Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 6. bis 16. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 6. bis 16. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll"

Transkript

1 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Junisession vom 6. bis 16. Juni 2011 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang

2 Gliederung Tagblatt Inhaltsverzeichnis Tagblätter Parlamentarische Eingänge Bestellung von Kommissionen Beilagen der Session Hinweis Aus technischen Gründen entspricht diese Version des Tagblattes bei den Seitenzahlen nicht genau dem offiziellen, gedruckten Tagblatt des Grossen Rates. Über die Suchfunktion im Acrobat Reader (Feldstechersymbol) kann nach bestimmten Geschäften und Begriffen gesucht werden:

3 Inhaltsverzeichnis Junisession 2011 I Inhaltsverzeichnis Junisession Allgemeines Präsidialansprachen Aus dem Amt scheidender Präsident, Gerhard Fischer 453, 454 Neu gewählter Präsident Beat Giauque , 459 Eintritt neuer Mitglieder in den Grossen Rat Verabschiedung zweier Mitglieder des Grossen Rats Verabschiedung von Frau Alexandra Heeb, Sekretariatsleiterin der FIKO Vereidigung des neu gewählten Oberrichters Ordnungsanträge , 465, 467, 596, 714 Dringlicherklärung parlamentarischer Vorstösse Fragestunde Parlamentarische Eingänge Bestellung von Kommissionen Geschäftsbericht 2010 der Pädagogischen Hochschule Bern (PH Bern) Rechenschaftsbericht 2009 der Strategischen Ausschüsse der Fachhochschule Westschweiz (FH- WCH/HES-SO) an die Mitglieder der Interparlamentarischen Aufsichtskommission (IPK); Jahresrechnung 2009; Finanzplanung und provisorische Budgets Jahresbericht 2010 der Interparlamentarischen Aufsichtskommission über die Fachhochschulen Westschweiz und Fachhochschule Gesundheit und Soziale Arbeit (IPK FH-Westschweiz) HEP-BEJUNE, zweijähriger Rechenschaftsbericht Tätigkeitsbericht der Rekurskommission für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern für das Jahr Bericht Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung Gesetze Musikschulgesetz (MSG). Zweite Lesung Schlussabstimmung Gesetz über freiheitsbeschränkende Massnahmen im Jugendstraf- und -massnahmenvollzug und in der stationären Jugendhilfe (FMJG) Erste und einzige Lesung Schlussabstimmung Einführung des neuen Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts: Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB) (Änderung) Erste und einzige Lesung Dekrete Dekret über die Anpassung von Dekreten an das neue Immobiliarsachenrecht des Bundes Wahlen Diskussion , Wahl des Präsidenten des Grossen Rats Wahl der ersten Vizepräsidentin des Grossen Rats Wahl des zweiten Vizepräsidenten des Grossen Rats Wahl des Präsidenten der Regierung Wahl des Vizepräsidenten der Regierung Wahl der Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler Wahl eines Mitglieds der Oberaufsichtskommission (Ergänzungswahl) Wahl eines Mitglieds deutscher Muttersprache für das Obergericht (Ergänzungswahl) Wahl von fünf Fachrichterinnen und Fachrichtern der regionalen Schlichtungsbehörden für mietrechtliche Streitigkeiten (Ergänzungswahl) Wahl einer Fachrichterin des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten KUVM (Ergänzungswahl) Grossratsbeschlüsse Grossratsbeschluss betreffend die Volksinitiative «Bern erneuerbar» , 531 Berichte Tätigkeitsbericht der Finanzkontrolle für das Jahr Bericht der Oberaufsichtskommission über ihre Tätigkeit im Jahr Tätigkeitsbericht des Ratssekretariats für das Jahr Bericht 2010 der Datenschutzaufsichtsstelle Zweiter Bericht des Regierungsrats an den Grossen Rat über die Aussenbeziehungen des Kantons Bern Geschäftsbericht 2010 der Universität Bern Geschäftsbericht 2010 der Berner Fachhochschule (BFH) Dringliche Motionen /11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Diskussion (Nach Diskussion zurückgezogen) , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Bauen, Münsingen (Grüne). Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Bauen, Münsingen (Grüne). Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP) / Zumstein, Langenthal (FDP). Kontrolliertes Notrecht

4 II Inhaltsverzeichnis Junisession /11 Etter, Treiten (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Schär, Lyss (SP) / Kronenberg, Biel (glp) / Lüthi, Ins (Grüne) / Schnegg-Affolter, Lyss (EVP) / Bonsack, Kallnach (EDU) / Kneubühler, Nidau (FDP). Wollen wir eine konkurrenzfähige Berner Fachhochschule? /11 Fuchs, Bern (SVP). Quietschende Tramwagen, Diskriminierung von älteren Leuten, Familien und Menschen mit einer Beeinträchtigung Sofortmassnahmen sind nötig! /11 Haudenschild, Spiegel (Grüne). Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Häsler, Burglauenen (Grüne). Atomkraftwerk Mühleberg Ausstieg 2012 Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Jenni, Oberburg (EVP) / Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP). Der Kanton Bern hat keine andere Wahl: AKW Mühleberg stilllegen! Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau Sistieren und aus Fehlern lernen Diskussion , 564 Vote séparé Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Kropf, Bern (Grüne). Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Lemann, Langnau (SP). DRG Riesige Kosten und lauter ungelöste Fragen (Nach Diskussion zurückgezogen) /11 Linder, Bern (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Informationskampagne Energie Sensibilisierung Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Leuenberger, Trubschachen (BDP) / Wüthrich, Huttwil (SP) / Antener, Langnau (SP) / Küng-Marmet, Saanen (SVP) / Grimm, Burgdorf (Grüne) / Widmer, Wanzwil (BDP) / Zäch, Burgdorf (SP) / Haldimann, Burgdorf (BDP) / Baumberger, Langenthal (FDP) / Kummer, Burgdorf (SVP) / Jenni, Oberburg (EVP) / Zumstein, Langenthal (FDP) / Guggisberg, Ittigen (SVP) / Meyer, Roggwil (SP) / Friedli, Sumiswald (EDU) / Pieren, Burgdorf (SVP) / Sommer, Wynigen (FDP) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) / Rufener, Langenthal (SVP). Zur Vorlage eines Berichts betreffend Reorganisation der Berner Fachhochschule mit dem Ziel des frühzeitigen Einbezugs des Grossen Rats /11 Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) / Jenni, Oberburg (EVP). Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Masshardt, Langenthal (SP). Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Masshardt, Langenthal (SP). Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Meyer, Roggwyl (SP) / Heuberger, Oberhofen (Grüne). Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: Untauglich! /11 Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Gnägi, Jens (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Bonsack, Kallnach (EDU). Planungsstopp Gymnasium Biel Diskussion , 564 Vote séparé Wortlaut und Antwort der Regierung /11 SP-JUSO-PSA (Masshardt, Langenthal). Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri). Energiewende Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri). Solarkollektoren statt Atombunker Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP) / Studer, Niederscherli (SVP). Missbrauchsfälle in Behindertenheimen Motionen /11 Aebersold, Bern (SP). Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). BKW unterstützt erneuerbare Energien Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Diskussion (Nach Diskussion zurückgezogen) , 664 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Gsteiger, Perrefitte (PEV) / von Kaenel, Villeret (PLR) / Hirschi, Moutier (PSA) / Bühler, Cortébert (UDC). Für ein echtes Velowegnetz im Berner Jura /10 Berger, Aeschi (SVP) / Rösti, Kandersteg (SVP). Weniger Schutz für den Wolf Umsetzung der vom Nationalrat angenommenen Vorstösse (Zurückgezogen) /10 Blaser, Steffisburg (SP). Jugendschutz: Endlich griffige Massnahmen gegen das Rauschtrinken von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

5 Inhaltsverzeichnis Junisession 2011 III /11 Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Neue Eigentümerstrategie BKW Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Burn, Adelboden (EDU) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Frutiger, Oberhofen (BDP). Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 FDP (Flück, Brienz / Moser, Biel). Kantonaler Windrichtplan Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /10 FIKO (Siegenthaler, Rüti b. Büren). Gesamtkantonale Investitionsplanung /10 Gfeller, Worb (EVP). Sozialhilfe und Auto /10 glp-cvp (Flückiger, Bern / Schöni- Affolter, Bremgarten). Mehr erneuerbare Energie für die Pumpspeicherung verwenden Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Gnägi, Jens (BDP) / Herren-Brauen, Rosshäusern, (BDP) / Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Schenk- Anderegg, Schüpfen (BDP) / Spring, Lyss (BDP). Bauwerke der Juragewässerkorrektion: Anpassung an heutige Verhältnisse /10 Grimm, Burgdorf (Grüne) / Häsler, Burglauenen (Grüne). Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Haudenschild, Spiegel (Grüne). Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Hess, Bern (SVP). Amtliche Informationen nur noch in den Amtssprachen Deutsch und Französisch! /10 Hess, Bern (SVP). Keine Kopfbedeckungen im Schulzimmer! /10 Hess, Bern (SVP). Mundart im Kindergarten! /10 Kipfer, Thun, (EVP). Berücksichtigung der beitragsberechtigten Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes beim Bezug von Dienstleistungen durch den Kanton /10 Knutti, Weissenburg (SVP). Keine unnötigen kostentreibenden Mindestanforderungen für die Feuerwehren , /11 Kommission Initiative «Bern erneuerbar» (IniBern) (Bhend, Thun). Massnahmen zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar» (Nach Diskussion zurückgezogen) , /11 Kommission Initiative «Bern erneuerbar» (IniBern) (Bhend, Thun). Standesinitiative: Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch in Landwirtschaftszone und Wald ermöglichen! (Nach Diskussion zurückgezogen) , /11 Moser, Biel (FDP) / Sommer, Wynigen (FDP). Informationsplattform zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Diskussion , 564 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Müller, Bowil (SVP) / Reber, Schangnau (SVP) / Moser, Landiswil (SVP) / Messerli, Kirchdorf, (SVP) / Augstburger, Gerzensee (SVP). Energie aus Aarewasser Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Müller, Bern (FDP). Praxisnahe Handhabung der Videoüberwachung /10 Müller, Bern (FDP). Wirksame Massnahmen bei nicht kooperierenden Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern /11 Scheuss, Biel (Grüne). Wirbelkraftwerke Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Schmid, Achseten (SVP) / Reber, Schangnau (SVP). Den Wolf und den Luchs auch im Kanton Bern zum Abschuss freigeben (Zurückgezogen) /11 Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Sommer, Wynigen (FDP) / Moser, Biel (FDP). Sanierung Gymnasium Strandboden Biel Diskussion , 565 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 SP-JUSO-PSA (Stucki, Bern). Vorbeugen beim öffentlichen Beschaffungswesen Korruption verhindern (Nach Diskussion zurückgezogen) /10 Studer, Niederscherli (SVP). Selbsthilfe vor Sozialhilfe /11 Wasserfallen, Hinterkappelen (SP). Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung Postulate /11 Heuberger, Oberhofen (Grüne). Medizinische Vorkehrungen bei AKW-Havarie Mühleberg Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Imboden, Bern (Grüne). Bern erneuerbar: Erneuerbare Energien und Arbeitsplätze in der Region fördern statt behindern Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung Dringliche Interpellationen /11 Aebersold, Bern, (SP). Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt! Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Aellen, Tavannes (PSA). Was tut der Kanton Bern im Hinblick auf die ab April 2011 stark ansteigende Zahl der Ausgesteuerten? /11 Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem? Diskussion , 619 Wortlaut und Antwort der Regierung

6 IV Inhaltsverzeichnis Junisession /11 Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Hofmann, Bern (SP). Widersprüchliches Investitionsverhalten der schweizerischen Stromversorger, wie zum Beispiel der BKW: Ist der Schaden grösser als der Nutzen? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Imboden, Bern (Grüne). Die unschöne Kehrseite der unsozialen Arbeitslosenversicherungsrevision /11 Imboden, Bern (Grüne). Sieht der Kanton Bern Evakuierungspläne bei einem AKW-Unfall vor? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Vorgehen bei kantonalen Bauvorhaben am Beispiel des Projekts «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» Diskussion ,564 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Näf-Piera, Muri (SP). Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Schärer, Bern (Grüne). AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung Interpellationen /10 Aellen, Tavannes (PSA). Schwierigkeiten mit der bernischen Gesetzgebung /10 Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Bühler, Cortébert (UDC) / Daetwyler, Saint-Imier (PS) / Gsteiger, Perrefitte (PEV) / von Kaenel, Villeret (PLR). Sicherheit im Bahnhof Péry /10 Astier, Moutier (PLR) / von Kaenel, Villeret (PLR) / Bühler, Cortébert (UDC). Braucht es strengere Vorschriften für die briefliche Stimmabgabe? /10 Bärtschi, Lützelflüh (SVP). Denkmalschutz: Wo steht der Kanton Bern? /10 Berger, Aeschi (SVP). Einsatz von Lawinensprengmasten anstelle von teuren Schutzbauten /10 Blank, Aarberg (SVP). NAPAC AG: Nachhaltige Verwendung von Beiträgen der Wirtschaftsförderung /10 Bühler, Cortébert (UDC). Ausschaffungen nach Nigeria Situation im Kanton Bern /10 Daetwyler, Saint-Imier (PS). Wo sind die Grenzen der ÖV-Finanzierung? /10 Graber, Horrenbach (SVP). Scharia- Recht im Kanton Bern? /10 Graber, Horrenbach (SVP). Stärkung der Landwirtschaftlichen Betriebsberatung /10 Grimm, Burgdorf (Grüne). Werden im Kanton Bern Unschuldige kriminalisiert? /10 Guggisberg, Kirchlindach (SVP). Holzvermarktung /10 Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne). Atomunfall Was passiert mit unseren Ressourcen? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Häsler, Burglauenen (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Hess, Bern (SVP). Nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative Wie weiter im Kanton Bern? /10 Hess, Bern (SVP). Wie viel kosten die Auslandstipendien den Kanton? /11 Hirschi, Moutier (PSA). Freier Personenverkehr für Politikerinnen und Politiker /10 Hofmann, Bern (SP). Trägt die BKW mit ihrem Engagement bei einem Kohlekraftwerk eine Mitverantwortung an Menschenrechtsverletzungen? /10 Hofmann, Bern (SP). Will die BKW keinen weiteren Ausbau der Windenergie in der Schweiz? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Hofmann, Bern (SP). Wird mit dem Investitionsprogramm KWO plus per Saldo wirklich mehr Strom produziert? Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Imboden, Bern (Grüne). Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg gewährleistet? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Jenni, Oberburg (EVP) / Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) / Masshardt, Langenthal (SP). AKW Mühleberg Müssen Verantwortung und Haftung im Falle von Umweltschäden nicht verbindlicher geregelt werden? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Jenni, Oberburg (EVP) / Kneubühler, Nidau (FDP) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Gibt es einen Notfallplan für das AKW Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Leuenberger, Trubschachen (BDP). 40 Jahre Frauenstimmrecht «festlicher Apéro» in Bern /11 Näf-Piera, Muri (SP). AKW: Sachliche und objektive Information der Regierung /11 Ruchti, Seewil (SVP). Förderung von landwirtschaftlichen Biogasanlagen durch den Kanton Bern Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung /11 Scheuss, Biel (Grüne). Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung /10 Schneider, Diessbach b. Büren (SVP). Stellenzuwachs an der Uni

7 Inhaltsverzeichnis Junisession 2011 V /11 Schneiter, Thierachern (EDU). Islamwissenschaften an der Uni Sondersession Energiepolitik Zur Besseren Übersicht sind hier nochmals alle Geschäfte, die im Rahmen der Sondersession Energiepolitik behandelt wurden, in der Reihenfolge ihrer Behandlung aufgeführt: Erklärung des Regierungsrats gemäss Artikel 66 des Grossratsgesetzes (GRG) Allgemeine Eintretensdebatte Gemeinsame Beratung Block 2: Vorstösse zur Sicherheit AKW Mühleberg I 010/11 Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 074/11 Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem? Diskussion , 619 Wortlaut und Antwort der Regierung I 075/11 Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 088/11 Näf-Piera, Muri (SP). Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung M 091/11 Kropf, Bern (Grüne). Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 153/11 Imboden, Bern (Grüne). Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg gewährleistet? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 143/11 Scheuss, Biel (Grüne). Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 143/10 Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne). Atomunfall Was passiert mit unseren Ressourcen? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 162/10 Jenni, Oberburg (EVP) / Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) / Masshardt, Langenthal (SP). AKW Mühleberg Müssen Verantwortung und Haftung im Falle von Umweltschäden nicht verbindlicher geregelt werden? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung M 171/10 Grimm, Burgdorf (Grüne) / Häsler, Burglauenen (Grüne). Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 172/10 Häsler, Burglauenen (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 070/11 Imboden, Bern (Grüne). Sieht der Kanton Bern Evakuierungspläne bei einem AKW- Unfall vor? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung I 145/11 Jenni, Oberburg (EVP) / Kneubühler, Nidau (FDP) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Gibt es einen Notfallplan für das AKW Mühleberg? Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung P 098/11 Heuberger, Oberhofen (Grüne). Medizinische Vorkehrungen bei AKW-Havarie Mühleberg Diskussion , 620 Wortlaut und Antwort der Regierung Gemeinsame Beratung Block 1: Vorstösse zum Atomausstieg M 071/11 Jenni, Oberburg (EVP) / Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP). Der Kanton Bern hat keine andere Wahl: AKW Mühleberg stilllegen! Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 080/11 Häsler, Burglauenen (Grüne). Atomkraftwerk Mühleberg Ausstieg 2012 Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 089/11 SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri). Energiewende Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung Gemeinsame Beratung Block 3: Vorstösse zur Unternehmensstrategie BKW M 123/11 Wasserfallen, Hinterkappelen (SP). Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung M 150/11 Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Neue Eigentümerstrategie BKW Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung I 103/11 Schärer, Bern (Grüne). AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung I 167/10 Hofmann, Bern (SP). Will die BKW keinen weiteren Ausbau der Windenergie in der Schweiz? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung I 111/11 Hofmann, Bern (SP). Widersprüchliches Investitionsverhalten der schweizerischen Stromversorger, wie zum Beispiel der BKW: Ist der Schaden grösser als der Nutzen? Diskussion , 651 Wortlaut und Antwort der Regierung Gemeinsame Beratung Block 4: Vorstösse zur Energieeffizienz M 072/11 Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) / Jenni, Oberburg (EVP). Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung

8 VI Inhaltsverzeichnis Junisession M 099/11 Bauen, Münsingen (Grüne). Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 106/11 Masshardt, Langenthal (SP). Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 107/11 Masshardt, Langenthal (SP). Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 108/11 SP-JUSO-PSA (Masshardt, Langenthal). Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 117/11 Aebersold, Bern (SP). Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 118/11 Linder, Bern (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne). Informationskampagne Energie Sensibilisierung Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 125/11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Diskussion (Nach Diskussion zurückgezogen) , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung M 258/10 Burn, Adelboden (EDU) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Frutiger, Oberhofen (BDP). Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz Diskussion , 665 Wortlaut und Antwort der Regierung Gemeinsame Beratung Block 5: Vorstösse zu Erneuerbaren Energien M 083/11 Haudenschild, Spiegel (Grüne). Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 084/11 Haudenschild, Spiegel (Grüne). Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 090/11 SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri). Solarkollektoren statt Atombunker Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 100/11 Bauen, Münsingen (Grüne). Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung I 104/11 Aebersold, Bern, (SP). Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt! Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 126/11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). BKW unterstützt erneuerbare Energien Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 166/10 glp-cvp (Flückiger, Bern / Schöni- Affolter, Bremgarten). Mehr erneuerbare Energie für die Pumpspeicherung verwenden Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung I 252/10 Hofmann, Bern (SP). Wird mit dem Investitionsprogramm KWO plus per Saldo wirklich mehr Strom produziert? Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung P 022/11 Imboden, Bern (Grüne). Bern erneuerbar: Erneuerbare Energien und Arbeitsplätze in der Region fördern statt behindern Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 134/11 Müller, Bowil (SVP) / Reber, Schangnau (SVP) / Moser, Landiswil (SVP) / Messerli, Kirchdorf, (SVP) / Augstburger, Gerzensee (SVP). Energie aus Aarewasser Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 142/11 Scheuss, Biel (Grüne). Wirbelkraftwerke Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung I 079/11 Ruchti, Seewil (SVP). Förderung von landwirtschaftlichen Biogasanlagen durch den Kanton Bern Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung M 170/10 FDP (Flück, Brienz / Moser, Biel). Kantonaler Windrichtplan Diskussion Wortlaut und Antwort der Regierung Übrige Vorstösse I 253/10 Hofmann, Bern (SP). Trägt die BKW mit ihrem Engagement bei einem Kohlekraftwerk eine Mitverantwortung an Menschenrechtsverletzungen? I 135/11 Näf-Piera, Muri (SP). AKW: Sachliche und objektive Information der Regierung Kreditgeschäfte 2010 / 2011 Staatskanzlei E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Mehrjähriger Verpflichtungskredit Erziehung Fonds für kulturelle Aktionen (FKA); Jahresrechnung Abgeltung an die Einwohnergemeinde Bern für die Übertragung von Aufgaben im Bereich der Denkmalpflege; Jährlicher Beitrag Ausgabenbewilligung, neue wiederkehrende Ausgabe, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) Schlussabstimmung

9 Inhaltsverzeichnis Junisession 2011 VII Volkswirtschaft Amt für Landwirtschaft und Natur; Bodenverbesserung; Projekt Nr ; Zusatzkredit, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Erhöhung Rahmenkredit, Verlängerung der Laufzeit) Amt für Wald; Steinschlagschutzprojekt Adelboden, Gemeinde Adelboden. Ausgabenbewilligung; mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) Bau, Verkehr und Energie Bern, Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43: Kauf von zwei Verwaltungsliegenschaften für die Universität Bern; Mehrjähriger Verpflichtungskredit , 544 Schlussabstimmung Roggwil Kantonsstrasse H1: Bern Zürich: Radverbindung Kaltenherberge Roggwil Hagneck Grundbuchblatt Nr. 115, Hauptstrasse 26; Erwerb der Liegenschaft Gasthof Brücke mit Umschwung Finanz Grossratsbeschluss betreffend Äufnung des Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen mit CHF 136,5 Millionen zu Lasten der Rechnung 2010 für den Kauf und die Sanierung von zwei Liegenschaften für die Universität Bern an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern Schlussabstimmung Verzeichnis der Beilagen Gesetze Nr Musikschulgesetz (MSG). Anträge des Regierungsrats und der Kommission für die zweite Lesung Nr Gesetz über freiheitsbeschränkende Massnahmen im Jugendstraf- und -massnahmenvollzug und in der stationären Jugendhilfe (FMJG) Anträge des Regierungsrats und der Kommission für die erste und einzige Lesung Nr Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB) (Änderung) Anträge des Regierungsrats und der Kommission für die erste und einzige Lesung Dekrete Nr Dekret über die Anpassung von Dekreten an das neue Immobiliarsachenrecht des Bundes Grossratsbeschlüsse Nr Grossratsbeschluss betreffend die Volksinitiative «Bern erneuerbar» Kreditgeschäfte Nr. 13 Kreditgeschäfte für die Junisession 2011 Polizei und Militär Lotteriefonds: Genehmigung der Jahresrechnung Sportfonds: Genehmigung der Jahresrechnung Justiz, Gemeinde und Kirchen Leistungen des Kantons an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der Raumplanung; Staatsbeiträge; Rahmenkredit

10 Wahlen 6. Juni 2011 Nachmittag 453 Erste Sitzung Montag, 6. Juni 2011, Uhr. Vorsitz: Gerhard Fischer, Meiringen (SVP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 156 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Jan Gnägi, Natalie Imboden, Jürg Iseli, Corrado Pardini. Geschäft / Eintritt neuer Mitglieder in den Grossen Rat Präsident. Wir kommen zum ersten Geschäft. Es nehmen zwei neue Mitglieder im Grossen Rat Einsitz. Herr Roland Matti, La Neuveville, (PLR) folgt auf Herrn Sylvain Astier, Moutier (PLR), und Frau Daphné Rüfenacht, Biel (Grüne), folgt auf Herrn Urs Scheuss, Biel (Grüne). Herr Roland Matti leistet den Eid. Frau Daphné Rüfenacht legt das Gelübde ab. Präsident. Ich freue mich, Sie heute zur Eröffnung der Junisession 2011 im Berner Rathaus begrüssen und willkommen heissen zu dürfen. Ich habe mich dazu entschlossen, meine Präsidialzeit nicht um ein weiteres Jahr zu verlängern. (Heiterkeit) Mir kommt heute die Aufgabe zu, die Session zu eröffnen, die neu eintretenden Ratsmitglieder zu vereidigen und für eine ordnungsgemässe Wahl meines Nachfolgers zu sorgen. Diese Amtspflichten übernehme ich sehr gerne. Der Wechsel im Präsidium zeigt auch, dass die Zeit unaufhaltsam voranschreitet und dass neue Köpfe die politischen Geschicke des Kantons Bern prägen werden. Das ist Teil der Geschichte. Dies gibt mir auch Gelegenheit, auf ein wichtiges, lesenswertes geschichtliches Werk hinzuweisen: Vor wenigen Tagen ist der fünfte Band in der Reihe «Berner Zeiten» erschienen. Das Werk hat den Titel «Berns moderne Zeit. Das 19. und 20. Jahrhundert neu entdeckt». Berns Weg in die Moderne war schwierig, geprägt von ganz erstaunlichen Erfolgen, aber leider auch von schmerzlichen Rückschlägen. Der Übergang von einer kleinräumigen Agrargesellschaft zu einer sozial polarisierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft erwies sich als äusserst anspruchsvolle Aufgabe. Und dieser Weg ist noch nicht zu Ende. Wir werden als Kanton unsere Stellung in der Schweiz nur behaupten können, wenn Stadt und Land zusammenarbeiten und wenn wir unsere Kräfte bündeln. Ich gratuliere dem Herausgeber des Werks, Herrn Staatsarchivar Peter Martig, und allen Autorinnen und Autoren herzlich zum Erfolg. Ich konnte übers Wochenende bereits ein wenig in diesem Buch lesen und kann es Ihnen persönlich wirklich sehr empfehlen. Der Grosse Rat das Kantons Bern pflegt ein Kontaktnetz über die Landesgrenzen hinaus. Dies ermöglicht es ihm, neue Erfahrungen zu sammeln und auch den Boden für die wirtschaftliche Zusammenarbeit vorzubereiten. Vom 12. bis zum 15. Mai 2011 weilte eine Delegation des bernischen Grossen Rats zu Besuch beim Sächsischen Landtag. Der Besuch in Dresden bot Gelegenheit, Grundfragen des demokratischen Systems und der parlamentarischen Arbeit gemeinsam zu diskutieren. Dabei konnten wir uns auch davon überzeugen, dass die bernische Wirtschaft beispielsweise die «Swatch- Group» im Freistaat Sachsen sehr gut präsent ist. Der Lauf der Zeit bringt es mit sich, dass wir auch schmerzvolle Erfahrungen machen müssen. Zu diesen schmerzvollen Erfahrungen gehört der Tod unserer langjährigen Ratskollegin und früheren Vizepräsidentin Susanne Bommeli-Meister. Der Tod meiner früheren Vizepräsidentin geht mir auch persönlich sehr nahe. Die Trauerfeier für die an einem unheilbaren Leiden Verstorbene fand am 3. Mai 2011 in Bremgarten statt. Ich bitte die Mitglieder des Rats und alle Personen im Ratsaal und auf der Tribüne, sich zum Andenken an unsere frühere Vizepräsidentin für einen kurzen Moment des Gedenkens zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich schweigend im Gedenken an die verstorbene Frau Bommeli.) Ich erkläre nun die Junisession 2011 des Grossen Rats für eröffnet. Präsident. Ich wünsche den beiden neuen Grossratsmitgliedern viel Erfolg und Befriedigung und einen guten Start in die Session. Die Vereidigung ist damit abgeschlossen. (Applaus) Wahlen Präsident. Wir kommen nun zur Wahl des Grossratspräsidenten. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Die FDP-Fraktion ist stolz, Ihnen als Kandidaten für das Amt des neuen Grossratspräsidenten für das Jahr 2011 bis 2012 Beat Giauque vorzuschlagen. Als amtierender hauptamtlicher Gemeindepräsident von Ittigen wird er sicher dafür Gewähr bieten, dass wir hier als Kanton jeweils die Gemeinden nicht vergessen. Weiter war er aber nicht nur ein reiner «Gmeinds-Muni», sondern hat sich auch immer für die interkommunale Zusammenarbeit stark engagiert; so auch als Präsident der Regionalkonferenz Bern Mittelland. Als solcher hat Beat Giauque natürlich die sehr schwere Aufgabe, zwischen der Stadt Bern und den eher ländlichen Gemeinden vermitteln zu dürfen. Weiter ist er ein sehr erfahrener Grossrat. Er hat seit 2002 hier im Rat Einsitz und interessiert sich vor allem für Kultur-, Bildungs- und auch Sportpolitik. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, Beat Giauque weiter vorzustellen, denn meine lange Rede werde ich heute Abend noch halten, und ich wiederhole mich nicht gern. Ich denke aber, Sie sind mit mir einer Meinung, dass Beat Giauque von seiner Person, seinem Charakter und seinen Fähigkeiten her ein würdiger Grossratspräsident sein wird. Ich äussere mich auch gleich zu den weiteren Kandidatinnen und Kandidaten. Die FDP unterstützt ebenfalls als erste Grossratsvizepräsidentin Therese Rufer. Wir sind überzeugt, auch sie werde in Bälde eine würdige Grossratspräsidentin sein. Weiter unterstützt die FDP auch Bernhard Antener als zweiten Vizepräsidenten. Wir von der FDP halten das für eine ausgezeichnete Wahl, denn damit wird Bernhard Antener, als einer der stärksten SPler, in seinem Wahljahr etwas neutralisiert sein. Das schadet nichts, und auch wir Notare werden uns ein wenig sicherer fühlen, wenn er sich dann etwas wird zurückhalten müssen. Zusammengefasst unterstützt die FDP-Fraktion diese drei vorgeschlagenen Kandidaten. Für das Regierungspräsidium unterstützen wir Bernhard Pulver und ebenso für das Vizepräsidium Andreas Rickenbacher. Präsident. Zu Ihrer Orientierung halte ich fest, dass anschliessend noch ein weiterer Wahlblock stattfinden wird. Wir wählen zunächst nur den neuen Grossratspräsidenten. Er wird dann anschliessend die Wahlen all jener Kandidierenden vornehmen, die du jetzt bereits in allen Teilen gelobt hast. Margreth Schär, Lyss (SP). Zuerst möchte ich kurz Gerhard Fischer für das Jahr danken, in dem er diesen Rat geleitet hat. Nachdem wir im Vorjahr gesagt hatten, dass wir uns ans

11 Juni 2010 Nachmittag Wahlen Französische gewöhnen und die Ohren spitzen mussten, war es für mich in diesem Jahr nicht weniger anstrengend, denn das «Haslitiitsch» war durchaus auch gewöhnungsbedürftig. (Heiterkeit) Aber trotzdem vielen Dank, Geri, für dein Präsidialjahr. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion unterstützt die Kandidatur von Beat Giauque als Präsident des Grossen Rats. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Ich nutze zuerst die Gelegenheit, um Geri Fischer ganz herzlich zu danken. Er hat den Rat mit seiner ruhigen, überlegten Art perfekt geführt. Er hat auch durchgegriffen, wenn es nötig war. Dass es ihm nicht gelungen ist, einmal einen Stichentscheid zu fällen, mag er zwar bedauern. Aber eigentlich ist er selber schuld, denn das ist auch bezeichnend für ihn: Er wollte sich auch dort nicht in den Vordergrund drängen. Geri hat den Grossen Rat auch gegen aussen sehr gut repräsentiert. Für den Kanton, ganz besonders aber auch für das Haslital, war er ein perfekter Botschafter. Das «Haslitiitsch» war nicht nur für Margreth Schär, sondern auch für uns von der SVP zu Beginn ein Problem. Aber auch wir haben uns daran gewöhnt. Danke, Geri, für alles, was du für den Kanton und auch für das Haslital getan hast. Die SVP-Fraktion unterstützt selbstverständlich die Wahl von Beat Giauque zum neuen Grossratspräsidenten. Von der Peripherie des Kantons geht es nun mitten in die Agglomeration hinein; von einem typischen Vertreter des Oberlands zu einem typischen Vertreter der Region Bern. Wir wünschen Beat viel Glück und Befriedigung in seinem spannenden neuen Amt. Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Die BDP-Fraktion unterstützt Beat Giauque einstimmig für die Wahl als neuen Grossratspräsidenten. Wir sind überzeugt, er werde diese Aufgabe gut erfüllen. Er ist beschlagen im politischen Geschäft und hat Führungserfahrung von der Region und der Gemeinde her. Wir freuen uns, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Diesen Vorschlag verbinden wir mit dem Dank an Geri Fischer. Er hat das sehr souverän gemacht und die Sitzungen sehr gut geleitet, und soweit wir es gehört oder erlebt haben, hat er auch die Vertretung des Kantons gegen aussen sehr gut wahrgenommen. Noch etwas kann ich bekannt geben: Die BDP-Fraktion hatte mit seinem Dialekt keine Probleme. (Heiterkeit) Präsident. Das beruhigt mich. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Wir kommen damit zur Wahl. Ich bitte die Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler, die Wahlzettel auszuteilen. Hier wird die Sitzung kurz unterbrochen. Präsident. Derweil die Wahlzettel ausgezählt werden, richte ich meinerseits noch ein paar Worte an Sie, aber vorab möchte ich noch zwei Geburtstage bekannt geben: Herr Grossrat Carlo Kilchherr und Herr Staatsschreiber Kurt Nuspliger haben heute Geburtstag. Ich gratuliere den beiden ganz herzlich. (Applaus) Ich bedanke mich sehr herzlich für den Dank, den Sie mir ausgesprochen haben. Aber Sie alle kennen den Ausspruch: Es ist selten jemand so schlecht wie sein Ruf, aber meist auch nicht so gut, wie er im Nachruf dargestellt wird. Ich komme nicht mehr im Detail auf das vergangene Jahr zu sprechen, denn das habe ich in der letzten Session bereits getan, soweit ich konnte. In meinem Präsidialjahr habe ich mich ein Stück weit an die Leitlinie von alt Bundesrat Furgler gehalten, der einmal sagte, man müsse eine Aufgabe ernst nehmen, sich selber aber nicht allzu sehr. Ich blicke mit grosser Dankbarkeit auf ein zeit- und arbeitsintensives Grossratspräsidialjahr zurück, mit vielen unvergesslichen und eindrücklichen Gesprächen und Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Menschen. Wenn wir auf die fünf vergangenen Sessionen zurückschauen glaube ich, wir dürfen feststellen, dass wir gemeinsam gut gearbeitet haben. Wir konnten unsere Geschäfte in kürzerer Zeit erledigen, als geplant war, und mein Nachfolger kann so ohne Pendenzen starten. Zum zweiten wichtigen Bereich, der Vertretung des Kantons nach aussen. Ich konnte an weit über 200 Veranstaltungen teilnehmen und habe dabei unseren schönen, lebenswerten Kanton Bern und viele Bürgerinnen und Bürger kennenlernen dürfen. Beeindruckt hat mich im Jahr der Freiwilligenarbeit besonders das grosse Engagement und die Arbeit, die für unseren Staat von ganz vielen Mensche geleistet wird, sei es in Politik, Kultur, in sozialen oder kirchlichen Institutionen. Es war mir ein grosses Anliegen, auch diesen Menschen zu danken und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Ich habe sehr viele entsprechende Anlässe besucht. Zu zwei Projekten, die ich hier im Rat mit anstossen durfte, und denen ich viel Erfolg wünsche. Einerseits ist dies die Parlamentsrechtsreform. Dort danke ich dem Präsidenten Christoph Stalder und seinen Kommissionsmitgliedern bereits jetzt für ihr grosses Engagement und wünsche ihnen vor allem viel Erfolg, sodass wir 2014 mit einem neuen Parlamentsrecht starten können. Das zweite Projekt ist die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation hier im Grossratssaal. Aus dem Ursprungsprojekt, das heisst der Sanierung der Stühle, auf denen wir jetzt sitzen und dem Entfernen des Teppichs hier im Saal, ist inzwischen ein Grossprojekt im Umfang von beinahe 30 Mio. Franken geworden. Ich denke, hier besteht Handlungsbedarf, den wir angehen müssen. Auch hier herzlichen Dank an die Arbeitsgruppe mit ihrem Vorsitzenden, Thomas Heuberger, für diese Herkulesarbeit. Dies ebenfalls verbunden mit dem Wunsch, dass dieses Projekt in den nächsten Jahren in Etappen realisiert werden kann. Nun möchte ich mich noch bedanken. Ich danke dem Regierungsrat für die gute Zusammenarbeit. Der Austausch gegenseitiger Korrespondenz hat sich in Grenzen gehalten. Ich danke dem Regierungspräsidenten. Wir durften uns doch an zwei, drei Veranstaltungen näher kennenlernen; einmal auf dem Jungfraujoch und ein anderes Mal auf dem Männlichen, im Berner Oberland. Ich danke der Staatskanzlei, vorab dem Staatsschreiber, Kurt Nuspliger, der Vizestaatsschreiberin, Christiane Aeschmann, und Michel Schwob, für die wirklich tolle Unterstützung. Dasselbe gilt für das Ratssekretariat, mit seinem Vorsteher, Patrick Trees und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatskanzlei, dem Ratssekretariat und der Verwaltung. Ein grosser Dank gilt aber auch den ÜbersetzerInnen, die mein «Haslitiitsch» ins Französische übersetzen durften oder zum Teil mussten das war bestimmt eine grosse Herausforderung. Ich danke auch den Medienvertretern, die für uns eine sehr wichtige Funktion wahrnehmen. Sie transportieren unsere Entscheide, sie diskutieren und kommentieren, was wir hier beschliessen, und wenn sie nicht wären, wäre es für uns doppelt schwierig, dies unter das Volk zu bringen. Ich bewundere sie auch immer wieder, denn sie müssen in dem manchmal doch recht lärmigen Raum den ganzen Tag tätig sein und müssen manchmal aus einem ganzen Tag eine Viertelseite generieren, was nicht immer einfach ist. Ich danke zudem und das ist mir wichtig auch Ihnen als Grossrätinnen und Grossräte, für die ganz tolle, und

12 Wahlen 6. Juni 2011 Nachmittag 455 überaus angenehme Zusammenarbeit während des ganzen Jahres. Für mich persönlich war dies ein geschenktes Jahr. Besten Dank! (Applaus) Wir warten nun die Resultate der Grossratspräsidentenwahl ab und unterbrechen die Sitzung kurz. Geschäft Wahl des Präsidenten des Grossen Rats Bei 154 ausgeteilten und 153 eingelangten Wahlzetteln, wovon 5 leer und 0 ungültig, in Betracht fallend 148, wird bei einem absoluten Mehr von 75 Stimmen gewählt: Beat Giauque Diverse erhielten 2 Stimmen. mit 146 Stimmen Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Ich gratuliere dir ganz herzlich und gebe dir das Wort. (Applaus) Präsident. Jetzt ist es so weit, lieber alt Grossratspräsident zum ersten Mal nehmen wir dieses Wort in den Mund, das ist natürlich schon etwas speziell, lieber Geri. Herzlichen Dank, für die Wahl und für das Vertrauen, dass Sie damit ausdrücken. Ich werde natürlich alles tun, um die Vorschusslorbeeren zu rechtfertigen. Susanne Bommeli bat mich seinerzeit, das Amt, dass sie nicht mehr übernehmen konnte, anzutreten. Ich denke dankbar an sie zurück. Es war eine spezielle Zeit, die ich hier in diesem Rat als ihr direkter Sitznachbar verbringen durfte. Vor den Gedanken an mein neues Amt stelle ich den Dank an Gerhard Fischer. Geri, du warst der Bergler auf dem Präsidentenstuhl. Du warst immer vorbereitet und immer pünktlich. Deine Führung war effizient; man stelle sich vor: ein Ratspräsident, der nicht alle Sitzungsdaten benötigt! Du hast diesen Rat ruhig, besonnen, mit trockenem Humor und sicherem Schritt und Tritt zielstrebig geführt. Du hast dem Rat genau soviel Seil gegeben, wie er benötigte oder eben nicht benötigte. Du hast auch unsere sprachliche Weiterbildung kräftig gefördert, und uns mit einer Fremdsprache für einige war es offenbar keine, deinem wunderschönen Dialekt aus dem Oberhasli, vertraut gemacht. Nur eines hast du nicht erreicht, das wurde auch bereits gesagt: Vor einem Jahr hast du hier erklärt, du würdest dich politisch zurückhalten, ausser bei Stichentscheiden. Aus dieser leisen Hoffnung ist leider nichts geworden. Geri, ich danke dir im Namen des gesamten Rats und damit auch des Kantons Bern herzlich für deine Arbeit. Du warst dem Titel «Höchster Berner» immer würdig. Man sagt als neuer Präsident des Grossen Rats so leicht: Ich will der Präsident aller Berner sein. Kann ich das überhaupt? Immerhin habe ich einen welschen Namen, der aus dem Berner Jura stammt, bin aber nicht bilingue, wie Sie, oder zumindest die Welschen unter Ihnen, schon gemerkt haben oder noch merken werden. Mais ce nom de famille m incitera à penser aux besoins et aux droits de la députation. Je vous assure, mes chers collègues francophones, que j y ferai attention. Ich bin in der Stadt Bern aufgewachsen, habe für eine gewisse Zeit im unteren Laupenamt gelebt und gearbeitet und bin als Gemeindepräsident von Ittigen vor allem auch mit der Agglomeration vertraut. Ich pflege als Präsident der Regionalkonferenz Bern Mittelland engen Kontakt mit bereits über 97 Gemeinden zwischen dem Seeland, dem Emmental, den Voralpen, über den ganzen Kanton hinweg bis hin zur Sprachgrenze im Westen. Es ist mir wichtig, unseren Kanton zu kennen. Nur so kann ich ihn vertreten, und nur so kann ich auch ein guter Botschafter sein. Der Kanton Bern ist mir schon recht vertraut, aber ich möchte ihn noch weiter entdecken. Ich finde es aber ebenso wichtig, über die Grenze zu schauen. Ich denke hier stellvertretend auch an Dobrusch in Weissrussland, der Partnergemeinde von Ittigen. Sie hat uns mehr als einmal gelehrt, unsere Probleme in den richtigen Relationen zu sehen. Der Blick über die Grenze hinaus hilft uns auch bei der Arbeit innerhalb der Grenzen, in denen wir leben. Ich weiss, man kann zu viel oder eben auch zu wenig reisen. Auch auf Kantonsebene ist der Gedankenaustausch aber wichtig. Man kann und soll von anderen Menschen im In- und im Ausland lernen. Der Kanton Bern hat eine rot-grüne Regierung und ein bürgerliches Parlament. In nächster Zeit sind und das muss auch so sein engagierte Diskussionen und umstrittene Entscheide zu erwarten. Stichworte dazu sind unter anderem Energie oder Finanzen. Da ist der Präsident besonders gefordert. Ich wünsche mir trotz unterschiedlicher Herkunft und Überzeugungen faire und zielorientierte Diskussionen und konstruktive Lösungen. Es geht nämlich um keine und keinen von uns hier, sondern um unseren Kanton. Ich bedanke mich herzlich für die Wahl und nehme sie gerne an. Gut, ganz überraschend ist sie nicht gekommen. Immerhin bin ich seit dem 20. April schon stolzer Besitzer von präsidialen, vom Staat gedruckten Visitenkarten. Ich freue mich, dass es heute zwei Geburtstagskinder unter uns gibt. Ich wünsche ihnen herzlich alles Gute. Sie können mit mir feiern, und wir können uns das Fest teilen. Es gibt ja den Spruch über das Glück, wonach Glück das Einzige sei, was sich verdopple, wenn man es teile. Heute sind wir zu dritt, also werden wir es verdreifachen; es wird demnach sicher ein superglücklicher Tag für uns alle. Ich halte mich an das Wort von Schiller: «Ich hab hier bloss ein Amt und keine Meinung», und werde mir Mühe geben, mich politisch zurückzuhalten ausser, natürlich, bei Stichentscheiden. (Heiterkeit) Herzlichen Dank, liebe Grossrätinnen und Grossräte, für Ihr Vertrauen und für einen geordneten und effizienten Ratsbetrieb. Herzlichen Dank auch allen anderen, vor allem der Staatskanzlei und dem Übersetzungsdienst, für jede Art von Unterstützung ich kann sie gebrauchen. Vielen Dank. (Applaus) Wir kommen nun zu mehreren weiteren Wahlgeschäften, und ich schlage Ihnen vor, dass wir diese in einem Umgang erledigen, um Zeit zu sparen. Das heisst, Sie erhalten die Couverts nicht alle auf einmal, sondern in drei Etappen, damit es keine Verwechslungen gibt und anschliessend ausgezählt werden kann. Entsprechend werden sich die Fraktionssprechenden zu den nun folgenden Wahlen der ersten Vizepräsidentin und des zweiten Vizepräsidenten des Grossen Rats, zu den fünf Stimmenzählerinnen und Stimmenzählern sowie zum Präsidium und Vizepräsidium des Regierungsrats zugleich äussern. Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Ich freue mich, Ihnen Therese Rufer als erste Vizepräsidentin vorzuschlagen. Sie kennen Therese Rufer gut, sie gehört dem Rat seit 1998 an und war während mehrerer Jahre Mitglied der Oberaufsichtskommission. Ihre Spezialgebiete waren sicher Erziehung und Bildung, Themen, die sie aus sehr fundierter Position heraus geprägt hat. Aber nicht nur das; ihre breiten Interessengebiete haben sie auch motiviert, zu verschiedensten Themen Stellung zu nehmen, und eines hat man bei ihren Stellungnahmen und Voten immer gemerkt: Ihre Meinungsäusserungen waren immer sehr fundiert, hinterfragt, und verlässlich. Wir sind auch überzeugt, dass Therese Rufer später eine gute Grossratspräsidentin sein wird, deshalb schlagen wir sie

13 Juni 2010 Nachmittag Wahlen Ihnen nun zur Wahl als erste Grossratsvizepräsidentin vor. Gleichzeitig möchte ich dafür danken, dass man bei dieser Gelegenheit der BDP-Fraktion das Vertrauen schenkt. Uns gibt es ja noch nicht so lange, und wir durften diesen Sitzanspruch stellen, weil wir aus den Wahlen als drittstärkste Partei hervorgegangen sind. Wir unterstützen ebenfalls die Wahl von Bernhard Antener zum zweiten Vizepräsidenten. Die fünf Stimmenzähler sind unbestritten, ebenso die Wahlen an die Spitze der Regierung; als Präsident Bernhard Pulver und als Vizepräsident Andreas Rickenbacher. Margreth Schär, Lyss (SP). Lieber Beat, ich gratuliere dir ganz herzlich zu deiner glanzvollen Wahl und wünsche dir ein schönes, abwechslungsreiches und spannendes Jahr. Ich komme zu den Vorschlägen für die Wahlen. Die SP-JUSO- PSA-Fraktion unterstützt die Kandidatur von Therese Rufer. Sie ist eine erfahrene Politikerin in diesem Rat, ich kenne sie schon lange. Wir sind überzeugt, sie werde dieses Amt gut ausüben können. Als zweiten Vizepräsidenten schlägt die SP-JUSO-PSA-Fraktion Bernhard Antener vor. Ihn vorzustellen, ist fast ein wenig Wasser in den Bach getragen. Wer länger dabei ist, kennt ihn; er ist seit über zehn Jahren Grossrat und ein sehr politischer Mensch. Er verfügt über eine sehr grosse Erfahrung in der Politik und ist ein «animal politique». Er ist Mitglied der Finanzkommission, aber auch wenn er das nicht wäre: Die Finanzen sind ihm ein grosses Anliegen, und er ist ein grosser Kenner der Finanzen dieses Kantons. Deshalb ist er dort auch sehr stark. Doch nicht nur das: Bernhard Antener ist Gemeindepräsident von Langnau, und das merkt man häufig auch sehr gut. Er ist auch ein sehr engagierter Gemeindevertreter und setzt sich in diesem Rat für die Anliegen der Gemeinden ein. Wie wir gehört haben, wird er auch von BDP und FDP unterstützt. Ich bitte Sie, Bernhard Antener ebenfalls Ihre Stimme zu geben. Die Stimmenzähler sind bei uns auch unbestritten, wir unterstützen Bernhard Pulver als Regierungspräsidenten und bitten Sie, auch Andreas Rickenbacher als Vizepräsidenten der Regierung zu unterstützen. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne). Ich gratuliere Beat Giauque im Namen der grünen Fraktion ganz herzlich zu seiner hervorragenden Wahl und wünsche ihm ein gutes, interessantes und erfolgreiches Jahr. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm und bedanken uns an dieser Stelle auch ganz herzlich bei Gerhard Fischer für seine Arbeit im vergangenen Jahr; herzlichen Dank, Geri. Die grüne Fraktion unterstützt auch die Wahl von Therese Rufer als Vizepräsidentin, von Bernhard Antener als zweiten Vizepräsidenten, von allen vorgeschlagenen Stimmenzählern und selbstverständlich auch diejenige von Andreas Rickenbacher als Vizepräsident der Regierung. Gemeinsam mit meiner Fraktion freue ich mich und bin sehr stolz darauf, dass wir Ihnen Bernhard Pulver als Regierungspräsidenten vorschlagen dürfen. Bernhard Pulver kennen viele von Ihnen schon lange, schon seit er noch Grossrat und Fraktionschef der Grünen war und dort hinten gesessen hat. Zudem kennen ihn nun alle als Regierungsrat; seit 2006 arbeitet er als Bildungs- und Kulturdirektor des Kantons Bern. Es ist seine sorgfältige und ernsthafte Arbeit, die uns immer wieder auffällt und uns eine gute Basis gibt für die Arbeit, die wir hier im grossen Rat leisten können. Es ist das Verantwortungsbewusstsein, das er in seine Arbeit legt, die mich sehr beeindruckt. Es ist aber auch seine pragmatische Art, die wir alle kennengelernt haben und die schon oft, auch in schwierigen Situationen, zu Lösungen beigetragen hat. Und es ist als Basis von allem der Respekt, den er vor allem anderen Menschen und nicht nur den Dossiers und Aufgaben entgegenbringt in seiner Arbeit. Das macht seine Politik und verleiht seiner Politik eine besondere Handschrift. Ich freue mich, Ihnen Bernhard Pulver zur Wahl als Regierungspräsidenten herzlich empfehlen zu dürfen und danke Ihnen für die Unterstützung. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion Beat Giauque ganz herzlich gratulieren. Das Ergebnis, dass du erreicht hast, ist super. Es zeigt, dass wir alle dir zutrauen, diese Aufgabe zu erfüllen, und wir sind überzeugt, dies werde ein perfektes Jahr für den Kanton Bern. Wir unterstützen selbstverständlich auch Therese Rufer als erste Vizepräsidentin. Sie verfügt über eine riesige Erfahrung und rein von ihrer Art her und der Art und Weise, wie sie Geschäfte jeweils sorgfältig vorbereitet, sind wir davon überzeugt, sie werde das Vizepräsidium ebenso perfekt ausüben. Wir unterstützen auch Bernhard Antener als zweiten Vizepräsidenten. Er «weiss, wie dr Töff louft» hier im Rat. Er kennt den Ratsbetrieb wie kaum jemand sonst. Mit seiner Erfahrung im Parlament und in der Gemeinderatsexekutive eignet er sich sicher auch dafür, den Grossen Rat perfekt zu leiten. Im Übrigen unterstützen wir die Vorgeschlagenen. Besonders ans Herz legen möchten wir Ihnen unsere Vorschläge für die Stimmenzähler: Käthi Wälchli und Hugo Kummer. Präsident. Damit kommen wir zur Wahl. Ich bitte die Weibel, die Wahlcouverts zu verteilen. Bis wir die Resultate der Wahlen erhalten, fahren wir mit den Beratungen fort, um die Zeit zu nutzen, da wir die Sitzung ja bereits um Uhr beenden wollen. Wir werden heute mindestens noch die Wahlresultate der Vizepräsidien des Grossen Rats und des Regierungspräsidiums und -vizepräsidiums bekannt geben. Sollte die Zeit nicht mehr ausreichen, um auch die Wahlzettel für die Wahl der Stimmenzähler fertig auszuzählen, würden wir Ihnen deren Resultate morgen bekannt geben. Wie Sie festgestellt haben, liegen diverse Ordnungsanträge vor. Zwei dieser Ordnungsanträge verlangen eine Sondersession. Weil die Zeitverhältnisse heute, wie Sie selber bereits feststellen können, für eine ausgedehnte Diskussion der Ordnungsanträge nicht ausreichen wird, habe ich bereits übers Wochenende den Fraktionspräsidien vorgeschlagen, dass wir morgen früh, gleich zu Beginn der Sitzung, über diese Ordnungsanträge befinden werden. Dies mit Ausnahme des Ordnungsantrags, der eine Sondersession Gesundheitspolitik fordert. Wir würden beliebt machen auch das würden wir aber erst morgen so festhalten, diesen Ordnungsantrag erst in Zusammenhang mit den GEF-Geschäften zu beraten. Aber alle andern Ordnungsanträge würden wir morgen behandeln: den Ordnungsantrag der FDP zur Durchführung einer Sondersession Finanzpolitik; den Ordnungsantrag der BDP von Frau Luginbühl, der das Zusammenlegen zweier Geschäfte verlangt, bei denen es um die Berner Fachhochschule geht, und den Ordnungsantrag BDP, Etter, und SVP, Freiburghaus, der die Aufnahme einer Dringlichen Motion ins Sessionsprogramm fordert. Dies also entgegen der üblichen Praxis, die Ordnungsanträge gleich am ersten Tag zu behandeln. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden, oder gibt es Wortmeldungen dazu? Frau Lemann möchte sich dazu äussern. Danielle Lemann, Langnau (SP). Ich möchte zur Diskussion stellen, ob man nicht auch den Ordnungsantrag, der eine Sondersession Gesundheitspolitik fordert, schon morgen behandeln könnte. Es geht dabei um Vorstösse, die nach Juni nicht mehr aktuell sind. Ich möchte beispielsweise beantragen, dass mein Vorstoss noch behandelt wird. Es ist ein wenig schwierig, wenn man bis zuletzt nicht weiss, ob der Vorstoss nun noch behandelt werden wird oder nicht. Es wäre daher praktisch, wenn man morgen auch bereits wüsste, ob diese Vorstösse noch behandelt werden oder nicht.

14 Wahlen 6. Juni 2011 Nachmittag 457 Präsident. Ich danke für diese Frage. Vielleicht habe ich da schon ein wenig zu viel vorweggenommen, was vorerst einmal so angedacht wurde: Selbstverständlich werden wir morgen ebenfalls noch entscheiden können, ob wir diesen Ordnungsantrag auch gleich beraten wollen oder eben erst zusammen mit den GEF-Geschäften. Wir haben diesen Wunsch zur Kenntnis genommen, möchten das aber eigentlich nicht jetzt diskutieren, sondern eben erst morgen. Es gibt keine Wortmeldungen mehr, darf ich daraus schliessen, dass Sie mit diesem Vorgehen einverstanden sind? Das ist der Fall. Damit fahren wir gemäss Traktandenliste fort und kommen zu den Tätigkeitsberichten. Geschäft Tätigkeitsbericht der Finanzkontrolle für das Jahr 2010 Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft Bericht der Oberaufsichtskommission über ihre Tätigkeit im Jahr 2010 Andreas Blaser, Steffisburg (SP), Präsident der Oberaufsichtskommission. Herr Grossratspräsident, auch von mir ganz herzliche Gratulation zur Wahl. Die OAK ist im Jahr 2010 insgesamt 16 Mal zu Plenarsitzungen zusammengekommen, wovon 6 ausserordentliche Sitzungen waren. Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Oberaufsicht über die Regierung und die Verwaltung sowie der Vorberatung von Berichten und der Behandlung von Einzelthemen haben im Berichtsjahr insgesamt 36 Ausschusssitzungen stattgefunden. Diese dauerten sehr unterschiedlich lange. In Einzelfällen haben wir auch Amtsbesuche vor Ort gemacht. Dazu kamen 13 Präsidialsitzungen, an denen der Präsident und der Vizepräsident gemeinsam mit dem Ratssekretariat getagt haben. Ein Schwerpunkt der OAK in diesem Jahr waren die Untersuchungen zu den Zeitguthaben und den Austrittsvereinbarungen der Kaderangestellten in der Kantonsverwaltung. Sie fanden nicht nur unter grosser öffentlicher Aufmerksamkeit statt; mit dem im Herbst vorgelegten Schlussbericht der Kommission trugen sie auch zur Versachlichung der anfänglich hochemotionalen Debatte bei. Darüber hinaus hat die Kommission damit bewiesen, dass sie in der Lage ist, auch komplexe und aufwendige Untersuchungen durchzuführen. Dass die OAK nicht nur eine Geschäftsprüfungs- sondern auch eine aussenpolitische Kommission ist, dürfte dem Grossen Rat und einer interessierten Öffentlichkeit im letzten Berichtsjahr ebenfalls bewusst geworden sein. Schon seit Längerem befasst sich die Kommission mit der Frage, wie sich die Stellung der kantonalen Parlamente bei der Schaffung von interkantonalem Recht, also von Vereinbarungen, verbessern kann. Im Jahr 2010 hat sie, quasi als Frucht dieser Beschäftigung, erfolgreich drei Motionen lanciert. Eine davon verlangte die Schaffung einer ständigen Kommission für Aussenbeziehungen. Eine andere befasste sich mit der fälligen Totalrevision der Parlamentsgesetzgebung, an der wir ja nun arbeiten. Ausserdem hat die OAK unter den Kantonalparlamenten ein Modell in die Diskussion eingebracht, welches ermöglicht, dass die Parlamente gemeinsam ihr Gewicht bei internationalen Gesetzesentwürfen und Konkordaten verstärken können. Nicht nur gewichtige Geschäfte sondern auch grosse personelle Umbrüche haben die Tätigkeit der OAK in diesem Jahr geprägt. Ausgelöst wurde dies durch den Legislaturwechsel. Knapp die Hälfte der Kommissionsmitglieder haben im vergangen Jahr ihre Tätigkeit neu aufgenommen, und in vier Ausschüssen wurden neue Leitungen bestimmt. Ich kann aber eigentlich mit Befriedigung feststellen, dass sich die Kommission sehr rasch eingearbeitet hat und wir über die Parteigrenzen hinweg sehr konstruktiv und gut miteinander arbeiten. Schwergewichtig, haben wir uns, wie gesagt, mit den Zeitguthaben und Austrittsvereinbarungen, mit den baulichen Mängeln am Gebäude der Frauenklinik, mit der Stärkung der Mitwirkungsrechte von Parlament und Volk bei interkantonaler und interkommunaler Zusammenarbeit und ebenfalls mit der Schulverwaltungssoftware EVENTO der Sek-II-Schulen auseinandergesetzt. Daneben wurden eine ganze Reihe von Themen in den Ausschüssen behandelt. Dazu ein paar Beispiele: der Risikodialog mit der Regierung; das ist eine sehr zentrale Sache, damit wir diese Risiken einschätzen können. Wir haben uns mit den Quartalsberichten der Finanzkontrolle beschäftigt. Wir haben die Leistungsaufträge der Hochschulen angeschaut. Wir haben regelmässig Geschäfte über die Berichterstattung der Wirtschaftsförderung behandelt. Wir haben einen Risikodialog mit dem Informatikeinsatz des Kantons geführt und haben uns ebenfalls mit dem Entwurf des Konkordats über Sicherheitsunternehmungen befasst. Wir arbeiten auch an der Aufsicht über die kantonalen Staatsschutzaktivitäten. Zudem, und das ist eigentlich eine Ausnahme, begleiten wir das Grossprojekt Wankdorfplatz und das Projekt INO und befassten uns ebenfalls mit den EWAP- Vorschriften, die ja im vergangenen Jahre in den Schlagzeilen waren. In diesem Sinne beantrage ich Ihnen, den Bericht der OAK zur Kenntnis zu nehmen. Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft Tätigkeitsbericht des Ratssekretariats für das Jahr 2010 Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft Bericht der Datenschutzaufsichtsstelle Präsident. Anstelle von Herrn Ruchti äussert sich Frau Hufschmid zu diesem Geschäft. Elisabeth Hufschmid, Biel (SP), Sprecherin der Oberaufsichtskommission. Ganz kurz zum vorliegenden Bericht 2010 der Datenschutzaufsichtsstelle: Wir möchten uns ganz herzlich bei Herrn Siegenthaler für die fristgerechte Beantwortung der Standardfragen bedanken und auch für die Bereitschaft, auf eine Diskussion über den Tätigkeitsbericht 2010 der Aufsichtsstelle für Datenschutz einzutreten. Ein grosses Problem für den Datenschützer ist die Akzeptanz des Datenschutzes. Ich pflücke hier nur einen einzelnen Punkt heraus. Die Haltung der Verwaltung ist nicht immer frei von Interessenkonflikten. Ich zitiere, was der Datenschützer hier unternommen hat: «Deshalb versuchen wir uns in der Gesetzgebungsphase einzubringen. Der Weg mit der konkreten Normenkontrolle sieht folgendermassen aus: Bei der Anwendung des Sozialhilfegesetzes wird durch eine in der Regel kommunale Datenaufsichtsstelle eine begründete Empfehlung abgegeben, gegen die sich die vollziehende Stelle mit einer Verfügung wehren kann. Wenn sie das macht, kann die Datenaufsichtsstelle Beschwerde führen. Das ist ein Weg, um Datenschutz-

15 Juni 2010 Nachmittag Wahlen anliegen durchzusetzen, aber es ist ein aufwendiger Weg. Wir müssen unter anderem versuchen, die Verwaltung, die Gesetze und Verordnungen vorbereitet, zu überzeugen. Das wird uns aber nicht immer gelingen.» Wir sind gespannt darauf, was er im Jahr 2011 mit seinen Plänen und Vorschauen wird erreichen können. Wir danken Herrn Siegenthaler und seinem Team für ihre Arbeit und empfehlen den Bericht zur Kenntnisnahme. Stillschweigende Kenntnisnahme. Präsident. Wir warten nun ab, bis die noch ausstehenden Wahlresultate bekannt sind. Hier wird die Sitzung kurz unterbrochen. Geschäft Wahl des zweiten Vizepräsidenten des Grossen Rats Bei 145 ausgeteilten und 144 eingelangten Wahlzetteln, wovon 4 leer und ungültig, in Betracht fallend 140, wird bei einem absoluten Mehr von 71 Stimmen gewählt: Bernhard Antener Diverse erhielten 4 Stimmen. mit 136 Stimmen Präsident. Auch ihm herzliche Gratulation. (Applaus) Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Therese Rufer und Bernhard Antener. An dieser Stelle schliesse ich die Sitzung. Zur Feier heisse ich Sie in Ittigen willkommen; die Gemeinde Ittigen freut sich auf Sie! Geschäft Wahl des Präsidenten der Regierung Bei 143 ausgeteilten und 142 eingelangten Wahlzetteln, wovon 16 leer und 0 ungültig, in Betracht fallend 126, wird bei einem absoluten Mehr von 64 Stimmen gewählt: Bernhard Pulver mit 125 Stimmen Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr. Die Redaktorinnen: Claudine Blum (d) Catherine Graf Lutz (f) Diverse erhielten 1 Stimme. Präsident. Ich gratuliere ganz herzlich. (Applaus) Geschäft Wahl des Vizepräsidenten der Regierung Bei 143 ausgeteilten und 142 eingelangten Wahlzetteln, wovon 20 leer und 0 ungültig, in Betracht fallend 122, wird bei einem absoluten Mehr von 62 Stimmen gewählt: Andreas Rickenbacher mit 122 Stimmen Präsident. Ich gratuliere auch ihm herzlich. (Applaus) Wir warten noch auf die übrigen Resultate. Sie können sich inzwischen ein wenig unterhalten. Hier wird die Sitzung erneut unterbrochen. Geschäft Wahl der ersten Vizepräsidentin des Grossen Rats Bei 145 ausgeteilten und 143 eingelangten Wahlzetteln, wovon 5 leer und 0 ungültig, in Betracht fallend 138, wird bei einem absoluten Mehr von 70 Stimmen gewählt: Therese Rufer-Wüthrich mit 135 Stimmen Diverse erhielten 3 Stimmen. Präsident. Herzliche Gratulation. (Applaus)

16 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 459 Zweite Sitzung Dienstag, 7. Juni 2011, 9.00 Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 151 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Ursula E. Brunner, Peter Flück, Thomas Fuchs, Pierre-André Geiser, Jan Gnägi, Pierre-Yves Grivel, Natalie Imboden, Josef Jenni, Corrado Pardini. Geschäft Wahl der Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler Bei 146 ausgeteilten und 145 eingegangenen Wahlzetteln, wovon leer und ungültig 0, in Betracht fallend 145, werden bei einem absoluten Mehr von 73 Stimmen gewählt: Hans Kipfer Hannes Zaugg-Graf Thomas Heuberger Hugo Kummer, Burgdorf (SVP) Käthi Wälchli, Obersteckholz (SVP) mit 144 Stimmen mit 142 Stimmen mit 139 Stimmen mit 138 Stimmen mit 136 Stimmen Diverse erhielten 4 Stimmen. Präsident. Ich heisse Sie herzlich willkommen. Nach dem Feiern folgt nun die Arbeit. Zuerst möchte ich jedoch allen herzlich danken, die an der Feier teilgenommen haben, aber auch für ihr Vertrauen, dass ich das Präsidium übernehmen darf. Gestern sagte ich, das Glück und die Freude verdoppelten sich, wenn man sie teile. Ich glaube, ich durfte gestern eine glückliche Gästeschar durch Ittigen führen. Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie mitgekommen sind; ich danke ebenfalls den Künstlerinnen und Künstlern, die aufgetreten sind, ebenso den Rednerinnen und Rednern. Wir haben versucht, Ihnen einen kleinen Einblick in eine Agglomerationsgemeinde zu geben, mit ihren Schattierungen von Wirtschaftsfreundlichkeit sowie einem hohen Ausländeranteil einem der höchsten im Kanton Bern, aber auch mit der Nähe zur Stadt. Ittigen ist bezüglich seiner Fläche etwas Kleines: Die 4 Quadratkilometer sind im Verhältnis zur Gesamtfläche des Kantons Bern ein winziger Promillebereich, x Stellen nach dem Komma. Bei der Einwohnerzahl sieht es dagegen etwas anders aus: Jeder hundertste Einwohner der Kantons Bern wohnt in Ittigen das ist auch schon wieder eine Grösse. Ich hoffe, die vier Stationen in Ittigen haben Ihnen gefallen; dass nicht alle dabei sein konnten, ist verständlich, wenn man verschiedene Ämter innehat. Ich werde den Dank, den ich von Einzelnen von Ihnen bereits erhalten habe, an meine Gemeinde weiterleiten, welche sich engagiert und die Feier für Sie alle durchgeführt hat. Gerhard Fischer war ein sehr guter Vorgänger, der den Rat effizient geführt hat. Gestern bekam er allerdings oft zu hören, sein Dialekt sei manchmal ein Problem gewesen. Ich fand jedoch, es sei gar nicht so schlimm gewesen. Wir haben den wunderbaren Dialekt genossen, durften Gerhard Fischer deswegen aber sicher ein wenig auf die Schippe nehmen. Ich fand einen Spruch von Albert Schweitzer, den ich ihm auf den Weg mitgeben möchte: «Wer viel Schönes im Leben erhalten hat, muss entsprechend viel dafür hingeben.» Gerhard Fischer sagte, sein Engagement im letzten Jahr sei gross gewesen; das haben wir alle auch gespürt: Ich danke ihm noch einmal ganz herzlich dafür. «Feierstunden sind Atempausen der Seele» stand auf der Einladung zu meinem gestrigen Fest. Diese Atempause war wohl auch nötig, denn nun steht uns eine intensive Session bevor: zuerst ein Teil der normalen Geschäfte, anschliessend die Sondersession. Wie dort die Redezeiten gehandhabt werden, erkläre ich später. Nach der Sondersession werden zudem noch weitere Geschäfte folgen. Ich werde mich bemühen, den Rat effizient zu führen, kann aber auch nur so weit leiten, wie Sie alle mithelfen. Vor der Behandlung der Ordnungsanträge gebe ich noch die letzten Wahlresultate von gestern bekannt. Die fünf Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler haben sich selber ausgezählt und sich darauf geeinigt, dass das, was nun vorliegt, richtig ist aber Spass beiseite, das Resultat ist beglaubigt; es waren noch andere Leute dabei. Präsident. Herzliche Gratulation, viel Glück und Freude beim weiteren Stimmenauszählen. Mögen Sie es stets zeitgerecht erledigen. Ordnungsanträge Antrag FDP (Kneubühler, Nidau) 1. Es ist eine Sondersession zur Finanzpolitik durchzuführen. An der Sondersession sollen folgende Themen behandelt werden: schuldenbremskonformer Voranschlag 2012 Finanzplanung mittelfristig ohne Neuverschuldung Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte in der Finanzpolitik (bspw. neue Definitionen gebundene/nicht gebundene Ausgaben; Überprüfung NEF; neue Definition der Nachkreditspraxis) 2. Die nachfolgenden Geschäfte sind aus dem Sessionsprogramm zu streichen und erst wieder in der Sondersession zur Finanzpolitik zu traktandieren: Nr. 14 Kredit für E-Voting Nr. 25 Abgeltung an die EG Bern Nr. 35 Amt für Landwirtschaft: Bodenverbesserung Nr. 36 Amt für Wald: Steinschlagschutzprojekt Nr. 50 Kauf SBB-Liegenschaften Nr. 51 Radweg Roggwil Nr. 52 Kauf Liegenschaft Gasthof Brücke Nr. 66 Äufnung Investitionsspitzenfonds 3. Im Weiteren sind alle Vorstösse aus dem Sessionsprogramm, die zu einer Mehrbelastung des kantonalen Haushalts führen (insbesondere nicht budgetierte Mehrausgaben und neue Kredite), auf die Sondersession zur Finanzpolitik zu verschieben. Das Ratssekretariat wird beauftragt, umgehend eine entsprechende Liste zu erstellen. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Auch ich möchte mich beim Grossratspräsidenten und bei der Gemeinde Ittigen für die sehr gut gelungene Präsidentenfeier von gestern Abend bedanken. Die FDP-Fraktion beantragt dem Grossen Rat eine Sondersession zur Finanzpolitik. Folgende Vorbemerkung: Mir ist klar, dass der Antrag zur Sondersession 40 Stimmen benötigt, um angenommen zu werden. Ebenso klar ist, dass 40 Stimmen nicht reichen, um eine Rückweisung der Ziffern 2 und 3 zu rechtfertigen; dort braucht es eine normale Mehrheit. Die FDP ist der Meinung, dass eine Sondersession zur Finanzpolitik aus folgenden Gründen nötig ist: Wir hören die Signale der Regierung, dass es offenbar sehr schwierig, aus ihrer Sicht allenfalls sogar unmöglich sein soll, einen Voranschlag ohne Defizit zu bringen. Es soll nicht möglich sein, eine Finanzplanung vorzulegen, die auch mittelfristig ohne Neuverschuldung auskommt. Aus Sicht der FDP bedeu-

17 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei tet das, dass es eine breite Diskussion braucht, um die zukünftige finanzpolitische Strategie festlegen zu können. Bringt es der Grosse Rat zusammen mit der Regierung oder jedes der beiden Gremien allein fertig, das Ziel Schuldenbremsenkonformität / keine Neuverschuldung zu erreichen, oder nicht? Diese Frage muss meines Erachtens parlamentarisch breit diskutiert und abgestützt werden. Und, meine Damen und Herren, das verlangt vom Parlament auch den Mut zu unpopulären Entscheiden, um festzulegen, wo man sparen will, um dieses Ziel zu erreichen. Das wird keine einfache Debatte sein, das ist der FDP absolut bewusst. Es darf aber nicht sein, dass ein Parlament wie das Kaninchen vor der Schlange einfach ruhig sitzen bleibt und wartet, bis die Schlange zupackt. Zudem muss diese Debatte mit den verstärkten parlamentarischen Mitwirkungsrechten verknüpft werden. Wir hören immer wieder Signale aus der Finanzkommission, man sei unzufrieden mit der Praxis bezüglich gebundenen und nicht gebundenen Ausgaben. Das muss neu festgelegt werden. Weiter vernehmen wir immer wieder Unzufriedenheit mit dem so genannten NEF- Finanzhaushaltsystem; auch das muss einmal breit diskutiert werden. Möglicherweise ging man mit den so genannten Globalbudgets zu weit und müsste nun zurückbuchstabieren. Mich persönlich stört ausserdem die Nachkreditspraxis mit den so genannten kompensierten und nicht kompensierten Nachkrediten. Meines Erachtens gibt es keine «bösen» und «lieben» Nachkredite; es gibt begründete und nicht begründete. Und mit dem Stichwort «kompensierbar» einem Nachkredit zum Durchbruch zu verhelfen, finden wir sehr einfach. Ich habe auch gehört, dieser Antrag auf eine Sondersession sei ein Misstrauensvotum gegenüber der Finanzkommission. Das ist nicht der Fall. Wir finden einfach, dass diese entscheidenden Weichenstellungen einmal breit diskutiert werden müssen. Die FDP ist unzufrieden mit der Art, wie die letzten Debatten zum Voranschlag gehandhabt wurden: Man hatte ein relativ enges Zeitfenster; man hatte deshalb nicht den Mut, entsprechende Spar- oder andere Anträge zu stellen. Das wollen wir korrigieren, indem das ganze Thema «Finanzstrategie des Kantons Bern» mit einem entsprechend offenen Zeitfenster breit diskutiert wird. Bei Ziffer 2 war es die Absicht der FDP, möglichst wenige «faits accomplis» mit Krediten, zum Teil in zweistelliger Millionenhöhe, zu schaffen, die heute oder allenfalls in der Septembersession beschlossen werden. Wenn man bei der Überprüfung der Finanzplanung dann feststellt, dass man sich gewisse Investitionen gar nicht hätte leisten können, kann man nicht mehr zurück. Es war die Absicht dieses Antrags, für den Grossen Rat eine möglichst grosse Handlungsfreiheit im Rahmen der Sondersession zu erreichen, wenn die Strategie festgelegt wird. Wenn nun aus der FIKO oder aus der Regierung Signale kommen, dass gewisse Geschäfte zwingend in dieser Session behandelt werden müssen, wird die FDP nicht stur sein und wird die entsprechenden Rückweisungsanträge zurücknehmen. Bei der Äufnung des Investitionsspitzenfonds ist mir ein Fehler unterlaufen: Er muss aus finanzhaushaltrechtlichen Gründen in dieser Session behandelt werden. Das sehen wir ein. Deshalb ziehen wir die Rückweisung des Geschäfts Nr. 66 zurück. Zusammenfassend finden wir es wichtig, dass die Finanzpolitik in einer Sondersession breit diskutiert wird. Aus den Erfahrungen der letzten Session hat die FDP darauf verzichtet, im Antrag einen Zeitpunkt festzulegen. Denn die Bestimmung des Zeitpunkts einer Sondersession und die Art und Weise liegen in der Kompetenz der Präsidentenkonferenz. Auch da ist die FDP nicht stur und lässt sich gern von der Präsidentenkonferenz vom idealen Zeitpunkt überzeugen. Wichtig ist für uns, dass das Thema einmal breit diskutiert und eine Gesamtstrategie festgelegt wird. Mit Ziffer 2 möchten wir erreichen, dass der Grosse Rat möglichst wenigen «faits accomplis» gegenübersteht. Wie gesagt: Wenn die Regierung oder die FIKO der Meinung ist, dass gewisse Geschäfte unbedingt behandelt werden müssen, überlegen wir uns, sie punktweise zurückzuziehen. Präsident. Ich kann bestätigen, dass nach Artikel 16 Absatz 3 der Geschäftsordnung die Präsidentenkonferenz über den Zeitpunkt und die voraussichtliche Dauer einer Session oder einer Sondersession entscheidet. Auf der andern Seite braucht es die Stimmen eines Viertels der Ratsmitglieder für die Einberufung einer Sondersession. Martin Friedli, Sumiswald (EDU). Die Finanzpolitik ist schon länger ein Thema; wir wissen, dass wir auf eine Zeit zugehen, in der es nicht einfach sein wird. Wir haben uns jedoch gefragt, ob es der richtige Weg sei, über eine Sondersession zur Finanzpolitik wirklich das Gelbe vom Ei zu finden. Wir sind der Meinung, eine Sondersession sei dann angebracht, wenn eine schlagartige Veränderung eintritt oder wenn eine Krisensituation vorliegt, nicht aber, wenn wir in einem Prozess stehen, an dem wir arbeiten und dessen Ablauf gegeben ist. Dieser Ablauf ist klar: Die FIKO ist bereits jetzt dabei, gewisse Überprüfungen und Anregungen weiterzugeben; auch die Regierung und die Finanzdirektion arbeiten am Entlastungspaket. Angesichts der zeitlichen Abläufe wird es November, bis eine Sondesession stattfinden kann. Im November werden wir sowieso über die Finanzen debattieren; dieser Schwerpunkt ist gegeben. Ich würde es auch ein Stück weit als Eingriff in die Arbeit der FIKO betrachten, wenn die Sondersession nun beschlossen würde. Die Thesen in Ziffer 1 schuldenbremsekonformer Voranschlag; Finanzplanung mittelfristig ohne Neuverschuldung diskutieren und thematisieren wir hier schon lange. Wir wollen diese Ziele verfolgen, das haben wir uns auch in der FIKO auf die Fahnen geschrieben. Wir wollen etwas machen, wir wollen nicht untätig bleiben, und wir wollen auch Resultate hervorbringen, sodass man sie hier gut und anständig diskutieren kann. Zu Ziffer 2: Diese Geschäfte wurden in der FIKO gut angeschaut; sie wurden hinterfragt, und zwar auch aus finanzpolitischen Gesichtspunkten. Wenn man die Geschäfte nun verschiebt, wird der Prozess gestört. Wir können nicht einfach nichts investieren. Die Investitionen werden in Zukunft unter Druck geraten, das ist uns allen bewusst. Von daher führen wir auch die Diskussionen darüber, was wir uns noch leisten können und was nicht. Wir betrachten es nicht als den richtigen Weg, diese Geschäfte nun zu verschieben. Die EDU lehnt einstimmig die Sondersession und die weiteren Ziffern des Antrags ab. Bernhard Antener, Langnau (SP). Eine Sondersession zu einem bestimmten Themenkreis zu verlangen, ist das demokratische Recht einer Minderheit; das stellen wir in keiner Art und Weise in Frage. Im FDP-Antrag ist jedoch nur die erste Zeile massgebend. Alles andere kann man entsorgen, da es sich um die Begründung des Antrags handelt. Letztlich ist es die Sache der Präsidentenkonferenz, den Inhalt und den Umfang einer Sondersession zu bestimmen. Vor allem kann man nicht mit 40 Stimmen das Sessionsprogramm ändern, dafür sind normale Mehrheitsentscheide notwendig. Das hat der Antragsteller vorhin bereits selber klargestellt. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion lehnt eine Sondersession aus folgenden drei Gründen ab. Erstens: Auch wenn es der FDP- Fraktionschef nicht so sieht, ist der Antrag eine Desavouierung der Finanzkommission, die im Dialog mit dem Regierungsrat steht, und zwar so früh wie noch nie. Wir hatten bereits zwei Sitzungen im Zusammenhang mit Budget- und Finanzplanprozess. Wir sind einbezogen, und im Laufe des

18 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 461 Monats Juni wird die nächste Sitzung stattfinden. Dass wir so früh involviert wurden, gab es noch gar nie. Das Ganze ist vertraulich; daran hält sich die FIKO natürlich. Zweitens ist das Verschieben von Geschäften keine Option. Trotz finanziell schwieriger Ausgangslage müssen wir Vorlagen behandeln, sonst ergeben sich Folgekosten und verpasste Chancen. Ich denke dabei an das SBB-Geschäft. Der Beschluss über die Einlage in den Investitionsspitzenfonds ist bekanntlich Voraussetzung für die Behandlung des Geschäftsberichts; auch dort sollte man nicht zuwarten. Wenn wir schon dabei sind, mögliche Themen aufzulisten, würden wir gerne auch die Steuerinitiative einbringen, die man ebenfalls in diesem Themenkreis behandeln könnte. Drittens stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für eine Sondersession ideal wäre. Der Regierungsrat verabschiedet seinen Voranschlag 2012 und den Aufgaben- und Finanzplan Ende August. Zu diesem Zeitpunkt steht die Traktandenliste für die Septembersession schon fest, man kann keine Geschäfte mehr aufnehmen. Eine Debatte ohne bearbeitete Grundlagen bringt schlicht nichts und ist nicht zielführend. Es würde also so oder so November, und der November steht immer im Zeichen der Finanzen. Der Aufgaben- und Finanzplan und das Budget sind fest traktandiert. Bisher wurde jedes Sparprogramm, auch SAR, im Rahmen der Novembersession behandelt. Ich sehe nicht ein, weshalb man nun mit einer Sondersession etwas künstlich schaffen will, was ohnehin normal ablaufen wird. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Zunächst eine begriffliche Vorbemerkung: Sondersession klingt nach einer ausserordentlichen Session. Das ist von der Begrifflichkeit her wohl etwas verfänglich. Die Sondersessionen, die wir durchführen, sind eher Debatten aus aktuellem Anlass, gewissermassen intensive Eintretensdebatten mit anschliessender Diskussion eines gesammelten Vorstosspakets zu einem entsprechenden Bereich. So werden wir es mit der Energiepolitik halten, und so war es in der Vergangenheit einmal mit der Wirtschaftspolitik. Auf der einen Seite senkt das möglicherweise die Hemmschwelle ein Stück weit, auf der andern Seite macht es deutlich, was es braucht, um eine solche Sondersession durchzuführen, nämlich nicht nur die Forderung nach einer Sondersession, sondern das Pendant dazu, nämlich parlamentarische Vorstösse mit entsprechenden politischen Forderungen. Angesichts des vorliegenden Antrags, insbesondere Ziffer 1, Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte in der Finanzpolitik, das Verhältnis von gebundenen und nicht gebundenen Ausgaben und weitere, attestiere ich zwar, dass es sich um Forderungen handelt, die man in eine solche Debatte einbringen kann. Aber was es brauchte, wenn man das à fond diskutieren wollte und Weichenstellungen vornehmen wollte, wären die entsprechenden politischen Forderungen und Vorstösse. Das wurde hier nicht oder nur ungenügend gemacht. Von daher wäre das richtige Vorgehen, seine politischen Forderungen einzubringen und gleichzeitig kundzutun, dass man sie im Rahmen einer Sondersession diskutieren will. Damit hätte man die Möglichkeit, es so zu machen. Der zweite Punkt, den ich anspreche, ist der Termin. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass wir im Herbst eine allgemeine Debatte aus aktuellem Anlass in genügendem Ausmass haben werden. Die eigentliche Finanzdebatte, die wir jeden Herbst mit der Behandlung des Voranschlags und des Aufgaben- und Finanzplans führen, ist genau eine solche allgemeine Finanzdebatte. In diesem Jahr kommt zudem noch das Sparpaket hinzu. Der Regierungsrat wird seine Position mit dem Bericht zum Voranschlag und zum Aufgaben- und Finanzplan ausführlich darlegen. Was mit dem Antrag angeregt wird, haben wir mit diesem Setting der allgemeinen finanzpolitischen Debatte im Herbst. Folgender Aspekt würde eher dafür sprechen, auf das Anliegen des Antrags einzugehen: Wenn die freisinnige Fraktion eine finanzpolitische Debatte verlangt, weil sie der Meinung ist, man müsse eine Neuverschuldung verhindern, würde ich das zumindest als eine Richtung auffassen, die ich mir auch wünsche. Wir haben verschiedentlich darauf hingewiesen, dass wir uns wesentlich stärker überlegen müssten, welche politischen Projekte wir uns in diesem Kanton leisten können. Im Rahmen der Steuergesetzdebatte appellierten wir intensiv an das finanzpolitische Verantwortungsbewusstsein, damals leider erfolglos. Erfolglos war es auch im Rahmen der Kommissionsberatungen zur Initiative «Faire Steuern für Familien». Wenn beim Freisinn nun eine Neubeurteilung dieser Situation erfolgt, sollte man das meines Erachtens nicht abklemmen, sondern eher unterstützen. Von daher wollen wir auf dieses Diskussionsangebot nicht einfach ablehnend reagieren. Deshalb werden wir diesen Antrag auch nicht einfach ablehnen. Fazit: Von den Terminlichkeiten her sind wir der Ansicht, dass diese Debatte ohnehin stattfinden wird. Wenn der Wunsch besteht, dass eine solche Debatte stattfindet, werden wir das nicht ablehnen, sondern werden uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Die Finanzpolitik bereitet auch uns Sorgen. Wir haben den Eindruck, dass der Regierungsrat in diesem Bereich sehr zögerlich vorgeht. Vorhin haben wir zwar gehört, dass die FIKO offenbar bereits recht gut orientiert ist. Gegen aussen kommuniziert der Regierungsrat jedoch gar nichts. Von aussen hat man den Eindruck, der Regierungsrat sei seit dem März des letzten Jahres dabei, etwa zusammenzubasteln. Stets wird signalisiert, eine Neuverschuldung sei gottgegeben und unvermeidlich. Wir haben keine Ahnung, wie das Entlastungsprogramm aussehen soll. Wenn es erst im November vorgelegt wird mit einem überschuldeten Budget, können wir nicht mehr reagieren. Wir wissen, wie es dann tönt: Es sei viel zu spät und das Parlament könne gar nicht mehr Einfluss nehmen. Die Parameter, die man verändern kann, haben wir dann nicht mehr im Griff. Wir sind der Meinung, es wäre gar nicht schlecht, die Finanzdebatte in der Septembersession anzusetzen. In dem Fall könnte man auch punkto Entlastungsprogramm Leitplanken setzen. Wir wollen nicht etwa die FIKO in Frage stellen, vielmehr wollen wir der FIKO Unterstützung bieten, indem wir die Fragen rechtzeitig diskutieren könnten. Wir unterstützen grossmehrheitlich Ziffer 1 des Ordnungsantrags. Mit den Ziffern 2 und 3 haben wir mehr Probleme. Ich möchte der FDP sagen, dass der Kauf der SBB-Liegenschaften der Punkt ist, an dem sie finanzpolitisch am meisten Einfluss nehmen kann: Im Rahmen des Rückweisungsantrags von SVP und BDP kann das Geschäft an die Regierung zurückgewiesen werden. Ich empfehle, es dort zu machen. Ziffer 1 unterstützen wir. Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Die BDP-Fraktion hat das Begehren geprüft. Sie nahm einen Abgleich von Nutzen und Schaden einer Sondersession in der Septembersession vor, wenn man die sieben Geschäfte unter Ziffer 2 von der Traktandenliste streichen und auf den September verschieben würde. Wir kamen einhellig zur Erkenntnis, dass es ausser einer Verzögerung von abstimmungsreifen Geschäften nichts bringt. Vielleicht verstehen wir unter Sondersession nicht dasselbe. Eine Sondersession sollte doch eine Grundsatzdebatte umfassen, eine Grundsatzerklärung der Regierung, welche das Parlament diskutieren kann, sowie beschlussreife Unterlagen, über die in Bezug auf die Strategie in diesem Fall die finanzpolitische Strategie beschlossen werden muss. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir ein

