Es gilt das gesprochene Wort.
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- Ute Schäfer
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1 Grußwort der Stellvertretenden Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann Eröffnung des XX. Else Lasker-Schüler-Forums zur Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 27. März 2014 Es gilt das gesprochene Wort.
2 2 Die Literatur, Musik und Kunst sind die ersten empfindlichsten Gebiete, wo sich die geistige Wendung bemerkbar macht, schrieb Wassily Kandinsky 1911 in seinem Aufsatz Über das Geistige in der Kunst. drei Jahre, bevor Erste Weltkrieg ausbricht, bildet sich um Wassily Kandinsky und Franz Marc die Künstlervereinigung "Der Blaue Reiter". Es herrscht Aufbruchsstimmung unter deutschen Künstlern und Intellektuellen. Gleichzeitig eine Art fiebrige Erregung, wie es Florian Illies in seinem Roman 1913 eindrucksvoll beschreibt. Mit Bedacht wählten die beiden Gründer in diesen Jahren die Farbe blau als Programm. Eine Farbe, von der Kandinsky einmal sagte, ich zitiere: Zum Schwarzen sinkend bekommt sie den Beiklang einer nicht menschlichen Trauer. Eine Trauer, die bald nach der Gründung des Blauen Reiters schreckliche Wirklichkeit wurde. Als hätten die Künstler geahnt, was auf sie zukommen würde.
3 3 Doch konnten sie tatsächlich ahnen, dass der Blaue Reiter so schnell fallen würde? Dass Franz Marc 1916 bei Verdun, August Macke 1914 in der Champagne fallen, und Wassily Kandinsky 1914 Deutschland verlässt? Konnten sie ahnen, dass 1914 ein Weltkrieg mit einem Schlag alle Kreativität, Kunst, Kultur, Humanität, Menschlichkeit vernichtet? Konnten sie ahnen, dass einem von Menschen gemachten zerstörerischen Flächenbrand am Ende 17 Millionen Menschen zum Opfer fallen? vor 100 Jahren begann mit den Schüssen von Sarajewo der Erste Weltkrieg, vor 75 Jahren mit dem deutschen Überfall auf Polen die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Die unvorstellbaren Gräuel von Krieg und Terror haben bei vielen Menschen und an vielen Orten tiefe Verletzungen und schreckliche Narben zurück gelassen. Diese Narben erinnern uns. Sie erinnern uns daran, dass wir es sind, die Verantwortung haben. Dass wir
4 4 Gegenwart und Zukunft gestalten: mit dem, was wir tun, aber auch, mit dem, was wir nicht tun. Und sie mahnen uns, nicht wegzuschauen. Weder im Großen noch im Kleinen. Denn noch immer ist eine Kultur der Anerkennung in einem demokratischen Deutschland und einem friedlichen Europa keine Selbstverständlichkeit! Ich freue mich daher sehr, dass das XX. Else Lasker- Schüler-Forum heute hier im Kunstmuseum Solingen mit vielen unterschiedlichen Zugängen Raum für Erinnern an die Zukunft bietet. Sie ermöglichen uns damit einen Lern- und Begegnungsort, der kulturelle und historische, politische und gesellschaftliche Aspekte zusammenführt. Und auch ich danke allen Beteiligten für Vorbereitung, Gestaltung und Mitwirkung an diesem Forum und der Ausstellung, allen voran Hajo Jahn und Dr. Rolf Jessewitsch. Kunst ist Begegnung und Auseinandersetzung. Kunst ist Auftauchen an einem anderen Ort, sagte August Macke. Das XX. Else Lasker-Schüler-Forum ist genau
5 5 dies. Es ist mehr als Begegnung. Es nimmt uns in seinen prüfenden Blick, fordert uns heraus und berührt uns. Und es ist damit ein großartiger Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur. Genau das brauchen wir auch für unsere nachwachsenden Generationen. Nicht der erhobene Zeigefinger, sondern die konkrete Auseinandersetzung mit menschlichen Schicksalen und lebendigen Orten des Erinnerns sprechen junge Menschen unmittelbar an: Ende letzten Jahres bin ich mit der Gesamtschule Berger-Feld aus Gelsenkirchen nach Belgien gereist, um die Erinnerungsorte des Ersten Weltkriegs zu besuchen, und wie bereits in den letzten Jahren war ich auch in diesem Jahr vor genau zwei Monaten, am 27. Januar 2014, wieder in Polen, um gemeinsam mit drei Schulgruppen aus Nordrhein-Westfalen das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz zu besuchen. Es ist beeindruckend, wie intensiv und nachhaltig die Jugendlichen ihre Verantwortung annehmen. Nicht nur dort, aber gerade auch an diesen Orten werden jedem das Ausmaß und die Folgen von Krieg,
