Ansprache von Oberbürgermeister Gert Hager am 23. Februar 2017 zum 72. Jahrestag der Zerstörung der Stadt Pforzheim Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof
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- Adam Adenauer
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1 Dezernat I Geschäftsbereich Kommunikation und Internationales Pressereferent Tel: Fax: presse@stadt-pforzheim.de ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Ansprache von Oberbürgermeister Gert Hager am 23. Februar 2017 zum 72. Jahrestag der Zerstörung der Stadt Pforzheim Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof Meine sehr geehrten Damen und Herren, Freitag, 23. Februar 1945: Ein Datum, das sich eingebrannt hat in das Gedächtnis aller, die diesen Tag, diese Nacht in Pforzheim überlebt haben. Seitdem ist der 23. Februar für uns ein Tag des gemeinsamen Gedenkens und des Mahnens vor den Auswirkungen von Krieg und Gewalt. Vor 72 Jahren wurde uns an der eigenen Stadt die entsetzliche Grausamkeit des Krieges aufgezeigt eines mörderischen Krieges, der von Deutschland ausgegangen war. Das vergessen wir nicht, wenn wir heute hier der Pforzheimer Opfer gedenken und daher erinnern wir zugleich an die Opfer der deutschen Kriegsführung. Wir gedenken all derer, die damals als Opfer von Gewalt und Krieg ihr Leben verloren, in Pforzheim und auch an all den anderen Orten. Die Einwohner so vieler Städte haben im Krieg schreckliches Leid erlebt. In Städten, die von den Deutschen angegriffen wurden: Rotterdam, Belgrad, London, Leningrad oder Coventry. Und in Städten, auf die die Bomben der Alliierten fielen: wie Dresden, Hamburg, Kassel und Pforzheim. Wir trauern mit allen, die seitdem Leid um diese Opfer tragen.
2 - 2 - Bundespräsident Gauck sagte über dem Preis des Krieges: Krieg zerstört umfassend. Er zerstört nicht nur die Wege, die Städte, die Häfen. Krieg zerstört den Menschen. Er verwandelt Lebendige in Tote und hinterlässt in unzähligen Überlebenden tote Seelen. Wer Gewalt ausübt oder ihr ausgesetzt ist, wandelt sich in seinem Wesen. Er wird ein Anderer. Wir in Pforzheim wissen, was Bundespräsident Gauck hier angesprochen hat: Auch mehr als siebzig Jahre später sehen und spüren wir die Folgen des Bombenangriffs. Viele von Ihnen, die das Inferno erlebt haben, tragen bis heute schwer an verstörenden Schreckensbildern und schmerzlichen Erinnerungen an Orte und Menschen, die Sie nie wiedergesehen haben. Solche Erfahrungen prägen für immer und auch nachgeborene Kinder und Enkel können davon betroffen sein. Die letztes Jahr verstorbene, geschätzte Pforzheimer Autorin Dr. Renate Schostack hat in ihrem letzten Werk auch die Toten des 23. Februar thematisiert, die in den Kellern der Wohnhäuser starben. Sie legte einer überlebenden Zeitzeugin folgende Worte in den Mund: Nie kann ich durch die Stadt gehen, ohne an diese Toten zu denken. Ich sehe sie unter dem Pflaster sitzen. Sie sehen mich an mit ihren weit offenen Augen. Sie wollen mir etwas sagen. Aber ich verstehe nicht, was sie sagen. Diese leisen, schlichten Worte haben mich sehr berührt. Sie beschreiben die Last der Erinnerung, die viele, die dem Alptraum entronnen sind, tragen müssen. Sie wollen mir etwas sagen. Aber ich verstehe nicht, was sie sagen. In diesen wenigen Worten wird der Verlust knapp und doch so genau beschrieben: Nie mehr werden wir eine Antwort erhalten. Ihr Schweigen ist endgültig. Ein ganz anderes Gefühl des Nicht-Verstehens, des Unverständnisses schwingt hier ebenfalls mit: Das, was am Abend des 23. Februar passiert ist, ist kaum zu
