2. Sondergerichte und Volksgerichtshof
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1 2. Sondergerichte und Volksgerichtshof Der Wandel vom Rechtstaat zum Unrechtssystem ( Furchtbare Juristen 1 ) Ort: Gerichtssaal Quelle: Reichstagsbrandverordnung vom (Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat) Ermächtigungsgesetz vom Heimtückegesetzt vom 20. Dezember 1934 Material: Quelle: Lübecker General-Anzeiger vom Zeitungsartikel über den Fall: Die Strafsache Fick/Kaehding Foto: Deckblatt Strafakte Fülscher. Auszüge aus dem Reichsgesetzblatt Aufgabe: 1. Stelle das Sondergericht vor (Quelle: Lübecker General-Anzeiger, ). 2. Erkläre mit Hilfe der Gesetzestexte, wie im Dritten Reich Heimtücke und Hochverrat bestraft werden sollten (Quelle: Heimtückegesetz und Reichstagsbrandverordnung). Nenne dabei auch die Namen der Quellen. 3. Gib den Inhalt deiner Quelle (Die Strafsache Fick/Kaehding Lübecker General-Anzeiger, , Fotos) wieder. Was wird Fick/Kaehding vorgeworfen? 4. Erkläre mit Hilfe des Aktendeckels der Strafakte, was nach dem Prozess aus Edmund Fülscher wurde und wo er seine Strafe absaß? 1 Ingo Müller: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, München 1987.
2 Quelle: Lübecker General-Anzeiger vom Schärfster Kampf gegen die Gerüchteverbreiter. Das Hamburger Sondergericht wird in Lübeck verhandeln Am Montag, dem 29. Januar um 10,15 Uhr wird das Hamburger Sondergericht, das gebildet worden ist auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung, nach Lübeck kommen, um hier gegen Verleumder zu verhandeln. Solche Sondergerichte sind bei allen Oberlandesgerichten gebildet worden. In minder wichtigen Fällen verhandeln sie an ihrem Orte,.. Die erwähnte Verordnung des Reichspräsidenten sieht auch gegen Gerüchtemacher scharfe Strafen vor. Der Par. 3 der Verordnung lautet: 1. Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reiches oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbände schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufgestellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft. 2. Ist durch die Tat ein schwerer Schaden für das Reich oder ein Land entstanden, so kann auf Zuchthausstrafe erkannt werden. 3. Wer die Tat grobfahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Gegen das Urteil des Sondergerichts gibt es keine Berufung und keine Revision. Es ist endgültig. Es gibt auch keine Voruntersuchung (...) Lübecker General-Anzeiger vom
3 Die Strafsache Fick/Kaehding In der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 1932 kam es im Lokal Feller in der Hundestraße zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Reichsbannermännern Johannes Fick und Karl Kaehding und dem Nationalsozialisten Willi Meinen. Beide Reichsbannerleute hatten im Laufe des Abends reichlich Bier getrunken. Die Auseinandersetzung wurde wenig später in der Hundestraße fortgesetzt. Fick und Kaehding verfolgten, den flüchtenden Meinen und schlugen, und stachen auf ihn ein. Er verblutete auf der Straße. Ein Jahr nach der Tat unterdessen waren die Nationalsozialisten an der Macht wurden beide verhaftet. In einem normalen Rechtssystem wären sie wahrscheinlich wegen Totschlages in einem minderschweren Fall (wegen des Alkoholgenusses) angeklagt worden und mit einer längeren Zuchthausstrafe davon gekommen. Die Nationalsozialisten machten aus dem Verfahren einen Schauprozess vor dem Lübecker Schwurgericht. Unter Anwesenheit der gesamten Lübecker NSDAP-Spitze unter Führung von Gauleiter und Reichsstatthalter Friedrich Hildebrand wurden beide wegen Mordes zum Tode verurteilt. Mildernde Umstände wurden nicht gewährt. Kaehding erhängte sich kurz nach der Urteilsverkündung in seiner Zelle, Johannes Fick wurde am 8. März 1934 im Hof des Burgklosters hingerichtet. Der Mordprozeß Meinen. Heute morgen 9 Uhr beginnt vor dem Schwurgericht der Prozeß gegen die ehemaligen Reichsbannerleute Kehding (!) und Fick wegen Ermordung des SA.-Mannes Meinen und gegen den Maschinenschlosser Koop und den Hafenarbeiter Kreuzfeldt wegen Meineides in derselben Sache. (...) Kehding (!) und Fick sind des Mordes angeklagt. (Par. 211.)(...) Lübecker General-Anzeiger
4 Zwei Todesurteile im Meinen-Prozeß. Das Urteil: (...) Das Gericht kam auf Grund der Beweisaufnahme zu der Erkenntnis, daß beide den Mord mit Vorsatz und Überlegung ausführten. So blieb nur die Todesstrafe übrig. Wenn wir überhaupt im politischen Kampfe wieder zu einer Achtung des Menschenlebens kommen wollen, so muss das Gesetz in voller Strenge gegen solche Mordbuben angewandt werden. (...) Lübecker General-Anzeiger vom Der Mord an Willi Meinen gesühnt. Hinrichtung des Mörders Johannes Fick. Gesternmorgen wurde, wie Oberstaatsanwalt Dr. Wex durch Anschlag bekannt gab, der Mörder des Handlungsgehilfen Willi Meinen, Johannes Martin Georg Fick, geboren am 18. April 1903, zuletzt wohnhaft in Moisling, durch Enthauptung hingerichtet. Lübecker General-Anzeiger vom Johannes Martin Georg Fick und Karl Kaehding
5 Foto: Deckblatt Strafakte Fülscher
