Havarie einer Chemiekolonne durch innere Explosion
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- Adam Breiner
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1 Havarie einer Chemiekolonne durch innere Explosion In der DDR hatte man die Erzeugung von Stadtgas im VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe konzentriert. Am explodierte dort im Strang 4 die Kolonne D70, ein so genannter Feinwaschturm. Die Rauchwolke wurde von einem überfliegenden Verkehrsflugzeug aus gesichtet und gemeldet. In der betroffenen Kolonne wurden die Verunreinigungen des Gases insbesondere der Schwefelwasserstoff durch Lösung in kaltem Methanol entfernt. Der Turm war in auffällig viele Teile zerfallen. Die Fragmente hatten teilweise recht große Flugstrecken zurückgelegt (ein Unbeteiligter wurde getroffen), so dass man auch Ballistiker zu Rate zog. Technische Daten: Betriebsdruck: 2,25 MPa Betriebstemperaturen a) im Bereich des Gaseintritts: 65 oc b) im Bereich des Gasaustritts: 45 oc Medium: Gas und Methanol Werkstoff: Stahl: HSB 50S bei Wanddicke 26 mm und 17MnSiV5 bei Wanddicke 25 mm. Der Stahl HSB 50 ist gegenüber dem17mnsiv5 im Kohlenstoffgehalt etwas verarmt (0,1%) und enthält auch kein Vanadium. Die Teile wurde eingesammelt und der Turm am Boden wieder zusammengelegt. Man suchte nach einem Anriss (Ermüdung, Wasserstoffversprödung), der für die Schadensauslösung in Frage kam. Man fand allerdings nur durchlaufende Gewaltbrüche. Der Bruch zog vorzugsweise entlang der Innenwand und bog dann zur Außenwand ab. Teilweise fand sich auch ein symmetrisches Fischgrätenmuster (Bild 1 und Bild 2).
2 Bild 1: Bruchflächen von verschiedenen Bruchstücken, a) und b) Rissausbreitung vorzugsweise entlang der Innenwand c) symmetrisches Fischgrätenmuster (Aufnahmen: SATÜ) Bild 2: lichtoptische Makroaufnahme der Bruchfläche; Rissverlauf parallel zur Innenwand, dann Eindrehen zur Außenwand 2
3 Die Übersichtsaufnahme mit dem REM bestätigt diesen Trend (Bild 3). Bild 3: Übersichtsaufnahme mit dem REM; Innenwand unten, die Bruchfront liegt immer senkrecht zu den Bruchsträhnen. 3
4 Bei höheren Vergrößerungen zeigt sich Spaltbruch, also ein transkristalliner Rissverlauf (Bild 4 und Bild 5). Bild 4: transkristalliner Spaltbuch Bild 5: einzelne Spaltfacette (Ausschnitt aus Bild 4) 4
5 Im Auslauf der Bruchfronten kann sich die Bruchrichtung auch drehen, wie in Bild 6 und Bild 7 zu sehen ist. Bild 6: Einschlusshöhlen als feine Spalten Bild 7: Einzelfacette mit umgekehrter Laufrichtung (Ausschnitt aus Bild 6) 5
6 Im Zentrum des Bleches hatte der Bruch gröbere Einschluss-Spalten zu überwinden, was einen Neustart erzwang (Bild 8 und Bild 9). Bild 8: Zentrum der Probe mit größeren Spalten Bild 9: Rissneustart an EinschlussSpalte, Ätzgrübchen vom Anrosten her stammend (Ausschnitt aus Bild 8) 6
7 Eine zuführende Rohrleitung war ebenfalls zerlegt worden. Hier fanden sich auch Risse, die von außen her einliefen. Ein solcher Riss war hängen geblieben und wurde aufgebrochen. Der Anriss war spröde, der Labor-Bruch dagegen duktil erfolgt (Bild 10 und Bild 11). Bild 10: Außenriss (A) aufgebrochen, Restbruch (R) als Scherbruch Bild 11: Spaltbruch oben, Scherzonen und Waben unten (Ausschnitt aus Bild 10) Mechanische Eigenschaften: Bei der mechanischen Prüfung erwiesen sie die Stähle als einwandfrei, das galt auch für Bestimmung der Kerbschlagzähigkeit bei der Arbeitstemperatur (DVM-Probe bei 65 oc). Auch an den Schweißnähten war nichts auszusetzen. 7
8 Diskussion Der Turm war praktisch zersplittert; die Teile hatten große Flugstrecken zurückgelegt. Weiterhin fand sich ausschließlich Sprödbruch, der vorwiegend von der Innenseite her einlief. Da der Stahl ausreichend zäh war, musste man den Sprödbruch als Folge einer ungewöhnlich hohen Belastungsgeschwindigkeit ansehen, also letztlich einer Explosion. Diese konnte wiederum nur im Inneren des Turmes abgelaufen sein. Es wurde die Möglichkeit betrachtet, dass irgendwie echter Sprengstoff in den Turm gelangt war, analog zu Bomben und Granaten. In diesem Fall läuft zunächst ein Druckimpuls durch die Wand, wird dort reflektiert und kommt als Zugspannung zurück. Es findet kein Temperaturausgleich statt, und die Gleitbänder heizen sich auf. Die Folge ist ein adiabatisches Scheren; es stellt sich letztlich ein Scherbruch ein. Der Durchmesser des Rohres verdoppelt sich dabei [1] - [3]. Mit dem Auftreten eines normalen Sprödbruches war die vorliegende Explosion dagegen als relativ weich einzustufen, wie es für Gasexplosionen typisch ist. Energieträger der Explosion war also das Medium selbst. Zu klären war, wie Sauerstoff in das System gelangen konnte. Tatsächlich bestand eine Verbindung zu einer Luftzerlegungsanlage, durch die normalerweise Stickstoff eingespeist wurde (zum Anheben der Gasdichte). Weiterhin wurde nach einer zündfähigen Masse gesucht. Es kam nur eine Ablagerung von pyrophoren (griechisch für feuertragend ) Verbindungen in Frage. Sie haben die Eigenschaft, beim Zutritt von Sauerstoff von allein in Brand zu geraten. Unter den gegebenen Bedingungen konnten das nur Verbindungen des Schwefels sein ( Schwefelleber ). Ihre Anwesenheit wurde bestätigt. Von offizieller Seite hieß es:..., dass die Havarie im Prozess der Druckvergasung, unbeeinflussbar vom Bedienungspersonal, verursacht wurde. Es kam zu einer zu hohen Sauerstoffanreicherung, wodurch ein zündbares Gas-Sauerstoff-Gemisch entstand, das zur Explosion in einer Kolonne der Gasreinigung führte. [4] Zusammenfassung Die Havarie ergab sich aus der Reaktion von Sauerstoff (ungeplanter Eintritt) mit pyrophoren Schwefelverbindungen. Literatur [1] Eriksson, L.: A study of the fragmentation of cylindrical shells of four carbon steels. 3. Internationale Tagung über den Bruch, München 1973, Bd. XI, III [2] Hoggatt, Ch., R.; Recht, R. F.: Fracture behavior of tubular bombs. J. Applied Physics 39 (1968). S [3] Samuels, L. E.; Lamborn, I. R.: Failure analysis of armament hardware. Metallography in failure analysis. Plenum Publishing: New York und London, 1978, S [4] Die Ursache der Havarie in Schwarze Pumpe geklärt Mitteilung des Leiters der Expertenkommission. Neues Deutschland vom ; Seite 1, unten Martin Möser, ( ) 8
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