Peter Henssen & Benjamin Pfab

Transkript

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2 MODERNE MASSNAHMEN Dr. Peter Henssen und Benjamin Pfab sind Geschäftsführer von XUITS. Mit ihrem Unternehmen wollen Sie im traditionellen Geschäft der Maßkonfektion für frischen Wind sorgen. TWEED traf die beiden Unternehmer zum Gespräch über den Geist der Branche, die Auswirkungen von Trends und den Einzelhandel der Zukunft. Interview von Florian S. Küblbeck Herr Dr. Henssen, Herr Pfab, Sie beide sind mit XUITS sehr erfolgreich, dabei kommen Sie ursprünglich aus nicht unbedingt bekleidungsnahen Branchen. Wie kam es denn zu der Idee, ausgerechnet einen Maßkonfektionär zu gründen? Pfab: Sie haben recht. Ursprünglich komme ich aus der Hotelbranche. Ich habe aber vor der Gründung von XUITS bei einem großen Maßkonfektionär in München gearbeitet. Zu dem kam ich tatsächlich durch Zufall. Als ich dort anfing, wusste ich noch nicht einmal, wie ein Smoking aussieht. Ich habe mich an einem Freitagmittag beworben, direkt am nächsten Montag angefangen und blieb letztendlich acht Jahre dort. Seither habe ich eine Leidenschaft für diese Branche. Ein guter Freund hat mich dann glücklicherweise zur Selbständigkeit überredet. Wir haben mit wenigen privaten Investoren 2006 die erste Filiale in Frankfurt eröffnet. Henssen: Ich komme aus einer ganz anderen Richtung. Ich habe Wirtschaft studiert und zwei Jahre lang bei einer Unternehmensberatung gearbeitet, war aber damit nicht wirklich glücklich. Mir war schon immer klar, dass ich kein Konzernmensch bin, ich wollte immer etwas Eigenes machen. Das habe ich dann auch getan: Während meiner Promotion habe ich mit einem Freund in Berlin ein Startup gegründet und bin auch an unterschiedlichen Stationen mit der Modebranche in Berührung gekommen. Ende 2012 wurde ich gefragt, ob ich bei XUITS einsteigen möchte. Sie haben nach einem Co-Geschäftsführer gesucht, der die Marke aufbaut und professionalisiert, das Filialnetz expandiert und den Onlinebereich verstärkt. ES WERDEN NICHT PLÖTZLICH MEHR ANZÜGE GEKAUFT MAN KAUFT SIE HEUTE EINFACH WOANDERS. Damals hatte das Maßkleidungsbusiness schon ordentlich Zuwachs. Pfab: Rückblickend habe ich einen sehr guten Zeitpunkt erwischt. Die Maßkonfektion kam ab 1995 in Fahrt. Es gab damals in jeder Stadt den einen lokalen Maßkonfektionär oder Maßschneider heute herrscht da wesentlich mehr Bewegung. Ich hatte das Glück, dass es in Frankfurt zu dieser Zeit auch nur einen einzigen, sehr kleinen Maßkonfektionär gab und so kam XUITS in einen fast unbesetzten Markt hinein. Wir merken, dass in den Städten, in die wir heute gehen, die Situation eine andere ist. Es gibt schon deutlich mehr Wettbewerb, was aber auch gut ist. Wir befinden uns ja im Grunde in einem kleinen Nischensegment. Mit dem Trend zur Individualisierung und zur Maßanfertigung wächst dieses aber beträchtlich. Deswegen freue ich mich über jeden Maßkonfektionär, der dazukommt und der unsere Branche bekannt und groß macht. 5