6 Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Vom 28. Februar 1933 Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte folgendes verordnet: 1 Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig. [ ] 5 Mit dem Tode sind die Verbrechen zu bestrafen, die das Strafgesetzbuch in den 81 (Hochverrat), 229 (Giftbeibringung), 307 (Brandstiftung), 311 (Explosion), 312 (Überschwemmung), 315 Abs. 2 (Beschädigung von Eisenbahnanlagen), 324 (gemeingefährliche Vergiftung) mit lebenslangem Zuchthaus bedroht. Mit dem Tode oder, soweit nicht bisher eine schwerere Strafe angedroht ist, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren wird bestraft: 1. Wer es unternimmt, den Reichspräsidenten oder ein Mitglied oder einen Kommissar der Reichsregierung oder einer Landesregierung zu töten oder wer zu einer solchen Tötung auffordert, sich erbietet, ein solches Erbieten annimmt oder eine solche Tötung mit einem anderen verabredet; 2. wer in den Fällen des 115 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (schwerer Aufruhr) oder des 125 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (schwerer Landfriedensbruch) die Tat mit Waffen oder in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Bewaffneten begeht; 3. wer eine Freiheitsberaubung ( 239) des Strafgesetzbuchs in der Absicht begeht, sich des der Freiheit Beraubten als Geisel im politischen Kampfe zu bedienen. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Berlin, den 28. Februar Der Reichspräsident von Hindenburg
7 Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933 Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird, nachdem festgestellt ist, dass die Erfordernisse Verfassung ändernder Gesetzgebung erfüllt sind: Artikel 1 Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. Dies gilt auch für die in den Artikeln 85 Abs. 2 und 87 der Reichsverfassung bezeichneten Gesetze. Artikel 2 Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt. Artikel 3 Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze werden vom Reichskanzler ausgefertigt und im Reichsgesetzblatt verkündet. Sie treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. Die Artikel 68 bis 77 der Reichsverfassung finden auf die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze keine Anwendung. Artikel 4 Verträge des Reichs mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen nicht der Zustimmung der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften. Die Reichsregierung erlässt die zur Durchführung dieser Verträge erforderlichen Vorschriften. Artikel 5 Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird. Berlin, den 24. März 1933 Der Reichspräsident von Hindenburg Der Reichskanzler Adolf Hitler Der Reichsminister des Innern Frick Der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath Der Reichsminister der Finanzen Graf Schwerin von Krosigk
8 Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934 Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: Artikel 1 1 (1) Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder das Ansehen der Reichsregierung oder das der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Wer die Tat grob fahrlässig begeht, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Richtet sich die Tat ausschließlich gegen das Ansehen der NSDAP oder ihrer Gliederungen, so wird sie nur mit Zustimmung des Stellvertreters des Führers oder der von ihm bestimmten Stelle verfolgt. 2 (1) Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Den öffentlichen Äußerungen stehen nichtöffentliche böswillige Äußerungen gleich, wenn der Täter damit rechnet oder damit rechnen muß, daß die Äußerung in die Öffentlichkeit dringen werde. (3) Die Tat wird nur auf Anordnung des Reichsministers der Justiz verfolgt; richtet sich die Tat gegen eine leitende Persönlichkeit der NSDAP, so trifft der Reichsminister der Justiz die Anordnung im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers. (4) Der Reichsminister der Justiz bestimmt im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers den Kreis der leitenden Persönlichkeiten im Sinne des Absatzes 1.
9 Verordnung des Reichspräsidenten gegen Verrat am Deutschen Volke und hochverräterische Umtriebe vom 28. Februar 1933 Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet: 2. A b s c h n i t t Bekämpfung hochverräterischer Umtriebe 5 (1) Ist bei einem Hochverrat die Tat darauf gerichtet, die Reichswehr oder die Polizei zur Erfüllung ihrer Pflicht untauglich zu machen, das Deutsche Reich und seine Länder gegen Angriffe auf ihren äußeren oder inneren Bestand zu schützen, so ist auf die in den 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs angedrohte Zuchthausstrafe zu erkennen. (2) Bei mildernden Umständen ist die Strafe in den Fällen des 81 des Strafgesetzbuchs Zuchthaus, in den Fällen der 83 bis 85 des Strafgesetzbuchs Gefängnis nicht unter einem Jahre, in den Fällen des 86 des Strafgesetzbuchs Gefängnis von einem bis zu drei Jahren. 6 (1) Wer eine Druckschrift, deren Inhalt durch Aufforderung oder Anreizung zum gewaltsamen Kampf gegen die Staatsgewalt oder zu dessen Vorbereitung oder durch Aufforderung oder Anreizung zu einem hochverräterischen Bestrebungen dienenden Streik in einem lebenswichtigen Betrieb, Generalstreik oder anderen Massenstreik oder in anderer Weise den Tatbestand des Hochverrats ( 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs) begründet, herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hält, obwohl er bei sorgfältiger Prüfung der Schrift den strafbaren Inhalt hätte erkennen können, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. (2) Auf Gegenstände, die zur Begehung eines nach dieser Vorschrift strafbaren Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, findet 86 a des Strafgesetzbuchs entsprechende Anwendung.
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