvoll, weil sich aus NÜRNBERG das Anagramm BÜRGER NN bilden lässt. Wohlgemerkt steht dann NÜRNBERG bzw. BÜRGER NN in deutscher Sprache, im Gegensatz zu CAROLVS V und sämtlichen dargestellten Wappen. Dazu enthält die Rückseite parallel zur Vorderseite noch eine Besonderheit in der Beziehung des zentralen Bildes zu seiner Umrandung. Wenn sich die Grenze zwischen den beiden oberen Wappen in der Mitte befindet (Abb. 2), steht der Adler aufrecht. Dreht man die Medaille aber so, dass das N im runden Kranz unten mittig zwischen den Wappen steht, dann neigt sich der Adler nach links (Abb 4). Das heißt, der Adler verbeugt sich gewissermaßen, wenn sich das N für "Nürnberg" (bzw. für "Bürger NN") in stabiler, gerader Position befindet. Und oben in der Mitte steht 5 6 Andere Anagramme sind LVSV CARO PERMIRO ("Dem wegen Spielerei außerordentlich Teuren"), LVSOREM PRO CVRIA ("Den Spieler für die Kurie"), und besonders: MORVS PRO CVRIALE ("Ein Narr für den Kuriengenossen").

6 dann die Flagge von Sardinien, deren zentraler Bestandteil ein Kreuz ist. 6

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