Schatzkammer Oberschwaben

Transkript

1 Rolf Waldvogel (Text) Volker Strohmaier (Fotos) Schatzkammer Oberschwaben Unterwegs zur Kunst zwischen Ulm und dem Bodensee

2 Inhaltsverzeichnis Einleitung Barock und noch viel mehr 7 Ulmer Münster Auf Augenhöhe mit der Antike 8 Kloster Wiblingen Wachablösung in Weiß und Gold 20 Blaubeurer Hochaltar Wunderwerk mit Wandelflügeln 30 Kloster Obermarchtal Nobles Nachtquartier für Marie Antoinette 40 Kloster Zwiefalten Heiliges Theater auf höchstem Niveau 48 Kloster Heiligkreuztal Neues Leben in einer alten Zisterze 60 Hohenzollernschloss Sigmaringen Ein Museum mit 300 Räumen 70 Kloster Schussenried Ein Prachtstück aus Nussbaum und Linde 84 Wallfahrtskirche Steinhausen Marienlob mit heiterer Note 100 Überlinger Münster Meisterschnitzer zwischen den Zeiten 110 Schloss Salem Gesamtkunstwerk von höchsten Graden 122 Wallfahrtskirche Birnau Salve Regina über dem Bodensee 138 Die Mainau Das Blumenschiff im Bodensee 148 Insel Reichenau Keimzelle der Klosterkultur 160 Neues Schloss Meersburg Rokoko-Residenz mit Seeblick 172 Schloss Tettnang Bankrott auf barocke Art 182 Villa Lindenhof, Lindau Ein Hauch von Mittelmeer 192 Stadt Wangen im Allgäu Mehr als nur bunte Postkartenkulisse 202 Kunstmuseum Ravensburg Moderne Note im Altstadtquartett 218 Kloster Weingarten Zum Ruhme der Reliquie 232 Schloss Wolfegg Ruhmeshalle für Herren und Haudegen 246 Schloss Wurzach Himmelwärts mit zwei Unbekannten 258 Kloster Ottobeuren Großer Wurf eines großen Abtes 268 Kloster Ochsenhausen Barocker Jubel mit gotischem Akzent 284 Braith-Mali-Museum, Biberach Zwei Malerfürsten und ihr Reich 292 Kunsthalle Weishaupt, Ulm Kostbares Schaugefäß der Moderne 304 5

3 Blaubeuren 3 Ulm Zwiefalten 5 Obermarchtal 4 Heiligkreuztal 6 Sigmaringen Bad Saulgau 8 9 Rot a. d. Rot Bad Wurzach 14 Reichenau Überlingen Salem 12 Mainau Meersburg Ravensburg Wangen i. Allgäu 17 Lindau 6

4 7 Sigmaringen Ein Museum mit 300 Räumen Das Schloss des Adelshauses Hohenzollern-Sigmaringen über der jungen Donau steht für eine jahrhundertelange Erfolgsgeschichte. 40 Pfennig verlangte Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen für eine Eintrittskarte zur Besichtigung seines Schlosses war das immerhin die Hälfte des Tageslohns einer Landarbeiterin. Aber dass der Fürst überhaupt dem gemeinen Volk die Tore öffnete und ihm seine Gemächer sowie seine Sammlungen präsentierte, war ein Novum in deutschen Adelskreisen. Und in dieser Tradition sieht sich auch die heutige Herrschaft. Das Führungsangebot gilt als das vielseitigste in ganz Deutschland vom Besuch der Hofbibliothek bis zur Kochshow, vom Kinderturnier bis zur Kriminacht. Nun hat das gewaltige Schloss rund 70 Meter über der jungen Donau ja auch einiges zu bieten. Mit seinen 300 Räumen spiegelt es die hohe gesellschaftliche Stellung der Familie, die im 19. Jahrhundert ihren Zenit erreichte. Begonnen hatte diese Erfolgsgeschichte allerdings rund 50 Kilometer weiter, wo bei Hechingen die Stammburg der Hohenzollern mit ihrer markanten Kulisse aus dem 11. Jahrhundert emporragt. Schnell hatte das Adelsgeschlecht Rang und Namen in Schwaben erhielt Graf Friedrich III. von Zollern vom Stauferkaiser Heinrich VI. sogar das Amt des mächtigen Nürnberger Burggrafen zuerkannt. Aber schon 1214 teilten sich seine beiden Söhne Friedrich IV. und Konrad I. den Familienbesitz auf. Der eine Zweig orientierte sich von Franken aus nach Nordosten und wurde später zum preußischen Kaiserhaus. Der andere Zweig begründete die schwäbische Linie, die von 1535 an auf Schloss Sigmaringen saß. Bereits 1623 in den Fürstenstand erhoben, spielten die Hohenzollern-Sigmaringen fortan eine bedeutende Rolle im europäischen Hochadel. Sie stellten die Könige von Rumänien, eine Dame des Hauses war die Mutter des ersten belgischen Königs, eine andere wurde Königin von Portugal. Und Bismarcks Plan, einen Sigmaringer Spross auf den spanischen Königsthron zu hieven, löste letztlich den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 aus. Dass das Schloss auf Befehl Hitlers von 1944 bis 1945 zum Sitz der französischen Vichy-Regierung wurde, lag allerdings nicht an den Hohenzollern. Sie mussten dafür eigens ausziehen. Die Zimmerflucht von Maréchal Pétain und Gefolge gehört heute zwar zur Schlossbesichtigung, aber in diesem grandiosen Herrschaftssitz ist sie dann doch nur eine Marginalie. Der Parcours hebt an im Schlosshof, der noch mittelalterliches Erbe spiegelt (rechts). Danach gibt vor allem der Historismus den Ton an, denn nach einem verheerenden Brand 1893 hatte man den gesamten Ostflügel neu hochziehen müssen. In der Kanonenhalle lassen sich die Empfangsrituale nachempfinden. Gleich daneben die Schlosskapelle mit ihrer Symbiose von Spät- und Neugotik, die allerdings nur bei Sonderführungen zu besichtigen ist. In der Beletage reihen sich dann die Prachträume wie Perlen aneinander. Im Grünen Salon lebt die Ägypten-Manie des 19. Jahrhunderts fort, der Blaue Salon war das Schreibzimmer der Fürstinnen, der Schwarze Salon diente als Raucherzimmer für die Herren, und im Roten Salon schließlich versammelte man sich, um im Französischen Salon zu speisen. Fast Mark ließ sich Fürst Karl Anton den prunkvollen Ahnensaal kosten, in dem 26 Vorfahren hoheitsvoll von den Wänden blicken. Und ein Schmuckstück besonderer Art ist die Portugiesische Galerie, die Fürst Leopold seine Frau stammte aus dem Königshaus Portugals nach 1902 erbaute. Mit ihren kostbaren Gobelins, Muschelbrunnen und Figuren der antiken Mythologie über 40 Meter hinweg liefert sie heute noch das noble Ambiente für Feste und Konzerte. Jagdleidenschaft und Wehrhaftigkeit einer Adelsfamilie werden in der Hubertushalle und vor allem in der Waffenhalle lebendig, die zu den größten Sammlungen in Europa zählt. Und auf keinen Fall versäumen darf der Besucher die 1867 erbaute Kunsthalle im Stil der Tudor-Neugotik. Ursprünglich als Bibliothek geplant, nahm sie die Schätze des Hauses auf ein Kleinod, in ganz Süddeutschland ohne Konkurrenz. 70

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