19 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei paar abstimmungsreife Geschäfte zusammenfassen und sie drei Monate später behandeln als geplant: Was hätten wir damit an der finanzpolitischen Strategie oder der finanzpolitischen Ausrichtung des Kantons Bern geändert? Wir können diesem Antrag nichts abgewinnen. Die effektiven finanzpolitischen Entscheide fallen ohnehin im November. Also bringt eine Verschiebung von Geschäften und eine Diskussion im September rein gar nichts. Wir lehnen den Antrag auf die Sondersession ab und ebenso die Streichung der Geschäfte 14 bis 52 auf der Liste. Niklaus Gfeller, Worb (EVP). Aus Sicht der EVP hat die Präsidentenkonferenz genügend Instrumente, um eine Session zu strukturieren und thematisch zu prägen. Es wurde schon bisher so gehandhabt, dass Geschäfte mit gleichem Inhalt in der Regel gemeinsam beraten werden. Geschäfte, die im Rahmen einer Session zwingend behandelt werden müssen, wurden entsprechend fix terminiert. In der Vergangenheit wurden die Geschäfte der Finanzdirektion jeweils in der Novembersession am Montagnachmittag der zweiten Sessionswoche fix terminiert. Wir gehen davon aus, dass man in der Novembersession dieses Jahres mit den angesprochenen Geschäften Finanzplan und Voranschlag in ähnlicher Weise vorgehen wird. Etwas ist uns dabei sehr wichtig: Wir sind nicht bereit, der FIKO Aufgaben wegzunehmen. Uns scheint es wichtig, dass die FIKO ihre Aufgaben wahrnehmen kann. Würde man ihr Aufgaben entziehen und auf die Ebene des Parlaments heben, wäre das für uns eine Schwächung der FIKO. Das wollen wir in keiner Art und Weise. Das zusätzliche Anliegen der FDP, die parlamentarischen Mitwirkungsrechte in der Finanzpolitik zu stärken, muss aus unserer Sicht nicht zwingend zusammen mit Voranschlag und Finanzplan thematisiert werden. Vielmehr kann es ohne Weiteres einmal im Rahmen eines Vorstosses behandelt werden. Beim Begriff «Sondersession» haben wir ähnliche Probleme wie Dieter Widmer. Unseres Erachtens kann man damit ein gewisses Aufsehen bei den Medien erregen, aber viel mehr ist nicht dahinter. Alles, was der Antrag fordert, kann man durchaus im Rahmen einer laufenden Session behandeln. Es wäre wohl ziemlich schwierig, wenn man zusätzliche Sitzungstermine für Sondersessionen ausserhalb des Sessionsplans festlegen wollte. Für eine solche Terminfestlegung müsste man sich viel Zeit nehmen. Das würde bedeuten, dass alle Geschäfte, die in der Sondersession behandelt werden sollten, bis zu diesem Zeitpunkt verschoben werden müssten. Es ist für uns sehr fraglich, ob es sachdienlich wäre, nun alle Geschäfte zum Thema Gesundheitspolitik oder eben Finanzpolitik über Monate hinaus zu verzögern und zusammenzuschieben, um sie im Rahmen einer Sondersession gemeinsam behandeln zu können. Wir ziehen es vor, dass die Geschäfte dann traktandiert werden, wenn sie vorliegen und reif sind. Eine künstliche Konzentration zu Sondersessionen lehnen wir ab. Ich äussere mich an dieser Stelle auch gleich zum Ordnungsantrag bezüglich Gesundheitspolitik: Wir lehnen beide Ordnungsanträge für Sondersessionen ab. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Der Vorstoss der FDP geniesst die Sympathie der glp-cvp-fraktion. Wie Sie wissen, haben wir uns nebst einer nachhaltigen Energiepolitik als zweites grosses Thema eine nachhaltige Finanzpolitik auf die Fahnen geschrieben. Als neue Fraktion sind wir nach dem ersten Jahr im Grossen Rat erstaunt, wie häufig Finanzund Kreditgeschäfte aus unserer Sicht einfach durchgewinkt werden. Wir wissen natürlich, dass das alles in der Finanzkommission vorbesprochen wird. Als neue Fraktion haben wir jedoch ein grosses Handicap: Wir sind in der Finanzkommission nicht vertreten. Wenn man nicht in der FIKO ist, gewinnt man den Eindruck, dass alles etwas salamimässig, scheibchenweise, kommt und dass der Rat gar nichts mehr dazu zu sagen hat. Unsere Wunschvorstellung bei Finanzgeschäften, die mittelfristig behandelt werden, sieht folgendermassen aus: Nachdem der Grosse Rat jeweils in der Budgetdebatte die quantitativen Eckwerte verabschiedet hat, werden die Geschäfte, die sonst über das Jahr hinweg nach Direktionen verteilt scheibchenweise daherkommen, ziemlich en bloc im Januar behandelt. Man kann nicht jedes Finanz- und Kreditgeschäft voraussehen. Ich behaupte jedoch: Die grossen «Tütschi», volumenmässig vielleicht 80 bis 90 Prozent, kennt man ein Jahr im Voraus. Wir stellen uns vor, dass wir im Januar über all diese Geschäfte diskutieren würden und dass dann alle Regierungsräte in corpore anwesend wären. In dem Fall hätte man vielleicht die Strasse in Bützberg und diejenige in Roggwil in derselben Session. Wenn es einmal darum ginge, etwas zu streichen, das wehtut, hätte man die Geschäfte nebeneinander und könnte priorisieren. Ich finde, diese Priorisierung müsste im Grossen Rat erfolgen und nicht in der FIKO. Es ist absehbar, dass wir priorisieren und Verzichtsentscheide fällen werden müssen. Darum unterstützen wir Ziffer 1 des Antrags voll und ganz; wir halten es jedoch nicht für sachdienlich, nun kurzfristig Geschäfte, die bereits aufgegleist und traktandiert sind, zu verschieben. Heinz Siegenthaler, Rüti bei Büren (BDP), Präsident der Finanzkommission. Zunächst eine Vorbemerkung zu meinem Vorredner: Die Begehren oder Bedürfnisse der grünliberalen Fraktion sind für mich nachvollziehbar. Ich kenne den Wert der FIKO. Es ist leider so, dass die glp-cvp-fraktion nicht vertreten ist. Die Tätigkeit der FIKO erleichtert den Parlamentsbetrieb. Das entspricht auch der lange gewachsenen Art, wie wir arbeiten: nämlich mit den vorberatenden Kommissionen, welche Geschäfte vorbereiten, damit es dem Parlament und den Fraktionen leichter fällt, zu den nötigen Informationen zu kommen. Es ist sehr wichtig, dass man im Dialog mit der Regierung auch im vertraulicheren Rahmen Geschäfte vorbereiten und zur Beschlussreife bringen kann, damit im Grossen Rat, der in der Öffentlichkeit steht, ein Konsens gefunden werden kann. Ihre Forderung kann die grünliberale Fraktion aber nicht mit einer Sondersession erreichen. Alle die Mängel, die sie im System nun feststellt oder bei der FIKO, von der sie offenbar den Endruck hat, sie arbeite zu wenig effizient oder zu wenig öffentlich, müsste sie vielmehr in die Parlamentsrechtsreform einbringen und müsste dort ein anderes Kommissionssystem fordern. Zum Antrag Folgendes: Was ist eigentlich eine Sondersession? Die Antwort ist im Grossratsgesetz zu finden. Artikel 13 sagt, eine Sondersessionen gebe es, «wenn die geplanten Sessionen zur Bewältigung der Geschäftslast nicht ausreichen». Eine ausserordentliche Session kann man verlangen, «wenn besondere Ereignisse oder Entwicklungen dies erfordern». Nun steht die Frage im Raum, ob besondere Ereignisse vorliegen, welche das erfordern. Ist etwas passiert, dass wir aus einer Notsituation heraus von unseren ordentlichen Abläufen abweichen müssten? Die FIKO und ich sind klar der Meinung, das sei nicht der Fall. Wir wissen seit drei Jahren, dass sich die Finanzlage in diesem Kanton verschlechtern wird. Die Regierung, das Parlament und auch die FIKO haben sich dieses Themas längst angenommen. Es ist nicht wie bei jenem tragischen Atomunfall in Japan, der nicht voraussehbar war und der Auswirkungen auf die Energiepolitik hat. Vielmehr ist es etwas, das man vorausgesehen hat. Ich warne davor, ohne grosse Not von den üblichen Instrumenten und Abläufen abzuweichen. Das würde das Parlament schwächen. Wir stehen in einem Dialog und einer Partnerschaft mit der Regierung. Es gibt immer wieder Bemerkungen, wonach das Parlament der Regierung ein Stück weit unterlegen sei, weil sie aus Profis besteht und wir ein Miliz-

20 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 463 parlament sind. Ich glaube kaum, dass das Parlament gestärkt wird, wenn wir uns nun auch noch mit Sondersessionen auseinanderdividieren und zwei verschiedene Wege fahren. Die Aufgaben der FIKO sind in Artikel 21 des Grossratsgesetzes geregelt. Ich war bisher der Überzeugung, dass diese Sondersession auch die FIKO betreffen würde, die sich darauf vorbereiten müsste. Sonst müsste ich mich eines Besseren belehren lassen. Das braucht aber Zeit. Für die Vorbereitung einer Session benötigt die FIKO zwei bis drei Tage, um die einzelnen Geschäfte debattieren und seriös abklären zu können. Manchmal reicht das nicht einmal. Wir gesagt, sind wir alle Milizler. Wenn wir nun für die kommende Budgetdebatte im ordentlichen Planungsdialog mit der Regierung stehen, sind unsere Agenden bereits randvoll. Man erwartet von uns bekanntlich eine seriöse Arbeit. Wir müssten also dafür sorgen, auch noch diesen Auftrag seriös erfüllen zu können. Es wurde bereits gefragt, was denn die FIKO bisher getan habe und ob sie nicht erkannt habe, dass etwas auf den Kanton zukommt. Wir konnten in diesem Jahr einen ausserordentlichen Dialog mit der Regierung aufnehmen. Es fanden bereits zwei Informationen statt. An diesen Sitzungen flossen auch vertrauliche Informationen; die Regierung erwartet, dass man diese Informationen auch entsprechend behandelt. Führen wir jedoch eine Sondersession durch, wird alles öffentlich. Ich bezweifle, ob das im Sinn des Parlaments wäre, denn die Herausforderungen im Herbst werden riesig sein, wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bei sehr unangenehmen Sparvorgaben Lei halten müssen. Eine gewisse Vertraulichkeit führt dazu, dass man sich darauf vorbereiten und das auch vertreten kann. Wenn man jetzt alles ausplaudert, werden bereits Abwehrdispositive aufgebaut und mit Lobbyingarbeit begonnen. Das ist nicht im Sinne der FIKO. Damit würde es sehr schwierig, eine Mehrheit zu finden. Das ist auch ein Grund, weshalb die Kommission vertraulich mit der Regierung arbeitet. Am 16. Juni werden wir einen weiteren Termin mit der Regierung haben. Wir haben verlangt, dass das Geschäft 9852, die Motion «Gesamtkantonale Investitionsplanung», nicht, wie es die Regierung wünscht, in die Septembersession verschoben wird, sondern dass es in der Junisession behandelt wird. Ich bin bereits jetzt dankbar, wenn der Rat diese Motion unterstützt, denn wir brauchen dieses Instrument jetzt. Wir haben in dem Sinn mit dieser «Sondersession» bereits begonnen. Wir sind jedoch klar der Meinung, dass es keine zusätzliche Debatte braucht. Diese findet im November ohnehin statt. Wenn man eine Sondersession durchführen will, muss man sie seriös vorbereiten können. Ich bin überzeugt, dass es in dem Fall für die Septembersession nicht reicht. Die Punkte im dritten Lemma von Ziffer 1 sind alles Themen, die man in der Parlamentsrechtsreform behandeln kann und soll. Sie gehören aus Sicht der FIKO nicht in eine Sondersession. Ich komme zum Schluss: Die FIKO bemüht sich, eine seriöse und gute Arbeit zu leisten. Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt und arbeitet daran. Selbstverständlich kann der Grosse Rat, der die FIKO beauftragt, entscheiden, vom ordentlichen Weg abzuweichen. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass Sie damit das Parlament schwächen und der FIKO einen sehr schwierigen Auftrag erteilen. Ob das im Interesse des Ganzen ist, wage ich zu bezweifeln. Deshalb bittet Sie die FIKO mit grosser Mehrheit, von der Forderung nach einer Sondersession Abstand zu nehmen. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Ich möchte Ihnen im Namen der Regierung unsere Haltung zu einer Sondersession darlegen: Der Regierungsrat teilt die Besorgnis des Grossen Rats, dass sich eine schwierige Finanzlage ankündet. Der Regierungsrat hat in den letzten Jahren ja selber auf diese Problematik hingewiesen. Wir können Ihnen versprechen, dass wir alles unternehmen werden, damit Sie die notwendigen Unterlagen zur richtigen Zeit erhalten und über diese wichtigen Fragen im richtigen Verfahren diskutieren können. Wir verstehen Ihre Ungeduld hinsichtlich des Entlastungspakets. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass nach mehr als zehn Jahren mit schwarzen Zahlen der Regierungsrat nicht untätig blieb, als er erkannte, dass von 2012 an möglicherweise sehr schwierige Jahre folgen werden. In den letzten fünf Jahren, die ich zu überblicken vermag, wurden mehrere Massnahmenpakete geschnürt, die Dutzende von Millionen an Sparmassnahmen beinhalteten. Sie waren zum Glück nicht dergestalt, dass es zu grossen politischen Debatten darüber gekommen wäre. Es ist also keineswegs so, dass wir nun wie das Kaninchen vor der Schlange gewartet hätten um das Bild, das vorhin verwendet wurde, noch einmal aufzunehmen. Nun wurde ein Entlastungspaket geschnürt, das wir in zwei Wochen der Öffentlichkeit an einer Medienkonferenz vorstellen werden. Damit werden auch Sie alle diese Massnahmen zur Kenntnis erhalten. Als Klammerbemerkung: Man kann sich fragen, ob es sinnvoll gewesen wäre, ein solches Entlastungspaket gleichzeitig mit dem letzten Überschussbudget vorzustellen. Das hätte das Verständnis für die Sparmassnahmen nicht gerade gefördert. Wir waren damals aber noch nicht so weit; wir wollten Ihnen das Entlastungspaket zusammen mit dem nächsten Budget vorlegen. Im August folgt wie immer der Voranschlag sowie der Aufgaben- und Finanzplan. Dann werden wir das Budget 2012 vorlegen und aufzeigen, was für ein Aufgaben- und Finanzplan vorgesehen ist. Wie Herr Siegenthaler vorhin dargelegt hat, stehen wir auch im Planungsdialog mit der Finanzkommission, in diesem Jahr allerdings intensiver als sonst. Es gibt dafür ein vom Gesetz vorgegebenes ordentliches Verfahren: Die Rolle der FIKO ist im FLG klar geregelt. Wir werden das Verfahren ganz klar einhalten, damit die FIKO das alles im Auftrag des Grossen Rats vorprüfen, einen Bericht dazu vorlegen und im Dialog mit der Regierung darlegen kann, welche Erwartungen sie im Weiteren hat. Aus Sicht der Regierung wäre es problematisch, das Verfahren, das im Gesetz vorgesehen ist, jetzt über einen Ordnungsantrag auszuhebeln und die Finanzkommission gewissermassen zu übersteuern. Wir bitten Sie deshalb, den Antrag abzulehnen. Es stellt sich zudem die Frage, ob insbesondere Ziffer 1 des Antrags überhaupt zulässig sei. Im ersten Satz verlangt er eine Sondersession; das ist ein Minderheitsrecht, wie Grossrat Kneubühler vorhin ausführte. Mit einem Ordnungsantrag inhaltliche Vorgaben zu einer Sondersession zu machen, ist meines Erachtens allerdings nicht zulässig. Bezüglich Ziffer 2 möchte ich darauf hinweisen, dass die aufgelisteten Geschäfte, die nun mit Ausnahme von Geschäft Nr. 66 verschoben werden sollen, in der FIKO immer auch auf die finanzpolitische Verträglichkeit hin geprüft werden. Die Finanzpolitik ist keineswegs nur im November ein Thema des Grossen Rats. Sie ist in der täglichen Arbeit der Finanzkommission eines der Themen. Ich zitiere dazu folgendes Bonmot des FDP-Fraktionspräsidenten von gestern Abend: «Es gibt ja nicht nur die Finanzpolitik.» Er sagte allerdings auch, er werde das heute dementieren. Genau deshalb ist es richtig, dass die FIKO finanzpolitische ebenso wie strategische Aspekte für diesen Kanton in eine Gesamtbeurteilung dieser Geschäfte miteinbezieht. Mit dieser Gesamtbeurteilung werden solche Geschäfte in den ordentlichen Sessionen dem Grossen Rat vorgelegt. Es ist wichtig, dass Sie Ihre finanzpolitische Verantwortung in jeder Session wahrnehmen und nicht nur in einer Sondersession. Aus diesem Grund werden die Geschäfte von der FIKO vorberaten. Zu Ziffer 3 des Antrags möchte ich mich nicht äussern. Das Parlament muss

21 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei selber entscheiden, ob es seine eigenen Vorstösse zurückstellen und nur noch in einer Sondersession behandeln will. Zusammenfassend: Wir werden eine frühzeitige Information sicherstellen; wir verfolgen mit der zuständigen Instanz des Grossen Rats, der FIKO, ein transparentes Vorgehen. Das ist wichtig. Ebenso ist es nun wichtig, dass wir die ordentlichen Verfahrensabläufe auch in dieser schwierigen Zeit einhalten. Wir beantragen deshalb Ablehnung dieses Ordnungsantrags. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Es ist immer ein Zeichen von Respekt, wenn der Regierungspräsident zuhört, wenn man etwas sagt. Das ist nicht alltäglich. Ich habe in dieser Debatte mit allem gerechnet. Damit, dass aus diesem Antrag ein Misstrauensvotum zwischen der FDP, dem Grossem Rat und der FIKO gemacht wird, habe ich jedoch nicht gerechnet. Es überrascht mich; zudem weckt diese Empfindlichkeit gegenüber einer Debatte etwas mein Misstrauen. Ich versuche zu entgegnen: Wir kommt die FDP auf das Thema Sondersession? Ich war diesem Thema gegenüber zuerst auch sehr skeptisch. Ich unterstützte ohne grosse Freude die Sondersession zur Energiepolitik. Doch nun habe ich gesehen, wie das aufgegleist wird: Es wird eine allgemeine Debatte geführt, die Regierung legt ihre Haltung dar, und anschliessend folgt ein Programm mit den Vorstössen, die man sehr viel einfacher und effizienter abhandeln kann. Und nun, meine Damen und Herren, wird uns vorgeworfen, wir hätten noch keine inhaltlichen Vorstösse auf dem Tisch. Schauen Sie sich doch einmal die Daten der energiepolitischen Vorstösse an: Sie wurden zum grossen Teil erst eingereicht, nachdem die Sondersession beschlossen worden war. Wenn wir wissen, dass es eine finanzpolitische Debatte gibt, werden die entsprechenden Vorstösse ebenfalls folgen. Martin Friedli und auch der FIKO-Präsident sagten, wir würden in den laufenden Prozess eingreifen: Genau deswegen nahm die FDP des Wort «Septembersession» nicht in den Mund. Ich gehe jedoch davon aus, dass das Ergebnis des Prozesses politisch extrem spannend und extrem schwierig durchzubringen sein wird. Entweder gibt es sehr grosse Sparpakete oder man nimmt eine Neuverschuldung in Kauf. Deshalb ist es legitim, eine parlamentarische Debatte zu führen. Ich gebe zu: Ich will mehr Zeit, damit man sich zusätzlich ein oder zwei Tage wirklich die Mühe macht, die Finanzdebatte zu führen. Wenn wir das im normalen Sessionsprogramm durchziehen, werden wir es nicht schaffen, die vielen Anträge, die auf uns zukommen werden, zu behandeln. Davon bin ich überzeugt. Ich will nicht in den Prozess der FIKO eingreifen. Das Endergebnis zwischen Regierung und FIKO will ich jedoch im Rahmen einer Sondersession breit diskutieren. Es wurde gesagt, dafür brauche es besondere Ereignisse. Ist denn das kein besonderes Ereignis, wenn wir wissen, dass wir allenfalls eine grosse Neuverschuldung riskieren, wenn wir nichts tun? Wir wollen die Steuersenkung, die wir vorgenommen haben, verteidigen. Das ist die Differenz zur Linken. Aber bezüglich einer Neuverschuldung sollten wir einigermassen derselben Meinung sein. Die FDP weigert sich, eine irische, portugiesische oder griechische Finanzpolitik zu machen und sich in dreissig Jahren fragen zu müssen, ob es nicht besser gewesen wäre, man hätte vor dreissig Jahren gewisse Weichenstellungen vorgenommen. Ich behaupte, dass eine Schuldenpolitik mittelfristig eines der grössten Probleme dieses Kantons sein kann, wenn wir jetzt nicht aufpassen. Finanzpolitik und Gesundheitspolitik betreffen uns als kantonale Politiker direkt; wir sind direkt dafür verantwortlich. Bei der AKW-Politik führen wir hier möglicherweise einen Stellvertreterkrieg; das wird auf nationaler Ebene auch breit entschieden werden. Deshalb sollten wir dort, wo wir die beiden politischen Hauptprobleme haben, in der Finanz- und in der Gesundheitspolitik, breit diskutieren und keine Angst vor dem Thema haben. Bei Ziffer 2 stelle ich nach den Fraktionsvoten fest, dass das Gewinnrisiko dieses Antrags relativ gering ist. Deshalb erhalten wir ihn aufrecht. Dieter Widmer hat nur auf diesen Punkt Antwort gegeben. Und ich gebe zu, dass eventuell in Ziffer 2 eine gewisse Skepsis gegenüber der FIKO versteckt sind mag. Wir sind nicht sicher, ob wir all die millionenschweren Projekte nun einfach beschliessen können. Bei der Sondersession ist das nicht der Fall. Ich bin erstaunt, denn genau die Themen, die wir dort angesprochen haben, können zu einer Stärkung der FIKO führen. Ich höre immer wieder von unseren FIKO-Mitgliedern, dass sie bei der Regierung mit den gebundenen und nicht gebundenen Ausgaben und den Nachkrediten anecken. Damit wäre es genau das Ziel, die FIKO zu stärken. Darin ist absolut kein Misstrauen enthalten. Ziffer 2 erhalten wir aufrecht; wird sie abgelehnt, werden wir den FIKO-Präsidenten beim Wort nehmen, wonach die finanzpolitische Verträglichkeit dieser Geschäfte gewürdigt wurde. Wir haben jedoch Mühe damit, wenn an einzelnen Projekten im Nachhinein herumgedoktert wird. Entweder sind die Geschäfte finanzpolitisch verträglich oder eben nicht. Das nur als Vorankündigung. Ich bitte den Rat, den Antrag zu unterstützen; wir lassen ebenfalls über Ziffer 2 abstimmen und werden das Signal entsprechend würdigen. Präsident. Bei Ziffer 1 besteht das Problem, dass wir nicht inhaltlich abstimmen können, da bekanntlich die Präsidentenkonferenz den Inhalt festlegen müsste. Ich bitte den Antragsteller, sich diesbezüglich noch einmal zu äussern. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Das ist genau wie bei der Sondersession zur Energiepolitik. Auch dort waren Begründungen enthalten. Letztlich ist nur der Antrag auf die Sondersession wichtig, den Rest legt die Präsidentenkonferenz fest. Das ist mit klar. In dem Sinn hatte Bernhard Antener recht: Die aufgeführten Punkte sind nur eine Art Begründung oder Beispiele von Themen, die man aufnehmen könnte. Wir stimmen über die Sondersession ab, und anschliessend entscheidet die Präsidentenkonferenz, welche Themen sie aufnehmen will. Abstimmung Für Annahme des Ordnungsantrags FDP Dagegen 55 Stimmen 67 Stimmen 21 Enthaltungen Versehentlich wurde anstelle einer Quorumsabstimmung eine ordentliche Abstimmung durchgeführt. Präsident. Das Quorum beträgt 40 Stimmen und wurde demnach erreicht. Muss ich die Abstimmung als Quorumsabstimmung wiederholen? Das ist nicht der Fall. Abstimmung Für Annahme von Ziff. 2 des Ordnungsantrags FDP Dagegen Abstimmung Für Annahme von Ziff. 3 des Ordnungsantrags FDP Dagegen 12 Stimmen 136 Stimmen 2 Enthaltungen 13 Stimmen 134 Stimmen 2 Enthaltungen

22 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 465 Ordnungsantrag Antrag FDP (Kneubühler, Nidau) 1. Es ist eine Sondersession zur Gesundheitspolitik durchzuführen mit den Schwerpunkten: Stabilisierung der Krankenkassenprämien und Gesundheitskosten im Kanton Bern Spitalvorsorge (Rolle des Kantons und der Privatspitäler; warum Notrecht?, Zusammenhang DRG und Zusatzfinanzierung) Auswirkungen DRG 2. Die nachfolgenden Geschäfte sind aus dem Sessionsprogramm zu streichen und im Rahmen der Sondersession durchzuführen: Nr. 78 Motion Desarzens (FDP): Kontrolliertes Notrecht Nr. 79 Motion Lemann (SP): DRG Riesige Kosten? Nr. 80 Interpellation Desarzens: Warum Sofortmassnahmen? Nr. 81 Motion Stalder (FDP): Keine neue Spitalliste per Nr. 91 Motion Imboden (Grüne): Revision Spitalversorgung Nr. 92 Motion Pfister (FDP): Gewinnoptimierung ja, aber nicht auf Kosten Rettungsdienst Präsident. Ich schlage vor, diesen Ordnungsantrag erst zu Beginn der GEF-Geschäfte zu behandeln. Ist der Grosse Rat damit einverstanden? Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Ich möchte beliebt machen, jetzt darüber abzustimmen. Damit hätte man die nötige Zeit, um sich darauf vorzubereiten, ob die Debatte über die Vorstösse jetzt stattfindet oder erst später. Danielle Lemann, Langnau (SP). Auch ich möchte Ihnen beliebt machen, jetzt auf den Ordnungsantrag einzutreten. Abstimmung Für umgehende Beratung des Ordnungsantrags 127 Stimmen Dagegen (Beratung zu Beginn der GEF-Geschäfte) 0 Stimmen 0 Enthaltungen Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Hier ist das Meccano ähnlich. Vorhin konnte ich aus Sicht der FIKO nachvollziehen, dass gegenüber einer Sondersession zur Finanzpolitik Skepsis besteht, weil man Voranschlag und Finanzplanung ohnehin vorbereiten muss. Dieses Argument gilt für mich in der Gesundheitspolitik nicht. Gerade in der Gesundheitspolitik, dem aufgrund der Krankenkassenprämien zweitgrössten Kostenfaktor für eine Berner Durchschnittsfamilie nach den Steuern, ist ebenfalls sehr vieles unklar. Gerade hier drängt sich einmal eine Debatte darüber auf, in welche Richtung der Grosse Rat die ganze Spitalversorgungs- und DRG-Praxis leiten will. Es braucht eine grundsätzliche Debatte darüber, wie der Kanton Bern die Rolle der öffentlichen Spitäler sieht, was die Privatspitäler leisten sollen, wie die zusätzliche Finanzierung gestaltet werden soll, wie die unternehmerische Freiheit der Spitäler «beider Geschlechter» gehandhabt werden soll. Das alles muss unseres Erachtens breit diskutiert werden. Die FDP stellt fest, dass die Gesundheitspolitik daran krankt, dass bei jedem einzelnen Vorstoss, den wir in letzter Zeit sahen, entweder etwas nicht klar ist oder gleich eine Grundsatzdebatte ausbricht. Genau wie bei der Energiepolitik wäre der Vorteil einer Sondersession, dass man nach einer allgemein geführten Debatte über gewisse Vorstösse und Weichenstellungen entscheiden könnte. Ich glaube, das Thema Gesundheitspolitik interessiert und beschäftigt stark. Es ist sicher nützlich, das ganze Thema im Rahmen einer Sondersession breit zu diskutieren. Unter Ziffer 2 haben wir diverse Geschäfte aufgeführt, die nach unserer Auffassung gesamtheitlich betrachtet werden sollten. Sie sollten nicht einzelstückweise beraten werden, ohne dass der Gesamtzusammenhang dargelegt und diskutiert werden kann. Deshalb beantragen wir, diese Geschäfte zu verschieben. Sollte die Regierung der Meinung sein, bei einzelnen dieser Geschäfte sei eine Beratung in der aktuellen Session zwingend notwendig, verhalten wir uns nicht stur. Eine breite Diskussion der Gesundheitspolitik finden wir jedoch dringend nötig. Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Der Antragsteller der FDP erklärte soeben, die Situation sei ähnlich wie vorhin beim Antrag auf eine Sondersession zu den Finanzen. Ich pflichte ihm bei. Die Beurteilung der BDP-Fraktion ist deshalb genau dieselbe. Es geht nicht nur um Kostenfaktorgeschäfte, sondern auch um grundlegende Vorentscheide, die in Bezug auf die Gesundheits- und Spitalpolitik getroffen werden müssen. Nicht zuletzt im Grossen Rat wird nicht zu Unrecht der Regierung respektive dem Gesundheitsdirektor vorgeworfen, die Geschäfte würden zögerlich behandelt und Entscheide würden zögerlich gefällt. Nun wäre beschlussreif, ob man einen Grundsatzentscheid bezüglich Einflussnahme auf die Spitalliste fällen will. Wir stehen vor einem Grundsatzentscheid über einen Vorstoss, ob man beim Bund zugunsten eines vorübergehenden Stopps der Einführung von DRG intervenieren wolle. Wir haben einen Antrag zu einer Motion, auf den Erlass einer Spitalliste verzichten zu wollen. Das ist beschlussreif, da die Antwort der Regierung vorliegt. Welchen Nutzen hätte es denn, diese wichtigen Vorentscheide von strategischer Bedeutung einfach in den September zu verschieben? Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut gemeint. Wir bestreiten die gute Absicht der FDP-Fraktion keineswegs. Wenn aber der Grosse Rat einer Sondersession zur Gesundheitspolitik zustimmt, werden mit Wissen des Parlaments wichtige Vorentscheide drei Monate lang auf Eis gelegt und nicht behandelt. Wir müssen nun wissen, ob DRG befürwortet und eingeführt wird; der Entscheid, keine neue Spitalliste zu erlassen, hat eine enorm existenzielle Bedeutung und müsste unbedingt in dieser Session entschieden werden. Lehnen Sie bitte auch diesen Antrag ab. Barbara Mühlheim, Bern (Grüne). Auch für die Grünen ist klar: Mit einer Sondersession könnten wir leben. Dies jedoch unter der Bedingung, dass dabei wirklich relevante Geschäfte, die in dieser Sondersession diskutiert werden sollen, vorhanden sind. Die Geschäfte, die unter Ziffer 2 aufgeführt sind, sind zum Teil nicht stufengerecht, weil sie in der Kompetenz des nationalen Parlaments liegen; noch erstaunlicher ist aber, dass die Hälfte der Geschäfte dringliche Vorstösse sind. Wenn nun die Partei zuerst dringliche Vorstösse einreicht mit der Begründung, das Anliegen müsse jetzt diskutiert werden, und anschliessend einem Schwung sagt, das sei nicht mehr so, man könne das auch erst in vier Monaten diskutieren, gibt sie damit dem Instrument der Dringlichkeit keine sehr gute Note. Es zeigt, dass entweder die Dringlichkeit gar nicht gegeben ist oder dass man nun eine Hauruckübung machen will. Wir halten die Geschäfte in der Gesundheitspolitik für wichtig genug, dass man sie in einer Sondersession behandeln könnte. Doch zum jetzigen Zeitpunkt sind alle wichtigen Punkte aufgegleist. Dort, wo auch für uns Unklarheiten vorhanden sind, liegt es meist nicht in der Kompetenz des Kantonsparlaments. Nicht zuletzt versuchten wir mit überparteilichen Veranstaltungen, das Parlament auch auf die neuen

23 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei Varianten, welche die Gesundheitspolitik bringt, vorzubereiten. Ob uns das gelungen ist, wird sich zeigen. Die Geschäfte unter Ziffer 2 muss man jedoch nicht als so wichtig betrachten, dass man sie verschieben müsste. Die Grünen würden einer Sondersession grundsätzlich zustimmen, wenn wichtige Geschäfte vorhanden wären. Deshalb enthalten wir uns jetzt der Stimme, denn es liegen keine solchen Geschäfte vor. Ziffer 2 werden wir klar ablehnen, weil diese Geschäfte den Kriterien für eine Sondersession nicht entsprechen. Margreth Schär, Lyss (SP). Bei der Gesundheit ist die Situation aus Sicht der SP-JUSO-PSA-Fraktion etwas anders als bei den Finanzen. Bernhard Antener hat vorhin ausgeführt, weshalb wir bei den Finanzen keine Sondersession wollen: zum Teil auch wegen der FIKO. Bei der Gesundheit sehen wir das etwas anders. Die Gesundheitspolitik ist sehr komplex, in der Gesundheitsversorgung findet ein grosser Umbruch statt. Es herrscht Verunsicherung bei den Anbietern und bei den Berufsleuten in diesem Bereich. Die Bevölkerung ist in Sorge wegen der Krankenkassenprämien und wegen der künftigen Gestaltung der Gesundheitsversorgung. Sie fragt sich, was mit den Spitälern in der näheren Umgebung geschehen wird, ob sie noch existieren werden und wohin man sich im Krankheitsfall wenden muss. Das sind Gründe genug, um sich einmal gründlich Gedanken über die Gesundheitspolitik und die Gesundheitsversorgung dieses Kantons zu machen. Dass sich auch im Grossen Rat eine gewisse Unsicherheit breitmacht, zeigt beispielsweise das Vorstosspaket aus dem Emmental mit den vielen Fragen, die im Moment im Raum stehen. Auch wenn wir die Vorstösse unter Ziffer 2 doch in dieser Session behandeln, ist meines Erachtens genügend Stoff für eine Sondersession vorhanden. Ich bin überzeugt, dass noch weitere Vorstösse folgen werden, damit eine Grundsatzdiskussion möglich wäre. Damit könnte man intensiv und ausführlich über die Gesundheitspolitik diskutieren und den Rat auf einen Wissensstand bringen, der nötig ist, um weitere Entscheide zu fällen. Deshalb unterstützt die SP-JUSO-PSA-Fraktion den Antrag der FDP-Fraktion für eine Sondersession Gesundheitspolitik. Tanja Sollberger, Bern (glp). Die glp-cvp-fraktion hat Verständnis für den Wunsch der FDP nach einer Sondersession Gesundheit. Ein halbes Jahr bevor die neue Spitalfinanzierung beginnt, bestehen viele Unklarheiten bezüglich der Auswirkung auf die Spitallandschaft des Kantons Bern, aber auch bezüglich der finanziellen Auswirkungen auf das Budget. Wir können den Antrag jedoch nicht unterstützen, wenn er darauf abzielt, das ganze Verfahren weiter zu verzögern. Es ist für die Leistungserbringer im Kanton Bern bereits unangenehm genug, dass sie sechs Monate vor der Einführung des neuen KVG nicht genau wissen, wie das Recht im Kanton Bern ausgestaltet wird. Die Leistungserbringer müssen sich auf die neue Spitalfinanzierung vorbereiten können. Es ist daher eminent wichtig, dass das Verfahren nicht gebremst, sondern beschleunigt wird. Die Leistungserbringer müssen wissen, welche Rechte und welche Pflichten sie per 1. Januar 2012 haben werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen möglichst bald klar werden, auch wenn sie zu unserem Bedauern per dringliche Notverordnung geregelt werden müssen. Es wäre verantwortungslos, die Rechtsunsicherheit weiter zu verlängern und zum Beispiel über die Motion «Kontrolliertes Notrecht» erst im Herbst zu entscheiden. Bereits die Motion selber verlangsamt das Verfahren: Wir verlieren damit unnötig Zeit. Die glp ist der Meinung, dass per 1. Januar 2012 für alle Leistungserbringer im Kanton die Bedingungen klar sein müssen und dass vor allem für alle dieselben Regeln gelten und alle dieselben Rechte und Pflichten haben müssen. Der Ordnungsantrag zielt eindeutig darauf ab, das Ganze zu verzögern. Eine Sondersession können wir unterstützen, Ziffer 2 jedoch ganz klar nicht. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Die SVP unterstützt weder Ziffer 1 noch Ziffer 2. Dieter Widmer und auch andere Sprecher sagten, man solle in diesem Bereich nun nicht dreinsteuern. Ein Punkt wurde noch nicht erwähnt: dass nämlich die Spitalversorgungsplanung demnächst in der Kommission behandelt wird. Das ist ein wichtiger Punkt; man sollte nun nicht mit einer Sonderdebatte Themen wieder aufgreifen, die im Grunde genommen dort diskutiert und für das Plenum vorbereitet werden. Sehr viele der Entscheide, die in Ziffer 1 erwähnt werden, werden auf Bundesebene gefällt; darauf haben wir keinen Einfluss. Die Sprecherin der glp sagte vorhin, die Sondersession könne nur Verzögerungen zur Folge haben. Wir wollen in diesem Bereich jedoch keinerlei Verzögerungen. Ebenso wenig wollen wir die Verunsicherung in den Bereichen Personal und Spitäler verlängern. Ich verstehe darum nicht, weshalb die SP diese Sondersession unterstützt, denn auf der einen Seite will sie Entscheide fällen. Zudem kann die Verunsicherung beim Personal nicht in ihrem Interesse sein. Ich bitte deshalb den Grosses Rat, den Antrag Sondersession Gesundheitspolitik abzulehnen. Enea Martinelli-Messerli, Matten bei Interlaken (BDP). Ich staune über die Voten, vor allem über die, welche vonseiten der SP fielen, aber auch der FDP. Ich erinnere mich, dass mir letztes Jahr im November bei der Diskussion über den Antrag Inselspital / Spital Netz Bern massive Verzögerungstaktik vorgeworfen wurde. Und nun fordert man mit denselben Argumenten eine Sondersession. Das würde genau zu dieser Verzögerung führen, die man damals befürchtet hatte. Diese Argumentation geht nicht auf. Wir stehen unter massivem Druck. Die Spitäler sind dabei, sich auf das nächste Jahr vorzubereiten. Man muss sich nun vorstellen, wie es ist, wenn sich alle zwei Monate die Bedingungen ändern und man sich wieder neu darauf einstellen muss. Eine Abteilung, die vorher rentiert hatte, tut das plötzlich nicht mehr. Machen Sie einmal ein Budget und stellen Sie sich vor, welche Signale der Grosse Rat an die Spitäler, die jetzt dabei sind, diese Budgets zu erarbeiten, aussendet! Es geht auch um das Personal. 75 Prozent des Budgets sind Personalkosten. Man baut unter hohem Druck ab, schafft Verunsicherung. Und nun kommt das Parlament und sagt, es werde vielleicht im September oder allenfalls im November darüber diskutieren. Eigentlich haben wir bereits eine Sondersession: Wir werden demnächst über die Versorgungsplanung debattieren. Und genau dann werden solche Grundsatzfragen diskutiert. Wir sollten nun nicht weiter verzögern; der Bundesrat hat gestern entschieden, DRG einzuführen. Wir können uns zwar noch dagegen wehren, aber das System ist gegeben und wird kommen, auch wenn wir damit Mühe haben. Vermutlich haben alle Akteure Mühe damit. Aber es kommt. Das wissen wir. Deshalb bringt eine Sondersession nichts. Ich bitte Sie deshalb, die Sondersession, zumindest jedoch die angesprochenen Punkte klar abzulehnen Danielle Lemann, Langnau (SP). Als Gesundheitspolitikerin würde ich eine Sondersession zur Diskussion von Grundsatzproblemen eigentlich begrüssen. Viel wichtiger wäre jedoch, dass wir künftig eine ständige Gesundheitskommission hätten. Ich vermisse das in meiner gesundheitspolitischen Tätigkeit sehr. Die Einführung einer solchen Kommission müsste man sich fest vornehmen. Eine Sondersession kann man durchführen oder nicht; die Vorstösse unter Ziffer 2 dürfen wir aber auf keinen Fall verschieben. Nach den Sommerferien soll bekannt werden, was die Spitäler künftig noch machen dürfen und was nicht. Dann wird

24 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 467 vieles entscheiden sein. Wenn wir das nun verzögern, wissen diejenigen, die in Spitälern tätig sind, noch viel weniger, wie es weitergehen soll. Es gäbe eine grosse Verunsicherung. Ich bitte Sie wenigstens Ziffer 2, die Verschiebung der Vorstösse, abzulehnen. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Es ist eine Grundsatzfrage, ob das Parlament zu diesem Thema eine Sondersession durchführen will. Es hat wohl in jeder Session genügend gesundheitspolitischen Stoff, um daraus eine Sondersession zu machen. Auch in diesem Bereich kann ich Ihnen sagen: Es handelt sich um ein sehr wichtiges Thema; die Regierung ist damit befasst. Doch kann es wohl kaum einmal in einer Sondersession erledigt werden. Vielmehr wird es Sie grundsätzlich fast in jeder Session beschäftigen. Sie müssen entscheiden, ob Sie in der Septembersession einen halben Tag als Sondersession bezeichnen wollen. Es gäbe vermutlich noch andere Themen, die man ebenfalls als Sondersession betiteln müsste. Das Parlament muss einschätzen, ob es von nun an zu allen Themen, die ihm wichtig sind, regelmässig Sondersessionen durchführen will. Ich hätte in dem Fall auch noch so einige Ideen für eine Sondersession! Sollte das Parlament jedoch einen entsprechenden Entscheid fällen, sind wir bereit, eine Grundsatzerklärung abzugeben und darzustellen, was aus unserer Sicht in der Gesundheitspolitik im Moment ansteht. Es gibt bestimmt auch im September genügend Stoff, um aufgrund einiger Vorstösse, die man zusammennehmen würde, eine solche Grundsatzerklärung vorzulegen. Die Vorstösse, die jetzt beschlussreif sind, sollte man dagegen auch jetzt behandeln. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Der Regierungspräsident hat etwas Richtiges gesagt: In jeder Session entbrennt wieder eine Grundsatzdiskussion wegen Vorstössen. Das möchten wir einmal in einer Sondersession nach einer generellen Debatte aufarbeiten und effizienter erledigen. Es wird wohl niemand abstreiten, dass das Thema Gesundheitspolitik einer der Hauptbrennpunkte im Kanton Bern ist. Auch hier ist es so, dass das Ziel der FDP in Ziffer 1 eine allgemeine Debatte und eine effizienteres Abhandeln von Vorstössen ist. Die Lemmata sind eine Art Begründung, was man in der Sondersession allenfalls diskutieren könnte. Auch das liegt in der Kompetenz der Präsidentenkonferenz. Dies nur, damit der Grossratspräsident weiss, wie er abstimmen muss. Den Voten zu Ziffer 2 habe ich zugehört. Ich bin auch nicht völlig lernresistent. Ich stelle fest, dass die Absicht der FDP nicht angekommen ist, sondern dass man daraus eine Verzögerung abliest. Deshalb ziehen wir Ziffer 2 zurück. Warum legten wir Ziffer 2 mit unseren eigenen Vorstössen überhaupt vor? Barbara Mühlheim hatte recht, es ist ein Widerspruch. Wir waren jedoch der Ansicht, dass wir auch unsere Vorstösse in einen breiteren Zusammenhang stellen wollen, wenn wir schon eine breite Diskussion wollen, und nicht vorab eine Meinung durchdrücken wollen. Und, etwas bösartig gesagt, Barbara Mühlheim: Die Vorstösse sollte man verschieben, weil sehr viel Grundlagenwissen fehlt. Präsident. Damit wurde das Quorum erreicht. Der Ordnungsantrag wurde angenommen; die Sondersession zur Gesundheitspolitik wird stattfinden. Antrag BDP (Etter, Treiten) / SVP (Freiburghaus, Rosshäusern) Ergänzung des Sessionsprogramms mit der dringlichen Motion «Neue Verhandlungen mit den SBB zum Kauf des Gebäudes an der Hochschulstrasse 6 in Bern» Die im Titel aufgeführte Motion ist in das Sessionsprogramm aufzunehmen, damit diese Motion im Anschluss an das Kreditgeschäft «Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43» behandelt werden kann. Begründung Die Motion hat einen direkten Zusammenhang mit dem Geschäft unter Laufnummer 50, falls der Kreditantrag abgelehnt bzw. an die Regierung zurückgewiesen wird. Jakob Etter, Treiten (BDP). Ich stelle einen Ordnungsantrag zur Ergänzung des Sessionsprogramms. Dieser Antrag steht in Zusammenhang mit Traktandum 50, dem Kauf der SBB- Liegenschaften. Weil das Geschäft einen engen Zusammenhang mit der Motion hat beziehungsweise umgekehrt, reichten wir den Ordnungsantrag ein, die dringliche Motion unmittelbar im Anschluss an das Geschäft Nr. 50 zu behandeln. Es geht darum, dass die Motion behandelt wird, wenn das Geschäft an die Regierung zurückgewiesen wird, wie wir es beantragen. Dies aus zwei Gründen: Erstens soll die Regierung damit ein klares Signal erhalten, in welche Richtung die Antragsteller der Rückweisung die Weiterführung der Verhandlungen sehen, und zweitens soll Zeit gewonnen werden. In den Anträgen zum Kreditgeschäft ist zu sehen, dass die SBB eine Zeitlimite für den Abschluss der Verhandlungen bis Ende September gesetzt haben. Andernfalls wird der Kanton zur Zahlung von Franken verpflichtet. Dies die beiden Gründe für die Einreichung der Motion und des Ordnungsantrags. Leider mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Motion bis morgen zu behandeln und zu verabschieden. Deshalb ziehen wir den Ordnungsantrag zurück mit folgendem Vorgehen: Die dringliche Motion bleibt bestehen und wird in der nächsten Session behandelt, sofern der Rückweisung zugestimmt wird. Wir hoffen, dass die Motion vom Büro angenommen wird. Der Ordnungsantrag wurde von Fritz Freiburghaus ergänzt. Damit ziehen wir den Ordnungsantrag zurück. Antrag BDP (Luginbühl, Krattigen) M 067/11, Leuenberger, Trubschachen (BDP) Zur Vorlage eines Berichtes betreffend Reorganisation der Berner Fachhochschule mit dem Ziel des frühzeitigen Einbezugs des Grossen Rates M 078/11, Etter, Treiten (BDP) Wollen wir eine konkurrenzfähige Berner Fachhochschule? Gemeinsame Beratung der Vorstösse bei der Erziehungsdirektion. Präsident. Ich wiederhole: Der Antragsteller hat Ziffer 2 zurückgezogen. Bei Ziffer 1 wird wie beim ersten Ordnungsantrag nur über den ersten Teil, «Es ist eine Sondersession zur Gesundheitspolitik durchzuführen», abgestimmt. Das Quorum beträgt 40 Stimmen. Quorumsabstimmung Für den Ordnungsantrag 57 Stimmen Anita Luginbühl, Krattigen (BDP). Wir wollen keine allgemeine Verschiebung, sondern lediglich eine Verschiebung der beiden Geschäfte innerhalb der Direktionen. Sowohl für die Motion Etter als auch für die Motion Leuenberger beantragt der Regierungsrat Annahme. In beiden Antworten schreibt er zudem, dass ein Bericht zusammen mit den übrigen zum selben Thema eingereichten Vorstössen erstellt werden soll. Da es aus Sicht der BDP bei beiden Vorstössen

25 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei um eine bildungspolitische Standortfrage geht und die Infrastruktur erst in zweiter Priorität eine Rolle spielt, beantragen wir, die Vorstösse Etter und Leuenberger gemeinsam bei der ERZ zu behandeln. Ich danke für die Unterstützung unseres Ordnungsantrags. Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). Ich bin eigentlich der Meinung, dass man es bei der BVE belassen sollte, denn sie hat den Bericht verfasst. Die ERZ hat anschliessend auf der Grundlage dieses Berichts der BVE einen sehr kleinen Bericht dazu geliefert. Es geht jedoch nicht, dass wir die BVE nun ausschliessen, weil es vor allem ein bauliches Thema war. Deswegen hat der Regierungsrat nachher seinen Entscheid gefällt. Ich bin der Meinung, dass beide Motionen in beiden Direktionen behandelt werden müssen und dass der Bericht ebenfalls von beiden Direktionen gestützt werden soll. (An dieser Stelle folgen Zwischenrufe aus dem Plenum.) Danke für den Hinweis. Ich weiss, ich müsste an sich den Antrag stellen, dass wir den Bericht von der BVE und der ERZ gemeinsam erhalten, damit er alle Aspekte enthält. Das wäre mein Antrag. Präsident. Es wäre wünschenswert, wenn die Diskussionen zwischen dem Rat und der Rednerin so geführt würden, dass sich eine Person nach der andern am Rednerpult äussert. Andernfalls bekommt der Übersetzungsdienst nicht mit, was Frau Geissbühler zwischendurch noch mit andern Leuten diskutiert, während sie eigentlich am Rednerpult steht. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Es geht nur noch um die Frage, ob die beiden Vorstösse, die je einen Bericht aus einem etwas unterschiedlichen Blickwinkel verlangen, gemeinsam behandelt werden sollen. Wir können uns dem Antrag ohne Weiteres anschliessen, die beiden Vorstösse bei der ERZ zu behandeln. Der Hinweis in den Antworten, dass die Federführung bei der BVE liegt, ist jedoch wichtig. Das ändert sich durch die thematische Behandlung nicht. Ich verstehe aber gut, dass der Grosse Rat die beiden Motionen, die sehr ähnlich klingen und von der Regierung auch beide angenommen werden, nicht an zwei verschiedenen Orten diskutieren will. Präsident. Will Frau Geissbühler, dass die Geschäfte bei der BVE behandelt werden? Das ist der Fall. Wir stimmen zuerst über diesen Antrag ab. Abstimmung Für den Ordnungsantrag Luginbühl (Behandlung beider Motionen bei der ERZ) Dagegen (Behandlung beider Motionen bei der BVE) 121 Stimmen 5 Stimmen 0 Enthaltungen Abstimmung Für Annahme des Ordnungsantrags Luginbühl 127 Stimmen Dagegen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft Zweiter Bericht des Regierungsrats an den Grossen Rat über die Aussenbeziehungen des Kantons Bern Andreas Blaser, Steffisburg (SP), Präsident der Oberaufsichtskommission. Als vorberatende Kommission hat die OAK diesen Bericht beraten. Er wäre es wert, dass man ihn nicht einfach durchwinkt, sondern dass man ihn würdigt und seine positiven Aspekte herausstreicht. Gerade im Zusammenhang mit der Parlamentsrechtsrevision ist er aus meiner Sicht relevant; er wird sicher eine wichtige Grundlage sein, wenn wir in der Frage einer Kommission für Aussenbeziehungen zu Entscheidungen kommen wollen. Die OAK hat diesen Bericht intensiv beraten; sie hat ihn auch mit einer Delegation des Regierungsrats, bestehend aus Herrn Regierungsrat Käser und Herrn Staatsschreiber Nuspliger, intensiv diskutiert. Ich möchte kurz die Ausgangslage schildern: In der Märzsession 2007 wurde dem Grossen Rat der erste Bericht über die Aussenbeziehungen des Kanton Bern vorgestellt. Damals gab die die OAK mehrere Planungserklärungen zum Bericht ab. Die Planungserklärung Nr. 4 lautete «Die Regierung überprüft alle vier Jahre ihre aussenpolitische Strategie und unterbreitet sie via OAK dem Grossen Rat in einem Bericht zur Kenntnisnahme». Mit dem vorliegenden Bericht ist das nun der Fall. Neben einem Rückblick auf die Legislatur enthält der Bericht die strategischen Grundlagen der Aussenpolitik für die Legislatur Zu den Leitsätzen, welche die Regierung erarbeitet hat, konnte sich die OAK bereits im Entwurfsstadium konsultativ äussern. Wir erachteten das als sehr positiv, denn diese Konsultation fand auch auf Wunsch der OAK statt. Sie stützt sich dabei auf Artikel 22 Absatz 3c des Grossratsgesetzes, «Dialog mit dem Regierungsrat über die für den Kanton wichtigen Dossiers, Grundsatzfragen, Ziele, Massnahmen und Entscheide im Bereich der Aussenbeziehungen», und Artikel 36 Absatz 2: «Der Regierungsrat konsultiert die Oberaufsichtskommission zu aussenpolitischen Grundsatzfragen und zu wichtigen Beschlüssen.» Die wichtigsten Aussagen des Berichts sind folgende: Die neuen Leitsätze entsprechen mehrheitlich denen der Legislatur Welches sind die wichtigen Abweichungen? Die Kantone sollen die Mitwirkungsrechte gegenüber dem Bund namentlich in der Europapolitik stärker als bisher wahrnehmen: weg von einem rein zentralen Bundesstaat, Mitwirkung auch der Kantone. Das Konzept Hauptstadtregion findet Eingang; die alten Leitsätze waren dort noch relativ ungenau. Für uns ist das ganz sicher ein wichtiger Punkt. Kontakte mit dem grenznahen Ausland sollen auf den Jurabogen und Frankreich beschränkt werden. Berns Stellung als Brückenkanton zwischen den Sprachregionen und als politisches Zentrum des Landes soll ausgebaut werden. Die wirtschaftliche Bedeutung der EU für den Kanton Bern wird dargestellt. Sie ist beachtlich: 62 Prozent der Exporte und 60 Prozent der Importe werden mit der EU abgewickelt. Auch die Umsetzung der bilateralen Verträge tangiert die kantonale Autonomie immer stärker. In der Vergangenheit war oft EU-Recht zu übernehmen und umzusetzen, wobei die Kantone keine Mitsprache hatten. Das muss ebenfalls verbessert werden. Bilanz: Gegenwärtig hat der bilaterale Weg das Gewicht zugunsten des Bundes verschoben, und es wird mehr Mitsprache gefordert. Diese erreichen die Kantone nicht im Alleingang, sondern indem sie ihre Interessen gemeinsam gegenüber dem Bund vertreten. Das künftige Verhältnis zur EU sieht der Regierungsrat folgendermassen: Weiterbeschreitung des bilateralen Wegs durch Schaffung der Rahmenvereinbarungen. Nach Abschluss dieser Rahmenvereinbarungen sollen die Vor- und die Nachteile des bilateralen Wegs gegenüber dem EU-Beitritt erneut geprüft werden. Ebenfalls werden funktionale Räume immer wichtiger gegenüber territorialen Einheiten, ein Beispiel ist die Hauptstadtregion Schweiz. Zum Schluss noch einige Bemerkungen der OAK zum Bericht: Gemäss dem Bericht ist es notwendig, dass die Regierung autonom handeln kann. Aus unserer Sicht muss man diese Aussage relativieren. Erstens: Die Notwendigkeit ist

26 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 469 höchstens unter dem Gesichtspunkt der Effizienz gegeben. Höchstens heisst: Nur wenn man akzeptiert, dass im Bereich der Aussenbeziehungen immer sehr kurze Fristen vorgegeben werden. Aus unserer Sicht darf das kein zwingender Grund sein. Zweitens: Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation ist es notwendig, das Parlament stärker als bisher auch bei der Ausarbeitung von interkantonalen Verträgen mit Gesetzescharakter einzubeziehen. Dazu hat die OAK folgenden Vorschlag gemacht: Es soll ein interparlamentarisches Vernehmlassungsmodell geben. Am kommenden Freitag werden wir hier darüber weiterberaten. Die OAK beantragt Ihnen, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, und gibt keine Planungserklärungen ab. Vizepräsidentin Therese Rufer-Wüthrich übernimmt den Vorsitz. Christoph Stalder, Bern (FDP). Die Vizepräsidentin hat mich in der Tat gefragt, als was ich mich äussern würde. Ich äussere mich weder als Fraktionssprecher noch ausschliesslich als Einzelsprecher; ich spreche vielmehr als Präsident der Kommission für die Totalrevision des Parlamentsrechts. In der Septembersession werde ich einen kurzen Überblick über den Stand der Arbeit der Kommission geben. An dieser Stelle möchte ich zwei Worte zum Thema Aussenbeziehungen verlieren. Erstens haben Sie gesehen, dass der Bericht aufzeigt, wie gross die Bedeutung der Aussenbeziehungen ist vielleicht finden wir dafür noch einen besseren Begriff, denn es handelt sich eher um die Beziehungen des Kantons Bern zu andern Kantonen als zum Ausland. Die Anzahl interkantonaler Regelungen, von Konkordaten, wird immer grösser, besonders für den Kanton Bern an der Nahtstelle zwischen Deutsch und Welsch. Der Grosse Rat hat bekanntlich im vergangenen Herbst die Motion der OAK «Schaffung einer Kommission für Aussenbeziehungen» überwiesen. In unserer Kommission für die Parlamentsrechtsrevision wurde das Thema von einer Untergruppe bereits aufgegriffen; wir werden ihm die nötige Beachtung schenken. Ich möchte jedoch betonen, dass wir nicht unbedingt eine spezielle Kommission für Aussenbeziehungen schaffen. Das wäre die eine Variante. Die andere Variante ist folgende: Es kann durchaus sein, dass wir wie eine grosse Zahl der andern Kantone spezielle Sachbereichskommissionen schaffen, zum Beispiel Bildung / Erziehung, Gesundheit, Sicherheit, die natürlich auch über die Beziehungen mit andern Kantonen verhandeln müssen und abschliessend je nach Kompetenz entscheiden oder Antrag stellen können. Damit schliesse ich an die Aussage von Danielle Lemann in der Debatte zur Gesundheitspolitik an. Das Thema Aussenbeziehungen wird immer wichtiger. Unsere Kommission Parlamentsrechtsrevision wird sich mit diesem Thema befassen und zum gegebenen Zeitpunkt Vorschläge unterbreiten. Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor. Der Regierungsrat hat mich beauftragt, dieses Geschäft zu vertreten. Mein Vorgänger als Präsident der Delegation für Aussenbeziehungen, Herr Ständerat Werner Luginbühl, wies in diesem Saal vor ziemlich genau vier Jahren darauf hin, dass die Bedeutung der Aussenbeziehungen zunimmt. Das hat nun auch Grossrat Stalder wiederholt. Daran hat sich nichts geändert im Gegenteil: Die Aussenbeziehungen werden für den Kanton Bern immer bedeutsamer. Weil die Beziehungen zum Ausland, zum Bund und zu den andern Kantonen immer wichtiger werden, misst die Regierung dem Einbezug und der Mitwirkung des Grossen Rats in die Aussenbeziehungen unseres Kantons eine grosse Bedeutung bei. Diese positive Haltung bringt er im vorliegenden Bericht deutlich zum Ausdruck. In meinen heutigen Ausführungen zu den Aussenbeziehungen möchte ich folgende drei Schwerpunkte setzen: Erstens, die demokratische Kontrolle der Aussenbeziehungen, zweitens, die Konzentration auf das Wesentliche und drittens Umfassende Aussenbeziehungen als Wettbewerbsvorteil für den Kanton Bern. Zum ersten Schwerpunkt, demokratische Kontrolle der Aussenbeziehungen. Der Regierungsrat bezieht den Grossen Rat frühzeitig und zweckmässig bei Fragen zur Ausrichtung und der Ausgestaltung der Aussenbeziehungen mit ein. Das geschieht auch beim Abschluss von interkantonalen und internationalen Verträgen. Daraus erhält der Grosse Rat in den Aussenbeziehungen eine Rolle, die sich im Zusammenspiel mit der Regierung ergibt und die sich bewährt, weil sie zielführend ist. Der Grosse Rat soll dort mitwirken, wo seine Stärken liegen. Der Gesetzgeber hat diese Mitwirkungsrechte in der letzten Legislatur weiter konkretisiert, wie Grossrat Blaser vorhin ausführte. In der Demokratie sollen alle wichtigen Entscheide unter Beteiligung von Parlament und Stimmberechtigten gefällt werden. Gerade bei den Aussenbeziehungen muss diesem demokratischen Prinzip genügend Rechnung getragen werden. Weil sich der Grosse Rat aktiv mit den Aussenbeziehungen beschäftigt, können immer wieder gute Lösungen gefunden werden. Die Regierung stellt erfreut fest, dass eine Studie des Kompetenzzentrums für Public Management an der Uni Bern vom letzten Jahr zum Schluss kommt, dass der Grosse Rat in der vergangenen Legislatur über die Aussenbeziehungen sehr gut informiert war und die Entscheidungsprozesse transparent abliefen. Der Regierungsrat tritt gemäss Artikel 22 des Grossratsgesetzes für den Dialog mit dem Grossen Rat über Massnahmen und Ziele im Bereich der Aussenbeziehungen ein. Diese Möglichkeit zum Dialog zwischen Parlament und Regierung wird rege genutzt und soll auch in Zukunft genutzt werden. Einige Beispiele: Auf Einladung der OAK informierte der Regierungsrat am 19. Oktober 2010 über die jüngsten Entwicklungen der Europapolitik. Am 7. Dezember 2010 fand auf Initiative der OAK eine Vorabkonsultation zu den Leitsätzen des vorliegenden Berichts statt. Am 4. Februar 2011 überbrachte der Regierungspräsident den Delegierten aus 24 Kantonen im Grossratssaal die Grussbotschaft des Regierungsrats anlässlich der Tagung betreffend Stärkung der Stellung der kantonalen Parlamente in den Aussenbeziehungen. Ich wünsche Ihnen, geschätzte Grossrätinnen und Grossräte, bei diesem Vorhaben viel Erfolg. Und schliesslich fand am 3. Mai 2011 die Konsultation der OAK zum vorliegenden Bericht statt: Es war eine sehr befruchtende, intensive Sitzung. Zum zweiten Schwerpunkt, der Konzentration auf das Wesentliche. Erlauben Sie mir, kurz etwas zu den Neuerungen gegenüber dem ersten Bericht zu sagen. Anhand der Leitsätze über die Aussenbeziehungen des Kantons Bern vom 21. Mai 2007 und der Planungserklärungen des Grossen Rats vom 4. Juni 2007 werden die Aussenbeziehungen des Kantons Bern in der vergangenen Legislatur geprüft und ihre Umsetzung beurteilt. Auf der Grundlage der Evaluation der Aussenbeziehungen in der Legislatur sowie einer Beurteilung der wichtigsten Entwicklungstrends und Schwerpunkte in den Aussenbeziehungen werden für die neue Legislatur neun Leitsätze zur Ausrichtung dieser Aussenbeziehungen formuliert. Insgesamt konnte die Konzentration auf das Wesentliche erreicht werden. Die Planungserklärungen des Grossen Rats vom Juni 2007 wurden umgesetzt. In den Aussenbeziehungen der letzten Jahre wurden Prioritäten festgelegt; wurden Strategie und Relevanz laufend überprüft und miliztaugliche und zielführende Instrumente zur Steuerung eingesetzt. Zudem stimmen die abgeschlossenen Konkordate und die interkantonalen Verträge mit der aussenpolitischen Strategie überein.

27 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei Zum dritten Schwerpunkt, umfassende Aussenbeziehungen als Wettbewerbsvorteil für den Kanton Bern. Entscheide, die von interkantonalen Organen, von den Bundesbehörden, von der EU, von internationalen Organisationen oder von grossen, weltweit tätigen Unternehmen getroffen werden, wirken sich immer stärker und immer direkter auch auf die Kantone aus. Das gilt uneingeschränkt ebenfalls für den Kanton Bern: für seine Stellung in der Schweiz ebenso wie für die Entwicklung der Hauptstadtregion Schweiz. Ich erlebe dieses Eingebundensein in ein grösseres Ganzes nicht nur als Regierungsrat, sondern beispielsweise auch als Vizepräsident der Konferenz der Kantonsregierungen. Der Regierungsrat verfolgt seine politischen Ziele in der laufenden Legislatur in diesen übergeordneten Rahmen von vielschichtigen Beziehungen und vielfältigen Netzwerken. Er will positive Impulse geben für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die gesellschaftliche Solidarität und für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Kanton Bern. Der Regierungsrat versteht die Aussenbeziehungen unseres Kantons deshalb als Querschnittsthema. Diese Aussenbeziehungen sind ein multifunktional einsetzbares Werkzeug, damit wir die angestrebte nachhaltige Entwicklung des Kantons Bern vorantreiben können. Dieses Werkzeug muss, wie gesagt, demokratisch kontrolliert werden. Zur demokratischen Kontrolle gehört natürlich Transparenz. Die Aussenbeziehungen des Kantons Bern umfassen nämlich nicht nur die Aussenbeziehungen des Regierungsrats, sondern auch diejenigen der Direktionen. Ohne die Darstellung der Kosten und Erträge des bilateralen Wegs für die Souveränität und die Mitwirkung des Kantons Bern in der Aussenpolitik des Bundes sind diese Aussenbeziehungen des Kantons Bern nicht umfassend dargestellt. Die Frage nach dem Verhältnis von Kosten und Nutzen der Aussenbeziehungen war in der Legislatur wiederholt gestellt und beantwortet worden. Der Regierungsrat misst dieser Frage jedoch nicht nur in Bezug auf den bilateralen Weg der Schweiz in Europa einen hohen Stellenwert bei, sondern in seiner gesamten Regierungspolitik. Es liegt auf der Hand, dass der Kanton Bern als zweitgrösster Kanton einen bedeutenden Teil der Kosten des interkantonalen Netzwerks trägt. Und es liegt in der Natur von Organisationen, dass kleine und grosse Einheiten aus gemeinsamen Strukturen unterschiedlichen Nutzen ziehen. Auch ein grosser Kanton, geschätzte Grossrätinnen und Grossräte, ist im Mehrebenenstaat auf allen Ebenen auf Koalitionspartner angewiesen: Er braucht Freunde. Und es wurde in diesem Saal wiederholt gesagt, der Kanton Bern habe wenige Freunde. Daran müssen wir arbeiten. Man kann das sehr schön am Beispiel der Interessenwahrnehmung gegenüber den Bundesbehörden verfolgen. Wo diese Interessenwahrnehmung gemeinsam mit andern Kantonsregierungen erfolgt, erhalten die Interessen des Kantons Bern ein grösseres Gewicht. Die Direktionen bringen die fachlichen Interessen unseres Kantons zusätzlich in den nationalen und regionalen Direktorenkonferenzen ein. Den Nutzen von Aussenbeziehungen wird man allerdings nie in Franken und Rappen messen können. Sie kennen meinen Spruch, wonach wir in einer Zeit leben, in der man von allem und jedem den Preis kennt, während der Wert der Dinge nicht so einfach zu eruieren ist. Man hat sich zwar bemüht, die Kosten von Kriegen zu berechnen; was aber die Investitionen in die friedliche Zusammenarbeit ausmachen, kann man im besten Fall schätzen. Der Regierungsrat hat solche Schätzungen vorgenommen und hat die Wirkung der interkantonalen Beziehungen in den Anhängen dieses Berichts dargestellt. Ich bitte Sie, auch einen Blick auf diese Anhänge zu werfen. Das oberste Ziel der Aussenbeziehungen des Kantons Bern ist die Erweiterung seines Handlungsspielraums. Für die Wahrung seiner Interessen müssen gewisse Rahmenbedingungen und Voraussetzungen beachtet werden. Aus Sicht der Regierung sind es vor allem drei Trends, welche die Aussenbeziehungen des Kantons Bern in den kommenden Jahren herausfordern werden: Erstens, auf Bundesebene findet eine Zentralisierung von verschiedensten Politikbereichen statt. Die Kantone müssen ihre Mitwirkungsrechte gegenüber dem Bund sowohl in der Innen- als auch in der Aussenpolitik verstärkt einfordern, ohne das Gesamtsystem zu blockieren. Das ist bereits eine anspruchsvolle Aufgabe. Zweitens: Immer häufiger müssen für eine wirksame Interessenwahrnehmung die eigenen Grenzen überschritten werden. Manchmal können politische, wirtschaftliche und soziale Fragen mit dieser Herangehensweise wirksamer und namentlich auch kostensparender gelöst werden. Drittens: An der Schnittstelle zwischen den bestehenden territorialen Einheiten und den funktionalen Räumen, die sich bilden oder bereits gebildet haben, ergeben sich neuartige Wirkungszusammenhänge und Spannungsverhältnisse. Vor dieser Herausforderung steht beispielsweise unser Projekt Hauptstadtregion Schweiz, etwa wenn es darum geht, vitale Interessen im Rahmen des Föderalismus wirksam zum Ausdruck zu bringen. Mit Vorteil ist diesen Entwicklungstrends in den grenzüberschreitenden Beziehungen mit Offenheit zu begegnen: mit einer Offenheit, einem Pioniergeist und einer Innovationskraft, die den kurzen, aber heftigen Berner Gipfelsturm in der Belle Epoque prägten. Ich rufe in Erinnerung, geschätzte Grossrätinnen und Grossräte, dass zwischen 1890 und 1920 die Berner zwei «Wahnsinnsalpenbahnen» bauten, nämlich die Lötschberg- und die Jungfraubahn. In diesen dreissig Jahren lancierten die Berner das europäische Stromnetz; 1909 wurde die BKW gegründet. Zudem starteten die Berner in diesen dreissig Jahren mit «Tobler-One», «Toblerone», die Schokoladenoffensive. Unter günstigen Bedingungen kann demnach der Berner Bär sehr wohl rennen. Die Aussenbeziehungen sollen zu solchen günstigen Bedingungen beitragen. Es gilt die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Die Regierung geht davon aus, dass die Aussenbeziehungen in der laufenden Legislatur schwerpunktmässig zur Erreichung der folgenden Ziele beitragen sollen: Ausbau der Kapazitäten der nationalen Verkehrsinfrastrukturen im Kanton Bern, nämlich des Bahnhofs Bern und seiner Zufahrten; Ausbau der zweiten Röhre im Lötschberg-Basistunnel; Hochleistungsstrassen rund um Bern und, nicht zu vergessen, Bahn 2030; Ausbau der Brückenfunktion des Kantons Bern im Gesamtsystem Schweiz; Koordination im Hochschulbereich; die Zusammenarbeit mit dem Bund und den andern Kantonen im Gesundheitsbereich die KVG-Revision ist eines, die Spitzenmedizin das andere ; die Klärung des bilateralen Weges im Verhältnis zur Europäischen Union; die Positionierung der Hauptstadtregion Schweiz. Ich bitte den Grossen Rat, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen und damit das Zeichen zu setzen, dass er in dieser Richtung weitergehen will. Der Präsident übernimmt wieder den Vorsitz. Präsident. Wird die Kenntnisnahme des Berichts bestritten? Das ist nicht der Fall. Er ist damit zur Kenntnis genommen. Geschäft E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Mehrjähriger Verpflichtungskredit Beilage Nr. 13, RRB 0451/2011 Martin Friedli, Sumiswald (EDU), Sprecher der Finanzkommission. Ich möchte mit meinem Votum lediglich eine Erklä-

28 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 471 rung abgeben und keinesfalls eine Diskussion auslösen. Es ist mit jedoch wichtig, auch im Rahmen der Information noch ein paar Worte zu diesem Geschäft zu sagen. In der FIKO und auch im Ausschuss STA wurde das Geschäft relativ kritisch geprüft. Es wurde nicht einstimmig überwiesen. Auch ich persönlich hatte am Anfang den Eindruck, das habe keine Priorität, da es um eine kleinere Bevölkerungsschicht geht und der Kanton sich in einer angespannten finanziellen Lage befindet. Deshalb könne man es verschieben. Mit einer sehr guten Aufklärungsarbeit zeigte uns die Staatskanzlei, insbesondere Kurt Nuspliger, auf, was eine Verschiebung bedeuten würde. Die Bundeskanzlei verabschiedete im Frühjahr ein Papier, «Strategische Planung vote électronique» zuhanden der Staatsschreiberkonferenz, in dem sie deutlich den Willen aufzeigte, dass die Umsetzung nun vorgenommen werden müsste. Es wird sogar ein Steuerungsausschuss eingesetzt. Weiter zeigte uns die Staatskanzlei auf, dass bei einer Verschiebung zusätzliche Kosten entstehen. Das wollten wir nicht in Kauf nehmen. Es hat einige technische Auswirkungen. Wir sind in der Beherbergung beim Kanton Genf; den Vertrag, den man unterschrieben hat, müsste man künden. Es besteht auch das Risiko, dass wir einer Weiterentwicklung verlustig gehen; zudem hätten wir in der User Group Genf kein Mitentscheidungsrecht mehr. Wir hätten auch einen Verlust der Testlaufmöglichkeit. Wir wollen das E-Voting als Test für die Auslandschweizer brauchen, damit früher oder später alle Stimmberechtigten elektronisch Ja oder Nein stimmen könnten. Das darf man nicht mit E-Election, elektronischem Wählen, verwechseln; so weit sind wir im Kanton Bern noch nicht. Vorgesehen wäre es auf die Grossratswahlen von Es hätte auch politische Auswirkungen. Die Pilotgemeinden, die nun mitgemacht haben, hätten sicher keine Freude. Es wäre ein negatives Zeichen, wenn wir es nicht umsetzen würden. Alle diese Begründungen sprechen gegen eine Verschiebung. Die FIKO hat dem Kredit schliesslich mit 11 gegen 4 Stimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt. Ich danke den Fraktionen, dass kein Ablehnungsantrag eingereicht wurde. Ich möchte noch einmal betonen, dass es aus Sicht der FIKO wichtig ist, das Geschäft nun in Angriff zu nehmen. Kurt Nuspliger, Staatschreiber. Ich danke der Finanzkommission, insbesondere Herrn Grossrat Friedli, herzlich für die eingehende Prüfung dieses Geschäfts. Ich glaube es ist richtig, dass der Kanton Bern nicht zurückfällt. Vielmehr sollten wir uns im selben Rhythmus bewegen wie die andern Kantone, die das System vorantreiben. Wir haben es vorhin gehört: Herr Regierungsrat Käser sprach von den Aussenbeziehungen und von der Bedeutung der Hauptstadtregion. Ich bin auch froh, dass bei der letzten Abstimmung am 15. Mai die ersten Gemeinden im Kanton Bern diesen Versuch durchführen konnten, der sehr gut verlief. Es passierten keine Fehler; die Leute sind sehr zufrieden. 62 Prozent der abstimmenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer benutzten das System; 98 Prozent gaben bei einer Umfrage an, sie hätten Vertrauen in das System und würden es auch beim nächsten Mal benutzen. Wenn der Grosse Rat diesem Kredit nun zustimmt, können wir voraussichtlich im März 2012 einen zweiten Versuch mit weiteren Gemeinden durchführen. Gemäss der aktuellen Planung soll bei der Abstimmung vom 17. Juni 2012 zum ersten Mal ein E-Voting-Versuch für alle Berner Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erfolgen. Ich danke für Ihre Zustimmung zu diesem Geschäft. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 111 Stimmen 1 Stimme 7 Enthaltungen Geschäft /10 Motion Hess, Bern (SVP) Amtliche Informationen nur noch in den Amtssprachen Deutsch und Französisch! Wortlaut der Motion vom 23. November 2010 Die Erziehungsdirektion des Kantons Bern hat für die Berner Ausbildungsmesse (BAM) am 11./12. September 2010 Informationsmaterial in Fremdsprachen herausgegeben. Ein Blick auf die angebotenen Sprachen ist ein Schock. Neben Deutsch und Französisch gibt es insgesamt 9 Broschüren in Sprachen, die keine Landessprache sind. Hierzu zählen z. B. Somali, Tigrinya, Vietnamesisch oder Albanisch. Dies ist kein Einzelfall. Immer mehr Merkblätter, Broschüren und amtliche Informationen des Kantons werden in den verschiedensten Sprachen zur Verfügung gestellt. Dies muss ein Ende haben. Die Amtssprachen im Kanton Bern sind Deutsch und Französisch. Somit kann man erwarten, dass Leute, die hier ihren Wohnsitz haben und in Kontakt mit Kanton und Behörden treten wollen, Informationen auch in einer der beiden Amtssprachen verstehen. Durch das Bereitstellen von amtlichen Informationen in anderen Sprachen wird den Ausländern ein Anreiz geboten, unsere Sprache erst recht nicht zu lernen und sich somit nicht zu integrieren. Genau das Gegenteil sollte der Fall sein! Deshalb fordere ich den Regierungsrat auf: 1. amtliche Informationen sowie jegliche Merkblätter und Broschüren des Kantons Bern per sofort ausschliesslich in den beiden Landessprachen Deutsch und Französisch zu veröffentlichen; ausgenommen sind Informationen, Merkblätter und Broschüren, die aus touristischen Zwecken erstellt werden 2. bereits bestehende Informationen, Merkblätter und Broschüren, die in anderen Sprachen verfasst sind, nicht mehr an Interessenten abzugeben (Weitere Unterschriften: 20) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 6. April 2011 Der Motionär verlangt, dass amtliche Informationen künftig mit Ausnahme der Informationen und Broschüren zu touristischen Zwecken nur noch in den zwei Amtssprachen des Kantons Bern veröffentlicht werden sollen. Durch das Angebot an amtlichen Informationen in verschiedenen Sprachen fehle der Anreiz, eine Amtssprache zu erwerben und sich zu integrieren. Zunehmende Sprachenvielfalt Wie die Erhebungen anlässlich der letzten Volkszählung ergeben haben, ist die Schweiz in den letzten Jahrzehnten ein «vielsprachiges» Land geworden. Zu den vier angestammten Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sind durch Migration zahlreiche andere Sprachen hinzugekommen. So bezeichneten im Rahmen der Volkszählung im Jahre 2000 rund 9 Prozent der Wohnbevölkerung der Schweiz eine Nichtlandessprache als ihre Hauptsprache. Im Kanton Bern sprachen im Jahr ,5 Prozent der Bevölkerung eine Nichtlandessprache (vgl. Georges Lüdi / Iwar Werlen, Eidg. Volkszählung 2000, Sprachenlandschft in der Schweiz, Neuchâtel 2005, S. 89 ff.). Sprachenverfassung und Information Die Förderung der Landesprachen- und Amtssprachen nimmt in der schweizerischen Politik einen grossen Raum ein: So enthält die Bundesverfassung (BV, SR 101) mehrere Bestimmungen, welche die Landes- und Amtssprachen regeln (Art. 4 und 70 Abs. 1 BV), sich mit dem Verhältnis der Sprachregionen und -gemeinschaften und der gegenseitigen

29 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei Verständigung beschäftigen (Art. 70 Abs. 2 bis 5 BV) und das Territorialitätsprinzip verankern. Das Sprachengesetz vom 5. Oktober 2007 (SpG, SR 441.1) nennt als wichtige Ziele die Förderung der Verständigung und des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften und die Unterstützung mehrsprachiger Kantone (Art. 1 SpG). Als Massnahme der Sprachförderung kann der Bund den Kantonen Finanzhilfe gewähren (Art. 16 SpG). Auf der anderen Seite garantiert Artikel 18 BV mit der Sprachenfreiheit den Gebrauch der Muttersprache, aber auch weiterer Sprachen 1. Der in Artikel 8 Absatz 2 BV garantierte Grundsatz der Rechtsgleichheit verbietet unter anderem Diskriminierungen wegen der Sprache; die Bestimmung umfasst jede Sprache derer ein Mensch mächtig ist (vgl. Rainer J. Schweizer, St. Galler Kommentar, Rz 66 zu Art. 8 BV, m.w.h.). Auch auf kantonaler Stufe wird in Artikel 15 der Verfassung (KV, BSG 101.1) die Sprachenfreiheit garantiert; Artikel 6 Absatz 1 KV erklärt das Deutsche und Französische zu den kantonalen Landes- und Amtssprachen. An die für den ganzen Kanton zuständigen Behörden können sich die Bewohnerinnen und Bewohner sowohl in deutscher wie auch in französischer Sprache wenden. Von grösster Bedeutung in diesem Zusammenhang ist jedoch die Informationspflicht der Behörden, die sich aus dem kantonalen Verfassungsrecht (Art. 70 KV) und der Informationsgesetzgebung ergibt. Information ist als Vermittlung von Kenntnis über alle Vorgänge im Staat zu verstehen, die für die politische und soziale Kompetenz der Bevölkerung von Bedeutung sind. Eine offene und transparente Informationspolitik schafft Vertrauen in den Staat und seine Behörden und ist zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in vielen Fällen zwingend erforderlich. Würdigung der Anliegen des Motionärs Dem Motionär ist insofern beizupflichten, als es aus gesellschaftspolitischer Sicht wichtig ist, den Erwerb von Amtssprachenkenntnissen zu fördern. Amtsprachenkenntnisse sind sowohl für die schulische Entwicklung, das berufliche Fortkommen, aber auch für die soziale Integration insgesamt von grosser Bedeutung (vgl. Alberto Achermann / Jörg Künzli, NFP 56: Sprachenvielfalt und Sprachkompetenz in der Schweiz; Schlussbericht, «Zum Umgang mit den neuen Sprachminderheiten», Ziff. B I.). Nicht zuletzt werden die erworbenen Sprachkenntnisse als objektives Kriterium für den Grad an Integration von Ausländerinnen und Ausländern erachtet. So enthält beispielsweise der Entwurf zum kantonalen Integrationsgesetz, welches voraussichtlich anfangs 2012 im Grossen Rat beraten wird, den Grundsatz, dass Ausländerinnen und Ausländer verpflichtet sind, sich mit den hiesigen Lebensbedingungen auseinanderzusetzen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten die dafür notwendigen Kenntnisse der Amtssprache ihres Wohnorts anzueignen. Nach Einschätzung des Regierungsrates ist es jedoch als Realität zu akzeptieren, dass trotz aller Sprachförderungsmassnahmen und allfälliger Verpflichtungen zum Erlernen einer Amtssprache ein Teil der Wohnbevölkerung über keine oder ungenügende Kenntnisse der am Wohnort gesprochenen Sprache(n) verfügt. Dies haben die Behörden aller Ebenen bei ihrer Aufgabenerfüllung unbedingt zu berücksichtigen. So ist es beim erwähnten Beispiel der Berner Ausbildungsmesse sehr wichtig, dass die Eltern von fremdländischen Kindern und Jugendlichen in der Berufswahl in ihrer Sprache angesprochen werden können. Nur so kann sicher- 1 Mit diesem Grundsatz wird anerkannt, dass die Möglichkeit sich mittels Sprache auszudrücken, elementar für die Entfaltung einer Person und die Gestaltung ihrer Beziehungen zur Aussenwelt ist. gestellt werden, dass ihnen das schweizerische Berufsbildungssystem eingängig vermittelt werden kann. Die Migrantinnen und Migranten stammen in den meisten Fällen aus Ländern, welche unser duales Berufsbildungssystem nicht kennen. Sie kommen mit der Vorstellung, dass ihre Kinder eine Mittelschule und eine Hochschule besuchen müssen, damit sie erfolgreich im Beruf sind. Der hohe Wert unserer praktischen Berufsbildung und die verschiedenen Karrieremöglichkeiten sind ihnen fremd. Mit der Vermittlung der Informationen in ihrer eigenen Sprache leistet die Erziehungsdirektion einen wirkungsvollen Beitrag, dass den Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Einstieg in die Berufsbildung möglichst gelingt und sie so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten sei dies in der Schweiz oder in ihrem Heimatland. In einzelnen Politikbereichen hat der Staat sogar eine Verpflichtung, sich zum Schutz von Polizeigütern darum zu bemühen, dass er verstanden wird (z.b. Sicherheit im Strassenverkehr, Gesundheitsbereich [Bekämpfung übertragbarer Krankheiten]). Solche Schutzpflichten existieren auch zu Gunsten der übrigen Wohnbevölkerung. Präventionsvorschriften oder Strassenverkehrsregeln, die von allen Teilen der Bevölkerung verstanden werden, sollen eine Bedrohung von Leib und Leben durch gefährliches Verhalten, welches auf Nichtverstehen amtlicher Wahrungen oder anderer Anordnungen beruht, verhindern helfen. Auch mit Bezug auf kantonsübergreifende Tätigkeiten und im Bereich der Wirtschaftsförderung wäre es unverständlich, wenn Informationen des Kantons nicht auch in weitere Sprachen, vorab ins Englische, übersetzt werden könnten. Schliesslich hat der Staat auch ausserhalb grundrechtlich geschützter Bereiche ein Interesse daran, verstanden zu werden: Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Gemeinde die Angebote der Abfallentsorgung kennen oder alle Eltern Informationen der Schule verstehen. Es ist daher nachvollziehbar und notwendig, wenn viele Gemeinden und auch der Kanton Bern derartige Angaben in zahlreichen Sprachen publizieren (vgl. zum Ganzen Alberto Achermann / Jörg Künzli, a.a.o., Ziff. D.). Schlussfolgerungen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Behörden bei Art und Umfang ihrer amtlichen Informationen in einem gewissen Spannungsfeld befinden: Die Förderung der Landes- und Amtssprachen ist auch im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration ein verfassungsrechtlich geschütztes Anliegen, dem auch der Regierungsrat verpflichtet ist. Auf der anderen Seite ist der Kanton gehalten, in grundrechtlich geschützten Bereichen aber auch in weiteren Sachgebieten möglichst viele Bewohnerinnen und Bewohner seines Kantonsgebiets mit seinen Informationen zu erreichen. Ein Verzicht auf die Abgabe von amtlichen Informationen in weiteren Sprachen hätte unter Umständen weitreichende Konsequenzen, gerade im Bereich der Bildung, der Gesundheit oder der Verkehrssicherheit. Bei Annahme der vorliegenden Motion wäre auch die Übersetzung amtlicher Dokumente ins Englische ausgeschlossen. Eine Konsequenz, die in der heutigen, von grenzüberschreitender Zusammenarbeit geprägten Zeit schlicht nicht verstanden würde. Schliesslich erscheint die gemäss Motionstext ausnahmsweise erlaubte Abgabe von amtlichen Informationen zu touristischen Zwecken unpraktikabel, da bei jeder amtlichen Information geprüft werden müsste, ob diese nun in Zusammenhang mit touristischen Zwecken steht oder nicht. Auch ein Verbot der Abgabe bereits gedruckter Informationen und Broschüren erscheint unverhältnismässig und sachlich nicht gerechtfertigt. Aus den erwähnten Gründen ist die Motion

30 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 473 nach Ansicht des Regierungsrates abzulehnen. Antrag: Ablehnung. Erich Hess, Bern (SVP). Zuerst möchte ich mich in aller Form bei der SP und den andern linken Parteien entschuldigen, dass ich ihnen zuvorgekommen bin und diesen Vorstoss eingereicht habe. Denn dieser Vorstoss ist ein urlinkes Anliegen: Es geht um die Integration der Ausländer, die wir hier in der Schweiz haben. Darum hoffe ich, dass Sie, obwohl der Vorstoss nicht von Ihrer Seite kam, ihn dennoch unterstützen helfen. Die Forderung wäre in fast jedem andern Land auf dieser Welt lächerlich. Denn es käme keinem andern Land und vor allem nicht den Bezirken, Bundesländern oder wie die unteren Aufteilungen dieser Länder heissen, in den Sinn, amtliche Informationen in irgendeine andere Sprache zu übersetzen. Gehen Sie einmal nach Amerika, nach Neuseeland oder nach England, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Sie glauben doch nicht, dass Ihnen der amerikanische Staat oder Neuseeland oder England irgendetwas auf Deutsch übersetzen würde, wenn Sie plötzlich dort wohnen und arbeiten würden. Wir haben in der Schweiz ein massives Problem mit der Überfremdung. Jedes Jahr kommen, ausgerechnet auf die letzten zehn Jahre, mehr als Leute mehr in die Schweiz. Es muss unser Ziel sein, diese Leute, die in die Schweiz kommen, in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das geschieht heute leider zu wenig. Viele Volksgruppen bleiben einfach unter sich. Das heisst, sie pflegen die Sprache, die sie in ihrer Heimat sprachen, auch hier in der Schweiz. Wir haben so viele Ausländer in der Schweiz, dass sie gar nicht mehr darauf angewiesen sind, mit Schweizern zu kommunizieren. Das ist schlecht für die Integration der Ausländer, die wir hier in der Schweiz haben. Es muss das Ziel sein, dass die Ausländer, die hier in der Schweiz sind, Deutsch oder Französisch lernen, damit sie verstehen und kommunizieren können. Diejenigen, die es nicht lernen wollen, haben bei uns im Kanton Bern keinen Platz. Die Kosten für solche Übersetzungen sind massiv. Der Regierungsrat spielt die Kosten in seiner Antwort allerdings stark herunter. Sie wissen aber selber, was es nur schon kostet, irgendeinen Text Ihrer Parteizentrale professionell zum Beispiel auf Französisch übersetzen zu lassen, da Sie alle auch parteipolitisch aktiv sind. Diese Kosten rechnen sich nicht. Denn es ist doppelt so teuer, wenn nicht noch mehr. Die Übersetzungskosten sind nicht die einzigen: Die grössten Kosten werden in Zukunft auf uns zukommen, wenn wir viele Leute haben, welche die deutsche oder die französische Sprache nicht mehr beherrschen. Es wird Konflikte geben zwischen den einzelnen Nationalitäten, zwischen Schweizern und Ausländern. Sie werden davon vielleicht weniger betroffen sein. Die junge Generation wird es jedoch am meisten betreffen, wenn in dreissig oder vierzig Jahren nicht mehr jeder Deutsch kann, wenn es verschiedene Sprachgruppen gibt und nicht mehr nur Deutsch und Französisch und wenn die Leute einander kaum mehr verstehen. Deshalb bitte ich Sie im Interesse der Integration der Ausländerinnen und Ausländer, der Motion zuzustimmen. Ziffer 2 ziehe ich zurück, weil es keinen Sinn macht, bereits gedrucktes Material einzustampfen. Ebenso wenig macht es aber Sinn, alles in andere Sprachen zu übersetzen, wenn wir die Leute, die hier in der Schweiz sind, integrieren wollen. Der Regierungsrat hat gesagt, wir seien dazu verpflichtet, das in andere Sprachen zu übersetzen. Das ist jedoch nicht der Fall. Andere Kantone gehen nicht so weit und geben ihre amtlichen Informationen nur in der kantonalen Sprache, sei es Deutsch oder Französisch, heraus. Deshalb bitte ich Sie, im Interesse der Integration und aus finanzpolitischen Gründen dem Vorstoss zuzustimmen. Monika Gygax, Obersteckholz (BDP). Anlässlich der letzten BAM, der Berner Ausbildungsmesse, fiel dem Motionär auf, dass das Informationsmaterial auch in Fremdsprachen abgegeben wird. Neben Broschüren in Deutsch und Französisch gibt es Übersetzungen in insgesamt neun weitere Sprachen. Ebenfalls richtig stellte er fest, dass dies kein Einzelfall ist. Der Kanton Bern nimmt seine gesetzlichen Informationspflichten wahr. Schon lange und richtigerweise werden Merkblätter, Broschüren und amtliche Informationen für Bereiche wie Bildungswesen, Wirtschaft, Tourismus und Sozialversicherungswesen und viele mehr in verschiedenen Sprachen zur Verfügung gestellt. Der Motionär folgert daraus jedoch, dass damit für unsere Ausländer ein Anreiz geschaffen werde, sich erst recht nicht integrieren zu wollen; das heisst, unsere Sprache weder zu sprechen noch zu verstehen. Wenn der Motionär einmal mehr von Integration spricht, reduziert er sie auf einen ganz kleinen Nenner. Es ist unbestritten, dass Integration zum grossen Teil mit Sprache, Sprechen, Verstehen und Verstandenwerden zu tun hat. Verstehen und Verstandenwerden: In dem Fall haben die BAM und damit unser Kanton, unsere Ausbildungsstätten und unsere Schulen und letztlich wir alle eine grosses Interesse daran, dass unsere Ausbildungsmöglichkeiten, unser Ausbildungswesen sowie unser Schul- und Bildungssystem auch von unseren fremdsprachigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern richtig verstanden werden. Und zwar richtig im Sinn von vollständig und korrekt und nicht nur der Spur nach. Nicht selten verstehen ausländische Kinder aufgrund der durchlaufenen Schulzeit problemlos unsere Amtssprache. Ihre Eltern verstehen unter Umständen aber nicht alles vollständig und richtig, auch wenn sie unsere Sprache im Alltag verstehen und mehr oder weniger fehlerfrei Berndeutsch sprechen. Geht es uns manchmal mit dem Französischen oder dem Englischen nicht auch so? Wir verstehen es, aber nur dem Sinn nach und nicht wörtlich. Aber gerade im Bereich Schule, Ausbildung und Weiterbildung ist es enorm wichtig, dass ausländische Personen wissen, was in unserem Staat gilt und wie er funktioniert. Mit diesen Übersetzungen wissen sie umfassend, was es für eine Lehre, ein Gymnasium, eine weiterführende Schule oder ein Studium braucht. Nicht in allen Ländern funktioniert es eben wie bei uns. Die Ausnahme Tourismus ist entweder nicht umsetzbar oder auch kostenmässig dermassen aufwendig, dass sie keinen Sinn ergibt. Wer sollte denn bestimmen, was im Tourismus gilt und was ihm dient und was nicht? Wer wollte das zahlen? In welcher Sprache sollte der Staat das berücksichtigen? Nur in Englisch oder auch in den Sprachen, die den Motionär schockierten? Auf die Folgen für unsere Wirtschaft, die ebenfalls sehr betroffen wäre, da gemäss Motionstext auch nichts mehr auf Englisch übersetzt werden darf, will ich gar nicht erst näher eingehen. In meinem ersten Jahr im Grossen Rat habe ich etwas sehr rasch gemerkt: Eine Motion zu schreiben ist alles andere als einfach. Sie muss gut überlegt und durchdacht sein. Manchmal geht es um einzelne Wörter. Die vorliegende Motion ist aus Sicht der BDP nicht sinnvoll, sie wurde nicht zu Ende gedacht, ist nicht umsetzbar und schon gar nicht sachlich begründet. Einfach ausgedrückt: Sie schiesst weit über das Ziel hinaus. Die BDP unterstützt deshalb den Antrag der Regierung, lehnt das Begehren ab und bittet den Rat, das auch zu tun. Harald Jenk, Liebefeld (SP). Die Entschuldigung ist angenommen. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass wir der Meinung wären, es handle sich um eine gute Motion. Wir sind aber einverstanden damit, dass Integration wichtig ist und dass Sprachkenntnisse dabei von grosser Bedeutung sind. Aber eben: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Für Kommunikation braucht es immer zwei. Wenn jemand

