Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie Affektiver Störungen
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- Viktoria Ackermann
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2 Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie Affektiver Störungen
3 Evidenzbasierte Leitlinien Psychotherapie Band 1 Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie Affektiver Störungen von Prof. Dr. Renate de Jong-Meyer, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Christine Kühner und Dr. Elisabeth Schramm Herausgeber der Reihe: Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) Mitglieder des Lenkungsausschusses: Prof. Dr. Birgit Kröner-Herwig, Prof. Dr. Kurt Hahlweg, PD Dr. Stephan Mühlig, Prof. Dr. Annette Schröder und Prof. Dr. Ulrich Stangier
4 Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie Affektiver Störungen von Renate de Jong-Meyer, Martin Hautzinger, Christine Kühner und Elisabeth Schramm Göttingen Bern Wien Paris Oxford Prag Toronto Cambridge, MA Amsterdam Kopenhagen
5 Prof. Dr. Renate de Jong-Meyer, geb Seit 1984 Professorin am Institut für Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie der Universität Münster. Prof. Dr. Martin Hautzinger, geb Seit 1996 Ordinarius für Psychologie und Leiter der Abteilung Klinische und Physiologische Psychologie am Psychologischen Institut der Universität Tübingen. Prof. Dr. Christine Kühner, geb Seit 1986 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, Leiterin der Arbeitsgruppe Verlaufs- und Interventionsforschung. Dr. Elisabeth Schramm, geb Seit 1990 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitätsklinik Freiburg, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie. Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG Göttingen Bern Wien Paris Oxford Prag Toronto Cambridge, MA Amsterdam Kopenhagen Rohnsweg 25, Göttingen Aktuelle Informationen Weitere Titel zum Thema Ergänzende Materialien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Grafik-Design Fischer, Weimar Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Printed in Germany Auf säurefreiem Papier gedruckt ISBN:
6 Inhaltsverzeichnis Vorwort Ausgangspunkt, Ziele und Methoden dieser Psychotherapieleitlinie Ausgangspunkt und Ziele Methoden Bewertungskriterien empirischer Studien Die Störungsbilder Depressive Episoden Manische und hypomanische Episoden Diagnosen Affektiver Störungen Abgrenzung zu weiteren Störungen mit depressiver Symptomatik Epidemiologische Befunde Erkrankungsverlauf und Ausgang Empfehlungen zur Diagnostik Diagnosestellung Funktionale Diagnostik und Therapieplanung Erkennen von Suizidalität und Umgang mit suizidalen Krisen Störungstheorien und Erklärungsmodelle Ansatzpunkte der Depressionsbehandlung Niedrigschwellige Maßnahmen Bibliotherapie Netzbasierte Selbsthilfeprogramme Kurzzeitige kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppenprogramme Empfehlungen
7 6 Inhaltsverzeichnis 7 Spezifische Psychotherapien zur Behandlung unipolarer Depressionen Allgemeine Gestaltung des Behandlungsprozesses Psychotherapien als Akutbehandlung im Einzelsetting Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) Interpersonelle Psychotherapie (IPT) Psychodynamische Kurzpsychotherapien (Short Term Psychodynamic Psychotherapies, STPP) Gesprächspsychotherapie (GPT) Empfehlungen Psychotherapien als Akutbehandlung in Gruppen oder als Paartherapie Psychotherapie in Gruppen Psychotherapie mit Partnern (Paartherapie) Empfehlungen Psychotherapien als Teil einer Kombinationsbehandlung in der Akutbehandlung Effektivität der Kombination von Antidepressiva und Psychotherapie Empfehlungen Psychotherapie bei Patienten mit chronischer Depression KVT bei chronischer Depression oder Dysthymie Cognitive Behavioral Analysis System for Psychotherapy (CBASP) bei chronischer Depression IPT bei chronischer Depression oder Dysthymie Empfehlungen Erhaltungstherapien (Rezidivprophylaxe) Psychotherapien als alleinige Erhaltungstherapien oder während des gleichzeitigen Ausschleichens von Medikamenten Psychotherapien als Teil einer Kombinationstherapie während der Erhaltungsphase Empfehlungen Psychotherapie für besondere Patientengruppen Depressionen in bestimmten Altersgruppen Psychotherapie bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter Empfehlungen
8 Inhaltsverzeichnis Depressionsprävention im Kindes- und Jugendalter Empfehlungen Psychotherapie bei Depressionen im höheren Lebensalter Empfehlungen Depression und Geschlecht Psychotherapie bei Frauen und Männern mit Depressionen Psychotherapie bei Depressionen in der Schwangerschaft und Postpartum Empfehlungen Bipolare Affektive Störung Charakteristika von adjuvanten Interventionen bei bipolaren Störungen Effektivität einiger spezifischer adjuvanter Interventionen bei bipolaren Störungen Empfehlungen Kurzfassung evidenzbasierter Empfehlungen Literatur Häufig verwendete Abkürzungen
