Baden-Württemberg INNENMINISTERIUM PRESSESTELLE. Rede. von Innenminister Heribert Rech. bei der Trauerfeier für. Polizeimeisterin Michéle Kiesewetter

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1 Baden-Württemberg INNENMINISTERIUM PRESSESTELLE Rede von Innenminister Heribert Rech bei der Trauerfeier für Polizeimeisterin Michéle Kiesewetter in der Evangelischen Stadtkirche Sankt Dionysius in Böblingen 30. April 2007 Beginn der Trauerfeier: Uhr Sperrfrist: Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort Dorotheenstraße 6, Stuttgart, Telefon (0711) , Fax (0711) Internet:

2 - 2 - Sehr geehrte Familie Kiesewetter, liebe Angehörige, Kolleginnen und Kollegen, liebe Trauergemeinde, wir trauern um Polizeimeisterin Michéle Kiesewetter. Wir sind zusammengekommen, um von ihr Abschied zu nehmen - gemeinsam mit ihrer Familie, mit ihren Freunden, Kolleginnen und Kollegen, der gesamten Polizei Baden-Württemberg und vielen Menschen aus Böblingen und aus Heilbronn. In vielen Schreiben und Anrufen aus dem gesamten Bundesgebiet haben Menschen in den letzten Tagen ihrer Bestürzung Ausdruck verliehen. Wir nehmen Abschied - für immer. Es fällt schwer, das Geschehene in Worte zu fassen. Es fällt schwer, in Stunden wie diesen die richtigen Worte zu finden. Es fällt uns schwer, zu begreifen, was passiert ist. Michéle Kiesewetter hatte ihr Leben noch vor sich. Sie wurde 22 Jahre alt. Am vergangenen Mittwoch ist sie im Dienst - im Dienst für uns Menschen, für unsere Sicherheit - ermordet worden. Die unfassbare Tat geschah am hellen Nachmittag in Heilbronn, bei einem Routineauftrag. Noch wissen wir nicht, wer ihr junges Leben so skrupellos und kaltblütig beendet hat. Eine Tat voller Sinnlosigkeit, die mit beispielloser Brutalität ein Leben ausgelöscht und der Mutter die Tochter, der Schwester die Schwester entrissen hat - und uns allen einen lieben Menschen. Deshalb gilt in dieser bitteren Stunde unsere Anteilnahme vor allem Ihnen, sehr verehrte Frau Kiesewetter, und allen Angehörigen. Im Namen unseres Ministerpräsidenten, der Landesregierung und der baden-württembergischen Polizei spreche ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid aus.

3 - 3 - Wir sind erschüttert, betroffen und fassungslos. Wir fühlen uns hilflos, sprachlos und gelähmt vor Entsetzen. Wir sind ohnmächtig vor Wut. Es fehlen die Worte angesichts der Kaltblütigkeit, mit der Michéle Kiesewetter ermordet wurde. Wir empfinden es als Umkehr des Natürlichen, wenn die Mutter ihr Kind zu Grabe tragen muss, wenn eine junge Kollegin durch ein derartiges Verbrechen aus unserer Mitte gerissen wird. Unser Herz ist voller Trauer. Wir suchen nach Antworten. Warum musste Michéle Kiesewetter so sinnlos sterben? Die Frage nach dem Warum können wir nicht beantworten. Mit jeder Stunde der Ungewissheit stellt sich diese Frage eindringlicher. Wir suchen nach Worten des Trostes, die uns allen über den schweren Augenblick hinweghelfen. Doch wir wissen, dass Worte dies nicht vermögen. Bei allem Schmerz und Trauer um Michéle Kiesewetter sind unsere Gedanken in diesen Stunden auch bei unserem Kollegen, Polizeimeister Martin Arnold. Auch er wurde brutal niedergeschossen und kämpft um sein Leben. Wir wollen darum bitten und beten, dass er bei uns bleibt und wieder vollständig gesund wird. Unsere Gedanken sind daher auch bei seiner Familie. Der Mordanschlag auf Michéle Kiesewetter und Martin Arnold macht uns auf bittere Weise bewusst, dass unser Kampf gegen Gewalttaten und Brutalität weiter gehen muss. Unrecht und Gewalt hat es immer gegeben. So sind unsere Gedanken in dieser Stunde auch bei den Angehörigen der kleinen Mirjam aus Auggen und des in Karlsruhe ermordeten Taxifahrers.