31 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei neu in die Schweiz einwandert, will man bekanntlich nun ein Begrüssungsgespräch durchführen, um den Leuten zu erklären, wie es in der Schweiz läuft. Man kann sich doch nicht ernsthaft vorstellen wollen, dass man das nur auf Berndeutsch oder auf Französisch macht. Man wird nicht darum herumkommen, auch etwas in der Heimatsprache dieser Einwanderer anzubieten. Ein anderes Beispiel, das ich persönlich erlebte, möchte ich ebenfalls anführen: Bis Ende letzten Jahres hatte der Kanton ein sehr gutes Angebot zur Bekämpfung von Schwarzarbeit, «Top Combi». Dabei ging es darum, dass die ganzen Abrechnungen wie Quellensteuer, Sozialversicherungen und so weiter in einem Paket vorgenommen werden konnten. Die Homepage von «Top Combi» enthielt auch zehn Merkblätter in verschiedenen Sprachen, die den Arbeitnehmer über seine Rechte und Pflichten informierten. Das war sehr nützlich. Die Putzfrau, die wir damals anstellten, sprach nur Spanisch. Wir konnten ihr das entsprechende Merkblatt geben und sie verstand, worum es beim Formular, das sie ausfüllen musste, ging. Das Formular selber war leider nur auf Deutsch vorhanden. Mithilfe des Wörterbuchs mussten wir herausfinden, was Begriffe wie «Identitätskarte» und andere auf Spanisch bedeuten. Das war jedoch machbar. «Top Combi» und diese Merkblätter waren nicht nur eine Dienstleitung für Einwanderer, sondern waren auch für mich eine Hilfe. Dieses System wurde leider abgeschafft, weil man nun ein System auf nationaler Ebene hat. Aber auf der Homepage des SECO ist nichts Brauchbares zu finden. Das ist effektiv ein grosser Rückschritt. Wenn wir Kommunikation und Integration wollen, kommen wir nicht darum herum, Merkblätter und Informationen in anderen Sprachen als Deutsch und Französisch anzubieten. Die SP lehnt diesen Vorstoss ab und bittet den Grossen Rat, dasselbe zu tun. Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Der Auslöser für diese Motion war bekanntlich die Infobroschüre, die anlässlich der BAM, Bernische Ausbildungsmesse, im September 2010 aufgelegt worden war und nebst Deutsch und Französisch in neuen weiteren Sprachen verfasst worden war. Ziffer 2 wurde vom Motionär zurückgezogen. Bei Ziffer 1 geht es ihm darum, dass amtliche Informationen nur noch in den Amtssprachen Deutsch und Französisch erscheinen dürfen und sollen. Eine knappe Mehrheit der SVP ist wie die Staatskanzlei, der ich im Übrigen für die ausführliche Antwort danke, für Ablehnung von Ziffer 1, und zwar, weil an der BAM auch den Eltern von zukünftigen Lehrlingen unser duales Berufsausbildungssystem dargelegt werden kann. An dieser Stelle sei allerdings die Frage erlaubt, ob Übersetzung und Drucklegung dieser Informationsbroschüre in neun Sprachen einem Kosten- Nutzen-Vergleich standhalten würden. Für Annahme von Ziffer 1 spricht, wie in der Antwort des Staatsschreibers erwähnt wird, dass es aus gesellschaftspolitischer Sicht wichtig wäre, dass Ausländer möglichst rasch eine unserer Amtssprachen lernen würden. Fazit: Eine knappe Mehrheit der SVP ist für Ablehnung von Ziffer 1; Ziffer 2 wurde bekanntlich zurückgezogen. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Zunächst möchte ich im Namen der grünen Fraktion einen Teil der Motion würdigen: Die Integration beginnt bei der Sprache. Das ist uns wohl allen bewusst. Wer die Sprache nicht kennt, kann sich nicht orientieren und kann sich nur schlecht integrieren. Ohne Sprachkenntnisse findet wenig oder gar kein Austausch und Verständnis statt. Wir wollen mehr fordern. Das ist ein grosses Anliegen der grünen Fraktion. So, wie das Anliegen aber hier daherkommt, zielt es auf die ausländische Bevölkerung. Die Motion ist integrationshemmend und möchte nicht nur, dass die Leute nicht integriert werden, sondern dass man sie wieder ausweist. Wie sollen sich die ausländischen Personen im Kanton Bern orientieren, wenn man ihnen nicht zumindest am Anfang eine Hilfe in ihrer Sprache bietet? Wie können wir diese Leute integrieren, wenn nicht in ihrer eigenen Sprache? Wir können wir verhindern, dass diese Leute an den Rand gedrängt werden, und wie wollen wir erreichen, dass sie unsere Gesetze verstehen? Sicher nicht mit der vorliegenden Idee. Sucht der Motionär hier nicht einfach einen Trick, um generell gegen die ausländische Bevölkerung zu schlagen oder sie sogar wegweisen zu können? Die Schweiz weist eine grosse Sprachenvielfalt auf. Das ist weder in den USA noch in Frankreich oder in Australien der Fall. Dieses Argument greift also nicht. Artikel 18 der Bundesverfassung garantiert den Gebrauch der Muttersprache. Die Muttersprache ermöglicht den Austausch zwischen den Gemeinschaften innerhalb unserer Gesellschaft. Welche Folgen hätte es, wenn wir unsere Dokumente nur noch in Deutsch und in Französisch abgeben würden? Es wurde bereits gesagt, dass Kinder, die hier geboren wurden, die Sprache sehr oft beherrschen, die Eltern jedoch nicht. Wie kommen sie also zu Informationen über die Schule? Wir wissen, dass bei der Berufsbildung immer mehr Schweizerinnen und Schweizer an der Universität studieren wollen. Wir benötigen in den Berufen jedoch generell sehr gute Leute, und es gibt viele, die eine Berufslehre absolvieren wollen. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, weil ich solche Leute unterrichte. Die Starthilfe muss für sie verständlich sein und allenfalls sogar in ihrer Sprache erfolgen. Wir sprechen von Polizei und von Sicherheit, von Verkehrsregeln und Sicherheitsnormen. Mit dieser Motion würde man übrigens noch vielen anderen Menschen Schwierigkeiten bereiten, nämlich Ingenieurinnen und Ingenieuren englischer Sprache. Auch sie könnten unsere Informationen nicht mehr lesen. Probleme hätten auch die Gemeinden, wenn bei Steuern, Abfallreglementen und in weiteren Bereichen alles nur noch auf Deutsch und auf Französisch vorhanden wäre. Das bedeutet für die Grünen nicht, dass man in solchen Broschüren noch mehr Sprachen anwenden sollte. Die Motionsantwort ist klar und sachlich begründet. Es besteht weder einen Grund noch eine Notwendigkeit, die amtlichen Informationen künftig nur noch in Deutsch und Französisch zu drucken. Fazit aus Sicht der Grünen: Ja, Sprachen braucht es, um sich im Kanton Bern integrieren zu können, und zwar Deutsch und Französisch. Aber die Motion ist einseitig, unehrlich, diskriminierend und daher unnötig. Der Vorstoss ist ein Wolf im Schafspelz, er will nicht integrieren, sondern will Argumente für die Nichtintegration liefern. Das Ansinnen löst keine, sondern schafft Probleme. Die Grünen lehnen auch Ziffer 1 ab. Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV). Beaucoup de choses ont déjà été dites et mon intervention sera courte, comme l a été la discussion au sein de notre groupe au sujet de cette motion. Notre collègue Erich semble rêver d un monde idéal ou en tout cas d un canton idéal où chacun comprend l allemand et le français. Finalement seuls les touristes sont excusés de s exprimer dans une autre langue. Le groupe PEV tient à souligner ici que le canton a un devoir d information dans des domaines qui sont fondamentaux, comme la santé, la sécurité ou la formation. Je cite un exemple: dans le Jura bernois, nous avons la chance d avoir un dépistage systématique du cancer du sein pour les femmes à partir de 50 ans. Cette campagne veut sensibiliser la population concernée et comment le ferait-on si l on écrivait et l on envoyait des documents uniquement rédigés en français et en allemand, notamment aux femmes migrantes qui ne comprennent pas ces deux langues et qui malheureusement sont aussi sujettes à cette maladie? Je veux bien croire que le motionnaire sou-

32 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 475 haite intégrer avec sa motion, mais il propose malheureusement des mesures qui créent plutôt l exclusion. Nous souhaitons donc que cette motion soit largement rejetée. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Wäre der Vorstoss dergestalt formuliert worden, dass man gesagt hätte, man solle die Sprachenflut eindämmen und prüfen, ob es wirklich nötig sei, in jeder dieser Sprachen ein solches Merkblatt herauszugeben, hätte die FDP allenfalls eine gewisse Sympathie dafür. Der Vorstoss lautet jedoch: zwingend Deutsch und Französisch und keine Merkblätter in weiteren Sprachen. Das ist selbst dann schädlich, wenn man mit den Ausländern relativ streng umgehen will. Als Stadtpräsident von Nidau kann ich sagen: Nidau hat ein Quartier, das einen hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung aufweist. Wenn ich gegen diese Leute konsequent vorgehen will, muss ich ihnen zuerst erklären, was Sache ist. Und dabei hilft ein Merkblatt oder ein kurzer Brief in ihrer Sprache manchmal. Der Aufwand ist gering. Wenn sie dann nicht so tun, wie wir es gerne hätten, haben wir keinen Begründungsaufwand mehr, um Konsequenzen und Massnahmen zu ergreifen. Bei solchen Fragen darf man als Schweizer durchaus etwas schlauer sein als andere Nationen im halbdiktatorischen Bereich. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Lastwagenchauffeur, der in die Türkei fährt, manchmal froh wäre, wenn er dort gewisse Weisungen und Merkblätter bekäme, damit er weiss, wie er sich zu verhalten hat und welche Verkehrsregeln er anwenden muss. Deshalb sollte man die Leute zunächst so behandeln, wie man selber gerne behandelt werden möchte. Wenn sie anschliessend nicht so tun, wie man es gerne hätte, kann man Konsequenzen ergreifen. Zusammenfassend: Die FDP hat diskutiert, ob wir allenfalls einem Postulat zustimmen könnten. Da der Antrag jedoch derart eindeutig nur Deutsch und Französisch zulässt, würden wir auch ein Postulat ablehnen. Ich würde gerne einmal ein Merkblatt «Erfolgreiche Motionen und Ordnungsanträge» erarbeiten. Ich weiss jedoch nicht, in welcher Sprache ich es verfassen müsste, damit es beim Motionär ankommt. (Heiterkeit) Walter Messerli, Interlaken (SVP). Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Ich muss jedoch festhalten, dass die Motion untauglich und nicht durchdacht ist; vor allem für die Branche, zu der ich an dieser Stelle einige Sätze zu äussern gedenke, ist sie buchstäblich schädlich. Ich vertrete die Branche des «Vereinigten Clubs der Strafanstalten». Es wäre der Todesstoss für alle Strafanstalten, welche Merkblätter und Hausordnungen aus dem Gewaltverhältnis heraus verfassen, und zwar in Afrikanisch, Albanisch und weiteren Sprachen, damit die Leute, die in den Strafanstalten einsitzen, wissen, woran sie sind, und damit man ihnen sagen kann, sie hätten gelesen, woran sie sich zu halten haben. Die Motion ist vor allem dann untauglich, wenn wir Leute in der Schweiz haben, die zum Staat in einem Gewaltverhältnis stehen, wie die Insassen der Strafanstalten. Sie brauchen Hausordnungen und Merkblätter, wie es in der Strafanstalt Thorberg und andern Strafanstalten der Fall ist, wo man den Leuten sagen muss, was Ordnung ist und dass sie sich an die Hausordnung halten müssen. Die Beschränkung auf touristische Bereiche ist völlig daneben. Der Motionär will doch nicht etwa behaupten, das seien alles Straftouristen. Ein Postulat hat, Adrian Kneubühler, aus dieser Sicht gar keinen Sinn. Präsident. Grossrat Kneubühler sagte, die FDP würde auch ein Postulat ablehnen. Manchmal ist die Verständigung sogar innerhalb des Grossratssaals nicht ganz einfach. Patric Bhend, Thun (SP). Ich bin sehr dankbar für das differenzierte Votum meines Vorredners. Ich möchte mich an die Minderheit der SVP-Fraktion wenden, die sich überlegt, den Vorstoss zu unterstützen. Sie haben vorhin die sehr einleuchtenden Argumente Ihres Kollegen gehört. Ich kann noch zwei weitere anfügen. Wollen Sie wirklich, dass man den Leuten nicht mehr in ihrer Sprache sagen kann, sie sollten die Hände waschen oder die Füsse oder was auch immer, wenn im Kanton Bern eine Pandemie ausbricht? Damit würden Sie in Kauf nehmen, dass andere Leute im Kanton Bern gefährdet wären, nur weil man das nicht mehr darf. Und ein zweites Beispiel: Es wird immer wieder von den fehlenden Arbeitskräften in der IT-Branche gesprochen. Angenommen, ein Amerikaner zieht mit seiner Familie in den Kanton Bern; er hat zwei schulpflichtige Kinder und kann weder Französisch noch Deutsch. Er möchte wissen, wie er seine Kinder einschulen muss, erhält jedoch keine Informationen auf Englisch vom Kanton Bern. Ist es wirklich das, was Sie wollen? Ich schlage Erich Hess vor, seinen Vorstoss zurückzuziehen, und ich sorge dafür, dass ihm die Staatskanzlei die Grossratsunterlagen in den nächsten zwei Jahren nur noch auf Französisch zustellt. Wenn er anschliessend das Gefühl hat, das sei eine gute Sache, soll er den Vorstoss, vielleicht etwas anders formuliert, noch einmal einreichen. Irma Hirschi, Moutier (PSA). M. Hess, lorsque vous parlez d intégration, au lieu de toujours soulever des problèmes, je vous propose de vous investir personnellement. Faites comme moi: dans ma ville, à Moutier, nous organisons tous les deux ans une fête qui s appelle la Fête des communautés étrangères, et qui permet à ces communautés de se rencontrer et qui permet aussi à la population suisse d aller à la rencontre de ces communautés étrangères. Je vous assure que votre regard vis-à-vis de la population étrangère qui cohabite avec nous va radicalement changer et, au lieu de la stigmatiser, vous arriverez peut-être à l apprivoiser. Je vais en tout cas rejeter votre motion. Kurt Nuspliger, Staatsschreiber. Lassen Sie mich einen Satz aus der Antwort zitieren: «Dem Motionär ist insofern beizupflichten, als es aus gesellschaftspolitischer Sicht wichtig ist, den Erwerb von Amtssprachenkenntnissen zu fördern.» Wenn es also um die Integration von Ausländerinnen und Ausländern geht, ist es sehr wichtig, dass sie eine Amtssprache, Deutsch oder Französisch, kennen. Das ist absolut zwingend. Soweit hat der Motionär einen wichtigen Punkt aufgegriffen. Mit seiner ersten Forderung, die bestehen blieb und über die Sie anschliessend abstimmen werden, schiesst er jedoch über das Ziel hinaus: Er will für Sonderfälle das Verbot aussprechen, andere Sprachen einzusetzen. Das kann beispielsweise im Bildungsbereich sein. Wir wissen, dass wir dort wohl nicht unverhältnismässig Übersetzungsarbeiten leisten sollten. Es kann aber auch diejenigen Bereiche betreffen, von denen die Herren Grossräte Messerli und Bhend vorhin sehr deutlich sprachen. Das wären durchaus Argumente, um den Vorstoss abzulehnen. Erich Hess, Bern (SVP). Zuerst zu Walter Messerli: Die ausländischen Gefängnisinsassen würden nicht darunterfallen, da es sich um Ausländer handelt, die als Kriminaltouristen in der Schweiz sind. Damit würden sie unter den Tourismus fallen. (Heiterkeit) Zweitens: Der Regierungsrat und der Staatsschreiber schrieben in der Antwort, man dürfe alle Sprachen brauchen. Es ist jedoch nirgends in der Bundesverfassung vorgeschrieben, dass staatliche Organe in allen Sprachen kommunizieren müssen. Somit wäre der Vorstoss auf jeden Fall bundesverfassungs- und bundesgesetzkompatibel. Drittens finde ich es sehr schade, dass die linke Ratshälfte immer von Integration spricht, jedoch dagegen ist, wenn es einmal um einen Vorstoss geht, mit dem wirklich

33 Juni 2011 Nachmittag Staatskanzlei Integrationsmassnahmen umgesetzt würden. Somit geben Sie natürlich der SVP wieder mehr Auftrieb, dass wir die Einwanderung zwingend beschränken müssen, weil wir die Integration der vielen Ausländer in der Schweiz nicht mehr im Griff haben. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziffer 1 der Motion Dagegen 5 Stimmen 125 Stimmen 5 Enthaltungen Geschäft /10 Interpellation Astier, Moutier (PLR) / von Kaenel, Villeret (PLR) / Bühler, Cortébert (UDC) Braucht es strengere Vorschriften für die briefliche Stimmabgabe? Wortlaut der Interpellation vom 1. Dezember 2010 Anlässlich der eidgenössischen Wahlen vom Oktober 2007 hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine Beobachterdelegation in die Schweiz geschickt. In ihrem Schlussbericht vom 3. April 2008 macht sie auf Schwachstellen bei der brieflichen Stimmabgabe aufmerksam. Der OSZE-Bericht ist nicht alarmierend, er betont vielmehr das grosse Vertrauen, das die Schweizer Bevölkerung in ihr Wahlsystem und in ihre Behörden hat, sowie das hohe ethische Niveau der Schweizer Stimmberechtigten. Dennoch kann der Bericht der OSZE nicht ausschliessen, dass Wahlvergehen möglich sind (electoral malfeasance possible), und stellt fest, dass das Schweizer System der brieflichen Stimmabgabe für Wahlbetrug anfällig ist (vulnerable to manipulation). Der Regierungsrat wird um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Verfügen die Gemeinden über Weisungen oder Empfehlungen für die Entgegennahme der (via Post oder Abstimmungsbriefkasten der Gemeinde) brieflich eingegangenen Stimm- und Wahlzettel? Wenn ja, welche? 2. Sollte die Aufbewahrung der brieflich eingegangenen Stimmcouverts nicht ausschliesslich durch vereidigte Personen erfolgen (früher z. B. Gemeindepolizei)? 3. Die brieflich eingegangenen Stimmcouverts werden gemäss OSZE-Bericht in einem gesicherten Raum aufbewahrt. Müssten die brieflich abgegebenen Stimm- und Wahlzettel nicht in eine versiegelte Urne gelegt werden? Müsste die Entsiegelung dieser Urne nicht in Anwesenheit der Mitglieder des Auszählbüros erfolgen, um jegliches Risiko einer Manipulation oder eines Wahlbetrugs auszuschliessen? 4. Ist der Regierungsrat bereit, die Sicherheit bei der brieflichen Stimmabgabe gemäss den Empfehlungen des OSZE-Berichts zu erhöhen? (Weitere Unterschriften: 2) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Allgemeines Die Ausgestaltung des Abstimmungsverfahrens muss eine zuverlässige und unverfälschte Willenskundgabe der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sicherstellen. Gemäss Artikel 8 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) haben die Kantone für die briefliche Stimmabgabe ein einfaches Verfahren vorzusehen. Zugleich müssen sie dafür sorgen, dass die Kontrolle der Stimmberechtigung, das Stimmgeheimnis und die Erfassung aller Stimmen gewährleistet sind und Missbräuche verhindert werden. Der Bundesgesetzgeber geht davon aus, dass die Zuverlässigkeit der Willenskundgabe der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf verschiedene Weise garantiert werden kann. Daher sieht er davon ab, nähere Vorschriften zum Abstimmungsverfahren aufzustellen. Die Kantone regeln somit die Ausgestaltung selber. Der Regierungsrat beurteilt die briefliche Stimmabgabe als wertvoll. Die Stimmabgabe auf dem Postweg entspricht einem grossen Bedürfnis der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Dies zeigt sich darin, dass rund 80 Prozent der Stimmen brieflich abgegeben werden. Mit der im Kanton Bern und in der Mehrzahl der Kantone praktizierten Methode des Unterschreibens der Stimmrechtsausweise bei der brieflichen Stimmabgabe soll einer Missbrauchsgefahr wirksam begegnet werden. Mit dem Unterschriftserfordernis wird eine zusätzliche Sicherheitsschranke geschaffen, um die Missbrauchsgefahr herabzusetzen. Die Unterschrift tritt im Sinne einer Schutzmassnahme gewissermassen an die Stelle des persönlichen Erscheinens bei der Stimmabgabe an der Urne. In den vergangenen Jahrzehnten sind denn auch wenige Manipulationsversuche bekannt geworden. Die Unterschrift kann beim Auftreten von Unregelmässigkeiten zur Kontrolle der Stimmberechtigung in einem allfälligen Beschwerdeverfahren beitragen. Abstimmungen und Wahlen werden in jedem Abstimmungskreis durch einen vom Gemeinderat ernannten Stimmausschuss von wenigstens fünf Mitgliedern geleitet. Aufgabe des Stimmausschusses ist es, für Ruhe und Ordnung im Abstimmungsraum zu sorgen, die Ergebnisse des Urnengangs zu ermitteln und dabei zu verhindern, dass gesetzeswidrige Handlungen vorgenommen werden (Art. 71 Abs. 4 des Gesetzes über die politischen Rechte [GPR; BSG 141.1]). Artikel 28 der Verordnung über die politischen Rechte (VPR; BSG ) regelt die Behandlung der brieflich abgegebenen Stimmen. Die eingelangten Antwortcouverts werden rechtzeitig dem Stimmausschuss übergeben. Bei der Urnenöffnung entfernt eine Gruppe des Stimmausschusses die Ausweiskarten von den Antwortcouverts und prüft, ob die Ausweiskarten die eigenhändigen Unterschriften enthalten. Die gültigen Ausweiskarten werden durch ein Mitglied des Stimmausschusses zu den an der Urne abgegebenen Ausweiskarten gelegt. Das Antwortcouvert oder das Stimmcouvert wird einem weiteren Mitglied des Stimmausschusses übergeben. Dieses öffnet es, lässt die darin enthaltenen Stimm- oder Wahlzettel abstempeln und legt sie in die Urne. In Abstimmungsräumen, in denen schon am Vortag die Stimmabgabe möglich war, können am Haupttag die gleichen Urnen benützt werden. In der Zwischenzeit sind die Urnen versiegelt oder plombiert und sicher aufzubewahren. Sie werden erst unmittelbar vor Beginn der Abstimmung wieder bereitgestellt; der Stimmausschuss darf vom Inhalt der Urnen keine Kenntnis nehmen (Art. 22 VPR). Die Ermittlung der Ergebnisse erfolgt durch den Stimmausschuss unmittelbar nach der Schliessung der Urnen. Im Ausmittlungsraum werden die Siegel gelöst und die Ausmittlung beginnt (Art. 33 VPR). Bei Gemeinden die vorzeitig ausmitteln, sind für den Wahl- bzw. Abstimmungstag leere, versiegelte Urnen aufzustellen (Art. 43 Abs. 3 VPR). Über die Ergebnisse wird Protokoll geführt (Art. 40 VPR). Die Ausweiskarten und die Antwortcouverts werden nach Abschluss der Ausmittlung versiegelt und anschliessend der Gemeindeschreiberei zugestellt, welche sie solange unter Siegel hält, bis das Ergebnis der Abstimmung oder Wahl erwahrt ist (Art. 41 VPR). Die Stimm- und Wahlzettel zu kantonalen Vorlagen werden ebenfalls versiegelt und bei der Gemeindeverwaltung bis nach rechtskräftiger Erledigung allfälliger Beschwerden an einem sicheren Ort aufbewahrt (Art. 42 VPR).

34 Staatskanzlei 7. Juni 2011 Nachmittag 477 Zu Frage 1 (Weisungen oder Empfehlungen zuhanden der Gemeinden) Die Regelung der Stimmabgabe im Gesetz und in der Verordnung über die politischen Rechte genügt. Mittels Bernische Systematische Information der Gemeinden (BSIG Nr. 1/141.1/1.1) wurden die Gemeinden zudem auf die Möglichkeiten der vorzeitigen Stimmabgabe hingewiesen. Zu Frage 2 (Aufbewahrung durch vereidigte Personen) Der Regierungsrat hat keine Kenntnis davon, dass es bei der Aufbewahrung der brieflich eingelangten Antwortcouverts zu Unregelmässigkeiten gekommen wäre. Der Beizug von vereidigten Personen ist nicht erforderlich. Zu Frage 3 (Versiegelung und Entsiegelung der Urne) Die brieflich abgegebenen Stimm- und Wahlzettel werden abgestempelt und in die Urne gelegt. Werden die Urnen bereits an Vortag benützt, sind sie versiegelt oder plombiert und sicher aufzubewahren. Das Siegel wird erst bei der Ausmittlung durch den Stimmausschuss gelöst. Das bernische System verfügt über die nötigen Schutzmassnahmen, damit der Missbrauchsgefahr wirksam begegnet werden kann. Kein System kann jedoch das Risiko einer vorsätzlichen Manipulation oder eines Wahlbetrugs gänzlich ausschliessen. Zu Frage 4 (OSZE-Bericht) Der Bundesrat hat aufgrund des Berichts der OSZE zu den Nationalratswahlen vom 21. Oktober 2007 darauf verzichtet, zusätzliche Massnahmen zu beschliessen. Auch der Regierungsrat des Kantons Bern erachtet die Sicherheit der brieflichen Stimmabgabe als genügend. Der Regierungsrat erwartet, dass ihm problematische Beobachtungen unter Nennung von Ort, Datum und wichtigen Einzelheiten gemeldet werden, damit allfällige Zusatzmassnahmen zur Sicherung der zuverlässigen und unverfälschten Willenskundgabe ergriffen werden könnten. signature. Par contre, si la carte de légitimation est signée, même s il ne s agit pas de la signature de l électeur ou de l électrice en question, le vote est valable. Pour conclure, les interpellateurs trouvent regrettable que le Conseil-exécutif n estime pas nécessaire de prendre des dispositions supplémentaires concernant le vote par correspondance, conformément au rapport de l OSCE. Le Conseilexécutif attend-il une fraude électorale majeure pour agir? J ai terminé et je ne demande pas le débat. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Priska Vogt (d) Catherine Graf Lutz (f) Präsident. Monsieur Astier n est plus membre du Grand Conseil, mais il y a encore deux autres interpellateurs. Monsieur von Kaenel fait une déclaration. Il est partiellement satisfait. Dave von Kaenel, Villeret (PRD). a réponse du Conseilexécutif ne nous satisfait pas pleinement. En ce qui concerne le vote par correspondance, les interpellateurs partagent parfaitement l avis du gouvernement bernois. Cette manière de voter est très importante et permet certainement un taux de participation plus important que si cette manière de voter n existait pas. Néanmoins, ces derniers mois, il y a eu plusieurs affaires de fraudes électorales. Ainsi, fin mars 2011, dans le canton de Bâle-Campagne, le bureau électoral a été étonné de retrouver 200 bulletins électoraux écrits de la même main en faveur d'un candidat du cercle électoral Muttenz-Birsfelden. Voici d autres exemples qui sont passés dans les médias: en 2009, un candidat au conseil municipal dans le canton de Soleure a récolté 46 listes électorales auprès de connaissances et les a remplies lui-même; en 2001, un politicien PDC dirigeant la campagne pour le parlement communal d Olten achète 100 exemplaires du matériel de vote auprès des employés de l évacuation des déchets et les remplit à la main. Dans sa réponse à notre interpellation, le gouvernement indique qu un groupe de membres du bureau retire la carte de légitimation de l enveloppe-réponse et vérifie si la carte porte la signature de l électeur ou de l électrice, mais il n est pas précisé que ce groupe va vérifier qu il s agit bien de la signature de l électeur ou de l électrice: il se peut très bien qu il s agisse d une autre personne! Vu que le bureau de vote ne dispose pas des signatures modèles des électrices et des électeurs, le bureau peut simplement éliminer les votes provenant de cartes de légitimation sans

35 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 477 Bitte umblättern!

36 Juni 2011 Morgen Erziehung Dritte Sitzung Mittwoch, 8. Juni 2011, 9.00 Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 154 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Peter Flück, Tomas Fuchs, Christine Häsler, Natalie Imboden, Silvia Lüthi, Corrado Pardini. Präsident. Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich heisse unseren Erziehungsdirektor herzlich willkommen. Wir behandeln heute die Geschäfte der Erziehungsdirektion und fangen mit dem Musikschulgesetz an. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nehmen und sich bei den Diskussionen auf Flüsterlautstärke einigen können, oder aber guten Lesestoff zur Hand nehmen; dann wird es auch etwas ruhiger. Es ist eben so eine Sache, ob man gleichzeitig lesen und zuhören kann. Als ich am Swiss Economic Forum war, sagte ein Redner, dass man dies eigentlich nicht könne, man könne höchstens 1,4 Sachen gleichzeitig tun. Dies sei getestet worden, ob jung oder alt. Also, zwei Sachen gleichzeitig zu lesen, geht nicht, aber Lesen und Zuhören geht schon etwas besser. Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Thomas Rufener, herzliche Gratulation! (Applaus). Wir wünschen ihm einen wunderbaren Tag, viel Befriedigung bei der Ratstätigkeit, aber auch als Stadtpräsident von Langenthal. Geschäft Musikschulgesetz Beilage Nr. 14 Zweite Lesung Präsident. Es gibt keine Eintretensdebatte mehr. Zuerst wird die Kommissionspräsidentin noch etwas zur Arbeit der Kommission sagen. Danach gehen wir die Artikel durch. Zu Artikel 9 liegt ein Antrag vor. Bettina Keller, Bern (Grüne), Präsidentin der Kommission. Ich möchte Ihnen noch über unsere Kommissionssitzung berichten. Sie wiesen ja vier Änderungsanträge in die Kommission zurück. Diese behandelten wir am 11. April. Die Vorlage, die Sie nun vor sich haben, sieht so aus, als hätten wir gar nichts mehr gemacht; aber wir arbeiteten noch daran! Zum Thema obere Altersgrenze des subventionierten Musikunterrichts gab es zwei Anträge. Der erste Antrag, der verlangte, dass die obere Altersgrenze 16 Jahre sei, wurde einstimmig abgelehnt. Darüber brauche ich weiter nichts zu berichten. Über den zweiten Antrag, der als obere Altersgrenze das Ende der Ausbildung auf Sekstufe II verlangte, möchte ich etwas mehr sagen, denn er liegt nahe am Antrag, den wir heute auch noch besprechen werden. Vielleicht können wir da etwas Zeit sparen. Die wichtigsten Argumente zum Thema des Antrags waren folgende: Es gibt wenige Schülerinnen und Schüler an den Musikschulen, die nach der Ausbildung auf Sekstufe II noch den Unterricht besuchen. An den meisten Musikschulen des Kantons sind dies zwei bis drei Prozent. Nur am Konservatorium Bern sind es sechs Prozent. Das Konservatorium hat Zentrumsfunktion, die PH und die Universität sind in der Nähe, und das Konservatorium bietet auch die Vorbereitung für das Musikstudium an der Hochschule der Künste an. Deshalb sind es hier eindeutig mehr Leute, die nach der Ausbildung Sekstufe II noch in den Musikunterricht gehen. Es handelt sich hier um überdurchschnittlich engagierte und motivierte junge Leute. Sie alle sind in Jugendorchestern, Blasmusiken oder in Chören engagiert und tragen dort auch dazu bei, dass die wichtigen kulturellen Stätten für Laien leben. Zur Studienvorbereitung wurde auch gesagt, dass heute kaum jemand nahtlos den Übergang von der gymnasialen Matur ins Musikstudium schafft, und dass die meisten ein oder sogar zwei Jahre lang intensive Vorbereitung an der Musikschule und meistens am Konservatorium brauchen. Das Sparpotential bei diesem Antrag wäre etwa Franken bei Kanton und Gemeinden. Er wurde mit 3 zu 12 Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt. Ein weiterer Antrag zu Artikel 13 wurde ebenfalls in die Kommission zurückgenommen. Dort ging es um weitere Beiträge, die gesprochen werden könnten. Der Antrag verlangte, dass die allfälligen weiteren Beiträge ausschliesslich für kantonale Blasmusik- und Gesangsorganisationen verwendet werden. Dieser Antrag wurde mit 5 zu 11 Stimmen abgelehnt, mit dem Argument, man solle ihn nicht zu eng formulieren, sondern die möglichen Beiträge für verschiedene Projekte offen lassen. Ein vierter Antrag wurde zu Artikel 16, Absatz 4 gestellt. Dort ging es darum, ob die allfällige Plafonierung, die der Kanton festlegen kann, nicht besser durch den Grossen Rat statt durch den Regierungsrat bestimmt würde. Auch dieser Antrag wurde mit 5 zu 11 Stimmen abgelehnt. Sie haben deshalb heute eine Version vor sich, die mit der Version aus der ersten Lesung identisch ist. Ich möchte an dieser Stelle der Erziehungsdirektion für die gute Vorbereitung des Musikschulgesetzes und für die fundierten Informationen, die uns die Kommissionsarbeit sehr erleichterten, herzlich danken! Detailberatung Art. 1 8 Angenommen Art. 9 Abs. 1 Antrag Kohler, Uetendorf (BDP) bis zum vollendeten 20. Alterjahr. (Rest des Satzes streichen) Mathias Kohler, Uetendorf (BDP). In der Märzsession gingen vier Anträge ein. Sie wurden nicht diskutiert, sondern in die Kommission zurückgenommen. Es wurde ein Kompromiss in Aussicht gestellt. Wir hatten eine untere Grenze von vierjährig, Kindergarten, bis erste Klasse; und eine Austrittsgrenze von 16, 20 oder 25 Jahren. Wenn ich nun wieder denselben Artikel wie im März sehe, so ist dies für mich kein Kompromiss. Ich möchte sicher niemandem etwas wegnehmen. Es geht mir viel mehr um die Gerechtigkeit zwischen dem dualen und trialen System und dem gymnasialen Weg. Es wird wieder auf dem Buckel derjenigen gespart, die eine ordentliche Lehre absolvieren. Ich denke, der richtige Weg müsste derjenige sein, den die Musikschule Bern geht. Sie richtete einen Fonds ein, um die Möglichkeit zu schaffen, jungen Leuten, die weiterhin Musik betreiben wollen, dies zu ermöglichen. Es geht mir nun auch nicht mehr ums Sparen; wenn wir hätten sparen wollen, so hätten wir die Begrenzung auf 16 Jahre legen müssen. Wenn wir diese Vorlage unseren Wählern vorlegen müssten, so weiss ich nicht, ob sie mit 80 zu 20 Prozent durchkommen würde. Meine Wähler finden eine Begrenzung auf 20 Jahre angemessen. Deshalb halte ich an meinem Antrag fest. Daniel Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP). Die EVP- Fraktion lehnt den Antrag Kohler mehrheitlich ab. Wir sind der Meinung, dass mit der Herabsetzung der Obergrenze von

37 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 479 früher 27 auf neu 25 Jahre und der gleichzeitigen Einschränkung auf Jugendliche, die sich in Ausbildung befinden, ein verantwortungsvoller Kompromiss gefunden wurde. Dies wurde auch bestätigt. Übrigens entspricht die Altersgrenze von 25 Jahren auch der Grenze, bis wann maximal Ausbildungszulagen zwar in anderen Bereichen ausbezahlt werden. Die EVP-Fraktion lehnt es ab, hier noch einen Schritt weiter zu gehen und in allen Fällen eine Altersgrenze von 20 Jahren festzulegen. Ein fixes Festsetzen der Altersgrenze bei 20 Jahren hätte Folgen, die weit über die eingesparten Mittel von bis Franken hinausgehen würden. Gerade Orchester mit einem hohen Anteil an Jugendlichen oder Jugendmusiken wären in ihrer Existenz bedroht. Etliche begabte Musikschüler in Ausbildung, aber mit knappen finanziellen Mitteln würden den Musikschulunterricht wohl aufgeben, weil sie nicht mehr unterstützt würden. Dies hätte unter Umständen auch Auswirkungen auf normale Orchester es könnte ihnen nämlich ein Teil des Nachwuchses abhanden kommen. Ein weiterer Punkt: Personen zwischen 20 und 25 Jahren, die sich in Ausbildung befinden und den Musikschulunterricht besuchen, sind meistens oder wahrscheinlich immer motivierte junge Musiker, die weiterkommen wollen und auch entsprechend engagiert sind. Dies könnten beispielsweise Gymnasiasten mit Schwerpunktfach Musik sein, die später ein Studium an der Hochschule für Künste anfangen und dann wahrscheinlich als Musiklehrkräfte tätig sein möchten. Es könnten aber auch andere motivierte Jugendliche sein, die später in einem Orchester zu Stützen werden oder die in anderen Musikvereinen aktiv sein werden. Eine fixe Altersgrenze bei 20 Jahren würde gerade die am meisten Motivierten treffen; nicht solche, die wegen der Eltern den Musikschulunterricht besuchen müssen, sondern solche, die dies selber wollen, die aber Unterstützung brauchen. Der letzte Punkt: Bernhard Antener betonte in der Kommission, dass wirklich nur Jugendliche zwischen 20 und 25 Jahren in den Genuss der Unterstützung kommen, die es wirklich nötig haben. Der Verband der Berner Musikschulen stellt mit einer Richtlinie sicher, dass nur diejenigen, die ein Einkommen von weniger als 1500 Franken monatlich haben, unterstützt werden. Es geht also nicht um die Finanzierung eines teuren Hobbys oder von Leuten, die es nicht nötig haben, sondern es werden wirklich Talente gefördert, die es nötig haben. Ich fasse zusammen: Ein Herabsetzen der oberen Altersgrenze auf 20 Jahre hätte zwar einen Spareffekt von bis Franken zur Folge. Es müsste aber davon ausgegangen werden, dass der kulturelle und gesellschaftliche Nutzen, der durch diese Sparmassnahme verloren ginge, mehrfach höher wäre als der Spareffekt. Béatrice Stucki, Bern (SP). Wie die Kommissionspräsidentin soeben darlegte, diskutierte die vorberatende Kommission die obere Altersgrenze für die Subventionierungs- Berechtigung ausführlich und kam mit einer grossen Mehrheit zum Schluss, dass das Alter von 25 Jahren stimmt. Wir mussten gar keine Kompromisse schliessen. Es geht hier um eine Kosten-Nutzen-Beurteilung. Für die SP-JUSO-PSA- Fraktion ist klar, dass der Schaden grösser wäre als der Nutzen, wenn wir das Alter wieder herunterschrauben würden. Nur etwa zwei bis vier Prozent der Musikschülerinnen und - schüler sind zwischen 20 und 27 Jahre alt, was die heutige Alterslimite ist. Der Spareffekt ist also tatsächlich gering. Ich war auch froh, zu hören, dass es nicht eigentlich ums Sparen geht. Der Nutzen der Alterslimite von 25 Jahren ist aber gross. Dorfmusiken, Combos usw. können von gut ausgebildeten Musikerinnen und Musikern profitieren. Ohne entsprechende Vorschulung ist es praktisch unmöglich, die Aufnahme an die Hochschule der Künste für ein Musikstudium zu schaffen. Es geht hier also auch um Nachwuchsförderung, um Chancengleichheit. Der Zugang zu einer höheren Musikausbildung soll allen möglich sein, nicht nur denen, die Privatstunden bezahlen oder eben Musikschulgebühren übernehmen können. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion lehnt deshalb den Antrag ab. Wir unterstützen weiterhin den Antrag von Regierungsrat und Kommission mit einer Altersgrenze von 25 Jahren. Corinne Debora Schärer, Bern (Grüne). Die Grünen lehnen den Antrag von Mathias Kohler ab. Das ist sicher nicht überraschend, aber wir haben auch gute Gründe dafür. Sachlich ist der Antrag nicht sinnvoll. Das wurde auch schon in der Kommission zum Ausdruck gebracht, wie Bettina Keller vorhin erläuterte. Mathias Kohler möchte die Altersgrenze für Subventionen auf 20 Jahre herabsetzen. Diese Grenze liegt heute bei 27 Jahren, und beim neuen Musikschulgesetz, also der vorliegenden Version von Regierungsrat und Kommission würde diese Grenze um zwei Jahre, also auf 25 Jahre, gesenkt. Damit ergibt sich eine kleine Änderung gegenüber heute, und wir möchten es bei dieser Änderung belassen. Das Musikschulgesetz ist ja nicht ein Gesetz, das Einschränkungen machen soll, sondern es wurde für die Überführung des Dekrets in ein Gesetz geschaffen, und um dieses neu und gut zu ordnen. Eine Begrenzung auf 20 Jahre hätte ungewollte Auswirkungen. Jugendliche, die heute in den Genuss kommen, sind aktiv in Orchestern und Vereinen. Das ist wichtig für unsere Gesellschaft. Es sind auch Jugendliche und junge Erwachsene, die in Symphonieorchestern spielen und die als Nachwuchs wichtig sind. A propos: Es ist auch wichtig für den Nachwuchs der Hochschule für Künste. Warum dies? Wer an der Hochschule für Künste studieren will, muss nach der Matur einen Vorkurs besuchen und während dieser Zeit intensiv üben. Sonst hat man keine Chancen, musikalisch weiter zu kommen und die hohen Anforderungen zu erfüllen. Eine Altersgrenze von 20 Jahren würde hier ein grosses Hindernis darstellen und auch das Erblühen von Schweizer Talenten erschweren oder sogar verhindern. Last but not least: Wenn Jugendliche mehr als 1500 Franken verdienen, bekommen sie gar keine Subventionen. Es ist also kein Luxus, sondern nur für diejenigen Jugendlichen gedacht, die auf die Subventionen angewiesen sind, damit sie ihre musikalische Entwicklung weiterhin verfolgen können. Deshalb ist die Altersgrenze eine sinnvolle und vernünftige Regelung. Ich bitte Sie, den Antrag von Mathias Kohler abzulehnen und hier ein Zeichen zu setzen für junge Erwachsene, die sich musikalisch entwickeln wollen und dies auch tun können sollen. Ueli Spring, Lyss (BDP). Ich bedanke mich hier noch für die ausführlichen Diskussionen in der Kommission, ebenso für die guten Unterlagen, die wir zur Verfügung hatten und für die interessanten Ausführungen. Grossrat Daniel Steiner legte bereits dar, wieso die Kommission zu diesem Schluss kam. Es geht gerade bei den Musikgesellschaften auf dem Land, bei den Gesangsvereinen, darum, dass junge Talente, die weiterkommen, vielleicht auch eine Dirigentenausbildung machen wollen, nicht gehemmt werden. Dies ist die Elite der Gesellschaft, und diejenigen in Zweitausbildung sollten weiterhin die Möglichkeit haben, Beiträge zu bekommen. Ein weiterer interessanter Punkt ist auch, dass gerade beim Armeespiel Leute, die den Eintritt schaffen, weiterhin Musikschulen besuchen müssen, um mithalten zu können und ihr Talent weiterhin zu verfeinern. Es wurde von verschiedener Seite gesagt, dass es bei den Fachhochschulen heute viele Nicht-Berner gibt. Wenn wir diese auch noch verlieren wollen, so würde der Antrag dies noch fördern. Im Vorfeld hörte ich oft, dass die Eltern schon heute für sportliche Aktivitäten viel

38 Juni 2011 Morgen Erziehung bezahlen und zum Teil auch keine Subventionen erhalten. Aber dort ist natürlich die Subventionierung durch andere Sponsoren viel einfacher als hier. Die beiden Gebiete sollen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir werden nächstens auch das kantonale Sportförderungsgesetz beraten, und es wird interessant sein, zu sehen, ob es dort auch Sparübungen geben wird. Zum Thema Interessenbindung möchte ich doch noch sagen, dass ich zusammen mit zwei Ratskollegen und einer ehemaligen Grossratskollegin im Vorstand der Bernischen Musikschulen bin, und wir bilden zusammen den Kern, der die Politik vertritt. Im Namen der BDP-Fraktion möchte ich Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Manfred Bühler, Cortébert (UDC). Je pourrai être relativement bref. Le groupe UDC vous propose aussi de rejeter cet amendement, ceci pour les diverses raisons qui ont déjà été évoquées par les personnes qui ont pu s exprimer avant moi. Fondamentalement, on pourrait imaginer faire quelques économies quelques centaines de milliers de francs, ce qui ne serait en soi pas négligeable dans la période de finances plutôt difficile que nous traversons et que nous abordons mais cette petite économie risque finalement d avoir des conséquences beaucoup plus graves en terme de motivation, par rapport notamment aux jeunes personnes qui fréquentent encore les cours des écoles de musique entre 20 et 25 ans. On pense encore non seulement aux personnes qui vont être directeur ou directrice d un chœur, mais aussi aux personnes qui dans l avenir peuvent prendre la relève des enseignants dans les écoles de musique: il s agit là aussi d assurer un renouvellement adéquat et de ne pas démotiver ces gens. Pour toutes ces raisons et toutes celles qui ont été invoquées plus haut et que je ne veux pas répéter, l UDC va rejeter clairement cet amendement. Stefan Oester, Belp (EDU). Die EDU-Fraktion unterstützt den Antrag Kohler. Die Argumente wurden bereits erläutert, und ich möchte dort weiterfahren, wo Mathias Kohler auf die Ungleichheit zwischen denen, die eine Berufslehre absolvieren und denen, die studieren, hinwies. Im Weiteren denke ich, dass im Alter von 20 Jahren jeder selbständig genug ist und auf eigenen Beinen stehen kann, um sich den Unterricht zu leisten. Wir unterstützen den Antrag Kohler. Tanja Sollberger, Bern (glp). Viele Argumente wurden schon vorgebracht. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen 20 und 25 Jahren, bei denen man sparen will, ist sehr klein. Es geht aber um einen sehr wichtigen Anteil, denn es sind meist sehr motivierte und begabte Musikerinnen und Musiker. Häufig spielen diese in Orchestern eine tragende Rolle oder haben das Ziel, ein Musikstudium zu machen. Es ist schade, viel Geld in die Musikausbildung zu investieren und dann die begabten Schülerinnen und Schüler in einer entscheidenden Phase nicht mehr zu unterstützen. Wir lehnen den Antrag von Herrn Kohler klar ab. Corinne Schmidhauser, Bremgarten (FDP). Die musikalische Ausbildung ist der FDP wichtig, das ist keine Frage. Trotzdem stellten auch wir uns die Frage, ob es mit dem Abschluss der Sekstufe II nicht reichen würde, und ob die Gleichberechtigung mit anderen Ausbildungen, gerade auch mit dem Sport, doch nicht gegeben sei. In der Kommission wurde lange diskutiert, und die Abklärungen, die getroffen wurden, überzeugten uns. Der zeitliche Übergang vom Jugend- ins Erwachsenen-Orchester ist anders als im Sport. Es gibt eine Lücke, gerade auch beim Übergang zur Hochschule der Künste. Es ist auch so, dass die Scharnierfunktion zwischen den Jugend- und den Erwachsenen-Orchestern erhalten bleiben muss; sie muss da sein, und sie ist genau in dieser Zeit wichtig. Wir sprechen hier von Leuten, die Unterstützung brauchen, und die diese tatsächlich nur dann bekommen, wenn sie noch in Ausbildung sind. Es ist wichtig, diesen Artikel zu unterstützen. Nicht zuletzt müssen wir auch die Relationen wahren. Wir sprechen von einem Sparpotential von Franken. Der FDP scheint der finanziell mögliche «Gewinn» einer solchen Begrenzung nicht im Verhältnis zum Verlust an Bindung und Konstanz in der musikalischen Ausbildung zu stehen. Noch etwas Praktisches an Herrn Kohler: Die Begrenzung nach Alter würden wir in jedem Fall ablehnen, wir finden sie ungeschickt. Wenn schon, müsste sie an den Abschluss der schulischen Ausbildung geknüpft sein. Sie verkennen nämlich, dass schon heute in jeder Schulklasse mindestens zwei Jahrgänge sind. Dies bedeutet, dass es hier zu einer willkürlichen Benachteiligung käme, die niemandem dienen würde. So oder anders: Die FDP-Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Fritz Ruchti, Seewil (SVP). In Artikel 9 des Musikschulgesetzes geht es um die Altersbegrenzung. Was bedeutet dies für die Kultur des Kantons Bern? Nehmen wir einmal an, dass Sie im Stadttheater eine Oper besuchen. Wir, und auch die Stadt Bern, wollen beim Stadttheater Kosten sparen. Wir wollen auch, dass ein Opernbesuch für die Bevölkerung erschwinglich ist. Dann müssen halt nicht nur profimässige Musikantinnen und Musikanten im Orchester sein, sondern es muss halt auch einmal jemand, der noch in Ausbildung ist, der aber das Metier beherrscht, die erste Geige, Violine, oder was auch immer, spielen. Dort können Sie nicht einfach einen Laienmusikanten oder eine Musikantin hinstellen, sonst geht niemand mehr in die Oper, wenn es wie ein «Katzentheater» tönt. Das ist der eine Grund. Ich bin, wie Ueli Spring, im Vorstand der Musikkommission des Kantons Bern, in die ich vor langer Zeit von der SVP-Fraktion delegiert wurde, weil ich noch heute aktiver Musikant bin. Es ist auch so, dass wir Leute brauchen, die eine Gesangsausbildung machen, und die daneben noch in Ausbildung sind, sei dies im musikalischen oder auch in einem anderen Bereich. Es kann ja nicht sein, dass man von jungen Leuten in Ausbildung, die die finanziellen Mittel nicht haben, verlangt, dass sie alles bezahlen müssen. Es ist ja kein Blankoscheck, sondern sie müssen auch einen eigenen Beitrag leisten. Ich bin ich froh, dass ich Ihnen sagen darf, dass ich den Antrag der BDP ablehne und denjenigen der Kommission unterstütze. Dies ist auch die Haltung der Mehrheit der SVP- Kommissionsmitglieder. Ich hoffe, dass Sie dem Antrag der Kommission auch zustimmen wir tun damit wirklich etwas für den professionellen kulturellen Bereich. Wenn wir sehen, was momentan in den Brass Bands läuft, d. h. wenn wir die Ausbildung der Engländer mit derjenigen der Schweizer vergleichen, so haben wir grossen Nachholbedarf. Es kann ja sein, dass der eine oder andere Student sich musikalisch weiterbilden will und vielleicht irgendwann auch einmal in der Royal Hall of London an einem Konzert mitmachen kann. Deshalb brauchen wir diesen Ausbildungsbeitrag. Präsident. Wir sind am Ende der Diskussion. Die Kommissionspräsidentin verzichtet auf ein Schlussvotum. Mathias Kohler, Uetendorf (BDP). Ich wollte eigentlich nichts mehr sagen, aber ich mag den Musikanten die Lobby hier im Rat gönnen; herzliche Gratulation. Mich überzeugte die Diskussion nicht ich muss meine Wähler vertreten und bleibe dabei. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Kurz zur Erinnerung: Das Musikschulgesetz ist eine Festschreibung des heutigen Zustandes der Musikschulen. Unsere Absicht war es nicht,

39 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 481 Leistungsabbau im Bereich der Musikschulen zu machen. Bei der ersten Lesung sagte ich, dass die Musikschulen in unserem Kanton sehr gut positioniert sind und dass wir auf sie stolz sein können. Mit diesem Gesetz wollen wir an dieser Grundlage an sich nichts ändern. Das Konzept des Regierungsrats war es, in einem Punkt eine Veränderung im Umfang des Angebots zu machen, nämlich die Altersgrenze von 27 auf 25 Jahre zu senken. Diese Altersgrenze besteht auch sonst in der Bildungsgesetzgebung, und es bedeutet, dass in Zukunft diejenigen, die zwischen 20 und 25 Jahre alt sind, unterstützt werden, aber nur dann, wenn sie in Ausbildung sind. Nach 25 Jahren bekommt man keine Unterstützung mehr. Es liegt in der Natur der Sache, dass diejenigen, die im Alter zwischen 20 und 25 Jahren in Ausbildung sind, tendenziell an einer Hochschule sind, und vielleicht gerade in Bern eine Musikschule besuchen. Deshalb sind viele von diesen Leuten auch am Konservatorium Bern, aber nicht nur dort. Es gibt auch in den Musikschulen der Landregionen ohne weiteres Schülerinnen und Schüler zwischen 20 und 25, die noch in Ausbildung sind. Hier ist es wichtig zu wissen und dies ist auch der Grund, weshalb man diese Altersgrenze nicht noch tiefer als 25 Jahre senken wollte dass Jugendliche zwischen 20 und 25 Jahren, die weiterhin eine Musikschul- Ausbildung mitmachen, Leute sind, die ein Ziel haben und die besonders engagiert sind. Und Achtung: Diese jungen Leute sind oft wichtige Stützen in Musikgesellschaften, Jugend- Symphonieorchestern, nicht nur in Bern, sondern in allen Regionen. Wenn wir nun dort abbauen das hörten wir von vielen Musikgesellschaften, aber auch von Musikschulen so haben wir ein Risiko, das nicht ganz abschätzbar ist, nämlich die Schwächung dieser Musikgesellschaften und Jugend- Symphonieorchester. Die Einsparung ist, wie erwähnt, nicht enorm. Wir schätzen, dass mit der Annahme des Antrags Kohler Einsparungen von ungefähr einer halben Million Franken gemacht werden könnten. Der Regierungsrat möchte bei seinem Konzept bleiben, die Senkung von 27 auf 25 Jahre vornehmen, aber nicht tiefer gehen und damit, wie die meisten Fraktionen, den Antrag ablehnen. Präsident. Wir stimmen über den Antrag Kohler zu Artikel 9, Absatz 1 ab. Abstimmung Geschäft Für den Antrag Kohler Dagegen Art. 9 Abs 2, Art Angenommen Titel und Ingress Angenommen Kein Rückkommen 19 Stimmen 118 Stimmen 2 Enthaltungen Schlussabstimmung Geschäft Für Annahme des Gesetzes in zweiter Lesung 133 Stimmen Dagegen 2 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Damit ist das Geschäft behandelt. Ich danke der Kommissionspräsidentin herzlich für den geleisteten Einsatz in den zwei Lesungen und in der Kommission. Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Universität Bern Elisabeth Hufschmid, Biel (SP), Sprecherin der Oberaufsichtskommission. Ich spreche gleichzeitig zu allen Geschäfts- und Rechenschaftsberichten, Traktanden 18 bis 23, mit Ausnahme von Traktandum 21, zu dem sich Herr Jean- Pierre Aellen äussern wird. Normalerweise geben die nachfolgend traktandierten Geschäfte keinen Anlass zu Diskussionen im Grossen Rat. Ich erlaube mir trotzdem einige einleitende Bemerkungen. Sollte ein Bericht bestritten werden, so werden die Sprecherinnen und Sprecher gemäss Traktandenliste und/oder der Erziehungsdirektor Stellung beziehen. In den Berichten der Universität Bern, der BFH und der PH Bern werden zentrale Aspekte wie die Erreichung von Zielsetzungen, Finanzierung und das Thema «Weitere Ressourcen» Personal nur gestreift. Für die Wahrnehmung der Oberaufsicht reicht es aber nicht, einen Bericht mit einer Aufzählung von stattgefundenen Tätigkeiten zu füllen. Aus diesem Grund bereitete die OAK einen Katalog mit 47 Fragen vor und lud eine Delegation der Erziehungsdirektion zu einer Sitzung am 3. Mai 2011 für die Beantwortung dieser Fragen ein. Die Delegation bestand aus Herrn Regierungsrat Bernhard Pulver, dem Generalsekretär der Erziehungsdirektion, Herrn Robert Furrer und dem Vorsteher des Amtes für Hochschulen, Herrn Jakob Locher. Der Erziehungsdirektor zeigte sich ob der Menge der Fragen leicht irritiert und bemängelte, dass die Fragen erst eine Woche vor der Sitzung, also am 26. April eintrafen. Wo der Fragenkatalog stecken blieb, entzieht sich meiner Kenntnis. Der Ausschuss STA / ERZ bereinigte die Fragen an seiner Sitzung vom 30. März und übermittelte sie spätestens am 1. April der Erziehungsdirektion. Aus zeitlichen Gründen einigten sich der Erziehungsdirektor, der die Sitzung früher verlassen musste, und die Ausschussmitglieder auf eine Auswahl von Fragen. Die offenen Fragen wurden innerhalb einer Woche von der Erziehungsdirektion schriftlich beantwortet. Für das Dokument, das die bereits gestellten Fragen und erfolgten Antworten beinhaltet, bedanken wir uns herzlich. Ich erlaube mir (Die Rednerin unterbricht sich, da im Saal ein hoher Lärmpegel herrscht) Ich kann so nicht sprechen! Ich erlaube mir, aus dem Begleitbrief zwei Aussagen des Erziehungsdirektors zu zitieren. Erstes Zitat: «Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen für den Hochschulstandort Bern ist es der Erziehungsdirektion ein grosses Anliegen, die OAK umfassend über die Entwicklungen im Hochschulbereich zu informieren». Zweites Zitat: «Mit dem Beitragssystem wird auch die bisherige Berichterstattung der Hochschulen neu gestaltet». Ich werde nun nicht alle 47 Fragen und Antworten vorlesen, sondern nur eine kleine Auswahl. Erstens, Universität Bern, Finanzen: Die Zahl der Studierenden erhöhte sich in den Jahren 2000 bis 2010 von circa 9500 auf circa Der Beitrag des Trägerkantons stieg im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent, weshalb die Einwerbung von Drittmitteln immer wichtiger wurde. Im Rahmen der Budgetverhandlungen vom 26. Mai 2010 wurde der Universität Bern eine Erhöhung des Kantonsbeitrages zugestanden. Nur mit dieser Erhöhung kann die Universität ihren laufenden Leistungsauftrag erfüllen. Zweitens, Berner Fachhochschule BFH: Die Akkreditierung des Master-Angebotes erfolgte nicht wie geplant bei allen Studiengängen. Ebenso wurde der ambitiöse Zielwert betreffend Frauen-/Männeranteilen bei den Studierenden in spezifischen Studiengängen in der Berichtsperiode noch nicht erreicht. Warum braucht es überhaupt zwei Hochschulen, die Universität und die BFH? Sie haben unterschiedliche Aufträge und unterschiedliche Zugänge zum Studium. Bei der Uni-

40 Juni 2011 Morgen Erziehung versität folgt der gymnasialen Maturität mit viel Allgemeinbildung die Grundlagenforschung. Der Zugang zur BFH geschieht über die Berufsmatur. Die BFH ist eine Weiterführung der Berufsbildung. Hier ein Zitat des Regierungsrates zum Thema Zusammenarbeit der beiden Hochschulen: «Die Universität Bern und die BFH pflegen seit mehreren Jahren eine Zusammenarbeit in diversen Bereichen. Bereits heute bestehen punktuelle Vereinbarungen, so zum Beispiel über die Zusammenarbeit im spezialisierten Masterstudiengang Biomedical Engineering sowie zwischen der Hochschule der Künste und der Philosophisch-Historischen Fakultät. Mit der neu abgeschlossenen Rahmenvereinbarung streben die Universität und die BFH eine Erweiterung ihrer Zusammenarbeit an. Dies insbesondere in Lehre, Forschung und Entwicklung, im Wissen um Technologietransfer und bei der Infrastruktur». Zum Ingenieurmangel: Der Regierungsrat teilt die Ansicht der OAK, dass eine Sensibilisierung für ein technisches Studium bereits in der Volksschule sinnvoll wäre. Zur Personalentwicklung und vermehrter Autonomie: Die BFH strebt die Einführung einer zielgerichteten Personalentwicklung an. Mit der Teilrevision des Universitätsgesetzes und der darin enthaltenen Änderungen des Fachhochschulgesetzes wurde ein grosser Schritt in Richtung vermehrter Autonomie gemacht. Und zur PH Bern, Thema Lehrermangel: Im Bericht 2010 steht, dass im Kanton Bern kein Lehrermangel besteht, höchstens eine gewisse Knappheit, speziell auf Sekstufe I. Prognosen für einen Lehrermangel oder -überfluss in den kommenden Jahren? Die Pensionierungen werden von 144 im Jahr 2011 auf 708 im Jahr 2021 zunehmen. Die Neueintritte an der PH reichen nicht, um die Pensionierungen wettzumachen. Abwanderung: In Zürich sind die Einstiegslöhne in der Volksschule Franken höher als im Kanton Bern. Drittens, Variierende Schülerzahlen können zu mehr oder weniger Lektionen führen. Vielleicht wird der Beruf wieder attraktiver. Die Anerkennung des Berufsstandes nahm wieder zu; die Anmeldungen bei der PH steigen, ebenso bei der HEP BEJUNE. Mit verbesserten Anstellungsbedingungen könnte der drohenden Lehrerknappheit begegnet werden. Fünftens, zum Rechenschaftsbericht der HEP BEJUNE: Die künftige Organisation dieser relativ kleinen pädagogischen Hochschule mit drei Standorten und etwa 500 Studierenden ist noch nicht geklärt. Was die Reduktion der Standorte anbetrifft, so konnte noch kein Entscheid gefällt werden. Der eigentliche Produktanteil der HEP BEJUNE besteht aus fünf Plattformen, nämlich Plattform 1, Grundausbildung für die Vorschule und Primarstufe; Plattform 2, Grundausbildung für die Sekundarstufe I und II; Plattform 3, Fort- und Weiterbildung; Plattform 4, Dokumentation und Multimedia; Plattform 5, Forschung. Nun möchte ich Herrn Jean-Pierre Aellen das Wort übergeben. Jean-Pierre Aellen, Tavannes (PSA). Je parlerai précisément de la HES-SO qui est formée par les cantons de Genève, Vaud, Valais, Fribourg, Neuchâtel, Jura et Berne. Les trois derniers nommés, à savoir Neuchâtel, Jura et Berne, se sont regroupés afin d avoir la masse critique suffisante face aux autres cantons romands et forment la HE-Arc. Le rapport d information 2009 est le deuxième de la période du plan financier et de développement Ce rapport a été complété par des considérations politiques en lien avec le développement de l avant-projet de la HES-SO et les positions exprimées par le Conseil-exécutif lors des procédures de consultation de l avant-projet. Quatre points principaux en forment l ossature. Premièrement, les axes stratégiques des activités de la HES-SO sont répartis près des structures économiques, socio-sanitaires et culturelles de Suisse occidentale. Les points-clés à retenir sont les suivants: mise en œuvre d une nouvelle convention HES-SO, organisation de l enseignement selon le modèle de Bologne, renforcement du système financier et du dispositif budgétaire. Rassembler les énergies en positionnement clairement de chacun des sites d activité, en concentrant les compétences-clés, en impliquant les étudiantes et les étudiants et le personnel et en démultipliant ses prestations: telle est l intention stratégique majeure et permanente de la Haute école. Deuxièmement, objectif fixé par la Confédération et réalisation fin 2009: à ce jour, toutes les filières offertes répondent aux normes du modèle de Bologne, les filières de masters et du domaine musique ont été toutes soumises à accréditation. La HES-SO a obtenu d importants projets dans le 7 e programme-cadre européen et, pour le canton, le regroupement des filières ingénierie HE-Arc a été exécuté. Troisièmement, l évolution des effectifs des étudiantes et des étudiants le tableau 2 du rapport montre une évolution réjouissante, puisqu en bachelor, on remarque une augmentation de 1572 étudiants, alors qu en master, la diminution est de 46 par rapport à l année précédente. Les effectifs réels de la HES- SO sont supérieurs à Quatrièmement, l objectif de développement de la HES-SO le tableau 3 montre également qu une majorité des objectifs 2009 ont été réalisés. On remarque que le volume financier est supérieur, en raison de l augmentation des taxes et non du nombre d étudiants. L amélioration de la performance auprès des fonds de recherche externes, l accréditation des nouvelles filières dans le domaine du tourisme, ingénieur en design et ingénieur de gestion. Enfin, concernant la nouvelle Convention unique de la HES-SO, le canton de Berne a obtenu, avec ses partenaires de la HE-Arc, de pouvoir s acquitter ensemble d une seule part de codécision, au lieu de trois comme jusqu ici. La charge financière des trois cantons sera allégée de l ordre de 3,5 millions. Pour 2010, la concrétisation des objectifs 2009 s est poursuivie. La nouvelle Convention sur la HES-SO a été le sujet principal qui a accompagné la commission interparlementaire durant toute l année. Le projet a avancé à petits pas, et c est en 2011, c est-à-dire cette année, qu il sera finalisé. Präsident. Frau Grossrätin Hufschmid macht noch eine Ergänzung. Danach gehen wir die Berichte einzeln durch, weil es zu zwei Berichten schon Wortmeldungen gibt. Elisabeth Hufschmid, Biel (SP). Danke, dass ich nochmals sprechen darf. Ich werde mich anschliessend zu den einzelnen Berichten nicht mehr äussern. Sehr geehrter Herr Erziehungsdirektor, auch wenn die OAK manchmal kritische Bemerkungen macht und viele Fragen stellt, ist sie sich doch sehr wohl bewusst, welch grosse und sicher auch mühselige Arbeit hinter dem Verfassen dieser Berichte steckt. Ich bitte Sie, Ihren Mitarbeitenden unseren besten Dank dafür auszusprechen. Wir hoffen weiterhin auf offene und konstruktive Gespräche mit Ihrer Direktion. Ich bedanke mich auch bei den Sekretären der OAK, den Herren Christian Moser und Benjamin Adler, die uns durch die grossen Geschäfte begleiteten. Liebe Grossrätinnen und Grossräte, die OAK beantragt Ihnen einstimmig, die folgenden Geschäfts- und Rechenschaftsberichte zur Kenntnis zu nehmen: Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Universität Bern; Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Berner Fachhochschule (BFH); Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Pädagogischen Hochschule Bern (PH Bern); Geschäft : Rechenschaftsbericht 2009 der Strategischen Ausschüsse der Fachhochschule Westschweiz (FH-WCH/HES-SO) an die Mitglieder der Interparlamentarischen Aufsichtskommission (IPK); Jahresrechnung 2009; Finanzplanung und provisori-

41 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 483 sche Budgets 2011; Geschäft Jahresbericht 2010 der Interparlamentarischen Aufsichtskommission über die Fachhochschulen Westschweiz und Fachhochschule Gesundheit und Soziale Arbeit (IPK FH-Westschweiz) sowie Geschäft HEP-BEJUNE, zweijähriger Rechenschaftsbericht Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Präsident. Zum Geschäftsbericht der Universität gibt es eine Wortmeldung von Grossrätin Lemann. Gibt es weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbericht der Universität? Das ist nicht der Fall. Danielle Lemann, Langnau (SP). Ich nehme den Geschäftsbericht zur Universität sehr gerne zur Kenntnis und bin stolz darauf, dass wir in Bern eine so gute Universität haben, vor allem mit dem Zentrum für nachhaltige Entwicklung, dass die Universität die Leitung des Netzwerks für Menschenrechtsfragen hat, auf die vielen Forschungserfolge und auf die grosse Zahl von Studenten. Es ist auch wesentlich, dass die Universität trotz Platzmangels 30 Medizinstudenten mehr aufnahm, um dem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken. Aber und ich nehme an, dass die meisten von Ihnen wissen, was nun kommt an keiner Stelle ist eine Professur für Hausarztmedizin erwähnt. Ich verfolge immer genau, welche neuen Professuren es gibt, und dies wurde scheinbar vergessen. Die medizinische Fakultät umfasst ja etwa 60 ordentliche Professuren für eine grosse Palette von Spezialdisziplinen, und jedes Jahr kommen neue dazu; aber keine einzige Professur für die Grundlagendisziplin unserer medizinischen Grundversorgung. Weil ich weiss, wie die Hausarzt- Professoren in Zürich und Basel den Hausärzten und der Hausarztforschung Auftrieb gaben, kann ich nicht verstehen, dass die Universität Bern ihr Institut für Hausarztmedizin, das übrigens sehr gut funktioniert, nicht mit einer Professorin oder meinetwegen mit einem Professor besetzte. Ich hoffe, dass der noch fehlende Impuls für die Hausarztmedizin in nächster Zeit noch kommen wird, sodass unsere Hausarztförderung im Kanton Bern nicht nur aus leeren Worten besteht. Präsident. Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass der Geschäftsbericht 2010 der Universität Bern stillschweigend zur Kenntnis genommen wurde. Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Berner Fachhochschule (BFH) Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft Geschäftsbericht 2010 der Pädagogischen Hochschule Bern (PH Bern) Eva Baltensperger, Zollikofen (SP). Die SP-JUSO-PSA- Fraktion studierte den Geschäftsbericht der PH und insbesondere das Kapitel der Kommission für Gleichstellung von Frauen und Männern. Auch wenn es um die Gleichstellung beider Geschlechter geht, so wissen wir, dass doch oft Fragen zur Besserstellung der Frau im Vordergrund stehen. Dazu zähle ich auch die ausgewogenere Vertretung in verschiedensten Berufssparten und als Schritt dazu auch den Zugang zu Ausbildungen, sowie dass die Ausbildungsgänge überhaupt beschritten werden. So kann man im Vergleich der Berichte der BFH und der PH lesen, dass die Fachhochschulen Anstrengungen unternehmen, um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Studium zu ermöglichen. Auch unsere Fraktion ist überzeugt, dass Familienaufgaben von beiden Elternteilen gleichermassen wahrgenommen werden sollten. Wir wissen aber, dass in der Praxis diese Aufgaben immer noch meistens von den Frauen wahrgenommen werden, und so werden von den Massnahmen der Fachhochschulen vor allem auch sie profitieren. Wir nehmen diese Massnahme aber auch wegen des letzten Abschnittes im entsprechenden Kapitel, das ich vorlesen möchte, wahr: «Obwohl in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt wurden, ist beispielsweise die Studienfachwahl noch immer stark geschlechtersegregiert. Zur Behebung des absehbaren Mangels an technischem Personal bleiben Aktionen wie der nationale Zukunftstag, Technikschnuppertage für Mädchen und das Doktorandinnenprojekt wichtig». Wie gesagt, nehmen wir diese Massnahme der Fachhochschule nicht nur, aber primär als Frauenförderungsmassnahme wahr. Ich komme nun zurück auf das entsprechende Kapitel im Geschäftsbericht der PH. Dort wird davon gesprochen, dass man die Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern vom Oktober 2010 nun verankern wolle. Es ist richtig, dass die Gleichstellungsfrage auch in der PH vor allem in Forschung und Lehre wichtig ist, und man muss sie im Auge behalten. Als Ausbildungsstätte unserer Lehrpersonen muss sich aber die PH ebenso um die drängende Frage kümmern, wie für die verschiedenen Lehrgänge, insbesondere für die Primarstufe, mehr Männer gewonnen werden können. Aus diesem Grunde interessierte mich die Strategie, die erwähnt wurde, besonders, und ich konnte in diesem Papier lesen, dass es eines der Ziele sei, «Massnahmen zur Erhöhung des Anteils des untervertretenen Geschlechts in den Studiengängen zu entwickeln». Leider waren dann die Punkte zur Konkretisierung nicht sehr konkret. Mit der Förderung und Unterstützung von Projekten in der Geschlechterforschung und Gender-Thematik ist es leider nicht sehr weit her. Wenn man auf der Homepage der PH nachschaut, welche Projekte zum Thema bearbeitet werden oder wurden, so stellt man fest, dass es keine gibt, die sich damit befassen, wie Männer für die Lehrgänge der PH gewonnen werden könnten. Die Arbeit der Frauenförderung hat inzwischen Tradition. Es war viele Jahre lang eine harte Arbeit, aber sie trägt nun langsam Früchte. Dagegen ist die Männerförderung nicht nur erst in den Kinderschuhen, sondern sie scheint noch nicht einmal geboren zu sein. Unsere Fraktion erachtet die Männerförderung im Lehrberuf als dringend nötig, nicht zuletzt auch mit Blick auf den sich abzeichnenden Mangel an Lehrpersonen. Auch hier die Parallele zur Fachhochschule, die mit Blick auf das fehlende Fachpersonal die Frauen fördern möchte. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion erwartet deshalb, dass die Kommission ihre eigenen Zielvorgaben engagierter verfolgt. Präsident. Das Wort wird nicht mehr verlangt. Der Bericht ist damit stillschweigend zur Kenntnis genommen. Geschäft Rechenschaftsbericht 2009 der Strategischen Ausschüsse der Fachhochschule Westschweiz (FH-WCH/HES-SO) an die Mitglieder der Interparlamentarischen Aufsichtskommission (IPK); Jahresrechnung 2009; Finanzplanung und provisorische Budgets 2011 Stillschweigende Kenntnisnahme.

42 Juni 2011 Morgen Erziehung Geschäft Jahresbericht 2010 der Interparlamentarischen Aufsichtskommission über die Fachhochschulen Westschweiz und Fachhochschule Gesundheit und Soziale Arbeit (IPK FH Westschweiz) Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft HEP-BEJUNE, zweijähriger Rechenschaftsbericht Stillschweigende Kenntnisnahme. Geschäft Fonds für kulturelle Aktionen (FKA); Jahresrechnung 2010 Beilage Nr. 13, RRB 0473/2011 Präsident. Es gibt keine Wortmeldungen zu diesem Geschäft. Wir stimmen darüber ab. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 86 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft Abgeltung an die Einwohnergemeinde Bern für die Übertragung im Bereich der Denkmalpflege; Jährlicher Beitrag Ausgabenbewilligung, neue wiederkehrende Ausgabe, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) Beilage Nr. 13, RRB 0474/2011 Antrag UDC (Struchen, Epsach) Kürzungsantrag Der Kredit ist um jährlich CHF zu kürzen Béatrice Struchen, Epsach (UDC). Le groupe UDC a déposé cet amendement, c est-à-dire une demande de réduction de francs par an, pour ce crédit versé par le canton à la ville de Berne. Le canton verse ce crédit afin que la ville remplisse les tâches dans le domaine de la protection des monuments historiques. Pourquoi l UDC a-t-elle déposé cet amendement? Ce n est en aucun cas une attaque contre la ville de Berne. On en a discuté hier, on en discutera lors des débats à venir: le canton va devoir faire des économies. Les débats sur le budget 2012 et sur le plan financier le confirmeront: nous allons devoir faire partout des coupes budgétaires. Le groupe UDC est d avis que les dépenses au niveau cantonal, en ce qui concerne la protection des monuments historiques, devront être réduites justement à cause du paquet d économies proposé par le Conseil-exécutif. C est pourquoi le montant de cette subvention versé par le canton à la ville de Berne se doit aussi d être réduit. Je vous rappelle que, par exemple, lors du débat sur le budget 2010, nous avions réduit les subventions aux gymnases privés afin de réduire l accroissement de la dette cantonale et justement parce que les gymnases cantonaux aussi doivent faire des économies. Nous sommes conscients que la somme citée ici, de francs par an, est une somme minime par rapport au budget cantonal. On le sait, les petits ruisseaux font les grandes rivières et c est pourquoi je vous demande, au nom de l UDC, d accepter notre amendement. Jakob Etter, Treiten (BDP), Sprecher der Finanzkommission. Die Denkmalpflege ist grundsätzlich Aufgabe des Kantons. In diesem speziellen Fall übernimmt die Stadt Bern einen Teil der Aufgaben, nämlich diejenigen, die sie selber betreffen. Ich darf daran erinnern, dass im Vortrag erwähnt wird, dass es in der Stadt Bern rund zweitausend Gebäude gibt, die von diesem Amt überwacht und überprüft werden müssen oder dürfen. Die Gemeinde Bern betreibt eine eigene Fachstelle für die Denkmalpflege. Sie hat 3,4 Stellen und ein Budget von 1,1 Mio. Franken. Daran bezahlt der Kanton Franken. Ich darf daran erinnern, dass die Altstadt von Bern ein Unesco-Weltkulturerbe ist. Dort besteht übrigens die Voraussetzung, dass dieses von einer eigenen Fachstelle betreut wird. Der Antrag der SVP wurde vom Ausschuss in der Finanzkommission ebenfalls gestellt. Er wurde diskutiert und mit 5 zu 8 Stimmen abgelehnt. Wir bitten Sie, den Antrag auch hier abzulehnen und der Stadt Bern die Abgeltung der Franken pro Jahr zu gewährleisten. Wenn der Kanton diese Aufgaben selber übernehmen müsste, so käme dies einiges teurer zu stehen als die Franken; es wäre rund das Vierfache. Wie gesagt, ist das Budget der Stadt Bern für dieses Amt 1,1 Mio. Franken. Wir sparen also noch Geld, indem die Stadt Bern die Aufgabe übernimmt. Und, wie Béatrice Struchen auch sagte, ist es ein kleiner ich sage nicht lächerlicher Betrag im Budget, und ich möchte Sie im Namen der Mehrheit der Finanzkommission bitten, den Antrag der SVP abzulehnen. Patric Bhend, Thun (SP). Die SP-JUSO-PSA-Fraktion lehnt die von der SVP beantragte Kürzung einstimmig ab. Die Stadt Bern übernimmt in der Denkmalpflege Aufgaben des Kantons. Weil dieser die Aufgabe delegierte, besteht nach Art. 3, Abs. 3 des Staatsbeitragsgesetzes ein Anrecht auf Abgeltung. Die Antragstellenden liegen falsch, wenn sie mit dem Abgeltungsmechanismus der Privatschulen vergleichen. Diese übernehmen keine Aufgaben, die vom Kanton delegiert wurden, sondern stellen ein freiwillig erbrachtes Angebot, das vom Kanton Bern subventioniert wird. Dem Vortrag kann entnommen werden, dass in der Denkmalpflege der Stadt Bern eine enge Zusammenarbeit mit den Stadtbehörden nötig ist. Würde der Kanton Bern diese Aufgaben übernehmen, so könnte er diese nur mit erheblichem zusätzlichem Aufwand in gleicher Qualität bewältigen. Die Höhe der Abgeltung wurde von der Stadt Bern klar begründet und sie legt auch ihre Rechnung bei der Denkmalpflege transparent dar. Die beantragte Kürzung um Franken erscheint uns deshalb als willkürlich, und die Antragstellenden konnten die Höhe der Kürzung bis anhin auch nicht objektiv begründen. Liebe Antragstellende, wenn es Ihnen schon ums Sparen geht, was ich Ihnen auch attestiere, so überlegen Sie sich doch bitte vorher Aufwand und Ertrag solcher Bemühungen. Wenn ich nämlich davon ausgehe, dass wir in den Fraktionen, in der Finanzkommission und im Plenum insgesamt pro Mitglied ungefähr eine bezahlte Arbeitsstunde mit Ihrem Antrag verbrachten, und ich dabei die Arbeit der Verwaltung inklusive Protokoll und Druck einrechne, so sind bereits etwa Franken weg an Mehrkosten notabene wenn Ihr Antrag abgelehnt werden sollte. Mein Fazit: Sparanträge sind sicher auch dann legitim, wenn es sich um kleine Beträge handelt, aber wahrscheinlich sind nicht alle zielführend.