9
10 Vorwort Leitlinien haben in der medizinischen und auch in der psychotherapeutischen Versorgung in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung gewonnen. Bei zunehmender Komplexität und Diversifikation der Psychotherapie sind sie Hilfen für psychotherapeutische Entscheidungsprozesse mit dem Ziel, zu einer qualitativ angemessenen Versorgung von Patienten beizutragen. Sie sind zudem wesentliche Bestandteile von Qualitätssicherungsprogrammen. Leitlinien sollen Einfluss auf das Wissen, die Einstellung und das Verhalten der psychotherapeutisch Tätigen aber auch der Laien nehmen, insbesondere dann, wenn diese zu Patienten werden. Was sind nun eigentlich die Charakteristiken von Leitlinien? Sie sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen, die zu einem angemessenen und wirksamen therapeutischen Vorgehen bei bestimmten Störungen oder in bestimmten gesundheitlichen Problemfeldern beitragen sollen. Sie stellen den nach einem definierten, transparent gemachten Vorgehen erzielten Konsens von Experten und anderen Beteiligten dar. Sie sind wissenschaftlich begründet, basieren also auf wissenschaftlichen Untersuchungen, und sie sollen praxisorientierte Empfehlungen geben. Leitlinien sind Orientierungshilfen, von denen im begründeten Fall abgewichen werden kann. Ihre Ziele sind: Sicherung und Verbesserung der Versorgung. Vermeidung unnötiger, unwirksamer, nicht dem Stand des Wissens entsprechender und unwirtschaftlicher psychotherapeutischer Maßnahmen. Verminderung von Qualitätsschwankungen im psychotherapeutischen Versorgungsangebot. Informierung der Fach- und Laienöffentlichkeit. Die Qualität von Leitlinien orientiert sich an den Kriterien der Transparenz, Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit, Multidisziplinären Entwicklung, Anwendbarkeit, Flexibilität, Klarheit/Eindeutigkeit, Dokumentation der Entwicklung,
11 10 Vorwort Planmäßígen Überprüfung, Überprüfung der Anwendung, Kosten-Nutzen-Verhältnis, Verfügbarkeit der Leitlinien. (vgl. Deutsches Ärzteblatt 94, 33, , siehe auch In Deutschland hat sich die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) unter Beratung der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung (ÄZQ) die Entwicklung von Leitlinien zur medizinischen Versorgung und auch von Leitlinien zur psychotherapeutischen Versorgung zum Ziel gesetzt ( Psychologische Fachgesellschaften können nicht Mitglieder der AWMF sein, deshalb ist die Beteiligung von psychologischen Fachvertretern an den Entwicklungsprozessen eher begrenzt, selbst wenn einige dieser Experten doch einbezogen wurden. Es ist evident, dass Leitlinien trotz der wissenschaftlichen Basierung des Vorgehens und der angezielten Breite der Beteiligung eine Konsensleistung darstellen, die unter anderem geprägt ist vom fachlichen Sozialisationshintergrund der beteiligten Experten, also in der AWMF von ihrer medizinischen Orientierung. Dieses Argument und die Tatsache, dass Psychologische Psychotherapeuten und Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten den Hauptteil der psychotherapeutischen Versorgung tragen, hat die Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) dazu veranlasst, ein Votum für eigene Leitlinienentwicklungen abzugeben. Der Lenkungsausschuss zur Leitlinienentwicklung hat seit 2002 die Fachgruppe in diesem Bereich beraten und 2003 ein Symposium zum Thema veranstaltet. Im Anschluss daran wurden Arbeitsgruppen zur Leitlinienentwicklung in den folgenden Störungsbereichen beauftragt: erstellt Affektive Störungen, von ciando Soziale Phobie, Angststörungen bei Kindern, Panikstörungen/Agoraphobie (2004). Die erste im Auftrag der DGPs erstellte Leitlinie wird nun von der Arbeitsgruppe Renate de Jong-Meyer (Münster), Martin Hautzinger (Tübingen), Christine Kühner (Mannheim) und Elisabeth Schramm (Freiburg) für den Bereich der Affektiven Störungen vorgelegt. Das Vorgehen der Arbeitsgruppe in der Leitlinienentwicklung entspricht weitgehend den Prinzipien, die die ÄZQ für die Erfüllung der Evidenzebene I vorgelegt hat. Es ist geprägt von der wissenschaftlichen Basierung der Aussagen und Empfehlungen. Die Arbeitsgruppe hat sich z. B. darauf verständigt, schärfere Evidenzkriterien zu verwenden, als sie die ÄZQ vorschlägt: Statt mindestens einer einzigen randomisierten Kontrollgruppenstudie mit positivem Ergebnis bzgl. der Wirksamkeit der evaluierten Therapie fordert sie das Vorliegen von mindestens zwei Studien aus unabhängigen Arbeitsgruppen als Kriterium für