3 SATTE FARBEN UND KRÄFTIGE MUSTER SIND NICHT NUR SACHE DER KONFEKTION Jahren kam der Dandyismus auf, der uns heute wieder begegnet und den Markt inspiriert. Nun ist die Maßschneiderei eines der ältesten Individualisierungsgewerbe überhaupt und das einzige, das die industrielle Revolution überlebt hat. Und wir leben von diesem Trend natürlich sehr stark. Henssen: Ich glaube, da ist auch eine Rückbesinnung zu mehr Werten und auch Wertigkeit. Man sieht das unter anderem an den vielen Manufakturen, die mehr und mehr Aufwind bekommen und neuen Magazinen in diesem Bereich. Das ist ein Trend, der in den nächsten Jahren immer wichtiger werden wird, weil die Leute einfach wieder Interesse daran haben, wirklich gute Dinge zu kaufen. Fotos: Florian S. Küblbeck Das heißt, es gibt kein wirkliches Konkurrenzdenken? Henssen: Doch, natürlich! Es werden ja nicht plötzlich so viel mehr Anzüge gekauft, sondern einfach anderswo. Dennoch sehe ich das ähnlich wie Benjamin Pfab gerade weil etwa Online-Maßkonfektionäre durch Fernsehwerbung dieses Segment einer ganz anderen Bevölkerungsgruppe zugänglich gemacht haben, herrscht eine andere Wahrnehmung des Metiers Und auch der Trend zur Individualisierung spielt da mit rein. Wettbewerb ist gut fürs Geschäft und beflügelt uns. Dennoch wollen und müssen wir uns natürlich irgendwie abheben! Sie sprechen vom Trend zur Individualisierung. Woher kommt dieses neue Interesse an Maßanfertigung? Pfab: Ich glaube, die Menschen wollen sich von anderen abheben sei es durch bestimmte neue technische Geräte oder durch bestimmte Looks. Diese Tendenz gab es schon immer, das ist nichts Neues. Vor vielen Einige Maßkonfektionäre geben sich heute als Maßschneider aus. Ist das denn nötig Pfab: Das ist ein altes Phänomen ich kenne das, seit ich in der Branche angefangen habe. Der Trend kam daher, dass damals Schneider zwangsläufig rationeller und preiswerter produzieren mussten. Sie haben sich von einem der großen Maßkonfektionsfertiger die Rohteile kommen lassen, noch schnell die Ärmelknöpfe von Hand draufgenäht und das als Maßschneiderei verkauft. Was ich allerdings sehr häufig auch von Kunden höre, sind Missverständnisse über die Begriffe Maßschneiderei und Maßkonfektion. Viele denken, der Maßkonfektionär hat nur fertige Teile im Schrank hängen und ändert die dann ab. Aber auch wir schneidern den Anzug neu. Und dann gibt es die Traditionalisten, die am liebsten alles wie vor 200 Jahren hätten, nur eben aus einem modernen Stoff aber das geht nicht zusammen. Ein Oldtimer mit LED- Licht funktioniert eben genauso wenig wie ein Porsche mit Gaslampen. Gibt es herstellerunabhängige Qualitätskriterien für einen guten Anzug? Pfab: Ich glaube, der beste Anzug ist der, mit dem der jeweilige Kunde glücklich ist. Wir haben zum Beispiel einen Stoff von Loro Piana, Wolle mit Seide, extremer Glanz, tolle Qualität. Den verkaufe ich aber niemandem 6

4 Foto: Florian S. Küblbeck unter 45, weil er einfach zu elegant für einen jüngeren Mann ist. Der ist auch zu elegant für den Büroalltag. Nicht immer ist teurer und feiner auch automatisch besser. Es gibt natürlich eine Reihe Qualitätsmerkmale und es ist davon auszugehen, dass der Anzug für 3000 Euro eine höhere handwerkliche Verarbeitungsqualität hat als der für 300 Euro. Henssen: was aber auch nicht so sein muss! Heutzutage ist das zwar die Regel, aber viele Marken verkaufen eben auch mehr ihr Marketing als ihre Qualität. ES GIBT EINE RÜCKBESINNUNG ZU MEHR WERTEN UND WERTIGKEIT. DIE LEUTE HABEN WIEDER LUST AUF WIRKLICH GUTE DINGE. Das heißt, Ihr muss nicht nur zum Kunden passen, sondern auch zum Umfeld? Henssen: Er muss schlicht der Situation angemessen sein, für die er gekauft wird. Es ist schließlich etwas anderes, ob man einen Abendanzug kauft oder einen fürs Büro. Pfab: oder auch, ob man viele Stunden in einer Vorstandssitzung verbringt oder drei Tage auf einer Messe steht. 7

5 DIE FILIALEN VON XUITS SIND GANZ BEWUSST MODERN UND HELL GESTALTET Bei XUITS gibt es gibt es ja nicht nur Maßanzüge, sondern zum Beispiel auch Hemden. Werden dafür unterschiedliche Produktionsstätten genutzt? Pfab: Wir haben zwei Hemdenschneidereien in Polen und Tschechien und eine Anzugschneiderei in Portugal, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten. Die handgearbeitete Linie wird von einer weiteren Schneiderei in Polen produziert, die darauf spezialisiert ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Wechsel der Schneiderei immer mit vielen Änderungen verbunden ist, die man im ersten Augenblick nicht sieht: Änderungen an Zutaten und kleinsten Verarbeitungsschritten, die in der Summe zur letztendlichen Passform führen sollen. Deswegen ist es für uns keine Option, häufig die Schneidereien zu wechseln oder mit mehreren zu arbeiten. Dafür ist unser Produkt zu komplex. Henssen: Wichtig ist uns auch, dass wir alles 8 in Europa fertigen, der Qualität entsprechend, die wir unseren Kunden versprechen. Ist Ihre Kundschaft tendenziell eher jung oder alt? Henssen: Wir sagen immer, wir fangen mit dem Hochzeitsanzug an und begleiten unsere Kunden durch ihre Lebensabschnitte und Karriereschritte bis ins fortgeschrittene Alter. Dadurch, dass wir auch den Mietservice anbieten, kommen viele Kunden mit einem Smoking oder Cut unserer Marke in Berührung, ehe sie sich dann für einen Anzug von uns entscheiden. Unsere Kunden lernen am meisten über unser Produkt, wenn sie es selbst tragen und fühlen. Pfab: Wir bedienen im großen und ganzen zwei Kundensegmente: Männer ab 35, das sind die, die ihre Anzüge noch aus Bedarf tragen, und Wert auf gute Garderobe legen.