43 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 485 Hans Rudolf Feller, Steffisburg (FDP). Jakob Etter erklärte den Inhalt und Patrick Bhend das Wesentliche, das zu einer Ablehnung führt. Auch die FDP lehnt den Antrag auf Kürzung um Franken ab. Dieser Betrag bringt unseren Finanzhaushalt auch nicht ins Lot, und wir haben einen Vertrag zwischen dem Kanton und der Stadt. Die Stadt Bern übernimmt Aufgaben für den Kanton, und sie rechnet auch damit, dass diese wie bisher entschädigt werden. Es wäre auch unlauter, wenn man nun willkürlich Franken weniger bezahlen würde. Auf der anderen Seite ist es, wie wir hörten, für den Kanton eine günstige Lösung, und da sollten wir nicht «schmürzele». Blaise Kropf, Bern (Grüne). Auch die Grünen machen Ihnen beliebt, den Antrag abzulehnen. Wie ausgeführt wurde, geht es hier nicht um eine freiwillige Leistung des Kantons, sondern die städtische Denkmalpflege übernimmt Aufgaben, die in anderen Gemeinden vom Kanton betreut werden. Im Fall der Stadt Bern ist es so, dass der Kanton die Stadt für die Leistungen ihrer Denkmalpflege auch entsprechend entschädigt. Wie verschiedentlich erwähnt, ist es auch aus kantonaler Perspektive eine günstige Lösung. Ein weiterer Aspekt: Wir diskutieren ja nicht ein Gebiet ohne jegliche architektonische Bedeutung, sondern wir sind hier in einem Unesco- Weltkulturerbe. Wir sollten also für den Erhalt dieses architektonischen Erbes vielleicht auch eine gewisse Sensibilität haben. Dass dieses Erbe hier auch entsprechend gewürdigt wird, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Wir bitten Sie deshalb, den Antrag abzulehnen, resp. dem Kreditgeschäft, wie es der Regierungsrat vorschlägt, zuzustimmen. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Auch die EVP-Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Wir haben zwar manchmal bei der Arbeit der Denkmalpflege etwas den Eindruck, dass bei gewissen Themen über das Ziel hinausgeschossen wird und das Augenmass manchmal nicht dem entspricht, was wir uns vorstellen. Aber der vorliegende Antrag ist abzulehnen. Schon mehrmals wurde gesagt, dass die Arbeit, die von der Stadt für den Kanton erbracht wird, günstiger ist, als wenn der Kanton sie selber erbringen müsste, was die Denkmalpflege anbelangt. Wir wollen nicht, dass diese Vereinbarung gefährdet wird und der Kanton dadurch Mehrkosten übernehmen muss. Deshalb ist der Antrag abzulehnen. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Ich kam nicht nach vorne, um zu sagen, dass das Geschäft sachlich unbestritten ist und die glp den Sparantrag ablehnt. Das wäre den Weg nicht wert gewesen. Ich kam nach vorne, um zu sagen, dass ich mich im Vergleich zu gestern heute darin bestätigt sehe, dass es eben doch sinnvoll ist, einmal eine Session zum Sonderthema Finanzen zu machen. Sparanträge wie der vorliegende zeigen, wie kopflos solche Scheinoder Pseudo-Sparanträge daherkommen. Dieser Antrag ist für mich ein Musterbeispiel, wie es eben nicht gemacht werden sollte. Es enttäuscht mich auch, dass ein solcher Antrag von der Form her ich spreche gar nicht von der Sache von einer staatstragenden Partei wie der SVP kommt. Jakob Etter, Treiten (BDP). Ich setze kurz den Hut des Fraktionssprechers der BDP auf. Auch die BDP lehnt diesen Antrag einstimmig ab. Bethli Küng-Marmet, Saanen (SVP). Ich habe eine Frage an den Herrn Erziehungsdirektor. Können Sie uns hier klar Auskunft geben wenn nicht geldmässig, so wenigstens prozentmässig, um wie viel das Konto der Denkmalpflege in unserer ordentlichen Rechnung innerhalb des Sparprogramms gekürzt wird? Was tangiert es bei der Denkmalpflege an Kürzungen beim Kanton? In diesem Sinne stellten wir ja auch unseren Antrag. So wie beim Kanton auch gekürzt würde, muss diese Vereinbarung auch gekürzt werden, sonst ist es eine Ungleichbehandlung. Präsident. Wünscht der Regierungspräsident jetzt eine schon eine Antwort zu geben, oder erst am Schluss? Er wird sich am Schluss dazu äussern. Gibt es weitere Einzelsprecherinnen oder -sprecher? Das ist nicht der Fall. Béatrice Struchen, Epsach (UDC). Cher Patric Bhend, je suis un peu déçue que cela vienne des socialistes de nous présenter la facture de cet amendement. Je crois que c est un peu déplacé. Tout amendement, toute motion ici est légitime. On parle ici d une somme de francs, il s agit d un contrat qu on va conclure avec la ville de Berne. La somme totale est de francs, on ne peut donc pas parler de millions! Comme l a précisé ma collègue Bethli Küng, on va devoir faire des économies sur le produit du groupe «patrimoine et monuments historiques» et il est donc tout à fait normal qu en concluant un contrat on fasse aussi une coupure de cette manière. Merci aussi à Ruedi Löffel, qui a dit que l Office du patrimoine et des monuments historiques perdait un peu de vue la réalité des choses. C est aussi pour cela nous sommes d avis que les francs ne feront de mal à personne, pas à la ville et certainement pas non plus au canton et surtout pas aux personnes qui auront besoin une fois de rénover une maison. Si cet Office a un petit peu moins d argent, on aura peut-être plus de succès pour rénover les choses. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Es geht darum, ob wir den Beitrag an die Gemeinde Bern für die denkmalpflegerischen Aufgaben, die sie in unserem Auftrag erfüllt, um Franken kürzen wollen oder nicht. Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen. Gemäss Gesetz können wir Aufgaben der Denkmalpflege an die Gemeinden delegieren. Im vorliegenden Fall tun wir dies, weil eine der Anforderungen an ein Unesco-Weltkulturerbe jene ist, dass es eine Fachstelle für Denkmalpflege gibt. Das ist einer der Gründe, weshalb wir hier Aufgaben delegieren. Jakob Etter sagte es bereits: Die Stadt Bern führt die denkmalpflegerischen Aufgaben für unser gesamtes Stadtgebiet mit ihrer eigenen Fachstelle durch, die etwas über 1 Mio. Franken kostet. Der Kanton Bern bezahlt daran für die delegierten Aufgaben Franken. Ob dies wirklich alles abdeckt, was die Stadt Bern macht, wollen wir hier nicht genau diskutieren; ich möchte nämlich nicht noch mehr bezahlen müssen. Deshalb denke ich, ist es für den Kanton eine sehr gute Übertragung, indem die Stadt Bern für uns jene Leistungen erbringt, die wir auch von der Denkmalpflegegesetzgebung her brauchen. Wenn man nun um Franken kürzt, so sind dies mehr als zehn Prozent des Beitrages. Es besteht die Frage, ob dies gegenüber der Stadt Bern auch fair ist. Jakob Etter legte die Finanzverhältnisse dar die Stadt gibt 1,1 Mio. Franken aus. Der Teil, den die Stadt Bern für den Kanton erbringt, ist meiner Meinung nach jedenfalls Franken wert. Sollen wir bei diesem Auftrag nun um zehn Prozent, also um Franken kürzen? Ich bin fast sicher, dass die Stadt Bern dann gewisse Aufgaben wieder an den Kanton zurückgeben muss; wir haben bei uns einen Personalstopp und können diese Aufgaben nicht einfach auffangen. Die Frage von Bethli Küng kann ich hier und heute nicht beantworten. Der Regierungsrat wird am 20. Juni das Entlastungspaket vorstellen, und bis dann kann ich über seinen Inhalt nichts sagen; da bin ich an die Kollegialität gebunden. Wir beantragen Ihnen, den Antrag abzulehnen, denn wir

44 Juni 2011 Morgen Erziehung würden hier der grössten Gemeinde des Kantons einen Bärendienst erweisen, wenn wir für eine Arbeit, die wir ihr in einer fairen Zusammenarbeit und zu einem fairen Preis übertrugen, plötzlich eine Kürzung vornehmen würden, die sich in der Sache nicht rechtfertigen lässt. Abstimmung Geschäft Für den Antrag UDC Dagegen Schlussabstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 43 Stimmen 87 Stimmen 1Enthaltung 93 Stimmen 35 Stimmen 2 Enthaltungen Geschäft /11 Dringliche Motion Leuenberger, Trubschachen (BDP) / Wüthrich, Huttwil (SP) / Antener, Langnau (SP) / Küng-Marmet, Saanen (SVP) / Grimm, Burgdorf (Grüne) / Widmer, Wanzwil (BDP) / Zäch, Burgdorf (SP) / Haldimann, Burgdorf (BDP) / Baumberger, Langenthal (FDP) / Kummer, Burgdorf (SVP) / Jenni, Oberburg (EVP) / Zumstein, Langenthal (FDP) / Guggisberg, Ittigen (SVP) / Meyer, Roggwil (SP) / Friedli, Sumiswald (EDU) / Pieren, Burgdorf (SVP) / Sommer, Wynigen (FDP) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) / Rufener, Langenthal (SVP) Zur Vorlage eines Berichts betreffend Reorganisation der Berner Fachhochschule mit dem Ziel des frühzeitigen Einbezugs des Grossen Rats Wortlaut der Motion vom 11. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, 1. dem Grossen Rat einen Bericht betreffend Reorganisation der Berner Fachhochschule vorzulegen, der a) die Details der öffentlich kommunizierten Standortevaluation transparent aufzeigt b) die kurz-, mittel- und langfristige Finanzierung der Gebäudebetriebskosten (insbesondere der Mietkosten) der geplanten Massnahmen detailliert darlegt c) die regionalwirtschaftlichen und -politischen Auswirkungen der Standortkonzentration in den Ballungszentren Bern und Biel sowie für die Regionen Emmental und Oberaargau einbezieht und die Übereinstimmung mit der kantonalen Wachstumsstrategie Version 2007, der kantonalen Regionalpolitik sowie den Richtlinien der Regierungspolitik nachweist d) die kurz-, mittel- und langfristige Finanzierung der Investitionen für die geplanten Massnahmen detailliert darlegt e) die zukünftige Verwendung bzw. Umnutzung von nicht mehr benötigten Liegenschaften und Einrichtungen sowie die dafür nötigen Investitionen aufzeigt f) die bereits überlasteten Verkehrsträger in der Region Bern sowie mögliche Folgeinvestitionen in die Analyse einbezieht g) eine dezentrale Konzentration der Fachhochschule an den heutigen drei Standorten in der gleichen Planungstiefe aufzeigt und dem gefassten Standortentscheid mit Vor- und Nachteilen gegenüberstellt h) die angestrebte Zentralisierung der BFH ausreichend und unter Berücksichtigung der tatschsächlichen Konkurrenz in anderen Kantonen sowie bestehender Partnerschaften (insbesondere Hauptstadtregion) begründet, unter Berücksichtigung der vor allem in Bern verbleibenden starken Dezentralität 2. bis zur Diskussion des Berichts im Grossen Rat keine Massnahmen zu treffen oder Verbindlichkeiten einzugehen, welche die Reorganisation finanziell oder anderweitig präjudizieren Begründung: Der Standortentscheid für die zukünftige Berner Fachhochschule liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Regierungsrats. Der Entscheid löst jedoch hohe Investitionskosten aus, die der Grosse Rat bewilligen muss. Für den Standortentscheid des Regierungsrats standen die betrieblichen und immobilienspezifischen sowie die bildungspolitischen Kriterien im Vordergrund. Im Grossen Rat werden jedoch nach dem Prinzip der Nachhaltigen Entwicklung zusätzlich regionalwirtschaftliche, verteilungspolitische, verkehrspolitische oder gesellschaftspolitische Kriterien mitentscheidend sein. Die vorliegende Motion bezweckt ausschliesslich, dem Grossen Rat die Möglichkeit zu verschaffen, seine Auffassung zur beabsichtigten Konzentration der BFH darzulegen, bevor konkrete Kreditgeschäfte mit sehr hohen Projektierungskosten zuhanden des Grossen Rats vorbereitet werden. Mit einer öffentlichen Pressekonferenz am 2. Februar 2011 eröffnete der Regierungsrat den Medien seinen Entscheid zur Konzentration der BFH in Bern und Biel und zur Aufgabe des heutigen Standorts in Burgdorf. Eine halbe Stunde vorher informierte er die betroffenen Standortgemeinden mit einer per Fax zugestellten Medienmitteilung und kurzem Begleitbrief. Diese Informationspolitik und die öffentlich kommunizierten Begründungen tragen wenig zum Verständnis des Entscheids bei. Auf dieser dünnen Grundlage wäre es fahrlässig, teure Projektierungskredite auszulösen. Deshalb soll der Regierungsrat in einem umfassenden Bericht die wichtigsten der noch ungeklärten Fragen beantworten. Sie betreffen insbesondere die Regional- und Wirtschaftspolitik bzw. Wachstumsstrategie, für die der Regierungsrat seine Politik wie folgt definierte: «Die Regionalpolitik ist Teil der Wirtschaftspolitik. Sie will die Wettbewerbsfähigkeit im Berggebiet und im ländlichen Raum stärken, innovative Projekte unterstützen und die Regionen an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lassen» (Regionalpolitik). «Den Kanton Bern als Wirtschaftsstandort entlang den Hauptverkehrsachsen (Bern Burgdorf Langenthal und Thun Bern Biel Moutier) stärken» (Wachstumsstrategie Version 2007). Aber auch die Finanzierung, die Desinvestitionen, die überlasteten Verkehrsträger in der Hauptstadt und die tatsächliche Konkurrenzsituation unter den schweizerischen Fachhochschulen sind für die Entscheidungen im Grossen Rat von hohem Interesse. Damit die Vor- und Nachteile des getroffenen Standortentscheids mit allen seinen Konsequenzen beurteilt werden können, ist es unerlässlich, die Variante dezentrale Standortkonzentration in Bern, Biel und Burgdorf in der gleichen Planungstiefe auszuarbeiten und die beiden Varianten mit allen ihren Auswirkungen einander direkt gegenüberzustellen. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Damit die Berner Fachhochschule (BFH) auch in Zukunft im hart umkämpften Wettbewerb zwischen den Schweizer Fachhochschulen bestehen kann, hat der Regierungsrat bereits am 14. Oktober 2009 den Grundsatzentscheid gefällt, die Berner Fachhochschule sei auf ein oder zwei Standorte zu konzentrieren. Dies vor dem Hintergrund, dass sich die Standorte der BFH und deren Gebäudeflächen auch mehr als zehn Jahre nach dem organisatorischen kantonalen Zusam-

45 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 487 menzug noch immer auf zu viele und zum Teil ungeeignete Standorte in den Agglomerationen Bern, Biel und Burgdorf verteilen. Über den Grundsatzentscheid wurde öffentlich informiert. Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion erhielt den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Erziehungsdirektion und der BFH mögliche Konzentrationsvarianten anhand von immobilienspezifischen und bildungspolitischen Kriterien zu prüfen. Anfang 2011 lagen die Ergebnisse vor, worauf sich der Regierungsrat am 2. Februar 2011 für eine Teilkonzentration der BFH in Bern und Biel entschied. Dazu wurden im Grossen Rat verschiedene Vorstösse eingereicht. Der Regierungsrat befürwortet eine transparente und umfassende Information und wird einen Bericht zu allen in der Motion genannten Punkten erstellen lassen. Zusätzlich werden auch die folgenden eingereichten Vorstösse zur Zukunft der Berner Fachhochschule im Rahmen des Berichts behandelt: Die Interpellation 073/11 Zäch, die Interpellation 077/11 Sommer und die Motion 078/11 Etter (ERZ). Die Motion 056/11 Geissbühler (ERZ), die ebenfalls die Teilzentralisierung der Berner Fachhochschule betrifft, wurde separat beantwortet. Der Bericht wird dem Grossen Rat voraussichtlich in der Januarsession 2012 vorgelegt. Bis dahin werden keine Verbindlichkeiten eingegangen, die das weitere Vorgehen präjudizieren würden. Antrag: Annahme der Motion. Geschäft /11 Dringliche Motion Etter, Treiten (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Schär, Lyss (SP) / Kronenberg, Biel (glp) / Lüthi, Ins (Grüne) / Schnegg-Affolter, Lyss (EVP) / Bonsack, Kallnach (EDU) / Kneubühler, Nidau (FDP) Wollen wir eine konkurrenzfähige Berner Fachhochschule? Wortlaut der Motion vom 23. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat einen Bericht vorzulegen, der die Vor- und Nachteile einer räumlichen Konzentration der Berner Fachhochschule darlegt sowie die Details der öffentlich kommunizierten Standortevaluation transparent aufzeigt. Insbesondere soll dieser Bericht a) das Wettbewerbsumfeld der Schweizer Fachhochschullandschaft beleuchten und aufzeigen, mit welchen Strategien sich die verschiedenen Fachhochschulen in der Schweiz in diesem Umfeld aufstellen b) erläutern, mit welchen Massnahmen die Berner Fachhochschule im zukünftigen Wettbewerbsumfeld der Schweizer Fachhochschulen gestärkt werden kann c) Auskunft über die Entwicklung der Studierendenzahlen und den zusammenhängenden Studienkosten an den bestehenden Standorten Bern, Burgdorf und Biel geben d) aufzeigen, wie die Studierendenzahlen an der Berner Fachhochschule gesteigert und die Studienkosten effizient eingesetzt werden können e) erläutern, mit welchen Massnahmen die Zusammenarbeit zwischen der Berner Fachhochschule und der Wirtschaft gestärkt werden kann Begründung: Die Motionäre sind überzeugt, dass in der Kommunikation des Regierungsratsentscheids vom 2. Februar 2011 bis zum heutigen Zeitpunkt den wichtigen Vor- und Nachteilen einer Zentralisierung zu wenig Rechnung getragen wurde. Die Ausführungen seitens des Regierungsrates behandelten in erster Linie die Frage der Infrastruktur. Eine vertiefte Beurteilung seitens des Grossen Rats erfordert aber auch eine differenzierte Auslegeordnung des bildungs- und finanzpolitischen Umfelds. Ziel muss es sein, für die Entwicklung des Bildungsstandorts des Kantons Bern, insbesondere für die Berner Fachhochschule, solide und wettbewerbsfähige Voraussetzungen zu schaffen. Für eine fundierte, gesamtheitliche Diskussion fehlen die nötigen Grundlagen. Aus Sicht der Motionäre darf die Motion Geissbühler, die einen Verzicht auf jegliche Standortkonzentration verlangt, erst dann beraten werden, wenn der Bericht zu den Entscheidungsgrundlagen vorliegt. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 31. Mai 2011 Die heutige Berner Fachhochschule (BFH) ist aus dem Zusammenschluss vieler Teilschulen mit unterschiedlichen Trägerschaften und Fachbereichen entstanden. Ein entsprechender räumlicher Zusammenschluss fand indessen nicht statt. Die BFH ist heute über viele Standorte in den Städten Bern, Biel und Burgdorf angesiedelt. Der Schulrat der BFH hat bereits mehrfach auf die für eine Hochschule unzureichende räumliche Unterbringung hingewiesen. Anlässlich einer Aussprache hat der Regierungsrat von der räumlichen Zersplitterung der Berner Fachhochschule (BFH) und den damit verbundenen Problemen Kenntnis genommen (vgl. den entsprechenden Bericht unter dem Link in der Rubrik Hochschule --> Projekte). Mit RRB Nr vom 14. Oktober 2009 hat er die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion in Zusammenarbeit mit der Erziehungsdirektion und der BFH beauftragt, verschiedene Konzentrationsvarianten zu prüfen. Der Entscheid wurde veröffentlicht und löste bereits ein reges Medienecho aus, wobei die angestrebte Standortkonzentration nicht bestritten wurde. Anfangs 2011 lagen die Ergebnisse dieser Prüfung vor, und der Regierungsrat entschied sich anhand der ihm vorliegenden Fakten für eine Teilkonzentration der BFH in Bern und Biel. Ein Bericht der BVE wurde im Internet unter dem Link (in der Rubrik Themen: Grundstücke und Gebäude) veröffentlicht. Die Fragen und Anliegen des Vorstosses stehen im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Beschluss des Regierungsrats zur Konzentration der Berner Fachhochschule in den Städten Biel und Bern. Mit der vorliegenden Motion wird von der Regierung ein Bericht über die Vor- und Nachteile einer räumlichen Konzentration der Berner Fachhochschule verlangt. Angesichts der weiteren in dieser Sache eingereichten parlamentarischen Vorstösse, ist der Regierungsrat bereit, die vom Motionär aufgeworfenen Fragen im Rahmen eines Berichts zu behandeln und diesen dem Grossen Rat vorzulegen. Zusätzlich werden auch die folgenden eingereichten Vorstösse zur Zukunft der BFH im Rahmen des Berichts behandelt: Die Interpellation 073/11 Zäch, die Interpellation 077/11 Sommer und die Motion 067/11 Leuenberger. Die Motion 056/11 Geissbühler, die ebenfalls die Teilzentralisierung der BFH betrifft, wurde separat beantwortet. Die Antwort wird dem Grossen Rat ebenfalls zusammen mit dem Bericht zur Diskussion gestellt. Antrag: Annahme. Gemeinsame Beratung Präsident. Bei beiden Vorstössen beantragt die Regierung Annahme. Sie werden nicht bestritten, damit können wir darüber abstimmen. Als erstes befinden wir über die Motion 067/11 Leuenberger. Anschliessend stimmen wir über die Motion 078/11 Etter ab.

46 Juni 2011 Morgen Erziehung Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 127 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung 128 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /10 Motion Hess, Bern (SVP) Mundart im Kindergarten! Wortlaut der Motion vom 25. November 2010 Mundart und Schweizer Dialekte sind Teil unserer Kultur, Heimat und Identität. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Kinder bereits in jungem Alter mit Schweizerdeutsch aufwachsen. Gerade in Zeiten starker Zuwanderung wird in vielen Familien keine Mundart mehr gesprochen. Deshalb muss zumindest im Kindergarten Schweizerdeutsch die vorherrschende Sprache in den deutschsprachigen Teilen des Kantons Bern sein. Mit der Einführung von Mundart im Kindergarten können wir dazu beitragen, ein Stück Schweizer Kultur zu fördern. Diese Forderung entspricht einem landesweiten Bedürfnis für mehr Mundart in den Kindergärten. In den Kantonen Zürich und Basel wurden entsprechende Volksinitiativen bereits erfolgreich geführt und auch das jüngste Beispiel aus Luzern (Kantonale Volksinitiative «Für Mundart im Kindergarten!») zeigt, wie wichtig die Erhaltung des Schweizerdeutschen als Sprache für die Kleinsten ist. Kinder sollen von Beginn an Bindung zur Mundart, unserer Muttersprache, bekommen. Hochdeutsch müssen sie noch früh genug in der Schule lernen. Lassen wir die Kleinsten doch wenigstens im Kindergarten Kinder sein! Bislang gibt es im Kindergartengesetz des Kantons Bern noch keine einheitliche Regelung, ob Hochdeutsch oder Schweizerdeutsch gesprochen werden soll. Als Standardsprache gilt bisher Hochdeutsch. Dies muss geändert werden! Aus diesem Grund fordere ich vom Regierungsrat: Die Einführung eines neuen Artikels in das Kindergartengesetz des Kantons Bern mit folgendem Wortlaut: Unterrichtssprache auf Stufe Kindergarten ist grundsätzlich Schweizerdeutsch. (Weitere Unterschriften: 18) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Motionär fordert die Einführung eines neuen Artikels in das Kindergartengesetz des Kantons Bern mit folgendem Wortlaut: Unterrichtssprache auf Stufe Kindergarten ist grundsätzlich Schweizerdeutsch. Der Motionär geht dabei davon aus, dass in den Kindergärten im Kanton Bern «Hochdeutsch» die Regel ist. Das Volksschulgesetz vom 19. März 1992 (VSG) regelt die Unterrichtssprache in einem übergeordneten Sinn, nämlich im Sinne der offiziellen Sprachen im Kanton Bern. Gemäss Art. 9a des VSG ist «Deutsch» im deutschsprachigen Kantonsteil und «Französisch» im französischsprachigen Kantonsteil Unterrichtssprache. Ausführungsbestimmungen zur Unterrichtssprache und zu den zu erreichenden Zielen sind in den Lehrplänen der Volksschule und des Kindergartens formuliert. In Kindergärten im deutschsprachigen Kantonsteil ist der Lehrplan Kindergarten massgebend (Inkraftsetzung 2001). Zur Zeit, in welcher der Lehrplan Kindergarten entstanden ist, wie auch heute, ist die Verwendung der Mundart im Kanton Bern im Kindergarten unbestritten. Die Ziele in der Sprachförderung wurden im Lehrplan ohne spezifische Angaben zum Umgang mit der Mundart respektive Standardsprache formuliert. Der Lehrplan geht jedoch von der Mundart als Unterrichtssprache im Kindergarten aus. Die Mundart war und ist im Kindergarten die Regel. Die Vermutung des Motionärs, im Kindergarten werde grundsätzlich Standardsprache gesprochen, kann somit nicht bestätigt werden. In den Kindergärten im Kanton Bern wird grösstenteils Mundart gesprochen. Es besteht ein breites Angebot von Liedern, Versen, Geschichten und Bilderbüchern, die der Pflege und Förderung der Mundart dienen und die es ermöglichen, dass sich die Kinder sprachlich differenziert und adäquat ausdrücken lernen. Die Standardsprache ist im Kindergarten jedoch nicht verboten. Es macht durchaus Sinn, das ungebrochene und unbekümmerte Verhältnis der Kinder im Vorschulalter zur Standardsprache zu nutzen und zu fördern. Die Kinder setzen die Standardsprache im Spiel ohne jegliche Berührungsängste ein, vorzugsweise um in eine bestimmte Rolle zu schlüpfen. Schliesslich ist ihnen die Standardsprache aus dem Fernsehen vertraut. Sie sind stolz auf ihre eigenen Sprachkenntnisse. Eine Lehrperson im Kindergarten wird dieses natürliche Interesse keineswegs bremsen. Fremdsprachige Kinder sind in der deutschsprachigen Schweiz herausgefordert, zwei unterschiedliche Sprachen zu lernen: Die Mundart und die Standardsprache. Kenntnisse beider Sprachen sind in der Schweiz notwendig zur gesellschaftlichen Integration, für den Zugang zu unserer Kultur und zum Erwerb von Bildung und beruflichen Chancen. Eine gesetzliche Festlegung der Unterrichtssprache wäre nicht stufengerecht. Insgesamt ist jedoch das inhaltliche Anliegen des Motionärs erfüllt, da in den Kindergärten der deutschsprachigen Teile unseres Kantons grösstenteils Mundart gesprochen wird. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Es besteht seitens der Erziehungsdirektion keine Absicht, im Rahmen des Lehrplans diesbezüglich eine Änderung vorzunehmen. Der Regierungsrat lehnt es jedoch aus Gründen der Stufengerechtigkeit ab, mittels einer gesetzlichen Bestimmung die Unterrichtssprache im Kindergarten zu regeln. Dazu kommt, dass in diesem Bereich absolute Vorschriften keinen Sinn machen. Die Frage soll somit weiterhin auf der Ebene des Lehrplans geregelt sein. Antrag: Ablehnung. Erich Hess, Bern (SVP). Es ist ein sehr wichtiges Anliegen, man sah es in verschiedenen Kantonen. Aus diesem Grund verfeinerte ich die Forderung nochmals und schloss die französischsprachigen Regionen ein. Ich ziehe die vorliegende Motion zurück und reiche zugleich eine neue Motion mit über 35 Unterschriften ein. Präsident. Die Motion wurde zurückgezogen /10 Motion Hess, Bern (SVP) Keine Kopfbedeckungen im Schulzimmer! Wortlaut der Motion vom 30. November 2010 Die Schule ist ein Ort des Lernens. Die ganze Aufmerksamkeit der Kinder soll hier dem Unterricht und den Ausführungen des Lehrers oder der Lehrerin gehören. Eine Kopfbede-

47 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 489 ckung, egal, ob es sich dabei um ein Kopftuch, eine Kappe oder Mütze handelt, ist störend. Kopfbedeckungen gehören nicht ins Schulzimmer. Die Schule ist ein öffentlicher Raum, und hier haben sich alle Schüler anzupassen im Sinne der Gleichheit. Aus diesem Grund ist es nötig, dass der Kanton Bern diese verbindlich und für alle Schulen vorgibt. Dies gilt selbstverständlich nur für die Schulzimmer. Im Schwimmunterricht soll das Tragen einer Schwimmkappe auch weiterhin erlaubt bleiben. Ebenso sind Ausnahmeregelungen möglich für Schülerinnen und Schüler, die aufgrund einer Krankheit gezwungen sind, ihren Kopf mit einer Kopfbedeckung oder Kappe zu schützen. Deshalb fordere ich den Regierungsrat auf, Folgendes sofort umzusetzen: 1. In den Schulzimmern wird das Tragen jeglicher Kopfbedeckungen für Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer verboten. Schülerinnen und Schüler dürfen durch das Tragen einer Kopfbedeckung weder diskriminiert oder ausgegrenzt werden, noch versuchen, sich hervorzuheben. Das Schulzimmer ist ein Ort der Gleichheit und soll dies auch weiterhin bleiben. (Weitere Unterschriften: 9) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 13. April 2011 Einer der zentralen Werte unserer Gesellschaft ist die Freiheit des Individuums. Die Volksschule führt zur Mündigkeit hin, d. h. sie vermittelt jene Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die Grundlage für die berufliche Ausbildung, für den Besuch weiterführender Schulen und für das lebenslange Lernen darstellen und erzieht in unserem demokratischen Staatswesen gemeinsam mit den Eltern zu verantwortungsbewusstem Handeln gegenüber Mitmenschen und Umwelt. Die Volksschule und die daran anschliessenden Schulen und Ausbildungen führen Kinder und Jugendliche verschiedenen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergrunds zur Gemeinschaft und leisten damit einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Freiheit des Individuums lässt im Rahmen unserer Rechtsordnung eine Vielzahl von Lebensentwürfen zu. Die Kleidung der Schülerinnen und Schüler liegt in der Verantwortung der Eltern. Für die Bekleidung im Unterricht gilt, dass sie sachdienlich und dem schulischen Umfeld angemessen sein soll; d. h. sie darf weder die Kommunikation noch die Arbeitsformen behindern, noch darf sie eine Gefahrenquelle darstellen. Der Regierungsrat sieht keinen Bedarf, durch den Erlass einer kantonalen Kleiderordnung für Schülerinnen und Schüler das Tragen jeglicher Kopfbedeckung in den Schulzimmern zu verbieten. Die Tauglichkeit kantonaler Vorschriften in Sachen Kleidung dürfte im vielfältigen Kanton Bern lokal verschieden bewertet werden. Solche Regelungen sind in Ergänzung zur erzieherischen Kompetenz der Eltern Sache der einzelnen Schulen. Hausordnungen können im oben beschriebenen Rahmen Regelungen zur Bekleidung der Schülerinnen und Schüler aufnehmen. Dabei muss das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 15 Bundesverfassung) gewahrt werden. Für die Lehrkräfte gelten im Grunde dieselben, oben für die Schülerinnen und Schüler beschriebenen Kriterien. Im Gegensatz zu diesen haben die Lehrerinnen und Lehrer jedoch eine Vorbildsfunktion und repräsentieren die weltanschauliche und religiöse Neutralität der öffentlichen Bildung. So hat das Bundesgericht einst die Klage einer Genfer Lehrerin abgewiesen, die gestützt auf die Religions- und Gewissensfreiheit eine Kopfbedeckung im Unterricht tragen wollte. Dieses Urteil erlaubt, falls dies in einem konkreten Fall für notwendig erachtet wird, über die Rechtsgrundlage der Lehreranstellungsgesetzgebung, eine Einschränkung vorzunehmen. Antrag: Ablehnung. Erich Hess, Bern (SVP). Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts unter einem Kopftuch, einem «Tschäppu» oder unter einer anderen Kopfbedeckung sind. Die Lehrer müssen direkten Blickkontakt zu den Schülern haben. Es kann auch nicht sein, dass jemand im Klassenzimmer, zum Beispiel der Hansli, seinen «Tschäppu» abnehmen muss, und die Kollegin daneben, die aus irgendeinem islamischen Gebiet kommt, ihr Kopftuch anbehalten darf. Hansli versteht das nicht. Hier müssen wir klar verbindliche Regeln haben, die für alle gleich sind. Momentan ist das Problem in unseren Schulen noch nicht allzu gross. In städtischen Agglomerationen ist es aber bereits vorhanden. Die Lehrer wissen vielfach nicht, wie sie in solchen Fällen handeln sollen, weil die Schulen sich oft um verbindliche Regelungen drücken. Die Schulen wären froh, wenn vom Kanton her klare Weisungen vorhanden wären. Sie wissen, dass immer mehr Menschen aus dem islamischen Raum in die Schweiz einwandern. Die Probleme werden somit in den nächsten Jahren zunehmen. Je mehr Muslime in der Schweiz sein werden, desto mehr werden schlussendlich auch Kopftücher tragen. Es geht aber weiter. In Biel oder zum Teil auch in Bern sehen Sie bereits Frauen, die ganz unkenntlich verschleiert sind, bei denen man in einem Schlitz noch knapp die Augen sieht. Es kann nicht sein, dass dies hier einreisst. Deshalb müssen wir frühzeitig Massnahmen gegen die Islamisierung in den Schulen vornehmen. Ich bin grundsätzlich für die Freiheit, aber es müssen alle gleich behandelt werden. Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder lässt man alle Kopfbedeckungen zu, oder aber es werden alle Kopfbedeckungen verboten. Es muss für alle das gleiche Recht gelten. Deshalb bitte ich Sie, dieser Motion zuzustimmen. Sie ist sehr gut umsetzbar, weil dann eine klare Regelung zur Handhabung da ist. Die Lehrerinnen und Lehrer des Kantons Bern werden Ihnen dankbar sein. Sie werden es vielfach zwar nicht offen sagen, weil sie Angst haben, in eine rechte Ecke gedrängt zu werden. Ich bitte Sie im Sinne der Gleichbehandlung aller, aber auch aufgrund der Gefahr der Islamisierung der Schulen, diese Motion anzunehmen. Anna Magdalena Linder, Bern (Grüne). Ich nehme es vorweg: Unsere Fraktion unterstützt den Vorstoss von Grossrat Hess nicht. Falls es in einer Schule Probleme mit Kopfbedeckungen geben sollte, so soll es in der Kompetenz der Schule liegen, Regeln zu erlassen, oder aber von Fall zu Fall zu entscheiden, wie man vorgehen sollte. Dies wird heute bereits in den Schulen, in denen Probleme bestehen, so gehandhabt. Wie der Regierungsrat in seiner Antwort sehr gut ausführte, bringen generelle Kleidervorschriften für die Schulen nichts, auch nicht im präventiven Sinn. Daniel Kast, Bern (CVP). Die Fraktion glp-cvp will keine kantonalen Kleidervorschriften. Kleiderregeln sind Sache der Schule oder der Klassenlehrperson. Die Schule, an der ich unterrichte, und die mehrere Mädchen mit Kopftüchern hat, will diese Regelung, wie sie der Motionär verlangt, ganz sicher nicht. Es ist auch problematisch, wenn du wieder das Kopftuch mit der Verschleierung vermischst; da besteht wirklich ein Unterschied. Es ist übrigens ein bürgerliches Anliegen, dass der Staat und seine Bildungsinstitutionen nicht überreglementiert werden. Nun zu den einzelnen Kopfbedeckungen: Es gibt ganz unterschiedlich Kopfbedeckungen bei Schülerinnen und Schülern, und sie sind Ausdruck unter-

48 Juni 2011 Morgen Erziehung schiedlicher Motivation. Zum Beispiel ist eine Dächlikappe bei den Knaben Ausdruck einer gewissen «Läck-mer»- Stimmung. Das ist sicher für die Schule problematisch. Es gibt aber auch schöne Kopfbedeckungen, vor allem bei Mädchen. Diese wollen gefallen, vielleicht etwas Aufmerksamkeit erregen, aber dies ist nicht eigentlich problematisch. Es gibt auch andere Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erregen, zum Beispiel mit einem Halstuch oder einem schönen Pulli. Du willst ja sicher nicht auch noch dies verbieten, das macht doch keinen Sinn. Zu den muslimischen Mädchen: Wenn ein Kopftuch nur Ausdruck einer persönlichen Frömmigkeit ist, so ist es eigentlich auch kein Problem. Das Kopftuch stört im Unterricht an und für sich nicht. Wenn es aber Ausdruck einer militanten islamischen Haltung ist und es gibt nicht viele solche Fälle so kann es zu Problemen führen, aber diese sind nicht durch das Kopftuch, sondern durch die Haltung bedingt. In der Pädagogik gilt der Grundsatz, dass man auf problematisches Verhalten angemessen reagieren muss. Unterschiedliche Phänomene einfach mit einem strikten Verbot zu belegen, ist sicher nicht angemessen. Ich möchte doch noch etwas zu den problematischen muslimischen Familien etwas sagen. Du sagtest in deinem Votum ja auch, dass du vor allem auf diese abzielst. In der Bevölkerung ist tatsächlich ein Unbehagen in Bezug auf diese Familien feststellbar. Dies sind ich kenne das auch aus persönlicher Erfahrung Familien, deren Kinder im Verhalten schwierig sind, die sich zum Beispiel respektlos verhalten, Familien, die schlecht mit der Schule kooperieren, deren Kinder nicht in den Schwimmunterricht kommen, die sich dispensieren lassen von Weihnachtsfeiern, die nicht in die Landschulwoche mitkommen. Bei Elterngesprächen spürt man eine Geringschätzung gegenüber den Lehrpersonen oder überhaupt gegenüber Werten, die uns wichtig sind. Sehr oft sind diese Familien auch Sozialhilfebezüger oder beziehen Stipendien, wie dies bei den Herren des Islamischen Zentralrates der Fall ist, was ja durch die Medien bekannt wurde. Aber es gibt im Kanton Bern nicht viele solche Familien. Nur dort, wo ihre Kinder in die Schule gehen, sind sie allerdings ein Problem. Dies nun einfach mit einem Verbot von Kopftüchern zu belegen, ist sicher nicht zielführend. Natürlich würde ein solches Verbot diese Familien nicht freuen. Aber es würde die Situation auch nicht verbessern. Vielleicht würden einzelne Mädchen ohne Kopftuch in die Schule kommen. Aber und das hatten wir auch schon wenn den Familien in der Schule irgend etwas nicht passt, so schicken sie ihre Mädchen in islamischen Ländern zur Schule, und diese Mädchen kommen nach der Schulzeit entsprechend sozialisiert wieder in die Schweiz. Das Ziel der Integration kann so sicher nicht erreicht werden. Oder die Familien gründen eine eigene Schule. Das ist zwar grundsätzlich möglich, aber sicher nicht das Ziel der SVP. Eine bessere Möglichkeit ist, mit Integrationsvereinbarungen zu arbeiten. Man muss diese Familien zu einem respektvollen Umgang, zum Einhalten von Regeln zwingen. Das kann man mit Integrationsvereinbarungen tun. Aber und das wissen wir alle die Integrationsvereinbarungen wurden genau von der SVP abgelehnt. Die Motion ist reine Symptombekämpfung; sie trifft viele, die gar nicht gemeint sind, und deshalb lehnen wir sie ab. Stefan Oester, Belp (EDU). Wir gehen mit dem Motionär einig, dass Ordnung herrschen muss, aber eine Motion dieser Art unterstützt die EDU nicht. Folgende Überlegungen führten uns zu diesem Entscheid: Uns scheint das Thema der Kopfbedeckung nicht derart wichtig zu sein, dass man es über den ganzen Kanton regeln muss. Die Beteiligten regeln die Sache ganz verschieden, und vielerorts braucht es gar keine speziellen Regelungen. Anstand und Respekt genügen, dass keine Hüte und Kopfbedeckungen getragen werden. Individuelle Lösungen, die die Kopfbedeckung im Schulzimmer verbieten, sind verbreitet und werden von vielen Schulen auch so durchgesetzt. Somit ist die Forderung nach Einführung eines Verbots von Kopfbedeckungen im Schulzimmer nicht zweckdienlich und im grossen Kanton Bern mit seinen unterschiedlichen Regionen nicht nötig. Die EDU sieht hier keinen Handlungsbedarf. Auch die Antwort der Regierung unterstreicht diese Haltung. Aus diesem Grund lehnt die EDU die Motion ab. Daniel Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP). Grossrat Hess vermischt tatsächlich verschiedenes. Er spricht von Leuten, die in Burkas daherkommen ein Verbot solcher Bekleidung unterstütze ich an sich immer noch aber in der Motion geht es um Kopfbedeckungen aller Art. Es könnte sich zum Beispiel um Kippas jüdischer Schüler handeln, aber auch um ganz einfache Tücher, die Schülerinnen aus ästhetischen Gründen anziehen; wir sprechen also von einer ganz anderen Dimension. Um es gleich vorwegzunehmen: Auch ich nervte mich als Lehrkraft, wenn Schülerinnen und Schüler zum Beispiel eine Baseball-Mütze auf dem Kopf hatten und man als Lehrkraft mit ihnen nicht einmal Blickkontakt aufnehmen konnte. Doch nun kommt das grosse Aber: Es ist gerade die Aufgabe einer Lehrkraft, sich mit den Schülerinnen und Schülern und ihren Kopfbedeckungen allenfalls auseinanderzusetzen, auch wenn es nicht angenehm ist; und es ist die Aufgabe der Schulbehörden, oder es kann ihre Aufgabe sein, Lösungen für solche Herausforderungen zu suchen, wenn dafür Bedarf vorhanden ist. Sicher keine Lösung, und auch nicht stufengerecht, ist eine kantonale Lösung in Sachen Kleidung in der Volksschule. Ich frage mich, wo hier für Grossrat Hess die Konsequenz bleibt, wenn man sonst immer gegen staatliche Bürokratie und Gesetzesflut wettert, und nun selber eine zusätzliche Vorschrift fordert. Die EVP-Fraktion ist einstimmig gegen diesen Vorstoss. Wir sind der Meinung, dass die Schulen und Lehrkräfte genügend Mittel haben, um solche Probleme in den Griff zu bekommen. Beispielsweise können in einer Schulordnung Vorschriften erlassen werden, so wie dies bereits für Kommunikationsund Unterhaltungsgeräte wie zum Beispiel Handys, MP3- Player, Suchtmittel, Gewalt oder Waffen getan wird. Interessant ist, dass ich mit einigen Klicks durch Google eine solche Schulordnung aus der Agglomeration Bern fand. Dort steht unter dem Paragraph Kleider: «Angemessene und saubere Kleidung ist Pflicht, gewaltverherrlichende, sexistische, rassistische oder faschistische Texte und Symbole auf den Kleidern sind verboten. In den Gebäuden ist während des Unterrichts das Tragen von Kopfbedeckungen nicht erlaubt». Dies ist die Schulordnung einer grossen Schule in der Agglomeration der Stadt Bern. Schliesslich gibt es auch einen Leitfaden der Erziehungsdirektion, der den Schulen unter anderem in Sachen Kleidung Empfehlungen abgibt. So können Schulen bereits heute die Bekleidungsfreiheit einschränken, wenn der Bildungsauftrag nicht wahrgenommen werden kann. Eine Burka schränkt zum Beispiel die Bewegungs- und Kommunikationsfreiheit ein. Oder ein Kopftuch kann im Werkunterricht zu einem Sicherheitsrisiko werden und bereits mit dieser Regelung verboten werden. Wenn man diese Motion wirklich buchstabengetreu umsetzen würde, wäre es schliesslich auch fraglich, ob es verfassungsmässig wäre. Es ist fraglich, ob zum Beispiel die Kippa jüdischer Schüler als Kopfbedeckung mit religiöser Symbolik überhaupt verboten werden könnte, ohne dass man die Bundesverfassung verletzen würde. Kurz: Grossrat Hess musste ja bereits früher einmal einen teilweisen Rückzieher machen. Auch der zweite Versuch ist unserer Meinung nach nicht besser, und auch nicht besser durchdacht. Wir lehnen den

49 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 491 Vorstoss ab, weil es in diesem Bereich genügend kantonale Empfehlungen gibt. Es braucht keine Vorschriften, und eine buchstabengetreue Umsetzung dieser Motion würde wahrscheinlich auch das verfassungsmässige Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit tangieren. Nadja Pieren, Burgdorf (SVP). Eigentlich ist es ja ganz «gäbig», mit einer Baseballmütze im Schulzimmer zu sitzen. So kann man gut spicken darum wäre ich auch einige Male froh gewesen doch Spass beiseite. Der Motionär fordert ein Verbot von Kopfbedeckungen während des Unterrichts. Die SVP-Fraktion hat diese Frage diskutiert. Wir waren der Meinung, es gebe auch noch andere problematische Dinge an den Schulen, etwa übermässiges Make-up und knappe Kleidung. Verschiedene Schulen haben bereits Kleiderreglemente. Wir von der SVP hoffen sehr und gehen davon aus, dass Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts keine Mützen tragen. Aus diesem Grund wird die SVP-Fraktion die Motion grossmehrheitlich ablehnen. Wir sind gegen eine Überreglementierung und verweisen auf die Kleiderreglemente und Schulordnungen. Pierre-Yves Grivel, Bienne (PLR). Il y a quelques mois, nous traitions la motion Steiner-Brütsch et Hess sur l interdiction du port du voile intégral dans les services publics. J avais à l époque rappelé les huit tenues possibles, en indiquant que la seule valable était celle où on voyait le visage de la personne. Aujourd hui, on parle de tenue vestimentaire des élèves, on reste dans la même thématique. On est passé du visage à la tête, ce n est pas très différent, c est juste un peu plus haut! Ce qui est gênant aujourd hui, c est qu on discute de cette tenue, alors que dans les écoles on a à faire à d autres tenues qui ne viennent pas d une origine religieuse musulmane, mais qui viennent de nos propres élèves suisses. Permettez-moi de vous dire quelques mots sur la tenue de certains qui viennent à l école et qui sont en leçon dans cette tenue (Der Redner setzt eine Baseballmütze so auf, dass der Schild nach hinten zeigt.). Cela existe aussi, Erich et là aussi nous devons nous battre et là aussi nous avons des règlements. Depuis plusieurs années, nous sommes confrontés à cette problématique. C est à moi comme directeur de fixer les règles avec mon corps enseignant et de dire ce que je veux et ce que je ne veux pas, ce n est pas au canton! Le couvre-chef est interdit sous toutes ses formes, sauf pour l affaire religieuse c est vrai, c est accepté. Se découvrir la tête, c est une forme de politesse, de respect et de tolérance de l autre, je suis du même avis que toi pour cela. Mais c est à moi, comme directeur, comme maître de classe, comme enseignant, d imposer cela à mes élèves, en leur expliquant pourquoi on veut cela. A ce moment-là, tu parles de politesse et de respect et tu obtiens cette mesure. Si certains ne l acceptent pas, il faut la faire enlever comme cela (Der Redner dreht die Mütze auf seinem Kopf so, dass der Schild auf seitlich sitzt.). Erich, je me suis trouvé, dans ma séance avec les parents, face à un père avec cette tenue: je lui ai demandé s il pouvait éventuellement enlever sa casquette et il m a répondu que cela faisait partie de l équipement vestimentaire et que s il l enlevait il se sentait à moitié nu. Je lui ai dit que mes élèves l enlevaient et qu il pouvait aussi l enlever, ce qu il a fait. C est comme cela qu on obtient dans les écoles une certaine discipline, le respect et la tolérance, pas autrement. Au nom des radicaux, nous ne pouvons pas accepter cette motion, nous la rejetons, de même que le postulat. J aimerais encore te dire, Erich, puisqu on a déjà eu l occasion de discuter ensemble, que tu ferais mieux de choisir à l avenir des thèmes à débattre. Je sais que la tribune est une bonne plateforme pour la campagne électorale, mais je te conseille de prendre à l avenir contact avec la DIP ou avec nous, représentants du corps enseignant, pour discuter de ces thématiques. Erich, prends ton camion et viens nous rendre visite à Bienne, je t invite dans mon école pour un café et je pourrai te montrer que, si on veut, on obtient le respect et la tolérance (Beifall). Anita Herren-Brauen, Rosshäusern, (BDP). Die BDP geht mit dem Motionär einig, dass die Schule ein Ort zum Lernen ist. Die Kinder lernen dort Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und vieles mehr. Sie lernen aber auch, sich im Umfeld der Schule zu bewegen. Die Aufmerksamkeit des Kindes im Unterricht darf nicht gefährdet werden. Gleichheit soll für alle Kinder gewährleistet sein. Das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit, wie es in der Bundesverfassung verankert ist, ist für die BDP wichtig. Dass sich einige Eltern und Schulbeobachter an Mützen und Kappen stören und dies als Problem bezeichnen, dürfen und wollen wir nicht «vernütige». Jegliche Kopfbedeckungen im Schulzimmer zu verbieten, wie dies mit der vorliegenden Motion verlangt wird, ist aus unserer Sicht aber nicht notwendig. Die Schulen haben bereits Möglichkeiten, mit Reglementen oder Hausordnungen Kleiderregelungen zu erlassen. Solche Regelungen sind verbindlich. Wir greifen so wieder in die Verantwortung von Eltern und kommunalen Behörden ein. Ein Gesetz muss auch wieder in den Schulen umgesetzt werden. Lassen wir es dort geregelt sein, wo die Probleme erlebt und gelebt werden. Daher lehnt die BDP die Motion ab. Elisabeth Zäch, Burgdorf (SP). Unsere Fraktion lehnt die Motion ebenfalls ab. Besser als unser Kollege Grivel kann man es gar nicht auf den Punkt bringen. Aus den folgenden vier Gründen lehnen wir die Motion ab. Erstens bevormundet diese Motion die Eltern. Sie greift in deren individuelle Freiheitsrechte ein. Die Eltern sind für die Kleidung ihrer Kinder verantwortlich. Zweitens beschneidet sie die Kompetenz der Schulen. Schulleitungen und Lehrpersonen definieren die Hausordnung. Darin sollen die angemessenen Kleidervorschriften festgelegt werden. Dabei muss das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit berücksichtigt sein. Drittens zielt die Motion vor allem auf das Tragen von Kopftüchern. Dies ist ein weiterer Grund für unsere entschlossene Ablehnung. Kopftücher zu verbieten bringt Probleme und löst diese nicht. Viertens ergeben sich Lösungen nicht aus Verboten, sondern aus dem guten, sorgfältigen und respektvollen Umgang zwischen den Lehrpersonen und den Eltern. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Fragen der kulturellen und religiösen Identität geht. Aus diesen Gründen ergibt sich ein klares Nein zur Motion. Sie ist nicht stufengerecht und schadet, anstatt zu nützen. Die SP-Fraktion bittet den Grossen Rat daher um ein deutliches Zeichen. Hannes Zaugg-Graf, Uetendorf (SP). Ich möchte dieser «Kopftuch-Motion» im «Kopfbedeckungs-Pelz» nicht mehr Gewicht verleihen, als sie ohnehin bereits hatte. Erich Hess hat seine Motion mit dem hehren Ziel begründet, man müsse Ablenkung im Unterricht verhindern. Ich erwarte folgerichtig in der nächsten Session eine Motion zum Zumauern der Fenster in den Schulzimmern und ein Verbot von allzu attraktiven Lehrerinnen und Lehrern auf der Oberstufe auch dies könnte ablenken. Sollte Erich Hess beim nächsten Vorstoss zur Kopfbedeckung auch explizit die Bretter vor dem Kopf verbieten wollen, dann könnte ich mir eine Unterstützung durchaus vorstellen. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Grossrat Hess verlangt, dass der Kanton eine Vorgabe macht und Kopfbedeckungen im Unterricht verbietet. Wie dargelegt wurde, können Kopfbedeckungen im Unterricht in der Tat ein Problem

50 Juni 2011 Morgen Erziehung darstellen. Ich denke aber, dass unsere Philosophie die sein sollte, Probleme zu lösen und nicht neue zu schaffen. Es stellt sich deshalb hier die Frage, ob man in Bezug auf Kopfbedeckungen Reglemente und Vorgaben machen will, oder ob man dies in die pädagogische Verantwortung der Schule und der Lehrkräfte geben will. Ich bin klar der Meinung und ich hörte auch, dass diese Philosophie allgemein getragen wird dass je nach Situation mit gesundem Menschenverstand und pädagogischem Geschick von den Schulen und Lehrkräften selber entschieden werden muss. Lehrkräfte sind nicht einfach Maschinen, denen man Vorgaben macht, sondern sie müssen je nach Situation beurteilen können, was pädagogisch richtig ist. Es gibt Schulen Herr Steiner erwähnte eine in denen zu viele Kopfbedeckungen wie Mützen und Kopftücher ein Problem darstellen, und in denen entsprechende Regeln erlassen wurden. Diese Schule hat entschieden, und dort funktioniert es auch. In anderen Schulen sind Kopfbedeckungen kein Thema. Wenn man diesen Schulen nun kantonale Vorgaben macht, so müssen sie plötzlich dort einschreiten, wo sie eigentlich kein Problem hatten. Ich erlebte dies beim Thema Handyverbot. Die Gemeinde Köniz, oder eine Könizer Schule, erliess einmal ein Handy-Verbot. Die Handys wurden am Anfang der Stunde eingezogen, weil es Probleme mit zu vielen SMS während des Unterrichts gab ich weiss nicht, ob es genau so war, ich sehe, dass Ueli Studer den Kopf schüttelt. Diese Schule löste ein Problem, das sie hatte. Danach wurde in den Medien gefragt, ob es kantonale Vorgaben zu diesem Problem gebe, damit man genau wisse, was gelte. Genau an diesem Tag war ich an einer Schule in Zweisimmen und fragte die Lehrkräfte, ob Vorgaben ihnen etwas bringen würden, ob sie ein Problem mit Handys hätten? Sie waren erstaunt und fragten, wieso sie ein Handyverbot einführen sollten. Diesen Lehrkräften hätte ich ein Problem geschaffen, wenn ich vorgeschrieben hätte, dass sie am Anfang der Stunde Handys einziehen müssten. Meiner Ansicht nach ist dies der Weg, den wir in vielen Fragen gehen müssen. Wir müssen Vertrauen in die Menschen haben, die für den Kanton Bern arbeiten, in die Lehrkräfte vor Ort, dass sie die Probleme dort lösen, wo sie auftreten. Wir sollten nicht alles kantonal einheitlich vorreglementieren, und wir sollten damit dem gesunden Menschenverstand vor Ort Raum geben. Es wäre in unserer Gesellschaft wichtig, dass man die Menschen vor Ort die Probleme lösen lässt, wie es nötig ist, und dass man nicht einfach alles reglementiert. Auch deshalb lehnen wir den Vorstoss ab. Erich Hess, Bern (SVP). Wahrscheinlich kennen Sie alle den «Knigge» besser als ich, denn Sie haben alle sehr viel mehr Anstand, Würde usw. als ich. Aber in einem Punkt kenne ich den «Knigge». Dieser besagt, dass man die Kopfbedeckung abnimmt, sobald man einen geschlossenen Raum betritt. Es wurde gesagt, aus religiösen Gründen müsse man die Mütze oder das Tuch anbehalten. Ein Glaubender, der seinem Glauben nur mittels eines Symbols auf dem Kopf nachgehen kann, ist ein schlechter Glaubender. Die wirklich Gläubigen glauben im Herzen an ihre Religion und nicht mit einer Kopfbedeckung als Zeichen gegen aussen. Ich würde Ihr Angebot gerne annehmen, Herr Grivel, und einmal mit dem Lastwagen bei Ihrer Schule vorfahren. Ich glaube aber, der Parkplatz Ihrer Schule wäre zu klein. Daher würde ich eher mit dem Auto kommen. Der Parkplatz ist gross? Dann schauen wir das zusammen an. Es gibt eben Lehrer und Lehrer. Es gibt gute Lehrer, die im Klassenzimmer Ruhe und Ordnung durchsetzen. Sie sorgen auch dafür, dass keine Kopfbedeckungen getragen werden. Es gibt aber auch andere Lehrer. Anlässlich von Schulbesuchen habe ich Lehrer gesehen, die schlecht rasiert, ungekämmt, in kurzen Hosen, einem Träger-T-Shirt und in Heilandssandalen vor der Klasse standen. Wenn die Lehrer selbst ihren Stil nicht im Griff haben, werden sie keinen Einfluss auf die Schülerinnen und Schüler nehmen, wenn diese eine Mütze schräg auf dem Kopf tragen. Ich stelle fest, dass diese Motion im Rat keine grosse Unterstützung findet. Ich appelliere an all diejenigen, die wie ich visionär sind und die Probleme auf uns zukommen sehen. In 20 Jahren werden Sie sagen: «Hätten wir doch der Motion von Herrn Hess damals zugestimmt. Damit hätten wir viele Probleme an unsern Schulen im Kanton Bern verhindern können.» Sie werden in 20 Jahren an mich denken, wenn es dann vielleicht heisst, ich sei der einzige gewesen, der dieser Motion zugestimmt hat. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 3 Stimmen 134 Stimmen 2 Enthaltungen Geschäft /10 Interpellation Graber, Horrenbach (SVP) Scharia- Recht im Kanton Bern? Wortlaut der Interpellation vom 21. Oktober 2010 Seit dem 29. August 2009 bleibt das Hallenbad im Berner Gäbelbachquartier an Samstagnachmittagen für Männer und Knaben ab 6 Jahren geschlossen. Grund dafür ist der hohe Anteil von Migrantinnen im Quartier. Streng religiöse Musliminnen gehen nicht in öffentliche Bäder, wenn dort Männer anwesend sind. Angeblich handelt es sich dabei um ein «Integrationsprojekt». Genau genommen ist es eher eine einseitige Anpassung der Schweizer Gepflogenheiten an die Scharia. Diejenigen, die vor der drohenden Einführung der Scharia warnen, werden der Hysterie und Stimmungsmache bezichtigt. Das Beispiel Gäbelbach zeigt aber, dass die Einführung des islamischen Rechts in Teilen bereits Wirklichkeit ist. In Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt stellen sich folgende Fragen an den Regierungsrat: 1. Offenbar handelt es sich sogar um ein sogenanntes «Integrationsprojekt». Ist der Kanton finanziell oder organisatorisch an diesem Projekt beteiligt? 2. Gibt es weitere Hallenbäder im Kanton Bern, in denen für (primär) muslimische Frauen alle Männer zeitweise ausgesperrt werden? 3. Findet es der Regierungsrat richtig, dass hier durch die Hintertüre islamische Gebräuche und Scharia-Recht im Kanton Bern eingeführt werden? 4. Was gedenkt der Regierungsrat zu unternehmen, damit das schweizerische und das kantonale Recht nicht durch islamisches Recht unterhöhlt werden? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 6. April 2011 Das körperliche Schamgefühl von Frauen und Männern ist in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften unterschiedlich ausgeprägt. Auch innerhalb der westlichen Kultur und der schweizerischen Gesellschaft gibt es unterschiedliche Bedürfnisse so gibt es beispielsweise Frauen und Männer, die eine gemischte Sauna besuchen und Frauen, die lieber am Frauentag in die Sauna gehen, unabhängig davon, ob eine Kleiderordnung existiert oder nicht. Viele Wellnessangebote bieten daher nebst geschlechtergemischten Tagen auch Frauentage oder spezielle Öffnungszeiten nur für Frauen und teilweise auch nur für Männer an.

51 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 493 Beim Hallenbad Gäbelbach handelt es sich um ein privates Hallenbad der gleichnamigen Überbauung 1, das zusätzlich zu den regulären Öffnungszeiten für das Projekt «Frauenbad» gemietet worden ist. Das breit abgestützte Projekt hat zum Ziel, Frauen, die bezüglich des Tragens von Schwimmbekleidung über ein ausgeprägteres Schamgefühl verfügen als hier im allgemeinen üblich ist, zu ermöglichen, im geschützten Rahmen erste Schritte zu machen und allfällig das Schwimmen zu erlernen. Hemmschwellen, (mit den Kindern) ein öffentliches Bad zu besuchen, können so abgebaut werden. Der Schwimmkurs trägt zudem zur Gesundheitsförderung der Frauen bei. Frage 1 Nein, dies ist nicht der Fall. Frage 2 Dem Regierungsrat sind keine weiteren Projekte bekannt. Frage 3 Wie oben ausgeführt, handelt es sich weder um eine Einführung von islamischen Gebräuchen noch um Scharia-Recht, sondern um ein Projekt, welches das Schwimmen auch Frauen mit ausgeprägterem Schamgefühl ermöglichen soll und je nach Hintergrund der Frauen auch zur Vertrautmachung mit der hiesigen Freizeitkultur dient. Frage 4 Siehe Frage 3. Präsident. Der Interpellant ist nicht befriedigt, gibt aber keine Erklärung ab. Geschäft /10 Interpellation Bärtschi, Lützelflüh (SVP) Denkmalschutz: Wo steht der Kanton Bern? Wortlaut der Interpellation vom 22. November Wie hoch ist der Anteil der Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, im Vergleich zu jenen, die nicht geschützt sind? Diese Angaben aufgeteilt nach «schützenswert» und «erhaltenswert». Wie steht der Kanton Bern im Vergleich zu anderen vergleichbaren Kantonen? 2. Was unternimmt der Regierungsrat, damit Bauernhäuser, die in der Landwirtschaftszone stehen, umgenutzt bzw. umgebaut werden können, auch wenn diese als «erhaltenswert» bzw. «schützenswert» eingestuft sind? (Weitere Unterschriften: 0) Dringlichkeit abgelehnt am 25. November 2010 Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai Seit Ende 2009 liegt das Bauinventar, eine qualifizierte Gesamtschau des historischen Baubestandes, für alle Gemeinden des Kantons Bern flächendeckend vor. Es enthält ca Objekte oder rund 10 Prozent der über Bauten im Kanton. Von den im Bauinventar aufgenommenen Objekten gelten oder 4 Prozent aller Bauten im Kanton als «schützenswert», oder 6 Prozent sind als «erhaltenswert» eingestuft. Die Aufnahme eines Objekts ins Bauinventar bedeutet noch keine Unterschutzstellung. Es handelt sich lediglich um eine Schutzvermutung, welche im Baubewilligungsverfahren bestätigt oder widerlegt wird. Die Gemeinden haben 1 Für mehr Informationen siehe: unter Frauenbad zusätzlich die Möglichkeit, die Baudenkmäler im Rahmen der Ortsplanung grundeigentümerverbindlich zu verankern. Formell unter Denkmalschutz gestellt auf Grund eines Regierungsratsbeschlusses oder Vertrags gemäss Denkmalpflegegesetz DPG sind ca Gebäude. Dies entspricht einem Anteil von 1,3 Prozent aller Gebäude und Bauten im Kanton. Die unterschiedliche Gesetzgebung und Unterschutzstellungspraxis macht einen direkten Kantonsvergleich unmöglich, entsprechende Vergleichszahlen existieren nicht. 2. Das Bauen in der Landwirtschaftszone unterliegt dem Bundesgesetz über die Raumplanung RPG. Die kantonale Baugesetzgebung BauG und die Denkmalpflegegesetzgebung DPG sind entsprechend untergeordnet. Ausnahmebewilligungen für den Umbau und die Umnutzung von Bauernhäusern in der Landwirtschaftszone sind in Artikel 24 RPG geregelt. Zuständig für die Beurteilung solcher Bauvorhaben im Kanton Bern ist das Amt für Gemeinden und Raumordnung. Es hat dazu detaillierte Richtlinien erlassen und legt im Einzelfall den Umfang der Ausbaumöglichkeiten fest. Die kantonale Denkmalpflege beurteilt im Baubewilligungsverfahren lediglich die sie betreffenden Aspekte und erstellt einen Fachbericht zuhanden der Baubewilligungsbehörden, also der Gemeinde oder dem Regierungsstatthalteramt. Der abschliessende Entscheid liegt bei diesen und nicht bei der Denkmalpflege. Die Baugesetzgebung stellt sicher, dass bei als «schützenswert» eingestuften Objekten eine vollständige Zweckänderung und grundsätzlich auch ein Vollausbau möglich sind, sollte die Erhaltung nicht anders sichergestellt werden können (Art. 24d RPG; Art. 83 Abs. 2 BauG und Art. 14 DPG). Damit ist die Klassierung eines Bauernhauses als Baudenkmal also nicht ein Nachteil, sondern ein Vorteil. Präsident. Der Interpellant ist teilweise befriedigt und gibt eine Erklärung ab. Alfred Bärtschi, Lützelflüh (SVP). Von der Antwort auf die Frage 1 bin ich befriedigt. Ich bedanke mich übrigens bestens für die Interpellationsantwort. Von der Antwort auf die Frage 2 bin ich nicht vollumfänglich befriedigt. Uns allen ist klar, dass die Denkmalpflege nicht abschliessend beurteilen kann, ob ein Bau bewilligt werden kann oder nicht. Gibt jedoch die Denkmalpflege einen negativen Fachbericht ab, so ist es praktisch aussichtslos, dass das Bauvorhaben verwirklicht werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Objekt als schützenswert, respektive erhaltenswert eingestuft ist. Der Regierungsrat führt aus, es sei sogar ein Vorteil, wenn das Bauwerk als schützenswert eingestuft ist. Unter bestimmten Voraussetzungen ist dies tatsächlich der Fall. Sobald man einen Sonnenkollektor anbringen möchte, ist dies jedoch ein gravierender Nachteil. Da wird mir Josef Jenni bestimmt zustimmen. Bei der heutigen Rechtsprechung ist dies kaum zustande zu bringen. Ich bin in mehrere Fälle involviert, in welchen man auf einem erhaltenswerten Haus eine Photovoltaik-Anlage oder Sonnekollektoren zur Warmwasser- Aufbereitung einrichten möchte. Dies ist jedoch nicht möglich. Wir sind uns bestimmt darin einig, dass es sich dabei auch um ein Bauvorhaben handelt. Es sei denn, man bezeichne dies als ein «Gebastel». Auch mit der eidgenössischen Gesetzgebung bin ich nicht ganz glücklich. Wussten Sie, dass für ein Umbauvorhaben ausschlaggebend ist, ob in einem Bauernhaus 1972 noch Landwirtschaft betrieben wurde oder nicht? Dies ist tatsächlich der Fall: Wurde vor 30 Jahren in einem Bauernhof Landwirtschaft betrieben, so kann man dieses vereinfacht umbauen oder eben nicht. Ich bin in einen Fall verwickelt, in wel-

52 Juni 2011 Morgen Erziehung chem man ein schützenswertes, baufälliges Bauernhaus mit bescheidener Raumhöhe und Hausbockbefall umbauen möchte. Die Denkmalpflege möchte sogar helfen. Aufgrund der schweizerischen Rechtsprechung kann dieses heute nicht umgebaut werden. (Der Präsident bittet den Redner, zum Schluss zu kommen.) Der Kanton St. Gallen hat eine Standesinitiative lanciert, die praktisch gleich lautet wie eine solche aus dem Jahr 2002 aus dem Kanton Bern, die damals leider verworfen wurde. Ich hoffe, der Regierungsrat werde die Vernehmlassung zur Standesinitiative aus dem Kanton St. Gallen positiv beantworten. Geschäft /10 Interpellation Aellen, Tavannes (PSA) Schwierigkeiten mit der bernischen Gesetzgebung Wortlaut der Interpellation vom 22. November 2010 Am 26. November 2010 wird die Technikerschule Holz in Delsberg eingeweiht. Die Gesamtkosten betragen 2,2 Millionen Franken, und der Kanton Jura hat beschlossen, das Bauvorhaben mit rund Franken zu subventionieren. Der Kanton Bern hat sich nicht an der Finanzierung beteiligt, obwohl gut die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler aus dem Berner Jura stammt. Gemäss Florent Cosandey, Vorsteher der französischsprachigen Abteilung des Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA), liegt das Problem bei der bernischen Gesetzgebung: «Es liegt nicht etwa am Willen des Kantons Bern. Unsere Gesetzgebung wirkt sich störend auf die interjurassische Zusammenarbeit, auf die Zusammenarbeit mit der übrigen Westschweiz sowie auf die Zusammenarbeit im Rahmen von BEJUNE-Projekten aus». Fragen: 1. Stimmen diese Aussagen? 2. Ist dem Regierungsrat diese Situation bekannt? 3. Inwiefern stellt die bernische Gesetzgebung ein Problem dar? 4. Hat man die bestehenden Schwierigkeiten ausgemacht? 5. Ist die Regierung bereit, das Nötige zu unternehmen, um die Probleme aus dem Weg zu räumen? 6. Bestehen diese gesetzgeberischen Schwierigkeiten auch bei der Zusammenarbeit mit Deutschschweizer Kantonen oder handelt es sich nur im Zusammenhang mit den welschen Kantonen um ein Problem? Wenn ja, warum? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 13. Aprile 2011 Überbetriebliche Kurse im Bereich der betrieblichen Grundausbildung dienen der Vermittlung und der Aneignung grundlegender Kenntnisse und Fähigkeiten in Ergänzung zur Ausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule. Sie finden oft in von Trägerschaften der Berufswelt eingerichteten Bildungszentren statt. Der jurassische Schreiner-, Zimmer- und Tischlermeisterverband die «Association jurassienne des menuisiers, charpentiers, ébénistes (AJMCE)» hat im vergangenen Jahr in Delsberg ein Bildungszentrum für die Durchführung der überbetrieblichen Kurse für Lernende aus dem Kanton Jura und aus dem Berner Jura gebaut. Das neue Finanzierungssystem der Berufsbildung ist seit 2008 in Kraft. Die früheren Subventionen, die auf den anrechenbaren Kosten beruhten und vom Bund an die Kantone sowie an die Organisationen der Arbeitswelt ausgerichtet wurden, wurden durch eine Pauschalfinanzierung abgelöst. Die schweizerische Berufsbildungsämterkonferenz (SBBK) und die Organisationen der Arbeitswelt die in der Partnerschaft mit dem Bund und den Kantonen durch das Arbeitgebernetzwerk für Berufsbildung (SQUF) vertreten sind haben gemeinsam ein Finanzierungsmodell für die überbetrieblichen Kurse (ÜK) erarbeitet. Dieses Modell basiert auf einer Einheitspauschale, die pro Kurstag und Teilnehmer ausgerichtet wird. Die ÜK-Pauschale basiert auf den tatsächlichen Gesamtkosten der überbetrieblichen Kurse während der Lehrdauer. Sie umfasst alle Beiträge der öffentlichen Hand, wie die früheren Beiträge an die jährlichen Betriebseinrichtungskosten oder die Investitionszuschüsse. Nebst diesen Pauschalen haben einige Kantone (meist aus der lateinischen Schweiz) kantonale Berufsbildungsfonds geschaffen, die von den Unternehmen geäufnet werden. Diese Fonds dienen verschiedenen Bildungsaktionen im Bereich der Berufsbildung und ermöglichen es namentlich, die ÜK-Beträge zu senken, die von den ÜK-Erbringern den Lehrbetrieben in Rechnung gestellt werden. Die Regierung kann die gestellten Fragen wie folgt beantworten: Frage 1: Der jurassische Schreiner-, Zimmer- und Tischlermeisterverband die «Association jurassienne des menuisiers, charpentiers, ébénistes (AJMCE)» hat in einem an die Erziehungsdirektion des Kantons Bern gerichtetem Schreiben vom 21. August 2009 einen externen Finanzierungsbedarf von Franken für den Bau der «Ecole jurassienne du bois» angemeldet. Da die bernische Gesetzgebung keine Rechtsgrundlage für die Finanzierung der Investitionen von ÜK-Anbietern enthält, hat das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) des Kantons Bern eine Mietlösung in der Liegenschaft des «Centre de formation professionnelle Berne francophone» (ceff), Abteilung Gewerbe, in Moutier vorgeschlagen. Der Mietpreis umfasste die Abschreibung der Investitionen, die in Moutier hätten getätigt werden müssen, um die Holzfachschule aufzunehmen. Gleichzeitig gewährte das jurassische Parlament einen Kredit von Franken für den Bau dieser Schule. Das Berner Angebot fiel somit aus dem Rennen. Mann kann sagen, dass die heutige Gesetzgebung des Kantons Bern für die Wettbewerbsfähigkeit des Angebots im französischsprachigen Kantonsteil etwas problematisch war. Frage 2: Ja, der Regierung ist die Situation bekannt (vor allem das Fehlen eines kantonalen Berufsbildungsfonds), und sie hat dies bereits in ihrer Antwort auf die Lehrstellenmotion Aellen 320/09 erwähnt. Frage 3: Im Gegensatz zum Kanton Jura, fehlt im Kanton Bern eine rechtliche Grundlage, um Investitionsbeiträge in den Bau von Gebäuden für überbetriebliche Kurse zu sprechen Im Kanton Bern müssen die privaten ÜK-Leistungserbringer die Investition finanzieren. Da die Lasten des Leistungserbringers nach der Investition oft zunehmen, kann der Kanton danach je nach Fall und nach Prüfung der Finanzzahlen des Leistungserbringers den Pauschalbeitrag pro ÜK-Tag und -Teilnehmer um einen befristeten «Kantonsbeitrag 2» erhöhen, dies um die Lasten des Leistungserbringers während der ersten Jahre nach der Investition zu mildern (vgl. Art. 128 der Verordnung über die Berufsbildung, die Weiterbildung und die Berufsberatung (BerV), BSG ). Diese Praxis gilt in den meisten deutschsprachigen Kantonen. Der Kanton Bern wird diesen Grundsatz nutzen, um der jurassischen Holzfachschule während zwei, drei Jahren zu helfen.

53 Erziehung 8. Juni 2011 Morgen 495 Frage 4: Ja. Frage 5: Das heutige System entspricht den Erwartungen der meisten Leistungserbringer. Die Organisationen der Arbeitswelt, die die überbetrieblichen Kurse durchführen, sind private Leistungserbringer, und die Regierung ist der Auffassung, dass es nicht am Kanton ist, die Investition zu finanzieren. Die Regierung sieht bei der heutigen Gesetzgebung keinerlei Handlungsbedarf. Frage 6: Philosophie und Kultur der Berufslehre sind in den deutschen und in den welschen Kantonen nicht immer gleich. Es kann festgestellt werden, dass die Unternehmen in der deutschen Schweiz ihren Ausbildungsauftrag als Privataufgabe betrachten und vielleicht weniger um staatliche Hilfe ersuchen als dies in der lateinischen Schweiz der Fall ist. Wie bereits in der Antwort auf die Motion Aellen 320/09 gesagt wurde, wurde die Frage eines kantonalen, durch die Unternehmen geäufneten Fonds, der zusätzliche Hilfen für die Anbieter im Bereich der Berufsbildung ermöglichen würde, bereits mehrmals diskutiert und jedes Mal verworfen. Präsident. M. Aellen est satisfait et ne fait pas de déclaration. Geschäft /10 Interpellation Schneider, Diessbach b. Büren (SVP) Stellenzuwachs an der Uni Wortlaut der Interpellation vom 24. November 2010 Gemäss den Angaben in den Jahresberichten der Universität Bern wuchsen die Vollzeitstellen im Bereich «Administratives und technisches Personal» zwischen 2006 und 2009 um 237 Stellen von 1242 auf Im Teilbereich «Zentralbereich» betrug die Zunahme im gleichen Zeitraum 174 Stellen, wovon 106 Vollzeitstellen zwischen 2008 und 2009 geschaffen wurden. Im gleichen Zeitraum gingen die ordentlichen Professuren von 241 auf 237 zurück. Dazu stellen sich folgende Fragen: 1. Warum wird die Verwaltung an der Universität Bern in solchem Mass ausgebaut, während gleichzeitig die Anzahl ordentlicher Professuren stagnierte oder sogar abnahm? 2. Wie ist das enorme Wachstum beim administrativen und technischen Personal und hier namentlich im so genannten Zentralbereich zu erklären (Anteil aus Übernahmen, Aufstockung etc.)? 3. Wie hoch sind die Mehrkosten gegenüber 2006, die durch den Personalanstieg im Bereich «administratives und technisches Personal» verursacht werden? 4. Findet es der Regierungsrat richtig bzw. zur Qualitätserhaltung unerlässlich, dass die Bildungsbürokratie in solchem Mass aufgebläht wird? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 23. März 2011 Im Rahmen des Controllings der Universität Bern befasst sich der Regierungsrat unter anderem auch mit Fragestellungen, wie sie vom Interpellanten vorgelegt wurden. Im Rahmen des Controllings wurde festgestellt, dass die Universität keinesfalls über eine aufgeblähte Bildungsbürokratie verfügt. Das Gegenteil ist der Fall: Mit einem Stellenanteil von rund 10 Prozent ist der Zentralbereich der Universität Bern im nationalen Vergleich schlank. Die Vergleichswerte der anderen Hochschulen liegen zwischen 9 und 20 Prozent. Zu den einzelnen Fragen nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung: Frage 1: Der Zuwachs des administrativen Personals betrug in den Jahren ohne Verzerrungsfaktoren (vgl. Detailausführungen zu Frage 2) gesamthaft 4,2 Prozent. Dieser Anstieg erscheint geradezu massvoll, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Studierenden an der Universität Bern in der gleichen Zeit von auf rund Studierende angestiegen ist und sich mit der Einführung des Bologna-Systems der administrative Aufwand der Universitäten wesentlich erhöht hat. Die Zahl der ordentlichen Professuren stagniert, weil diese im Rahmen von Nachfolgeverfahren in den letzten Jahren vermehrt als ausserordentliche Professuren oder als Assistenzprofessuren besetzt wurden. Insgesamt hat jedoch die Zahl der Professuren in den Jahren 2006 bis 2009 um rund 8 Prozent zugenommen. Abgenommen hat die Zahl der zeitlich befristeten Lehraufträge, weil diese vermehrt durch Festanstellungen ersetzt wurden. Um knapp 10 Prozent zugenommen haben die Assistenzstellen (Rotationsstellen). Frage 2: Das administrative und technische Personal, welches auf allen Organisationsstufen (Institut, Fakultät, Zentralbereich) unterstützende Arbeit leistet, hat zwischen 2006 und 2009 um knapp 20 Prozent (207 Stellen) zugenommen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Stadt- und Universitätsbibliothek Bern im Jahr 2008 mit der Universitätsbibliothek zusammengeführt wurde, was zur Überführung von 88 Vollzeitstellen führte. Im Jahr 2009 wurde zudem erstmals das im Stundenlohn angestellte Personal statistisch ausgewiesen (75 Stellen). Ohne diese beiden Faktoren ergibt sich beim administrativen und technischen Personal eine effektive Zunahme von 4,2 Prozent (44,5 Stellen). Demgegenüber hat das wissenschaftliche Personal mit 79 Stellen deutlich stärker zugenommen. Frage 3: Im Zeitraum ist der Kantonsbeitrag an die Universität um 4,7 Mio. Franken (+ 1,8 %) gestiegen. Demgegenüber sind im selben Zeitraum die Personalkosten insgesamt um 54,6 Mio. Franken gestiegen. Darin enthalten sind der allgemeine Personalkostenanstieg (inkl. Folgekosten der Pensionskasse), die kostenneutral überführten Stellen der Stadt- und Universitätsbibliothek sowie neue Stellen. Mit anderen Worten hat die Universität Bern den überwiegenden Anteil der Personalkostensteigerung durch andere Finanzquellen als den Kanton gedeckt (Bund, IUV-Beiträge, Dienstleistungserträge, Drittmittel). Die Kosten für zusätzliche administrative und technische Stellen könnten lediglich über einen Durchschnittswert geschätzt werden. Frage 4: Wie der Regierungsrat bereits eingangs festgestellt hat, kann von einer Aufblähung der Bürokratie nicht die Rede sein. Die Zahl der Studierenden an der Universität Bern ist seit dem Jahr 2000 von auf rund Studierende im Herbstsemester 2010 angestiegen (+ 42 %, inkl. Weiterbildung). Auch durch die Einführung des Bologna-Systems hat sich der administrative Aufwand der Universitäten stark erhöht. Zudem ist die Erschliessung von wettbewerbsorientierten Finanzierungsquellen mit administrativem und technischem Mehraufwand verbunden. Daten des Bundesamtes für Statistik belegen, dass der Zentralbereich der Universität Bern mit einem Stellenanteil von rund 10 Prozent schlank ist. Präsident. Der Interpellant ist nicht befriedigt. Er gibt eine Erklärung ab.

54 Juni 2011 Morgen Erziehung Donat Schneider, Ostermundigen (SVP). Grundsätzlich ist unsere Universität wichtig. Wir sind stolz, dass sie zu den 200 besten Universitäten der Welt gehört. Mit einem neuen Gesetz haben wir ihr kürzlich mehr Autonomie zugestanden. Dies ist wichtig, damit sich die Universität entfalten und ihre Aufgaben wahrnehmen kann. Immerhin bezahlt der Kanton nach wie vor 36 Prozent des benötigten Gelds an die Universität. Somit ist er ein wichtiger Geldgeber. Es ist auch richtig, dass wir hinschauen, wie das Geld eingesetzt wird. Der Regierungsrat schreibt denn auch in der Antwort, dass dies periodisch gemacht wird. Der Rektor hat sinngemäss im Geschäftsbericht 2009 angedeutet, mittelfristig würden seitens des Kantons mehr Mittel benötigt. Dies hat mich motiviert, die Interpellation zu schreiben. Zur Antwort der Regierung. Der starke Stellenzuwachs im administrativen und technischen Bereich wird zum einen mit der Umsetzung der Bologna-Reform und zum andern mit dem starken Zuwachs an Studierenden begründet. Dies ist eigentlich nachvollziehbar. Im Vergleich mit andern Universitäten ist Luft drin, was die Relation der Studierendenzahlen und der Anzahl Angestellte im Zentralbereich betrifft. Die Universität des Kantons Bern weist einen Anteil von 10,3 Prozent Vollzeitstellen im administrativen Bereich im Vergleich zu den Studentenzahlen aus. Ein Vergleich mit den Universitäten Basel, Freiburg oder Zürich zeigt, dass diese 7 bis 8 Prozent ausweisen. Würde die Universität des Kantons Bern mit einer ähnlichen Quote wie Zürich, Basel oder Freiburg arbeiten, ergäbe dies ein Sparpotenzial von 300 bis 500 Stellen. In Franken und Rappen kann ich dies nicht beziffern. Denn aus der Antwort der Regierung auf die Frage 3 geht hervor, dass ein Betrag in Franken und Rappen nicht genannt werden könne. Diese Antwort hat mich nicht befriedigt. (Der Präsident bittet den Redner, zum Schluss zu kommen.) Man hätte zumindest eine Schätzung angeben können. Geschäft /10 Interpellation Hess, Bern (SVP) Wie viel kosten die Auslandstipendien den Kanton? Wortlaut der Interpellation vom 25. November 2010 Am 26. Juli 2010 war in den Nachrichten aus der Verwaltung zu lesen, dass der Kanton Bern 2011 vier Auslandstipendien an Kulturschaffende vergibt. Zwei davon gingen an Literaturschaffende, die ein je sechsmonatiges Auslandstipendium in Paris erhalten. Die beiden anderen sechsmonatigen Auslandstipendien in New York gingen an einen Musikpädagogen sowie an ein Jazz-Duo. Ich bitte den Regierungsrat, nachfolgende Fragen zu beantworten: 1. Wie viel Geld gibt der Kanton Bern jährlich für diese Auslandstipendien aus? 2. Welchen Nutzen haben die Auslandstipendien für den Kanton Bern? 3. Von welchem Budgetposten wird das Geld genommen? 4. Für was verpflichten sich die Künstler im Gegenzug? 5. Wo ist die Auszahlung solcher Stipendien gesetzlich geregelt? (Weitere Unterschriften: 5) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Interpellant möchte wissen, wie viel Mittel in die Auslandstipendien für Kulturschaffende fliessen und welchen Nutzen die Stipendien dem Kanton bringen. Der Regierungsrat zitiert in seiner folgenden Antwort unter anderem aus seiner Auskunft auf Fragen von Grossrat Thomas Fuchs zum Thema Künstlerateliers während der Fragestunde in der Novembersession Frage 1: Für die Auslandstipendien stehen nicht jedes Jahr gleich viel Mittel zur Verfügung. Dies liegt daran, dass die Künstlerateliers in Paris oder New York jedes Jahr, die Ateliers in Berlin oder Bruxelles aber nur alle zwei resp. drei Jahre ausgeschrieben werden. Die Gesamtauslagen des Kantons für Auslandstipendien bestehend aus Miete und Nebenkosten für die Ateliers sowie den Reise- und Lebenshaltungskosten für die Kulturschaffenden belaufen sich in den Jahren 2005 bis 2010 auf Franken Franken Franken Franken Franken Franken Die Auslandstipendien haben sich neben den anderen Auszeichnungen seit Jahrzehnten als Instrument in der personenbezogenen Kulturförderung des Kantons bewährt. Frage 2: Die Stipendien fördern den Kulturaustausch zwischen dem In- und Ausland und tragen zur Bereicherung des kulturellen Lebens im Kanton bei. Mit dem Auslandaufenthalt ermöglicht der Kanton ausgewählten Kulturschaffenden dass sie, die Qualität ihrer Arbeit im internationalen Umfeld überprüfen, sich an Massstäben des internationalen Kunstmarktes messen, sich mit neuen Formen und Inhalten der Gegenwartskunst im Ausland und mit neuen Impulsen einer Metropole auseinandersetzen, sich weiterbilden und sich künstlerisch profilieren, Kontakte aufbauen und pflegen sowie den Kulturaustausch fördern. Das Interesse der ausländischen Medien an den Gästen aus der Schweiz ist oft beachtlich. Die Berichterstattung über die Stipendiatinnen und Stipendiaten bringt indirekt auch dem Kanton Medienpräsenz und trägt zu dessen positiven Image im Ausland bei. Frage 3: Die Auslandstipendien werden aus ordentlichen Staatsmitteln aus dem Budget des Amts für Kultur finanziert. Frage 4: Die Kulturschaffenden verpflichten sich zur Verwirklichung ihres in der Bewerbung beschriebenen Vorhabens. Sollten sie ihren Aufenthalt vorzeitig abbrechen oder sich nicht regelmässig im Atelier aufhalten, müssen sie ihr Stipendium anteilsmässig zurückzahlen. Von den Kulturschaffenden wird weiter verlangt, dass sie nach Ablauf des Aufenthalts einen schriftlichen Schlussbericht einreichen. Meist werden sie nach ihrer Rückkehr von den Spartenkommissionen zu einem mündlichen «Debriefing» eingeladen. Frage 5: Gesetzlich geregelt sind diese Formen der Kulturförderung im Dekret über die kulturellen Kommissionen vom 11. März In Artikel 2, Absatz 1 heisst es dazu: «Die Kommissionen arbeiten Anträge über die Durchführung von Aktionen oder die Verleihung von Auszeichnungen aus, die sie für die Förderung des kulturellen Lebens und Schaffens im Kanton als nützlich erachten. Sie wählen die Form dieser Massnahmen und Auszeichnungen unter Vorbehalt der Bestimmungen von Artikel 5 bis 8 frei.» Die Vergabe von Auslandstipendien oder anderen kulturellen Auszeichnungen geschieht auf Antrag der kulturellen Kommissionen des Kantons Bern zuhanden der Erziehungsdirektion. Die Kriterien der Auslandstipen-

55 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Morgen 497 dien legen die Spartenkommissionen aus Kunst, Literatur, Musik, Theater oder Tanz in Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur fest. Wer sich auf die öffentliche Ausschreibung bewirbt, muss je nach Stipendium oder Sparte unterschiedliche Kriterien erfüllen. Im Fokus stehen die Motivation sowie ein künstlerisches Vorhaben, welches während des Auslandaufenthalts verwirklicht werden soll. Präsident. Der Interpellant ist teilweise befriedigt und gibt eine kurze Erklärung ab. Erich Hess, Bern (SVP). Ich danke dem Regierungsrat für die Beantwortung der gestellten Fragen. Wie Sie sehen, gibt es in der Kulturförderung eine schlechte Entwicklung. Im Jahr 2005 wurden Franken und im Jahr Franken ausgegeben. In diesen fünf Jahren gab es also eine Steigerung um über 50 Prozent. Wir sprechen immer über das Sparen. Also sollten wir hier keine Steigerung vornehmen. Ich glaube, dem Regierungsrat ist es mit dem Sparen nicht so ernst, wie er immer sagt. Denn sonst gäbe es keine solch enormen Steigerungen. Meiner Meinung nach könnte man die Auslandstipendien für Kulturschaffende streichen. Andere Berufsgruppen werden auch nicht finanziell unterstützt, wenn sie ins Ausland gehen, um dort ein wenig zu «sein». Daher bin ich nur teilweise befriedigt. Für die Antworten bin ich jedoch dankbar. Geschäft /11 Interpellation Schneiter, Thierachern (EDU) Islamwissenschaften an der Uni Wortlaut der Interpellation vom 13. Januar 2011 Anlässlich der 176. Stiftungsfeier der Uni Bern plädierte Reinhard Schulze, Professor für Islamwissenschaften, in seiner akademischen Rede für eine islamische Theologie, analog der christlichen Theologie. Diese brauche ihren festen Platz an der Uni. Ich bitte den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen: Wie ist die Haltung des Regierungsrats zu dieser Forderung? Ist die Einführung einer islamischen Theologie an der theologischen Fakultät der Universität Bern geplant? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 6. April 2011 Zu Frage 1 Islamische Theologie an der Uni? Die akademischen Rede von Herrn Prof. Reinhard Schulze (Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie) am Dies Academicus der Universität Bern 2010 zum Thema «der Islam und die Universität» handelte von der Aufgabe der Geisteswissenschaften, bestehende Diskussionen in der Gesellschaft in wissenschaftliche, kritische Arbeit zu verwandeln und so der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, ihre Weltdeutungen, Normen und Werte auf Grundlage einer rationalen Wahrheitsannahme zu prüfen. Herr Prof. Schulze regte eine akademische islamische Theologie an, «ohne welche die Gefahr besteht, dass Laien, oft Konvertiten, die Meinungsführerschaft in den Gemeinden übernehmen und einen Islam predigen, der die Gemeinden von der Gesellschaft abkoppelt». Unter welcher Struktur die islamische Theologie in einer Universität anzusiedeln sei, liess er offen. Er stellte aber klar, dass ohne eine solche Integration in die akademische Welt die Gefahr einer Radikalisierung und die Bildung intellektueller islamischer Ghettos drohe. Die akademische Rede von Herrn Professor Schulze ist, wie alle akademischen Reden, als grundsätzliche Reflexion zu verstehen, hier zum Verhältnis zwischen Islam und Universität. Der Regierungsrat äussert sich nicht zum Inhalt von akademischen Reden. Bevor eine islamische Theologie ihren festen Platz an den Universitäten inne haben könnte, wären auf internationaler und nationaler Ebene komplexe Prozesse in die Wege zu leiten. An der Universität Bern würde die Einrichtung einer Fakultät für Islamische Theologie einen Regierungsratsbeschluss voraussetzen. Die Einrichtung einer ordentlichen Professur für islamische Theologie an der bestehenden Theologischen Fakultät würde voraussetzen, dass eine Strukturkommission zum entsprechenden Schluss kommt und der Antrag der Fakultät von der Universitätsleitung genehmigt würde. Die Aufnahme eines entsprechenden Studienganges müsste zudem im Leistungsauftrag des Regierungsrats an die Universität Bern vorgesehen werden. Zu Frage 2 An der Universität Bern ist keine Einführung einer islamischen Theologie geplant. Präsident. Der Interpellant ist befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Damit sind wir am Ende der Geschäfte der Erziehungsdirektion. Ich wünsche dem Regierungspräsidenten noch einen schönen Tag. Vizepräsidentin Therese Rufer-Wüthrich übernimmt den Vorsitz. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP). Wir fahren fort mit den Geschäften der Volkswirtschaftsdirektion. Geschäft Amt für Landwirtschaft und Natur: Bodenverbesserung; Projekt Nr ; Zusatzkredit, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Erhöhung Rahmenkredit, Verlängerung der Laufzeit) Beilage Nr.13, RRB 0489/2011 Antrag FDP, Feller Ablehnung Matthias Burkhalter, Rümligen (SP), Sprecher der Finanzkommission. Der Nachkredit zur Rebgüterzusammenlegung wurde in der Finanzkommission nicht einfach durchgewinkt. Der Ausschuss FIN / VOL, konkret Hans Rudolf Feller, Jürg Iseli und ich haben das Projekt vor Ort angeschaut. Rund ein Dutzend Fachleute und Projektmitarbeiter haben uns die Probleme und die vorgesehenen Lösungen in den Bieler Rebbergen erklärt. Ein baubewilligtes Projekt lag vor, und es wurde mit der Ausführung begonnen. Im Prinzip hätte niemand mehr die notwendigen Infrastrukturarbeiten stoppen können. Ein Anwohner hat sich jedoch an der Ausführung der Mauern gestört, weil sie beinahe zu schön geworden sind. Daraufhin haben sich auch nationale Schutzorganisationen eingeschaltet und offensichtlich bewirkt, dass gewisse Mauerarbeiten ökologisch und ästhetisch besser und dadurch auch teurer ausgeführt werden sollen. Dies wurde vom Kanton freiwillig korrigiert. Es ist nicht klar, ob das Projekt effektiv hätte gestoppt werden können.