6 6 Zerstörung, Vernichtung, von Totalitarismus und einer menschenverachtenden Ideologie eindringlich und mit einer solchen Wucht vor die Augen geführt, dass man gar nicht anders kann, als sich für kulturelle Vielfalt in einer toleranten freiheitlich-demokratischen Gesellschaft einzusetzen. Und diesen Auftrag verstehen junge Menschen. Sie sagen unisono: Wir müssen dazu beitragen, dass so etwas nie wieder passiert. Demokratie braucht das Wissen um ihre geschichtliche Verankerung. Sie braucht aber auch das Engagement in der Gegenwart. Und sie braucht beides verbindend das Erinnern für die Zukunft. Das zeigt uns nicht nur die aktuelle Krise auf der Krim sehr eindringlich. Daher hat mein Ministerium gemeinsam mit der Landeszentrale für Politische Bildung auch ein Konzept zur politischen Bildung mit dem Titel Erinnern für die Zukunft erarbeitet. Ich freue mich, dass Frau Dr. Hamm-Brücher, die eine Publikation mit diesem Titel verfasst hat, dafür die Schirmherrschaft übernimmt. Wir möchten erreichen, dass möglichst viele Schulen
7 7 historisch-politische Bildung in ihr Schulprogramm schreiben und Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Gedenkstätten anstoßen. Gemeinsam mit der Medienberatung NRW wird der Auftaktkongress dafür bereits im Mai stattfinden. Auf meine Anregung hin wird die Kultusministerkonferenz, deren Präsidentin ich in diesem Jahr bin, im Jahr meiner Präsidentschaft Empfehlungen zur Erinnerungskultur für Schulen in ganz Deutschland erarbeiten. der Historiker Golo Mann hat diesen engen Zusammenhang zwischen Erinnern und dem Weg in die Zukunft treffend auf den Punkt gebracht ich zitiere: Indem wir wissen, wo wir sind und wie wir dahin kamen, wissen wir auch wieder, wer wir sind. Ohne Gedächtnis wüssten wir das nicht. Ohne Gedächtnis gäbe es keine Vergangenheit. Es gäbe auch keine Zukunft. Indem wir erinnern, treten wir aus der Enge eines Blickwinkels heraus. Wir setzen uns an die Stelle der anderen, wir fühlen mit, halten inne und bauen
8 8 Brücken. Und damit haben wir für die Zukunft etwas ganz Wichtiges gelernt etwas, das Kant in seiner Kritik der Urteilskraft als eine der drei Maximen für den Gemeinsinn formulierte ich zitiere: Jederzeit an der Stelle des anderen denken! Darum ist es so wichtig, dass wir uns heute hier zusammenfinden. Dass das XX. Else Lasker-Schüler- Forum weit über Solingen hinaus den Blick für unseren Auftrag aus der Geschichte schärft, uns für Humanität, Menschenwürde und Demokratie einzusetzen. Und dafür möchte ich allen Beteiligten auch im Namen der Schirmherrin, Frau Ministerpräsidentin Kraft, ganz herzlich danken! Ein Sprichwort aus der jüdischen Tradition lautet: Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Erinnern für die Zukunft trägt in einem ganz entscheidenden Maß dazu bei, wie wir in 75 oder in 100 Jahren unsere Demokratie gestalten und welche Chancen Menschen haben, sich frei und selbstbestimmt
9 9 zu verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern zu entwickeln. Erinnern für die Zukunft ist eine Basis für gelingende demokratische Bildung und für ein Europa, das in Frieden und Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität miteinander ins 21. Jahrhundert geht. Heute, morgen und auch übermorgen. Vielen Dank.
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