Standards im Bildungsbereich: Effekte und Nebenwirkungen
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- Florian Keller
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1 Standards im Bildungsbereich: Effekte und Nebenwirkungen Workshop der ARGE Bildung und Ausbildung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Standards bildungs- und testtheoretische Grundlagen: Anspruch und Realität Jürgen Baumert Univ.Prof. Dr. Jürgen Baumert Max-Planck-Institut Lentzeallee 94 D Berlin sekbaumert@mpib-berlin.mpg.de
2 Überblick 1. Was sind Bildungsstandards? 2. Was sind gute Bildungsstandards? 3. Der pragmatische Weg der KMK: erste Lösungen 4. Bildungstheoretische Grundlagen und offene Fragen bei der Festlegung von Bildungszielen und Inhalten 5. Standards und Lehrpläne: Ergänzung oder Widerspruch? 6. Was sind Kompetenzmodelle und Kompetenzstufen? 7. Geplantes Vorgehen der KMK und Optionen der Länder 8. Qualitätsentwicklung im Unterricht durch Standards? 9. Instrumente der Qualitätsentwicklung 10. Herausforderungen: Standards und Rechenschaftslegung
3 Was sind Standards? Definition Standards sind verbindlich erachtete Gütemaßstäbe, die entweder auf (a) normativen Vorgaben oder (b) empirisch anzutreffenden Verteilungen beruhen. Beispiele: (a) EPAs (Einheitliche Prüfungsordnungen für die Abiturprüfung: Ziele, Inhalte, Niveaus) (b) Britische Bildungsstandards (attainment targets)
4 Worauf beziehen sich Standards? (1) Bildungsinhalte (content standards) Beispiele: Lehrpläne (2) Bildungsprozesse und Lerngelegenheiten (opportunity-to-learn standards) Beispiel: NCTM-Standards (3) Bildungsergebnisse (performance standards) Beispiel: Nationale Tests in Schweden oder den Niederlanden
5 Wie werden Standards graduiert? (1) Mindeststandards (pass/fail) (2) Regelstandards (Mittlere Erwartung) (3) Exzellenzstandards (pass with distinction)
6 Ausgangspunkt der Diskussion in Deutschland: Expertise von Klieme u.a. (2003) Bildungsstandards (BS) formulieren Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie benennen Ziele für die pädagogische Arbeit als Lernergebnisse. BS orientieren sich an allgemeinen Bildungszielen und konkretisieren diese in Anforderungen. BS konkretisieren Ziele durch die Beschreibung von Kompetenzen, über die Schüler verfügen müssen, wenn ein Ziel als erreicht gelten soll. BS konkretisieren die Kompetenzen durch Aufgabenstellungen und Verfahren, mit denen der Erwerb einer Kompetenz überprüft werden kann.
7 Merkmale guter Standards (nach Klieme u.a.) (1) Bildungstheoretische Einbettung des Unterrichtsfachs/der Domäne
8 Beispiel: Bildungstheoretische Verortung von PISA
9 Grundstruktur der Allgemeinbildung und des Kanons Modi der Weltbegegnung (Kanonisches Orientierungswissen) Kognitiv - instrumentelle Modellierung der Welt Mathematik Naturwissenschaften Ästhetisch - expressive Begegnung und Gestaltung Sprache/Literatur Musik/Malerei/Bildende Kunst Physische Expression Normativ - evaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft Geschichte Ökonomie Politik/Gesellschaft Recht Probleme konstitutiver Rationalität Religion Philosophie Basale Sprach - und Selbstregulationskompetenzen (Kulturwerkzeuge) Beherrschung der Mathematisie - Verkehrssprache rungskompetenz Fremdsprachl. Kompetenz IT - Kompe - tenz Selbstregula - tion des Wis - senser werbs
10 Merkmale guter Standards (nach Klieme u.a.) (1) Bildungstheoretische Einbettung des Unterrichtsfachs/der Domäne (2) Explikation der Philosophie und Struktur des Unterrichtsfachs/der Domäne
11 Beispiel: Mathematisches Modellieren und Mathematik als Symbolsystem eigenen Rechts
12 Der Prozess des Mathematisierens Modell verarbeiten Konsequenzen Mathematik interpretieren Welt mathematisieren Situation validieren Ergebnisse Problem Lösung
13 Merkmale guter Standards (nach Klieme u.a.) (1) Bildungstheoretische Einbettung des Unterrichtsfachs/der Domäne (2) Explikation der Philosophie und Struktur des Unterrichtsfachs/der Domäne (3) Kumulativität (4) Differenzierung im Niveau innerhalb der Kompetenzdimensionen (5) Fokussierung und Verständlichkeit (6) Verbindlichkeit der Kompetenzstruktur für alle (?) (7) Herausforderung und Realisierbarkeit (?) (8) Revidierbarkeit mit dem Ziel der Niveausteigerung
