Eine Veranstaltung im Rahmen der Kooperation mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung.

Transkript

1 Podiumsdiskussion Kumulativer Extremismus: Erscheinungsformen und Konsequenzen in Europa und Österreich Eine Veranstaltung im Rahmen der Kooperation mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung. Summary erstellt von: Lydia Letsch Keywords: Dschihadismus, Rechtsextremismus, reziproke Radikalisierung

2 Vortragende: Julia Ebner, Institute for Strategic Dialogue, London und Autorin des Buches Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen Stefanie Mayer, FH Campus Wien Daniela Pisoiu, oiip Datum und Uhrzeit: 28. März :00 Uhr Veranstaltungsort: oiip, Berggasse 7, 1090 Wien Zusammenfassung Islamistische Radikalisierung und Terrorismus scheinen zurzeit eine der größten Bedrohungen für europäische Gesellschaften darzustellen. Gleichzeitig verzeichnen europäische und internationale Organisationen steigende Tendenzen in anderen Bereichen des Extremismus, vor allem in Bezug auf Hassverbrechen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Jüngste Forschungen weisen auf die Parallelen in Radikalisierungsprozessen von Individuen verschiedener ideologischer Richtungen bzw. auch auf sich gegenseitig befördernde Dynamiken hin. Einzelne AutorInnen konstatieren sogar ideologische Ähnlichkeiten. Die Paneldiskussion widmete sich diesen empirischen und theoretischen Entwicklungen und stellte das jüngst erschienene Buch von Julia Ebner in den Mittelpunkt. 2

3 Das Verhältnis von Islamismus und Rechtsextremismus Julia Ebners Beitrag bezog sich auf ihr Buch mit dem Titel Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen. Im Zuge ihrer Recherche untersuchte sie über einige Monate hinweg rechtsextremistische Gruppierungen wie z.b. die Identitäre Bewegung oder die English Defence League aber auch IslamistInnen. Ihre Forschung beinhaltete persönliche Kontakte ebenso wie online Recherche. Bevor sie sich dem Phänomen des Rechtsextremismus zuwandte, hat sie sich als ehemalige Mitarbeiterin der Quilliam Foundation näher mit der Problematik des Dschihadismus auseinandergesetzt und dort auch Kontakte mit AussteigerInnen aufbauen können. Laut Ebner existieren zahlreiche Parallelen und Überlappungen in den Strategien, Ideologien und Zielsetzungen in den unterschiedlichen Formen des Extremismus. Dabei kann nicht nur von Wechselwirkungen zwischen den Extremismen gesprochen werden, sondern es ist auch wichtig zu untersuchen, welchen Einfluss Gesellschaft und Politik auf die Beschleunigung der reziproken Radikalisierungsprozesse ausüben. Auf der ideologischen Ebene geht Julia Ebner von der Idee einer wechselseitigen Komplementarität der Weltbilder aus, die zumeist auf Opfernarrative aufbauen. Sowohl DschihadistInnen als auch RechtsextremistInnen berufen sich auf einen unvermeidbaren Krieg zwischen dem Islam und den Westen. Während DschihadistInnen anti-muslimische Politik gezielt als Rekrutierungsinstrument einsetzen, instrumentalisieren rechtsextremistische Gruppierungen beispielsweise dschihadistische Anschläge für ihre Ziele. Diese Strategien beabsichtigen das Hervorrufen von politischen und gesellschaftlichen Überreaktionen, die zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Gemeinsamkeiten lassen sich auch in der Zielsetzung finden, da beide Gruppierungen den Aufbau eines autoritären Staates anstreben, in welchem das homogene politische Kollektiv über die Grundrechte des Individuums gestellt wird. Während rechtsextreme Bestrebungen eine Gesellschaft nach dem Prinzip der ethnischen Homogenität aufbauen wollen, basiert die von islamistischen Gruppen vertretene Utopie des Kalifats auf einer exklusiven Interpretation des Islams. In der Verbreitung des Weltbildes setzen beide Extremismen darauf gleiche Metanarrative zu verbreiten. Die von ExtremistInnen vor allem im online Bereich angeleiteten Hasskampagnen zielen darauf ab, PolitikerInnen, JournalistInnen und andere kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. 3