4 - 4 - Unrecht und Gewalt wird es leider auch künftig immer geben. Dies ist eine bittere Erkenntnis. Zu dieser Erkenntnis gehört auch, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in den vergangenen Jahren in einem erschreckenden Maß zugenommen hat. Und uns wird bewusst, welche Anforderungen dieser Beruf an unsere Polizeibeamtinnen und -beamten stellt. Sie sind bereit, sich mit ihrer ganzen Kraft für unsere Sicherheit und unser Recht einzusetzen. Michéle Kiesewetter hat diesen Dienst für die Sicherheit von uns allen mit ihrem Leben bezahlt. Sie trug eine Schutzweste, ebenso wie ihr Kollege. Aber beiden wurde keine Chance eingeräumt, ihr Leben zu verteidigen. Michéle Kiesewetter wusste, als sie sich für den Polizeiberuf entschied, dass sie besonderen Gefahren ausgesetzt sein würde. Aber sie wusste auch: Wir alle sind darauf angewiesen, dass Menschen anderen Menschen in Not helfen - sei es bei der Polizei, bei der Feuerwehr oder den Rettungsdiensten. Daher haben wir vor Menschen wie Michéle Kiesewetter nicht nur größten Respekt, wir sind ihnen auch zu größtem Dank verpflichtet. Wer war Michéle Kiesewetter? Sie kam aus Thüringen zu uns nach Baden-Württemberg. Sie hatte hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden. Ihre guten Kontakte zu ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren Großeltern, die alle im thüringischen Oberweißbach leben, erhielt sie aufrecht. Sie waren ihr wichtig. So weit es ihr trotz der räumlichen Distanz möglich war, sorgte sie sich hilfsbereit um ihre Mutter. Sicher war dies für sie neben dem anstrengenden Polizeiberuf nicht einfach - aber sie hat sich dieser Verantwortung gestellt.

5 - 5 - Umso mehr schöpfte sie Kraft aus sportlichen Aktivitäten. Kraft schöpfte sie aber auch aus guten Freundschaften. Besonders stolz war sie auf das Kind ihrer besten Freundin, ihr Patenkind, das mit zweitem Vornamen ebenfalls Michéle heißt. Sie hatte ein aufgeschlossenes und fröhliches Wesen. Sie war hilfsbereit und verbrachte ihre Freizeit gerne mit ihren Kollegen. Sie war sehr beliebt. Obwohl sie zunächst auch eine Ausbildungszusage von der Polizei in Hamburg hatte, entschied sie sich für die Polizei Baden-Württemberg. Im März 2003 wurde sie bei der 3. Bereitschaftspolizei-Abteilung in Biberach eingestellt. Nach Ende ihrer Ausbildung im August 2005 leistete sie als Einsatzbeamtin bei der 5. Bereitschaftspolizei-Abteilung in Böblingen ihren Dienst. Dieser hatte sie auch im Zuge der Einsatzkonzeption Sichere Innenstadt zusammen mit ihrem Kollegen Martin Arnold nach Heilbronn geführt. Dass ausgerechnet dieser Routineeinsatz für beide eine so bittere Wendung nehmen würde, konnte niemand ahnen. Wir können das Schreckliche vom vergangenen Mittwoch nicht ungeschehen machen. Wie gerne würden wir dies tun. Wir können nur fragen: Was können, was müssen wir jetzt tun? Wir können Ihnen, verehrte Familie Kiesewetter, zunächst versichern: Sie stehen nicht allein. Sie können sich auf die Solidarität der Polizei, der Bürgerinnen und Bürger und auch des Landes verlassen. Dass Solidarität nicht nur in Worten bekundet, sondern auch gelebt wird, zeigt sich in der Anteilnahme der Polizei und der Öffentlichkeit bei der heutigen Trauerfeier. Jede Beamtin, jeder Beamte weiß: An der Stelle von Michéle Kiesewetter hätte auch ich stehen können. Und die Menschen wissen: Michéle Kiesewetter ist für uns alle, für unser Recht und für unsere Sicherheit gestorben.

6 - 6 - Wir können Ihnen versichern: Wir werden Michéle Kiesewetter nicht vergessen. Wir schulden ihr unseren aufrichtigsten Dank, unseren Respekt und unser Gedenken. Wir dürfen ihren Tod nicht nur als Schicksalsschlag hinnehmen. Ihr Tod ist Verpflichtung - Verpflichtung, aktiv für das Recht einzutreten und alles daran zu setzen, dass Gewalt und Unrecht sich nicht breit machen. Liebe Angehörige, jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte nimmt Anteil an Ihrem Schmerz. Dies geht weit über Baden-Württemberg hinaus. Viele haben ihr Mitgefühl übermittelt. Polizeikolleginnen und -kollegen aus anderen Ländern sind heute unter uns. Die Ermittlungskräfte werden alles Erdenkliche daran setzen, um den oder die Verbrecher zu fassen. Leider bringt uns dies Michéle Kiesewetter nicht zurück. Aber wir wollen wissen, wer für diese schreckliche Tat verantwortlich ist. Vielleicht kann dies ein kleiner Beitrag sein, das Unfassbare zu verarbeiten. Sehr geehrte Trauergäste, ich danke allen, die heute hierher gekommen sind und ihre Anteilnahme und Solidarität mit Michéle Kiesewetter und Martin Arnold bekundet haben. Sie zeigen damit auch, dass Sie hinter unserer Polizei stehen. Wir werden auch weiterhin alles tun, um derart schlimme Fälle zu verhindern. Auch wenn wir uns mit professionellem Einsatztraining und guter technischer Ausstattung die größte Mühe geben, die Sicherheit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ständig weiter zu verbessern, wissen wir doch, dass es eine absolute, letzte Sicherheit nicht gibt. Auch eine letzte Gerechtigkeit gibt es nicht. Für die Angehörigen von Michéle Kiesewetter wollen wir beten, dass sie mit Gottes Beistand den Schmerz ertragen und Trost finden.