56 Juni 2011 Morgen Volkswirtschaft Die Finanzkommission hat dem Zusatzkredit mit 17 zu null Stimmen zugestimmt, weil die neuen Rebmauern effektiv nicht ins geschützte Landschaftsbild passen: zu perfekt, zu regelmässig, zu effizient ist eben nicht immer schön gebaut. Die Zustimmung zu den Mehrkosten wurde dadurch erleichtert, dass die nationalen Organisationen, die sich an der Ausführung der neuen Mauern gestört haben, erhebliche Mittel für zusätzliche qualitative Verbesserungen erwirkt haben. So können Trockensteinmauern für 1,2 Mio. Franken gebaut werden, die dem Kanton überhaupt keine Kosten verursachen. Bei diesem Kredit geht es nicht um Trockensteinmauern dies kostet nichts. Dem Kanton bleiben bloss Mehrkosten von insgesamt 0,88 Mio. Franken. Davon ist ein Teil der Teuerung zuzuschreiben und hätte ohnehin bezahlt werden müssen. Aus meiner Sicht bleiben drei Punkte etwas unschön. Warum wurde die Problematik der unzweckmässigen Mauern zu spät erkannt? Warum können nationale Organisationen derart auf ein Projekt einwirken, obschon dieses bereits abgeschlossen oder genehmigt ist? Warum hat der Regierungsrat die vierte Etappe mit dem neuen Mauertyp ausgelöst, bevor der Zusatzkredit im Rat behandelt wurde? Die Finanzkommission hat zur Kenntnis genommen, dass diese Fragen weitgehend, aber nicht restlos beantwortet wurden. Gleichzeitig ist sie auch davon überzeugt, dass die Mehrkosten genehmigt werden müssen, denn die Verbesserungen sind eklatant und absolut notwendig. Wir wollen das ausserordentlich schöne Landschaftsbild am Bielersee erhalten und nicht verschandeln. Die Finanzkommission empfiehlt dem Grossen Rat einstimmig, dem Zusatzkredit zuzustimmen. Hans Rudolf Feller, Steffisburg (FDP). Matthias Burkhalter hat die drei Punkte aufgeführt, die Diskussionen ausgelöst haben. Genau aus diesem Grund vertrete ich hier den Antrag der FDP auf Ablehnung des Kredits. Wie Sie gehört haben, war ich selbst auch vor Ort und habe dem Geschäft ebenfalls zugestimmt. Es gilt zu würdigen, dass die Zusammenlegung der Rebgüter eine grossartige Sache ist. Die Weinbauern haben sich eines grossen Projekts angenommen und dieses gekonnt realisiert. Unbestritten ist auch, dass die Infrastrukturanlagen verbessert werden müssen. Die Rebgüter werden heute anders bearbeitet. Insbesondere müssen Ausweichstellen und Zufahrtsrampen geschaffen werden, sodass man in den Rebbergen mit den Maschinen arbeiten kann. Nachdem der Rebmauertyp «Schafis» allgemein genehmigt wurde, hat man 2009 eine Vereinbarung abgeschlossen. Auf die Interventionen von Einzelpersonen und Schutzorganisationen hin hat man im Nachhinein eine Korrektur verlangt. Dies mutet etwas seltsam an. Nun muss der Rebmauertyp «Twann» mit den kleineren Steinen gebaut werden. Dies verursacht erhebliche Mehrkosten. Es mutet auch seltsam an, dass die Intervention so spät kam. Eigentlich kam sie aufgrund einer Einzelperson zustande. Die Medien, insbesondere das «Bieler Tagblatt» haben diese Geschichte genüsslich aufgenommen. Auf der anderen Seite ist auch zu würdigen, dass Private bereit sind, über eine Million Franken für den Bau der Trockensteinmauern zur Verfügung zu stellen. Der Präsident des Fonds Landschaft Schweiz hat anlässlich unseres Besuchs gesagt, wenn der Kanton nicht bereit sei, den Zusatzkredit zu sprechen, dann sei er auch nicht bereit, die 1,2 Mio. Franken locker zu machen. Dies ist mir ziemlich schräg eingefahren. Die Rebbauern sind die Geplagten. Sie haben sich auf die Abmachung verlassen und gingen davon aus, dass ihre Infrastruktur saniert werden könne. Man muss sich schon fragen, was sie denn eigentlich noch glauben sollen. Tatsächlich kommt der Mauertyp «Schafis» etwas grob herüber. Vom Bahnhof Twann aus gesehen fällt er auf. Die gelben Steine werden mit der Zeit jedoch grau und bewachsen. Im gesamten Gebiet sind bereits heute verschiedene Mauertypen vorhanden. Mit der Ablehnung des Zusatzkredits, respektive mit der Opposition gegen den Rebmauertyp «Schafis» ist die Verbesserung der Infrastruktur infrage gestellt. Dies ist bedauerlich. Man wüsste auf unbestimmte Zeit hin nicht, was man bauen darf oder soll. Wie erwähnt sind die Leidtragenden nicht die Verursachenden, sondern die Rebbauern, die nun auf allen Ebenen kämpfen müssen trotz ihrer grossen Anstrengungen. Unter diesen Umständen sind wir nicht «schützig», auf diesen Kuhhandel einzugehen. Es geht uns in keiner Art und Weise um die Franken. Dass die Schutzorganisationen nach wie vor einen so grossen Einfluss haben, dass sie sinnvolle Lösungen vereiteln und Abmachungen hintertreiben können, ist bedauerlich. Offenbar haben die Rebbauern damit begonnen, weiterzubauen, und zwar mit dem neuen Typ. Wie mir der Volkswirtschaftsdirektor gesagt hat, hat er dies auch bewilligt. Auch dies mutet etwas seltsam an, wenn man genau weiss, dass das Geld nicht bis zum Schluss reichen wird. Wir sind nun in der FDP nicht so blöd, den Sack zu schlagen, wenn wir den Esel meinen. Zugunsten der Sache und vor allem der Rebbauern und ihrer Bemühungen ziehen wir den Antrag zurück. Christoph Stalder, Bern (FDP). Sie haben die Ausführungen unseres Fraktionssprechers gehört: Wir wollen das Geschäft nicht hintertreiben. Sie haben gehört, wie sich die Stiftung für Landschaftsschutz für die schönen neuen Rebmauern einsetzt. Auf der Jubiläumsfahrt des «mobicat» gestern Abend auf dem Bielersee sind mir nicht die Rebmauern aufgefallen, sondern die grossflächigen Graffitis längs der A5. Diese verunstalten die schützenswerte Landschaft über hunderte von Metern. Dies scheint niemanden zu stören. Ich bitte die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz, eine solche Bemerkung zur Kenntnis zu nehmen. Fritz Ruchti, Seewil (SVP). Es mutet schon etwas seltsam an. Ich bin froh, dass die FDP-Fraktion ihren Antrag zurückzieht. Ich verstehe jedoch den Antrag und das Vorgehen. Hätte es nicht die unterste Stufe, nämlich die Rebbauern, getroffen, dann hätte ich den Antrag unterstützt. Es geht jedoch um meine Berufskollegen, wenn auch in einer andern Produktionsrichtung. Für eine Melioration sind ein Baubewilligungsverfahren und eine Finanzplanung notwendig, welchen zugestimmt werden muss. Kommen nachträglich Änderungen, kann es nicht sein, dass derjenige, der standortgebunden ist, für die Mehrkosten aufkommen muss. Der Volkswirtschaftsdirektion, respektive der gesamten Regierung möchte ich Folgendes mitgeben: Sollten nationale oder kantonale Institutionen, beispielsweise die Denkmalpflege, Änderungen verlangen, so haben diese auch aufzuzeigen, wie dies zu finanzieren ist. Es kann doch nicht sein, dass man Abänderungen vornimmt und dem Grossen Rat schlussendlich einfach die Mehrkosten unterbreitet. Wenn man dies nicht goutiert, trifft es die Rebbauern. In Zukunft verlange ich von der Regierung, solche Geschäfte seriöser zu prüfen und die Finanzen im Griff zu behalten. Sonst soll mir ein Regierungsrat hier noch sagen, man müsse sparen. Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Ich wollte eigentlich zur Ratseffizienz beitragen und nichts sagen, aber das Votum von Herrn Grossrat Ruchti trieb mich nun doch noch vors Mikrofon. Ich muss ganz klar festhalten, dass in diesem Geschäft genau das gemacht wurde, was Herr Ruchti hier von der Regierung verlangt ich bitte doch darum, die Unterlagen zu prüfen. Bevor ich das Geschäft in den Grossen Rat brachte, war es meine explizite Vorgabe, dass dafür

57 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Morgen 499 gesorgt werden müsse, dass alle, die bisher mitfinanzierten, auch weiter mitfinanzieren, zum Beispiel der Bund. Ich forderte ganz klar, dass ich von den Schutzorganisationen und von den Privaten auch etwas sehen wolle, sodass diejenigen, die die Forderung nach Verbesserungen stellten, dann auch effektiv finanziell beitragen. Heute ist vorgesehen, dass rund eine Million Franken private Gelder von den Schutzorganisationen in das Projekt einfliessen werden. Daher verwahre ich mich hier klar gegen den Vorwurf, die Regierung hätte einfach das übernommen, was man ihr «aufs Auge drückte» und bringe es ins Parlament. Wir forderten ganz klar, dass alle mithelfen müssen, auch die Privaten. Als diese Forderung erfüllt war, brachte ich das Geschäft ich gebe zu, mit wenig Freude hier in den parlamentarischen Prozess. Ich finde, dass nun ein Kompromiss vorliegt, mit dem man leben kann. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 121 Stimmen 3 Stimmen 5 Enthaltungen Präsident Beat Giauque übernimmt wieder den Vorsitz. Geschäft Amt für Wald; Steinschlagschutzprojekt Adelboden, Gemeinde Adelboden. Ausgabenbewilligung; mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) Beilage Nr. 13, RRB 0490/2011 Präsident. Wird das Wort zu diesem Geschäft verlangt? Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 130 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft /11 Dringliche Interpellation Aellen, Tavannes (PSA) Was tut der Kanton Bern im Hinblick auf die ab April 2011 stark ansteigende Zahl der Ausgesteuerten? Wortlaut der Interpellation vom 14. Februar 2011 Am kommenden 1. April werden viele Arbeitslose in unserem Land ausgesteuert. Der Bund geht von bis Personen aus, die an diesem Tag aus der Arbeitslosenversicherung entlassen werden (gegenüber rund 2100 im schweizerischen Monatsmittel). Die im vergangenen Jahr in der Volksabstimmung angenommene Gesetzesänderung sieht nämlich für einige Bevölkerungsgruppen (Junge und alle, die weniger als 18 Monate ALV-Beiträge einbezahlt haben) eine Kürzung der ALV-Bezugsdauer vor. In einigen welschen Kantonen wird es zu einem regelrechten Ansturm neuer Sozialhilfebezüger auf die Sozialämter kommen: VD: 2900 neue Fälle, NE: 1200 bis 1400, GE: 600 bis 800, JU: 550, FR: 245 und VS: 600 bis 700. Auch die Mehrkosten der zusätzlichen Sozialhilfeleistungen werden enorm sein: VD: 25 Mio. Franken, NE: 4,5 Mio. Franken, GE: 10 Mio. Franken, JU: 1,5 Mio. Franken, FR: 3 Mio. Franken und VS: 4 bis 6 Mio. Franken. Der Bund geht von einem Lastentransfer zu den Kantonen von 100 Mio. Franken aus. Die Sozialhilfedirektorenkonferenz spricht von 130 bis 236 Mio. Franken, was einer Zunahme der jährlichen Sozialhilfekosten um 5 Prozent entspricht. Der Regierungsrat wird um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Wie sieht die Situation für den Kanton Bern aus (zusätzliche Arbeitslose, geschätzte Kosten usw.)? 2. Hat der Kanton wie andere Kantone auch diese neue Situation antizipiert? Wie? Welche Massnahmen wurden getroffen? 3. Betroffen sind in erster Linie junge Arbeitslose. Welche Wiedereingliederungsmassnahmen wurden getroffen, um diesen Betroffenen zu helfen? 4. Wurde der Ausbildungsteil ausgebaut? Was gedenkt man in diesem Bereich genau und praktisch gesehen zu unternehmen? 5. Die kommunalen Sozialhilfestellen stehen an erster Front, um diesen Zustrom an Ausgesteuerten aufzunehmen und zu betreuen. Hat der Kanton besondere Massnahmen vorgesehen, um sie zu unterstützen? Werden diese Sozialhilfestellen personell verstärkt (Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Verwaltungspersonal)? 6. Wie hoch ist der Anteil der Gemeinden an diesen Anstrengungen? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Imboden, Bern (Grüne) Die unschöne Kehrseite der unsozialen Arbeitslosenversicherungsrevision Wortlaut der Interpellation vom 16. März 2011 Der Regierungsrat wird angesichts der Umsetzung der Revision der Arbeitslosenversicherung per 1. April 2011 um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Wie viele Personen werden im Kanton Bern ab dem 1. April 2011 aufgrund der AVIG-Revision ausgesteuert? Welche Gemeinden sind besonders betroffen? 2. Mit welchen Mitteln reagieren die Gemeinden auf die Anzahl Ausgesteuerter, die sich zum Teil an die kommunale Sozialhilfe wenden (Ausbau Personal, Erhöhung der Finanzmittel, höhere Aufwendungen für Sozialhilfe usw.)? 3. Ist der Kanton bereit, Massnahmen zu ergreifen, um Langzeitarbeitslose und Ausgesteuerte vor Prekarität zu schützen und ihre Existenzsicherung zu gewährleisten? 4. Mit welchen Massnahmen kann verhindert werden, dass die Revision zu Lohndumping führt, u. a. da neu Personen bis zum 30. Altersjahr auch Arbeiten annehmen müssen, die nicht ihrer Ausbildung und bisherigen Tätigkeit entsprechen, und daher Lohndruck droht? 5. Ist der Kanton bereit, ein Monitoring zu erstellen, um die Situation der Ausgesteuerten und die Konsequenzen in den Gemeinden zu beobachten? 6. Ist der Kanton bereit, bei Bedarf zusätzliche Angebote für ausgesteuerte Personen zur Verfügung zu stellen, beispielsweise durch den Ausbau von BIAS-Einsatzplätzen in der Sozialhilfe? 7. Stellt der Kanton durch entsprechende Massnahmen und eine gezielte Information der Betroffenen sicher, dass ausgesteuerte Personen weiterhin von der Vermittlungstätigkeit der RAV profitieren können und dort gleich behandelt werden wie andere Personengruppen? Begründung: Im Vorfeld der Abstimmung wurden u. a. durch die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard die realen Folgen der Revision mit viel Energie heruntergespielt. Für die direkt Betroffenen bringt die Revision massive Konsequenzen, Verunsicherung und existenzielle Nöte. Die Kantone und

58 Juni 2011 Morgen Volkswirtschaft Gemeinden müssen heute feststellen, dass ihnen die Strukturen und finanziellen Mittel für die Bürgerinnen und Bürger, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mehr haben werden, fehlen, bzw. sie die Kosten der unsozialen Revision bezahlen müssen. Der Entscheid des Bundesrats, die AVIG-Revision per 1. April 2011 einzuführen, stellt für die Arbeitslosenkassen ein echtes Problem betreffend Personalschulung dar. Detailberatungen finden bis Mitte März statt, sodass bei der Einführung des revidierten Gesetzes nicht alle Mitarbeitenden der Arbeitslosenkassen vollumfänglich informiert sein werden. Der ungenaue Informationsstand wird die Verunsicherung der Versicherten unweigerlich verstärken. (Weitere Unterschriften: 12) Gemeinsame schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die beiden Interpellationen beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 2, die auf den 1. April 2011 in Kraft getreten ist. Sie werden deshalb gemeinsam beantwortet. Ausgabenkürzungen bei der Arbeitslosenversicherung bedeuten geringere Leistungen an Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dies führt teilweise zu zusätzlichem Aufwand bei der Sozialhilfe. Diese ist im Kanton Bern eine gemeinsame Aufgabe von Kanton und Gemeinden 3. Die individuellen Leistungsangebote werden von den Gemeinden bereitgestellt (Art. 15 SHG) und über den Lastenausgleich von Kanton und Gemeinden je zur Hälfte finanziert. Eine Schätzung des finanziellen Mehraufwands für die Kantone ist schwierig. Aus verschiedenen Gründen besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung und der Beanspruchung von Sozialhilfe. Ein von der Sozialdirektorenkonferenz in Auftrag gegebener Bericht 4 beziffert den jährlichen Mehraufwand für Sozialhilfe gesamtschweizerisch auf 127 bis 155 Mio. Franken. Damit wurde die Schätzung gegenüber der in der Interpellation 060/11 genannten Zahl deutlich nach unten korrigiert. Der Mehraufwand gemäss diesem Bericht würde eine Steigerung der Sozialhilfekosten von drei bis vier Prozent bedeuten. Das SECO hat demgegenüber einen Mehraufwand für die Kantone und Gemeinden von jährlich 95 Mio. Franken errechnet 5. Berechnungen für die einzelnen Kantone liegen nicht vor. Erfahrungsgemäss entfällt auf den Kanton Bern jeweils rund ein Siebtel der gesamtschweizerischen Ausgaben der Sozialhilfe. Auf dieser Basis wäre für Kanton und Gemeinden mit einem Mehraufwand von jeweils zwischen 6,5 und 11 Mio. Franken zu rechnen. Das erste Quartal 2011 war im Kanton Bern in allen Verwaltungskreisen und bei allen Alterskategorien von einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit geprägt. Allein im März 2011 haben 260 Personen eine Arbeit gefunden, die unmittelbar von der Aussteuerung bedroht waren. Aufgrund der 2 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz; AVIG; SR 837.0) 3 Artikel 11 des Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1) 4 Peter, M./ Schwegler, R./ Maibach, M., Auswirkungen der Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes auf die Kantone. Aktualisierung nach Parlamentsbeschlüssen vom Frühjahr Hrsg. von INFRAS im Auftrag der Sozialdirektorenkonferenz (SODK). Schlussbericht, Zürich, 30. August Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2010 in Erfüllung des Postulats Fässler-Osterwalder: Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG): Die 4. AVIG-Revision und mögliche Auswirkungen auf die Kosten der Sozialhilfe, der Kantone und der Gemeinden. Arbeitslosenzahlen per 31. März 2011 steht fest, dass 1200 Personen ausgesteuert worden sind (gegenüber 280 bis 350 Personen in anderen Monaten). Wie viele von Ihnen auf Sozialhilfe angewiesen sein werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb kann ihre Zahl nicht berechnet, sondern nur geschätzt werden. Gemäss Erfahrungswerten der SKOS 6 und der Arbeitslosenversicherung werden bis zu 25 Prozent der Personen nach der Aussteuerung von der Sozialhilfe unterstützt. Dies würde 200 bis 230 Personen bedeuten, die zusätzlich Sozialhilfe beantragen werden. Die konkreten Fragen der Interpellation 060/11 «Was tut der Kanton Bern im Hinblick auf die ab April 2011 stark ansteigende Zahl der Ausgesteuerten?» lassen sich folgendermassen beantworten: 1. Per 1. April 2011 wurden rund 1200 Personen ausgesteuert. Zum Aufwand für die Sozialhilfe ist auf die erwähnten Schätzungen abzustellen. 2. Der Kanton Bern hat sich wie alle anderen Kantone vorbereitet, in erster Linie durch Organisation, Schulung und Information. Die Geschäftsbereiche «Arbeitsvermittlung» und «Arbeitslosenkasse» des beco haben bereits ab Oktober 2010 eine spezielle Projektorganisation eingesetzt und nebst interner Schulung insbesondere auch die regionalen Sozialdienste und die Anbieter arbeitsmarktlicher Massnahmen einbezogen. Die betroffenen Personen wurden mehrmals schriftlich informiert. Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion ermöglicht den Gemeinden, die Zahl der Plätze in den Beschäftigungs- und Integrationsprogrammen (BIAS) befristet und innerhalb des bewilligten Kredits um bis 70 Jahresarbeitsplätze zu erhöhen. Davon können rund 140 Sozialhilfebeziehende profitieren (ein Einsatz dauert in der Regel 6 Monate). Zudem kann die Stellenplanverfügung 2011 des Sozialamts angepasst werden, wenn ein Sozialdienst ausserordentlich belastet ist. 3. Ausgesteuerte Jugendliche in einem Motivationssemester können bis zum ursprünglichen Enddatum weiter teilnehmen; sie müssen lediglich innert 30 Tagen eine Unfallversicherung abschliessen. Sie können auch von den zusätzlichen BIAS-Plätzen profitieren. Diese haben das Ziel, die ausgesteuerten Jugendlichen möglichst rasch in ihrer beruflichen Integration zu fördern. 4. Für die dauerhafte berufliche Integration und finanzielle Selbstständigkeit ist insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene eine abgeschlossene Ausbildung wichtig. Die nötigen Instrumente sind vorhanden. Sie werden regelmässig überprüft und den Bedürfnissen angepasst, weshalb keine grundsätzliche Anpassung nötig war. Gemäss SKOS-Richtlinien können Beiträge an eine Aus-, Fort- oder Weiterbildung subsidiär zu anderen Quellen (Stipendien, Elternbeiträge, Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder Invalidenversicherung etc.) gewährt werden. Die BIAS enthalten seit dem Beginn im Jahr 2006 je nach Programmtyp ebenfalls Bildungsanteile. Auch in der Interinstitutionellen Zusammenarbeit liegt ein Schwerpunkt bei der beruflichen Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 5. Wie in der Antwort auf die Frage 2 ausgeführt, wurden die erforderlichen Massnahmen getroffen. 6. Die Fachstellen Sozialarbeit sowie die BIAS sind lastenausgleichsberechtigt. Das bedeutet, dass sich die Gemeinden zu 50 Prozent an den zusätzlichen Kosten für die 6 Die SKOS ist ein Fachverband, der sich für die Ausgestaltung und Entwicklung der Sozialhilfe in der Schweiz engagiert. Die Organisation setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Gemeinden, Kantonen, Bund sowie privaten Organisationen des Sozialbereichs zusammen.

59 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Morgen 501 Erhöhung der Stellenprozente und die befristete Aufstockung der BIAS-Plätze beteiligen. Die konkreten Fragen der Interpellation 068/11 «Die unschöne Kehrseite der unsozialen Arbeitslosenversicherungsrevision» lassen sich folgendermassen beantworten: 1. Per 1. April 2011 wurden rund 1200 Personen zusätzlich ausgesteuert. Die Verteilung auf die Gemeinden ist vor allem durch die Grösse der Gemeinden bestimmt. 2. Die mit der Sozialhilfe befassten Stellen in den Gemeinden sind orientiert, vgl. die Antwort auf Frage 2 der Interpellation 060/ Für Personen ohne Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung stehen die Instrumente der Sozialhilfe zur Existenzsicherung bereit. Zudem unterstützen die BIAS die langzeitarbeitslosen Sozialhilfebeziehenden in ihrer sozialen und beruflichen Integration. Die AVIG- Revision sieht zudem zwei Massnahmen gegen die Langzeitarbeitslosigkeit vor: Über 50-jährige Versicherte können unabhängig von ihren Ansprüchen auf Arbeitslosenentschädigung bis ans Ende ihrer Rahmenfrist für den Leistungsbezug an Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen teilnehmen (Art. 59 Abs. 3 bis AVIG). Der Finanzierungsanteil der Arbeitslosenversicherung an Einarbeitungszuschüssen wird leicht erhöht und die Bezugsdauer für Versicherte über 50 Jahre generell auf 12 Monate verlängert (Art. 66 AVIG). 4. Der Regierungsrat geht nicht davon aus, dass wegen der Verkürzung der Anspruchsberechtigung generell Lohndruck droht, weil die Zahl der betroffenen Personen im Vergleich mit dem Arbeitsmarkt insgesamt klein bleibt. 5. Das Bundesamt für Statistik erhebt im Bereich der Sozialhilfe bereits die Informationen «Ausgesteuert Ja/Nein» und «Ausgesteuert seit», die Daten werden ab 2011 im jährlichen Tabellenband der Sozialhilfestatistik ausgewiesen. Dies wird Aussagen zulassen, wie viele Personen in welchem Zeitraum nach der Aussteuerung sozialhilfeabhängig werden. 6. Das Angebot von BIAS wird angepasst, wie in der Antwort auf Frage 2 der Interpellation 060/11 ausgeführt ist. 7. Sowohl die betroffenen Personen als auch die Sozialdienste sind orientiert, dass die ausgesteuerten Personen weiterhin auf die Vermittlungsangebote der RAV zurückgreifen können. Die Gleichbehandlung der verschiedenen Personengruppen ist sichergestellt. Präsident. M. Aellen est satisfait et ne fait pas de déclaration. Frau Imboden war nicht anwesend, um bekannt zu geben, ob sie befriedigt ist oder nicht. Wir wissen nur, dass es keine Erklärung gibt zu dieser Interpellation. Vielleicht kann man zuhanden des Protokolls noch nachmelden, ob Frau Imboden befriedigt war oder nicht. Nachträglich wird festgehalten, dass die Interpellantin von der Antwort befriedigt ist. Geschäft /10 Motion Knutti, Weissenburg (SVP) Keine unnötigen kostentreibenden Mindestanforderungen für die Feuerwehren Wortlaut der Motion vom 16. September 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, die Mindestanforderungen der GVB ab 2012 dahingehend anzupassen, 1. dass diese in Ausnahmefällen (z. B. bei der Anschaffung von mobilen Rauchverschlüssen, Wärmebildkameras, Überdruckbelüftern) in Zusammenarbeit mit benachbarten Wehren erfüllt werden können 2. dass allfällige Beitragskürzungen der GVB nicht vorgenommen werden, wenn sich Zusammenarbeitsprojekte zur Umsetzung der Mindestanforderungen in der Realisierungs- oder Umsetzungsphase befinden Begründung: Gemäss den Vorgaben der GVB muss spätestens ab 2014 jede eigenständige Feuerwehrorganisation im Kanton Bern (ungeachtet ihrer Grösse und ihres Einsatzgebietes!) über einen eigenen Atemschutz, eine Wärmebildkamera, einen Hochleistungslüfter und einen Rauchverschluss verfügen, was insbesondere für kleinere Wehren auf dem Land enorme Investitionen bedingt. Auch kleinere Feuerwehrorganisationen, bei denen auch in Zukunft kein Personalmangel besteht, sollen weiterhin kostengünstig betrieben werden können. Die Feuerwehr ist und bleibt für eine Gemeinde ein wichtiger Bestandteil des Dorflebens. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es die GVB in gewissen Situationen nicht zulässt, diese Geräte in Zusammenarbeit mit Nachbarwehren einzusetzen. Denn gerade damit könnten die Zusammenarbeit zwischen Wehren gefördert und allenfalls der Grundstein für allfällige spätere Zusammenschlüsse gelegt werden. Das Vorgehen der GVB, solche Mindestvorschriften ungeachtet der Grösse und der Situation der jeweiligen Wehren durchzudrücken, ist insbesondere gegenüber den kleineren Wehren auf dem Land nicht angebracht. Die GVB argumentiert, dass es aus zeitlichen Gründen nicht genügt, wenn solche Geräte erst bei Bedarf bei Nachbarwehren angefordert werden, weil es sich um Material handelt, das für den Ersteinsatz einer Feuerwehr notwendig ist und in den ersten Minuten wirkungsvoll zum Einsatz kommen muss. Da grössere Wehren zwangsläufig deutlich längere Distanzen bis zum Einsatzort zurücklegen müssen, ist dieses Argument nicht stichhaltig. Den Wehren muss es ermöglicht werden, im Ersteinsatzdispositiv die im Verbund betriebenen Geräte anzufordern (z. B. die Wärmebildkamera), was zu keinen nennenswerten Verzögerungen führt. Beispiel: Wenn sich die Wehren Oberwil, Därstetten und Erlenbach zusammenschliessen, genügt laut GVB die Anschaffung einer Wärmebildkamera; ansonsten müssen drei Wärmebildkameras angeschafft werden. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 23. März 2011 Die Motion betrifft den Vollzug der Feuerwehrgesetzgebung. Dieser obliegt auf kantonaler Ebene in erster Linie der Gebäudeversicherung Bern (GVB) unter der Aufsicht des Regierungsrates (Art. 44 des Feuerschutz- und Feuerwehrgesetzes [FFG; BSG ] und Art. 57 des Gebäudeversicherungsgesetzes vom 9. Juni 2010 [GVG; BSG ]). Es handelt sich hier also um eine Motion in der abschliessenden Zuständigkeit des Regierungsrates (Richtlinienmotion gemäss Art. 80 Abs. 1 Satz 2 der Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 [KV; BSG 101.1]). Der Regierungsrat hat bei einer Richtlinienmotion einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrags. Entscheid und Verantwortung bleiben beim Regierungsrat. Die Feuerwehrweisungen der GVB werden unter angemessener Berücksichtigung der Richtlinien der Feuerwehr Koordination Schweiz (FKS) erlassen. Sie bilden im Sinne von Mindestanforderungen den Standard bezüglich Ausrüstung, welchen jede Feuerwehrorganisation im Kanton Bern selbstständig erfüllen muss.

60 Juni 2011 Morgen Volkswirtschaft Diese Mindestanforderungen wurden auf den 1. Januar 2011 erweitert, weil damit die Sicherheit der Einsatzkräfte und der Rettungsabläufe wesentlich gesteigert werden kann. Neu muss daher jede Feuerwehrorganisation im Kanton Bern über eigenen Atemschutz, eine Wärmebildkamera, einen Hochleistungslüfter und einen Rauchverschluss verfügen. Die GVB unterstützt dabei die Feuerwehren mit freiwilligen jährlichen Betriebsbeiträgen in der Grössenordnung von 10 Mio. Franken. Diese Betriebsbeiträge sind jedoch eng an die Erfüllung der Mindestanforderungen gebunden und werden daher entsprechend gekürzt, wenn diese nicht erfüllt werden. Es ist in Fachkreisen unbestritten, dass verrauchte Räume nur mittels einer Wärmebildkamera effizient und rasch auf allfällig zu rettende Personen abgesucht werden können. In Anbetracht der extrem schnellen Wirkung von Atemgiften und der heutigen Bauweise, die auch bei kleinen Wohnungsbränden massive Mengen an giftigen Gasen entstehen lässt, ist für eine erfolgreiche Rettung von Menschenleben die sofortige Verfügbarkeit einer Wärmebildkamera entscheidend. So gehört beispielsweise im Kanton Zürich eine Wärmebildkamera schon seit einigen Jahren zur Mindestausrüstung jedes einzelnen Tanklöschfahrzeugs. Ein von der Aussenluft unabhängiger Atemschutz gehört im Feuerwehreinsatz zur persönlichen Schutzausrüstung im Gebäudeinnern und ist dementsprechend für den Ersteinsatz unabdingbar. Hitze und giftige Brandgase können durch den raschen Einsatz von Überdruckbelüftern im Verbund mit mobilen Rauchverschlüssen bekämpft und gezielt ins Freie abgeführt werden. Dadurch werden insbesondere auch Folgeschäden, welche durch den übermässigen Einsatz von Wasser entstehen können, verhindert und die Sicherheit der Einsatzkräfte und der zu rettenden Personen erheblich erhöht. Da die Mindestanforderungen wie bereits ausgeführt durch jede Feuerwehrorganisation im Kanton Bern selbstständig zu erfüllen sind, können diese Vorgaben nicht durch Zusammenarbeitsverträge mit Nachbarorganisationen erfüllt werden. Massstab für die Beurteilung einer Feuerwehrorganisation ist nicht ein möglichst kostengünstiger Betrieb, sondern die bestmögliche Sicherheit der Einsatzkräfte und der zu rettenden Personen. Für die Erfüllung der Mindestanforderungen gewährt die GVB Übergangsfristen bis 1. Januar 2012 bzw. bis 1. Januar Ab 2014 wird die GVB die Erfüllung der Mindestanforderungen kontrollieren und dort, wo diese nicht erfüllt werden, eine Kürzung der Betriebsbeiträge prüfen. Die GVB wird jedoch bereits vor Ablauf der Übergangsfristen mit den betroffenen Gemeinden Kontakt aufnehmen und versuchen, individuelle Lösungsansätze zu finden. Soweit die in Punkt 2 der Motion angesprochenen Zusammenarbeitsprojekte eigentliche Zusammenschlüsse zum Gegenstand haben, ist die GVB ausserdem grundsätzlich bereit, die Fristen zu erstrecken. Dieses Anliegen ist demnach bereits erfüllt. Antrag: Punkt 1, Ablehnung der Motion. Punkt 2, Annahme der Motion unter gleichzeitiger Abschreibung. Präsident. Die Motion wird bestritten; die Diskussion ist eröffnet. Thomas Knutti, Weissenburg (SVP). «Keine unnötigen kostentreibenden Mindestanforderungen für die Feuerwehren»: Gemäss den Vorgaben der GVB muss bis spätestens 2014 jede eigenständige Feuerwehr ungeachtet ihrer Grösse und ihres Einsatzgebiets eine Wärmebildkamera von bis Franken, einen Überdruckbelüfter von 5000 Franken und einen mobilen Rauchverschluss von 1000 bis 1500 Franken anschaffen. Für eine Feuerwehr entstehen somit Kosten von rund Franken. Die GVB begründet den Entscheid wie folgt. Mit den erweiterten Mindestanforderungen könne die Sicherheit verbessert werden. Ich möchte hier Folgendes klar und deutlich festhalten und unterstreichen. Jede Feuerwehr im Kanton Bern ist gewillt, eine Wärmebildkamera anzuschaffen und damit einen grossen Beitrag an die Sicherheit der Bevölkerung zu leisten. Die Sicherheit der Bevölkerung kommt für uns alle ganz klar an erster Stelle. Ein anderer Grund hat mich dazu bewogen, diese Motion einzureichen. Wenn drei Feuerwehren fusionieren, können sie eine Kamera anschaffen. Wenn nicht, müssen sie deren drei anschaffen. Dies wurde den Feuerwehrorganisationen zur Problematik der Anschaffung einer Wärmebildkamera gesagt. Bei solchen Vorschlägen kommt einem unweigerlich der Gedanke, man wolle die Feuerwehren über die Mindestanforderungen verkleinern. Gerade wegen der Sicherheit ist es sehr wichtig, dass in jeder Gemeinde eine eigenständige Feuerwehr besteht. Dies gibt der Bevölkerung Sicherheit, nicht möglichst wenige Feuerwehren in einem grossen Gebiet. Gerade wegen der Zusammenarbeit sollte der Regierungsrat die erste Ziffer meiner Motion akzeptieren. Genau dadurch könnte die Zusammenlegung von Feuerwehren gefördert werden. Kann eine Feuerwehr genügend Angehörige rekrutieren, soll die Feuerwehr bestehen können. Sie soll nicht durch kostentreibende Anforderungen unter Druck gesetzt werden. Ich verlange nicht mehr und nicht weniger, als dass die GVB bei kleinen Feuerwehren auf dem Land, die unbedingt eigenständig bleiben möchten, prüft, ob nicht zwei Feuerwehren gemeinsam eine Wärmebildkamera anschaffen könnten. Mit etwas mehr Flexibilität sollte es möglich sein, die Kosten für die Vorgaben in Grenzen zu halten. Die Vorgaben an die Gemeinden führen ebenfalls zu Mehrkosten. Eine Gemeinde muss doch auch sparen können. Bei kleinen Feuerwehren auf dem Land kommt im Brandfall der nächstgelegene Stützpunkt zum Zug. Wie erwähnt stelle ich in keiner Art und Weise den Nutzen einer Wärmebildkamera in Frage. Ich bin jedoch der Auffassung, es sollte möglich sein, solche Geräte gemeinsam anzuschaffen. Ich möchte Ihnen etwas vorlesen, das eine Gemeinde in der Umgebung Bern betrifft, welche mit der gleichen Problematik konfrontiert war: «Wir empfinden die Drohung der GVB, dass im Fall einer Nichtbeschaffung von Material ihre Beiträge gekürzt werden, nicht als die richtige Lösung.» Ich hoffe, Sie sind aus all den genannten Gründen bereit, dem Regierungsrat den Auftrag zu erteilen, ausnahmsweise eine Zusammenarbeit von Wehren zu gewähren. Ich wandle Ziffer 1 meiner Motion ins Postulat. Ziffer 2 kann so überwiesen werden, wie es die Regierung vorschlägt. Ich danke Ihnen für die Unterstützung. Präsident. Der Motionär hat Ziffer 1 ins Postulat gewandelt. In Ziffer 2 hat er keine Differenz zur Regierung. Ueli Frutiger, Oberhofen (BDP). Herr Knutti verlangt mit seiner Motion, dass in Ausnahmefällen Anforderungen der GVB in dem Sinne geändert werden können, dass bei einer Zusammenarbeit von Feuerwehren die Mindestanforderungen als erfüllt gelten. Für die BDP ist unbestritten, dass die von der Gebäudeversicherung verlangten Geräte wertvolle Hilfsmittel für die Feuerwehren sind. Sie dienen der Sicherheit der Feuerwehrleute wie auch der Geschädigten. Es stimmt auch, dass solche Anschaffungen teuer sind. Der Motionär hat es erwähnt. Bereits eine Wärmebildkamera kostet um die bis Franken. Man kann argumentieren, das Geld dürfe bei der Sicherheit keine Rolle spielen. Eine Mehrheit der BDP stellt sich die Frage, worin der Unterschied liegt, wenn solche Geräte von zusammenge-

61 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Morgen 503 schlossenen oder zusammenarbeitenden Feuerwehren angeschafft werden. Der Motionär erläutert, in seiner Gegend, zwischen Erlenbach und Oberwil, gebe es drei Feuerwehren. Zurzeit müsste jede einzelne Feuerwehr eine solche Wärmebildkamera anschaffen. Bei einer Fusion zu einer Feuerwehr würde eine Kamera reichen. Das Hauptargument in der Antwort der Regierung ist der zeitliche Faktor. Ein solches Gerät, vorab eine Wärmebildkamera, müsse von der ersten Minute an auf dem Schadenplatz sein. Für mich ist dies nicht ganz stichhaltig. Bei einer Zusammenarbeit wird das Gerät von derjenigen Feuerwehr aus kommen, die in dieser Gegend den Lead innehat. Ohne den Feuerwehren Weissenburg oder Oberwil zu nahe zu treten, möchte ich Folgendes festhalten. Falls das Gerät in Erlenbach stationiert ist, dauert es gleich lange, bis es auf dem Schadenplatz ist, unabhängig davon, ob die Feuerwehren zusammenarbeiten oder zusammengeschlossen sind. Der Weg von Erlenbach zu einem Brand in Oberwil ist gleich lang. Aus diesem Grund unterstützen wir die Ziffer 1 der Motion Knutti als Postulat. Ziffer 2 unterstützen wir als Motion bei gleichzeitiger Abschreibung. Präsident. An dieser Stelle unterbrechen wir die Beratungen. Wir fahren am Nachmittag weiter mit den Fraktionssprecherinnen und -sprechern. Ich weise auf die heutige Mittagsveranstaltung «Dialog am Mittag» der Universität Bern, «GPS für die Chirurgie» hin. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Maria Hager (d) Catherine Graf Lutz (f)

62 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 503 Bitte umblättern!

63 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft Vierte Sitzung Mittwoch, 8. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 155 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Natalie Imboden, Vania Kohli, Silvia Lüthi, Irène Marti Anliker, Corrado Pardini. können. Wir lehnen den Vorstoss ab, weil er, ein bisschen unter dem Deckmantel der Pflege des Dorflebens sinnvolle Massnahmen zur Stärkung der Einsatzkraft unserer Feuerwehren torpedieren will. Ziffer 2 kann überwiesen und abgeschrieben werden. Präsident. Der Fraktionssprecher ist noch nicht anwesend, also überspringen wir ihn und lassen Herrn Grossrat Bonsack sprechen, anschliessend für die EVP Herr Grossrat Gfeller. Es kommen alle an die Reihe. Geschäft Motion 175/10 Knutti, Weissenburg (SVP) Keine unnötigen kostentreibenden Mindestanforderungen für die Feuerwehren Fortsetzung Luc Mentha, Köniz (SP). Der Vorstoss betrifft die Ausrüstung der Feuerwehren mit sinnvollen technischen Geräten für den Ersteinsatz. Geholfen wird mit diesen Geräten den Feuerwehrleuten und den Opfern. Nehmen wir als Beispiel Wärmebildkamera und Lüfter. Wenn diese nicht rasch auf dem Schadensplatz zur Verfügung stehen, kann es um Menschenleben gehen. Für unsere Fraktion sind somit Bemerkungen, die vom Wert der Feuerwehren für das Dorfleben reden, völlig fehl am Platz. Auch ich als Gemeindepräsident liebe mein Bier und meine Wurst, wenn ich an einem geselligen Anlass der Könizer Feuerwehr teilnehme. Aber hier geht es nicht darum. Unsere Feuerwehren sollen schlagkräftiger werden und dafür führt kein Weg an sinnvollen Zusammenlegungen vorbei, welche zu Effizienzsteigerungen, Synergien und somit mehr Schlagkraft führen. Vor einigen Jahren führten wir dies bei uns in Köniz durch. In unserer Gemeinde mit 51 km 2 Fläche und 12 Ortsteilen und Dörfern haben wir seit vielen Jahren eine Feuerwehr. Vor knapp 10 Jahren reduzierten wir aber die Zahl unserer Kompanien auf eine einzige, fuhren die Bestände erheblich zurück und sparten so Kosten. Die Leute welche seither bei uns im Einsatz stehen, verfügen über viel mehr Ernstfallerfahrung als in der alten Struktur, als quasi noch jedes Dorf von Köniz eine eigene Kompanie hatte. Das merkt man auch. Die Gleichung ist sehr einfach. Je weniger Leute und schlanker die Organisation ist, desto effizienter, kostengünstiger und professioneller ist die Feuerwehr. Vielleicht kann man sich in einer anderen Struktur eher eine Wärmebildkamera leisten, welche nötig ist, um mit dem Ernstfall rasch vor Ort sein zu können und Menschenleben zu retten. Vielleicht kann sich dann nicht mehr jede einzelne Gemeinde im Kanton ihre eigene Feuerwehr und den eigenen Feuerwehrkommandanten leisten, dafür aber in einer sinnvoll zusammengelegten Feuerwehr vielleicht eine zusätzliche Wärmebildkamera. Und um beim Beispiel der Wehren von Oberwil, Därstetten und Erlenbach zu bleiben: Es wurde von verschiedenen Vertretern richtig hinterfragt was es im Ernstfall nütze, wenn die Wärmebildkamera mit grossem Zeitverlust aus einer anderen Gemeinde auf den Schadenplatz gebracht werden müsse. Der Konflikt um die Mindestauflage der GVB ändert daran nichts, darüber sind wir uns einig. Aber anstatt sich gegen die Auflagen zu wehren, welche die Mindestausstattung zum Thema haben, sollten sich die drei Gemeinden und auch andere überlegen, sich in der Reorganisation effizient aufzustellen und damit Kosten zu sparen, damit sie sich vielleicht eine notwendige zusätzliche Wärmebildkamera leisten Peter Bonsack, Kallnach (EDU). Ich mache es ganz kurz. Wir begreifen die Gebäudeversicherung. Sie macht Druck auf die vielen kleinen Feuerwehren. Das finden wir gar nicht so schlecht. Es macht Sinn, dass die kleinen Dorffeuerwehren fusionieren. Es ist nämlich auch in kleinen Dörfern zunehmend schwierig, geeignete Personen für den Feuerwehrdienst zu finden. Deswegen lehnen wir die Motion respektive auch das Postulat sowohl in Punkt eins als auch in Punkt 2 ab. Niklaus Gfeller, Worb (EVP). Für uns von der EVP-Fraktion ist es unerlässlich, dass die Feuerwehren so ausgerüstet sind, dass die Einsatzkräfte und auch die Opfer bei einem Ernstfall so gut wie möglich geschützt sind. Das ist für uns wesentlich wichtiger als ein kostengünstiger Betrieb. Eine Wärmebildkamera beispielsweise muss bei einem Brand zur Verfügung stehen. Es kann nicht sein, dass man diese zuerst bei der Feuerwehr der Nachbarsgemeinde holen gehen muss. So gehen wertvollen Minuten verloren, die weiteren Schaden verhindern oder allenfalls sogar die Rettung eines Opfers ermöglichten. Aus unserer Sicht müsste tatsächlich geprüft werden, ob kleine, ungenügend ausgerüstete Feuerwehren nicht doch besser zu grösseren Organisationen zusammengeführt werden sollten. Aus diesen Gründen wird unsere Fraktion Punkt 1 als Postulat ablehnen. Eva Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP). Luc Mentha und andere Redner sagten es bereits: Hier geht es um das Problem der kleinen Feuerwehren und der kleinen Gemeinden. Das oberste Gebot ist die Sicherheit der Feuerwehr und der Menschen, die sich in einem brennenden Haus befinden könnten. Klar werden damit Kosten anstehen das wissen wir auch. Im Internet kann man sich darüber informieren, was die einzelnen Gerätschaften kosten. Nicht nur die Gemeinden sind teilweise klein und es wäre sinnvoller, mehr zu zusammenzuarbeiten was ja nicht zwangsläufig zu einer Fusion führen muss sondern auch die Feuerwehren. Deshalb, weil die Sicherheit vorgeht und es daher wichtig ist, dass die einzelnen Feuerwehren richtig ausgerüstet sind, lehnt die FDP Punkt 1 ab. Bei Punkt 2 sind wir für Annahme und Abschreibung. Martin Schlup, Schüpfen (SVP). Die Motion fordert, dass die Mindestanforderungen in Ausnahmefällen gemeinsam mit Nachbarwehren beschaffen werden können. Die SVP- Fraktion unterstützt den Punkt 1, der in ein Postulat gewandelt wurde, mehrheitlich. Dies aus folgendem Grund. Wie die GVB festhält, steht die Sicherheit der Einsatzkräfte und der geretteten Personen an erster Stelle und solche Anschaffungen sind deshalb unbestritten. Gerade für kleinere Feuerwehren sind solche Anschaffungen aber sehr grosse Investitionen. Deshalb erachten wir es als sinnvoll, solche Geräte

64 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 505 gemeinsam beschaffen zu können. Besser als in abgelegenen Gemeinden oder kleinen Orten gar keine Feuerwehr mehr zu haben, finden wir, wenigstens noch eine Feuerwehr zu haben, die dann vielleicht nicht gerade über alles Spezialmaterial verfügt, es aber bei Bedarf bei der Nachbarwehr verlangen kann. Dies umso mehr als die eigentliche Beschaffung bei den heutigen Alarmorganisationen relativ einfach ist. Wenn ich als Feuerwehrkommandant alarmiert werde, kann ich das Material gleich bei der Nachbarfeuerwehr oder beim Stützpunkt bestellen und dann gelangt es auch den Zielort. Wenn nun Feuerwehren zusammengelegt werden, gibt es beispielsweise in den vier Gemeinden auch nicht vier Wärmebildkameras sondern nur noch eine. Sie wird also vielleicht nicht schneller auf dem abgelegenen Bauernhof oder im Schulhaus ankommen. Punkt 2 nehmen wir, wie der Regierungsrat empfiehlt, an und lassen ihn abschreiben. Präsident. Damit kommen wir zu der letzten Fraktionssprecherin. Für die Grünen spricht Grossrätin Häsler. Die glp- CVP-Fraktion verzichtet auf eine Fraktionsstellungnahme. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne). Ich kann unsere Stellungnahme kurz halten. Wenn wir nur den Titel lesen, möchten wir selbstverständlich auch keine unnötigen kostentreibenden Mindestanforderungen für die Feuerwehren. Aber wir sind überzeugt, dass es diese Mindestanforderung braucht und sie, gerade auch für die Sicherheit der Feuerwehrleute, wichtig sind. Thomas Knutti wir sind aber froh, dass du den Punkt 1 in ein Postulat gewandelt hast. Wie es jetzt dasteht finden wir das Postulat sinnvoll. Es ist auch vernünftig, in Ausnahmefällen ab und zu genauer hinzuschauen, ob die Zusammenarbeitsform noch verstärkt werden könnte Das finden wir sinnvoll und keineswegs schädlich. Wir unterstützen diese Motion mit dem gewandelten Punkt 1. Paul Messerli, Kirchdorf (SVP). Ich kann Ihnen von unseren Dörfern ein Beispiel erzählen, wie es an und für sich funktionieren könnte, aber von der Gebäudeversicherung her so nicht mehr funktionieren solle. Wir sind vier Gemeinden, welche für die Feuerwehren mit einem Zusammenarbeitsvertrag alles geregelt haben. Wir schafften eine Wärmebildkamera, den Lüfter und den Atemschutz gemeinsam an. Die Nutzung wird durch den Zusammenarbeitsvertrag geregelt. Wenn etwas benötigt wird, bestellen wir es, denn es besteht auch eine gemeinsame Alarmierung. Wenn also ein Ersteinsatz gefordert ist, kommen die Leute der Feuerwehren im Ersteinsatz aller Gemeinden und das Material auf den Platz. Nun soll der Zusammenarbeitsvertrag gemäss dem neuen Modus der Gebäudeversicherung nicht mehr gelten. Das bedeutet für uns im Grunde genommen, dass eine bestehende, praktikable und einfache Lösung, wie wir sie mit den Feuerwehren praktizieren und die standhält, nicht mehr gelten soll. Nun heisst es, wir sollen halt fusionieren. Das ist eine Variante. Wir klären dies momentan auch ab. Es spielen aber auch andere Themen mit. Da tauchen plötzlich politische Gründe auf. Es gibt Gemeinden, welche das Sitzgemeindemodell bevorzugen, andere Gemeinden das Verbandsmodell. Etwas Bestehendes, das sämtliches notwendige Material durch einen Zusammenarbeitsvertrag regelte, soll nicht mehr funktionieren. Deshalb bitte ich Sie den Punkt 1 gemäss dem Motionär zu überweisen. Adrian Wüthrich, Huttwil (SP). Jetzt fühle ich mich auch genötigt, noch etwas zu sagen und kann gerade an meinen Vorredner anknüpfen. Als Vertreter der Gemeinde Huttwil, als Gemeinderat, der für die Feuerwehr zuständig ist, fühle ich mich auch ein wenig düpiert über das Vorgehen der Gebäudeversicherung, einfach zu beschliessen, die praktikablen Lösungen seien plötzlich nicht mehr gültig und es gebe kein Geld mehr, wenn die Feuerwehren zusammenarbeiten. Auch in der Region Huttwil existieren Zusammenarbeitsverträge, die gut funktionieren. Gestern Abend hatten wir nun eine Sitzung, an der wir darüber berieten, wie die Feuerwehren in der Region Huttwil fusionieren könnten und wie das aussähe. Ich kann mir vorstellen, dass es einen Wildwuchs bei den Modellen geben könnte, was sicher auch nicht ganz der Vorstellung der Gebäudeversicherung entspricht. Natürlich wird die Organisation schlanker werden wir werden in unserer Region den Bestand der Feuerwehrangehörigen etwa halbieren können. Die Kosten aber werden wir sicher nicht halbieren können, diese werden uns bleiben. Der oberste Feuerwehrmann des Kantons Bern hört uns übrigens zu darum fühle ich mich sicher noch einmal befugter hier zu sprechen. Deswegen und auch als ein kleiner Protest werde ich dem Postulat mit Überzeugung zustimmen und bitte den Rat, dies auch zu tun. Präsident. Der Motionär will nach dem Regierungsrat sprechen. Ich möchte noch daran erinnern, dass Punkt 1 in ein Postulat gewandelt wurde. Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Ich möchte einen dreifachen Dank aussprechen. Zunächst danke ich für die sachliche Diskussion. Zweitens möchte ich den Gemeinden im Kanton Bern ganz herzlich für die Arbeiten danken, die sie im Rahmen der Feuerwehr tagtäglich leisten. Es handelt sich um eine wichtige Arbeit. Zuletzt möchte ich insbesondere auch im Namen des Regierungsrats ganz herzlich all denjenigen Leuten danken, die im Kanton Bern in der freiwilligen Feuerwehr Milizarbeit leisten. Es ist eine wichtige Arbeit, welche auch Gefahren birgt. Es ist also nicht selbstverständlich dass so viele Leute bereit sind, diese Arbeit zu tun. Die Anliegen der Motion sind zweierlei. Einerseits soll die Zusammenarbeitsform gleich behandelt werden wie Fusionen. Der zweite Punkt verlangt, dass bei laufenden Projekten keine Kürzung erfolgen soll. An diesem Punkt sind die Regierung und der Motionär auf derselben Linie, ihn können wir ein wenig beiseitelassen. Zuerst will ich drei grundsätzliche Bemerkungen aus Sicht der Regierung machen. Es handelt sich hier um eine Richtlinienmotion. Das legten wir eingangs der Antwort auch schriftlich dar. Es handelt sich um eine Richtlinienmotion, die noch beinahe ein wenig weiter vom Parlament entfernt ist als normale Richtlinienmotionen. Dies, weil gemäss der Feuerwehrgesetzgebung des Kantons Bern grundsätzlich die Gebäudeversicherung GVB für die Rahmenbedingungen der Organisation der Feuerwehr zuständig ist. Es ist also sicher richtig, dass der Regierungsrat dort nicht allzu viel mitdiskutiert, wenn solche Aufgaben gesetzesmässig ausgelagert sind. Zweitens ist der Kanton Bern nicht isoliert. Die Mindestanforderungen seitens der GVB erarbeiteten wir auf Basis der Richtlinien der Feuerwehrkoordination Schweiz FKS. Ich denke, es ist wichtig, sich als Kanton an die Grundlagen der Schweizerischen Feuerwehren zu halten. Somit befinden wir uns etwa auf der gleichen Linie wie die schweizerischen Feuerwehren und es erfolgt eine gewisse Koordination auf Schweizer Ebene. Drittens ist es ein grundsätzliches Anliegen des Regierungsrats im Kanton Bern über effiziente Feuerwehren zu verfügen, welche insbesondere die Sicherheit der Männer und Frauen im Einsatz hochhalten. Wir wollen Feuerwehren, deren Ausrüstung und Aus- und Weiterbildung sich auf dem höchsten technischen Stand befinden.

65 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft Die Position des Regierungsrats zu Punkt 1 legten wir Ihnen schriftlich dar. Wir sind für die Ablehnung dieses Punkts. Warum? Unser Hauptargument ist ganz klar. Die Mindestanforderungen wurden nicht einfach im luftleeren Raum im Kanton Bern formuliert, sondern lehnen sich an die Mindestanforderungen auf schweizerischer Ebene an. Eigentlich sollte unserer Meinung nach jede Feuerwehrorganisation diese Mindestanforderungen selbständig erfüllen können. Unter Feuerwehrorganisation verstehen wir eine Organisation als Ganzes und nicht verschiedene Organisationen, die auf die eine oder andere Art zusammenarbeiten. Es ist für den Regierungsrat aber auch die GVB eine Frage der Sicherheit. Das ist aber nicht der einzige Aspekt, sondern es ist auch klar eine Frage der Führung und der Effizienz. Das ist nicht nur für die einzelnen Feuerwehren, sondern auch für die GVB von einer gewissen Bedeutung. Dies ging meiner Meinung nach in der Diskussionen ein wenig verloren. Es stellt sich die Frage, wie die Feuerwehren gesamtkantonal organisiert sind und mit wie vielen Organisationen die GVB zusammenarbeiten muss. Im Vergleich mit anderen grossflächigen Kantonen, wie Waadt, St. Gallen und Graubünden, müssen wir im Kanton Bern nach wie vor mit sehr vielen Feuerwehrorganisationen zusammenarbeiten. Es geht auch um Effizienz. Ich möchte diesbezüglich die Frage an Herrn Grossrat Messerli zurückgeben. Du töntest es selbst am Ende deines Votums ein wenig an: Wenn die Feuerwehren so gut zusammenarbeiten, warum wird dann der Schritt zur Fusion nicht getan? Das wäre aus unserer Sicht für die Feuerwehren betreffend Führungsorganisation und Durchschlagskraft sinnvoll. Anderseits wäre es auch für die GVB eine Vereinfachung und ein Effizienzgewinn, wenn im Kanton Bern wie in anderen Kantonen die Anzahl der Feuerwehrorganisationen ein wenig reduziert würde. Vor diesem Hintergrund empfiehlt Ihnen der Regierungsrat, Punkt 1 der Motion Knutti abzulehnen. Es geht darum, die Feuerwehrorganisation als Ganzes schlagkräftiger und effizienter zu machen. Dies im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die von einem Schadenfall betroffen sein können, im Interesse der Sicherheit der Feuerwehrleute aber auch im Interesse einer gut geführten kantonalen Feuerwehrorganisation. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Thomas Knutti, Weissenburg (SVP). Ich bedanke mich für die gute Diskussion. Es ist nun genau das passiert, was ich zum Teil befürchtete. Einige Fraktionssprecher versuchten, das Thema an der Sicherheit aufzuhängen. Aber ich erwähnte es bereits eingangs meines Votums. Jede Feuerwehr im ganzen Kanton will Sicherheit gewährleisten und die Mindestanforderung erfüllen. Wir möchten dies aber nicht auf diese Art tun. Ueli Frutiger und Christine Häsler anerkannten es richtig. In Ausnahmefällen muss die GVB prüfen, es Feuerwehren zu ermöglichen, gemeinsam Wärmebildkameras anzuschaffen. Deshalb bitte ich Sie, das Postulat zu unterstützen. Präsident. Wir kommen nun zur Abstimmung. Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde nur die Ziffer 1 in ein Postulat gewandelt, Ziffer 2 bleibt eine Motion und wir befinden über Annahme und gleichzeitige Abschreibung. Ist das richtig so, Herr Grossrat Knutti? Das ist der Fall. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen 105 Stimmen 36 Stimmen 3 Enthaltungen Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung von Punkt 2 der Motion Dagegen 145 Stimmen 1 Stimme 0 Enthaltungen Geschäft /10 Motion Schmid, Achseten (SVP) / Reber, Schangnau (SVP) Den Wolf und den Luchs auch im Kanton Bern zum Abschuss freigeben Wortlaut der Motion vom 25. Oktober 2010 Nachdem Ständerat und Nationalrat entschieden haben, dass der Wolf in der Schweiz künftig abgeschossen werden darf, wird der Regierungsrat aufgefordert, dieses auch im Kanton Bern umzusetzen. Konkret fordern wir den Regierungsrat auf, gemäss Beschluss von National- und Ständerat: Massnahmen zu treffen, um den Wolf im Kanton Bern zum Abschuss freizugeben Massnahmen zu treffen, um den Luchs im Kanton Bern zum Abschuss freizugeben Immer schneller breitet sich der Wolf auch im Kanton Bern aus. Gemäss Berichten leben in der Schweiz bereits heute rund 15 Wölfe, Rudelbildungen stehen somit vor der Tür. Die vergangenen Alpsommer mit den zunehmenden Wolfsrissen, auch an Nutztieren, haben deutlich gezeigt, dass der Wolf im Vormarsch ist. Ein vernünftiges Zusammenleben von freilebenden Kühen, Schafen und Ziegen mit dem Wolf ist somit eine Illusion. Die Vorbeugemassnahmen zum Schutz der Nutztiere haben ihre Ziele bei weitem verfehlt. Der Lebensraum für Wolfsrudel ist in der Schweiz, vor allem im Kanton Bern, nicht mehr vorhanden. Auch die Luchsbestände haben sich im Kanton Bern auf eine untragbare Dichte eingependelt. Haben wir doch heute in den Nordwestalpen Bestände von rund 1,5 Luchsen auf hundert Quadratkilometer, die jährlich bis zu über 80 Schafe reissen. Ebenfalls sind die Rehbestände im Kanton Bern, vor allem im westlichen Berner Oberland, stark zurückgegangen und werden sich ohne Eingriff in den Luchsbestand nicht mehr erholen. Das Ziel des Jagd- und Wildschutzgesetzes, durch die Jagd eine nachhaltige Nutzung des Wildes zu gewährleisten, kann im westlichen Oberland bei der Rehjagd bei weitem nicht mehr erfüllt werden. Die jährlich gelösten Jagdpatente im Kanton Bern sind rückläufig, was sich auf die Einnahmen des Kantons Bern negativ auswirkt. Diese Zunahme von Wölfen und ein so hoher Luchsbestand werden die Jagdpatenteinnahmen von heute rund 2,2 Mio. Franken jährlich gefährden. Es werden im Kanton Bern tausende von Arbeitsstunden geleistet, die der Steuerzahler teuer bezahlt, um das Zusammenleben von Luchs und Wolf mit unseren Nutztieren zu ermöglichen. Für Tiere, die keinen geeigneten Lebensraum in der Schweiz und schon gar nicht im Kanton Bern finden sowie nicht vom Aussterben bedroht sind, stehen die Aufwendungen in keinem Verhältnis. Gehören im Kanton Bern die gepflegten Wiesen mit weidenden Kühen, Ziegen und Schafen, die unsere natürliche Berglandschaft schmücken, mittelfristig der Vergangenheit an? Müssen die Bauernfamilien in Zukunft vermehrt um ihre Tiere oder sogar um ihre Kinder auf den langen Schulwegen bangen? Sind unsere Touristen auf den Wanderungen noch sicher? Diese und noch weitere Fragen haben den National- und Ständerat bewogen, Massnahmen zu treffen, um den Wolf

66 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 507 schweizweit zum Abschuss freizugeben. Luchs und Wolf müssen aus diesen Gründen auch im Kanton Bern zum Abschuss freigegeben werden. (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /10 Motion Berger, Aeschi (SVP) / Rösti, Kandersteg (SVP) Weniger Schutz für den Wolf Umsetzung der vom Nationalrat angenommenen Vorstösse Wortlaut der Motion vom 25. Oktober 2010 Der Regierungsrat wird aufgefordert, die verschiedenen vom Nationalrat angenommenen Vorstösse zur Thematik Wolf unverzüglich im Kanton Bern umzusetzen. Begründung: Am 30. September 2010 hat sich der Nationalrat mit diversen Vorstössen zum Umgang mit dem Wolf auseinandergesetzt. Nach dem Willen des Nationalrates sollen die Wolfsbestände in der Schweiz reguliert werden. Sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat (Motion Fournier, CVP, VS) fordern den Bundesrat unter anderem auf, eine Änderung der Berner Konvention zu erwirken, mit dem Ziel, den Wolfsschutz aufzuweichen. Falls dies nicht möglich ist, soll die Schweiz den Vertrag kündigen. Ein späterer Beitritt zu diesem Übereinkommen würde dann aber nur mit einem Vorbehalt erfolgen. Der Schutz des Wolfes darf nicht über den Schutz der Nutztiere gestellt werden. Wölfe gefährden die sinnvolle Bewirtschaftung unserer Weiden und Alpen. Schäden an Nutztieren können trotz Herdenschutzmassnahmen nicht vollumfänglich verhindert werden. (Weitere Unterschriften: 0) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Allgemeine Bemerkungen Bei den vorliegenden Vorstössen handelt es sich um Motionen im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrats (Richtlinienmotionen). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grads der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrags. Die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. Die Kantone haben für den Umgang mit bundesrechtlich geschützten Tieren keine Rechtssetzungskompetenzen zur Aufweichung des Schutzes. Die rechtliche Umsetzung der Motionen auf Bundesebene betrifft daher das kantonale Recht nicht. Die konkreten und für die Kantone relevanten Ausführungsbestimmungen werden nach der Revision der eidgenössischen Jagdverordnung im Rahmen der Anpassung der entsprechenden Konzepte durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) festgelegt werden. Vorstösse auf Bundesebene Die Motion Fournier ( ) «Revision von Artikel 22 der Berner Konvention» wurde angenommen (Ständerat; ; Nationalrat ). Diese Motion verlangt, dass der Bundesrat die nötigen Schritte für eine Änderung von Artikel 22 der Berner Konvention unternimmt. Damit soll möglich werden, dass jeder Unterzeichnerstaat auch nach der Unterzeichnung der Konvention Vorbehalte anbringen kann. Der Bundesrat soll anschliessend den Vorbehalt anbringen, dass der Wolf in der Schweiz reguliert werden darf. Ändert die Berner Konvention Artikel 22 nicht, so verlangt die Motion Fournier, dass die Schweiz aus der Konvention austritt. Die Motionen Freysinger ( ) und Amherd ( ), die den sofortigen Austritt aus der Berner Konvention verlangen, lehnte der Nationalrat ab. Im Zusammenhang mit der überwiesenen Motion Fournier ( ) hat die Schweiz am 6. Dezember 2010 in einem ersten Schritt offiziell die europäischen Länder informiert. Zurzeit erarbeitet das BAFU gemeinsam mit der Direktion für Völkerrecht des EDA einen Abänderungsvorschlag für Art. 22 der Berner Konvention. Dieser soll anschliessend dem Bundesrat unterbreitet werden, um ihn dann beim Europarat in Strassburg zu hinterlegen. Ab diesem Zeitpunkt wird nicht mehr die Schweiz, sondern der Europarat über das weitere Vorgehen befinden. Die Motionen Hassler ( ) «Grossraubtiermanagement, erleichterte Regulation» und ( ) «Unterstützung des Bundes für den Herdenschutz» sowie die Motion «Verhütung von Grossraubtierschäden», welche Motionen der Nationalräte Lustenberger ( ) und Schmidt ( ) zusammenfasst, wurden im Nationalrat und im Ständerat angenommen. Keiner dieser Vorstösse verlangt eine Gesetzesanpassung. Damit wird der Schutzstatus des Wolfs grundsätzlich unangetastet bleiben. Diese Motionen streben die erleichterte Regulierung durch Anpassungen der eidgenössischen Jagdverordnung an. Die Regulierung soll auf regionaler Ebene möglich werden, sobald folgende Bedingungen erfüllt sind: Ein Wolfsbestand hat sich grossflächig etabliert und verursacht trotz Herdenschutzmassnahmen grosse Schäden. Die Anliegen der Motionen werden in Zusammenhang mit der sich in Vorbereitung befindenden Teilrevision der eidgenössischen Jagdverordnung zur Diskussion gestellt werden. Der Vorentwurf wird voraussichtlich im April 2011 in die Anhörung gegeben. Kantonaler Handlungsbedarf Solange die bevorstehende Revision der Jagdverordnung auf Bundesebene nicht realisiert ist, besteht für den Regierungsrat kein neuer Handlungsspielraum. Er stützt seine Entscheide auf die bis auf weiteres geltenden Konzepte Luchs und Wolf des BAFU, sowie auf die Strategie für den Umgang mit dem Wolf im Kanton Bern, welche soeben unter Einbezug der vom Volkswirtschaftsdirektor Anfang 2007 eingesetzten Kerngruppe Wolf aktualisiert wurde, ab. Die in der Kerngruppe vertretenen Interessenverbände (Bernischer Schafzuchtverband, Bernischer Ziegenzuchtverband, Berner Jägerverband, Pro Natura Bern, WWF Bern) tragen diese Strategie und ihre Umsetzung explizit mit, sie haben eine entsprechende schriftliche Vereinbarung mit der Volkswirtschaftsdirektion abgeschlossen. Nach Inkrafttreten der revidierten eidgenössischen Jagdverordnung werden auf Bundesebene voraussichtlich auch die beiden Konzepte für den Luchs und den Wolf angepasst. Darauf basierend wird zu prüfen sein, inwiefern die Strategie für den Umgang mit dem Wolf im Kanton Bern angepasst werden muss. In diesem Zusammenhang muss aber bereits heute klar festgehalten werden, dass die zu erwartenden Änderungen nicht zu einer generellen Freigabe des Abschusses von Wolf und Luchs führen können. Zur Motion 186/10 Schmid: Den Wolf und den Luchs auch im Kanton Bern zum Abschuss freigeben. Für die rückläufige Entwicklung der Reh- und Gämswildbestände gibt es verschiedene Ursachen. Im Vordergrund stehen der Jagddruck, die Gämsblindheit, strenge Winter sowie punktuell ein hoher Luchsbestand. Die Ziele gemäss Artikel 1 des Gesetzes vom 25. März 2002 über Jagd und Wildtierschutz (JWG; BSG ) beinhalten nicht nur eine durch die Jagd gewährleistete, nachhaltige Nutzung des Wildes und die Förderung einer attraktiven und weidgerechten Patentjagd. Gleichwertige Ziele sind der Schutz bedrohter Arten, die Begrenzung der von Wildtieren verursachten Schäden auf ein tragbares Mass sowie die Förderung der Zusammenarbeit von Jagd, Wald- und Land-

67 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft wirtschaft, Tourismus und Sport, Schutzorganisationen und Behörden. Die Ziele des Jagd- und Wildschutzgesetzes werden nach wie vor erreicht. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und angesichts des Umstands, dass die von der Motion geforderte, generelle Freigabe von Luchs und Wolf zum Abschuss nicht in der Kompetenz des Kantons liegt, beantragt der Regierungsrat die Ablehnung der Motion. Antrag: Ablehnung Zur Motion 187/10 Berger: Weniger Schutz für den Wolf Umsetzung der vom Nationalrat angenommenen Vorstösse. Der Regierungsrat ist bereit, die Änderungen des Bundesrechts ab Zeitpunkt des Inkrafttretens auf kantonaler Ebene umzusetzen. Die auf Bundesebene angenommenen Vorstösse können aber nicht wie in der Motion gefordert unverzüglich umgesetzt werden. Dies, weil der Bund nun zuerst die Ausführungsbestimmungen (eidgenössische Jagdverordnung, Konzept Wolf) anpassen muss. Daher beantragt der Regierungsrat die Ablehnung der Motion. Antrag: Ablehnung Gemeinsame Beratung Präsident. Wir kommen zum Geschäft mit der Laufnummer 40, «Den Wolf und den Luchs auch im Kanton Bern zum Abschuss freigeben». Nicht «Schuss frei» sondern das Wort hat Herr Grossrat Schmid. Hans Schmid, Achseten (SVP). Ich danke der Regierung für die Antwort, bin aber damit nicht ganz zufrieden. Vorab teile ich Ihnen meine Interessenbindung mit. Ich bin Jäger und somit auch Naturschützer. Wieso Jäger und Naturschützer? Im Jahr 2010 leisteten wir Berner Jäger ein Mal mehr über Stunden Arbeit für Wildrettungen, Wildfütterungen, Unfallverhütung, Wildschadenverhütung, und Biotophege. Jeder Jäger bezahlt, wenn er das Patent löst, 150 Franken Wildschadenbeitrag und 40 Franken Hegebeitrag. Als Jäger ist der Erhalt unserer Fauna und Flora unser oberstes Ziel. Durch die Jagd soll eine nachhaltige Nutzung unseres Wildes gewährleistet werden. Überbestände von einzelnen Tierarten müssen reguliert werden, bevor sie grosse Schäden anrichten. Tiere müssen da geschützt werden, wo sie ihren Lebensraum haben aber nicht da, wo ihr Lebensraum nicht ist. Beim Wolf und beim Luchs sind wir über die Grenzen der Verhältnismässigkeit gegangen. Dies zwingt uns, den Beschluss der eidgenössischen Räte auch im Kanton Bern umzusetzen. Gemäss Bericht leben heute in der Schweiz rund 15 bis 20 Wölfe. Eine Rudelbildung steht bevor. Immer schneller breitet sich der Wolf im Kanton Bern aus, zeitweise leben mehrere Wölfe im Kanton Bern. Gemäss Berechnungen des Kantons Wallis entstehen pro Wolf Kosten von rund Franken. Diese Kosten beinhalten Entschädigungen für Nutztiere, DNA-Analysen, Schutzmassnahmen, Monitoring, Mehraufwand für die Viehhut und die Verwaltung. Die Kosten, die die Wölfe im Kanton Bern verursachen, belaufen sich bereits heute nach dem Berechnungsmodell des Kantons Wallis auf mehrere Franken. Durch das Lösen der Jagdpatente nahm der Kanton Bern rund 2,3 Mio. Franken ein. Die Staatskasse kann aber nur gespiesen werden, wenn die Jagd auch interessant ist. Das heisst, wenn Wild gelöst werden kann. Die Patentgebühren sind bereits heute relativ hoch. Viele Leute jagen in anderen Kantonen oder sogar im Ausland. Im Kanton Bern sind die gelösten Patente rückläufig, was sich negativ auf die Staatskasse auswirkt. Ein solches Defizit von rund 3,5 Mio. Franken in der Produktgruppe Landwirtschaft und Wildtierschutz im Kanton Bern ist zu viel. Das müssen wir verhindern.in Zukunft darf es nicht mehr sein, dass wir dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche ziehen, um Tiere zu schützen, die in Europa nicht vom Aussterben bedroht sind, aber in der Schweiz und im Kanton Bern keinen Lebensraum mehr haben und grosse Schäden an Nutztieren anrichten und möglicherweise sogar eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Der vergangene Alpsommer oder auch der beginnende Sommer mit zunehmenden Wolfsrissen an Nutztieren zeigen deutlich, dass der Wolf im Vormarsch ist und ein vernünftiges Zusammenleben der Rinder, Schafe und Ziegen mit dem Wolf eine absolute Illusion ist. Vorbeugemassnahmen zum Schutz der Nutztiere haben die Ziele bei weitem verfehlt. Weder die Einzäunung noch der Schutz mit Hunden erbrachten die erhofften Schutzwirkungen. Lebensraum für den Wolf ist im Kanton Bern und in der Schweiz nicht mehr vorhanden. Deshalb gibt es die grossen Schäden an Nutztieren und am Wild. Der Wolf reisst die Rinder, Ziegen und Schafe meist in der Nacht. Oftmals sind mehrere Tiere betroffen. Teils werden sie totgebissen, anderen werden bei lebendigem Leib Lunge, Leber oder Eingeweide aus dem Körper gerissen. Die Tiere stöhnen vor Schmerz bis sie verenden, andere können erst am nächsten Tag durch einen gezielten Schuss erlöst werden. Einige Tiere werden gar nicht mehr gefunden. Solche Geschehnisse gab es jüngst in Boltigen, im Maggia-Tal oder in Schwarzsee. Lesen Sie doch bitte den «Schweizer Bauer» und betrachten das Bild, wo die lebendigen Tiere am Boden liegen und qualvoll verenden, wenn sie nicht vorher durch einen Schuss erlöst werden. Da stellt sich wirklich die Frage, ob die Art und Weise, wie die Tiere leiden und verenden müssen, der Achtung und Liebe entspricht, die wir unseren Tieren gegenüber haben sollten. Können wir diese Leidensgeschichten, die wir vorsätzlich provozieren, verantworten? Werte Kolleginnen und Kollegen, ich kann das nicht. Gemäss Doktor Josef Jäger, der im Wallis 25 Jahre als Kantonstierarzt im Tierschutz tätig war und sich damit befasste, ist das Wolfskonzept nicht tierschutzwürdig. Wo bleibt da unser Tierschutz? Wir hörten gestern am Vortrag von Peter Juesy, der höchste Luchsbestand im Kanton Bern sei bei über 2,5 pro km 2 gelegen vor allem im Berner Oberland. Wir hörten auch, dass der Luchs kein Ragusa esse sondern Rehe und Gämsen. Es wurde auch gesagt, nach einem sehr tiefen Rehbestand existiere teilweise auch wieder ein guter Bestand an Rehen. Es gibt noch einzelne Gebiete, das Berner Oberland, vor allem die Nordostalpen, wo der Luchs noch sehr stark anwesend ist. Die Dichte beträgt dort etwa zwei Luchse auf 100 km 2, was doch deutlich zu hoch ist. Es heisst, ein Luchs auf 100 km 2 sei eigentlich die ideale Grösse, in der man den Luchs leben lassen könne. Die Rehbestände gingen natürlich zurück und werden sich ohne Einwirkung auf den Luchsbestand nicht mehr erholen. Ich bin froh, bestätigte Jagdinspektor Peter Juesy gestern in seinem Vortrag, ein Eingriff in den Luchsbestand werde unausweichlich sein Wir müssen uns wirklich fragen, ob der Blick auf die weidenden Kühe, Ziegen und Schafe, die unsere natürliche Berglandschaft schmücken, mittelfristig der Vergangenheit angehört, und ob die Bauernfamilien in Zukunft noch mehr um ihre Tiere und sogar um ihre Kinder bangen müssen. Wir müssen uns fragen, ob die Touristen im Wandergebiet noch sicher sind. In den Medien war zu lesen «Wolf attackierte Mutter und Kleinkind», dies geschah in Schweden «Kaum Schutz vor dem Wolf», hiess es in Boltigen. Im Maggiatal heisst es «Wolf erwischt 40 Meter vom Stall entfernt einen Ziegenbock» In drei Wochen sind es dann nicht nur ein Ziegenbock, sondern 4 Ziegen und 21 Schafe, die gerissen wurden. Solche und weitere Geschehnisse brachten den Ständerat dazu, den Beschluss zu fassen, den Abschuss des Wolfes zu lockern. Es ist zwingend notwendig, dass der Regierungsrat seine Verantwortung wahrnimmt und die neue Bundeslösung

68 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 509 möglichst schnell auch im Kanton Bern umsetzt. Herr Regierungsrat Rickenbacher, wir werden mit Adleraugen beobachten, was weiterhin unternommen wird. Fritz Reber, Schangnau (SVP). Ich bin weder Jäger noch Wolf- oder Luchshasser, aber die Wildtierarten Luchs und insbesondere Wolf lösen Emotionen aus. Die Befürworter betonen die Chancen, dem Rückkehrer ein Umfeld schaffen zu können, wo er sich heimisch fühle. Der Schutz ist ihm jedenfalls gewiss der reicht ja bis in den Europarat nach Strassburg. Dementsprechend lautet auch die Antwort der Regierung. Besonders als Tierhalter im Hügel- und Berggebiet fühle ich mich unverstanden. Es heisst, man sei unfähig sich neuen Situationen anzupassen und man könne ja auf Beratung, Begleitung und finanzielle Entschädigungen zurückgreifen. Weil der Wolf ein ungebetener Gast mit schlechten Eigenschaften ist, unsere Nutztiere auf seinem und des Luchses Speiseplan stehen und es viele Vorkommnisse gab, hat der Wolf sich bei den Nutztierhaltern verhasst gemacht. Das ist nachvollziehbar. Regelmässig sind Meldungen über Übergriffe auf Wild und Nutztiere zu lesen. Der Vorredner erwähnte es bereits. In Cerentino im Tessin beispielsweise, riss der Wolf in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern seit Ende April 12 Schafe und zwei Ziegen. Noch trauriger ist, dass 12 weitere Tiere bisher nicht auffindbar sind. In Boltigen im Berner Oberland geschah dasselbe. Dort wurde auch ein Tier noch nicht gefunden. Gerade heute war in der bäuerlichen Zeitung zu lesen, dass der Jauner Wolf 14 Schafe gerissen und fünf davon so schwer verletzt habe, dass der Wildhüter nichts anderes mehr tun konnte, als sie zu erschiessen um sie von den Schmerzen zu erlösen. Als Tierhalter ein totes Tier aufzufinden ist schon recht traurig. Ich persönlich habe noch kein vom Wolf verletztes Tier gefunden, aber Tiere, die vom Blitz getroffen wurden oder einen Abhang hinunter fielen. Verletzte Tiere zu finden oder von Tieren zu wissen, die nicht gefunden werden und vielleicht irgendwo verenden das zerreisst wohl jedem verantwortungsvollen Tierhalter beinahe das Herz. Die Ausbreitung des Wolfes zuzulassen, bis Wolfsrudel entstehen, kann nur aus gewissen tierschützerischen Überlegungen, da der Wolf ein Rudeltier ist, nachvollzogen werden. Wenn sich erst einmal Rudel bilden, ist wohl Alarmstufe rot angesagt. Es dürfen nicht noch mehr Übergriffe auf Nutztiere geschehen. Wenn dann keine Regulierung zustande kommt, kann ich mir schon vorstellen, dass illegale Massnahmen getroffen werden könnten. Wollen wir das? Man kann davon träumen, dass der Wolf in der Schweiz seinen Platz hat. Dieser Traum sollte aber ausgeträumt sein. Daran ist nicht der Wolf schuld. Wir Menschen richteten unsere Umgebung so ein, dass der Wolf hier keinen Platz mehr hat mit all seinen Freiheiten, über die er verfügen müsste. Vor allem wir Tierhalter erwarten von der Regierung ein engagierteres Auftreten in Bezug auf die Regulierung. Sich hinter Konventionen und weiteren Massnahmen zu verstecken, fördert es unserer Meinung nach, nicht ernst genommen zu werden. Und es steht doch einiges auf dem Spiel. Da wir mit dieser Motion wohl im gesetzgeberischen Rahmen zu früh sind, ziehen wir diese Motion zurück. Das heisst aber nicht, dass dieses Thema als erledigt betrachtet werden darf. Christoph Berger, Aeschi (SVP). Ich bin mir bewusst, wenn es um die Thematik Grossraubtiere und dabei besonders um den Wolf geht, gehen die Emotionen hoch. Ganz bewusst wird von verschiedenen Seiten zu diesem Thema auch immer wieder Stimmung gemacht. Ich bin an sich überzeugt, dass wir das ganze Thema pragmatisch angehen können und auch müssen. Ich wehre mich gegen die Polarisierung von Schafhaltern und Umweltorganisationen, da sie gänzlich falsch ist. Es existieren viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Schäfer, Jäger und Umweltschützer verfügen über die Liebe zur Natur als grosse Gemeinsamkeit. Deshalb sollten wir doch fähig sein, auch beim Thema Wolf besser zusammenzuarbeiten. Ich gebe hier noch meine Interessenbindung bekannt: Als Präsident des Verbands Bernischer Schafzuchtorganisationen kenne ich die Sorgen der Berner Schäfer im Umgang mit dem Wolf sehr gut. Mein Mitmotionär, Hans Rösti und ich verlangen vom Regierungsrat, dass er die verschiedenen, vom eidgenössischen Parlament angenommenen Vorstösse in unserem Kanton umsetzt. Dabei geht es insbesondere um die Motion Fournier, CVP, VS, die verlangt, der Bundesrat solle die nötigen Schritte für eine Änderung des Artikels 22 der Berner Konvention unternehmen, damit der Wolf in der Schweiz reguliert werden kann. Geschätzte Frauen und Männer versetzen Sie sich einmal in die Situation eines Schaf- oder Ziegenzüchters hinein. Er baut zu seinen Tieren eine ganz besondere Beziehung auf, hegt und pflegt sie. Wenn auf einer Alp oder einer Weide ein Wolf eine Herde anfällt, ergibt das schreckliche Bilder. Die Tiere müssen unsägliche Schmerzen leiden, bis sie sterben können. Die überlebenden Tiere sind verängstigt oder flüchten ziellos. Solche Bilder müssen jedem Tierfreund zu denken geben. Der Wolf nimmt sich nicht nur so viel, wie er für seine Nahrungsaufnahme benötigt, sondern kommt bei einem Übergriff auf eine Herde in einen wahren Blutrausch. Dies zeigte auch der Übergriff von letztem Donnerstag oberhalb Schwarzsee. Dort tötete der Wolf an einem Tag sieben Schafe, viel mehr als er für seine Nahrungsaufnahme benötigt hätte. Bei solchen Tieren sollte man relativ rasch regulierend eingreifen können. Der Regierungsrat erwähnt in seiner Antwort, dass seit Anfang 2007 im Kanton Bern eine Kerngruppe Wolf mit allen involvierten Kreisen bestehe. Auch ich bin Mitglied dieser Gruppe. Gerade weil ich sehe, dass im Herdenschutz Grenzen gesetzt sind, setzte ich mich für eine vernünftige Regulierung des Wolfbestands ein. Der Herdenschutz mit Hunden kann auf überschaubaren und nicht allzu grossen Alpweiden funktionieren. An manchen Orten ist es aber praktisch nicht möglich. Auf Alpen mit Wanderwegen oder in unwegsamem Gebiet können Schutzhunde nur bedingt oder gar nicht eingesetzt werden. Vor allem im westlichen Oberland, das heisst im Simmental, im Gebiet des Jaunpasses, ist momentan ein Wolf am Werk. Was machen wir, wenn sich auch im östlichen Oberland, im Emmental und im Jura Wölfe niederlassen? Ich kann Ihnen bereits jetzt versichern, dass nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen werden, um einen Herdenschutz aufzustellen. Dabei sollten wir uns die Verhältnismässigkeit vor Augen führen. Die Grossraubtierproblematik verschlingt sehr viel Geld. Schutzmassnahmen kosten viel. Schutzhunde sind nicht einfach ab der Stange erhältlich, die diesbezüglichen Ressourcen sind beschränkt. Ich bin überzeugt, dass es nicht zuletzt auch für unser Landschaftsbild sehr wichtig ist, dass auch die steilsten und unwegsamsten Alpen bestossen und bewirtschaftet werden. Die Schäfer erbringen damit einen sehr wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit. Diese naturnahe Nutzung soll es auch künftig geben. Unsere Schweiz ist nicht mehr dieselbe wie vor 100 Jahren. Praktisch jede Alp ist heute erschlossen und das Siedlungsgebiet hat sich sehr stark ausgedehnt. Da muss man sich fragen, ob Grossraubtiere wie Wolf und Bär bei uns überhaupt noch den Raum haben, den sie tatsächlich benötigten. In der Antwort auf unsere Motion schreibt der Regierungsrat, er sei bereit, die Änderung des Bundesrechts ab Zeitpunkt des Inkrafttretens auf kantonaler Ebene umzusetzen. Dies jedoch nicht unverzüglich, sondern dann, wenn der Bund die diesbezüglichen Ausführungsbestimmungen angepasst hat. Das klingt für uns eher nach einer Annahme als

69 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft nach einer Ablehnung der Motion. Aber der Mitmotionär Hans Rösti wird seine Überlegungen auch noch ausführen. Hans Rösti, Kandersteg (SVP). Wer will den Wolf, liebe Frauen und Männer? Die Öffentlichkeit will den Wolf. Warum will die Öffentlichkeit den Wolf? Das weiss ich auch nicht recht, wahrscheinlich aus einer Ideologie oder einer gewissen falschen Tierliebe heraus. Das ist zwar gut und recht, aber ich verstehe es manchmal nicht. Unsere Berufskollegen, die Waldbesitzer, wollen in einem gewissen Sinn den Wolf auch. Wissen Sie, warum? Weil Waldbesitzer manchmal finden, es gäbe zu viele Rehe und der Bestand müsste redimensioniert werden. Da frage ich mich schon, ob es besser ist, wenn der Wolf die Rehe reisst oder die Jäger sie weidmännisch erlegen. Wer will den Wolf nicht? Ganz sicher sind dies die Landwirtschaft und die Kleintierzüchter. Dazu hörten wir Christoph Berger, der Präsident des Verbands Bernischer Schafzuchtorganisationen ist. Daneben wollen die Bewohner in Randregionen diese Tiere nicht unbedingt und natürlich die Jäger, weil Sie ihnen die Tiere nehmen. Schäden an Nutztieren und Wildtieren werden befürchtet. Wer füttert die Wölfe? Im Moment regiert noch die freie Wildbahn, obwohl ein Teil bereits durch die Landwirtschaft gefüttert wird, indem der Wolf deren Nutztiere erlegt. Der Verlust von Nutztieren wird zwar finanziell entschädigt. Aber der Züchter hat die Tiere mit Liebe gepflegt und sie sind ihm ans Herz gewachsen. Da geht es ihm gleich wie Ihnen zuhause mit Ihrer Katze oder Ihrem Hund. Dazu erzähle ich Ihnen ein Beispiel. Ich glaube, es war im letzten Sommer, als ein Kätzchen in den Bärengraben geraten war. Ich weiss nicht, wie viele Leute involviert und Kosten generiert wurden, um das Kätzchen zu retten. Es wäre auch so genannt Natur gewesen, das Kätzchen im Bärengraben zu lassen obwohl ich eigentlich nicht glaube, dass der Bär das Kätzchen erwischt hätte. Der Wolf produziert Kosten. Wer trägt diese? Momentan werden sie von der Öffentlichkeit getragen. Aber wie wird es in Zukunft sein? Der Wildschadenfonds ist leer, er wird bereits jetzt mit Franken aus der Staatskasse gespiesen. Die Kosten für den Herdenschutz sind höher als die Mittel dazu. Der Herdenschutz ist erfolgreich. Aber er kann nur auf kleinen überschaubaren Alpen umgesetzt werden. Christoph Berger erwähnte dies bereits. Wenn der Regierungsrat gemäss seiner Antwort die Umsetzung der eidgenössischen Vorgaben erfüllen will, sind wir an sich befriedigt. Die Bedingungen werfen aber schon noch Fragen auf. Er schreibt in der Antwort: «Ein Wolfsbestand hat sich grossflächig etabliert und verursacht trotz Herdenschutzmassnahmen grosse Schäden». Wenn wir im ganzen Kanton Herdenschutzmassnahmen treffen und erst noch grosse Schäden haben, steigen die Kosten wahrscheinlich sehr stark. Die Öffentlichkeit will den Wolf, sie müsste daher auch bei der Finanzierung mithelfen. Wenn wir mit diesem Tier zusammenleben wollen, kostet es einfach Geld. Ich sagte es bereits vorhin: Der Wildschadenfonds ist leer, die Herdenschutzgelder reichen nicht mehr und die Verwaltungskosten müssen auch irgendwie getragen werden. Für uns ist klar, dass für den Herdenschutz das Bundesamt für Umwelt, welches hier federführend ist, die Kosten zu einem grossen Teil tragen sollte. Die Landwirtschaft kann diese Kosten nicht tragen und ist auch nicht bereit dazu. In der Antwort auf die Motion sind wie bereits gesagt unsere Forderungen erfüllt und wir waren ein wenig überrascht, dass die Motion abgelehnt wird. Aber wichtig ist ja der Text und nicht, ob die Motion schlussendlich angenommen wurde oder nicht. Aus diesem Grund ziehen wir die Motion auch zurück und hoffen auf die Umsetzung; nicht unverzüglich, aber sobald wie möglich. Wenn die Revision der eidgenössischen Jagdverordnung abgeschlossen ist, hoffen wir auf entsprechende Umsetzung und darauf, dass unsere Tiere geschützt werden. Präsident. Ich habe gehört, dass auch diese Motion zurückgezogen werde. Damit ist die Motion Berger / Rösti zurückgezogen. Ich wäre aber froh, wenn die beiden anderen Motionäre, dies noch klar sagen würden. Vielleicht haben wir es hier auch überhört, dass sie die Motion zurückziehen. Aber bevor wir dazu kommen, noch etwas. Wir hatten hier nun eine ausführliche Weiterbildung bezüglich Wölfen und Luchsen. Das war sehr interessant. Aber Herrn Grossrat Rösti möchte ich Folgendes sagen: Ich möchte ja keine Wette eingehen wegen dem Kätzchen und dem Bären. Wenn er nicht an den Kanton Bern gedacht hat, kann ich es noch verstehen die Bären in Alaska sind schnell. Aber der Kanton Bern ist doch ein schneller Kanton und mit ein bisschen mehr Selbstwertgefühl für den Bären oder den Kanton Bern hätte ich es verstanden, wenn er das Kätzchen doch noch erwischen würde. Aber nun möchte ich noch den Motionär fragen. Hans Schmid, Achseten (SVP). Wir ziehen unsere Motion auch aufgrund der Aussage des Regierungsrats, er wolle die Massnahmen umsetzen, zurück. Wir werden schauen, was geschieht. Präsident. Diese Motion wurde ebenfalls zurückgezogen. Geschäft /10 Motion Blaser, Steffisburg (SP) Jugendschutz: Endlich griffige Massnahmen gegen das Rauschtrinken von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Wortlaut der Motion vom 22. November 2010 Zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen für alkoholische Getränke stellen ein wirksames Instrument der Prävention dar. Dies zeigt eine Studie von Sucht-Info Schweiz. Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden nachts ein Alkoholverkaufsverbot, und Tankstellen sowie Videotheken dürfen generell keinen Alkohol mehr verkaufen. Die Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zeigt die positiven Auswirkungen auf das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener. Der Regierungsrat wird beauftragt: Dem Grossen Rat eine Vorlage zur Änderung der kantonalen Gesetzgebung vorzulegen: 1. Zwischen und Uhr gilt für alle Verkaufsgeschäfte ein generelles Alkoholverkaufsverbot. 2. In Garagen- und Tankstellenshops dürfen keine alkoholischen Getränke verkauft werden. Begründung: Ab Februar 2005 verstärkte der Kanton Genf die Präventionsbemühungen beim Alkohol: Seit diesem Datum gilt für Läden ein Alkoholverkaufsverbot zwischen 21 und 7 Uhr; Tankstellen und Videotheken dürfen keine alkoholischen Getränke im Sortiment haben. Dass solche Massnahmen namentlich den Jugendschutz stärken und das Rauschtrinken einschränken können, verdeutlicht die aktuelle Untersuchung. Weniger Spitaleinlieferungen: Für die vorliegende Untersuchung hat ein Forscherteam die Entwicklung der alkoholbedingten Spitaleinlieferungen im Kanton Genf analysiert und mit der übrigen Schweiz verglichen. Zwischen 2002 und 2007 nahm die Zahl der Spitaleinlieferungen aufgrund von Alkoholvergiftungen in der Schweiz insgesamt zu. Im Kanton Genf gingen diese Notaufnahmen bei den 10- bis 15-Jährigen seit 2005 im Gegensatz zu den