14 Lösungen der KMK Mathematik, Englisch, Deutsch (1) Anknüpfung an Expertise (2) Aufnahme fachdidaktischer Diskurse in der Strukturierung der Domänen (3) Entscheidung für Performanz- und Stoffstandards (4) Offenheit zu allgemeinen Bildungszielen und zur bildungstheoretischen Diskussion (5) Empirische Normierbarkeit (6) Vorläufigkeit der Graduierung (Regelstandards) und derzeitige Normierung für den mittleren Abschluss (Mindeststandards, Regelstandards, Exzellenzstandards) (7) Anschlussfähigkeit für internationale Untersuchungen
15 Beispiel: Mathematik Leitideen (Zahl/Messen, Raum und Form, Funktion; Unsicherheit) Niveaustufen/ Anforderungsbereich (Reproduzieren, Zusammenhänge herstellen, Verallgemeinern) Mathematische Kompetenzen (Argumentieren; Modellieren; Aufgaben technisch lösen; Repräsentieren; Umgang mit Symbolen; Kommunizieren)
16 Beispiel: Deutsch Textsorten (?) Anforderungsbereiche (I-III) Kompetenzbereiche (Sprechen/Zuhören; Schreiben; Lesen/Medienumgang; Reflexion über Sprache)
17 Beispiel: Englisch Anforderungsniveau (ER B1+ =mittlerer Abschluss) Sprachliche Mittel (Aussprache; Orthographie; Wortschatz; Grammatik) B C A Funktionale Kompetenzen (Hören [Hören/Sehen]; Lesen; Sprechen; Schreiben; Vermitteln)
18 Standards und Lehrpläne: Ergänzung oder Widerspruch? (1) Standards als Etappen kumulativen Lernens (2) Standards als Element eines neuen Steuerungsmodells (3) Standards als Element der Qualitätsentwicklung
19 Was sind Kompetenzmodelle? (1) Was sind Kompetenzen? (2) Erfassung von Kompetenzen (3) Graduierung von Kompetenzen zum Zweck der Beschreibung (4) Festlegung von Niveaus als Graduierung von Standards
20 Vorgehen der Länder (1) Normierung von Standards auf nationaler Ebene (2) Freigabe von Beispielaufgaben (3) Verankerung von flächendeckenden Vergleichsarbeiten der Länder auf einer nationalen Metrik (4) Standardbasierte Ländervergleiche auf der Grundlage von Stichproben (5) Herausforderung I: Definition der Maßstäbe (Kompetenzstufen) (6) Herausforderung II: Klärung der Funktion der Standards im System der Rechenschaftslegung (accountability) (7) Herausforderung III: Klärung des Verhältnisses von Ländervergleichen und Vergleichsarbeiten
21 Wie können Standards für den Unterricht nutzbar gemacht werden? (1) Rezeption der didaktischen Philosophie der Standards (2) Neujustierung der didaktischen Aufmerksamkeit (3) Aktive Sicherung der Kumulativität des Lernens (4) Vorsichtige Weiterentwicklung von Unterrichtsskripts (5) Weiterentwicklung der Leistungsüberprüfung (6) Nutzung der vergleichenden Schulrückmeldungen zur Diagnose von Unterricht (7) Herausforderung: Umsetzung der Standards als Prozess
22 Instrumente der Umsetzung und institutionelle Unterstützung (1) Arbeit in der Fachgruppe (2) Aktive Erarbeitung der Philosophie der Standards durch fachbezogene schulinterne Fortbildung mit externer Unterstützung (3) Proaktive Rolle der Schulleitung (4) Gestaltungsfunktion des Schulprogramms (5) Kommunikation der Anforderungen in die Elternschaft (6) Institutionalisierter Umgang mit Schulrückmeldungen und interner und externer Evaluation (EVIT=Evaluation im Team) (7) Herausforderung: Sicherung von Mindeststandards ohne Steigerung der Selektivität
23 Befürchtete Nebenfolgen Testwertinflation durch: (1) Teaching to the test (Reallokation von Themen, Zeit, Aufgabenformaten) (2) Coaching (3) Täuschung
24 Testscore Inflation Mathematics (Testwechsel in der 3. Klasse) (Koretz, 2003)
25 Testscore Inflation in Kentucky (Koretz 2003)
26 Wo tritt Testwertinflation auf? (1) USA: Jährliche Testung Inflation nicht in allen Staaten, Untersuchungen erschwert (2) Niederlande: Halbjährliche Testung nicht geprüft, aber keine Anzeichen für Inflation festgestellt (3) Schweden: Keine Inflation berichtet (4) Frankreich: unbekannt,keine Daten (5) Deutschland: Anzeichen für systematische Differenzen zwischen Vergleichsarbeiten und Stichprobenuntersuchungen, aber keine Anzeichen für Trend
27 Worauf ist Testwertinflation zurückzuführen? Vermutung: System der Rechenschaftslegung und Höhe der stakes des Tests
28 Forschungsbedarf Untersuchung der Auswirkungen multipler stakes desselben Tests für unterschiedliche Ebenen des Systems: 1. Schüler 2. Lehrpersonen 3. Schulleiter/Schule 4. Politische Einheit (Bezirk/Land/Staat)
29 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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