Rede anlässlich des Volkstrauertages 2012 in Übach-Palenberg. Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren,
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- Britta Adenauer
- vor 7 Jahren
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1 1 Rede anlässlich des Volkstrauertages 2012 in Übach-Palenberg Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke für die Ehre, in diesem Jahr eine Gedenkrede halten und anschließend an der Totenehrung anlässlich des Volkstrauertages hier am Ehrenmal in Übach-Palenberg mitwirken zu dürfen. Der Volkstrauertag ist einer unserer stillen Feiertage, ein Tag des Innehaltens, der Einkehr: Wir gedenken der Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft. Dieser Tag stört unsere bisweilen oberflächliche Geschäftigkeit, und schnell stellt sich die Frage, ob er und das Zeremoniell der Totenehrung noch in unsere Zeit passen. Brauchen wir diesen Gedenktag noch? Der Zweite Weltkrieg liegt doch schon über 60 Jahre zurück. Wie viele Menschen können sich denn noch an diese Zeit erinnern? Wer hat denn noch die Toten gekannt, deren Verlust wir an diesem Tag beklagen? Es gehört nicht viel dazu, nach einem Schlussstrich unter der Erinnerung zu rufen. Doch das ist zu leichtfertig! Der chinesische Philosoph Konfuzius sagte einmal: Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln, erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste, drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste!
2 2 Haben wir Deutsche heute aus den bitteren Erfahrungen unserer Geschichte gelernt oder sind wir gar auf dem Wege des Nachdenkens in eine Lage gekommen, wo wir derartige schreckliche Ereignisse für heute und die Zukunft ausschließen können? Ich denke, in Teilen ja. Aber, ob unsere Gesellschaft so stabil ist, dass sie solchen Gefährdungen immer und in jeder Hinsicht widerstehen kann, daran habe ich doch Zweifel und deshalb sollte auch keine Gelegenheit ausgelassen werden, an die Schattenseiten unserer Vergangenheit zu erinnern und das Positive zu verstärken. Die Fähigkeit und Bereitschaft, um die Toten zu trauern, auch zur kollektiven Trauer in der Lebens- und Schicksalsgemeinschaft, ist ein untrennbarer Teil der Würde des Menschen. Dazu gehört auch die Trauer um die, die wir nicht persönlich kennen, auch die Opfer der ehemaligen Feinde. Grenzüberschreitende Trauer ist die Kraft, die ehemalige Feinde versöhnt und verbindet und, aus der Trauer erwächst eine bleibende Verpflichtung der Lebenden. Die gefallenen und vermissten Soldaten, die in der Kriegsgefangenschaft Verstorbenen, die im Bombenkrieg Getöteten, die bei Flucht und Vertreibung den Tod fanden, die im Widerstand oder als Opfer eines menschenverachtenden Regimes ihr Leben lassen mussten, die Opfer der Verfolgung aus politischen, religiösen und rassistischen Gründen, gleich wo sie gekämpft oder gelitten haben, sie verpflichten uns, in der Gegenwart und Zukunft dafür zu wirken, dass wir nicht gegeneinander sterben, sondern miteinander leben. Ohne die Erinnerung an die schrecklichen Irrwege der Vergangenheit gibt es keine Versöhnung und keine gemeinsame friedliche Zukunft.
3 3 Wenn hier und heute ein Soldat zu Ihnen spricht, werden Sie vielleicht - und das mit Recht - fragen, wie ist es denn um den Lernerfolg mit und in den Streitkräften bestellt? Nach mehr als 60 Jahren Frieden, Freiheit und Demokratie in Deutschland, denke ich, dass wir zumindest im Umgang mit deutschen Streitkräften einen guten Lernerfolg erzielt haben. Die Bundeswehr ist eine Armee des Parlaments und hat, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern die längste Friedensperiode in Zentraleuropa seit Beginn der Neuzeit gesichert. Den sogenannten kalten Krieg ohne eine Schlacht geschlagen zu haben, überwunden zu haben, ist, denke ich, ein bemerkenswertes Verdienst unserer Gesellschaft, das durchaus beispielgebend für andere, nicht so stabile Regionen dieser Welt sein kann. Wir, Gesellschaft im Ganzen, Bundeswehr im Speziellen, haben aber nicht verhindern können, dass neue Stabilitätsrisiken für Deutschland und für ein friedvolles Zusammenleben der Menschen in der Welt entstanden sind. Innerstaatliche Konflikte, Zerfall staatlicher Ordnung, Völkermord und Gewaltherrschaft und Terrorismus sind die aktuellen Bedrohungen unserer Lebensordnung. Hier können Soldaten nicht mehr als letztes Mittel zum Einsatz kommen, sondern begleiten ressortübergreifendes Handeln von Staaten in einem Bündnis oder einer Koalition. Deutsche Soldaten, aber auch Angehörige von Bundespolizei, Polizeien der Länder und vieler Hilfsorganisationen sind heute im gemeinsamen Einsatz auf dem Balkan, in Asien und in Afrika. Sie kämpfen dort nicht gegen feindliche Streitkräfte, sondern stehen und helfen dort gegen Rassenwahn, Unterdrückung, Intoleranz und Totalitarismus.
4 4 Und das im Schulterschluss mit ihren Kameraden aus Europa und Übersee. Sie stehen dort mit der Bereitschaft das Äußerste, den Einsatz des eigenen Lebens, für unsere Grundwerte, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde, einzusetzen. Denjenigen, die bei dem Versuch, diese Grundwerte und Stabilität auch in andere Teile der Welt zu bringen, umgekommen sind, gilt es heute ebenfalls zu gedenken. Bereits vor über 200 Jahren stellte der deutsche Philosoph Immanuel Kant fest: Der Friede ist ein Meisterwerk der Vernunft. Mir scheint, wir in Europa sind mittlerweile zur Vernunft gekommen und lernen nun auf dem von Konfuzius als dem edelsten beschriebenen Weg durch Nachdenken und nicht mehr nur durch leidvolle Erfahrung. Die Auszeichnung der EU mit dem Friedensnobelpreis ist dafür ein ganz aktueller Beleg. Durch Nachdenken unsere Zukunft gestalten können wir auch deshalb, weil uns der Volkstrauertag die Verantwortung, die uns aus der Geschichte unserer Nation erwächst, für die Zukunft eines friedlichen Europas immer wieder vor Augen führt. Eben weil wir nicht vergessen haben, wofür frühere Generationen auf den Kriegsschauplätzen, in der Heimat, in den Lagern und in der Fremde gelitten haben, können wir helfen unsere Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten.
5 5 Wie dürfen niemals vergessen, welchen Preis diese Erfahrung gekostet hat und welche Verantwortung für uns, aber auch die uns nachfolgenden Generationen daraus erwächst. Denn, wie unser Alt-Präsident Roman Herzog einmal sagte: Geschichte verblasst schnell, wenn sie nicht Teil des eigenen Erlebens ist. Mahnung heißt Wachsamkeit Wachsamkeit gegenüber allem, was Demokratie, Freiheit, Rechtsstaat, Menschenwürde und Frieden gefährdet. Ein Leben in Freiheit, Frieden und Demokratie ist kein Geschenk, das einem in den Schoß fällt. Ganz im Gegenteil, Freiheit, Frieden und Demokratie müssen immer wieder aufs Neue behauptet werden. Ich danke Ihnen.
die Jugendlichen aus Belgien und Deutschland, die ihr diese Gedenkfeier heute mitgestaltet.
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