4 Rechtextremismus und Salafismus in Österreich: Dieselben Feindbilder? Stefanie Mayer diskutierte das Phänomen des Rechtsextremismus in Österreich auf ideologischer Ebene. Sowohl Rechtsextremismus als auch islamistische Extremismen berufen sich auf gemeinsame Feindbilder wie den Liberalismus, die liberale Demokratie oder die Menschrechte, denen die völkische (bzw. religiöse) Gemeinschaft entgegensetzt wird. Stefanie Mayer plädierte dafür, den Rechtsextremismus als Ideologie der Ungleichheit zu framen. Historisch betrachtet ist der Rechtsextremismus stark mit dem Deutschnationalismus verbunden, der mit der Erfindung der österreichischen Nation nach 1945 an Bedeutung verloren hat. Seit Anfang der 1990er Jahre erlebte Österreich mit dem Aufleben eines österreichischen Nationalismus einen zunehmenden Einfluss rechtspopulistischer Strategien und damit auch eines parteiförmigen Rechtsextremismus. Laut Stefanie Mayer verfolgen aktuelle RechtsextremistInnen und insbesondere die sogenannte Neue Rechte eine Metapolitik, die nach politischem Einfluss durch Kampf um kulturelle Hegemonie strebt, um eine politische Machtübernahme zu erreichen. Eine weitere Veränderung ist das Überführen des alten völkischen Denkens in einen neuen Ethnonationalismus. Im Gegensatz zum völkischen Denken betont der sogenannte Ethnopluralismus die Verschiedenheit aller Ethnien. Diese Ethnien existieren nebeneinander, sollen sich aber nicht mischen. Dieser ethnonationalistische Ansatz verfolgt dabei laut Mayer das Prinzip der Pflicht zur Differenz und zeichnet sich durch eine Ablehnung des Universalismus, von individuellen Menschenrechten bzw. des Liberalismus, aus. Der Liberalismus ist nicht nur für RechtsextremistInnen, sondern auch für DschihadistInnen ein Feindbild. Daniela Pisoiu erläuterte die aktuelle Situation des Dschihadismus in Österreich im Allgemeinen und in Relation zu einigen der Hauptthesen in Julia Ebners Buch. Bisher sind DschihadistInnen in Österreich vor allem als Foreign Fighters auffällig geworden. In proportionalen Zahlen auf die Gesamtbevölkerung gesehen, liegt Österreich auf dem zweiten Platz in Westeuropa nach Belgien. Gleichzeitig kommen aus Österreich zentrale Persönlichkeiten der transnationalen dschihadistischen Szene, wie etwa der Austrodschihadist Mohamed Mahmoud. Mahmoud wurde 2008 in Österreich verurteilt und inhaftiert, konnte aber wohl aufgrund mangelnder Deradikalisierungsstrategien nach seinem Gefängnisaufenthalt seine Aktivitäten in der salafistischen Szene fortsetzen. 4

5 Die österreichische Szene ist nicht überwiegend jung, sondern setzt sich aus Angehörigen unterschiedlicher Altersgruppen zusammen. So wie in anderen europäischen Ländern auch, sind die Mitglieder der Szene sowohl online als auch offline aktiv. Obwohl sie nicht als tief religiös eingestuft werden können, praktizieren österreichische DschihadistInnen eine gelebte Religion indem sie ein bestimmtes Set religiöser Verhaltensregeln befolgen. Auffällig bei Foreign Fighters sind vorherige Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt, sodass in diesem Kontext die ökonomische Attraktivität des foreign fighting als einigermaßen logisch erscheint. Pisoiu versucht die zuvor vorgestellten Feindbilder extremistischer Gruppen in den österreichischen Kontext zu setzen. Auch sie sieht die Polarisierung und die Entmenschlichung des Fremden als zentrale Elemente dschihadistischer Rhetorik. So spricht etwa der Austrodschihadist Mahmoud von einer verseuchten Gesellschaft, die von Verwestlichung geprägt ist. Lösungsansätze: Dialog auf Augenhöhe Das Panel kam auch auf mögliche Lösungsansätze zur Eindämmung reziproker Radikalisierung zu sprechen. Julia Ebener berichtete von Erfolgsgeschichten von AussteigerInnen aus der islamistischen und Neonazi Szene und welchen Effekt diese haben können. Dabei erachtete sie es als wichtig, gemeinsame Begegnungen zu ermöglichen. Durch diese direkten Unterhaltungen werden Menschen mit anderen Meinungen konfrontiert und sensibilisiert. Gleichzeitig ist es laut Ebner wichtig, ein Verständnis für die Motivation sowohl rechtsextremistischer als auch dschihadistischer Bestrebungen zu entwickeln. Deradikalisierung und Prävention sollte vor allem bei der Arbeit mit Jugendlichen ansetzen, da diese am empfänglichsten für Radikalisierungs- und Rekrutierungsversuche extremistischer Gruppen sind. Ansätze der Prävention und Deradikalisierung müssen laut den Vortragenden einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz verfolgen und sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene umgesetzt werden. 5