12 Vorwort 11 einen Wirksamkeitsbeleg (vgl. Kap. 1.3), was die Güte der Empfehlungen hinsichtlich der Reliabilität und Gültigkeit der Empfehlungen verbessert. Der wissenschaftliche Konsensprozess fand sowohl in der Arbeitsgruppe statt wie auch durch die Einbeziehung von Kollegen aus der Fachgruppe sowie von Experten außerhalb der Fachgruppe, indem ihnen persönlich bzw. über die Homepage der Fachgruppe eine erste und dann eine zweite Version der Leitlinien zur Begutachtung zur Verfügung gestellt wurde. Kritik bzw. Vorschläge wurden von der Arbeitsgruppe beraten und in die hier vorgelegte Version integriert. Auf eine direkte Ansprache der Laienöffentlichkeit bzw. von Patientenverbänden ist bislang verzichtet worden. Dies soll mit der jetzt veröffentlichten Version geschehen. Die Fachgruppe dankt der Arbeitsgruppe für die hervorragende Arbeit, die sie in den letzten 3 Jahren geleistet hat! Welcher ungeheure Arbeitsaufwand in die Leitlinienentwicklung von den Beteiligten eingebracht worden ist, wird jedem deutlich, der sich mit ihr befasst. Nun ist die Erstellung von Leitlinien das eine, die Implementierung in die therapeutische Praxis aber das andere und vielleicht das noch schwierigere Unterfangen. Vielfach wird beklagt, dass der Misserfolg von Leitlinien im Wesentlichen auf ihrer mangelnden Umsetzung beruht. Ein erster Schritt zur Förderung der Umsetzung der Leitlinien in die klinische Praxis ist ihre Verbreitung innerhalb des Personenkreises, der Affektive Störungen therapiert oder auch Überweisungsempfehlungen ausspricht. Dafür schafft diese Publikation die Voraussetzung. Indem Sie die Leitlinien lesen, tragen Sie schon zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit ihrer Berücksichtigung in der Praxis bei. Besonders, wenn Sie in der Ausbildung in Psychologischer Psychotherapie tätig sind, als Dozent in der Fort- und Weiterbildung oder an Universitätsinstituten, können Sie die Implementierung der Leitlinien zur Psychotherapie Affektiver Störungen fördern und damit etwas zur Qualitätssicherung in der Psychotherapie in diesem Störungsbereich beitragen. Der Lenkungsausschuss bittet Sie, kritische Anmerkungen zum Inhalt und zur Darstellungsform an ihn zurückzumelden. Sie werden mit größter Aufmerksamkeit für die Überarbeitung dieser Leitlinie berücksichtigt werden und können unmittelbar bei der Erarbeitung der Leitlinien in den weiteren Störungsbereichen genutzt werden. Für den Lenkungsausschuss der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie Göttingen, November 2006 Birgit Kröner-Herwig ( bkroene@uni.goettingen.de)
13 1 Ausgangspunkt, Ziele und Methoden dieser Psychotherapieleitlinie Ausgangspunkt und Ziele Folgende Punkte sprachen für die Erstellung einer Leitlinie gerade im Störungsbereich Depression: Nach Hochrechnungen der Weltgesundheitsorganisation (Murray und Lopez, 1996) nehmen Depressionen weltweit zu. Sie werden sich über die nächsten zwei Jahrzehnte zu der Krankheitsgruppe entwickeln, die neben den Herz- Kreislauf-Krankheiten das größte Leiden und die höchsten Kosten verursacht. Die Entwicklung einer Konsensus-Leitlinie unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Evidenz ist aufgrund zahlreicher empirischer Studien möglich. Die Praxis der Therapie der Depression weicht gravierend von dem ab, was nach der Therapieforschung indiziert, empfehlenswert und wirksam ist. Insofern wird von einer konsequenten Umsetzung der Leitlinien-Empfehlungen eine wesentliche Verbesserung der Patientenversorgung erhofft. Bezogen auf unterschiedliche Zielgruppen werden durch die Leitlinien-Empfehlungen folgende Ziele angestrebt: a. Zielgruppe der Patienten gezieltere Diagnostik der depressiven Störungen und komorbider Erkrankungen, kurz- und langfristige Verbesserungen bei der Reduktion depressiver Symptomatik, Verbesserung des Funktions-Niveaus der Patienten, Erhöhung der Patientenzufriedenheit und -lebensqualität, Verbesserung des Erkrankungsverlaufs durch Anwendung spezifischer Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe. b. Zielgruppe der Therapeuten Unterstützung der Therapeuten bei der Diagnose, der Wahl spezifisch wirksamer Maßnahmen und dem klinischen Management depressiver Störungen, Hilfe für Aus-, Weiter- und Fortbildung von Psychotherapeuten. 1 Für Rückmeldungen zu einer früheren Version dieser Leitlinie danken wir Prof. Dr. J. Aldenhoff, Prof. Dr. K. Hahlweg, Prof. Dr. Dr. M. Härter, Prof. Dr. U. Hegerl, Dipl.-Psych. N. Hoffmann, Prof. Dr. J. Hoyer, Prof. Dr. B. Kröner-Herwig, Prof. Dr. U. Luka-Krausgrill und Prof. Dr. D. Schulte.
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