3 - 3 - erfassen und zu beschreiben. Es trennt die Lebenden von den Toten. Extreme Gewalt ist eine Anomalie. Sie brach ein in das Leben von Menschen, die deshalb nicht begreifen konnten, was ihnen geschah. Gewalt und Zerstörung haben die Menschen hier überrascht, nicht weil sie unerwartet oder unerklärlich waren, sondern weil sie sich in ihrer extremen Form nicht einreihten in die eigene Geschichte und Lebenserfahrung. Dadurch schienen sie unbegreiflich. Grauen, Entsetzen und Fassungslosigkeit fühlen wir daher noch heute, wenn wir uns die Szenen vorzustellen versuchen oder in Erinnerung rufen, die sich während der Bombardierung und im Feuersturm überall in der Innenstadt abspielten. Diese Fassungslosigkeit, dieses verstörte Nichtverstehen ist keine Leugnung der Zusammenhänge und der Vorgeschichte des Ereignisses. Wir wissen, wer den Krieg begonnen hat. Gerade weil wir den historischen Kontext nicht ausblenden, weil wir uns der nationalsozialistischen Verbrechen bewusst sind und wissen, dass es auch in Pforzheim viele Menschen gab, die das nationalsozialistische Regime von Anfang an unterstützt haben, können wir auch unser Entsetzen über den 23. Februar äußern. Und wir können um seine Todesopfer trauern, gerade weil wir auch um die Opfer der Deutschen trauern. Sie wollen mir etwas sagen. Aber ich verstehe nicht, was sie sagen verdeutlicht noch etwas Anderes: Die Ereignisse des 23. Februar sprechen nicht für sich. Es ist an uns, sie zu interpretieren, zu verstehen und das herauszuarbeiten, was uns heute der 23. Februar sagt, wozu er uns anhält, mahnt und verpflichtet. Auch das wissen wir in Pforzheim leider allzu gut: Dass die Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Zivilbevölkerung von Rechtsextremisten revanchistisch und nationalistisch instrumentalisiert werden kann, um Verbrechen zu leugnen, zu relativieren oder zu entschuldigen, die im Namen der deutschen Nation geschehen sind.
4 - 4 - Dies ist nicht unser Weg und wir lehnen dies entschieden ab, wie überhaupt jede Gewalt! Wir glauben nicht, dass uns die Toten des 23. Februar zu Rache, Hass und Gewalt aufrufen, sondern zum Nie-wieder. Der 23. Februar war kein Naturereignis, sondern Menschenwerk. Gerade heute, wo Krieg und Terror die Welt erschüttern und Tag für Tag so viele Menschenleben vernichten, hat dies etwas Beängstigendes. Aber da Krieg von Menschen geführt wird, kann er auch von Menschen beendet werden. Auch deshalb versammeln wir uns heute, an diesem Jahrestag, um gemeinsam die Mahnung gegen Krieg und für Verständigung zu hören und mitzunehmen in unseren Alltag. An einem Jahrestag, an dem vermutlich fast jede und jeder von Ihnen, die Sie es selbst erlebt haben, dem Familie oder Freunde davon erzählten oder der Zeitzeugenberichte gehört oder gelesen hat, heute die Toten unter dem Pflaster sitzen sieht. Ich bin überzeugt von der Wichtigkeit des Gedenkens an die Opfer des 23. Februar. Die Erinnerung kann eine produktive Kraft für unsere Stadt sein. Das Gedenken ist schmerzlich, aber er gehört zu uns und zu dem, was Pforzheim heute ist. Dieser Schmerz schwächt Pforzheim nicht, sondern stärkt uns in der Verantwortung für ein friedliches Miteinander zuhause in Pforzheim und darüber hinaus. Das Schicksal Pforzheims macht uns nicht bitter, sondern ist uns eine Verpflichtung zu Humanität und Achtung der Würde eines jeden Menschen. Dass wir nicht immer eine Antwort auf die Frage finden, was uns die Toten des 23. Februar sagen, macht uns nicht unsicher, sondern sensibel für aktuelle Fehlentwicklungen und Gefahren für Frieden, Recht und Demokratie. Wir trauern, doch diese Trauer macht uns nicht hart gegen das Leid anderer, sondern empfänglich für ihr Schicksal und verständnisvoll für ihre Not. Wenn uns dies gelingt, liebe Pforzheimerinnen und Pforzheimer, dann kauern die Toten nicht mehr unter dem Pflaster. Sondern wir tragen sie in unseren Herzen, wenn wir uns an sie erinnern. Wir vergessen sie nicht, wir lassen sie nicht dort in den Kellern zurück, sondern sie
5 - 5 - begleiten uns im Leben. Und die Liebe und das Mitgefühl, mit denen wir uns an sie erinnern, leiten uns an zur Mitmenschlichkeit heute. ES GILT DAS GESPROCHENE WORT
Ausführungen von Gert Hager, Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim, anlässlich der Gedenkfeier am auf dem Hauptfriedhof
Dezernat I Amt für Öffentlichkeitsarbeit, Rats- und Europaangelegenheiten Pressereferent Tel: 07231-39 1425 Fax: 07231-39-2303 presse@stadt-pforzheim.de ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Ausführungen von Gert
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