70 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 511 anderen Kantonen zurück. Bei den 16- bis 29-Jährigen war die Zunahme im Kanton Genf geringer als in der übrigen Schweiz. Ohne Einführung dieser Massnahme wäre die Entwicklung im Kanton Genf negativer verlaufen. Gemäss Schätzung war hier die Zahl der Notaufnahmen wegen Alkoholvergiftungen bei den 10- bis 29-Jährigen zwischen 2005 und 2007 infolge der Verkaufseinschränkung um 35 Prozent tiefer. Keine Auswirkung zeigte sich bei den über 29- Jährigen. Berücksichtigt wurden die in den Spitalstatistiken monatlich dokumentierten Fälle von Alkoholvergiftungen der Jahre 2002 bis Sie bilden einen Indikator für das Rauschtrinken. Jugendliche und junge Erwachsene kaufen alkoholische Getränke oft ungeplant und spontan ein. Verkaufseinschränkungen in den Geschäften beeinflussen daher die konsumierten Mengen. Da junge Menschen häufig punktuell trinken und über die Stränge schlagen, ist der Zusammenhang zwischen Rauschtrinken und den Einschränkungen beim Alkoholverkauf naheliegend. Verkauf und Konsum hängen zusammen: Die internationale Literatur bestätigt, dass gerade bei Jugendlichen die Erhältlichkeit von Alkohol mit dem Konsum bzw. mit alkoholbezogenen Problemen zusammenhängen. Verkaufseinschränkungen sind hier eine wirksame Präventionsmassnahme, wenn sie denn eingehalten werden. Die Erfahrung im Kanton Genf zeigt, dass der eingeschränkte Zugang zu alkoholischen Getränken die Basis einer wirksamen Politik ist, um problematischem Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorzubeugen. (Weitere Unterschriften: 25) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Der Vorstoss befasst sich mit dem Thema Alkoholmissbrauch. Dieses Thema beschäftigt den Grossen Rat immer wieder, zuletzt in der Januarsession 2011 bei der Behandlung der Vorstösse zu einer verursachergerechten Verrechnung der Kosten von alkoholbedingten Einsätzen und einer zentralen Ausnüchterungsstelle 1. Auch die in der vorliegenden Motion vorgeschlagenen zwei Massnahmen waren bereits Gegenstand von Diskussionen im Parlament. So hat es der Grosse Rat in der Junisession 2008 abgelehnt, gesetzliche Bestimmungen zu schaffen, damit die Gemeinden den Alkoholverkauf zeitlich einschränken können 2. Der Verkauf alkoholischer Getränke in Garagen und Tankstellen war unter anderem Gegenstand einer Motion aus dem Jahre Dieser Punkt der Motion wurde abgelehnt. Alkoholische Getränke sind ein Bestandteil unserer Kultur. Sie sind für viele ein Genussmittel und Teil des alltäglichen Konsums. Problematisch ist Alkohol, wenn er im Übermass konsumiert wird, insbesondere das sog. Rauschtrinken. Insgesamt ist der Konsum alkoholischer Getränke deutlich rückläufig. Waren es Mitte der 70er-Jahre noch 11 Liter Alkohol zu 100 Volumenprozenten je Kopf der Bevölkerung, sank die Menge 2009 auf 8,6 Liter 4 Dagegen ist der Risikokonsum von jungen Leuten seit längerem ein Problem. Die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aufgrund einer Alkohol-Intoxikation in Schweizer Spitälern behandelt wurden, ist zwischen 2005 und 2007 um 16 Prozent angestiegen. Eine stärkere Zunahme findet sich bei Mädchen und jungen Frauen 5. Die neueste Studie zum Trinkverhalten von Jungendlichen zeigt, dass der Anteil Jugendlicher mit einem problematischen Konsumverhalten seit 2006 auf einem hohen Niveau stabil ist. 6 Aussagen zum problematischen Alkoholkonsum von Jugendlichen finden sich auch im Bericht «Jugend und Gewalt», der vom Regierungsrat am 28. April 2010 zur Kenntnis genommen wurde und der verschiedene Massnahmen zur Prüfung vorschlägt, unter anderem ein generelles Alkoholverkaufsverbot «über die Gasse» ab Uhr. 7 Für einen massvollen und verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol braucht es sowohl Prävention als auch Repression. Die vorliegende Motion schlägt zwei zusätzliche repressive Massnahmen vor. Angesichts des generell sinkenden Alkoholkonsums müssen nach Auffassung des Regierungsrats neue Massnahmen gezielt auf das problematische Rauschtrinken ausgerichtet sein. Zeitliche Einschränkung der Alkoholabgabe Die Forderung einer zeitlichen Einschränkung ist wie bereits erwähnt nicht neu. Der Regierungsrat hat dazu 2008 ausgeführt: 8 «Das geltende Recht schränkt den Verkauf alkoholischer Getränke im Kanton Bern bereits heute ein. Einerseits benötigen die Verkaufsstellen eine Bewilligung gestützt auf die Gastgewerbegesetzgebung. Anderseits sind die Bestimmungen über den Ladenschluss einzuhalten. Diese wurden erst kürzlich total revidiert und auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt. Die Ladenschlussvorschriften ermöglichen einen Verkauf bis Uhr (Tourismusorte Uhr). Anlässlich des wöchentlichen Abendverkaufs und in Tankstellenshops ist der Verkauf bis Uhr möglich.» Damit sind im Kanton Bern bereits heute alkoholische Getränke nicht rund um die Uhr erhältlich. Im Kanton Genf konnte vor 2005 Alkohol die ganze Nacht und sogar in Videotheken gekauft werden. Die Erfahrungen aus Genf lassen sich deshalb nicht auf den Kanton Bern übertragen. Ob eine weitere Einschränkung des Alkoholverkaufs um eine Stunde am Abend (und zwei Stunden am Morgen) eine Wirkung erzielen könnte, ist offen. Auf jeden Fall ist mit Vollzugsproblemen zu rechnen. Da die Geschäfte teilweise noch bis Uhr offen halten dürfen, müssten die alkoholischen Getränke für eine Stunde abgedeckt oder eingeschlossen werden. Dies wäre für die Geschäfte mit erheblichem Aufwand verbunden und für die Kundinnen und Kunden kaum nachvollziehbar. Kontrollen über die Einhaltung der Bestimmung wären sehr aufwendig. Dazu kommt, dass die Massnahme nicht nur Personen mit einem problematischen Trinkverhalten treffen würde, sondern alle Personen, die nach Uhr noch Alkohol kaufen wollen. Trotz der geschilderten Vollzugsprobleme ist der Regierungsrat bereit, vertieft zu prüfen, ob eine weitere zeitliche Einschränkung ein geeignetes Instrument gegen das Rauschtrinken darstellt. Verkaufsverbot in Garagen- und Tankstellenshops Bei Garagen und Tankstellen können alkoholische Getränke nur gekauft werden, wenn ein Laden und eine Betriebsbewil- 1 M 076/10 Schluss mit Komasaufen und Drogenrausch auf Kosten der Allgemeinheit und M 104/10 Mit einer ZAS Spitäler und Prämienzahlende entlasten 2 M 309/07 Verringerung des nächtlichen Gewaltpotentials ; Tagblatt des Grossen Rats 2008 S M 231/05 Wider den Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen ; Tagblatt des Grossen Rats 2006 S Sucht Info Schweiz, Pro-Kopf-Konsum alkoholischer Getränke in Litern in der Schweiz im Zeitvergleich von 1971 bis Wicki M., Gmel G. (2009) (SFA). Alkohol-Intoxikationen Jugendlicher und junger Erwachsener. Ein Update der Sekundäranalyse der Daten Schweizer Hospitäler bis Konsum psychoaktiver Substanzen Jugendlicher in der Schweiz Zeitliche Entwicklungen und aktueller Stand Resultate der internationalen Studie "Health Behaviour in School-aged Children" (HBSC) Lausanne vom März RRB 0636 vom 28. April 2010 und dazu gehörender Vortrag 8 M 309/07 Verringerung des nächtlichen Gewaltpotentials

71 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft ligung für den Verkauf alkoholischer Getränke vorhanden sind. Eine solche Betriebsbewilligung wird gemäss Artikel 10 des Gastgewerbegesetzes 9 nur erteilt, wenn es sich um ein Lebensmittelgeschäft mit entsprechendem Sortiment handelt. Vor allem ausserhalb der Zentren sind Geschäfte bei Tankstellen eine wichtige Ergänzung des Angebots für die Bevölkerung. Eine Verkaufsbeschränkung würde vor allem Konsumentinnen und Konsumenten treffen, die neben anderen Einkäufen auch alkoholische Getränke kaufen wollen. Es besteht kein sachlicher Grund, nur diesen Geschäften den Verkauf alkoholischer Getränke zu verbieten. Die Massnahme wäre deshalb aller Voraussicht nach weder verhältnismässig noch mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar. Dazu kommt, dass die bereits erwähnte Studie zum Trinkverhalten von Jungendlichen die Bedeutung von Tankstellenshops für die Beschaffung von Alkohol relativiert. Nur 8 Prozent der Jugendlichen mit regelmässigem Alkoholkonsum geben diese Shops als Bezugsquelle an. Ein generelles Verkaufsverbot für Alkohol in Garagen- und Tankstellenshops ist deshalb keine geeignete Massnahme für die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs. Vielmehr sind die geltenden Bestimmungen zum Schutz der Jugendlichen konsequent umzusetzen, insbesondere ist der Verkauf von Bier an unter 16-jährige zu unterbinden. Antrag: Ziffer 1 Annahme als Postulat, Ziffer 2 Ablehnung. Andreas Blaser, Steffisburg (SP). Zunächst möchte ich zu mir persönlich etwas sagen. Ich bin kein Verfechter der Prohibition und auch nicht der Meinung, man solle den vernünftigen Alkoholkonsum einschränken. Aber ganz klar bin ich für einen griffigen Jugendschutz. Ich will, dass dies klar ist und man mich nicht von Anfang an in eine Ecke stellt, in die ich nicht unbedingt gehöre. Ich möchte mit einer Schlagzeile aus der Berner Zeitung «BZ» beginnen: «Der Jüngste war zehnjährig. Die Spitäler im Kanton Bern behandelten im Jahr 2008 insgesamt 462 Jugendliche und junge Erwachsene wegen Alkoholmissbrauchs und wegen dadurch entstandener Verletzungen. Im Jahr 2002 waren es noch 174 Fälle». Wir können also feststellen, dass die Problematik des unverhältnismässigen Alkoholkonsums und Rauschtrinkens sich in den letzten sechs Jahren quasi verdreifacht hat. Wir wissen alle, dass dies bloss die Spitze des Eisbergs ist, denn nicht jeder Rauschtrinkende landet im Spital. Das zunehmende Rauschtrinken von Jugendlichen bereitet auch der Gesundheits- und Fürsorgedirektion Sorgen. Aus diesem Grund wurde auch die Stiftung für Gesundheitsförderung und Suchtfragen Berner Gesundheit beauftragt, ein Früherfassungsangebot für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 25 Jahren zu entwickeln. Ich lese Ihnen eine zweite Schlagzeile vor: «Immer mehr jugendliche Rauschtrinker. Immer mehr Notfallpatienten müssen wegen Alkoholvergiftung im Berner Inselspital behandelt werden. Alarmierend: Bei den 16- bis 25- jährigen steigen die Zahlen besonders stark». Genau hier besteht das Problem. Mein Vorstoss befasst sich mit dem Thema Alkoholmissbrauch durch Jugendliche und junge Erwachsene unter dem Aspekt des Jugendschutzes. Dieses Thema wird ja nicht zum ersten Mal im Grossen Rat behandelt. Zuletzt wurde im Januar 2011 eine Motion überwiesen, welche die verursachergerechte Verrechnung der Kosten von alkoholbedingten Einsätzen verlangt. Ich stehe auch dahinter, dass von der Seite der Repression her etwas geschehen muss. Dies wurde auch getan, sowohl seitens der Prävention wie auch der Repression entstanden Massnahmen. Jetzt ginge es aber einmal darum, auch auf der Angebotsseite etwas zu unter- 9 Gastgewerbegesetz vom 11. November 1993 (GGG; BSG ) nehmen. Wir können nicht immer jammern, die Jungen würden keine Grenzen kennen, und ihnen gleichzeitig Tür und Tor öffnen, damit sie «gascho-» oder harassenweise Alkolika einkaufen können. Ich denke, meine Motion stellt eine verhältnismässige Massnahme mit einer präventiven Wirkung dar. Zur Regierung, die sagt, die Motion fordere zusätzlich repressive Massnahmen, habe ich hier eine Differenz. Es tut mir leid; das ist keine repressive sondern eine präventive Massnahme. Aber vielleicht wird man sich auch in der Volkswirtschaftsdirektion noch einmal mit der Terminologie der Prävention und Repression auseinandersetzen. Was will ich? Ich verlange eine leichte Reduktion der Verkaufszeiten, genauer ein Alkoholverbot zwischen abends Uhr und morgens 7.00 Uhr. Diesbezüglich verfüge ich wirklich über genug Erfahrung. Gehen Sie einmal zwischen Uhr und Uhr vor einen Tankstellenshop. Da geht es wirklich ab. Eigentlich reicht es auch, am Morgen hinzugehen, da liegen dann jeweils die Abfälle herum: Flaschen, Kartons Büchsen und anderes. Ich denke auch, dass Tankstellenshops grundsätzlich keine alkoholischen Getränke verkaufen sollten, so wie das eigentlich bei den Autobahnen grundsätzlich auch gilt. Die Wirkung solcher Massnahmen belegt eine Studie von Sucht Info Schweiz. Vor allem zeitliche und örtliche Verkaufsbeschränkungen sind wirksame Massnahmen, um das Angebot vernünftig einzuschränken. Seit 2005 gilt im Kanton Genf für Läden während der Nacht ein Alkoholverbot, und in Tankstellen und Videotheken dürfen generell keine Alkoholika verkauft werden. Deswegen ist für mich klar, dass die Rechtsgleichheit zwischen verschiedenen Verkaufsgeschäften tatsächlich noch eingeschränkt werden kann und der Kanton die Möglichkeit dazu hätte. Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung, es sei verhältnismässig, Punkt 2 zu überweisen. Fazit: Es ist klar erwiesen, dass die zeitliche und örtliche Einschränkung eine positive Auswirkung auf das Rauschtrinken von Jugendlichen und Erwachsenen hat. Ich bitte Sie deshalb, auch auf der Angebotsseite endlich ein Zeichen zu setzen und die Motion in beiden Punkten zu überweisen. Marianne Schenk-Anderegg, Schüpfen (BDP). Wir hörten es gerade vorhin: In den letzten Sessionen wurde bereits einige Male über Prävention und über ein Verbot von Genussmitteln gesprochen und auch abgestimmt. Mit der geforderten Massnahme wird sich das Problem des Alkoholmissbrauchs leider aber nicht beheben lassen. Ich hege jedoch ein gewisses Verständnis für den Motionär und sein Anliegen. Die Alkoholkonsumenten werden immer jünger. Meistens geschieht das so genannte Rauschtrinken in der Gruppe. Es geht um Aufmerksamkeit und vor allem ums Dazugehören. Oft erkennen die Jugendlichen die Gefahren des exzessiven Alkoholkonsums oft auch in Kombination mit anderen Suchtmitteln nicht. Hinzu kommt der Gruppenzwang oder es wird einfach aus Langeweile gebechert. Meist wird der Alkohol bereits im Voraus eingekauft und ein Depot angelegt. Dann kann leider auch die gutgemeinte Motion nicht den erhofften Erfolg bringen. Oft erhalten die Jugendliche von zuhause keine präventiven Massnahmen. Die BDP-Fraktion ist der Meinung, dass die Eltern mehr in die Pflicht genommen werden sollten. Die erzieherische Verantwortung kann nicht dem Kanton oder dem Staat übertragen werden. Das ist immer noch die Aufgabe des Elternhauses. Mit einem Verbot des Alkoholverkaufs ab Uhr abends oder der Einschränkung an Tankstellenshops wird dieses Problem nicht gelöst. Zudem werden auch alle anderen Personen, welche einen normalen Umgang mit Alkohol pflegen, bestraft. Beispielsweise diejenigen, welche noch ein Feierabendbier geniessen möchten und

72 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 513 es vorher einkaufen müssen. Das kommt einer Kollektivstrafe gleich. Die BDP-Fraktion lehnt die Motion ab, jedoch werden einige Punkt 1 als Postulat unterstützen. Punkt 2 wird abgelehnt. Barbara Mühlheim, Bern (Grüne). Die Motion zielt in die richtige Richtung, beinhaltet aber ein Problem: Sie verlangt etwas, was in diesem Rat leider schon mehrmals abgelehnt wurde. Es ist ein Phänomen. Wenn man zu schnell wieder mit derselben Sache kommt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, eine Schlappe einzufahren. Aus diesem Grund möchten die Grünen wie der Regierungsrat nur ein Postulat, damit die Anliegen eine grössere Chance haben, von einer Mehrheit des Grossen Rats mitgetragen zu werden. Es gibt noch einen zweiten Punkt, der mir in der Motion ein wenig fehlt. Sie zielt nur auf einen zentralen Punkt; nämlich auf die Zugänglichkeit von Alkohol. Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum wir auch in der Prävention immer wieder an Grenzen stossen. Nicht etwa eine kantonale Studie sondern eine grosse UNO- Studie, welche in praktisch allen Ländern durchgeführt wurde, besagt, dass primär die Zugänglichkeit den Konsum von Alkohol fördert. Ein zweiter Punkt, der leider nicht erwähnt wurde und auch nicht auf kantonaler Ebene zu regeln ist, ist die Frage der Besteuerung. Die ersten Versuche mit gewissen Alcopops zeigten, dass eine Verteuerung des Alkoholpreises ein weiterer zentraler Punkt ist. Allerdings wird dies auf Stufe Bundesparlament behandelt, welches momentan die Besteuerung des Alkohols in der Alkoholgesetzesrevision noch einmal diskutiert. Leider sieht es auch dort nicht so aus, als wären die Leute, die eine höhere Besteuerung vorantreiben möchten, in der Mehrheit. Ein dritter Punkt, der in unserer Kompetenz liegt, ist die Meldebefugnis. Mit der Motion «Verbindlichere Zusammenarbeit in der Früherfassung durch die Meldebefugnis nach Artikel 3c rev. BetmG», welche wir vor einigen Wochen überwiesen, können Jugendliche, die gefährdet sind, früher erfasst und einer geeigneten Institution gemeldet werden. Leider wurde ein wichtiges Instrumentarium dafür, nämlich eine kantonale Struktur, in der man die Jugendlichen auch hätte melden können, mit dem Entscheid des Regierungsrats zur Kehrtwende im Kindes- und Erwachsenenschutz wieder vernichtet. Ich bin aber guter Dinge, dass wir hier versuchen, vielleicht den Entscheid des Regierungsrats wieder zu umzukehren. Denn es ist wichtig, dass wir früher an die Jugendlichen heran kommen und alle Institutionen, denen etwas auffällt, sei es die Polizei, die Spitäler, die Lehrerschaft oder die Jugendarbeit früher Informationen austauschen können. Somit können auch schneller griffige Massnahmen geplant werden. Meine Damen und Herren wir sind immer noch zu spät. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir können noch lange von Prävention sprechen; Es ist immer noch so, dass die Polizei, wenn es um süchtige Jugendliche geht, zwei Jahre früher als jeder Sozialarbeiter interveniert. Das können wir uns langfristig nicht leisten. Es ist zu teuer und eine schlechte Massnahme. Ich sagte es bereits. Die Motion zielt in die richtige Richtung. Sie beinhaltet nicht alle Aspekte; das muss sie auch nicht. Ich bitte den Motionär, in ein Postulat zu wandeln, damit wir hier eine Mehrheit finden können. Ein überwiesenes Postulat ist besser als eine abgelehnte Motion. Moritz Müller, Bowil (SVP). Auch mich als Vater und Gemeindepräsident schockieren die Schlagzeilen, die Res Blaser hier vorlas. Die Motion ist aber nicht der richtige Weg. Punkt 1 bringt überhaupt nichts, ausser weiteren Einschränkungen für sämtliche Verkaufsgeschäfte mit einer Bewilligung, gestützt auf die Gastgewerbegesetzgebung, die zum Verkauf von alkoholischen Getränken legitimiert. Zu Punkt 2: Garagen- und Tankstellenshops sind unabhängige KMU, die Arbeitsplätze bieten und eine offizielle Betriebsbewilligung für den Verkauf alkoholischer Getränke aufweisen müssen. Die Begründung von Genf funktioniert nicht, denn im Jahr 2008 also drei Jahre nach der Einführung des Alkoholverbots geschahen die ersten Massenbesäufnisse, die so genannten Botellones. Auch das Blaue Kreuz führt regelmässig Testkäufe durch. Bei der ersten Runde der Testkäufe im Jahr 2011 im Kanton Bern prüften sie 108 Tankstellenshops, wovon 71 Prozent korrekt handelten. 100 Prozent wird man nie und nirgendwo erreichen, dessen müssen wir uns bewusst sein. Etliche Firmen wie Migrol, Migrolino, Shell und Coop ich hoffe ich habe nun nicht zu viel Werbung für diese gemacht erhöhten freiwillig das Mindestalter für die Alkoholabgabe. Wir von der SVP sind sicher nicht gegen den Jugendschutz aber sicher auch nicht für Repressalien gegen die KMU und ihre Verkaufsgeschäfte. Stattdessen sind wir für noch konsequentere Kontrollen bei öffentlichen Parties und anderen Veranstaltungen. Wer sich auf gut Berndeutsch gesagt besaufen will, findet immer einen Weg, an Alkohol zu gelangen; sei es über ältere Freunde, Geschwister oder sogar Eltern. In unserer Gemeinde leisten wir diesbezüglich bereits Prävention. Bereits zweimal führten wir Informationsabende mit Suchtexperten und Suchthilfebeauftragten durch. Diese Motion ist für uns der falsche Weg. Die SVP-Fraktion lehnt die Motion sowie ein allfälliges Postulat grossmehrheitlich ab. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP). Ein kleines Rätsel zu Beginn. Wer hier im Saal kennt den Unterschied zwischen Biogurken und Alkohol? Es gibt beinahe keinen, wie ich aus Ihrem Schweigen richtigerweise schliesse. Ich fragte mich, was der Unterschied sei. Tatsächlich gibt es beinahe keinen Unterschied. Beides wird unter anderem auch in der Schweiz produziert, steht in beinahe jedem Verkaufsregal und ist sehr günstig erhältlich. Für beide Produkte wird Werbung gemacht, beide sind eine Bereicherung für unsere Menükarte und beides kann man geniessen. Zwischen Biogurken und Alkohol besteht aber ein wesentlicher Unterschied. Biogurken gerieten kürzlich in Verdacht, einen Erreger zu transportieren, der zu einer tödlichen Erkrankung führen konnte. Etwas mehr als 20 Menschen starben daran; das ist tragisch. Der Verkauf von Biogurken brach daraufhin ziemlich ein. An den Folgen des Alkoholmissbrauchs sterben alleine in der Schweiz jedes Jahr mehr als 2000 Menschen. Hier besteht der grosse Unterschied. Obwohl hundertmal mehr Leute an den Folgen von Alkoholmissbrauch sterben, gibt es beim Alkohol keinen Verkaufsrückgang im Gegenteil. Wenn über Einschränkungen nachgedacht wird was, wenn man die Folgen des Missbrauchs betrachtet, aus meiner Sicht durchaus richtig ist, gibt es ziemlich heftigen Widerstand. Einen Teil der Argumentation hörten wir gerade. Ich verstehe diese unterschiedliche Wahrnehmung und Reaktion, was die Risiken für unsere Mitmenschen und vielleicht auch für uns selber angeht, nicht. In der Schweiz werden pro Kopf und Jahr durchschnittlich etwa neun Liter reiner Alkohol konsumiert. Das an sich ist kein Problem. Es ist auch kein Problem, dass der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum in der Schweiz beinahe doppelt so hoch ist, wie in den meisten skandinavischen Ländern. Wissen Sie, was das Problem ist? Von der Gesamtmenge Alkohol, die in der Schweiz konsumiert wird, trinken gut 11 Prozent der Bevölkerung mehr als die Hälfte davon. Diese paar Leute haben ein echtes Problem. Da geht es nicht nur um junge, sondern auch um viele erwachsene Leute. Es ist also nicht nur ein Jugendproblem. Wir alle gehören natürlich aus unserer Sicht nicht zu denjenigen, die einen problematischen Alkoholkonsum auf-

73 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft weisen oder alkoholkrank sind. Das ist mir klar. Ein problematischer Alkoholkonsum bedeutet beispielsweise beim Autofahren zu konsumieren, während der Schwangerschaft, bei der Arbeit oder wenn man im Ausgang oder bei allen Gelegenheiten so viel konsumiert, dass man anschliessend nicht mehr weiss, was man tut. Ich behaupte, wir alle die wir zu diesen 89 Prozent gehören, die vernünftig Alkohol konsumieren haben vermutlich eine die Flasche Wein im Keller oder ein paar Flaschen Bier im Kühlschrank; falls Besuch kommt oder es am Abend noch etwas zu geniessen gäbe. Einschränkungen der Verfügbarkeit sei es zeitliche oder geografische haben bei der Bevölkerungsgruppe, die einen problematischen oder krankhaften Alkoholkonsum aufweist, am meisten Auswirkungen. Auch Preiserhöhungen können die Verfügbarkeit über das Portemonnaie einschränken. Deshalb sind Einschränkungen sehr sinnvoll, und daher unterstützt auch die EVP diese Motion. Ich empfehle Ihnen sehr, diese kleine Einschränkung zu unterstützen Uhr fände ich noch viel besser. Und erzählen Sie mir bitte nicht, die jungen Menschen wurden schon nachmittags um Uhr den Alkohol kaufen. Logisch wird gebunkert, dies aber vor allem an den grossen Festen mit teurem Eintritt, wo das Glas Bier 5 Franken und ein Longdrink 12 Franken kosten. Unsere SMS-Generation entscheidet absolut kurzfristig und spontan; ich habe vier Töchter in diesem Alter. Die Besäufnisse, die dazu führen, dass anschliessen vier bis sechs Leute auf der Notfallstation eingeliefert und ausgenüchtert werden müssen, finden sehr spontan statt. Diese können wir einschränken, indem wir die Verkaufszeiten und vielleicht auch die Verkaufsstellen ein wenig einschränken. Erlauben Sie mir noch ein letztes Wort zur Einschränkung von Verkaufsstellen. Wozu geht man in eine Tankstelle? Wie geht man dort hin? Im Normalfall fährt man motorisiert dahin und zwar um zu tanken. Alkohol hat meiner Meinung nach sehr wenig, bzw. nichts an Tankstellen verloren. Alkohol und Autofahren haben nichts miteinander zu tun, deshalb gehört der Alkoholverkauf in Tankstellen und Garagen verboten. Dies nicht nur, um junge Menschen vor dem Absturz zu bewahren, sondern um die 11 Prozent der Bevölkerung mit einem äusserst problematischen Alkoholkonsum ein wenig vom Alkohol abzuhalten. Es ist auch eine volkswirtschaftliche Massnahme, welche die Gesundheitskosten beeinflusst und mit der letztlich auch das menschliche Elend einiger Menschen verknüpft ist. Ruedi Sutter, Grosshöchstetten (FDP). Der Motionär weist mit seinem Vorstoss zum wiederholten Mal auf das existierende Problem des unsäglichen Rauschtrinkens von Jugendlichen hin. Letztlich handelt es sich bei diesem Vorstoss aber um einen hilflosen Versuch, ein gesellschaftliches Problem mit einer Gesetzesrevision aus der Welt schaffen zu wollen. Der umfassenden Antwort des Regierungsrats gibt es aus Sicht der FDP nichts Grundlegendes mehr beizufügen. Vorstösse mit ähnlicher Zielsetzung lehnten wir bereits in den Jahren 2005 bis 2008 ab. Die FDP-Fraktion bezweifelt nicht nur die Wirksamkeit der geforderten Massnahme, sondern auch die Machbarkeit in der Umsetzung. Der praktische Vollzug der Verkaufsbeschränkungen der jeweils letzten 60 Minuten der Geschäftsöffnung ist nicht verhältnismässig. Definitiv als willkürlich empfinden die Freisinnigen den Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit mit dem Eingriff in das Produktsortiment der Tankstellen- und Garagenshops. Fazit: Die FDP- Fraktion lehnt beide Punkte der Motion ab. Roberto Bernasconi, Malleray (PS). Il est bien clair, pour le groupe socialiste, qu il faut lutter contre l alcoolisme et par làmême lutter pour la protection des jeunes. Nous sommes de l avis qu il faut privilégier la prévention plutôt que la restriction. En ce qui concerne le premier point, nous allons proposer de soutenir un postulat, car la différence entre 21 heures et 22 heures est peu importante: on peut en effet estimer que les jeunes peuvent aller se servir avant. Concernant le deuxième point, qui demande la restriction d alcool, il faudrait que celle-ci soit généralisée: on trouve d autres établissements où on peut acheter de l alcool 24 heures sur 24. Il y aurait donc une trop grande différence entre les kiosques et les shops routiers, ainsi que d autres magasins, qui sont ouverts 24 heures sur 24. Comme le précise le Conseil-exécutif, il faut préconisons plutôt la prévention que l interdiction. C est pourquoi le groupe socialiste va soutenir ce qui est proposé par le Conseil-exécutif, à savoir le postulat pour le point 1 et le rejet du point 2. Peter Bonsack, Kallnach (EDU). Wir wollen ein Signal setzen und unterstützen Punkt 1 der Motion hundertprozentig. Wir wissen aber, dass die Probleme damit noch nicht gelöst sind. Es muss in der Familie beginnen. Ein guter Familienzusammenhalt verhindert, dass Zehnjährige beispielsweise nach Uhr auf der Strasse herumlaufen und sorgt dafür, dass sie zuhause betreut werden und gar nicht auf den Gedanken kommen, sich zu besaufen. Die Prävention muss also zuhause beginnen. Punkt 2 lehnen wir ab, denn man kann nicht einfach verbieten, dass Garagen- und Tankstellenshops Alkohol verkaufen. Andreas Blaser, Steffisburg (SP). Es war eine interessante Diskussion und mein Fazit ist folgendermassen: Die Problematik wurde erkannt, wie aber damit umgegangen werden soll, diesbezüglich zeigt sich der Grosse Rat ziemlich hilflos. Gleichwohl möchte ich noch kurz auf einige Voten eingehen. Marianne Schenk erwähnte das Bunkern von Alkohol im Voraus. Tatsächlich geschieht das meiste sehr spontan Da bin ich mit Ruedi Löffel einig. Ich habe zwar keine vier Töchter, dafür vier Söhne, und diese sind in diesem Bereich wohl noch vermehrt unterwegs. Wenn sie zuhause bei mir ein Fest veranstalten, sehe ich selbstverständlich auch jeweils bereits gebunkerte «Biergaschos». Sind sie aber unterwegs, läuft alles sehr spontan. Letztlich ist es auch hier so: Gelegenheit schafft nicht Diebe, aber Gelegenheit schafft schlussendlich Säufer und auch Säuferinnen, wenn der Alkohol völlig frei zugänglich ist. Den Grünen möchte ich Folgendes sagen: Selbstverständlich kann man bemerken, das Problem sei schon im Jahr 2005 diskutiert worden. Nun sind aber sechs Jahre vergangen. Seither ist sehr viel geschehen, wenn man die Statistik betrachtet. Das Problem vergrösserte sich. Seitens der Grünen wurde ebenfalls moniert, die Motion sei unvollständig. Selbstverständlich ist sie unvollständig. Es gibt auch kein Patentrezept um das Problem zu lösen. Meiner Meinung nach ist es ein pragmatischer Ansatz und ein Schritt in die richtige Richtung. Noch etwas an Moritz Müller: Das Gastgewerbegesetz entspricht genau dem Ist-Zustand, und ich fordere klipp und klar eine Anpassung der kantonalen Gesetzgebung in diesem Sinn. Ein Gesetz ist ja bekanntlich änderbar, dafür sind wir im Grossen Rat ja auch angestellt und bezahlt. Ruedi Sutter meinte es sei ein hilfloser Versuch. Ich behaupte nicht, es sei das Gelbe vom Ei. Aber nichts zu machen tun noch hilfloser. Hier erwarte ich auch von der FDP, einmal einen Schritt in die richtige Richtung mitzumachen. Es handelt sich um eine Blume im Strauss von Massnahmen. Wenn wir hier sagen, es nütze nichts, wird selbstverständlich nichts geschehen. Schlussendlich wusste ich im Voraus, dass die Wirtschafts- und Gewerbefreiheit angeführt wird. Wenn wir das wollen, müssen wir auch bereit sein, die sozialen Kosten zu tragen. Ruedi Löffel zeigte auf, dass diese Kosten erheb-

74 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 515 lich sind. Das will hier im Saal auch niemand. Ich bin bereit, zu wandeln, bitte Sie aber, beide Punkte zu überweisen. So bieten wir der Volkswirtschaftsdirektion die Gelegenheit, uns anschliessend aufgrund dieses und anderer überwiesenen Postulate Massnahmen vorzuschlagen. Hier können wir dann in Kenntnis der Sache auch über die Auswirkungen auf die Gesetzgebung und Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit entscheiden. Ich bitte Sie, ein Zeichen zu setzen und das Postulat zu überweisen. Präsident. Wir hörten es; der Motionär wandelte beide Punkte in ein Postulat. der Lage sich zu benachrichtigen, dass der Alkohol nicht mehr im Tankstellenshop, sondern im Laden 500 Meter entfernt gekauft werden könne. Im Rahmen der Wirtschaftsfreiheit wäre dies tatsächlich nicht fair gegenüber denjenigen, welche die Tankstellenshops führen. Deswegen beantragt Ihnen der Regierungsrat, den zweiten Punkt der Motion Blaser sowohl in Form der Motion als auch des Postulats abzulehnen. Präsident. Wir kommen nun zur Abstimmung in der Motion Blaser. Wir werden punktweise abstimmen. Beide Punkte wurden in ein Postulat gewandelt Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Das Problem des Missbrauchs von alkoholischen Getränken ist vielschichtig. Wie bereits gesagt wurde, befassten wir uns im Grossen Rat schon hie und da mit diesem Thema. Ich muss es wiederholen: Ganz klar kann nicht eine einzige Massnahme diesem Problem Herr werden. Nebst der Repression ist es ebenso wichtig, auch der Prävention eine gewisse Nachhaltigkeit zu verschaffen. Die Motion schlägt zwei Massnahmen vor. Beide waren bereits Gegenstand von Diskussionen im Grossen Rat. Beginnen wir mit der zeitlichen Einschränkung im ersten Punkt. Der Regierungsrat teilt die Auffassung des Motionärs, dass alkoholische Getränke nicht rund um die Uhr erhältlich sein sollen. Im Kanton Bern ist dies aber bereits heute nicht der Fall. Schon jetzt dürfen im Kanton Bern alkoholische Getränke nur bis Uhr verkauft werden. Deshalb wehre ich mich ein wenig gegen den Vorwurf des Motionärs in seinem ersten Votum, es sollten nun endlich Massnahmen ergriffen werden. Es ist nicht so, dass heute ein Laisser faire besteht und die ganze Nacht hindurch Alkohol gekauft werden kann. Bereits heute verfügen wir über Einschränkungen, indem alkoholische Getränke nur bis Uhr gekauft werden können. Zudem lehnt der Regierungsrat eine Ausdehnung der Einkaufsmöglichkeiten für Alkohol klar ab. Aus diesem Grund sprachen wir uns gerade kürzlich beim Bund dagegen aus, Nachtarbeit rund um die Uhr in Tankstellenshops zuzulassen. Der Regierungsrat ist bereit, zu prüfen ob im Bereich der zeitlichen Einschränkung des Alkoholverkaufs weitere Massnahmen nötig sind und ob diese zu einer Verbesserung der Situation führen könnten. Dabei werden wir auch die Entwicklungen auf Bundesebene in den nächsten Monaten beobachten; namentlich bei der Revision des eidgenössischen Alkoholgesetzes, welche im zurzeit in Arbeit ist. Deswegen ist der Regierungsrat bereit, Ziffer 1 als Postulat anzunehmen. Beim zweiten Punkt muss ich den grossen Rat ganz klar bitten, diesen abzulehnen. Es ist zu betonen, dass Garagenund Tankstellenshops im Kanton Bern nicht in jedem Fall Alkohol verkaufen dürfen. Auch hier muss ich mich ein wenig gegen den Vorwurf wehren, man sollte jetzt endlich etwas unternehmen. Bereits heute muss ein Tankstellenshop über eine Bewilligung verfügen, damit er Alkohol verkaufen darf. Nur wenn er auch Lebensmittel führt und somit wie ein Quartier- oder Dorfladen ist, kann er auch Alkohol verkaufen. Der Regierungsrat ist deshalb klar der Auffassung, dass es keinen Grund gibt, den Tankstellenshops, welche gleich wie Quartierläden funktionieren, jetzt isoliert zu verbieten, Alkohol zu verkaufen. Auch hier setzt der Kanton mit dem Verbot ab Uhr bereits eine Grenze. Es handelt sich um eine Frage der Wirtschafts- und Gewerbefreiheit, wenn plötzlich die Situation entstünde, dass ein Tankstellenshop keinen Alkohol mehr verkaufen dürfte und das Aperto oder der Quartierladen ein paar hundert Meter entfernt weiterhin Alkohol verkaufen kann. Ich glaube, unsere SMS-Generation wäre durchaus in Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 als Postulat Dagegen 67 Stimmen 75 Stimmen 8 Enthaltungen 47 Stimmen 99 Stimmen 4 Enthaltungen Geschäft /10 Interpellation Guggisberg, Kirchlindach (SVP) Holzvermarktung Wortlaut der Interpellation vom 28. Oktober 2010 Im Kanton Bern sind in den letzten Jahren flächendeckend sehr gut funktionierende Holzvermarktungsorganisationen gegründet worden. Die Mitarbeiter dieser privatrechtlichen Organisationen erledigen u. a. Einmess- und Qualitätsklassierungen. Nun hat sich ergeben, dass einige kantonale Revierförster ebenfalls Einmessarbeiten von Rundholz ausführen. Ausserdem betätigen sich einige Förster zudem als Vermittler von Rundholz. In diesem Zusammenhang ersuche ich den Regierungsrat um Beantwortung folgender Fragen: 1. Beschränkt sich der Tätigkeitsbereich von Revierförstern in Privatwäldern nicht auf das Anzeichnen von zu fällenden Bäumen und auf waldbauliche Beratungen? 2. Warum werden Einmess- und Klassierungsarbeiten nicht vollständig den Holzvermarktungsorganisationen überlassen? 3. Sind einzelne Waldabteilungen berechtigt, solche Arbeiten auszuführen? Wenn ja: Gestützt auf welche gesetzlichen Grundlagen? Wenn nein: Welche Stelle wäre zuständig, dies zu überwachen? 4. Besteht in allen Waldabteilungen eine einheitliche Praxis? 5. Unternehmen das kantonale Amt für Wald und der zuständige Oberförster etwas, um allfällige Doppelspurigkeiten zu vermeiden? 6. Sind vom Kanton angestellte Förster berechtigt, Rundholz zu vermitteln? Wenn ja: Welche gesetzlichen Grundlagen berechtigen sie dazu? Wenn nein: Welche Stelle wäre zuständig, dies zu überwachen? 7. Könnten mit einer klar definierten Arbeitsteilung zwischen Waldbesitzern und Kanton in der kantonalen Verwaltung Personalressourcen eingespart werden? (Weitere Unterschriften: 0)

75 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Regierungsrat nimmt zu den einzelnen Fragen wie folgt Stellung: Zu Frage 1 Die Aufgaben des kantonalen Forstdienstes und damit auch der Tätigkeitsbereich der Revierförster sind in den Art. 38 ff. des kantonalen Waldgesetzes (KWaG) geregelt. Neben der Holzanzeichnung und der Beratung gehören beispielsweise auch das Erteilen von Holzschlagbewilligungen, die Überwachung des Waldzustandes sowie die Öffentlichkeitsarbeit dazu. Die kantonalen Revierförster wirken zudem bei der Aufsicht über die Walderhaltung, bei der Forstpolizei, der regionalen Waldplanung und der Gewährung von Beiträgen mit. Schliesslich können sie nach Art. 43 KWaG auf vertraglicher Basis zu marktüblichen, mindestens jedoch zu kostendeckenden Bedingungen, Arbeiten für Dritte ausführen. Zu Frage 2 Der Kanton Bern ist durch die sieben bestehenden Holzvermarktungsorganisationen nicht vollständig abgedeckt. Der kantonale Forstdienst nimmt somit eine wichtige Ergänzungsfunktion wahr. Zu Frage 3 Wie erwähnt ist der kantonale Forstdienst gestützt auf Art. 43 KWaG berechtigt, Arbeiten für Dritte auszuführen. Die Tätigkeiten der einzelnen Waldabteilungen stehen unter der Aufsicht des kantonalen Amtes für Wald (KAWA). Zu Frage 4 Nein, die örtlichen Verhältnisse und damit auch die Bedürfnisse nach Arbeiten für Dritte sind sehr unterschiedlich. Zu Frage 5 Es bestehen keine Doppelspurigkeiten. Die Waldabteilungen sind angehalten, die von Bund und Kanton geförderten Holzvermarktungsorganisationen nicht in ihrer Entfaltung zu hemmen. Zu Frage 6 Gemäss den erwähnten rechtlichen Grundlagen sind sie dazu berechtigt. Das KAWA ist jedoch bestrebt, Holzvermittlung und -verkauf für Dritte nicht offensiv anzubieten und nur in bescheidenem Umfang zu übernehmen. Dadurch sollen wirtschaftliche Risiken für den Kanton auf ein Minimum beschränkt werden. Andere Grundsätze gelten für den Staatsforstbetrieb, der seine Holzprodukte überwiegend selbst vermarktet. Zu Frage 7 Das KWaG sieht zwar eine grundsätzliche Aufgabenteilung zwischen dem kantonalen Forstdienst und den Waldeigentümern vor. Es liegt jedoch im Interesse aller Beteiligten, dass eine gegenseitige Aufgabenübertragung bzw. -übernahme im Rahmen der klar definierten gesetzlichen Schranken stattfinden kann: Der kantonale Forstdienst kann einige seiner Aufgaben geeigneten Dritten übertragen (Art. 40 KWaG) und demgegenüber selbst Arbeiten für Dritte anbieten und ausführen (Art. 43 KWaG). Dieses System ermöglicht örtlich optimale Lösungen, beispielsweise hinsichtlich Auslastung und Nutzung von Synergien. Dadurch lassen sich beim Kanton die vorhandenen Personalressourcen optimal einsetzen. Ohne die im Gesetz vorgesehene Durchlässigkeit müssten mehr Aufgaben durch den Kanton selber wahrgenommen werden, was sich nur mittels zusätzlichem Kantonspersonal bewältigen liesse. Präsident. Herr Grossrat Guggisberg ist teilweise befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Geschäft /10 Interpellation Blank, Aarberg (SVP) NAPAC AG: Nachhaltige Verwendung von Beiträgen der Wirtschaftsförderung Wortlaut der Interpellation vom 5. November 2010 Gemäss einem Artikel der Weltwoche vom («Nachhaltig ist nur das Desaster»), der im Zusammenhang mit dem Tod des Hochstaplers Beda Murer erschienen ist, hat die Wirtschaftsförderung des Kantons Bern der Firma NAPAC AG bzw. deren Zweigniederlassung in Sumiswald vor ca. zehn Jahren Investitionskostenbeiträge von unbekannter Höhe zukommen lassen (gemäss Weltwoche «in Millionenhöhe»). Die Firmengruppe NAPAC ging im Mai 2004 Konkurs. Nach Angaben des vorerwähnten Zeitungsartikels hat die NAPAC-Gruppe damals innert zehn Jahren zwischen 30 und 40 Mio. Franken vernichtet. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die Investition der Berner Wirtschaftsförderung als nicht sehr nachhaltig. Nachdem bereits früher im Kanton Bern Investitionen der Wirtschaftsförderung kritisch hinterfragt werden mussten (vgl. PUK-Bericht im Zusammenhang mit der Bernischen Lehrerversicherungskasse BLVK) besteht ein Anrecht der Öffentlichkeit, näheres zu diesen Beiträgen der Wirtschaftsförderung zu erfahren. Dem betreffenden Journalisten der Weltwoche wurde jede Auskunft verweigert. Im Anschluss an den erwähnten PUK-Bericht erstellte der Regierungsrat einen Bericht betreffend Transparenz bei der Wirtschaftsförderung. Dabei ging es jedoch um die Frage, ob die Beiträge und Unterstützungen der Wirtschaftsförderung grundsätzlich und systematisch publik gemacht werden sollen. Der Bericht kam damals zum Schluss, dass eine solche Publikmachung für die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Kanton Bern nachteilige Folgen hätte. Im Bericht ist jedoch nichts darüber gesagt, wie es sich in Einzelfällen verhält wie im vorliegenden, der bereits einige Zeit zurückliegt und bei dem die begünstigte Firma zudem schon lange nicht mehr existiert. Unter den genannten Umständen sind das geltende Öffentlichkeitsprinzip und das Interesse der Allgemeinheit an Transparenz höher zu gewichten als das Interesse der Wirtschaftsförderung an der Geheimhaltung. Ich erlaube mir deshalb, dem Regierungsrat folgende Fragen zu unterbreiten: 1. Wurde die Firma NAPAC durch die Wirtschaftsförderung unterstützt? 2. Wenn ja, in welcher Form und mit welchen Geldbeträgen? 3. Gestützt auf welche eingereichten Unterlagen und Grundlagen erfolgte die Unterstützung? 4. Wie beurteilt der Regierungsrat dieses Engagement nachträglich? 5. Wie kann sichergestellt werden, dass solche Investitionen künftig vermieden werden können? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Die Interpellation knüpft teilweise bei der Untersuchung der Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Bernischen Lehrerversicherungskasse BLVK an. Die Arbeit der Bernischen Wirtschaftsförderung war ebenfalls Gegenstand dieses Berichts 10, weil geklärt werden musste, ob die Wirt- 10 Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zwecks Klärung und Bewertung der Vorkommnisse und Entwicklun-

76 Volkswirtschaft 8. Juni 2011 Nachmittag 517 schaftsförderung Investitionsentscheide der BLVK unzulässig beeinflusst hatte. Der Bericht kam bezüglich der Arbeit der Wirtschaftsförderung zu folgendem Schluss: «Die PUK hat keinen Anlass gefunden, die Rechtmässigkeit der Entscheide der Wirtschaftsförderung in Zweifel zu ziehen.» Die ebenfalls geäusserte Kritik an der Breite der Förderung wurde in der Zwischenzeit mit präziser formulierten Kriterien aufgenommen. Am 3. September 2007 hat der Regierungsrat ausführlich dargelegt, wie er über die Arbeit der Wirtschaftsförderung Transparenz schaffen will und aus welchen Überlegungen er von einer Publikation von Einzelheiten über geförderte Firmen absieht 11. Die wichtigsten Argumente, die gegen eine Veröffentlichung sprechen sind: Der Kanton Bern wird im Standortwettbewerb geschwächt. Mitbewerber erhalten Informationen über die bernische Förderung, ohne selber die gleichen Informationen zu veröffentlichen. Die Bekanntgabe der Namen der geförderten Firmen führt nicht von selber zu einem effizienten Mitteleinsatz. Dieses Ziel wird besser über klare Förderkriterien erreicht. Die Bekanntgabe von Förderleistungen führt dazu, dass neue Gesuche frühere Leistungen als Massstab nehmen. Mit der Zeit findet eine Nivellierung nach oben statt. Die einzelnen Wirtschaftsstandorte befinden sich in einem intensiven Wettbewerb. Dies gilt sowohl für die nationale als auch die internationale Ebene. Unternehmen siedeln sich dort an oder realisieren ihre Ausbauprojekte an jenen Standorten, wo sie die besten Rahmenbedingungen vorfinden. Dazu gehören auch die Verfahren für Finanzhilfen und Steuererleichterungen. Vertraulichkeit im Einzelfall ist eine zentrale Anforderung der Unternehmen an eine staatliche Wirtschaftsförderung. Der Grosse Rat hat in der Novembersession 2007 von diesem Bericht Kenntnis genommen. Gestützt auf eine Planungserklärung der Oberaufsichtskommission wurde festgelegt, dass die Volkswirtschaftsdirektion der Oberaufsichtskommission jährlich Bericht erstattet über die Arbeit der Wirtschaftsförderung 12. Die Öffentlichkeit wird jährlich über die Arbeit des vergangenen Jahres informiert, die zur Verfügung stehenden Mittel lassen sich aus dem Voranschlag bzw. der Staatsrechnung entnehmen. Zum konkreten Fall: Der Regierungsrat sieht betreffend die in der Interpellation angesprochene Firma grundsätzlich keinen Anlass, von der vorstehend erwähnten Praxis abzuweichen. Seit dem Wegzug hat der Kanton Bern bezüglich der Firma NAPAC keine Aufgaben mehr und keine Kenntnisse über die Entwicklung. Im Rahmen der Grundsätze des Berichts «Erhöhung der Transparenz bei der Wirtschaftsförderung» lassen sich die konkreten Fragen der Interpellation folgendermassen beantworten: 1. Die Firma wurde 1996 unterstützt. Zuständig war damals die Gesellschaft zur Förderung der Bernischen Wirtschaft. 2. Über die Höhe der Förderung im Einzelfall gibt der Kanton Bern keine Auskunft. Für die einzelbetriebliche Förderung stehen jährlich insgesamt vier bis fünf Millionen Franken zur Verfügung. Für einzelne Unternehmen gibt es deshalb im Kanton Bern keine Beiträge «in Millionenhöhe». Bei der Förderung handelt es sich generell um einmalige Beiträge, die im Verlaufe eines Projekts nicht erhöht werden. gen bei der Bernischen Lehrerversicherungskasse (BLVK) an den Grossen Rat vom Bericht Erhöhung der Transparenz bei der Wirtschaftsförderung (Motion 194/05 PUK) 12 Tagblatt des Grossen Rats 2007 S ff 3. Alle Gesuche an die Wirtschaftsförderung werden sorgfältig geprüft. Grundlage ist in jedem Fall ein Businessplan, der über das geplante Geschäft und die Chancen und Risiken Auskunft gibt. Soweit erforderlich, werden zusätzliche Abklärungen getroffen und Gutachten eingeholt. 4. Für die Weiterentwicklung der Förderpraxis analysiert die Wirtschaftsförderung regelmässig, wie sich die geförderten Vorhaben entwickeln und zieht die notwendigen Schlüsse. Nach dem damaligen Wissensstand handelte es sich um ein viel versprechendes Projekt mit neuen Technologien, das zur Entwicklung einer Randregion des Kantons beitragen konnte. 5. Wie im Wirtschaftsleben generell, gibt es keine Garantie für das Gelingen von geförderten Vorhaben. Gerade bei neuen Technologien, wie sie von der Firma NAPAC entwickelt worden waren, besteht das Risiko des Scheiterns, aber auch eine erhebliche Chance für den Wirtschaftsstandort, wenn das Projekt erfolgreich ist. Durch eine sorgfältige Auswahl kann das Risiko des Scheiterns minimiert, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Präsident. Der Interpellant ist nicht befriedigt und gibt eine Erklärung ab. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Man kann ja nicht befriedigt sein, wenn man eine Frage stellt und darauf keine Antwort erhält; jedenfalls nicht im wichtigsten Punkt. Wer die Geschichte der NAPAC-Gruppe verfolgte, kann nach heutiger Beurteilung sagen, dass nie viel mehr als ein Haufen warmer Luft und Luftschlösser vorhanden gewesen sind. Es ist auch so, dass mit der Unterstützung des Kantons Bern hausiert wurde und man dadurch an weitere Subventionen herankam. Es wurde also so einiges ausgelöst, was zu einem ziemlich grossen Schaden führte. Item, der Regierungsrat will es nicht sagen. Wir erlebten es bereits damals bei der PUK. Die ganze Vergabepraxis und wer Geld erhält, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse im Kanton Bern. Das ist so eigentlich nicht richtig, auch wenn es Vorbehalte gibt, dies zu veröffentlichen. Zumindest eine Kommission oder ein Gremium des Grossen Rats sollte Einsicht erhalten, was dort genau geschieht und wer wie viel Geld erhält. Im Rahmen der Parlamentsrechtsreform ist deshalb darauf zu achten, dort Remedur schaffen zu können und einer Kommission diese Kompetenz zu erteilen. Ich werde jedenfalls diesbezüglich entsprechende Anträge einreichen. Präsident. Der Volkswirtschaftsdirektor möchte dazu eine Replik machen. Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Das Votum von Herrn Grossrat Blank überrascht mich schon ein wenig. Er stellte in seiner Interpellation die Frage eins, ob die Firma unterstützt wurde. Darauf erhielt er auf Seite zwei die Antwort, ja die Firma sei unterstützt worden. Dass er nun sagt, er habe eine Frage gestellt und darauf keine Antwort erhalten, erstaunt mich. Er stellte die zweite Frage, mit welchen Geldbeiträgen die Firma unterstützt worden sei. Darauf antworten wir klar, dass wir im Einzelfall nicht sagen könnten, wie hoch die Geldbeiträge waren. Der Fall datiert aus dem Jahr Das deklarierten wir in der Antwort auf die Frage eins klar. Der Interpellant stellte anschliessend drei weitere Fragen, welche wir schriftlich präzis beantworteten. Deshalb kann ich den Vorwurf nicht akzeptieren, die Fragen seien nicht beantwortet worden. Ich möchte auch dem widersprechen, dass nicht mit den Kommissionen und dem Grossen Rat zusammengearbeitet werde. Die OAK wird von der Volkswirtschaftsdirektion regelmässig informiert. Jährlich findet in Folge des PUK-Berichts, wo wir zusammenarbeiteten, eine

77 Juni 2011 Nachmittag Volkswirtschaft Zusammenkunft mit einem Ausschuss der OAK statt, bei der wir das, was vor dem Hintergrund des Steuergesetzes möglich ist, auf den Tisch legen und miteinander diskutieren. Bis anhin erhielt ich regelmässig die Rückmeldung, die OAK sei mit diesen Kontakten befriedigt. Darum kann ich den Vorwurf nicht akzeptieren, es sei eine Blackbox und wir würden nicht mit dem Parlament zusammenarbeiten. Präsident. Der Interpellant wünscht nochmals das Wort. Nun befinden wir uns schon beinahe in einer Fechtdebatte. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Ich möchte nur etwas präzisieren. Ich habe klar gesagt, dass ich auf die wichtigste oder eine der Fragen keine Antwort erhalten habe. Ich sagte nicht, ich hätte gar keine Antworten erhalten. Dies wird so im Protokoll nachzulesen sein. Und die Antworten 4 und 5 sagen leider relativ wenig aus. Meines Wissens erhält die OAK nicht detailliert pro Firma und in Frankenbeträgen Auskunft, wer wie viel erhält. In diesem Punkt gäbe es wohl trotzdem noch Nachholbedarf. Präsident. Wir lassen das so stehen. Übrigens, ich konnte am letzten Sonntag ein Fechtturnier des Grand Prix de Berne anschauen. Wenn unentschieden gespielt wurde, machte es jeweils gleichzeitig bei beiden «Fing» und ein Licht leuchtete auf. Dies geschah am Sonntag mehrmals. Wir lassen es nun so stehen und wollen schauen, wie sich die beiden Herren einigen. Der Regierungsrat nimmt zu den Fragen der Interpellation wie folgt Stellung: Zu Frage 1: Momentan umfasst die Inforama-Beratung 26,6 Vollzeitstellen an den sechs Beratungsstandorten Berner Oberland, Emmental, Rütti, Seeland, Oeschberg und Waldhof. Davon werden für umgerechnet ca. 5,5 Stellen Unterrichtsleistungen für den Bereich Bildung erbracht. Zu Frage 2: Eine Änderung des Personalbestands im Bereich Beratung ist zum heutigen Zeitpunkt nicht vorgesehen (siehe auch Antwort auf Fragen 4 und 5). Zu Frage 3: In den Richtlinien der Regierungspolitik hat sich der Regierungsrat unter Schwerpunkte/Innovation und Wettbewerbsfähigkeit dahingehend geäussert, dass der Kanton die Beratung und das Coaching in der Landwirtschaft stärken will. Die Umsetzung erfolgt insbesondere durch interne Massnahmen wie die bessere Vernetzung zwischen den Abteilungen des Amtes für Landwirtschaft und Natur sowie die Nutzung von Synergien im ganzen Amt. Zu Fragen 4 und 5: Die qualitativen Anforderungen an die landwirtschaftliche Beratung nehmen tendenziell zu. Die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe im Kanton Bern verringert sich aber als Folge des Strukturwandels. Zudem sind heute in der landwirtschaftlichen Beratung auch andere Anbieter aktiv. Der Regierungsrat beurteilt die Gesamtheit der Beratungsleistungen für den Kanton Bern insgesamt als adäquat und ausreichend. Gemäss diesen Ausführungen und der finanzpolitischen Lage des Kantons Bern sieht der Regierungsrat im Moment keinen Anlass, eine Verlagerung von Mitteln in die landwirtschaftliche Beratung vorzunehmen. Präsident. Der Interpellant ist befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Geschäft /10 Interpellation Graber, Horrenbach (SVP) Stärkung der Landwirtschaftlichen Betriebsberatung Wortlaut der Interpellation vom 25. November 2010 Die wirtschaftliche Situation vieler Berner Landwirtschaftsbetriebe ist schlecht. Die wirtschaftlichen Probleme fordern auch die landwirtschaftlichen Berater zusätzlich. Deren Aufgabenbereich geht heute oft weit über die eigentliche Betriebsberatung hinaus bis hin zu Coaching-Aufgaben. Das führt zu einer zunehmenden Arbeitsbelastung des Inforama- Beratungsdienstes. Viele Berater haben Überstunden und kommen mit der Belastung an ihre Grenzen. 1. Wie viele landwirtschaftliche Berater (in Vollzeitstellen) sind im Moment beim Inforama angestellt? 2. Wird die Zahl der Berater gemäss der Personalplanung des Kantons erhöht, bleibt sie gleich oder wird sie sogar gesenkt? 3. Was gedenkt der Regierungsrat zur Stärkung der landwirtschaftlichen Beratung zu tun? 4. Ist der Regierungsrat bereit, mehr personelle und finanzielle Ressourcen für den Beratungsdienst bereit zu stellen? 5. Könnten in anderen Bereichen Mittel freigesetzt werden, um den Beratungsdienst finanziell zu stärken, ohne dass das Gesamtbudget wachsen würde? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 13. April 2011 Geschäft /10 Interpellation Berger, Aeschi (SVP) Einsatz von Lawinensprengmasten anstelle von teuren Schutzbauten Wortlaut der Interpellation vom 15. November 2010 In den Gebirgskantonen Wallis und Graubünden, aber besonders auch im benachbarten Ausland (Österreich, Frankreich usw.), werden zur Sicherung von lawinengefährdeten Strassen und Gebäuden vermehrt Lawinensprengmasten anstelle der sehr teuren Schutzbauten eingesetzt. Mittels einer ferngesteuerten Sprengung werden Lawinen künstlich ausgelöst. Der maximale Wirkungsbereich eines Sprengmastens beträgt bis zu 260 m Durchmesser. Vor allem aus wirtschaftlicher Sicht macht der Einsatz von Lawinensprengmasten Sinn. Die Kosten für einen Sprengmasten betragen ca Franken. Der Bau einer Lawinen-Anrissverbauung mit ähnlich grossem Wirkungsbereich kostet bereits mehrere Mio. Franken. Aber auch für Schutzgalerien oder Strassentunnels fallen bereits ab einer Länge von 100 m mehrere Mio. Franken Baukosten an. Bei den Betriebskosten sind die Beiträge bei den Schutzbauten auch um ein Mehrfaches höher als bei Sprengmasten. Zudem ist mit der Erstellung von Lawinensprengmasten der Eingriff in die natürliche Umwelt massiv kleiner als bei den bekannten Schutzbauten. Es stellen sich deshalb folgende Fragen: 1. Ist der Regierungsrat nicht auch der Ansicht, dass dies eine echte Alternative zu den zum Teil sehr teuren Schutzbauten darstellt? 2. Wurde der Einsatz von Lawinensprengmasten zur Sicherung von Strassen und Gebäuden im Kanton Bern schon geprüft? 3. Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Regierungsrat gewillt, dies künftig auch zu tun? (Weitere Unterschriften: 0)

78 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 519 Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor Lawinen und anderen gefährlichen Naturprozessen wird durch die verantwortlichen Stellen (meist Gemeinden oder Betreiber von Verkehrswegen) im Kanton Bern seit Jahren mittels der bewährten Strategie des integralen Schutzes gewährleistet. Dieser umfasst folgende Komponenten: raumplanerische Schutzmassnahmen (keine Neubauten in erheblich gefährdeten Gebieten, neue Bauten / Umbauten auf zu erwartende Gefahreneinwirkungen dimensionieren), organisatorische Massnahmen (Warnung vor Ereignissen, Evakuation, Sperrungen), operationelle Massnahmen (künstliche Auslösung von Lawinen oder labilen Hangpartien), bautechnische Massnahmen (Gewässer-, Lawinen-, Steinschlagverbauungen usw.), waldbauliche Massnahmen (Pflege von Schutzwäldern). Im Einzelfall muss aufgrund von Risiko- und Nutzen- /Kostenüberlegungen entschieden werden, welche Variante oder Variantenkombination am sichersten, effektivsten und effizientesten ist. Bund und Kanton unterstützen solche Massnahmen nur dann finanziell, wenn die Sicherheit und die Kostenwirksamkeit angemessen gewährleistet sind. Es ist richtig, dass die künstliche Lawinenauslösung mit Sprengmasten im Vergleich zu Lawinenstützverbauungen oder Lawinengalerien deutlich geringere Investitionskosten verursacht. Zur operationellen Sicherung insbesondere von Schneesportgebieten, fallweise auch von Verkehrswegen, erweist sich die künstliche Lawinenauslösung oft als die vorteilhafteste Schutzvariante. Dieser Methode sind aber auch Grenzen gesetzt, wobei folgende Überlegungen im Vordergrund stehen: Bei geschlossenen Siedlungen ist die künstliche Auslösung zu unsicher, ebenso beim Vorhandensein von relevantem Schadenpotenzial im Wirkungsbereich der ausgelösten Lawinen. Zudem eignen sich grosse, wenig strukturierte Einzugsgebiete oder Verkehrsstrecken mit zahlreichen potenziellen Schadenlawinen nicht. Schliesslich erfordert der erfolgreiche Einsatz der künstlichen Lawinenauslösung das Vorhandensein eines erfahrenen Lawinendienstes mit grossen fachlichen Kenntnissen und Ortserfahrung. Auch der Aufwand für Absperrungen und Evakuierungen und die negativen Auswirkungen auf wildlebende Tiere sind zu berücksichtigen. Die einzelnen Fragen des Interpellanten können wie folgt beantwortet werden: Zu Frage 1: Der Einsatz von Lawinensprengmasten kann sich je nach Einzelfall tatsächlich als eine vorteilhafte Alternative zu teureren baulichen Lawinenschutzmassnahmen erweisen, insbesondere für die Sicherung von Schneesportgebieten, allenfalls auch für die Sicherung von Verkehrswegen. Für den Schutz von Siedlungsgebieten eignet sich die künstliche Lawinenauslösung nicht. Zu Frage 2: Die Realisierung von Schutzmassnahmen ist Sache der jeweils verantwortlichen Institution. Der Regierungsrat und die kantonalen Fachstellen gehen davon aus, dass bei der Evaluation der Schutzmassnahmen alle Komponenten des integralen Lawinenschutzes geprüft werden. Die künstliche Lawinenauslösung wird im Kanton Bern durch verschiedene Bergbahnunternehmen für den Schutz der Anlagen mit Erfolg angewendet. Im Weiteren wurde beispielsweise bereits im Jahr 2000 für den Schutz der Kantonsstrasse im Raum Mitholz der Einsatz der künstlichen Auslösung geprüft. Zu Frage 3: Der Regierungsrat unterstützt die bewährte Strategie des integralen Naturgefahrenschutzes. Er empfiehlt den schutzverantwortlichen Institutionen und den kantonalen Fachstellen weiterhin, bei der Planung von Schutzmassnahmen alle möglichen Schutzvarianten zu prüfen und nach Abwägung der sicherheitstechnischen, ökonomischen und ökologischen Vor- und Nachteile die vorteilhafteste Variante zu realisieren. Präsident. Pardon, ich war zu schnell, dieses Geschäft haben wir natürlich noch nicht behandelt. Der Interpellant ist teilweise befriedigt und gibt eine Erklärung ab. Christoph Berger, Aeschi (SVP). In meiner Interpellation zum Einsatz von Lawinensprengmasten anstelle von teuren Schutzbauten wollte ich vom Regierungsrat wissen, ob das nicht eine echte Alternative wäre und der Einsatz solcher Sprengmasten schon entsprechend geprüft worden sei. Der Regierungsrat erwähnt in seiner Antwort, dass der Einsatz von Lawinensprengmasten tatsächlich eine vorteilhafte Alternative zu teuren Schutzbauten wäre. Umso mehr erstaunt mich, dass der Kanton Bern bisher noch nirgends solche Lawinensprengmasten zur Strassensicherung eingesetzt hat. Wir werden hier in diesem Jahr noch viel vom Sparen reden. Oftmals wird auch der Vorwurf kommen, man habe keine machbaren Sparvorschläge. Dies wäre nun beispielsweise ein nutzbarer Sparvorschlag. Wir gaben schon Millionen von Franken für Strassentunnels und deren Sanierung aus, wo es ein paar Lawinensprengmasten auch getan hätten. Ich hoffe, bei künftigen Projekten werde der Einsatz solcher Sprengmasten ernsthaft geprüft. Präsident. Die Geschäfte der Volkswirtschaftsdirektion sind nun offiziell beendet. Ich danke dem Volkswirtschaftsdirektor, Regierungsrat Rickenbacher, und wünsche ihm einen schönen Nachmittag und Abend. Ich darf nun die Regierungsrätin der Bau-, Verkehrs-, und Energiedirektion, Barbara Egger, begrüssen. Ich wurde schon mehrmals gefragt, wie das mit der Sondersession Energiepolitik ablaufe, wie die Redezeiten aussähen und wie die Frage nach den Sondersessionen für Finanzpolitik und Gesundheitswesen behandelt würden. Ich habe es nun folgendermassen angedacht. Morgen, wenn wir die Dringlichkeitserklärungen bekannt geben, werde ich noch einen Informationsblock machen. Gleichzeitig werde ich auch die Spielregeln der nächsten Woche bekannt geben und ansagen, wann wir in einer ausserordentlichen Präsidentenkonferenz die anderen Fragen beraten werden. Auch wenn es einigen teilweise schon über die Fraktionspräsidien mitgeteilt wurde, werde ich Sie hier morgen nochmals ganz klar informieren. Nun kommen wir zu den ersten drei Geschäften der BVE, bei denen es um «Bern erneuerbar» geht. Dazu gibt es eine gemeinsame Beratung. Es geht einerseits um die Motionen der Kommission selbst und anderseits um den Grossratsbeschluss betreffend die Volksinitiative «Bern erneuerbar». Mittlerweile liegt eine bereinigte Fassung der Rückweisungsanträge vor. Weil sich die Situation diesbezüglich auch ein wenig geändert hat, beantragen wir in Rücksprache mit dem Kommissionspräsidenten, Herrn Grossrat Bhend, zuerst über das Geschäft mit der Laufnummer 49 zu beschliessen und erst danach über die beiden Motionen. Wenn Sie dies so akzeptieren, muss ich nicht darüber abstimmen lassen. Ansonsten werden wir diesen Ordnungsantrag diskutieren. Herr Grossrat Bhend wird dann als Kommissionspräsident zu den drei Geschäften etwas sagen, insbesondere auch zu den zwei Motionen der Kommission. Danach haben die Antrags-

79 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie steller der Rückweisungen und des Gegenvorschlags, wie sie auf dem blauen Blatt aufgeführt sind, das Wort. Anschliessend führen wir eine Rückweisungsdebatte durch, innerhalb derer aber auch schon alle Ideen im Zusammenhang mit einem Gegenvorschlag auf den Tisch gebracht werden können. Aufgrund dieser Äusserungen kann dann letztlich über die Rückweisung beschlossen werden. Es existieren ja zwei Rückweisungsanträge. Auch dort gibt es noch eine Überschneidung. Die Rückweisung der FDP von Grossrat Flück tangiert Punkt 2 der Rückweisung BDP / SVP / EDU. Wir würden diesen Punkt dann zuerst ausmehren und derjenige der obsiegt würde falls er überhaupt obsiegt als Rückweisung bestehen bleiben. Ich hoffe, das sei klar gewesen. Wir ändern nun als erstes die Reihenfolge, wenn Sie einverstanden sind. Dies ist die erste Frage, die ich hier in den Raum stelle. Alles andere werde ich, wenn es so weit ist, nochmals klar sagen. Sind Sie mit der Änderung einverstanden, zuerst über Geschäft 49 und anschliessend über Geschäft 47 und 48 zu befinden? Das wird nicht bestritten. Also wird die Änderung der Traktandenliste so angenommen. Geschäft Grossratsbeschluss betreffend die Volksinitiative «Bern erneuerbar» Antrag BDP (Luginbühl-Bachmann, Krattigen) / SVP (Brand, Münchenbuchsee) / EDU (Schneiter, Thierachern) Rückweisung an die Kommission mit folgenden Auflagen 1. Überprüfung der Rechtsmässigkeit der Initiative bzw. über die Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht (Stromversorgungsgesetz usw.) 2. Ausarbeitung eines Gegenvorschlages der den energiepolitischen Beschlüssen der eidgenössischen Räte entspricht 3. Umfassende Berichterstattung über die finanziellen und volkswirtschaftlichen Folgen (Investitionen der öffentlichen Hand, Sanierungskosten für die Hauseigentümer, Entwicklung der Strompreise, Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Angebote an Arbeitsplätzen) Antrag FDP (Flück, Brienz) Rückweisung mit der Auflage einen Gegenvorschlag im folgendem Sinne zu prüfen: Art.35 1 Unverändert 2 Sie treffen Massnahmen für eine umweltgerechte, wirtschaftliche und ausreichende Energieversorgung auf der Basis von erneuerbaren Energien. Der Strombedarf insgesamt sowie der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden sind grundsätzlich durch erneuerbare Energien zu decken. Dieses Ziel soll innert 30 Jahren erreicht werden. 3 Kanton und Gemeinden setzen sich für eine Reduktion des Energieverbrauchs durch sparsame, effiziente und rationelle Verwendung von Wasser und Energie und eine zielführende Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien ein. Antrag glp-cvp (Schöni-Affolter, Bremgarten) Der Grosse Rat stellt der Verfassungsinitiative «Bern erneuerbar» folgenden direkten Gegenvorschlag gegenüber: Art 35. unverändert Art. 136 [neu, modifiziert] Übergangsbestimmungen zu Artikel 35 1 Unverändert 2 Der gesamte Strombedarf ist ab 2025 zu mindestens 75 Prozent und ab 2035 grundsätzlich zu mindestens 90 Prozent durch erneuerbare Energien, insbesondere ohne Atomstrom zu decken. 3 Der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden, die vor Annahme der Initiative rechtmässig bestehen oder für welche das Baugesuch bis höchstens zwei Jahre nach Annahme der Initiative eingereicht wird, ist ab 2025 zu mindestens 50 Prozent, ab 2035 zu mindestens 75 Prozent und ab 2050 zu mindestens 90 Prozent der Gebäudeenergiebilanz durch erneuerbare Energien zu decken. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn der aktuelle Stand der Technik oder ausserordentliche Umstände die Erfüllung der Vorgaben nicht ermöglicht. 4 Der Energiebedarf für Heizungen und Warmwasser von neuen Gebäuden, für welche das Baugesuch mehr als zwei Jahre nach Annahme der Initiative eingereicht wird, wird grundsätzlich zu mindestens 90 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt. Geschäft /11 Motion Kommission Initiative «Bern erneuerbar» (IniBern) (Bhend, Thun) Massnahmen zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar» Wortlaut der Motion vom 29. April 2011 Die Kommission des Grossen Rates zur Vorberatung der Initiative «Bern erneuerbar» ist bereit, die Initiative «Bern erneuerbar» zu unterstützen. Damit die Ziele der Initiative erreicht werden können, sind flankierende Massnahmen nötig. Der Regierungsrat wird deshalb beauftragt, die nötigen Gesetzesänderungen auszuarbeiten oder andere geeignete Massnahmen zu ergreifen, um folgende Forderungen umzusetzen: a) Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie sollen nicht nur an Gebäuden, sondern auch an andern Bauten und Anlagen (Lawinenverbauungen, Lärmschutzwänden usw.) bewilligungsfrei erstellt werden können. b) Bewilligungsverfahren für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien sollen von Gesetzes wegen als prioritär im Sinne von Artikel 2a KoG gelten. c) Anlagen zur Nutzung von erneuerbaren Energien an Schutzobjekten sollen von der Denkmalpflege und dem Amt für Umweltkoordination und Energie gemeinsam beurteilt werden. d) Anlagen zur Nutzung der Wind- und Wasserenergie sollen grosszügiger bewilligt werden. e) Bei neuen Gebäuden mit Heizung und/oder Warmwasser sollen auf den dafür geeigneten Dach- oder Fassadenflächen Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie erstellt werden oder es soll bei solchen Neubauten ein Mindestanteil der Heizenergie bzw. der Energie zur Warmwasseraufbereitung durch Sonnenenergie gedeckt werden. f) Alle Strassenbeleuchtungen sind innert einer Frist von 10 oder 15 Jahren auf LED umzustellen. g) Innert drei Jahren ab Inkrafttreten des KEnG hat der Regierungsrat den kantonalen Richtplan Energie vorzulegen. (Weitere Unterschriften: 0)

80 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 521 Geschäft /11 Motion Kommission Initiative «Bern erneuerbar» (IniBern) (Bhend, Thun) Standesinitiative: Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch in Landwirtschaftszone und Wald ermöglichen! Wortlaut der Motion vom 29. April 2011 Die Kommission des Grossen Rates zur Vorberatung der Initiative «Bern erneuerbar» ist bereit, die Initiative «Bern erneuerbar» zu unterstützen. Damit die Ziele der Initiative erreicht werden können, sind flankierende Massnahmen auf Bundesebene nötig. Der Regierungsrat wird deshalb beauftragt, folgende Standesinitiative bei den Bundesbehörden einzureichen: «Der Kanton Bern beantragt der Bundesversammlung, die gesetzlichen Grundlagen, namentlich die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Raumplanung sowie des Bundesgesetzes über den Wald so anzupassen, dass Anlagen zur Gewinnung, Umwandlung, Lagerung, Bereitstellung, Übertragung und Verteilung von erneuerbaren Energieträgern und erneuerbarer Energie ausserhalb des Baugebietes beziehungsweise im Wald als zonenkonform oder standortgebunden anerkannt werden.» (Weitere Unterschriften: 0) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die beiden Motionen haben zum Ziel, die mit der Initiative «Bern erneuerbar» geforderten Änderungen der energiepolitischen Vorgaben der Kantonsverfassung mit konkreten und praxisbezogenen Massnahmen gezielt zu unterstützen. Der Regierungsrat unterstützt die Motionen, deren Inhalte sich mit der Ausrichtung der kantonalen Energiestrategie 2006 decken. Motion 156/11 Massnahmen zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar» Zu Punkt a) Nach den heute geltenden Bestimmungen im kantonalen Baubewilligungsdekret 13 ist es so, dass Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie baubewilligungsfrei sind, wenn sie an Gebäuden angebracht oder als kleine Nebenanlage zu Gebäuden installiert werden und den kantonalen Richtlinien entsprechen. Vorbehalten bleibt die Baubewilligungspflicht für Anlagen an schützenswerten und an erhaltenswerten Baudenkmälern, wenn letztere Teil einer Baugruppe sind oder in einem Ortsbildschutzperimeter liegen. Die Beschränkung der Baubewilligungsfreiheit auf Anlagen an oder bei Gebäuden erweist sich in der Tat als zu eng. Auch bei andern baulichen Anlagen, die keine Gebäude darstellen (Lärmschutzwände, Stützmauern usw.), gibt es Flächen, die sinnvollerweise zur Nutzung der Sonnenenergie verwendet werden sollten. Die Bewilligungsfreiheit sollte daher auf solche Anlagen ausgedehnt werden, sofern die Anlagen den kantonalen Richtlinien entsprechen. Für Anlagen an schützenswerten und an erhaltenswerten Baudenkmälern ist die Baubewilligungspflicht hingegen unverändert beizubehalten. Zum Beispiel an der Stützmauer der Münsterplattform in Bern sollen weiterhin keine Sonnenkollektoren bewilligungsfrei installiert werden können. 13 Artikel 6 und 7 Dekret vom 22. März 1994 über das Baubewilligungsverfahren (BewD, BSG 725.1) Zu Punkt b) Artikel 2a des Koordinationsgesetzes 14 wurde am 28. Januar 2009 eingefügt und legt fest, dass der Regierungsrat ein Verfahren für prioritär erklären kann, wenn dessen Gegenstand im übergeordneten Interesse des Kantons, insbesondere im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung oder der öffentlichen Sicherheit liegt. Für prioritär erklärte Verfahren haben die beteiligten Behörden beschleunigt zu behandeln. Da bei Annahme der Initiative «Bern erneuerbar» erhebliche Anstrengungen zur Förderung der erneuerbaren Energien nötig sein werden, um die Ziele der Initiative zu erreichen, besteht ein grosses öffentliches Interesse an der beschleunigten Behandlung von Verfahren, die die Nutzung erneuerbarer Energien betreffen. Artikel 2a Koordinationsgesetz soll daher entsprechend angepasst werden, zumindest für Anlagen ab einer bestimmten Grösse oder Leistung. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Verfahren nur dann prioritär erledigt werden können, wenn das nötige Personal zur beschleunigten Behandlung der Verfahren zu Verfügung gestellt wird. Zu Punkt c) Heute ist es vielfach so, dass energietechnische Projekte die ein schützens- oder erhaltenswertes Gebäude betreffen, von der Gemeinde oder von der Bauherrschaft selbst zuerst nur der Denkmalpflege vorgelegt werden. Stimmt diese nicht vorbehaltlos zu oder lehnt sie ein Projekt gar ab, kommt es vor, dass das Projekt zurückgezogen wird. Dabei wäre es in diesen Fällen wohl meistens möglich, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden, wenn auch die Energiefachleute von Anfang an einbezogen würden. Die Forderung nach einer gemeinsamen Beurteilung ist deshalb zu unterstützen, wobei sich der damit verbundene Ressourcenaufwand allerdings noch nicht abschätzen lässt. Soweit nur die kantonalen Stellen betroffen sind, kann dies ohne Gesetzesänderung umgesetzt werden. Zu Punkt d) Die rechtlichen Grundlagen für die Bewilligung von Anlagen zur Nutzung der Wind- und Wasserenergie gibt grösstenteils der Bund vor. In der Bewilligungspraxis gibt es jedoch in der Interessenabwägung in der Regel einen gewissen Ermessensspielraum. Bei Annahme der Initiative «Bern erneuerbar» werden erhebliche Anstrengungen zur Förderung der erneuerbaren Energien nötig sein, um die Ziele der Initiative zu erreichen. Der Regierungsrat ist deshalb bereit, die kantonale Verwaltung anzuweisen, innerhalb der gesetzlichen Rahmen Ermessensspielräume in der Interessenabwägung zugunsten der erneuerbaren Energien zu nutzen. Zudem kann dies im Rahmen der nächsten Anpassung des Richtplans und in der Energiestrategie verankert werden. Zu Punkt e) Die Solartechnik ist heute derart weit fortgeschritten, dass es auch für private Eigentümer und für Gemeinden wirtschaftlich und damit zumutbar ist, die Sonnenenergie für die Warmwasseraufbereitung zu nutzen. Im neuen Kantonalen Energiegesetz (KEnG) und im Volksvorschlag dazu ist vorgesehen, dass die Gebäudehüllen von neuen kantonalen Gebäuden sowie von bestehenden kantonalen Gebäuden bei ihrer Erneuerung mit Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie auszustatten sind, soweit sie dafür geeignet sind und die Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Solartechnik ausgewiesen ist. Um die Ziele der Initiative «Bern erneuerbar» zu erreichen, genügt es nicht, wenn nur die Gebäudehüllen der kantonalen Gebäude für die Nutzung der Solarenergie verwendet werden. Dasselbe ist für alle neuen Gebäude zu fordern, die beheizt oder mit Warmwasser ausgestattet werden. 14 Koordinationsgesetz vom 21. März 1994 (KoG, BSG 724.1)

81 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie Im Weiteren ist die Regelung im KEnG zu den Anforderungen an die haustechnischen Anlagen sehr allgemein gefasst. Es wird daher zu prüfen sein, ob die Umsetzung der Forderung, bei allen Neubauten sei die Sonnenenergie zu nutzen, eine Änderung des kantonalen Energiegesetzes notwendig macht. Zu Punkt f) Die LED-Technologie (Licht emittierende Diode) gilt als sehr energieeffiziente Beleuchtungsalternative im Innenbereich. Auch als Strassenbeleuchtung steht sie kurz vor dem Durchbruch als Lichtquelle der Zukunft. Erste Anwendungen in der städtischen Strassen- und Gebäudebeleuchtung sind bereits mit Erfolg realisiert worden und zeigen, dass durch den Ersatz von herkömmlichen Strassenbeleuchtungen durch LED- Leuchten bis zu 55 Prozent Energie gespart werden kann. 15 Die Forderung, alle Strassenbeleuchtungen innert einer Frist von 10 oder 15 Jahren auf LED umzustellen, ist zu unterstützen. Dabei sollte, die Frist auf 15 Jahre festgelegt werden, weil die Technologie noch recht neu ist und zurzeit noch nicht für alle Beleuchtungssituationen ausgereifte Lösungen zu Verfügung stehen. Als weitere Effizienzmassnahme könnten die Betriebszeiten optimiert und die Leistung der Strassenbeleuchtung zeitweilig, z. B. zwischen und Uhr, reduziert werden. Für neue Strassenbeleuchtungen oder für den Ersatz von bestehenden Beleuchtungen durch neue, kann auf Verordnungsstufe (kantonale Energieverordnung) der Einsatz von LED-Leuchten bei Kantons- und Gemeindestrassen verlangt werden. Grundlage dafür ist das neue Energiegesetz, das eine Regelung enthält, wonach die Beleuchtung energieeffizient zu betreiben ist (Artikel 52 Absatz 1 KEnG). Die Einführung einer eigentlichen Umrüstungspflicht innert einer bestimmten Frist (im Sinne einer Sanierungspflicht) setzt jedoch eine Änderung des KEnG voraus. Dabei werden auch Ausnahmen von der Umrüstungspflicht vorgesehen werden müssen. Wurde z. B. eine Strassenbeleuchtung in den letzten 10 Jahren auf Natriumhochdrucklampen umgerüstet, macht ein Ersatz durch LED-Lampen wenig Sinn, weil die Stromeinsparung nur sehr gering ausfallen würde. Zu Punkt g) Die Forderung, der kantonale Richtplan Energie sei innert 3 Jahren ab Inkrafttreten des KEnG vorzulegen, ist sinnvoll. Das kantonale Energiegesetz sieht zwar eine entsprechende Planung im Rahmen des kantonalen Richtplans vor, legt dafür aber keine Frist fest. Um die Ziele der Initiative zu erreichen, ist eine rasche Anpassung und Ergänzung des kantonalen Richtplans erforderlich. Motion 157/11 Standesinitiative: Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch in der Landwirtschaftszone und Wald ermöglichen! Der Regierungsrat unterstützt eine Standesinitiative mit dem Antrag, das massgebliche Bundesrecht sei so anzupassen, dass Anlagen zur Gewinnung, Umwandlung, Lagerung, Bereitstellung, Übertragung und Verteilung von erneuerbaren Energieträgern und erneuerbarer Energie ausserhalb des Baugebietes beziehungsweise im Wald als zonenkonform oder standortgebunden anerkannt werden. Auslöser der Forderung ist insbesondere die Tatsache, dass es unter geltendem Bundesrecht (Raumplanungs- und Waldgesetz) sehr schwierig bis fast unmöglich ist, im Wald Holzschnitzellager zu errichten. Auch die Erstellung von Biogasanlagen ist nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich 16. Die Forderung der Kommission ist deshalb zu unterstützen. Unter den geltenden, restriktiven Vorschriften können viele sinnvolle Pro- 3 vgl. dazu: Dokumentation "Strassenbeleuchtung" 16 Vgl. dazu Artikel 34a der eidgenössischen Raumplanungsverordnung (RPV, SR 700.1) zu den Bauten und Anlagen zur Energiegewinnung aus Biomasse jekte für die Nutzung erneuerbarer Energien nicht realisiert werden. Anträge: Motion 156/11 und Motion 157/11 Annahme. Gemeinsame Beratung Präsident. Nun hat, wie besprochen, der Kommissionspräsident, Grossrat Bhend, das Wort. Er wird sich zum Grossratsbeschluss betreffend Volksinitiative und gleichzeitig zu den beiden Motionen äussern. Patric Bhend, Thun (SP), Präsident der Kommission. Bei der Einsetzung dieser Kommission gingen die Parteien wahrscheinlich davon aus, dass es sich hier um die Bewältigung einer relativ einfachen Aufgabe handeln werde, nämlich um die Klärung der Gültigkeit der Initiative mit folgendem Inhalt: Die Verfassungsänderung, Artikel 35, die, grob gesagt, die Energiewende hin zu einer vollständigen Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen im Kanton Bern verlangt und ein neuer Artikel 136, der die Übergangsfristen mit verbindlichen Zielen und Zwischenzielen regelt. Daneben wäre es Aufgabe der Kommission gewesen, zu klären, ob ein Gegenvorschlag ausgearbeitet wird und ob Ihnen die Initiative zur Unterstützung vorgeschlagen wird. Schliesslich kam es ganz anders, und wir benötigten für unsere in der Vorschau einfache Arbeit schlussendlich drei Sitzungen. An der ersten Sitzung am 11. November 2010 beschloss eine Mehrheit der Kommission, die Abstimmung zu Mühleberg abzuwarten, um danach zu entscheiden, dem Volk allenfalls einen Gegenvorschlag zur Initiative zu unterbreiten. An dieser Sitzung wurde gleichzeitig auch einstimmig die Gültigkeit der Initiative beschlossen. Das Resultat der Mühleberg-Abstimmung ist uns allen bekannt. Als die Kommission aber am 15. März 2011 wieder tagte, war das Resultat bereits wieder überholt. Vier Tage vorher hatte ein schrecklicher Tsunami die japanische Küste überrollt und die bislang grösste Atomkatastrophe in der Geschichte der Menschheit ausgelöst. Die Betroffenheit der Kommissionsmitglieder am zweiten Sitzungstag war entsprechend hoch. Die grosse Mehrheit der Kommission war sich damals einig, dass die politischen Pole in der Energie- und Atomfrage jetzt einen Schritt aufeinander zu machen sollten, und dass wir dies den nächsten Generationen schuldig seien. Darum beschloss die Kommission auf die Ausarbeitung eines direkten Gegenvorschlags zur Initiative zu verzichten. Es wurde es als zielführender erachtet, eine Arbeitsgruppe, mit einem Mitglied aus jeder Partei, zwei Kommissionsmotionen erarbeiten zu lassen. Nach Treu und Glauben konnten die Mitglieder der Kommission damals davon ausgehen, dass die Initiative zusammen mit den flankierenden Kommissionsmotionen eine grossmehrheitliche Unterstützung finden würde. Am 28. April 2011, in der dritten Sitzung, kamen die Motionen auf dem Tisch. Offenbar war damals aber der erste Schock nach Fukushima bereits wieder ein bisschen verflogen. Über den Inhalt der Motionen gab es keine grundsätzlichen Differenzen. Trotzdem wollten einige Kommissionsmitglieder plötzlich nichts mehr vom Konsens der vorgängigen Sitzung wissen. Am Schluss der Sitzung setzte sich dann nur noch eine knappe Mehrheit durch und beschloss, Ihnen die Unterstützung der Initiative zu beantragen und die beiden vorliegenden Kommissionsmotionen einzureichen. Nach dieser Geschichte ist die Situation heute schon wieder anders. Es liegen zwei Rückweisungsanträge und ein direkter Gegenvorschlag vor. Liebe Mitglieder meiner Kommission, Sie machen mir die Aufgabe heute nicht einfach. Bitte erlauben Sie mir die Bemerkung, dass man sich das Modell der vorberatenden Kommissionen überlegen müsste, sähe das Resultat der

82 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 523 Beratung immer so aus, wie nun bei uns. Es gibt einen Antrag an den Grossen Rat, den die Mehrheit der Kommission am Schluss gar nicht mehr mitträgt. Ich muss Ihnen aber zugutehalten, dass sich die Faktenlage im Verlauf unserer Arbeit tatsächlich grundlegend verändert hat und eine thematische Neupositionierung einer ganzen Partei manchmal auch länger dauern kann. Nun, es ist so, wie es ist. Ich hoffe, die Kommission bringe trotzdem noch einen würdigen Abschluss zustande, sollten Sie uns doch noch mit der Erarbeitung eines Gegenvorschlags beauftragen. Wie ginge es nun weiter, sollte eine Rückweisung oder der direkte Gegenvorschlag hier im Saal eine Mehrheit finden? Zu den vorliegenden Anträgen gebe ich Ihnen im Namen der Kommission keine Empfehlung ab, weil wir diese gar nicht behandeln konnten. Im Namen der Kommission stellte ich aber bereits den Ordnungsantrag, die beiden Kommissionsmotionen nach der Beschlussfassung zur Initiative zu behandeln. Sollte das Geschäft nun erneut zur Behandlung zu uns in die Kommission zurückkommen, würde ich deswegen auch die beiden Vorstösse zurückziehen. Wir würden dann in der Kommission darüber beraten, ob es noch Sinn macht, die Motionen überhaupt noch einzureichen, oder wir sie inhaltlich anpassen müssten. Bei einer Rückweisung mit dem Auftrag zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags, würde die Kommission «Bern erneuerbar» einen Gegenvorschlag ausarbeiten und Ihnen diesen in einer ersten Lesung vorlegen. Da es sich aber um eine Verfassungsänderung handelte, müsste der Gegenvorschlag nach dem Grossen Rat zwingend zurück zu uns in die Kommission und Ihnen anschliessend ein zweites Mal vorgelegt werden. Würde die Rückweisung heute abgelehnt und fände der direkte Gegenvorschlag der glp- CVP-Fraktion eine Mehrheit, käme das Geschäft ebenfalls zurück in die Kommission. Wir würden den Gegenvorschlag dann definitiv ausarbeiten und Ihnen nochmals vorlegen. Auf eine zweite zusätzliche Kommissionssitzung und eine zweite Lesung im Grossen Rat könnte verzichtet werden, weil dann eigentlich die erste Lesung hier schon stattgefunden hätte, als der direkte Gegenvorschlag behandelt wurde. Im Interesse der Sache bitte ich Sie, seriös abzuwägen, ob in diesem Fall wirklich zwei Lesungen notwendig sind. Bitte wägen Sie auch ab, ob es richtig ist, den geplanten Abstimmungstermin nach einer ersten Verschiebung aufgrund der Mühleberg- Abstimmung nun ein weiteres Mal nach hinten zu verschieben. Ich persönlich finde, eine Volksinitiative sollte dem Stimmvolk möglichst ohne Verzug vorgelegt werden. Im Namen der Kommission beantrage ich Ihnen die Unterstützung der Initiative. Präsident. Der Kommissionspräsident hat angedeutet, dass, je nach Ausgang bzw. wenn eine Rückweisung beschlossen würde, die beiden Motionen zurückgezogen würden. Das läuft aber unter «wenn dann». Nun werden wir, wie gesagt, eine Rückweisungsdebatte führen und uns durch das blaue Papier arbeiten. So können alle Antragssteller inklusive glp-cvp bereits Stellung nehmen, weil wir innerhalb der Rückweisungsdebatte auch die Grundsatzfrage eines Gegenvorschlags thematisieren. Dies, damit diese Inhalte dann allenfalls falls eine Rückweisung beschlossen würde in die Arbeit der Kommission mit einfliessen könnten und die Kommission weiss, in welche Richtung eine Ausarbeitung gewünscht ist. Es ist aber nicht so, dass wir der Kommission die ganze Arbeit abnehmen oder ihr vorschreiben sollten, wie das Ganze schlussendlich ausformuliert sein soll. Nun haben zuerst die Antragssteller das Wort. Anita Luginbühl-Bachmann, Krattigen (BDP). Zuerst möchte ich meinen besten Dank an die Kommissionsmitglieder aussprechen, die an der Verfassungsinitiative «Bern erneuerbar» gearbeitet haben und die Motionen dazu formulierten. Die Initiative «Bern erneuerbar» wurde im Jahr 2009 vom Initiativkomitee eingereicht. Zwischenzeitlich geschah Extremes und extrem vieles. Der Bundesrat benützte vor drei Wochen klare Worte und stellte einen Weg vor, wie die nationale Stossrichtung sein werde. Die Kommissionsarbeiten zur Initiative «Bern erneuerbar», die Annahme des Volksvorschlags des Energiegesetzes und die Vorkommnisse in Japan geschahen teilweise zeitverschoben, teilweise sogar parallel. Nun ist es von grosser Wichtigkeit, alle anstehenden Geschäfte ganzheitlich und seriös zu behandeln und nicht aus falschen und voreiligen Schlüssen heraus für uns und speziell für unsere Nachkommen zu entscheiden. Im Initiativtext wird vom Jahr 2050 gesprochen. Es wäre falsch, die Initiative «Bern erneuerbar» zum jetzigen Zeitpunkt, so wie sie vorliegt, abzulehnen. Aus unserer Sicht wäre es aber ebenso falsch, sie zum jetzigen Zeitpunkt, so wie sie vorliegt, anzunehmen. Wir beantragen die Rückweisung in die Kommission aus folgenden Gründen und mit folgenden Auflagen: Einerseits soll eine Überprüfung der Rechtsmässigkeit und die Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht geprüft werden. Ist es zum Beispiel rechtsgültig auch wenn es sich klar um eine Übergangsbestimmung handelt Zahlen und auch Jahrzahlen in die Verfassung zu integrieren? Der neue Artikel 136 will das. Ist es beispielsweise rechtsgültig, den Stromkonsumenten das zu beziehende Stromprodukt im kantonalen Recht vorzuschreiben, auch wenn das Stromversorgungsgesetz diesbezüglich eine Liberalisierung vorsieht? Unsere Abklärungen zeigten, dass sich die Juristen nicht einig sind. Dies verlangt aus Sicht der BDP- Fraktion, der FDP-Fraktion und der EDU eine saubere Abklärung. Der Rückweisungsantrag verlangt weiter die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags, der den energiepolitischen Beschlüssen der eidgenössischen Räte entspricht. Im Internet können Sie sehen, dass im Stände- und vor allem im Nationalrat beinahe täglich neue Beschlüsse gefasst werden, welche auch Einfluss auf unsere Beschlüsse hier haben. Damit wollen wir auch verhindern, dass der Kanton Bern Gefahr läuft, mit der Initiative «Bern erneuerbar» einen Weg einzuschlagen, der dann als einer von 26, oder anders gesagt als Einzellösung Kanton Bern, in die Geschichte eingeht. Vielleicht hier noch eine Zwischenbemerkung: Patric Bhend kritisierte ein wenig, was in den Fraktionen in Bezug auf die Kommissionsarbeit geschah. Es ist durchaus legitim, dass Fraktionen einen anderen Weg vorschlagen können als in der Kommission vorgelegt wird. Der dritte Punkt unseres Rückweisungsantrags betrifft die umfassende Berichterstattung über die finanziellen und volkswirtschaftlichen Folgen. Die Initiative fordert, beispielsweise, für Heizung und Warmwasser bis im Jahr 2050 zu 100 Prozent erneuerbare Energien zu verwenden. Das zwingt alle Hauseigentümer inklusive den Kanton Bern zu grossen Investitionen. Einerseits bedingt dies die Neuanschaffung von Heizungen und ganzen Heizsystemen und zudem grosse wärmetechnische Sanierungen der Gebäudehülle, um den Energieverbrauch zu senken. Weiter stellt sich die Frage, was sich für Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplatzsituation zeigen könnten. Man kann davon ausgehen, dass diese sehr wohl positiv sein werden wir aber möchten dazu mehr wissen. Wir alle hier im Saal sind uns bewusst, dass die allgemeinen Strom- und Energiekosten zukünftig steigen werden. Um letztlich Energie sparen zu können, müssen sie vermutlich steigen. Gewisse Berechnungen dazu müssen aber angestellt werden und einige Anhaltspunkte sind, auch für die Bevölkerung des Kantons Bern, von grosser Wichtigkeit. Denn wir sind alle davon betroffen und haben