6 Und dann gibt es die Luxuskäufer, die sich einen Anzug gönnen wollen. Wir haben einige Kunden, die uns regelmäßig besuchen, nicht weil sie unbedingt einen neuen Anzug brauchen, sondern weil sie sich freuen, wieder einen schönen Anzug aus einem schönen Stoff bestellen zu können. Gibt es so etwas wie Trends im Maßbereich? Pfab: Ja, die allgemeinen Trends aus der Herrenkonfektion gelten natürlich überall. Die Revers werden schmaler, die Jacken kürzer. Uns ist wichtig, im Gegensatz zu klassischen Herrenschneidern diese Trends auch anbieten zu können und nicht zu sagen, wir machen das seit vierzig Jahren so und das wird auch immer so bleiben. Wir bieten seit vergangenem Jahr einen ganz tollen neuen Hosenschnitt an, der sehr schlank ist. Außerdem haben wir gerade unseren Mantelschnitt verschlankt. Unsere Schnitte sind erstklassig und vielleicht sind wir auch ein bisschen trendaffin. Henssen: Naja, wir sind einfach modern! Das ist eben auch etwas, wodurch sich ein Maßkonfektionär von anderen abheben kann. Wenige können in diesem Segment mit Trends so mitgehen und auch liefern. Wir wollen als moderner Maßkonfektionär gelten und weg von dem etwas verstaubten Image das viele Menschen im Kopf haben diese etwas düsteren Ateliers, wo man den Stoff gar nicht erkennt, weil es so dunkel ist. Deswegen sind auch unsere Stores so modern und jung im Look and Feel. IM GEGENSATZ ZU KLASSISCHEN HERRENSCHNEIDERN GEHEN WIR MIT DEM TREND. Welcher Anzug wird denn bei Ihnen am häufigsten geordert? Pfab (überlegt kurz): Dunkelblau, einreihig, zwei Knöpfe, schmal geschnitten und mit weicher Schulter, die Jacke relativ kurz. Ganz wichtig: Buntes Futter! Apropos bunt: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Sieger, speziell auch im neuen Store in Düsseldorf, wo beinahe das gesamte Erdgeschoss für die Marke reserviert ist? Henssen: Wir arbeiten schon lange mit Sieger zusammen und wir passen gut zueinander. Sieger ist in seinen Kollektionen sehr farbenfroh und modern. In Düsseldorf haben Ganz in violett: Das Erdgeschoss der Düsseldorfer Filiale ist der Marke Sieger gewidmet. 9

7 Gute Zusammenarbeit: Christian Sieger (v.l.), Dr. Peter Henssen und Benjamin Pfab in der Düsseldorfer Filiale von XUITS wir nun unseren größten Laden eröffnet und da entstand die Idee, eine etwas größere Fläche für Sieger aufzubauen, weil Düsseldorf einfach eine gute Stadt dafür ist. Düsseldorf ist eine Modestadt, man muss dort deutlich näher am Zeitgeist sein als anderswo. Und Sieger ist eine Marke, die das sehr gut und professionell umsetzt. Das Ganze läuft seit Anfang Juni und wertet unseren Store noch einmal auf. Der Trend geht ja auch dazu, sich in Läden inspirieren zu lassen und dafür ist Sieger mit seiner breiten Kollektion von Be- ES GEHT IMMER MEHR UM DAS THEMA ERLEBNISSHOPPING UND INSPIRIERENDE LÄDEN. kleidung über Home- bis Tableware natürlich prädestiniert. Sogar die Stühle kann man kaufen! So gibt es immer neue Dinge bei uns zu entdecken. Es geht eben immer mehr um Erlebnisshopping, was für Maßkonfektionäre klassischerweise gar kein Thema ist. Für uns ist das sehr relevant. würden gerne in weitere Städte gehen, auch nach Berlin, wo wir ja bereits ein Büro haben. Vielleicht geht es auch mal in eine kleinere Stadt, aber auch in Hamburg und Stuttgart haben wir noch keine Filialen. Und dann natürlich London, Paris, Madrid Spaß beiseite: Am Ende zählt für uns eine hohe Qualität und Kundenzufriedenheit. Der Markt der Maßkonfektion für Männer ist bei weitem noch nicht ausgereizt. Die Information in den Geschäften soll noch verbessert werden. Henssen: Und das ist eben genau wieder das Thema der Modernität. Ein moderner Maßkonfektionär ist nicht modern ohne eine gute Integration von On- und Offline. Für unsere Kunden soll das einen deutlichen Vorteil bieten. Und da wird es in den kommenden Monaten und Jahren einige Herausforderungen geben, die wir innovativ angehen wollen. DIE FILIALEN XUITS unterhält derzeit Läden in Frankfurt, Welche Pläne gibt es sonst für die Zukunft des Unternehmens? Pfab: Wo soll ich anfangen? Wir sind im vergangenen Jahr stark gewachsen, dieses Jahr wollen wir erstmal durchatmen. Und: Wir 10 Düsseldorf, München und Köln. Weitere Ableger sind in Planung. Alle Informationen zum Unternehmen finden Sie auch auf