83 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie ein Anrecht auf eine transparente Information um den Weg gemeinsam gehen können. Es ist uns sehr wichtig, die Vorgaben des Bundesrats in unserer kantonalen Gesetzgebung aufzunehmen und auch bereits vorhandene Gesetzgebungen, wie das kürzlich angenommene Energiegesetz, zu berücksichtigen. Mit der Rückweisung wollen wir einen politisch richtigen Weg gehen. Um die drei Auflagen erfüllen zu können, danke ich Ihnen für die Unterstützung des Rückweisungsantrags. So kann die Kommission die offenen Punkte diskutieren, klären und dem Rat anschliessend eine überarbeitete Version unterbreiten. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Ich möchte es vorweg deutlich klarstellen: Die SVP unterstützt die Förderung erneuerbarer Energien. Die Landwirte unternehmen in diesem Bereich sehr viel, es gibt es wahrscheinlich Wenige, die so viel tun. Ich erinnere beispielsweise an die Holznutzung oder an Biogasanlagen. Die SVP ist aber ganz klar gegen Schnellschüsse. Erst kürzlich stimmten wir über das kantonale Energiegesetz ab. Die grosse Mehrheit des Volkes unterstützte den Volksvorschlag. Damit sagte das Volk Ja zu sehr strengen Energiesparzielen, aber auch zu einem vernünftigen Gesetz und vernünftigen Massnahmen. Meiner Meinung nach hätte man daraufhin die Initiative sogar zurückziehen können, da die Energiesparziele, wie wir sie jetzt im Gesetz haben, schon sehr weit gehen. In der Initiative wurden einige Punkte zu wenig abgeklärt. Anita Luginbühl sagte dazu bereits sehr viel. Im rechtlichen Bereich existieren offene Fragen. Zwar steht im Vortrag einiges dazu, die Ausführungen sind für mich aber nicht überzeugend. Auf eidgenössischer Ebene ist sehr viel in Bewegung. Sinnvoll wäre es, der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüber zu stellen, der die Beschlüsse auf eidgenössischer Ebene berücksichtigt. Der hauptsächliche Grund für eine Rückweisung sind für mich aber die Folgen der Initiative für die Volkswirtschaft und die Gebäudeeigentümer. Schon im Vortrag ist zu lesen, dass wahrscheinlich eine Zwangssanierung von Gebäuden eingeführt werden müsste. Bei der Beratung des Energiegesetzes im letzten Jahr hatten wir dies noch abgelehnt. Was würde das für die Eigentümer bedeuten? Dazu sind im Vortrag keine Angaben enthalten. Es werden auch keine Zahlen aufgeführt. Kürzlich sah ich ein unabhängiges Gutachten, das prüfte, was die Sanierung dieser Gebäude kosten würde. Das Gutachten geht von 64,8 bis 90,7 Mrd. Franken bis im Jahr 2050 aus. So etwas müsste das Volk wissen. Und vor allem auch wir müssen dies wissen, wenn wir über eine solche Initiative abstimmen. Es würde sich sicher lohnen, wenn die sich Kommission dazu noch Gedanken macht, Abklärungen trifft und prüft, ob das Gutachten tatsächlich Hand und Fuss hat. Diese Informationen gehören in die Abstimmungsbotschaft, denn solche Zahlen müssen bekannt sein. Ich möchte, dass sich die Kommission dieser Problematik annimmt und dazu konkrete Aussagen macht. Nun sage ich noch etwas zum Rückweisungsantrag der FDP. Ich bin froh, ist es nun ein Rückweisungsantrag und kein direkter Gegenvorschlag zur Initiative mehr, wie dies zuerst geplant war. Trotzdem finde ich die Vorgaben in diesem Rückweisungsantrag zu stark einengend. Ich bitte Sie also, unseren Punkt 2 des Rückweisungsantrags zu unterstützen. Auch falls der Antrag der FDP durchkommt, bin ich der Meinung, der Wortlaut sei für die Kommission nicht verbindlich. Der Grossratspräsident deutete vorhin so etwas an. Die Kommission muss sich zu diesem Gegenvorschlag selber Gedanken machen können. Es ist ihr überlassen, selbst zu denken und vielleicht zu einer anderen Lösung zu kommen. Wir bevorzugen ganz klar die offene Formulierung, wie sie in unserem Rückweisungsantrag steht. Unser Rückweisungsantrag nimmt auch auf die Entwicklung auf eidgenössischer Ebene Rücksicht. Zum Antrag der glp-cvp. Einen direkten Gegenvorschlag zu bringen, der nicht vorher in der Kommission diskutiert werden konnte, finden wir nicht seriös. Es gilt im Grunde genommen dasselbe, was ich schon für die Initiative sagte. Auch hier müssen wir wissen, was es schlussendlich bedeutet. Auch hier müssen wir die Zahlen und Konsequenzen für die Volkswirtschaft und die Gebäudeeigentümer kennen. Wenn wir hier direkt einen Gegenvorschlag beschliessen auch, wenn er anschliessend zurück in die Kommission geht, fehlen die seriösen Abklärungen. Deshalb werden wir den direkten Gegenvorschlag ablehnen. Noch etwas zum Kommissionspräsidenten. Er sagte vorhin, er würde allenfalls die Motionen zurückziehen. Ich frage mich, ob das einfach so möglich ist. Denn an sich hat die Kommission beschlossen, die Motionen einzureichen. Ich bin nicht sicher, ob der Kommissionspräsident, ohne Beschluss der Kommission, berechtigt ist die Motion einfach zurückzuziehen. Alfred Schneiter, Thierachern (EDU). Ich möchte zuerst dem Kommissionspräsidenten ein kleines Kränzchen winden. Es ist wirklich keine einfache Situation. Ich finde, du hast es bisher eigentlich recht elegant gemacht. Tatsächlich geschah vieles. Ich bin nun seit dem Jahr 1997 in diesem Rat, und ich erlebte noch nie, dass ein äusseres Ereignis so unmittelbar auf unsere Grossratstätigkeit, die Debatten und die Gesetzgebung Einfluss nahm. Tagtäglich werden wir mit Informationen überflutet. Ich gehe davon aus, und attestiere dies auch jedem hier im Saal, dass wir alle das Beste wollen. Aber manchmal ist beinahe eine Orientierungslosigkeit festzustellen. Manchmal wünsche ich mir einen Propheten, der in dieser Sache den Durchblick hätte und uns sagen könnte, wie alles wird. Teilweise sprechen wir ja bereits vom Jahr Wenn jemand uns sagen könnte, wie alles wird und was wir wann genau tun müssten, wären wir natürlich «putzt u gschträut». So wären wir vor Fehlinvestitionen gefeit und würden keine unnötigen Kräfte beim Debattieren verpuffen. Leider verfügen wir über keinen solchen Propheten und ich bin schon gar keiner. Aber wir sind das Parlament und haben die Aufgabe, für diesen Kanton und auch für unser Land den bestmöglichen Weg in der Energiefrage zu finden. Dies wird ein wenig Zeit benötigen und wir müssen uns zusammenraufen. Ich möchte noch etwas zur Rückweisung in die Kommission sagen. Anita Luginbühl deutete es bereits an. Im Nationalund Ständerat werden momentan fortwährend Beschlüsse gefasst. Gerade dies bedingt, dass wir mit den Bundesbeschlüssen irgendwie kompatibel sein müssen. Es hat doch keinen Sinn, jetzt in einer Art Euphorie Dinge zu beschliessen, die wir in ein paar Wochen oder Monaten wieder bereuen und die dann schon wieder nicht zusammenpassen. Wenn wir gewisse Forderungen in der Verfassungsinitiative so festnageln wollen, benötigen wir tatsächlich noch vertiefte Fakten. Sonst tauchen wir hier in ein Abenteuer ein und bereuen es schon bald wieder. Oder es könnte sein, dass wir andauernd zurückbuchstabieren müssen oder die Generationen nach uns sich vielleicht sogar über uns und unsere Beschlüsse beklagen. Vielleicht noch ein letzter Punkt. Wir wollen Leitplanken, hinter die wir alle stehen können, und innerhalb derer wir die Energiepolitik des Kantons Bern vorantreiben können. Aber wir wollen uns keine Zwangsjacken anziehen, die uns dann einengen und uns daran hindern, anzugreifen und anzupacken. Deshalb verlangen wir die Rückweisung an die Kommission. Wir wollen uns nicht zeitlich unter Druck setzen und schnell etwas pfuschen. Wir wollen uns Zeit nehmen und gute Beschlüsse fassen. Wir alle wünschen uns

84 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 525 zuletzt ein gutes Resultat mit dem wir alle unsere Baudirektorin, wir als Grosser Rat und das Volk leben können. Peter Flück, Brienz (FDP). Die FDP-Fraktion ist sich bewusst, dass wir eine grosse Verantwortung bezüglich der zukünftigen Energiepolitik übernehmen, sei dies auf nationaler oder vor allem kantonaler Ebene. Die Aufgabenteilung ist gesetzlich klar geregelt und bekannt. Wir müssen die Energieeffizienz in allen Bereichen verbessern und schrittweise aus der fossilen Energieproduktion und der Kernenergieproduktion aussteigen. Dessen sind wir uns bewusst und auch gewillt, die entsprechenden Schritte zu tun; so beschlossen wir es in der Fraktion. Wir wissen aber auch, dass dies etwas kosten wird. Es wird den Staat, aber auch den Einzelnen etwas kosten, sei es im Verkehrsbereich, bei der Nutzung von Geräten, aber vor allem auch im Bereich der Gebäude. Wir Freisinnigen sind bereit, diesen Schritt zu machen, deshalb unterstützten wir in der Kommission ursprünglich auch die Initiative. Die Abstimmung zum Energiegesetz bewog uns aber zu einer anderen Haltung. Es ist nicht so einfach, das Berner Volk von einer solchen Massnahme zu überzeugen. Vor allem dann, wenn es um das eigene Portemonnaie geht, wird es schwierig. Deshalb mussten wir, gestützt auf die detaillierten Übergangsbestimmungen der Initiative, feststellen, dass wir hier vor allem in Zusammenhang mit der Verfassung einen einfacheren Weg, beschreiten sollten. Wir möchten eine möglichst einfache Strategie und gehen davon aus, dass die Details, wie das Ziel genau zu erreichen sei, im Gesetz geregelt werden sollen. So können wir verhindern, bereits im Zusammenhang mit der Verfassungsänderung über Sanierungszwänge diskutieren zu müssen. Wir wollen eine schlanke Verfassung, deshalb verlangen wir die Rückweisung mit der Auflage eines formulierten Gegenvorschlags. Es ist uns klar Peter Brand dass in der Kommission darüber beraten werden muss, wie das im Detail auszusehen habe. Zu diesem Zweck besteht die Kommission ja auch. Wie es bereits der Grossratspräsident sagte, betrachten wir unseren Antrag als direkten Gegenvorschlag zu Punkt 2 des Rückweisungsantrags BDP / SVP / EDU. Falls unser Antrag überwiesen wird, sind wir bereit, ihn mit den Punkten 1 und 3 des erwähnten Gegenvorschlags als Gesamtpaket zu überweisen. Wir wollen aber nicht jahrelang auf Bundesbeschlüsse warten. Anita, es ist nicht so, dass im Bund jeden Tag viele Beschlüsse gefasst würden. Aber heute Morgen gab es beispielsweise eine Debatte mit beinahe 100 Vorschlägen, die zur Abstimmung kamen. Die Hauptstossrichtung ist bekannt, ob der Ständerat im September folgen wird, wissen wir heute noch nicht. Falls er nicht folgen wird, wird es eine Differenzbereinigung geben. An diesem Beispiel möchte ich Ihnen aufzeigen, dass es sehr lange gehen kann, bis im Bund irgendwelche Beschlüsse fallen. Die FDP-Fraktion will hier nicht warten. Deshalb möchten wir Punkt 2 mit unserem Gegenvorschlag ergänzen und dann gemeinsam überweisen. Eigentlich müsste die BDP hier auch mithelfen. Heute Morgen wurde nämlich eine ganz wesentliche Motion der BDP überwiesen, welche den Ausstieg aus der Atomenergie fordert. Ich bin der Meinung, wenn man dies auf eidgenössischer Ebene fordert, müsste man auf kantonaler Ebene nachziehen und den Worten Taten folgen lassen. Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich kann Ihnen bereits jetzt Folgendes sagen: Ich werde mir nicht etwa Zeitverzögerung vorwerfen lassen, auch wenn es zu zwei Lesungen kommen sollte. Von meiner Vorrednerin und meinem Vorredner wurde aufgezeigt, dass wir dieses Geschäft wirklich seriös angehen müssen, wollen wir eine Chance haben, es im Volk durchzubringen. Unbestritten werden wir viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Umso wichtiger ist es, gute Kommissionsarbeit zu leisten. Bezüglich der Überprüfung der Rechtsmässigkeit ist die FDP-Fraktion der Meinung, es könne so übernommen werden. Ich bin überzeugt, dass Zahlen über finanzielle Konsequenzen in der Verwaltung vorhanden sind, die mit relativ wenig Aufwand der Kommission vorgelegt werden und allenfalls in den Vortrag zuhanden des Grossen Rats einfliessen könnten. Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Präsident. Wenn ein Vertreter des Nationalrats uns hier aufklärt, wie lange es mit Beschlüssen im eidgenössischen Parlament dauert, müssen wir es ja glauben. Es freut mich natürlich, dass zwei der drei Mitglieder, die im Nationalrat sitzen, heute Nachmittag hier anwesend sind, die Nationaloder Grossräte Fuchs und Flück. Nun kommen wir noch zur Antragsstellerin Frau Grossrätin Schöni-Affolter. Es handelt sich hier um keinen Rückweisungsantrag, sondern um einen direkten Antrag für einen Gegenvorschlag. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Die glp-cvp- Fraktion begrüsst die energiepolitische Kehrtwende mit der Abkehr von nicht erneuerbaren Energieträgern, die Risiken beherbergen und unserem Klima schaden. Wir begrüssen somit die Initiative «Bern erneuerbar» ganz klar. Der Atomausstieg und die Notwendigkeit, mit Energie effizienter umzugehen, sind mehr als wichtig. Wir sind überzeugt, auch das Klima könne davon profitieren. Es mag vielleicht paradox erscheinen, aber ich sehe hier sogar eine Potenzierung. Ich will Ihnen erklären, weshalb. Wir werden uns wieder bewusster, was Energie bedeutet und wie viel wir davon brauchen. Wir müssen endlich vermehrt über einen effizienten Umgang mit unseren Ressourcen, wie Energie, Boden, Wasser und Luft diskutieren und auch entsprechend handeln. Wir sind angehalten, wieder mehr Sorge zu unserer Umwelt zu tragen. Sie haben es auch gehört: Der Bundesrat will bis im Jahr 2034 aus der Atomenergie aus- und umsteigen. Ich muss der Initiative ein Kränzchen winden. Mit der Zahl 2035 wurde eine Punktlandung gemacht. Das ist auch ein gutes Zeichen für uns Bernerinnen und Berner. Aber der Weg dahin ist steinig, das hörten wir in verschiedenen Voten. Das Ziel kann nur mit besonderen Anstrengungen erreicht werden. Es ist nicht einfach, den steigenden Energieverbrauch zu drosseln. Wir müssen Anreize schaffen, damit Strom gespart wird. Dies alleine reicht aber nicht. Es braucht Forschung und die Entwicklung von Effizienzsteigerungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Politiker sind gefordert. Wir müssen bereit sein, Umweltemissionen einen Preis zu geben und diesen mittels Lenkungsabgabe verursachergerecht zu verrechnen. Nur so kommen wir weiter. Wir müssen dem Volk gegenüber neue Regulierungen für Gebäudeund Gerätestandards vertreten, wie es Peter Flück sagte. Nur so gelingt ein Umbau in eine erneuerbare Energiezukunft. Das mögen unpopuläre Entscheide sein. Ich habe das Gefühl, der eine oder der andere möchte lieber Entscheidungen über den Oktober hinaus verzögern, weil wir uns in einem Wahljahr befinden. Wir haben aber nicht viel Zeit. Wir müssen so einiges aufholen, was wir in den letzen 30 bis 40 Jahren verschlafen haben. In den letzen Jahren konsumierten wir auf Kosten mehrerer nachfolgender Generationen zu viel Energie und zu wenig nachhaltige Energie. Die Sache verträgt nun wirklich kein Zögern mehr. Wir als Politiker müssen den Mut haben, den Leuten unangenehme Botschaften zu verkaufen. Denn es ist klar: Der Ausstieg ist nicht zum Nulltarif zu haben, aber ein Weiterfahren wie bisher auch nicht. Die Initiative gibt eine steile Vorgabe, die Stossrichtung ist aber grundsätzlich die einzig richtige. Ich möchte nun auf die Rückweisungsanträge zu sprechen kommen und Ihnen zuerst eine kleine Geschichte erzählen.

85 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie Vor zwei Tagen stand im «Bund» dieser kleine Artikel (Die Rednerin zeigt dem Rat den Artikel), ein Dreizeiler nur. Man habe in Fukushima die höchste je gemessene Radioaktivität gemessen, war zu lesen. Einen solchen Dreizeiler war das noch wert. Man spricht heute davon, dass drei von vier Kernschmelzen bereits stattgefunden haben. Unsere ganze Fraktion war erschüttert, als der Rückweisungsantrag von SVP, EDU und BDP am Freitag ins Haus flatterte. Heute vor einem Jahr, am 8. Juni 2010, debattierten wir hier in diesem Rat über die Motion Flück. Jetzt, genau ein Jahr später, ist nichts mehr so, wie vor einem Jahr. Mit wirklich grossem Elan gestalten wir gemeinsam ein Ausstiegsszenario, und da kommen Rückweisungsanträge von denselben Absendern, die vor einem Jahr vehement für die neuen AKW eingestanden waren. Für mich war es wie ein schlechtes Déjà-vu. Ich realisierte, wie verhärtet die Fronten gewesen waren. Sobald energiepolitische Themen aufs Tapet kamen, donnerte im Grossen Rat ein Vorhang herunter. Seit dem tragischen Unglück im März dieses Jahres glaubte ich, es sei vieles anders und besser geworden. Doch die alten Positionen verschiedener bürgerlicher Kreise haben sich bereits wieder etabliert. Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber, ob es eine unheilige Allianz der BDP mit SVP und EDU den beiden unbelehrbaren Befürwortern der Atomkraft sei, oder ob die BDP den grossen Schritt in die richtige Energiewende doch noch nicht unternommen hat. Es stünde der BDP im Kanton Bern gut an, sich nicht an solchen Bremsmanövern zu beteiligen. Denn auf nationaler Ebene verfolgt die BDP mit der Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf eine klare Linie, nämlich einen relativ engen Plan für einen Ausstieg im Jahr Bezüglich Rückweisung heisst es, man wolle warten und sich nichts verbauen, so sagte es Anita Luginbühl. Im Stück Warten auf Godot von Samuel Beckett ist die andauernde Ungewissheit, die Irrationalität und die Hoffnungslosigkeit ein wiederkehrendes Motiv. Das passt genau auf die Situation, in die wir nun mit der Rückweisung hineinkommen. Wir haben keine Zeit mehr, um zu warten. Wir müssen Planungssicherheit schaffen und unverzüglich den Weg der erneuerbaren Energien beschreiten. (Hier fragt die Rednerin den Grossratspräsidenten, ob sie noch Redezeit habe, da sie sich ja sowohl als Antragstellerin wie auch als Fraktionssprecherin äussere.) Präsident. Ja, als Fraktionssprecherin können Sie nachher noch sprechen, aber die acht Minuten sind nun vorbei. Sie haben noch einen Schlusssatz, danach gehen wir zu den Fraktionssprechern über. Dann können Sie dort noch Punkte aufgreifen. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Dann werde ich mich halt «halbieren». Wir von der glp-cvp-fraktion stehen nach wie vor hinter der Initiative «Bern erneuerbar». Wir müssen uns geordnet aus der Atomenergie verabschieden. Die erneuerbaren Energien befinden sich im Aufwind und wir werden es schaffen, neue Technologien zu entwickeln, die uns im Cleantech-Bereich bis im Jahr 2050 neue Türen öffnen werden. Wir weisen beide Rückweisungsanträge zurück. Das Wankelmütige finden wir typisch für die FDP. Zum andern Rückweisungsantrag sagte ich es bereits: Wir sind absolut enttäuscht, dass man jetzt wieder an Ort treten will. Präsident. Gut, nun haben die Antragssteller zu den Rückweisungsanträgen und die glp-cvp gesprochen. Ich sagte bereits, wir würden versuchen in der Rückweisungsdebatte alles auf den Tisch zu legen. Nun kommen die Fraktionssprecherinnen und Fraktionssprecher an die Reihe. Es gibt viele Wortmeldungen, wir versuchen möglichst alle zu erfassen. Andreas Hofmann, Bern (SP). Als Kommissionsmitglied möchte ich noch einige Ergänzungen zur Kommissionsarbeit anbringen. In der ersten Sitzung wurde eine Verschiebung beantragt und von bürgerlicher Seite auch durchgesetzt. Man wollte sehen, wie am 13. Februar der Wind weht. Das Volk würde sagen: «Typisch, Politiker». Der Abstimmungstermin vom 15. Mai 2011 war somit geplatzt. Wäre im November nicht der Verschiebungsantrag eingereicht worden, hätten wir also im Prinzip bereits über die Initiative abgestimmt. In der zweiten Sitzung wurde zwischen Links und Rechts eine Vereinbarung getroffen. Die Leistung der Linken war es, die Kommissionsmotionen auszuarbeiten, die auch eine Verstärkung der Nutzung erneuerbarer Energien mit sich bringen und die zum Teil aus linksgrüner Sicht auch landschaftsschützerisch problematisch sind. Die Gegenseite wollte dafür die Initiative unterstützen. In einer Arbeitsgruppe wurden die Kommissionsmotionen erarbeitet, und sie wurden nicht bestritten. Dann geschah der Eklat, den die BDP verursachte. Ausgerechnet diese Partei, die heute in den Zeitungen als Ausstiegspartei bezeichnet wird, übernahm die Führung im Ausstieg aus dem Ausstieg. Im Prinzip torpedierte sie das ganze Programm. Die BDP bewirkte schlussendlich, dass die Vereinbarung zerstört wurde. In der dritten Sitzung hiess es plötzlich, man könne dieser Initiative sowieso unter keinen Umständen zustimmen und zwar aus formellen Gründen, obwohl sie inhaltlich einverstanden seien. Wahrscheinlich erging da von irgendwoher ein Befehl, sie hätten mit ihrer Vereinbarung mit den Linken einen Blödsinn gemacht und sollten sich wieder zurückziehen. In den ganzen 12 Jahren, die ich im Grossen Rat bin, erlebte ich noch nie in einer Kommission ein derartiges Ränkespiel. Anführerin darin war ausgerechnet die BDP, von der man es nicht erwartet hatte. Nun spreche ich zur Initiative. Die SP ist, genau wie in der ersten Stunde, der Ansicht, die Initiative komme genau zum richtigen Zeitpunkt und man müsse möglichst schnell darüber abstimmen. Sie ist eine Antwort auf die heutige Energieproblematik und impliziert im Prinzip ja auch einen Atomausstieg. Wir hätten es heute in der Hand, den Weg für eine sofortige Volksabstimmung frei zu machen. Aber natürlich wird dies bestritten. Nun zu den Rückweisungsanträgen. Den Rückweisungsantrag von BDP, SVP und EDU würde ich als Wadenbeisser- Antrag bezeichnen. Es ist genau derselbe Stil, wie es in der Kommission lief. In Punkt 1 wird die Kommissionsarbeit verhöhnt, indem die Gültigkeit, die wir bereits intensiv abgeklärt hatten, erneut aufs Tapet kommen soll. Etwas bereits Getanes erneut zu machen wenn das Effizienz bedeuten soll, ist alles effizient. Effizienz in der Ratsarbeit wird in vielen Bereichen von rechter Seite verlangt. Die Kommissionsarbeit war das Gegenteil von effizient. Nach zwei Tagen Kommissionsarbeit und zusätzlicher Arbeitsgruppensitzung sind wir heute zurück auf Feld eins. Das ist das heutige Kommando von rechts. Punkt 2 will sich an den eidgenössischen Räten orientieren. Ich weiss nicht, weshalb das nun plötzlich so wichtig ist. Wozu braucht es eigentlich noch den Grossen Rat, wenn man sich ohnehin an den eidgenössischen Räten orientieren will? Ich stimme hier Peter Flück zu. Bis zu einem Beschluss kann es lange dauern. Wir, im Kanton Bern, können nicht darauf warten. Punkt 3 ist typisch und eine Orientierung an Partikularinteressen. Die Hauseigentümer in diesem Kanton haben wie schon bei der Energieinitiative offenbar das Kommando wieder übernommen. Die wirtschaftlichen Prognosen bis zum Ausstieg sind wirklich eine Glücksache. Wer da bis ins Jahr 2040 Prognosen erstellen wird und ob sie dann stimmen, ist die Frage. Den ersten Rückweisungsantrag lehnen wir auf jeden Fall ab.

86 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 527 Zum zweiten Rückweisungsantrag. Es ist interessant; nun ist auch die FDP der Kommission in den Rücken gefallen. Obschon gesagt werden muss, dass die FDP zu Beginn die in der zweiten Sitzung getroffen Vereinbarungen voll erfüllte. In der dritten Sitzung hiess es, sie helfe mit und unterstütze die Initiative. Nun sind im Hintergrund aber offenbar wieder allerlei Mechanismen gelaufen und die FDP steigt auch aus. Der Inhalt des FDP-Antrags ist an sich nicht das Problem. Würde der FDP-Antrag so gestellt, wie er vorher dort stand nämlich ohne Rückweisung, hätten wir ihm zugestimmt. Nun kommt er aber mit einer Rückweisung, was von einer absolut empfindlichen Verschiebung des Abstimmungstermins begleitet ist. Sie können sich ausmalen, wann endlich über die Initiative abgestimmt werden kann, wenn es zwei Lesungen gibt. Das Programm, das die BDP anführte, ist heute vollendet. Das bürgerliche Lager ist wieder mehr oder weniger geschlossen für eine massive Verschiebung des Abstimmungstermins, den wir nicht tolerieren können. Die Entscheidung ist dringlich, denn der Ausstieg wird vorangetrieben. Wir müssen sofort Massnahmen treffen. Diese Initiative wäre genau hierfür ein Weg. Eine Fortsetzung des Trauerspiels es wird wahrscheinlich im selben Stil weiterlaufen wollen wir nicht. Wir wollen jetzt endlich einmal Nägel mit Köpfen machen. Ich erinnere an die Abzocker-Initiative, welche im Nationalrat auch auf einer unendlichen Spirale läuft. Das Verzögern ist wirklich das Gegenteil von Effizienz. Ich sage zum Schluss noch etwas zum Antrag der glp-cvp. Der Antrag ist beinahe noch komplizierter als die Initiative. Wenn schon ein Gegenvorschlag vorgesehen wäre, hätten wir uns etwas Einfacheres als die Initiative vorgestellt. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. Ebnen Sie einen schnellen Weg zur Volksabstimmung und lehnen die beiden Rückweisungsanträge ab. Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV). Trop longtemps, le débat sur la politique énergétique était basé sur le passé, notamment sur des techniques dangereuses je n ai pas besoin de vous faire un dessin! Nous avons aujourd hui la chance de poser les jalons pour un futur basé sur des énergies renouvelables, ceci pour nos enfants et nos petits-enfants. Bien que notre gouvernement ait présenté une stratégie et une loi sur l énergie porteuses d avenir, la concrétisation a été freinée à plusieurs reprises par la majorité du Grand Conseil. Il est aujourd hui prouvé que le canton de Berne pourrait couvrir son besoin en énergie à long terme par des énergies renouvelables. L initiative «Berne renouvelable» demande un approvisionnement en énergie basé sur les énergies renouvelables, ainsi qu une diminution de l utilisation de l énergie par un accroissement de l efficacité énergétique, respectivement par une économie d énergie. Le texte de l initiative est clair et concret, se référant aux principes de l énergie pour le chauffage et la production d eau chaude sanitaire. Avec cette initiative, l énergie sera produite là où elle sera consommée. Une grande partie de la création de valeurs, par la production d énergie, sera transférée de l étranger en Suisse, et des places de travail seront créées, un développement durable et des investissements verront le jour, faisant profiter largement notre économie. Voici pour les buts principaux de l initiative auxquels le groupe PEV souscrit totalement. La question de l agenda suscite par contre des réflexions. Nous sommes tous d accord que l application ne doit absolument pas être indéfiniment repoussée, nous ne sommes plus dans des considérations techniques, mais bien politiques aujourd hui. Dans quels délais voulons-nous une société à 4000 watts et dans quels délais une société à 2000 watts? Dans le domaine de la construction, les nouveaux bâtiments peuvent, déjà maintenant, être conformes à la société à 2000 watts. Certains immeubles produisent plus d énergie qu ils n en consomment: on appelle cela un bilan annuel positif. Il y a la problématique de l assainissement des vieux bâtiments: l urgence et le grand potentiel d économies résident dans les immeubles construits avant l année En rénovant selon les standards Minergie, on décharge l environnement et on décharge aussi le portemonnaie des propriétaires et des locataires. Malheureusement, seule une faible partie des rénovations est entreprise facultativement de cette manière dans le canton de Berne. Des raisons politiques et économiques car cela a un prix empêchent l exploitation d un potentiel considérable. Concernant la procédure qui nous occupe cet après-midi, le groupe PEV n était pas unanime pour soutenir l initiative telle qu elle a été déposée. Nous sommes favorables, à l opposé, à un contre-projet qui aura certainement plus de chances d être finalement approuvé par le peuple. C est pourquoi nous soutenons le renvoi, mais prioritairement la proposition des Verts libéraux, soit un contre-projet direct. Une partie d entre nous pourrait aussi s accommoder d un renvoi à la commission, qui serait chargée de proposer un contre-projet avec les objectifs et engagements énumérés par le PLR, notre collègue Flück. Concernant les mesures d accompagnement, qui font l objet des motions de la commission, le groupe PEV les juge utiles et nécessaires. Des mesures de soutien doivent être prises pour accompagner les changements requis par l initiative et les changements requis par le contre-projet; la législation fédérale doit notamment être modifiée, elle est qui est restrictive et qui empêche des projets d exploitation des énergies renouvelables de voir le jour. Nous soutenons également le dépôt d une initiative cantonale, pour que les installations de production, de transformation et de stockage du bois, qui sont en forêt, puissent être considérées comme conformes à la zone. Ueli Lehmann, Zäziwil (BDP). Als erstes gebe ich eine Antwort auf die polemischen Äusserungen von Herrn Grossrat Hofmann. Wenn er uns als Befehlsempfänger bezeichnet, ist dies unter der Gürtellinie. Ich wurde per aus der Militärpflicht entlassen und bin es nicht mehr gewohnt, Befehle entgegen zu nehmen. Nehmen Sie also bitte diese Behauptung zurück. Genauso wenig kann ich bestätigen, dass wir Kommandoempfänger des Hauseigentümerverbands seien. Der Vorrednerin der glp sage ich Folgendes: Wir stimmen mit der Marschrichtung unserer Bundesrätin überein. Sie sagte nie, sie wolle den sofortigen Ausstieg, sondern einen überlegten Ausstieg; Schritt für Schritt. Diese Marschrichtung stimmt auch für uns. Die BDP erachtet die beiden Rückweisungsanträge als sinnvoll. Sie bieten die grosse Chance, nach den Entscheidungen des Bundesrats und den ersten Entscheidungen des Nationalrats neue Überlegungen anzustellen, die Entscheide möglicherweise zu berücksichtigen und uns neue Gedanken zu machen. Seit den letzten Kommissionssitzungen, der Beratung der Initiative, gab es die Abstimmung über das Energiegesetz und vor allem auch die Entscheide des Bundesrats, welche uns gewisse Hinweise gaben. Deshalb können wir sicher die Rückweisungsanträge annehmen und uns neue Gedanken machen. Mit den Rückweisungsanträgen verschleppen wir die Diskussion nicht, sondern befruchten sie mit neuen Argumenten und Überlegungen. Für die BDP ist es wichtig, die momentan hektische Phase, in der alles sofort geschehen sollte, ein bisschen zu entschleunigen. Einst sagte ein bernischer Regierungsrat, die Berner würden noch überlegen, wenn die andern die Befehle bereits erteilt hätten. Wir müssen Entscheide, die von so grosser Tragweite sind, sauber analysieren und die Konsequenzen wohlüberlegt überprüfen. Das ist nicht verschleppen, sondern sorgfältig arbeiten. Dies gibt dem Kanton die Möglichkeit, Beschlüsse

87 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie übergeordneter Stelle zu berücksichtigen und in die Überlegungen einfliessen zu lassen. Übergeordnetes Recht müssen wir auf den Kanton transformieren und in unseren Entscheiden berücksichtigen. Die BDP ist klar der Auffassung, Energiepolitik, -produktion und -verteilung dürfe keine kantonale Einzellösung sein, sondern müsse national und international betrachtet werden. Deshalb unterstützen wir den Rückweisungsantrag BDP, SVP und EDU und selbstverständlich auch denjenigen der FDP. Seit dem Einreichen der Initiative geschah vieles, mit dem wir uns vertieft auseinander setzen müssen. Ich wiederhole mich: Wir wollen es nicht verschleppen, sondern wollen eine saubere Arbeit leisten. Zwischendurch kommt es mir so vor, wie ich es manchmal leider auf dem Bau erlebe: Es wird bereits mit einem Projekt begonnen, obwohl die Baupläne noch gar nicht existieren. Das darf hier nicht geschehen. Wir müssen und dürfen uns die Zeit nehmen. Gerade die Rückweisungspunkte dokumentieren, dass noch Unsicherheiten und Unwohlsein bestehen und deshalb eine vertieftere Abklärung geschehen soll. Vor allem sollen die verschiedenen Auswirkungen konsequent geprüft werden. Die BDP bittet Sie deshalb, die Rückweisungen zu unterstützen. Auch wenn es momentan nicht im Trend ist, sage ich es trotzdem: Lassen wir uns doch ein wenig Zeit! Ich höre es und sehe einiges Kopfschütteln. Die Vertreterin der glp, Frau Grossrätin Schöni, sagte, in den letzten 30 Jahren sei vieles versäumt worden. Wir müssen 30 Jahre nach vorne schauen. Das macht zusammen 60 Jahre. Was sind denn schon zwei bis drei Monate seriöse Denkarbeit gegen die 30 oder 60 Jahre? Nehmen wir uns die Zeit! Bitte unterstützen Sie die beiden Rückweisungsanträge und lehnen Sie den Antrag der glp-cvp ab, da er gegenüber der Initiative wirklich nichts wesentlich Neues bringt. Präsident. Nun hat wieder Frau Grossrätin Schöni als Fraktionssprecherin das Wort. Sie machte vorhin ein kleines Durcheinander. Sie hätte vorhin erst zu Ihren Anträgen sprechen wollen und holt die Zeit nun so wieder herein. Sie spricht nun als Fraktionsvertreterin der glp-cvp-fraktion zu diesem Geschäft. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Im zweiten Teil werde ich nun über unseren Gegenvorschlag sprechen. Es mag vielleicht erstaunen, dass die glp-cvp-fraktion einen Gegenvorschlag zur Initiative einreichte, obwohl wir ja, wie ich bereits sagte, mit der Stossrichtung einverstanden und zufrieden sind; auch, was Zeit und Ziele angeht. Ich hatte es bereits angedeutet: Wir waren wirklich zutiefst erschrocken, als die bürgerlichen Parteien ihren Rückweisungsantrag unterbreiteten. Kann es wirklich sein, dass Parteien immer noch an Ort treten und nicht möglichst schnell die Energiewende herbeiführen wollen, nachdem was geschehen ist? Uns liegt die Stossrichtung der Initiative am Herzen. Wir sehen aber auch, dass sie sehr abschliessend formuliert ist. Wir, als lösungsorientierte und brückenbauende Partei, haben deshalb beschossen, einen moderateren Gegenvorschlag zu erarbeiten. Es erstaunt mich wirklich, dass die SP meint, er sei komplizierter. Ich sehe nicht, was an diesem Vorschlag komplizierter sein soll. Er ist einfach realistischer. Wir erwarten an sich, dass unser Gegenvorschlag von links bis rechts unterstützt wird, da er eine moderate und realistische Lösung darstellt. Bei den Parteien, die ihn nicht unterstützen, bezweifle ich, ob der Wille vorhanden ist, überhaupt auf erneuerbare Energien umzuschwenken. Man kann immer alles hinauszögern und abwarten, bis der andere einen Zug macht. Gut bernisch sei dies; so hörte ich. Wir glauben aber, dass es nun endlich an der Zeit ist, den richtigen Schritt in die richtige Richtung zu tun. Es wäre eine Chance. Ich stehe hier und sage ganz laut: Unsere Energie wird so oder so teurer! Ob vor oder nach den Wahlen es wird so werden. Ich bin ehrlich zu den Leuten und riskiere damit auch meine Wiederwahl. Das fehlt mir bei anderen manchmal. Wir können nicht warten. Auch wenn wir warten, wird unsere Energie teurer. Das ist in Gottes Namen ein unpopulärer Fakt, den man hier den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern mitteilen muss. Ich möchte wirklich keine Passivität mehr in den nächsten 25 Jahren. Ich «verchrible» beinahe, das muss ich ihnen sagen. Wir müssen jetzt handeln und zwar schnell. Der Gegenvorschlag entstand, weil wir wirklich nicht mehr warten wollen. Der Fahrplan des Initiativtextes ist richtig, das hat sich gezeigt. Er ist kongruent mit dem Bundesrat. Das Ausstiegsszenario ist klar, und wir erhalten eine Planungssicherheit was wollen Sie noch mehr? 25 Jahre sind lange genug, um sich aus der Atomabhängigkeit zu lösen. Ich hoffe wirklich, der Gegenvorschlag könne andere Leute, die aussteigen wollen, ins Boot holen. Denn er ist realistisch und flexibler als der Initiativtext. Wir glauben dadurch eine breitere Bevölkerungsschicht ansprechen zu können. Darum plädiere ich noch einmal dafür, unseren Gegenvorschlag zu unterstützen. Es wäre das richtige Zeichen für eine erneuerbare Zukunft. Nun habe ich ganz geschlossen. Präsident. Damit kommt nun Herr Grossrat Burn. Ich entschuldige mich auch bei Ihnen, Sie übersprungen zu haben. Sie merken, ich versuche bei jeder Partei einmal jemanden auszulassen, damit wir ein bisschen Zeit gewinnen. Das passierte mir heute bereits bei der SVP, es war aber keine böse Absicht. Die Redezeit steht Ihnen genau gleich zur Verfügung, bitte Herr Grossrat Burn. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Ich nehme an, Sie nehmen es dem Grossratspräsidenten nicht übel; ich tue das jedenfalls nicht. Ich sage kurz etwas zu Franziska Schöni. Ich glaube, auch wir von der EDU möchten ehrlich und realistisch sein. Realistisch zu sein bedeutet für uns, auch die Vergangenheit zu beurteilen. Es ist noch nicht lange her, da hatten wir eine Abstimmung zum Energiegesetz. Das Resultat fiel für mich relativ überraschend aus. Das müssen wir hier im Grossen Rat mit einbeziehen. Wir von der EDU wagen zu behaupten, die Initiative so wie sie eingereicht wurde wäre vor dem Volk absolut chancenlos. Das ist keine Behauptung, aber wir sind sehr überzeugt davon. Allenfalls kann davon ausgegangen werden, dass der Artikel 35 mehrheitsfähig wäre. Er bleibt in der Verfassung eher allgemein. Die gesamten Übergangsbestimmungen aber sind weit weg von der Realität. Ich wage zu behaupten, dass wir das Ziel, auch wenn wir es wollen, nicht erreichen werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass beispielsweise schon nur die SBB letztes Jahr 6 Prozent mehr Strom brauchte oder die ganze Unterhaltungsindustrie Jahr für Jahr mehr Strom frisst. Im Gegenzug spart die Industrie heute sogar Strom ein. Die 2000 Unternehmen, die sich dem Abkommen angeschlossen hatten, konnten 18 Prozent elektrische Energie einsparen. Betrachten wir das, muss man sagen, dass wir im Jahr 2035 wohl eher in einer Watt-Gesellschaft als in einer Watt-Gesellschaft leben, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert. Klar müssen wir daran arbeiten, den Energieverbrauch zu reduzieren. Wollen wir es aber so machen, wie es die Übergangsbestimmungen fordern, werden wir unsere Wälder irgendwann einmal verbraucht haben. Es wurde darüber hier einmal debattiert. Würden wir beispielsweise das Atomkraftwerk Mühleberg ersetzen, würde es Irrtum vorbehalten etwa anderthalb bis zwei Jahre dauern, bis der ganze Berner Wald verheizt wäre, um den Strom zu produzieren. Wir sprechen also von gewaltigen Dimensionen. Wollen wir dann,

88 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Nachmittag 529 CO 2-neutral, nebst Sonne und Wind noch Holz nutzen, um die Ziele zu erreichen, werden wir vielleicht sogar damit beginnen müssen, Tropenwälder abzuholzen. Das kann nicht Ziel des Kantons Bern sein. In diesem Sinn müssen wir realistisch bleiben. Die Rückweisungsanträge der EDU zu unterstützen bedeutet nicht, die Initiative zurückweisen zu wollen, sondern das politisch machbare Anliegen aufzunehmen und umzusetzen. Deshalb braucht es einen Gegenvorschlag und eine genaue Abklärung, wie sie in den Rückweisungsanträgen gefordert wird. Aus unserer Sicht könnte man sogar den Antrag Flück unterstützen. Auch er zielt in die richtige Richtung und will eine erneute Auslegeordnung, um in einer zweiten Lesung zu prüfen, was realistisch ist. Beim Gegenvorschlag der glp-cvp möchte ich mich den Worten von Res Hofmann anschliessen. Wie er sagte, ist dieser komplizierter als die Initiative und deshalb für uns nicht unterstützbar. Ich bitte Sie, die Rückweisungsanträge BDP, SVP und EDU sowie FDP anzunehmen. Hans Rösti, Kandersteg (SVP). Fukushima gab mir zu denken. Ebenfalls zu denken gibt mir, wenn man sagt, man müsse möglichst schnell unsere Atomkraftwerke abschalten. «Liebi, schöni Franziska» und das meine ich ernst (Heiterkeit), du zeigtest dich vorhin enttäuscht über das Vorgehen in der Kommission und hier im Rat und drücktest ein bisschen auf die Moral. Du sagtest, die Bürgerlichen würden an Ort und Stelle treten. Ich sagte es bereits in der Kommission: Denkt man an die Wassernutzungsstrategie zurück, lief das meiner Meinung nach von eurer Seite her nicht besser. Etwas anderes gibt mir auch zu denken: In diesem Thema fühle ich mich nicht als Fachperson. Ich bin überzeugt, dass 90 bis 95 Prozent in diesem Saal ebenso keine Fachleute sind. Wir nehmen uns diesbezüglich ein bisschen zu wichtig. Nun sage ich noch etwas zur Haltung der SVP, welche, glaube ich, immer ungefähr dieselbe war. Wir sind überzeugt, dass wir nach wie vor die Atomenergie brauchen, sind aber auch davon überzeugt, dass wir erneuerbare Energien fördern müssen. Aus diesem Grund wollen wir keine Schnellschüsse und setzen unsere Haltung damit gradlinig fort. Den Rückweisungsantrag SVP, BDP und EDU sowie denjenigen der FDP unterstützen wir. Den Antrag der glp-cvp lehnen wir ab. Wenn es um die beiden Punkte der ersten beiden Rückweisungsanträge geht, unterstützen wir natürlich unseren Punkt 2. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne) Menschen im Kanton Bern haben diese Initiative unterschrieben. Im Jahr 2009 haben wir sie eingereicht; lange vor den Ereignissen in Japan und den darauf folgenden Veränderungen in der Schweiz. Inzwischen will der Bundesrat aus der Atomindustrie aussteigen und das nationale Parlament beschloss heute Vormittag einen schrittweisen Ausstieg. Auch die Bevölkerung will aussteigen und die Grünen präsentieren Ihnen einen Weg dahin. Es ist ein Vorschlag für eine Verfassungsänderung, die alles andere als eine Revolution darstellt. Ich höre immer, man wolle keine Schnellschüsse und man müsse sich Zeit lassen. Selbstverständlich muss man sich für gute Arbeit Zeit lassen. Aber es handelt sich um eine Absichtserklärung, die sich über 40 Jahre hinzieht. Im gleichen Zeitraum wechselt man auf jeden Fall mehrmals den Traktor, das Mobilitätsverhalten, die Arbeitsstelle und noch vieles andere. Am Ausstieg führt kein Weg vorbei. Das sollte nun wirklich allen klar sein. Spätestens die Tragödie in Japan bewirkte, dass sich nun wirklich alle Leute darüber Gedanken machen. Wir sind sicher, die Umstellung auf erneuerbare Energien müsse jetzt ultimativ angegangen werden und zwar nicht als Ergänzung des bestehenden, sondern als der gangbare und richtige Weg in die Zukunft. Es wird ein langer Weg mit viel Arbeit, das geben wir zu. Aber gerade deshalb könnten wir jetzt dann langsam damit beginnen. Schon heute beziehen wir 60 Prozent des Stroms aus der Wasserkraft. Die Wasserkraft wird eine der wichtigsten Säulen bleiben und sie wird als bestehende saubere Kraft, mit ihrem Potential als Speicher, gar noch an Bedeutung gewinnen. Die Aussage, die hier enthalten ist, dürfen Sie ruhig auch aufschreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie ist auch in den Unterlagen, die wir gemeinsam erarbeiteten, in der Begleitmotion, enthalten. Wir haben Schritte gemacht und machen weitere Schritte, und wir wollen Ihnen auch entgegen kommen. Wir Grüne fordern den Ausstieg aus der Atomenergie seit unserem Bestehen. Für uns war nicht erst nach Japan klar, dass etwas geschehen muss. Daraus wollen wir aber keine Besserwisserei machen und auch nicht so tun, als wären wir besser. Wir möchten einfach mit Ihnen zusammen Lösungen erarbeiten. Wir wissen, dass wir es nicht alleine schaffen Sie alleine aber auch nicht. Wir müssen nun also lernen, zusammenzuarbeiten. In der Kommission haben wir auch bewiesen, dass wir bereit sind, zusammenzuarbeiten. Zuerst wurde das Geschäft hinter den 13. Februar verschoben, weil man dachte, es sei dann einfacher zu entscheiden. Es wurde aber schwieriger, es war ein emotionaler Moment, und siehe da: für einen Moment veränderte dies die Haltung. Danach wurden die Begleitmotionen gefordert. Bei der Erarbeitung halfen wir gerne mit und ich unterstütze jede einzelne Forderung der Begleitmotionen, die wir erarbeitet haben. Auch meine Fraktion unterstützt die Begleitmotionen. Wir kommen Ihnen also nicht nur einen Schritt entgegen; wir kommen ihnen wahnsinnig weit entgegen und sind auch bereit weiter entgegen zu kommen. Sie müssen uns aber auch entgegen kommen. Wenn wir es wirklich schaffen wollen, müssen wir es gemeinsam angehen. Ich denke, die Bevölkerung erwartet von uns, dass wir es schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen; ich schätze Sie alle ja wirklich. Aber nun habe ich echt graue Haare bekommen. Und ich möchte nicht wegen Ihnen vorzeitig altern; ich möchte «Bern erneuerbar» nämlich noch erleben. Ich bin bereit, mitzuarbeiten und dazu beizutragen. Wir müssen nun aber endlich damit beginnen und wirklich zusammenarbeiten. Wenn Sie es nun nochmals in die Kommission zurückweisen wollen dieselbe Kommission, die keinen Gegenvorschlag wollte, das Geschäft wieder und wieder zurückstellte und in der die Meinungen plötzlich von der einen zur nächsten Sitzung änderten, dann tun sie das. Wir finden es falsch. Wir könnten nun wirklich vorwärts machen. Wenn schon ein Gegenvorschlag verlangt wird, dann bringen Sie doch jetzt einen Gegenvorschlag ein so, wie er bis gestern seitens der FDP vorlag. Bringen Sie einen Gegenvorschlag, stellen Sie sich hin, sagen Sie, was Sie wollen, und machen Sie nicht wieder über Nacht eine Rückweisung daraus! Solche Manöver machen die Politik nicht glaubwürdiger. Bitte seien so gut und helfen mit, in diesem Kanton gemeinsam weiterzukommen und Lösungen zu finden. Wir alle wissen doch ganz genau, was die Bevölkerung erwartet. Nun müssen wir an die Arbeit. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten und Ihnen auch entgegen zu kommen, weil wir wissen, dass es für Sie nicht so einfach ist. Dank der Initiative verfügen wir nämlich in einem Moment, der für Sie ein schwieriger ist nun plötzlich über ein Instrument, über das man abstimmen könnte. Dass Sie dies nicht so gerne haben, ist noch halbwegs nachzuvollziehen. Wesentlich ist, was wir in Zukunft brauchen. Es ist eine Frage der Demokratie und dessen, was die Bevölkerung von uns zugute hat und was wir ihr zu bieten haben. Die grüne Fraktion möchte nicht auf die Rückweisungsanträge einsteigen, denn in der Kommission arbeiteten wir wirklich intensiv, gründeten zusätzliche Arbeitsgruppen und erarbeite-

89 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie ten Begleitmotionen, hinter denen wir voll und ganz stehen. Wir möchten weiter zusammenarbeiten in der Art und Weise, wie wir es bis jetzt konnten. Dies und das möchte ich betonen auch mit grosser Unterstützung der Verwaltung. Beim Gegenvorschlag der glp-cvp werden wir uns enthalten. Wir stehen hinter unserer Initiative, weil wir sicher sind, dass sie richtig ist und es der richtige Zeitpunkt ist. Die Umsetzung des Ganzen käme ja noch ins Parlament. Dann könnten Sie dann noch immer anbringen, es müsse im Gebäudebereich nicht ganz haargenau so sein und anderes. Aber Sie müssten jetzt einmal den Mut haben, hin zu stehen und zu sagen, was sie wollen. Es geht hier um die Zukunft und nicht um Eile mit Weile. (Vereinzelt Applaus). Präsident. Wir wollen natürlich nicht, dass unsere Grossrätin Häsler allzu früh altert. In diesem Sinn möchten wir mindestens kurzfristig etwas dagegen unternehmen und jetzt einen Unterbruch machen. So können wir wieder Kraft schöpfen und Sauerstoff tanken und den Flüssigkeitsbedarf stillen. Nach dem halbstündigen Unterbruch kommt die Fraktion FDP an die Reihe und danach der erste Einzelsprecher, Herr Grossrat Grimm. Ich wünsche «e Guete». Bitte seien Sie wirklich pünktlich um Uhr wieder hier. Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Andrea Trachsel (d) Catherine Graf Lutz (f)

90 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 531 Fünfte Sitzung Mittwoch, 8. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident. Präsenz: Anwesend sind 150 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Francis Daetwyler, Irma Hirschi, Natalie Imboden, Bettina Keller, Vania Kohli, Silvia Lüthi, Corrado Pardini, Peter Siegenthaler, Christoph Stalder, Maxime Zuber. Geschäft Grossratsbeschluss betreffend die Volksinitiative «Bern erneuerbar» Geschäft /11 Motion Kommission «Bern erneuerbar» (Bhend, Thun) Massnahmen zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar» Geschäft /11 Motion Kommission Initiative «Bern erneuerbar» (IniBern) (Bhend, Thun) Standesinitiative: Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch in Landwirtschaftszone und Wald ermöglichen! Gemeinsame Beratung Fortsetzung Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ich schätzte den Ton meiner Vorrednerin Christine Häsler sehr. Ich vernahm auch das Angebot der Zusammenarbeit. Du sagtest aber, die Bevölkerung erwarte es von uns. Mein Problem liegt darin, zu ergründen, was die Bevölkerung erwartet. Was schlagen wir einem Volk vor, das gemäss Umfragen zu 70 Prozent den Ausstieg aus der Kernenergie wünscht, hingegen zwei Monate nach einem grossen Atomunfall zu 70 Prozent einfache Massnahmen mit geringem Formularzwang oder eine minimale Verteuerung des Strompreises haushoch ablehnt? Was will dieses Volk? Begreife das einer! Wissen wir, wie genau dieses Volk abstimmen wird? Gut, ich weiss, nun kommen hier dauernd Zwischenrufe und so weiter, die Initiative sei vorzulegen. Wird bei der Abstimmung über das Energiegesetz dann aber wieder mit gleicher Munition geschossen, weil wir doch klar gesagt hätten, wir wollten bei den Gebäudeeigentümern nicht riesige Sanierungspakete auslösen und enorme Kosten verursachen, werden wir vielleicht mit abgelehnter Initiative dastehen. Was wird das dann für die Regierung und uns als Grossem Rat bedeuten? Dürfen wir dann überhaupt nicht mehr weitermachen? Und noch etwas: Die Initiative mag seinerzeit als Atomausstiegsinitiative geplant worden sein, sie ist es aber nicht mehr. Es geht darin nicht mehr um den Ausstieg aus der Kernenergie. Nun muss ich halt auch unsere bürgerlichen Kollegen ein wenig in die Pflicht nehmen. Wir hatten stets gesagt, die Frage um die AKW werde auf Bundesebene gelöst, deshalb bringe es nichts, eine kantonale Atomausstiegsdebatte zu führen. Geht jetzt der Bund in die andere Richtung, stehen natürlich unversehens auch wir in der Pflicht. Die Argumentationskette können wir aber nun nicht einfach umkehren. Folglich sollten wir uns doch um einen Verfassungstext bemühen, der unserem Parlament und dem Regierungsrat die Möglichkeit eröffnet, den national verordneten geordneten Ausstieg aus der Kernenergie anzugehen. Dass das nicht einfach ist, weiss die FDP. Sie weiss, dass es scharfe Massnahmen erfordert. Geht es so weiter, droht vielleicht in 20, 30 Jahren so, wie wir einmal einen Atom-Anbauschlacht-Wahn erlebten eine energiepolitische Anbauschlacht. Darum nahm ich mit grosser Freude zur Kenntnis, dass die glp, die Grünen und die SP die Motionen unterstützen möchten. Nun geht es darum, einen intelligenten Verfassungstext zu erarbeiten, der dem Regierungsrat die Grundlage verschafft, seine Strategie mit diesem Parlament fortzusetzen. Eine gescheiterte Abstimmung wäre kontraproduktiv. Die glp-sprecherin bezeichnete uns in ihrem Votum als wankelmütig. «Herrgott nomau», es ist doch nicht der falscheste Weg, in diesem Problem, in dieser entscheidenden Grundsatzfrage Überlegungen anzustellen und aufgrund der Ereignisse über die Bücher zu gehen! Vor der Abstimmung über das Energiegesetz hätte die FDP wohl in Gottes Namen die Initiative grossmehrheitlich unterstützt. Jetzt haben wir aber eine andere Situation, die uns zu denken gibt. Dazu zitiere ich Martin Bäumle, den nationalen Parteipräsidenten der glp, der sagte, der Ausstieg aus der Atomkraft habe Vorrang vor der Profilierung der Partei. Wir müssen uns vorsehen, jetzt nicht einen Parteiprofilierungszirkus zu inszenieren, in dem jeder für sich allein etwas herauszuholen versucht und damit zu einem unguten Ergebnis beiträgt. Zu den vorliegenden Anträgen: Wir verstehen unseren Rückweisungsantrag, den Peter Flück vorhin begründete, ganz klar als Gegenantrag zu Ziffer 2 des Rückweisungsantrags BDP, SVP und EDU. Ja, die Rückweisung würde tatsächlich zu einer minimalen Verzögerung führen; ja, zur Verzögerung um eine Session. Kommt es so durch, wird die FDP nicht Hand bieten zu weiterer Verzögerung. Es kann doch den Match nicht entscheiden, dass man den Verfassungstext zweimal lesen muss. Wir erarbeiten hier in Gottes Namen einen Verfassungstext und nicht einfach einen Schnellschuss von Gesetz. Darum ist doch normal, dass die Kommission den Text zweimal lesen muss, mit entsprechendem Recht auf Stellungnahme; dann sind wir im Bild. Wir forderten auch klar, ihn zu prüfen. Wir begreifen seine Richtung und die erwünschte Ausrichtung des Gegenvorschlags. Klar bedeutet das nicht, dass kein Wort verändert werden darf. Der glp und den Initianten sei gesagt, dass das Problem in der Übergangslösung liegt. Gibt man das Geschäft ohnehin in die Kommission zurück, ist auch Ziffer 3 des Rückweisungsantrags der BDP, SVP und EDU zur Berichterstattung keine Katastrophe mehr. Beispielsweise verstand ich den Initiativtext anders als gewisse Leute im «Langenthaler Tagblatt». Für mich bedeutete es keine Sanierungspflicht in grossem Ausmass, sondern die Pflicht, das Heizsystem umzustellen. Irre ich mich jedoch, nützt das nichts. Solche Fragen müssen wir doch klären, um der aufgebrachten Kritik mit guten Gründen und Argumenten entgegentreten zu können. Wir müssen das Spielfeld wieder zu unseren Gunsten verändern, damit wir den Strategiekampf gewinnen können. Legen Sie uns doch die Verzögerung um eine Session nicht als raffinierte Taktik aus. Es ist ehrliche Besorgnis, dass das Geschäft scheitern könnte und wir letztlich mitleeren Händen dastehen könnten. Dazu stehe ich, wie ich schon vorher erklärt habe. Auf meine restlichen Ausführungen verzichte ich; ich warte nun ihre Argumente ab und werde mich am Schluss nochmals äussern. Präsident. Als Einzelsprecher kommt Herr Grimm zu Wort. Mit ihm wird die Rednerliste geschlossen. Deshalb könnte sich Herr Kneubühler höchstens noch bei der Beratung des Rückweisungsantrags äussern. Ich hoffe, dass er das mitbekommen hat.

91 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Ich nehme nicht Stellung zu dem, was eben gesagt wurde, sondern möchte vor allem die BDP ansprechen. Für mich ist das ein Trauerspiel von Grabenkämpfern in verlorenen Stellungen, was Sie hier erzählen: warten, warten, entschleunigen, warten, prüfen, nicht glauben, noch einmal zusehen und so fort. Dabei ist längst geprüft, die Initiative für gültig erklärt worden. Was also hindert uns noch daran, darüber abzustimmen? Vielleicht wissen Sie es noch gar nicht: Ihre Partei hat heute eine Initiative mit dem Titel «Ausstieg aus der Atomenergie» lanciert. Hans Grunders Kommentar dazu war, dass wir jetzt sofort handeln, nicht mehr länger zuwarten dürften. Ich weiss nicht, worauf Sie noch warten, auch nicht, wie Ihre Partei hier funktioniert im Grossen Rat jedenfalls nicht so wie die schweizerische Partei. (Unruhe) Das kann ich nicht verstehen, und ich bitte Sie, die Anträge abzulehnen. Präsident. Herr Kneubühler wünscht sich nochmals als Einzelsprecher zu äussern. Er verzichtet. Darum habe ich vorhin gesagt, ich hoffe, du habest gehört, dass die Rednerliste geschlossen sei. Er gibt doch noch eine kurze Erklärung ab. Kurz ist einigermassen dehnbar, wie wir heute erfahren haben. Aber ich hoffe, er halte sich daran. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ich verzichte. (Heiterkeit) Präsident. Das ist ein Rekord an Kürze. Auch so kann man in die Geschichte eingehen. Der Humor ist uns also noch nicht ganz abhanden gekommen, obwohl es letztlich um eine sehr ernsthafte Sache oder um unsere Zukunft geht. Somit schliesse ich die Rednerliste endgültig. Anita Luginbühl-Bachmann, Krattigen (BDP). Ich möchte noch einiges berichtigen. Nochmals stelle ich klar: Die BDP ist nicht gegen den Ausstieg aus der Atomenergie. Ich verwahre mich gegen solche Behauptungen, die meiner Ansicht nach einer Verleumdung nahe kommen. Heute geht es nicht um eine Atomdebatte dies an die Adresse der Herren Grimm und Hofmann oder von Frau Schöni, sondern um eine Verfassungsänderung. Das Volk soll über eine Verfassungsänderung abstimmen können, die wir vorgängig beraten haben. Ich danke Herrn Kneubühler herzlich, hat er doch sehr gut darauf hingewiesen und gute Argumente vorgebracht. Ich erlaube mir noch eine weitere Behauptung und Bemerkung. Die schnelle Politik ist nicht primär immer die beste. Überlegte und gut argumentierte Politik muss sich manchmal auch Zeit nehmen. Hier geht es um eine Session, wie auch Herr Kneubühler gesagt und worauf Ueli Lehmann in seinem Votum sehr gut hingewiesen hat. Nochmals: Jetzt geht es darum, dass wir gute Argumente sammeln, damit wir sie dem Volk, das letztlich über diese Artikel zu befinden haben wird, liefern können, um die Initiative überweisen zu können. Schon in meinem Eintretensvotum sagte ich, wir seien bereit zu helfen, wollten vorgängig aber noch gewisse Pendenzen erledigt sehen. Ich danke für die Unterstützung der Rückweisung. Präsident. Gibt es noch weitere Voten von Seiten der Antragsteller? Das ist nicht der Fall. Patric Bhend, Thun (SP), Präsident der Kommission. Der Antrag von SVP, BDP und EDU verlangt zusätzliche Berichte. Dazu möchte ich kurz Stellung nehmen. Erstens das wird Ihnen auch Frau Regierungsrätin Egger noch sagen wurden juristische Abklärungen in der Kommission bereits eingehend getätigt. Zweitens verlangt der Antrag noch einen Bericht über die wirtschaftlichen Folgen. Fast ein Drittel der Kommission besteht aus Mitgliedern der SVP, und heute trug Herr Brand vor, diese Berichte würden noch gewünscht. Seit November letzten Jahres beschäftigt sich die Kommission mit dem Thema. Ich persönlich finde es stossend und überraschend, dass keine und keiner deiner Kolleginnen und Kollegen während dieser Zeit je etwas bemängelte beziehungsweise solche Berichte verlangte, Peter Brand. Deshalb erstaunt mich, dass du von einem Schnellschuss sprichst, bei dem ihr offenbar erst jetzt entdeckt habt, dass euch gewisse Grundlagen für einen Entscheid fehlen beziehungsweise diese nicht vorhanden sind. Selbstverständlich steht es einer Fraktion frei, anders zu entscheiden als ihre Kommissionsmitglieder, darin gebe ich Frau Luginbühl Recht. Hingegen erlebte ich noch nie, dass eine Kommission während eines halben Jahres an einem Geschäft arbeitet und man daraufhin aufgrund der Voten einiger Fraktionssprecher den Eindruck bekommt, aus ihren Parteien habe niemand in der Kommission Einsitz gehabt. Kommissionen sind dazu da, kritische Punkte frühzeitig erkennen und offene Fragen vor der Behandlung im Plenum klären zu können. Hier erwarte ich von Ihren Kommissionsmitgliedern aktive Mitarbeit und eine bessere Abstimmung mit der Fraktion. Dann würdest du, lieber Kollege Brand, mir anschliessend auch nicht vorwerfen, eigenmächtig Kommissionsmotionen zurückzuziehen. Selbstverständlich habe ich dazu meine Kommission konsultiert, und sie hat mir oppositionslos den Segen erteilt. Nun noch etwas Persönliches: Von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen, gerade auch aus der FDP und BDP, vernahm ich, dass sie inhaltlich mit der Initiative keine grossen Differenzen hätten und die Energiewende jetzt wirklich wünschten. Nun streiten wir uns über Jahrzahlen in der Verfassung, über Paragraphen und unterschiedliche Ansichten von Juristen. Es werden Berichte verlangt, die dann doch nicht stimmen oder eine weitere Grundlage bieten werden, um uns weiterhin über Nebensächlichkeiten zu streiten. Ich habe zwei kleine Söhne und wünsche mir, dass sie dereinst ohne umweltbelastende Energieerzeugung leben dürfen und nicht mehr dem Risiko ausgesetzt sein werden, erleben zu müssen, was heute Hunderttausende Japaner erfahren. Ich vergleiche die Energiewende mit einer Schiffsreise. Über deren Ziel sind wir uns ja grossmehrheitlich einig. Bis sagen wir einmal ins Jahr 2050 wollen wir nach Mexiko. Ich bin sicher, dass uns unsere Kinder und Grosskinder dereinst nicht dafür kritisieren werden, wenn wir es bis 2050 erst bis nach Jamaika geschafft haben werden. Hingegen würden sie es uns sicher vorwerfen, wenn unser Tanker dann immer noch bei uns im Hafen stünde. Ungeachtet dessen, ob das Geschäft jetzt zurückgewiesen wird oder nicht, wünsche ich mir deshalb, dass wir alle uns in der künftigen Arbeit wieder auf das Ziel fokussieren und unser Schiff möglichst bald auslaufen lassen. Bei all meiner heutigen Kritik glaube ich immer noch daran, dass wir gemeinsam das Ziel erreichen können und dass wahrscheinlich alle in diesem Rat das Beste für den Kanton Bern und die Generationen nach uns wollen. Darum hoffe ich sehr, dass wir es gemeinsam schaffen werden, dass unsere Kinder und Enkel dereinst dankbar auf unsere politischen Entscheide zurückblicken können. Präsident. Vor Frau Regierungsrätin Egger erteile ich das Wort Herrn Rösti, der sich als Kommissionsmitglied persönlich angesprochen fühlte. Hans Rösti, Kandersteg (SVP). In der letzten Kommissionssitzung erkundigte ich mich explizit, wer und wann einen Gegenvorschlag machen könne. Damals kam klar zum Ausdruck, dass das jede Partei und auch jedes Einzelmitglied noch während der Session vorbringen könne. Also ist legitim,

92 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 533 was geschehen ist. Vorhin wurde die Kommissionsmeinung zum Rückzug der Kommissionsmotionen kommentiert. Ich war der Meinung gewesen, die Standesinitiative sollte aufrechterhalten werden. Damit stand ich allerdings allein, aber darüber abgestimmt wurde nicht. Präsident. In diesem Sinn war es eben eine nonverbale Abstimmung. Ich war ja nicht dabei. Aber nun kommt die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin Barbara Egger zu Wort. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Vor meinen Ausführungen zu den einzelnen Rückweisungsanträgen erinnere ich Sie nochmals daran, was eigentlich traktandiert ist. Noch sind wir nicht in der Sondersession, sondern es geht um einen Grossratsbeschluss zu einer Verfassungsinitiative. Wie wir vernahmen, wurde die Initiative von den Grünen eingereicht. Wird sie nicht irgendwann zurückgezogen, wird sie ungeachtet dessen, welche Gegenvorschläge im Grossen Rat ausgearbeitet werden, dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Sehr wichtig ist mir, darauf hinzuweisen, dass es hier um eine Verfassungsinitiative geht. Für deren Umsetzung, auch der Übergangsbestimmungen, braucht es ein Gesetz mit Bestimmungen, die in diesem Rat wieder zu diskutieren sein werden. Sie setzen also mit dieser Verfassungsinitiative oder auch einem Gegenvorschlag nicht Recht, das eins zu eins umgesetzt werden kann. Zu den einzelnen Rückweisungsanträgen, zuerst zum Antrag BDP, SVP und EDU: Ziffer 1 dieses Antrags verlangt die Prüfung der Rechtmässigkeit der Initiative, beziehungsweise der Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht; respektive man zweifelt an, ob es rechtmässig sei, in der Verfassung Zahlen aufzuführen. Diese Punkte klärten wir mehrmals ab; nämlich bereits bevor das Geschäft in den Regierungsrat kam auch er hatte diesem vorgängig noch zustimmen müssen, dann bevor es in die Kommission kam, und schliesslich nochmals während der ersten und zweiten Kommissionssitzung. Abschliessend haben wir es noch nicht untersucht, aber mir liegt hier ein Blatt mit fünf Beispielen vor, wo in Übergangsbestimmungen zu Artikeln der Bundesverfassung viele Zahlen stehen: Zu Artikel 84 beispielsweise, betreffend den alpenquerenden Transitverkehr; zu Artikel 87, betreffend die Eisenbahnen; zu Artikel 113 über die berufliche Vorsorge, und so weiter. Das wurde gemeinsam mit der Staatskanzlei abgeklärt. Folglich ist es ohne weiteres möglich, Zahlen in der Verfassung aufzuführen; sie müssen nicht einmal nur in der Übergangsbestimmung stehen. Sollte der Antrag der FDP zum Gegenvorschlag erhoben werden, stünde dann sogar eine Zahl in der Verfassung; auch das ist rechtmässig. Im Vortrag äusserten wir uns ausführlich zur Rechtmässigkeit der Initiative und ebenfalls zu den Bedenken des Bundesamts für Energie betreffend Übereinstimmung mit Artikel 5 und 7 des Energiegesetzes. Dazu verweise ich auf Seite 3 bis 6 der grünen Vorlage. Wir sind überzeugt und klärten rechtlich ab, dass die Initiative bundesrechtskonform ausgelegt werden kann. Die Rückweisung zur Prüfung der Rechtmässigkeit gemäss Ziffer 3 oder auch Ziffer 1 des Antrags ergibt keinen Sinn; dazu gibt es nichts Neues mehr zu sagen. Jedenfalls können dazu die Juristinnen und Juristen des Kantons nichts Neues mehr sagen, wir haben alles abgeklärt. Wünschen Sie dazu weitere Rechtmässigkeitsabklärungen, müsste ein externes Gutachten in Auftrag gegeben werden. Das kostet ziemlich viel, aber man kann das machen. Zur zweiten Auflage betreffend die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags entsprechend den energiepolitischen Beschlüssen der eidgenössischen Räte: Wollte der Bund den Ausstieg aus der Atomenergie bis spätestens 2035, wie es heute der Nationalrat beschloss nun kommt es noch auf den Ständerat an, müssten wir der Initiative möglichst einen Gegenvorschlag gegenüberstellen, der strenger ist als die Initiative selbst. Dass diese Antragsteller das wollen, kann ich mir nicht vorstellen. Es ist auch nicht nötig, weil Bundesrecht kantonalem Recht ohnehin vorgeht. Will also der Bund früher auf 100 Prozent erneuerbare Energien setzen, als es die Initiative verlangt, werden wir uns ob wir wollen oder nicht an seinen Fahrplan halten müssen. Lehnt aber der Bund den Ausstieg aus der Atomenergie ab oder setzt auf Strom aus fossilen Energien, bedeutet das nicht, dass der Initiative ein Gegenvorschlag gegenübergestellt werden muss. Die Kantone dürfen durchaus strengere Regeln festlegen als der Bund; das ist im Vortrag im Kapitel über die Bundesrechtmässigkeit der Initiative ausgeführt. Dann wäre die bundesrechtliche Situation genau dieselbe wie vor Fukushima. Nun hat der Regierungsrat aber bereits vor Fukushima beschlossen, die Initiative zu unterstützen und keinen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Fazit: Unabhängig davon, welcher Entscheid auf Bundesebene schliesslich gefällt wird, kann die Initiative in der jetzigen Form unterstützt werden. Im Moment und ich glaube, es wird so bleiben sieht es danach aus, als ob der Ausstieg aus der Atomenergie per 2035 beschlossen wäre. Zu Ziffer 3 muss ich ein wenig länger werden. Darin wird umfassende Berichterstattung über die finanziellen und volkswirtschaftlichen Folgen verlangt umfassende Berichterstattung. Ich habe vorhin die leise Enttäuschung des Kommissionspräsidenten sehr gut verstanden. Die drei Kommissionssitzungen dauerten nicht einfach je eine Stunde und man ging wieder auseinander. In der ersten Sitzung im November wollte man nicht diskutieren, weil man die Abstimmung vom 13. Februar zu Mühleberg abwarten wollte. Also wartete man ab. Danach fand wieder eine lange, ausführliche Sitzung statt, in der eine Arbeitsgruppe gebildet wurde, welche die Kommissionsmotionen ausarbeitete. Es wurde also sehr intensiv und lange gearbeitet und diskutiert. Und nun fordert man nochmals Berichterstattung. Vor der Ausarbeitung der Energiestrategie klärten wir ab, ob sich der Umstieg auf erneuerbare Energien volkswirtschaftlich lohne. Die Ergebnisse waren eindeutig: mittel- bis langfristig auf jeden Fall. Im Vortrag, ich glaube auf Seite 4, ist auch der Link auf die Infras- Studie zu diesem Thema aufgeführt. Sie können sie einsehen und selbst nachlesen, welche volkswirtschaftlichen Folgen zu erwarten sind. Die Studie, die nicht vom Regierungsrat in Auftrag gegeben wurde, heisst «Stromeffizienz und erneuerbare Energien wirtschaftliche Alternative zu Grosskraftwerken». Die Belastung des Gewerbes durch die Stromkosten legten wir für die Vorlage einer Lenkungs- beziehungsweise Förderabgabe auf Strom ebenfalls dar. Vielleicht können Sie sich noch an die Diskussionen zum Energiegesetz erinnern. Diese Studie heisst «Elektrizitätsabgabe im Kanton Bern» und zeigte auf, dass der Stromkostenanteil an den Bruttoproduktionskosten praktisch für alle Branchen zirka 1 Prozent oder weniger beträgt. Doch ist mir bewusst, dass es auch andere gibt. Viel grösser sind die Preisdifferenzen von Kanton zu Kanton, wobei der Kanton Bern diesbezüglich als KMU-Kanton bei den KMU gut dasteht. Somit liegen die Auswirkungen schlimmstenfalls im Promillebereich und sind sicher nicht wirtschaftsgefährdend. Der Regierungsrat sieht vor allem die Chance dieser Initiative. Vergessen Sie bitte nicht, dass weder die fossilen Energieträger noch Uran unbeschränkt zur Verfügung stehen werden, und schon gar nicht uns. Irgendwann diese Zeit wird unweigerlich kommen werden wir also auf jeden Fall auf andere Energieträger umstellen müssen, weil die fossilen und nuklearen Energieträger zu zahlbaren Preisen schlichtweg nicht mehr zu haben sein werden. Schon in wenigen Jahren wird beispielsweise der Strom aus erneuerbaren

93 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie Energien nicht mehr so teuer sein wie der Atomstrom. Auch dazu gibt es eine Menge verschiedener Studien, auch von Seiten der Wirtschaft. Warten wir mit unseren Entscheiden weiterhin zu und geben der Wirtschaft keine klaren Ziele vor, wirkt sich dies nicht zum Vorteil unserer Wirtschaft uns. Unsicherheit betreffend die geltenden Rahmenbedingungen ist schlecht für das Gedeihen von Unternehmen und Betrieben. Damit unsere im Kleintechnikbereich tätigen Unternehmen, derer es im Kanton Bern einige gibt und hoffentlich bald noch mehr geben wird, nicht von der ausländischen Konkurrenz überrundet werden und dann in einen gesättigten Markt einsteigen müssen, müssen die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz jetzt gefördert werden. Weiter verlangt man von uns aufzuzeigen, was die Initiative für die Hauseigentümer bedeute. Bereits im Vortrag führten wir aus, dass die finanziellen Folgen von der Art und Weise der Umsetzung auf Gesetzesstufe abhängen. Wir können also jetzt nicht die Auswirkungen auf Verfassungsebene abklären, sondern es kommt darauf an, wie das Gesetz aussehen wird. Es gibt nämlich verschiedene Möglichkeiten, die Ziele dieser Initiative zu erreichen. Vorab kann man davon ausgehen, dass im Fall der Annahme der Initiative einiges bereits freiwillig geschehen wird. Naheliegend ist, den Umstieg auf erneuerbare Energien mit Staatsbeiträgen zu fördern. Weitergehende Massnahmen werden nötig sein, wenn absehbar ist, dass die Ziele der Initiative nicht erreicht werden können. So macht man es auch bei der CO 2-Abgabe, um die Kyoto-Ziele zu erreichen. Nur, wenn wir nicht auf Kurs sind, müssen wir zusätzliche Massnahmen treffen. Möglich wäre dann, die erneuerbaren Energien mit Lenkungs- und Förderabgaben zu verteuern. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, Gebote und Verbote festzulegen. Sicher sind noch Anreize zur Steigerung der Energieeffizienz zu setzen. Es gibt also ganz viele verschiedene Möglichkeiten, und wir können Ihnen heute nicht in einem Bericht darlegen, wie es herauskommen wird. Dazu müssen Sie zuerst das Ausführungsgesetz diskutieren. Erst dann werden sich die Auswirkungen zeigen. Auch die Auswirkungen auf die Finanzen des Kantons hängen davon ab, wie wir die Initiative umsetzen werden. Wir könnten es haushaltneutral gestalten, wenn wir beispielsweise eine Förderabgabe auf Strom aus nicht erneuerbaren Energien beschlössen. Gratis wird die Energiewende nicht zu haben sein; diesbezüglich mache ich mir keine Illusionen und Sie sich auch nicht. Kurzfristig kostet sie uns mehr. Wir sind jedoch nicht dafür gewählt, nur kurzfristig zu denken; das bekam ich heute von verschiedener Seite mehrmals zu hören. Unsere Aufgabe ist es, für unseren Kanton auch mittelund langfristig vorteilhafte Lösungen zu finden. Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, diesen Rückweisungsantrag in allen drei Ziffern abzulehnen. Er würde die Behandlung des Geschäfts nicht nur um eine, sondern um mehrere Session verlängern; es würde viel Geld und Arbeit kosten und absolut nichts bringen. Ich komme zum Rückweisungsantrag der FDP mit Auflagen. Sie wissen, dass der Regierungsrat die Initiative unterstützt. Die Idee der FDP für einen Gegenvorschlag ist aber in der Tat gut und darum prüfenswert. Darum kann der Regierungsrat mit diesem Rückweisungsantrag leben, er eröffnet die Möglichkeit, den Vorschlag der FDP noch im Detail zu prüfen. Der Gegenvorschlag zur Initiative gemäss Antrag der FDP besticht durch seine Einfachheit. Nur der Grundsatz wird festgelegt, wonach der Strombedarf insgesamt und der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser grundsätzlich durch erneuerbare Energien zu decken sei, und bis wann dieses Ziel zu erreichen sei, nämlich bis in 30 Jahren. Alles andere wird dem Gesetzgeber überlassen. Das ist meiner Ansicht nach eine stufengerechte Regelung. Zum Schluss darüber diskutierte man dann eigentlich gar nicht mehr recht, doch steht auch der Gegenvorschlag der glp-cvp zur Debatte, Herr Präsident. Er bringt eigentlich keine wesentliche Verbesserung der Initiative. Auch das wurde hier bereits gesagt. Im Gegenteil werden einfach neue Zahlen festgelegt, und die Bedenken bezüglich all der verschiedenen Prozente und der Kompliziertheit bleiben bestehen. Nach Ansicht des Regierungsrats bringt er nichts wesentlich Anderes als die Initiative, darum bitte ich Sie, ihn abzulehnen. Ich fasse zusammen: Der Regierungsrat beantragt Ihnen, den Rückweisungsantrag der BDP, SVP und EDU in allen drei Ziffern abzulehnen und den Rückweisungsantrag der FDP anzunehmen, weiter den Gegenvorschlag der glp-cvp ebenfalls abzulehnen. Peter Flück, Brienz (FDP). Ich danke für die ausführliche Diskussion. Ich glaube, es hat sich gelohnt. Uns ist klar, und ich begründete es auch in meinem Eintretensvotum, warum wir die Übergangsbestimmungen auslassen wollen; geben doch gerade sie gewisse Handlungsanweisungen in Bezug auf die Gesetzgebung vor. Das wollen wir nicht. Genau diese Anweisungen führten nämlich dazu, dass das Energiegesetz dermassen Schiffbruch erlitt. Nimmt man unseren Antrag an, wird daraus, wie bereits Adrian Kneubühler erwähnte, allenfalls eine Verzögerung von einer Session resultieren. Nimmt man aber den Antrag der BDP, SVP und EDU an, dauert die Verzögerung länger. Müssen wir Bundesentscheide abwarten, kann es Jahre dauern. Das will die FDP klar nicht. Wer eine aus unserer Sicht gut investierte Verzögerung von einer Session in Kauf nehmen, aber trotzdem Tempo machen will, unterstützt unseren Antrag. Präsident. Somit sind wir am Ende der Diskussion angelangt. Gibt es noch ein Rückkommen oder etwas, was ich übersehen habe? Das ist nicht der Fall. Nun gilt es aufzupassen, dass wir nicht am Schluss das Kind je nach der einen oder anderen Sicht mit dem Bad ausschütten, haben wir doch gehört, dass der Regierungsrat dem einen Rückweisungsantrag zustimmen würde. Wir stellen uns das Abstimmungsprozedere folgendermassen vor: Weil der Antrag der FDP für einen Gegenvorschlag auf derselben Stufe steht wie Ziffer 2 des Rückweisungsantrags BDP, SVP und EDU mit der Forderung auf Ausarbeitung eines Gegenvorschlags, stellen wir in der Abstimmung beides einander gegenüber, wobei über den Rückweisungsantrag BDP, SVP und EDU nach Ziffern abzustimmen ist. Bei beschlossener Rückweisung würde der Gegenvorschlag der glp-cvp hinfällig. Würde sie aber nicht genehmigt, wäre auch noch über diesen verbleibenden Gegenvorschlag abzustimmen. Die Frage ist noch, ob wir, wenn die einzelnen drei Ziffern beschlossen sind, integral nochmals Rückweisung beschliessen müssten. Je nachdem könnte dann nämlich Unbeabsichtigtes passieren. Darum frage ich, ob der Rat einverstanden ist mit der Abstimmung über die drei Ziffern ohne nochmaligen Gesamtentscheid über die Rückweisung am Schluss? Der Rat ist mit der Abstimmung nach Ziffern einverstanden, ebenfalls damit, dass die allfällige Annahme von Ziffer 2 des Antrags BDP, SVP und EDU als Rückweisung gilt, sodass wir nicht am Schluss noch eine weitere Abstimmung für die verbleibenden Rückweisungsanträge durchführen müssen. Dies nur, damit Sie dann auch damit einverstanden sind. Andernfalls müsste man es mir melden. (Unruhe. Allgemein ergehen Einwürfe und Fragen aus dem Rat; Ratsmitglieder beraten sich untereinander.) Präsident. Wir gehen also nach Ziffern vor, beginnen mit Ziffer 1 des Rückweisungsantrags BDP, SVP und EDU. Zuerst Ziffer 1. Ich gehe nach Ziffern vor; bei Ziffer 2 kommt es

94 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 535 zur Gegenüberstellung. Und am Schluss würden wir noch einen Gesamtentscheid betreffend Rückweisung fällen. Das wäre eigentlich eben das korrekte Vorgehen. Nur, damit wir da dasselbe machen und ich nachher nicht zweimal abstimmen lassen muss und auch keine Beschwerde provoziere. Darum frage ich zuerst auch ganz klar nach den Spielregeln. Sie auf dem Spielfeld sind alle so einverstanden, und nun spielen wir so. Abstimmung Geschäft Für den Rückweisungsantrag BDP / SVP / EDU Ziff Stimmen Dagegen 64 Stimmen 14 Enthaltungen Präsident. Wir kommen zur Ausmehrung zwischen Ziffer 2 des Rückweisungsantrags BDP, SVP und EDU und dem Rückweisungsantrag FDP. Der obsiegende wird am Schluss Bestandteil des Gesamtrückweisungsantrags sein, über den Sie nochmals werden abstimmen können. Abstimmung Geschäft Für den Rückweisungsantrag BDP / SVP / EDU Ziff Stimmen Für den Rückweisungsantrag FDP 82 Stimmen 2 Enthaltungen Abstimmung Geschäft Für den Rückweisungsantrag BDP / SVP / EDU Ziff Stimmen Dagegen 67 Stimmen 10 Enthaltungen Präsident. Somit beinhaltet der Gesamtrückweisungsantrag, über den wir jetzt noch abschliessend abstimmen, Ziffer 1 und 3 unverändert von BDP, SVP und EDU und Ziffer 2 in der Version FDP. Das wäre das Gesamtpaket für die Rückweisung an die Kommission, deren Auflagen wir vorhin besprochen haben. (Unruhe. Unmutsbekundungen und Verständnisfragen aus dem Rat. Die Grossräte Widmer und Bhend erheben aus dem Saal beim Grossratspräsidenten Einspruch gegen das Abstimmungsprozedere.) Präsident. Ich sagte zu Beginn, es werde am Schluss eine Gesamtabstimmung geben über die bereinigten Auflagen. Möglicherweise will man ja gar nicht zurückweisen, hat aber vorgängig für gewisse Ziffern votiert. Darum geht es eigentlich. Deshalb habe ich vorgängig ja auch gefragt, und ich glaube, ich habe im Rat die Mehrheit gefunden. Herr Grossrat Dieter Widmer sieht es etwas anders, aber wenn er nicht noch das Wort verlangt, lasse ich jetzt gesamthaft darüber abstimmen. Also, es geht jetzt um das bereinigte Paket Rückweisung Ziffer 1 und 3 gemäss BDP, SVP und EDU und Ziffer 2 gemäss FDP. Wer es so als Gesamtpaket Rückweisung nur um sie geht es jetzt mit den Auflagen wünscht, stimmt Ja, und wer keine Rückweisung will, stimmt Nein. Abstimmung Geschäft Für Rückweisungsantrag mit bereinigten Auflagen Dagegen 89 Stimmen 60 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Der Rat hat der Rückweisung mit 89 gegen 60 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt. Damit entfällt die Abstimmung über einen allfälligen Gegenvorschlag gemäss Antrag glp-cvp. Somit ist das Geschäft behandelt. Ich frage nun den Kommissionspräsidenten an, ob es beim eventuellen Rückzug der beiden Motionen bleibt, die gemeinsam mit dem Grossratsbeschluss behandelt worden sind. Ich bitte ihn, nochmals dazu Stellung zu nehmen. Patric Bhend, Thun (SP), Präsident der Kommission. Ich habe es bereits vorhin angetönt. Vorgängig traf sich die Kommission in der Wandelhalle. Eigentlich beschlossen wir stillschweigend, dass ich die Motionen zurückziehen werde. Lesen Sie den Text, steht darin «zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar». Jetzt, da die Kommission einen Gegenvorschlag ausarbeiten wird, ist es unsicher, ob am Schluss eine Mehrheit der Kommission noch die Initiative oder eben mehrheitlich den Gegenvorschlag unterstützen wird. Dann müssten die Motionen ohnehin anders ausgestaltet werden. In diesem Sinn ist es logisch, die Motionen zurückzuziehen. Wir werden in der Kommission aufnehmen und diskutieren, ob sie überhaupt oder in anderer Form wieder eingereicht werden sollten. Je nach Kommissionsbeschluss würden wir sie dann wieder vorbringen. Somit sind die beiden Vorstösse zurückgezogen. Präsident. Ich wiederhole, dass die beiden Vorstösse zurückgezogen sind. Der Kommissionspräsident hat auch das entsprechende Abstimmungsverfahren in der Kommission erläutert. Geschäft Bern, Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43: Kauf von zwei Verwaltungsliegenschaften für die Universität Bern; mehrjähriger Verpflichtungskredit Beilage Nr. 13, RRB 0100/2011 Antrag SVP (Freiburghaus, Rosshäusern) / BDP (Etter, Treiten) Rückweisung an den Regierungsrat mit der Auflage, Verhandlungen mit der SBB zu führen mit dem Ziel, einzig die Liegenschaft Hochschulstrasse 6 zu erwerben und auf einen Kauf der Liegenschaft Mittelsrasse 43 zu verzichten. Anträge der Finanzkommission Antrag 1: Der beantragte Kredit für die beiden SBB-Liegenschaften an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern wird von Fr. 63,5 Mio. auf Fr. 61,198 Mio. gekürzt. Der Regierungsrat wird beauftragt, nach dem Beschluss des Grossen Rates Nachverhandlungen mit den SBB aufzunehmen. Antrag 2 (zu Ziff. 5 des Beschlussesentwurfs): Die Bedingungen werden wie folgt angepasst: Der Kaufpreis wird wie folgt bezahlt: 20 % nach Inkrafttreten dieses Beschlusses und 80 % per Ende 2014 Der Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen ist gemäss dem Antrag des Regierungsrates vom 2. März 2011 (RRB 382/2011) aus den Überschüssen der Rechnung 2010 aufzustocken. Wird der Fonds nicht oder nur ungenügend aufgestockt, wird der Kauf soweit nötig aus den bestehenden Fondsmitteln finanziert Der Regierungsrat wird ermächtigt, im Rahmen der betroffenen Rechnungsabschlüsse über die Höhe und tatsächliche Verwendung der bewilligten Fondsmittel zu entscheiden Wenn die Genehmigung der Kaufverträge durch den Grossen Rat nicht bis spätestens 30. September 2012 in

95 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie Kraft tritt, schuldet der Kanton Bern den Schweizerischen Bundesbahnen eine Reservationsgebühr von Fr Antrag 3 (Zusatzantrag): Die Gesamtsanierung der beiden Liegenschaften für gebundene und neue Ausgaben darf im Sinne eines Kostendachs maximal Fr. 54 Mio. betragen (zuzüglich aufgelaufener Bauteuerung ab dem Zeitpunkt der Genehmigung des Geschäftes durch den Grossen Rat bis zur Bewilligung der Investitionskredite für die Sanierungen durch die finanzkompetenten Organe). Fritz Freiburghaus, Rosshäusern (SVP). Ich ging davon aus, dass Bernhard Antener, Sprecher der Finanzkommission, das Geschäft vorgängig vorstellt und sagt, worum es geht. Aber ich begründe gerne unseren Rückweisungsantrag. Ich schicke voraus, dass der Erwerb dieser zwei Liegenschaften für den Kanton sicher eine Gelegenheit ist. Das Geschäft wurde gut vorbereitet. Ursprünglich wäre es für die Märzsession vorgesehen gewesen; der Rat wies es zurück, und die Finanzkommission prüfte es eingehend. Wir besichtigten die Liegenschaften vor Ort, und ich verstehe, dass man diese Chance packen und die Liegenschaften kaufen möchte. Der Grosse Rat hat in seine Betrachtungen aber klar auch immer die finanzielle Seite einzubeziehen. Ich schicke voraus, dass unser Antrag in keiner Weise gegen die Universität gerichtet ist. Dort wird sehr gute Arbeit geleistet, und der Gerechtigkeit halber dürfen wir wohl auch sagen, dass wir für sie etwas tun: Ich weise auf die Investition von über 200 Mio. Franken im von Roll-Areal hin und auf die Planung im Neufeld und an der Murtenstrasse. Dass die SBB die Gebäude im Duo-Pack verkaufen wollen, verstehe ich; das täte ich als Verkäufer ebenfalls. Für mich ist nicht einmal der Kauf der Liegenschaften das Problem. Vielmehr macht mir Sorgen, was danach kommt. Die ganzen Umbaukosten werden bereits jetzt mit 70 Mio. Franken beziffert, wobei für mich erschwerend dazu kommt, dass wir es mit unter Denkmalschutz stehenden Liegenschaften zu tun haben. Folglich wird es entsprechend schwierig werden, die für kantonseigene Liegenschaften geforderten energetischen Vorgaben zu erreichen. Beinahe entsteht der Eindruck, dass wir einige Schlösser auf dem Land leer stehen haben und verkaufen möchten, nun aber zwei neue in der Stadt kaufen. Darum reichten wir unseren Rückweisungsantrag mit der Auflage ein, nur die Liegenschaft Hochschulstrasse 6 zu kaufen. Wir sehen den Vorteil dieser Liegenschaft ganz klar: strategisch unmittelbar neben der Uni gelegen, relativ geringe Umbaukosten. Die Uni könnte die Liegenschaft sehr gut als Verwaltungsgebäude und das heutige Unigebäude als Lehrgebäude nutzen. Dagegen ist die Nutzung des Gebäudes an der Mittelstrasse mit für mich noch recht unklaren und vor allem sehr hohen Umbaukosten verbunden. Ich habe den Eindruck, der Kanton kaufe sich da ein Gebäude, das zu einem Klotz an seinem Bein werden und künftig sehr hohe Kosten verursachen wird. Grundsätzlich ist sicher auch die Frage erlaubt, ob wir weiterhin eine Zunahme der Studierenden wünschen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebten. Braucht man tatsächlich mehr Raum für die Uni, wäre meiner Ansicht nach ein weiterer Neubau auf dem von Roll-Areal vorzuziehen. Hier könnte problemlos der energetische Standard des Kantons realisiert werden. Ich gebe zu, dass unser Antrag vor allem auf finanzpolitischen Überlegungen basiert. Aber wir können nicht dauernd über die schlechten finanziellen Aussichten jammern und gleichzeitig Gebäude kaufen, deren Nutzung noch nicht klar feststeht und die hohe Folgekosten provozieren. Ich bitte Sie aufgrund dieser Überlegungen, unserem Antrag zuzustimmen und dadurch einen erheblichen Sparbeitrag zu leisten. Jakob Etter, Treiten (BDP). Die Uni hat für den Kanton Bern sehr grosse Bedeutung. Bildungspolitisch, aber auch vom Wirtschaftsstandort her ist die Uni für den Kanton Bern ausserordentlich wichtig. Uns ist bewusst, dass unsere Universität in Konkurrenz steht mit anderen Universitäten; Zürich, Basel, Freiburg, Genf und so weiter. Wir müssen ihr Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, ihr eine stetige Weiterentwicklung gewährleisten, damit sie ihren Auftrag unseren Anforderungen und Wünschen entsprechend erfüllen kann. In den Vorbereitungen erfuhren wir, dass sich die Uni ständig dem Stand der Entwicklung anpassen muss. Vom Vorredner vernahmen wir, dass die beiden Gebäude strategisch gut liegen, befinden sie sich doch in der unmittelbaren Umgebung der jetzigen Unigebäude. Somit könnten einige Raumprobleme gelöst werden. Sie vernahmen auch, dass der Kauf des Gebäudes Hochschulstrasse 6 unbestritten ist. Es liegt sehr günstig, schliesst eine Lücke zwischen verschiedenen Unigebäuden, liegt ideal bezüglich der Anbindung an den Verkehr und ist in sehr gutem baulichem Zustand, wie wir bei der Besichtigung feststellen konnten. Die Renovationskosten sind überblickbar. Störend am Ganzen deshalb stellten wir unseren Rückweisungsantrag ist das Gebäude Mittelstrasse 43. Und störend ist weiter, dass die SBB den Kanton unter Druck setzen und entweder beide Liegenschaften oder gar nicht verkaufen wollen. Das Gebäude Mittelstrasse 43 ist in schlechtem Zustand. Heute schätzt man die Renovationskosten auf über 60 Mio. Franken. Sie wissen, was es bedeutet, ein altes Gebäude renovieren zu müssen da werden unter Umständen noch unerwartete Kosten dazukommen. Fraglich ist auch, ob das Gebäude überhaupt zweckdienlich ist. Die Bausubstanz, Fenster, Heizung, Fassade, Böden, Raumhöhe und -grösse sind nicht unbedingt geeignet für die Anforderungen und Bedürfnisse der Universität. Wie wäre es, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie zu Ihrem Garagier gingen und dort ein Auto kaufen möchten, das Ihnen zusagt, Ihren Vorstellungen entspricht, der Garagier aber sagen würde, das könnten Sie haben, müssten aber auch noch irgendeine «alte Schwarte» dazu kaufen? So ähnlich kommt mir dieser Liegenschaftskauf vor. Deshalb enthält unser Rückweisungsantrag die Auflage für Neuverhandlungen um das Gebäude Hochschulstrasse 6. Wir sind überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, dass das Gebäude an der Hochschulstrasse dem Kanton, aber vor allem der Uni dient. Es ist in sehr gutem Zustand und löst vorläufig die Raumprobleme der Uni. Einen weiteren Schritt zeigte Fritz Freiburghaus auf: Die Kosten in Bezug auf dieses Gebäude sind überblickbar; die Universitätsleitung sagte sogar, sie könnte dort schon morgen ohne Veränderungen, ohne Investitionen einziehen. Mit diesem Gebäude gehen wir kein finanzielles Abenteuer ein; für den Kanton wie die Uni ist es eine optimale Lösung. Darum beantragen wir Ihnen, den Rückweisungsantrag zu unterstützen. Bernhard Antener, Langnau (SP), Sprecher der Finanzkommission. Die Diskussion um den Kauf nur eines statt zweier Gebäude, um den Nutzen des Gebäudes Mittelstrasse 43 für die Uni Bern und die Chance, den SBB- Verwaltungsrat zu einer anderen Haltung zu bewegen, führten wir im Ausschuss der BVE und im Plenum der Finanzkommission intensiv. Der Rückweisungsantrag wurde bereits im Plenum der Finanzkommission gestellt. Im Antrag geht es darum, ob die SBB bereit wären, dem Kanton nur die Hochschulstrasse 6 zu verkaufen, und weiter um den Nutzen des Gebäudes Mittelstrasse 43 für die Uni. Diese zwei Fragen gilt es zu beantworten. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die SBB beide Gebäude als Paket verkaufen wollen, die Hochschulstrasse 6 als Hauptsitz etwas herrschaftlicher, die

96 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 537 Mittelstrasse 43 weniger repräsentativ. Darum kommt das Angebot der SBB einer Art Mischpreis gleich. Im Rahmen der Beratungen des Geschäfts, das, wie bereits erwähnt wurde, von der März- auf die Junisession verschoben wurde, um etwas mehr Zeit zu gewinnen, schrieb die Finanzkommission via BVE die SBB nochmals an und verlangte eine nochmalige Positionierung. Das Antwortschreiben der SBB vom 18. April bestätigt, dass der Verwaltungsrat der SBB sich in seiner Sitzung vom 5. April mit diesem Geschäft nochmals befasste und dass für ihn nur der Verkauf im Zweierpaket in Frage kommt. Das kann man den SBB nicht verübeln. Hat man zwei Gebäude, will den Hauptsitz und alles integral ins Wankdorf verlegen, ist es wohl nachvollziehbar, dass man, um die Konzentration zu erreichen, gerne alles verlegt und nicht mit der gleichen Aufteilung wie heute weiterfahren will. Sonst könnte man sich letztlich den Neubau ersparen. Jeder Verkäufer würde sich gleich verhalten, auch der Kanton, und auch in den Gemeinden würde man es wohl ähnlich machen. Die Antragsteller berichteten Ihnen über die beiden Gebäude. Das Gebäude Mittelstrasse 43 wird ein wenig schlechter dargestellt als es ist. Konsultieren Sie das Verkehrswertgutachten, das dem Ausschuss vorlag, ist der aufgelaufene Unterhalt für die Mittelstrasse 43 im Vergleich zur Hochschulstrasse 6 hinter dem Komma unterschiedlich. Die entscheidende Frage ist, welchen Standard wir an der Mittelstrasse 43 wünschen. Auch damit befassten wir uns; ich werde darauf noch zu sprechen kommen. In dieser Ausgangslage geht es also darum abzuschätzen, welchen Nutzen die Mittelstrasse 43 für die Uni hat. Vor zehn Jahren entschieden wir uns für eine Stadt-Universität und eine Konzentration in der Länggasse. Die Hochschulstrasse 6 in der vorderen Länggasse, aber auch das Gebäude in der Mitte der Mittelstrasse sind ideale Ergänzungen für die Uni und ebenfalls verbunden mit Konzentration. Es ist nicht so, dass wir nichts tun; dreizehn Mietobjekte werden aufgegeben und ein Gebäude verkauft. Die Vertreter der Uni konnten uns glaubhaft darlegen, dass es sich bei der Mittelstrasse 43 nicht um eine Verlegenheitslösung handelt, sondern dass sich dort eine sinnvolle Konzentration der Geisteswissenschaften realisieren und dadurch die Stossrichtung der Strategie 3012 optimal umsetzen liesse. Es kann keine Rede davon sein, wie die vorangehenden Sprecher sagten, dass es für die Uni nicht ideal wäre. Wir fragten diesbezüglich mehrmals nach, und wir bekamen bestätigt, dass es für sie eine gute Lösung wäre. Die kurzfristige Alternative wäre die Miete zusätzlicher Objekte, wobei unklar ist, ob dies in der Länggasse überhaupt möglich ist und zu welchem Preis. Die in der Finanzkommission ebenfalls diskutierte Variante der zweiten Etappe auf dem von Roll-Areal steht noch in den Sternen. Vorerst gilt es jetzt einmal die erste Etappe von Roll zu bewältigen und zu beobachten, wie das anläuft. Es braucht eine Überbauungsordnung, es stellen sich viele planungsrechtliche Fragen, Fragen zu Mehrwertabschöpfungen und so weiter. Zudem ist den Verantwortlichen klar, dass man würde es in 10, 12 Jahren einmal zum Thema dort sinnvollerweise Neubauten hoch technisierten Standards für die Naturwissenschaften realisieren würde, weil der Neubau besser ermöglicht, sich dem anzupassen. Sicher würde man diesen Standort nicht verwaltungsähnlich nutzen. Beim Kauf der SBB-Gebäude darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass dieses Geschäft für den Kanton von höchster strategischer Bedeutung ist. Uns bietet sich die Möglichkeit, eine Win-win-Situation zu erzielen, indem sowohl die SBB als auch die Uni Arbeits- und Ausbildungsplätze konzentrieren können. Das hat auch volkswirtschaftliche Bedeutung und ist eine grosse Chance für den Kanton und den Grossraum Bern. Auch in finanziell schwierigen Zeiten sollten langfristige Perspektiven nicht aus den Augen verloren und die Chancen genutzt werden. Der Kauf dieser Gebäude ist eine dieser Chancen und kein Risiko. Die Herren Freiburghaus und Etter tönten an, sie scheuten den Umbau der Mittelstrasse 43. Fürchten Sie ihn, unterstützen Sie Ziffer 3 des Antrags der Finanzkommission, worin wir explizit ein Kostendach für den Umbau vorsehen, das wir schon heute der Verwaltung, dem Regierungsrat vorgeben; in dieser frühen Phase, nicht erst, wenn das Projekt auf dem Tisch liegt. Das wäre falsch. In der Finanzkommission wurde der Rückweisungsantrag mit der Auflage, nur die Hochschulstrasse 6 zu erwerben, mit 10 gegen 7 Stimmen abgelehnt. Ich bitte Sie im Namen der Mehrheit der Finanzkommission, den Rückweisungsantrag auch im Plenum abzulehnen und hier nicht voreilig eine Chance zu vergeben. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Wie der Sprecher der Finanzkommission eben ausführte, stehen wir einmal mehr vor einem Geschäft von hoher strategischer Bedeutung für den Kanton Bern. Wir tun gut daran, den wartenden Zug wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, aber auch wichtiger räumlicher Entwicklung im Kanton Bern nicht zu verpassen. Eine grosse Berner Zeitung ihr Name ist damit schon ausgesprochen analysiert seit einiger Zeit in einer aufschlussreichen, interessanten Artikelserie die Entwicklung des Kantons Bern und spürt darin auch die Ursachen für die Berner Behäbigkeit, für die im Vergleich mit anderen Wirtschaftsräumen oft geringere gesellschaftliche, aber auch wirtschaftspolitische Dynamik auf. Heute ist klar nicht der Zeitpunkt, diese Ursachenanalyse hier weiterzuführen; allerdings täten wir meiner Ansicht nach gut daran, heute das neuste Rendez-vous mit einer attraktiven Entwicklungsoption und insbesondere einer Entwicklungsoption, die den Kanton insgesamt weiterbringen würde, nicht zu verpassen. Worin besteht die strategische Bedeutung dieses Geschäfts? Für die Grünen stehen namentlich drei Bereiche im Vordergrund: die Bildungspolitik, die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik, weiter auch der Bereich der räumlichen Entwicklung. Zuerst zur Bildungspolitik: Wir alle in diesem Rat sind uns wahrscheinlich einig im Interesse, die bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die hiesige Bevölkerung die nötigen Qualifikationen und Fertigkeiten erwerben kann, um im Wirtschaftsleben zu bestehen. Wir alle wissen, dass der Rohstoff Bildung gerade in der Schweiz und angesichts der infrastrukturellen Voraussetzungen im Kanton Bern und in anderen Wirtschaftsräumen gilt das für den Kanton Bern ganz besonders von zentraler Bedeutung ist für unser wirtschaftliches, aber auch finanzielles Gedeihen. Eine solche Bildungspolitik setzt selbstverständlich eine starke und vor allem entwicklungsfähige Universität voraus. Entwicklungsfähigkeit um sie gleich wieder abzugrenzen bedeutet nicht eine wuchernde Universität und bedeutet auch nicht, der Uni jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und zu erfüllen. Doch bedeutet es unter anderem, begründete räumliche Entwicklungsschritte zu ermöglichen. In einer exakt solchen Situation befinden wir uns heute. Der Rektor der Universität, Herr Dr. Würgler, führte in der Finanzkommission klar und deutlich aus, welchen räumlichen Entwicklungsbedarf die Universität hat, und er wies auch darauf hin, dass die beiden SBB-Liegenschaften bestens geeignet sind, diesen Raumbedarf zu decken. Zu den wirtschaftlichen Aspekten: Wir haben im Kanton Bern ein starkes, bestens verankertes Unternehmen des Service Public, die SBB, das hier in grossem Rahmen investieren will. Die entsprechende nachvollziehbare Bedingung darauf wies bereits der Sprecher der Finanzkommission hin für die Grossinvestition der SBB ist, dass im gleichen Zug die danach nicht mehr benötigten Liegenschaften veräussert werden können. Als Kanton sollten wir diesen Hintergrund bei

97 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie der Entscheidfindung unbedingt berücksichtigen. Ein starker Kanton, eine starke Region trägt Sorge zu ihren Assets, zu ihren wichtigsten Punkten gewissermassen, und legt ihnen nicht völlig willkürlich unnötigerweise Steine in den Weg. Wählten wir nämlich dieses Vorgehen, würden wir uns letztlich selbst am meisten behindern. Zum Schluss noch zum Aspekt der räumlichen Entwicklung: Sie mögen sich alle erinnern an die Metropolitanraum- Debatte, worin es immer wieder um die Eigenheiten, aber auch um die Rolle und die Stärken des Kantons ging. Mittlerweile wurde im Raumkonzept des Bundes dem Kanton Bern der Stellenwert einer Hauptstadtregion zugestanden. Allerdings legte damals der Bund auch gleich offen, dass Bern den Nachweis noch zu erbringen habe, in dieser obersten Liga eines Metropolitanraums oder eben einer Hauptstadtregion mitspielen zu können. Ausschlaggebend das war unbestritten waren in erster Linie die Stärken des Kantons Bern im Bereich des Service Public und des Public Managements. Und ausgerechnet in diesen beiden Bereichen sind die beiden Unternehmen Universität und SBB angesiedelt. Wie beurteilen wir vor diesem Hintergrund das vorliegende Geschäft beziehungsweise die entsprechenden Anträge? Den Rückweisungsantrag SVP und BDP lehnen wir klar ab. Der Raumbedarf der Universität ist unbestritten und geht das ist klar und deutlich festzuhalten über die Hochschulstrasse 6 hinaus. Überdies korrespondieren die beiden Liegenschaften bestens mit der räumlichen Entwicklungsstrategie 3012 der Universität. Und mit der Rückweisung des Geschäfts würden wir zumindest die in Bern geplanten Investitionsvorhaben der SBB in Frage stellen. Sowohl die Erschwernisse für die Uni als auch für die SBB wären klassische Eigengoals. Den Antrag 1 der Finanzkommission können wir ohne grosse Begeisterung unterstützen. Wir attestieren allerdings, dass die Finanzkommission hier seriöse Abklärungen getroffen hat und eine nachvollziehbare und unseres Erachtens legitime Kürzung des Kreditbetrags für den Kauf der Liegenschaften vorschlägt. Das sind die 10 Prozent des Landwerts. Aufgrund dieser Erwägungen werden wir dem Antrag zustimmen. Den Antrag 2 betreffend die Entkoppelung des Kreditgeschäfts und die Speisung des Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen unterstützen wir vorbehaltlos. Das ist wohl weitgehend unbestritten. Für den Antrag 3 können wir relativ wenig Begeisterung aufbringen. Das Bestreben der Finanzkommission, bereits in einer frühen Phase steuernd auf die Kosten von Erneuerungsinvestitionen einzuwirken, erachte ich als ausgesprochen legitim und auch sinnvoll. Anderseits ist für uns Grüne ausgeschlossen, dass bei der Erneuerung ausgerechnet im Bereich der energetischen Massnahmen gespart wird. Wir erwarten im Bereich der energetischen Sanierung der Gebäude effektiv die Anwendung des heutigen State of the Art und nicht etwa Sparmassnahmen. Deshalb wird unsere Fraktion dem Antrag 3 der Finanzkommission mehrheitlich nicht zustimmen. Selbstverständlich bitten wir Sie, dem Geschäft insgesamt zuzustimmen. Wir können damit einen sehr wichtigen Entwicklungsschritt für den Kanton Bern realisieren. Präsident. Herr Kropf hat sich eben auch schon zu den Anträgen der Finanzkommission geäussert. Ich weise darauf hin, dass wir zuerst über die Rückweisung reden. Der Sprecher der Finanzkommission wird zu deren Anträgen nachher noch reden. Aber selbstverständlich dürfen Sie Ihre Zeit schon nutzen, um auch dazu zu reden. Martin Friedli, Sumiswald (EDU). Auch ich erlaube mir, sowohl über die Rückweisung als auch über die Anträge der Finanzkommission zu reden. Es ist einfacher, weil die Begründungen zusammenhängen, und es passt mir auch zeitlich besser. Einige Überlegungen zu bevorstehenden Vorhaben, Verkäufen oder Investitionen: Tätigt man eine solche Investition, sind wir alle gefordert zu überlegen, worin wir investieren. Was für eine Firma ist es, was tut sie, wie entwickelt sie sich, und wie geht es ihr, der wir unsere Investition zur Verfügung stellen wollen? Dann kommt die Frage nach einer Strategie auf. Diese Fragen stellten wir uns selbst, und wir spürten ihnen in der Finanzkommission und im Bauausschuss nach. Die Anzahl der Studierenden hat erheblich zugenommen. Im Jahr 2000 waren es , während es 2011 bereits sind, sage und schreibe 46 Prozent mehr. Die ausserkantonalen Beiträge sind auf 54 Prozent angestiegen. Die Universität arbeitete also sehr gut und bezieht vom Kanton nur 8 Prozent mehr Geld, nämlich 267 Mio. anstatt der 248 Mio. Franken im Jahr Der Kanton Bern bezahlt also 38 Prozent an seine Universität. Aus dieser Perspektive ist sie eine sehr prosperierende Firma an einem Standort, der sich sehen lässt; entschied man sich doch seinerzeit, den Standort der Uni in der Länggasse zu stärken. Man realisierte Unitobler, und es ist richtig, jetzt nicht zu dezentralisieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich am bewährten Standort festsetzen und entsprechend entwickeln kann. Die bereits bestehenden Mietverhältnisse weisen darauf hin, dass die Uni ein Platzproblem hat. Somit ist der Bedürfnisnachweis erbracht. Aus der Sicht der Uni müsste man meiner Auffassung nach dem Geschäft klar zustimmen. Die Gebäude stehen in einer Zone für private Anlagen im allgemeinen Interesse. Für mich bedeutet das das Gleiche wie Zonen für öffentliche Nutzung. Das heisst, dass das Verkaufspotenzial mit gewissen Hemmnissen behaftet ist; die Gebäude stehen unter Denkmalschutz und die Bausubstanz das haben wir schon zu hören bekommen hat einiges nötig. Das veranlasste mich persönlich, die Voraussetzungen dieses Geschäfts kritisch zu betrachten. Damit verbrachten wir einige Stunden. Auch ich persönlich studierte das Verkehrswertgutachten relativ gründlich und überlegte, ob die finanzielle Belastung überhaupt tragbar sei oder nicht. Ich lege Wert darauf, hier feststellen zu können, dass der Kaufpreis auf den Ertragswert abgestellt ist, das heisst auf den erzielbaren Mietwert und nicht etwa auf den Substanzwert. Üblicherweise wird im Schätzungswesen beides gewichtet. In diesem Geschäft wurde richtigerweise nur auf den Ertragswert abgestellt. Auf dieser Basis berechnete man einen eigentlich fiktiven Landwert, nämlich nach Verlust des Nutzungspotenzials; auch diesen anerkannten wir als richtig. Das Gutachten der SBB attestierte den Liegenschaften einen Verkehrswert von über 70 Mio. Franken, während das Gutachten der BVE den Betrag von 69,27 Mio. auswies und die BVE bereits einen Preis von 63,5 Mio. Franken verhandelte. Da hat sich also bereits einiges getan. Anderseits bekamen wir auch eine Grobkostenschätzung vorgelegt, lautend auf den Betrag von 73 Mio. Franken. Davon sind 25 Prozent Reserven und 8 Prozent AGG- und BVE- Reserven, die uns relativ hoch erschienen, weshalb wir beschlossen, nur auf die 54 Mio. wie in Antrag 3 der Finanzkommission gefordert einzutreten. Der Nutzer soll mitbestimmen, was er will und braucht; er soll seine Vorstellungen einbringen können. Es ist legitim, ihm den zur Verfügung stehenden Betrag früh genug mitzuteilen. Das erleichtert ihm, sich zu entscheiden, wie er das Geld verwenden will. Ein Wort zur Mittelstrasse 43: Auch ich nahm an der Besichtigung teil und besichtigte das Gebäude skeptisch. In Anbetracht dessen, dass wir gegenwärtig dreizehn Mietobjekte unterhalten, die uns jährlich 2,3 Mio. Franken kosten, lässt das doch die Überlegung zu, ob hier nicht Einsparungen möglich wären, die für das Gebäude Mittelstrasse 43 eingesetzt werden könnten. Ich erachte es als polyvalent nutzbar

98 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 539 und geeignet als Institutgebäude. Realisieren wir das, können wir zudem ein kantonseigenes Objekt verkaufen, das zwar nur ungefähr eine Million Franken einbringen wird. Zwei, drei Worte zur Hochschulstrasse 6: Kaufen wir nur dieses Gebäude, können wir auf die Mietobjekte nicht verzichten, vor allem nicht in grossem Stil, und dieses Objekt allein wird logischerweise zu teuer. Als Verhandlungspartner auf Seiten der SBB würde ich klar sagen: «Wollen Sie nur die Rosinen, steigt der Preis!» Kaufen wir nur ein Gebäude, können wir den zusätzlichen Raumbedarf insgesamt nur schlecht abdecken, und es nützt der Uni relativ wenig. Wenig ist vielleicht etwas krass ausgedrückt, aber zumindest nicht so viel, wie wenn wir beide kaufen würden. Ich weise darauf hin, dass beide Gebäude hoch genutzt werden können. Im Vergleich mit der Ausnützungsziffer eines Neubaus haben wir hier doppelt so hohe Ausnützungsziffern. Das ist auch nicht ohne. Zudem erhalten wir für die Gebäude 30 Prozent Bundessubventionen, was 8 bis 10 Mio. Franken entspricht. Fazit: Für mich und auch für die EDU-Fraktion ist das ein guter, effizienter Kauf. Es ist eine sinnvolle, strategische Investition, die Entwicklung zulässt. Die Volkswirtschaft des Kantons Bern braucht Investitionen. Hier können wir eine tätigen. Können wir dadurch noch den Standort unserer Universität stärken und diese Position verfestigen, ist das sinnvoll. Ein Blick auf die Finanzierung besagt, dass noch der Investitionsfonds zum Tragen kommen wird. Dazu werde ich mich zu gegebener Zeit äussern. Noch einen Satz zum Kauf: Ich bin der Meinung, die kleine Reduktion auf 61,2 Mio. Franken sei vertretbar. Es ist kein Pokerspiel gegenüber den SBB, und wir halten für möglich, dass sie darauf einsteigen könnten. Wir sind also gegen die Rückweisung und für den Kauf beider Gebäude. Wir unterstützen alle drei Anträge der Finanzkommission. Präsident. Das war ein langer Atemzug für noch einen Satz. Jetzt, wo zu allem geredet wird, wird auch die Redezeit knapp. Darum wollten wir zuerst primär die Meinungen zur Rückweisung und nachher zu den Anträgen der Finanzkommission. Nun ist alles in einem Paket gelandet. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Aus der Sicht der EVP ist der Raumbedarf der Universität nachvollziehbar, er ist entsprechend beschrieben im Vortrag. Das Verkaufsangebot der SBB für die zwei Gebäude ist sogar ein eigentlicher Glücksfall für den Kanton und die Uni. Selbst wenn es sich herausstellen sollte, dass im Rahmen der Sparbemühungen, die in den nächsten Monaten und Jahren zwangsläufig folgen werden, auch die Uni wird Einsparungen definieren oder vollziehen müssen und man vielleicht die Sanierung der Gebäude etappieren oder bremsen muss, wäre eine Rückweisung des Geschäfts, wie es heute vorliegt, aus der Sicht der EVP falsch. Weshalb? Eigentlich lieferte der Antragsteller der SVP, Fritz Freiburghaus, die Antwort gleich selbst; sagte er doch, nicht der Kauf, sondern die Sanierung bereite ihm Sorgen. Jetzt diskutieren wir aber primär den Kauf der zwei Gebäude, von denen die SBB klipp und klar sagen was die SVP aber offenbar nicht wahrhaben will, dass nur beide Gebäude zusammen zu haben sind. Sie kosten etwas mehr als 60 Mio. Franken. Würde nun neu verhandelt und man würde einig auch das wurde hier gesagt, ist die Hochschulstrasse 6 wahrscheinlich das interessantere Gebäude. Wäre ein Einzelkauf verhandelbar und könnte man sich auf einen Preis einigen, läge dieser wohl etliches höher als im Zweierpaket. Argumentierst du, Fritz, es resultiere ein erheblicher Sparbeitrag, wenn man jetzt das Geschäft zurückweise und danach mit den SBB neu nur über das eine Gebäude verhandle, zweifle ich doch an deinen Rechenkünsten. Der Kaufpreis der gewünschten Liegenschaft stiege um einige Millionen an, und damit wäre in Anbetracht der 12 Mio. Franken für dessen Sanierung schliesslich die Einsparung nicht mehr so enorm hoch. Im schlimmsten Fall verzichten wir halt vorerst auf die Sanierung des Gebäudes an der Mittelstrasse und lassen es einmal als Land- und Bausubstanzreserve stehen; immerhin sind es 7000 Quadratmeter an bester Lage. Oder man müsste versuchen, es wieder zu verkaufen. Geht man aber davon aus, dass der Preis für nur das eine Gebäude wobei die EVP nicht daran glaubt, dass die SBB so mit sich verhandeln lassen viel höher wäre, fiele die Einsparung, die du dir erhoffst, nicht wirklich erheblich aus. Darum hoffe ich, dass der Grosse Rat den Rückweisungsantrag nicht unterstützt. Zu den Anträgen der Finanzkommission werde ich später reden. Sabine Kronenberg, Biel (glp). Zwar vertreten wir von der glp-cvp-fraktion nach wie vor die Meinung, dass man Investitionen vornehmlich mit einem höchsten Mass an Selbstdeckung tätigen sollte. Der rein finanzpolitische Entscheid allein greift in dieser Sache zu kurz, weil er nur die unmittelbaren Kosten und nicht nachhaltig auch die Nebeneffekte einer Investition einbezieht. Diese Kostenwahrheit fordern wir oft genug ein und wollen wir daher auch selbst respektieren. Die Sachlage bei den Gebäuden für die Uni Bern spricht eine eindeutige Sprache. Es handelt sich um Gebäude, die einerseits in den erforderlichen zusätzlichen Räumlichkeiten die zu erwartende Zunahme an Studienplätzen aufgrund der demographischen Verschiebung der geburtenstarken Jahrgänge aufnehmen können werden. Anderseits ermöglichen sie der heute an vielen Standorten eingemieteten Verwaltung und Administration an einem zentralen Standort in der Länggasse effizientere Arbeit, kürzere Wege in jeder Hinsicht und eine Straffung auch ökonomischer Art; keine Verzettelung von Räumlichkeiten und Mieten. Zudem entstehen durch die Erweiterung der Uni dem Kanton zwar zunächst nicht unmittelbar Gewinne, doch sind die Nebeneffekte nicht in Abrede zu stellen. Auch sie werden volkswirtschaftliche wie raumplanerische Auswirkungen haben, die positiv zu werten sind. Die entsprechenden Stichworte sind hier: Standortvorteil Universität, der gerne vergessen wird, sowie Hauptstadtregion Bern, der Gewicht zukommen darf und soll. Ich hole nun nicht nochmals aus und wiederhole, was meine Vorredner alles schon gesagt haben. Enfin, bref: Hier entsteht eine Verantwortungsethik, der wir uns als Akteure stellen müssen. Sich dem zu entziehen mit dem Verweis auf den finanzpolitischen beziehungsweise ordnungspolitischen Impetus, ist unzulänglich. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um ein lange aufgelegtes Projekt einer finanziellen Grössenordnung, die in Zukunft vermehrt wird hinterfragt werden müssen. Entsprechend begrüssen wir die Anträge der Finanzkommission, nicht aber den Rückweisungsantrag SVP und BDP. Ich fasse zusammen: Die glp-cvp-fraktion sagt Ja zum Kreditgeschäft und zum Antrag Finanzkommission, und sie sagt Nein zum Antrag SVP und BDP. Hans-Jörg Rhyn, Zollikofen (SP). Seit drei Jahren wird intensiv verhandelt. Über die strategische Bedeutung dieses Geschäfts und dieser Verhandlungen wurde hier schon viel gesagt, dem füge ich nichts mehr bei. Aber auf beiden Seiten des Geschäfts waren gut ausgebildete, professionelle Leute am Werk, die vom Immobiliengeschäft etwas verstehen. Unterstützt wurden die Verhandlungen durch externe Verkehrswertschätzungen und vertiefte Gebäudeanalysen, die schliesslich zu einer seriösen Kaufpreisbildung führten. Der Kaufpreis von 63,5 Mio. Franken für beide Gebäude liegt mehr als 12 Prozent unter der Verkehrswertschätzung der SBB und mehr als 8 Prozent unter derjenigen des Kantons. Auch nach externen Beurteilungen ist also der Preis nicht zu

99 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie hoch. Ich erinnere an das, was Kollege Hans Rösti heute sagte. Er machte uns darauf aufmerksam, dass Grossräte in der Regel nicht bessere Fachleute sind als diejenigen, die ein Geschäft vorgängig bearbeiteten. Dem stimme ich voll zu und füge an, dass wir uns nicht überschätzen sollten, indem wir uns als Oberexperten über die Fachleute aufspielen. Wird alles einbezogen, was an diesem Geschäft hängt und dass die SBB mit dem Verkaufserlös für die beiden Gebäude zum Teil den Neubau für ihren Hauptsitz auf dem Areal des ESP Wankdorf finanzieren können, ist der Kaufpreis sogar eine gute Investition. Für alle Beteiligten, nämlich den Kanton, die Universität Bern und die SBB entsteht eine echte Win-win-Situation, wie bereits gesagt wurde. Die Uni Bern erhält eine einmalige Chance für eine nachhaltige räumliche Entwicklung im Länggassquartier; die SBB anderseits können bis 2014 ihre Konzernleitung und die zentralen Dienste der Divisionen Infrastruktur und Immobilien auf dem Areal WankdorfCity konzentrieren. Das SBB-Neubauprojekt ist ein zentrales Element dieses kantonalen Entwicklungsschwerpunkts. Mit der Konzentration von rund 1700 Arbeitsplätzen im Wankdorf später sind sogar weitere 2500 möglich bekennen sich die SBB klar zum Standort Bern. Das sichert dem Kanton und der Stadt Bern diese Arbeitsplätze für viele Jahre. Ebenso gesichert werden dadurch Steuereinnahmen von Steuerpflichtigen im Bereich der Unternehmensspitze, der hohen und mittleren Kader, die in der Stadt und der Region Bern wohnen oder nach bisherigen Erfahrungen auch irgendwo im Perimeter Ins, Biel, Wiedlisbach, Burgdorf, Langenthal, Langnau, Spiez oder Schwarzenburg. Steuereinnahmen von letztlich über 4000 qualifizierten SBB- Angestellten kommen also nicht nur der Stadt, sondern dem ganzen Kanton zugute. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beziehe keinen Lohn mehr von den SBB, und ich bin nicht befugt, hier im Namen der SBB zu reden. Aber ich bin immer noch gut im Bild, wie dieses Unternehmen tickt. Ich kann Ihnen sagen, dass es momentan nicht zugunsten des Kantons Bern tickt. Man ist enttäuscht bis konsterniert über die Haltung im Grossen Rat. Sollte der Kauf der Gebäude Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43 abgelehnt werden oder an unrealistischen Forderungen von unserer Seite scheitern, wäre die Finanzierung des Neubauprojekts im ESP Wankdorf nicht mehr gesichert. Die SBB müssten zwangsläufig die Situation bezüglich des Standorts ihres Hauptsitzes neu analysieren. Die SBB bekannten sich zu Bern als Standort ihres Hauptsitzes, aber nicht zu jedem Preis. Können die beurkundeten Kaufverträge für die beiden Gebäude bis Ende September nicht in Kraft gesetzt werden, werden nicht nur Franken als Entschädigung fällig, sondern die SBB werden alternative Standorte für ihren Hauptsitz prüfen müssen. Es könnte nämlich andere finanziell günstigere Standorte geben. Die SBB besitzen im schweizerischen Mittelland eigene grosse und rasch verfügbare Grundstücke, die sich für den Bau des Hauptsitzes lagemässig ebenso gut eignen wie das Wankdorf. Wir sollten den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der SBB nicht unterschätzen, könnten sie doch nach drei Jahren Verhandlung irgendwann genug haben. Sie sind nicht zwingend auf den Kanton Bern angewiesen. Und noch etwas: Die Verlässlichkeit unseres Kantons als Planungs-, Vertragsund Geschäftspartner wird mit dem vorliegenden Rückweisungsantrag in Frage gestellt. Würde der Antrag angenommen, könnte es sich herumsprechen, dass Verträge mit dem Kanton Bern zu einer unsicheren Sache werden. In der Konkurrenz mit dem Bund und anderen Kantonen wäre das ein ziemlich schädliches Image. Ein Kanton, der sich mit dem Hauptsitz der schweizerischen Eidgenossenschaft und als künftige Hauptstadtregion profilieren will, sollte fähig sein, ein Immobiliengeschäft mit einem Bundesunternehmen sauber und vertrauenswürdig abzuwickeln. Ich danke den Herren Friedli und Löffel, die in diesem Zusammenhang auch sehr gute Argumente vorbrachten. Lassen wir uns doch durch die eigenfabrizierte schwierige finanzielle Situation die rationale Sicht und das rationale Denken nicht vernebeln. Es bringt doch nichts, den Regierungsrat, die Universität und die SBB für etwas zu strafen, was sie nicht verursacht haben. Und es kann nicht sinnvoll sein, dass wir in einer Panikreaktion heute die gesamte normale Geschäftstätigkeit des Kantons lahmlegen. Im Namen der SP-JUSO-PSA-Fraktion bitte ich Sie, den Rückweisungsantrag abzulehnen. Den Anträgen der Finanzkommission stimmt die SP zu, doch bitte ich Sie, diesbezüglich gut aufzupassen bei der Stellungnahme der Regierung. Hans-Jörg Pfister, Zweisimmen (FDP). Die FDP-Fraktion lehnt den Rückweisungsantrag SVP und BDP ab. Wir wollen, dass die Uni sich zukunftsgerichtet entwickeln kann. Die beiden Liegenschaften eröffnen ihr die Möglichkeit dazu. Auch wir und ich persönlich sind erstaunt über die Entwicklung der Studentenzahlen. Das lässt sich aber nicht regeln, indem wir der Uni die Infrastruktur verwehren, sondern wir müssen dazu andere Massnahmen einsetzen. Vielleicht müsste sogar bei den Eltern ein Umdenken stattfinden und sich darin auswirken, ihren Kindern nicht nur das Studium, sondern auch einen handwerklichen Beruf zu empfehlen. Auch ein handwerklicher Beruf kann eine Chance sein im Leben. Das Angebot der SBB im Multipaket ist für den Kanton sicher eine Chance, die nicht so schnell wieder eintreffen wird. Bei der Besichtigung erlaubte ich mir, auch Kritik anzubringen, verkauft man doch Schlösser und Tanzhäuser im Kanton Bern, weil sie aus Sandstein bestehen und der hohen Unterhaltskosten wegen, kauft aber hier gleich zwei andere aus dem gleichen Baumaterial. Das als Nebenbemerkung. Will man nur eine Liegenschaft kaufen, sieht die FDP das Problem darin, dass man neue Verhandlungen aufnehmen muss. Dann wird man vielleicht erstaunt sein, wie viel die Liegenschaft Hochschulstrasse 6 kosten sollte, falls die SBB darauf überhaupt eintreten. Mit Sicherheit wird die eine Liegenschaft bedeutend teurer sein als jetzt im Multipaket. Die FDP möchte nach dem Kauf beider Liegenschaften den Finger auf eine massvolle Sanierung und zurückhaltende Investitionstätigkeit legen. Darum unterstützt sie sämtliche Anträge der Finanzkommission. Wir empfehlen Ihnen, diesem Geschäft zuzustimmen. Jakob Etter, Treiten (BDP). Ich brachte meine Argumente bereits in der Eintretensdebatte vor und möchte nur noch die Haltung der BDP bekannt geben. Wir unterstützen den Rückweisungsantrag grossmehrheitlich. Sollte er nicht angenommen werden, stellt sich die BDP einstimmig hinter die Anträge der Finanzkommission. Mathias Tromp, Bern (BDP). Hans-Jörg Rhyns Votum veranlasst mich zu einer Stellungnahme. Ich halte fest, dass wir zwei Gebäude kaufen für eine Investitionssumme zwischen 61 bis 63 Mio. Franken. Dieser de-jure-antrag liegt uns vor. De facto entscheiden wir auch über die Renovation. Das Gesamtvolumen liegt je nachdem, ob sie am Schluss plus/minus 25 Prozent ausmacht irgendwo zwischen 100 und 150 Mio. Franken. Der Regierungsrat spricht von total 137 Mio. Franken, während man gemäss Antrag der Finanzkommission ungefähr auf 110 Mio. Franken kommt. Das nur zu den Grössenordnungen. Dann ist es doch noch legitim,

100 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 541 dass dieser Grosse Rat in seiner Kompetenz sich die Frage stellt, ob er das will oder nicht. Dein Votum entsprach genau dem Verhalten des SBB-Vertreters bei der Besichtigung; er setzte uns nämlich quasi das Messer an den Hals. Genau das passte mir nicht. Dieser Grosse Rat hat seine Freiheit, sonst ist er unnötig. Dann hätte die Regierung entschieden. Sie verhandelte drei Jahre lang, das ist richtig. Ich sage nicht einmal, sie habe es schlecht gemacht, sondern ich gehe davon aus, dass sie gut verhandelte, ihr Bestes gab. Aber wir als Grosser Rat das störte mich vorhin haben immer noch die Freiheit zu sagen, ob wir es wollen, nicht wollen oder allenfalls abgeändert wollen. Wir sollten uns eben gerade nicht das Messer an den Hals setzen lassen, sondern wir sollten frei sein in unserem Entscheid. Ich weiss, und das möchte ich ausdrücklich gesagt haben, dass diejenigen, welche die Rückweisung befürworten, tatsächlich einen Risikofaktor darstellen. Wer zurückweist, geht ein gewisses Risiko ein, dass er am Schluss gar nichts in den Händen hat. Das ist es, was wir dem Grossen Rat zu bedenken geben müssen; bisher sagte es noch niemand. Lehnen wir ab, besteht das grosse Risiko, dass wir am Ende gar nichts oder die Hochschulstrasse 6 um einiges teurer als zum jetzigen Preis haben werden. Stimmen wir zu, haben wir beide Gebäude. Das ist der Wahnsinn, dass wir heute de facto über eine derart hohe Summe in der Grössenordnung von zwischen 110 und 137 Mio. Franken zu beschliessen haben. Klar werden wir diesem Kredit formell noch zustimmen müssen. Irgendwo steht sogar, er sei teilweise gebunden. Ich wollte hier sagen, dass wir uns einerseits der Freiheit des Grossen Rats bewusst sein müssen, ich andererseits aber nicht leugne, dass wir ein Risiko eingehen, wenn wir das Geschäft zurückweisen. Ich danke Ihnen und rede jetzt bewusst nicht inhaltlich zum Geschäft. Bethli Küng-Marmet, Saanen (SVP). Bis jetzt hatte ich stets das Gefühl, nur reiche Gstaader Gäste könnten es sich leisten, für 30 Mio. Franken ein Haus zu kaufen und es danach noch für 60 Mio. Franken zu sanieren. Aber anscheinend ist der Kanton Bern auch so reich und will ebenfalls einen solchen Kauf eingehen. Hier vorne spricht man von einer Winwin-Situation Kanton Bern / SBB, schauen wir aber hinter die Fassade, sehen wir ganz klar, dass es eine Win-win-Situation einzig für die SBB ist. (Heiterkeit) Könnten wir das Haus an der Mittelstrasse zumindest abreissen und unseren Vorstellungen entsprechend für 60 Mio. Franken wieder aufbauen, ginge das noch an. Dann würde es der Uni nämlich dienen; sie könnte es nach ihren Bedürfnissen wieder aufbauen. Aber das Gebäude steht unter Denkmalschutz, was verbietet, es abzureissen! Als Herr Direktor Würgler uns vorstellte, dass die Uni diese Gebäude brauche, sprach er eigentlich nur von der Hochschulstrasse 6. Sie wissen ja noch gar nicht genau, wie sie das realisieren können. Bedenken sie also: Reiche Gstaader Gäste können das, ob aber der Kanton Bern es sich leisten kann, nachher noch das Doppelte dessen, was er für ein Gebäude bezahlt hat, für die Renovation einzusetzen, ist zumindest fragwürdig, wenn nicht absolut widersinnig. Die freisinnige Fraktion hat im Grossen Rat eine Spezialsession für die Finanzen einberufen. Sie sollte diese Finanzen vielleicht auch einmal bedenken. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ganz, ganz kurz, Bethli: Wir wollten tatsächlich eine Finanzdebatte, in der möglichst viele Geschäfte zurückgewiesen würden, um keine faits accomplis zu schaffen. Das wurde knapp abgelehnt. Jetzt gehen wir davon aus, dass dieses Parlament die Strategie der Finanzkommission verfolgt, die sagt, sie habe die Geschäfte geprüft. Bei den einzelnen Geschäften schätze ich es gar nicht, wenn die Finanzkommission übersteuert. Das schätze ich gar nicht. Dann spielen wir nicht Oberverkäufer und nicht Oberarchitekt. Hans-Jörg Rhyn, Zollikofen (SP). Ich bin froh, hat Kollege Tromp darauf hingewiesen, dass die Rückweisung Risiken beinhaltet. Man muss sich bewusst sein, dass ein Neubau im Wankdorf nur Sinn hat, wenn man die Leute aus beiden Gebäuden dort konzentrieren kann. Kann man das nicht und muss man eines der Gebäude behalten, stellt sich die Situation anders dar und muss genau analysiert werden. Was das heisst, kannst du dir sehr gut vorstellen. Bernhard Antener, Langnau (SP), Sprecher der Finanzkommission. Auch nur noch kurz: Ich danke meinen Vorrednern Martin Friedli und Ruedi Löffel für ihre Ausführungen. Insbesondere sind zwei Aspekte wichtig. Die dreizehn Gebäude, diese Mieten, können wir nur eliminieren, wenn wir von den SBB beide Gebäude kaufen, sonst gelingt das nicht. Das wurde richtig dargelegt. Zweitens: Kaufen wir beide Gebäude, können wir genügend Raum schaffen zu einem vernünftigen Preis. Wollen wir nur eines kaufen, wissen wir nicht, wie es ausgeht, und, sollte es gelingen, ganz sicher zu einem zu hohen Preis. Die Möglichkeit, dass die SBB nicht darauf einsteigen, ist gross; das habe ich bereits gesagt. Herr Tromp verlangte im Ausschuss, dass wir die Möglichkeit mit nur einem Gebäude abklären. Auf seinen Antrag hin liessen wir den SBB nochmals schreiben, und die SBB bestätigten an einer Verwaltungsratssitzung vom 5. April, nach den Ausschusssitzungen, dass sie am Verkauf im Paket festhalten. Dies nur zu Ihrer Kenntnisnahme. Wie gesagt wurde, ist die Möglichkeit relativ gross, dass die SBB am Verkauf im Paket festhalten und wir letztlich nichts haben. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Sie entscheiden über den Kauf zweier Verwaltungsliegenschaften der SBB im Länggassquartier in Bern. Das ist ein wichtiges und sehr anspruchsvolles Geschäft. Es forderte die Kantonsverwaltung, weil bis zum Verkaufsentscheid des Verwaltungsrats der SBB hoch effiziente und streng vertrauliche Vorbereitungen und harte Verhandlungen nötig waren. Es forderte auch den Regierungsrat und fordert heute ebenfalls Sie, weil es um sehr viel Geld geht. Mit dem Kauf hängen weitere Entscheidungen eng zusammen, und zwar vor allem die beantragte Äufnung des Investitionsspitzenfonds und die Realisierung des Verwaltungsneubaus der SBB am Standort WankdorfCity in Bern. Das Wichtigste vorweg: Es kommt selten vor, dass Angebot und Nachfrage örtlich und zeitlich so gut zusammenpassen wie bei diesem Kaufangebot. Die beiden Verwaltungsgebäude stehen mitten im Länggassquartier, also mitten in unserem Universitätsquartier, somit genau dort, wo die Universität Bern heute und in Zukunft sehr dringend Raum braucht. Mit dem Kauf des ehemaligen Fabrikareals der Firma Chocolat Tobler entschied man sich in den Achtzigerjahren für eine Stadt-Universität im Länggassquartier und gegen eine Campus-Lösung am Stadtrand. Seitdem richtete man die räumliche Entwicklung der Uni danach aus und konkretisierte sie entsprechend bei der Strategie Die Uni Bern und die pädagogische Hochschule sollen sich auf die vier Schwerpunkte rund um die Uni konzentrieren, wie wir es im Vortrag zum Geschäft erläuterten. Die praktische Umsetzung dieser Strategie ist allerdings nicht so einfach, wie es jetzt klingt, und für Neubauten gibt es im Länggassquartier nur noch ganz wenige Möglichkeiten; grössere Mietliegenschaften sind kaum auf dem Markt. Deshalb ist das Kaufangebot für die beiden SBB-Verwaltungsliegenschaften hoch willkommen, da sie universitätsstrategisch genau richtig liegen. Weil sie sehr

101 Juni 2011 Abend Bau, Verkehr und Energie gross sind, kommt der Kauf einem regelrechten Befreiungsschlag aus der Raumnot der Universität gleich. Endlich können wir Ordnung bringen in den heutigen ineffizienten und teuren Uni-Wirrwarr mit den vielen kleinen, verstreuten Standorten. Der Weg bis zur Unterzeichnung des Kaufvertrags im Dezember 2010 war lang. Im Frühling 2008 boten die SBB dem Kanton die beiden Liegenschaften zum Kauf an, weil sie eine Zentralisierung ihrer Verwaltung aus dem Raum Bern in einem Neubau im Wankdorf planen. Das Angebot war exklusiv an den Kanton gerichtet, und die SBB verlangten eine streng vertrauliche Vorbereitung des Kaufgeschäfts. Die beiden Liegenschaften wurden im Paket und nur so angeboten. Das ist nichts Neues, sondern war von Anfang an stets Bedingung. Wie wir vernahmen, geht es um zwei historische Gebäude aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Unsere Fachleute prüften das Kaufangebot in mehreren Schritten sehr sorgfältig und gründlich. Wir führten die Verhandlungen mit den SBB mit klaren und fundierten Vorstellungen, was die Gebäude von ihrem Zustand und ihrer Lage her kosten dürfen. Wichtig ist auch, dass der Kanton und die SBB je eine unabhängige Verkehrswertschätzung beauftragten. Beide Schätzungen wurden offengelegt und wichen nur rund 4,5 Prozent voneinander ab. Trotzdem konnten wir nach harten und auch hartnäckigen Verhandlungen schliesslich einen Kaufpreis aushandeln, der 12 Prozent unter der Verkehrswertschätzung der SBB liegt. Wie gesagt, stand von Beginn an die Uni Bern als Nutzerin der beiden Gebäude im Vordergrund. Zusammen mit der Uni entwickelte ein Expertenteam aus Architekten, Bau- und Haustechnikingenieuren in einer Machbarkeitsstudie das Nutzungsszenario, das wir Ihnen im Vortrag vorstellten. Die historischen Gebäude sind weder für hochtechnologische Einrichtungen noch für grosse Hörsäle geeignet. Solche Umbauten kämen viel zu teuer zu stehen. Mit möglichst wenigen baulichen Eingriffen können wir sie aber sehr gut anderweitig universitär nutzen. Es ist nicht so, wie vorhin gesagt wurde, dass wir nur bezüglich des einen Gebäudes wissen, wie wir es nutzen wollen, sondern bezüglich beider Gebäude. Konkret sehen die geplanten Nutzungsszenarien vor, die gesamte Verwaltung der Uni an der Hochschulstrasse 6 zu zentralisieren. Im Hauptgebäude der Uni werden so wertvolle Flächen zum Beispiel für Hörsäle frei, und wir können an der Gesellschaftsstrasse 2 und 6 das ist auch in der Länggasse und an der Sidlerstrasse ebenfalls in der Länggasse dringend benötigten Platz für die exakten Wissenschaften freimachen. Das Gebäude an der Hochschulstrasse 6 ist in gutem Zustand. Grosse bauliche Veränderungen sind nicht nötig. Vorgesehen sind lediglich Sanierungsmassnahmen, nicht aber Massnahmen für die Energieeffizienz oder die Erdbebensicherung. An der Mittelstrasse 43 sollen Institute der Geistes-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften konzentriert werden. So können wir Synergien nutzen, beispielsweise mit einer gemeinsamen Bibliothek. Für kurzfristige Platzbedürfnisse, wie sie für Forschungsprojekte aus Drittmitteln entstehen, können wir Reserveflächen bereithalten. Etwa die Hälfte der Fläche wollen wir für die geplante Standortkonzentration einsetzen. Dadurch können rund dreizehn Mietverträge gekündigt und eine Liegenschaft verkauft werden. Das Gebäude an der Mittelstrasse 43 ist in einem Alter, das eine grössere Sanierung erfordert. Das hätten auch die SBB in den nächsten zehn Jahren machen müssen. Vor allem die Haustechnik muss erneuert werden, und die Tragwerkstruktur ist nicht erdbebensicher. Warum soll der Kanton Bern noch mehr historische Gebäude kaufen, wurde vorhin hier gefragt. Ist der Aufwand nicht zu gross, und wäre es nicht vorteilhafter, einen Neubau oder mehrere Neubauten zu erstellen? Diese Frage ist absolut berechtigt. Neubauten das kann ich gleich vorwegnehmen wären nicht kostengünstiger. Sie können zwar besser genau auf die heutigen Bedürfnisse ausgerichtet werden, aber im Länggassquartier können wir innert nützlicher Frist nirgends eine oder mehrere Neubauten dieser Grösse erstellen. Die einzigen Möglichkeiten bestehen in einer zweiten Bauetappe des von Roll-Areals oder einer baulichen Verdichtung beim Bühlplatz, das heisst auf dem Muesmatt-Areal. Beide Optionen das scheint wichtig zu sein setzen risikoreiche und langwierige Umzonungsverfahren voraus. Im Übrigen ist der Regierungsrat klar der Meinung, dass wir unsere raren Landreserven im Uni-Perimeter für Neubauten im Bereich der Naturwissenschaften mit deren hohen technischen Anforderungen brauchen und nicht für Bürobauten. Ich fasse zusammen: Erstens brauchen wir beide Liegenschaften für die Universität, zweitens haben wir einen guten Kaufpreis ausgehandelt, drittens haben wir ein Nutzungskonzept mit möglichst wenigen baulichen Eingriffen, viertens ist es ein einmaliges Angebot, das wir nicht jetzt und auch später nicht nochmals bekommen werden, und fünftens wären eine oder mehrere Neubauten weder finanziell noch zeitlich noch von den möglichen Standorten her eine Alternative. Ich bitte Sie, die Rückweisungsanträge abzulehnen. Präsident. Ich gebe nochmals Herrn Freiburghaus, Antragsteller der SVP, das Wort. Fritz Freiburghaus, Rosshäusern (SVP). Ich möchte doch noch rasch zwei, drei Sachen sagen. Blaise Kropf, zum Vorwurf, wir würden den SBB willkürlich Steine in den Weg legen: Primär haben wir natürlich für den Kanton Bern zu sorgen und nicht für die SBB. Das möchte ich klargestellt haben. Eine entsprechende Antwort erteilte ja auch Matthias Tromp Hans-Jörg Rhyn. Der Grosse Rat muss noch die Freiheit haben, sich bei solchen Geschäften frei zu entscheiden. Ruedi Löffel, ich nehme zur Kenntnis, dass du meine Rechenkünste nicht sehr hoch einschätzt, gehe aber davon aus, dass ein Grossrat etwas weiter blicken und die Gesamtkosten im Auge behalten, die ganze Rechnung und nicht nur gerade den Kaufpreis einbeziehen muss. Der Kaufpreis allein macht mir tatsächlich keine grossen Sorgen. Die Baudirektorin sagte, wir bräuchten beide Liegenschaften dringend. Von der Universität her bin ich dessen nicht so sicher. Ich fürchte auch nicht, dass, falls wir nur eine Liegenschaft kaufen wollten, unvermittelt andere Käufer auf den Plan träten. Das ist nur schon aufgrund der Zone nicht so gefährlich. Weiter störte mich auch die Reservationsgebühr von Franken. Eigentlich ist nicht üblich. Präsident. Wir sind am Ende unserer Debatte zur Rückweisung. Weil ich weiss, dass man nach der Abstimmung kaum noch zuhört, möchte ich noch zwei Sachen sagen. Erstens danke ich der Kommission für die Initiative «Bern erneuerbar» und ihrem Präsidenten für ihre Arbeit. Das hatte ich am Schluss der vorangehenden Debatte vergessen zu sagen. Zweitens bin ich Ihnen dankbar, dass Sie Verständnis hatten für die Spielregeln. Sie erfuhren an meiner Feier, dass ich mit dem Eishockey stark verbunden bin und halt von der Nettospielzeit der zwei Stunden ausging, die wir nun gerade ungefähr gebraucht haben. Dadurch erspare ich Ihnen eine Abstimmung morgen früh fünf nach neun. Wie lange die Behandlung der Geschäfte der Finanzkommission noch dauern werden, ist jetzt nicht absehbar. Jetzt stimmen wir nur ab über die Rückweisung des Geschäfts an den Regierungsrat mit den Auflagen, wie sie für die SVP und BDP von den Herren Freiburghaus und Etter vorgestellt wurden. Über die anderen Anträge der Finanzkommission werden wir morgen

102 Bau, Verkehr und Energie 8. Juni 2011 Abend 543 befinden und abstimmen. Dazu wird vorgängig noch der Vertreter der Finanzkommission reden. Abstimmung Geschäft Für den Antrag SVP / BDP (Rückweisung mit Auflagen) Dagegen 55 Stimmen 88 Stimmen 2 Enthaltungen Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorin: Rosmarie Wiedmer-Pfund

103 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 543 Bitte umblättern!

104 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Sechste Sitzung Donnerstag 9. Juni 2011, 9.00 Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident. Präsenz: Anwesend sind 147 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Francis Daetwyler, Peter Flück, Thomas Fuchs, Jan Gnägi, Irma Hirschi, Natalie Imboden, Josef Jenni, Vania Kohli, Ueli Lehmann, Silvia Lüthi, Irène Marti Anliker, Corrado Pardini, Corinne Schmidhauser. Geschäft Bern, Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43: Kauf von zwei Verwaltungsliegenschaften für die Universität Bern; Mehrjähriger Verpflichtungskredit Beilage Nr. 13, RRB 0100/2011 Fortsetzung Präsident. Bevor wir mit den Beratungen fortfahren, habe ich die Ehre jemandem zu gratulieren, der heute seinen Geburtstag feiert. Gerne bringe ich an dieser Stelle ein Zitat von Albert Schweizer an: «Unter Glück verstehe ich nicht alleine Besitz und glückliche äussere Lebensumstände, sondern auch Gesundheit, Leistungsfähigkeit, glückliche Gemütsveranlagung; ich verstehe darunter sogar einen gesunden Schlaf.» Ich hoffe, Sie haben alle gut geschlafen. Herr Pfister, ganz herzliche Gratulation zum Geburtstag. (Applaus). Nun werden wir über die drei Anträge der FIKO beraten. Der Sprecher der Finanzkommission hat das Wort. Bernhard Antener, Langnau (SP), Sprecher der Finanzkommission. In Anbetracht der gestrigen eingehenden Rückweisungsdebatte brauche ich das vorliegende Kreditgeschäft nun nicht mehr näher zu erläutern. Bezüglich der drei Anträge der Finanzkommission handelt es sich nicht nur um Sistierungen oder Weichenstellungen. Vielmehr geht es um grundsätzliche Fragen: In wieweit soll, darf, kann oder muss eine Finanzkommission auf ein solches Geschäft Einfluss nehmen? Antrag 1 der FIKO sieht vor, den Regierungsrat mit Nachverhandlungen mit der SBB zu beauftragen, um eine Kürzung des Kaufpreises von 2,3 Mio. Franken zu erreichen. Die Kürzung wurde aufgrund des errechenbaren Landwertes festgelegt. Der Verkehrswertschätzung konnten wir einen theoretischen Landwert entnehmen, der nach Verlust an Nutzungspotential festgelegt wurde. Aufgrund der Verhandlungen mit der SBB das hat gestern die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin erläutert hat nochmals eine Kürzung stattgefunden. Auf den bereits reduzierten Werten von 1675 Franken pro Quadratmeter haben wir eine weitere Kürzung von 10 Prozent vorgenommen. Das Ergebnis ergibt dann den neu reduzierten Gesamtbetrag. An den Gebäudewerten haben wir nichts verändert. Die FIKO ist überzeugt davon, dass die SBB einwilligen wird, wenn der Grosse Rat die beiden Gebäude auch wirklich kaufen wird. Antrag 2 sieht eine Entflechtung mit der Äufnung des Investitionsspitzenfonds vor. Das Kreditgeschäft hat eine grosse strategische Bedeutung; das zeigte die gestrige Diskussion. Diesbezüglich wird der Präsident der Finanzkommission im Zusammenhang mit den Geschäften der Finanzdirektion Stellung nehmen. Die FIKO setzt sich für eine Äufnung des Investitionsspitzenfonds ein. Das ist jedoch in den Behandlungen der Finanzdirektion traktandiert. Antrag 3 beinhaltet einen neuen Ansatz, denn die Sanierung steht noch gar nicht zur Diskussion. Die Frage ist nun: Zu welchem Zeitpunkt soll und darf der Grosse Rat Einfluss nehmen? Wenn der Projektierungskredit für die Sanierung vorgelegt wird, ist es bereits zu spät, um Einfluss zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt steht der Kostenrahmen bereits fest und eine Steuerung ist kaum möglich. Aus einer konkreten Vorlage einen Betrag zu streichen ist äusserst unseriös. Eine Einflussnahme muss daher früher möglich sein. Bezüglich der Problematik des Gymnasiums Biel wählte die FIKO den Ansatz, wonach die Sanierung und ein Neubau in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen müssen. Wenn das Verhältnis schlechter wird, muss auf die Sanierung verzichtet werden. Die Probleme diesbezüglich liegen jedoch darin, dass die geschätzten Kosten der Sanierung sowie eines Neubaus bis anhin parallel zueinander anstiegen. Die Vorgaben gemäss Antrag 3 müssen zu einem früheren Zeitpunkt an den Regierungsrat und die Verwaltung gelangen. Das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) hat für die Sanierung eine Kostenschätzung vorgenommen, die sie mit einer Genauigkeit von plus/minus 25 Prozent auf 54 Mio. Franken errechnet hat. Dem Kostenrahmen wurden diese 25 Prozent und zusätzlich 8 Prozent für die BVE- und AGG- Reserven dazugerechnet. Das ergibt eine Summe von 73 Mio. Franken. Die FIKO hat nun ein Kostendach von maximal 54 Mio. Franken beschlossen. Damit muss der Regierungsrat beziehungsweise die Verwaltung auskommen, wenn sie uns den Projektierungskredit und in einer zweiten Phase den Ausführungskredit vorlegen. Selbstverständlich wird die Bauteuerung aufgerechnet. Die drei Anträge der FIKO sind mit folgendem Stimmenverhältnis angenommen worden: Antrag 1 mit 15 zu 2 Stimmen, Antrag 2 mit 16 zu 1 Stimme und Antrag 3 mit 14 zu 2 Stimmen. Ich bitte Sie, die Anträge der FIKO zu unterstützen. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Bereits gestern während der Rückweisungsdebatte habe ich erwähnt, dass aus Sicht der EVP-Fraktion der Raumbedarf für die Universität nachgewiesen ist. Die Möglichkeit an diesem Standort zwei solche Liegenschaften zu übernehmen ist ein Glücksfall. Die EVP-Fraktion unterstützt alle Anträge der Finanzkommission: Die Kürzung von 2,3 Mio. Franken muss möglich sein, die EVP-Fraktion ist zuversichtlich, dass das gelingt. Die Entflechtung des Geschäfts mit der Speisung des Investitionsspitzenfonds ist richtig. Äusserst wichtig ist der EVP-Fraktion Antrag 3. Die 54 Mio. Franken sollten die absolute Obergrenze für die Sanierung dieser Gebäude sein. Beim Gebäude an der Hochschulstrasse muss baulich nicht viel gemacht werden und die Universität könnte gleich einziehen. Wenn das Geld trotzdem nicht reichen sollte, muss im allerschlimmsten Fall das Gebäude an der Mittelstrasse etwas zurückgestellt werden und so als Reserve dienen. Die EVP-Fraktion erwartet von der BVE, dass der allfällig angenommene Antrag 3 respektiert wird. Fritz Freiburghaus, Rosshäusern (SVP). Die SVP-Fraktion unterstützt die drei Anträge der Finanzkommission. Beim Antrag drei beginnt das Problem. Ich kann Herrn Löffel nicht beipflichten, dass im Falle von fehlenden Geldern das Gebäude an der Mittelstrasse als Reserve dienen soll. Wenn schon ein solches Gebäude gekauft wird, sollte es auch entsprechend genutzt werden können. Aus diesem Grund ergab sich auch unser Rückweisungsantrag. Ich hoffe einfach, dass man dann nicht über die Umwege gebundener Ausgaben die Sanierungskosten neben dem Kredit durchschleust. Die SVP- Fraktion wird die Anträge der Finanzkommission ganz klar unterstützen.

105 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 545 Hans-Jörg Pfister, Zweisimmen (FDP). Die FDP-Fraktion unterstützt die Anträge der Finanzkommission ebenfalls; den Antrag 1 allerdings ohne Begeisterung. Einstimmig unterstützt sie dagegen den Antrag 3. Leitplanken müssen gesetzt werden, damit diese schon in der Planung zur Sanierung als Vorgabe dienen. In Bezug auf gestrige Äusserungen möchte ich etwas klarstellen: Die Kündigungen der Mietliegenschaften wirken sich finanziell nicht positiv auf den Kanton aus. Wohl würden die Mietzinsen wegfallen, aber es wäre ein Trugschluss zu denken, sie müssten aufgrund des Kaufes der Liegenschaften mit Steuergeldern nicht mehr gerechnet werden. Wenn eine Vollkostenrechnung gemacht würde, was das Plenum einführen wollte, zeigt sich dann eben die Kostenwahrheit. Wenn immer eine Vollkostenrechnung gemacht werden muss, bin ich davon überzeugt, dass die einzelnen Ämter, Direktionen und zuständigen Leute der Liegenschaften anders damit und auch zurückhaltender mit dem Raumbedarf umgehen würden. Ich bitte Sie, den drei Anträgen der FIKO zuzustimmen. Martin Friedli, Sumiswald (EDU). Gestern wurde bereits ausführlich über das Kreditgeschäft diskutiert. Ich möchte lediglich noch zum heute Gesagten kurz Stellung nehmen. Es ist nicht richtig, trotz eines Sanierungsbetrags von 54 Mio. Franken die anschliessende Nutzung des Gebäudes in Frage zu stellen. Auch der Nutzer sollte sich äussern dürfen darauf habe ich gestern bereits hingewiesen. Die Erziehungsdirektion muss bereit sein, in Zusammenarbeit mit der BVE ein Konzept zu erarbeiten, wonach die Kosten eingehalten werden. Wenn das nicht möglich sein kann, stellt sich die Stellung der Finanzkommission in Frage. Es gibt immer Argumente, um es noch besser zu machen und den Standard noch höher zu stecken. Allerdings müssen Argumente gefunden werden, um die Maximalkosten einzuhalten. Bezüglich des Einwands betreffend die Mietzinse gebe ich Herrn Pfister Recht. Dennoch zahlen wir beim Kauf der Gebäude die Kosten wenigstens für etwas Eigenes. Wie der Kanton damit umgeht, ist für mich im Gesamtkonsens wichtig. Nach wie vor erachtet die EDU-Fraktion die Kürzung von 2,3 Mio. Franken absolut als einen gangbaren Weg. Ausserdem wird die SBB sicherlich nicht ausgenützt, denn die Kürzung wurde aufgrund des errechenbaren Landwertes festgelegt; dazu können wir stehen. Grundsätzlich stört mich an diesem Kreditgeschäft die Tatsache, dass es bereits notariell verschrieben war, bevor es der Finanzkommission vorgelegt wurde; das ist nicht korrekt. Ebenfalls stört mich die viel zu hohe Reservationsgebühr; das sollte in Zukunft nicht mehr vorkommen. Die EDU- Fraktion steht hinter den drei Anträgen der FIKO und bittet den Grossen Rat, diesen zu folgen. Hans-Jörg Rhyn, Zollikofen (SP). Grossmehrheitlich unterstützt die SP-JUSO-PSA-Fraktion die drei Anträge der Finanzkommission. Heute wurde gesagt, dass versucht wird, eine Art Skonto auf den festgelegten Verkaufspreis auszuhandeln. In Bezug auf das Gebäude an der Mittelstrasse 43 steht fest, dass es genutzt werden kann. Es muss nicht als Reserve leer stehen. Bereits zweimal wurde es renoviert und ist somit für die reine Büronutzung durchaus brauchbar. Eine mittelfristige Anpassung der gesamten Haustechnik ist allerdings unumstritten. Mathias Tromp, Bern (BDP). Nach der gestrigen Ablehnung der Rückweisung, möchte ich an dieser Stelle meine Meinung Kund tun. Für mich ist wichtig: Durch dieses Kreditgeschäft wird der Standort der Universität in der Länggasse bestätigt. Diesbezüglich wünsche ich mir, dass künftig alle staatlichen Gebäude zwischen dem Rossfeld und dem von Roll Areal auch der Universität zur Verfügung gestellt werden. Es hat immer noch andere staatliche Institutionen in der Länggasse. Es muss früher oder später darüber diskutiert werden, wie diese zu entfernen sind. Der heutige Entscheid ist nach «Unitobler» und der «Schanze» die letzte grosse Bestätigung bezüglich des Standortes der Universität. Die Universität gehört in die Länggasse und soll dort bleiben. Den von der FIKO vorgeschlagenen Betrag von 54 Mio. Franken begrüsse ich sehr. Betreffend den Nutzen möchte ich Herrn Friedli unterstützen. Der Direktor selbst erklärte, dass beim Gebäude an der Hochschulstrasse 6 lediglich Sanierungsmassnahmen im Malerbereich anstehen. Deshalb bitte ich ausdrücklich darum, einen vernünftigen Rahmen der Sanierung zu finden, um die 54 Mio. Franken einzuhalten. Diesbezüglich steht die BDP-Fraktion einstimmig hinter mir. In diesem Sinne bitte ich Sie, dem Antrag der Finanzkommission vollumfänglich zuzustimmen. Präsident. Herr Antener verzichtet auf eine weitere Stellungnahme. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Ich komme gleich zu den Anträgen der FIKO und möchte dazu Folgendes sagen: Mir ist sehr wohl bewusst, dass diese wahrscheinlich grossmehrheitlich angenommen werden. Dennoch möchte ich kurz aufzeigen, warum die Regierung die Anträge 1 und 3 ablehnt. Der Kaufkredit sei um 2,3 Mio. Franken zu kürzen, was 10 Prozent des Landwertes entspricht. Das fordert der erste Antrag, und wir haben auch bereits die entsprechende Begründung gehört. Der ausgehandelte Kaufpreis, den wir Ihnen beantragen, liegt um mehr als 12 Prozent tiefer als die Verkehrswertschatzung der SBB und ist das Ergebnis harter und eigentlich auch sehr erfolgreicher Verhandlungen; das ja hier im Rat auch von niemandem bestritten. Es ist die Aufgabe der Verwaltung, diese Verhandlungen zu führen. Am Ende einigten sich die Partner auf einen Kaufpreis. Das ist nicht anders, als wenn eine Privatperson ein Haus kauft. Das vorliegende Geschäft ist kein Kreditgeschäft, das noch ausgeführt werden muss und für das wir einen Kredit beantragen, bei dem es in der Kompetenz des Grossen Rats liegt, zu entscheiden, ob der Kredit zu tief oder zu hoch ist. Vielmehr handelt es sich um ein Kaufgeschäft, für welches es das Einverständnis von zwei Parteien braucht. Man kann ja nur etwas kaufen, wenn beide mit dem Kaufpreis einverstanden sind. Wenn der Antrag der FIKO angenommen wird, hat die eine Partei der Kanton geäussert, was sie will. Ich möchte hier jedoch festhalten, dass ich die Einwilligung der SBB nicht garantieren kann. Selbstverständlich wird der Regierungsrat alles dafür tun, und selbstverständlich wissen die SBB auch, was hier im Rat besprochen wurde, aber ich kann ihnen deren Einwilligung nicht garantieren. Zudem möchte ich Ihnen mitgeben, dass es dadurch bei allfälligen weiteren Geschäften für den Kanton nicht unbedingt einfacher werden wird, glaubwürdige Verhandlungen zu führen. Zum zweiten Antrag, wonach der Kauf nicht an die Bedingung zu knüpfen sei, dass der Investitionsspitzenfonds aus den Überschüssen der Rechnung 2010 aufgestockt wird. Die Präsidentenkonferenz hat entschieden, dass der Grosse Rat erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Fondsäufnung entscheiden wird. Das respektiere ich natürlich. Ich bitte Sie aber, dieser Fondsäufnung dann zuzustimmen, und folgendes zu bedenken: Wenn die Fondsäufnung nicht beschlossen wird, ist die Finanzierung dieses Kaufes nicht gesichert. Sie kennen mittlerweile alle die finanzielle Situation des Kantons, und es ist bei einem Staat nicht anders als bei privaten Bürgerinnen und Bürgern: Man kann nicht Ja sagen zum Kauf eines Hauses und anschliessend Nein zu dessen Finanzierung. Zum dritten Antrag: Die Kosten der Gesamtsanierung

106 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie seien schon jetzt mit dem Kaufkreditbeschluss bei maximal 54 Mio. Franken zu plafonieren. Grundsätzlich kann dieser Antrag gestellt und auch so überwiesen werden. Wir haben diesen Antrag juristisch durch die Staatskanzlei unter die Lupe nehmen lassen. Dort wurde ohne Wenn und Aber festgestellt, dass dieser Antrag keine bindende Wirkung haben kann, weil er sich nicht auf ein Kaufgeschäft, sondern auf ein künftiges Kreditgeschäft bezieht, das im Moment gar nicht zur Debatte steht. Ich schlage Ihnen vor, erst dann à fond über die Höhe der Sanierungskosten zu sprechen, wenn die konkreten Anträge vorliegen. Es ist Aufgabe der Verwaltung und der Regierung, aus fachlicher Sicht mit bestem Wissen und Gewissen, einen umfassenden und ausreichenden Kredit zu beantragen. Wie hoch dieser Kredit genau sein wird, kann heute noch niemand sagen kann. Wenn wir das nicht tun würden, würden wir unsere Sorgfaltspflicht verletzen und müssten schlimmstenfalls später mit Zusatzkrediten an Sie gelangen; das wollen Sie nicht und ich erst recht nicht. Selbstverständlich ist es Ihr Recht, den entsprechenden Kredit, den wir Ihnen dann beantragen werden, aufgrund Ihrer politischen Einschätzung zu gegebener Zeit zu kürzen. So sind die Zuständigkeiten und Verfahren geregelt, wie wir alle sie bisher entsprechend angewendet haben. Ich bitte Sie deshalb, die Anträge abzulehnen und dem Kreditgeschäft so zuzustimmen, wie es die Regierung beantragt. Die Universität Bern hat einen gesetzlichen Leistungsauftrag, und um diesen zu erfüllen, benötigt sie Platz. Mit der Universitätsgesetzgebung haben wir uns für einen Ausbau der Universität entschieden, den wir nun auch räumlich umsetzen müssen. Ich bitte Sie daher, dem Kauf der beiden Liegenschaften zuzustimmen. Präsident. Nun werden wir über einzeln auszuhandeln die drei Anträge abstimmen und im Anschluss daran die Schlussabstimmung durchführen. Das Geschäft unterliegt dem fakultativen Referendum. Abstimmung Geschäft Für den Antrag 1 FIKO Dagegen Abstimmung Geschäft Für den Antrag 2 FIKO Dagegen Abstimmung Geschäft Für den Antrag 3 FIKO Dagegen Schlussabstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 129 Stimmen 5 Stimmen 1 Enthaltung 132 Stimmen 1 Stimmen 0 Enthaltungen 116 Stimmen 18 Stimmen 3 Enthaltungen 98 Stimmen 31 Stimmen 7 Enthaltungen Geschäft Roggwil Kantonsstrasse H1: Bern Zürich: Radverbindung Kaltenherberge Roggwil Beilage Nr. 13, RRB 0354/2011 Präsident. Wird das Kreditgeschäft bestritten? Nein, das ist nicht der Fall. Somit stimmen wir darüber ab. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 133 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft Hagneck Grundbuchblatt Nr. 115, Hauptstrasse 26; Erwerb der Liegenschaft Gasthof Brücke mit Umschwung. Beilage Nr. 13, RRB 0355/2011 Fritz Freiburghaus, Rosshäusern (SVP), Sprecher der Finanzkommission. Ich möchte das Geschäft nicht zurückweisen, sondern dazu lediglich etwas klarstellen: Es ist nicht wahr, dass die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin nach dem Schiff auf dem Bielersee nun auch noch einen Gasthof kaufen will; das ist definitiv nicht der Fall. Betreffend dieses ein wenig ungewöhnliche Geschäft, möchte ich aus Sicht der Finanzkommission kurz einige Worte anbringen. Aufgrund der überwiesenen Motion von Herrn Siegenthaler, welche Forderungen in Bezug auf den Hochwasserschutz stellte, wurde unter anderem von Seiten der FIKO die Lage ausführlich vor Ort begutachtet. Zu Beginn konnte ich kaum glauben, dass der Kanton nun auch noch einen Gasthof kauft; das muss ich an dieser Stelle gestehen. Allerdings habe ich mich und hat sich auch die Finanzkommission überzeugen lassen, dass es für den Kanton Bern die günstigste Lösung ist. Unterdessen sind der Kaufvertrag und die Mietverträge unterzeichnet, und somit ist das Geschäft rechtskräftig. Ausserdem hat sich der zukünftige Pächter zehn Jahreszinse vom Kaufpreis abziehen lassen. Demnach wird es um diesen Betrag für den Kanton billiger. Damit ist der Betrag für den Kanton auch vertretbar. Die Variante der Hangsanierung hätte den Kanton mehr als 4 Mio. Franken gekostet. Wenn er untätig geblieben wäre, hätte ihn der darauffolgende Rechtsstreit am Ende noch mehr gekostet als die rund 1,2 Mio. Franken. Aufgrund dieser Überlegungen bitte ich Sie, auch wenn es ein unkonventioneller Hochwasserschutz ist, dem Geschäft zuzustimmen. Präsident. Bestehen diesbezüglich Wortbegehren aus dem Grossen Rat? Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über das Geschäft ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Kreditgeschäfts Dagegen 121 Stimmen 2 Stimmen 4 Enthaltungen Geschäft /11 Dringliche Motion Fuchs, Bern (SVP) Quietschende Tramwagen, Diskriminierung von älteren Leuten, Familien und Menschen mit einer Beeinträchtigung Sofortmassnahmen sind nötig! Wortlaut der Motion vom 21. Februar 2011 Nach dem Bau des Trams Bern West wurden zwangsläufig neue Durchmesserlinien geschaffen, und so kommt nun die Linie 6 in den «Genuss» von quietschenden «blauen Bähnli» aus Worb. Die Fahrzeuge genügen den heutigen Anforderungen an ein Transportmittel des öffentlichen Verkehrs in keiner Art und Weise, sie sind nicht behindertengerecht, diskriminieren ältere Leute und Personen mit Kinderwagen und vor allem belästigen sie mit unerträglichem Lärm sämtli-

107 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 547 che Anwohner, notabene Tag und Nacht. Anlässlich eines öffentlichen Dialogs mit den Anwohnern schob der Direktor von Bernmobil den Ball an den Kanton weiter und konnte den erzürnten Anwohnern wenig Hoffnung auf rasche Besserung machen. Er erwähnte sogar, dass man beim Kanton seit 2004 von den heutigen Problemen wisse (Lärm, neue Linienführung usw.) und dass für die Linienführung der Besteller, d. h. die Bau- und Verkehrsdirektion, zuständig sei. Bis die Lärmbelastung nachhaltig verbessert werden kann, beauftrage ich daher den Regierungsrat: 1. Bernmobil anzuweisen, dass das «blaue Bähnli» nur noch bis zum Casinoplatz fährt oder maximal bis zum Hautbahnhof und dort wendet 2. Bernmobil anzuweisen, dass eine neue Linienführung des Fischermättelitrams (Linie 6) gewählt wird a) Variante: Fischermätteli Weissenbühl b) Variante: Fischermätteli Saali; die Linie Nr. 8 West Side endet am Hauptbahnhof 3. Bernmobil anzuweisen, dass nur noch behindertengerechte Tramkompositionen auf dem Netz von Bernmobil verkehren (z. B. durch Neuanschaffung, Zumietung oder Umlagerung) (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine Motion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates (Richtlinienmotion). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages. Die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2010 fahren die «blauen Bähnli» auf der Linie 6 bis zum Fischermätteli. Die Räder der Trams entwickeln in engen Kurven enorme Quietschgeräusche in einem für das menschliche Ohr sehr unangenehmen Frequenzbereich. Zahlreiche Beschwerden gingen sowohl bei Bernmobil, bei der Stadt Bern als auch beim Kanton ein. Die Anwohnerinnen und Anwohner im Fischermätteliquartier haben zudem Protestveranstaltungen organisiert. Der Kanton und Bernmobil haben sofort gehandelt und mit den Betroffenen in den städtischen Quartieren sowie den Gemeinden Muri und Worb die erforderlichen Massnahmen veranlasst, um die Lärmbelastung zu verringern. Zu Punkt 1: In Absprache mit dem Kanton, dem Bund, den Quartieren im Westen und Osten der Stadt Bern und den Gemeinden Muri und Worb hat Bernmobil die Trennung der Linie 6 am Casinoplatz in die Wege geleitet. Seit dem 4. April 2011 befahren die «blauen Bähnli» nur noch den Streckenabschnitt Worb-Casinoplatz. Der westliche Teil Fischermätteli Bahnhof wird als Schienenersatzverkehr mit Bussen betrieben. Dieser Fahrplan soll bis zur Montage eigens neu entwickelter Räder an allen «blauen Bähnli» gelten. Die Arbeiten dazu sind voraussichtlich im Herbst 2011 fertig gestellt. Lärmmessungen ergaben, dass die neuen Räder, die bereits an einem Fahrzeug versuchsweise installiert sind, den Geräuschpegel ungefähr auf das Niveau der neubeschafften Combino-Trams von Bernmobil reduzieren. Zu Punkt 2: Bei einer Neuverknüpfung sind vor allem Taktfrequenz und Auslastung der jeweils zu verknüpfenden Linienäste zu beachten. Der Fischermätteliast verkehrt im 10-Minuten-Takt, die Äste Weissenbühl respektive Saali verkehren jeweils im 6-Minuten-Takt. Die beiden Taktfrequenzen sind nicht kompatibel und die vorgeschlagenen Varianten daher nicht umsetzbar. Im Rahmen von Sofortmassnahmen sieht der Regierungsrat keine Lösungen durch Neuverknüpfungen von Linienästen, zumal das Lärmproblem dadurch nur an andere Orte verschoben würde. Der Regierungsrat ist aber bereit, neue Verknüpfungsmöglichkeiten im Hinblick auf den nächsten Angebotsbeschluss zu überprüfen. Zu Punkt 3: Mit den umgebauten blauen Fahrzeugen mit Niederfluranteil wird zwar den Forderungen der Behindertengleichstellungsgesetzgebung Genüge getan. Der Regierungsrat ist sich aber bewusst, dass Fahrzeuge mit durchgehendem Niederflurkomfort den Fahrgastwünschen wesentlich mehr entgegenkommen. Deshalb genehmigt und finanziert der Kanton Neubeschaffungen von Tramfahrzeugen grundsätzlich nur mit durchgehendem Niederflurbereich. Zu den vorgeschlagenen Möglichkeiten der Neuanschaffung, Zumietung oder Umlagerung sei zudem auf Folgendes hingewiesen: Bei der Planung der Durchmesserlinie 6 wurde auch in Betracht gezogen, die «blauen Bähnli» ausser Betrieb zu setzen. Voraussetzung wäre ein Verkauf der Fahrzeuge zu einem angemessenen Preis gewesen. Europaweit wurde jedoch in dem sehr beschränkten Occasionsmarkt für Tramfahrzeuge kein Abnehmer gefunden. Eine Ersatzbeschaffung würde rund 50 Mio. Franken kosten. Hinzu kämen Aufwendungen für eine Sonderabschreibung der «blauen Bähnli» von über 20 Mio. Franken. Zudem dauert eine Neubeschaffung von Fahrzeugen ungefähr zwei bis drei Jahre. Ebenso ist eine Anmietung von Fahrzeugen ausgeschlossen. Zum einen schränken die unterschiedlichen Spezifika der einzelnen Tramnetze die Mietmöglichkeiten massiv ein. Zum andern wird der öffentliche Verkehr sowohl landesweit als auch im Ausland mit immer höherer Effizienz betrieben, so dass kurzfristig keine zu mietenden Fahrzeuge in anderen Städten bereitstehen. Eine Umlagerung der Fahrzeuge schliesslich würde auch eine Umlagerung der Lärmprobleme bedeuten, was nicht das Ziel einer solchen Massnahme sein kann. In Übereinstimmung mit den Betroffenen in den Quartieren der Stadt Bern und den Gemeinden Muri und Worb ist der Regierungsrat der Ansicht, dass die Probleme mit den nun eingeleiteten Massnahmen adäquat angegangen werden können und die nötige und in der Motion geforderte Verbesserung damit erreicht wird. Antrag: Punkt 1 und 3 Annahme der Motion unter gleichzeitiger Abschreibung. Punkt 2 Annahme als Postulat. Präsident. Der Motionär ist heute nicht anwesend. Herr Hess, SVP, wird ihn vertreten. Erich Hess, Bern (SVP). Im Namen des Motionärs möchte ich dem Regierungsrat für seine Antwort und seine Einsicht danken. Leider hat es sehr lange gedauert, bis in der Geschichte der «quietschenden Trams» überhaupt etwas unternommen wurde. Die Bevölkerung entlang der betreffenden Tramlinie musste sich zu Beginn relativ stark auflehnen, bis Bernmobil und der Kanton Bern das Problem endlich anerkannt hatten. Nun fahren die quietschenden Fahrzeuge nicht mehr und sie werden erneuert. Der Motionär ist damit zufrieden und erklärt sich mit dem Antrag des Regierungsrats in allen Ziffern einverstanden. Präsident. Der Motionär erklärt sich mit der Antwort des Regierungsrats einverstanden. Besteht aus dem Grossen Rat eine Differenz zum Antrag der Regierung? Das ist nicht der Fall. Wird punktweise Abstimmung verlangt? Auch das ist nicht der Fall.

108 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung von Ziff. 1 und 3 der Motion sowie Annahme von Ziff. 2 als Postulat Dagegen 111 Stimmen 0 Stimmen 15 Enthaltungen Geschäft /11 Dringliche Motion Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Gnägi, Jens (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Bonsack, Kallnach (EDU) Planungsstopp Gymnasium Biel Geschäft /11 Dringliche Motion Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau Sistieren und aus Fehlern lernen Geschäft /11 Dringliche Interpellation Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Vorgehen bei kantonalen Bauvorhaben am Beispiel des Projekts «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» Geschäft /11 Motion Moser, Biel (FDP) / Sommer, Wynigen (FDP) Informationsplattform zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Geschäft /10 Motion Sommer, Wynigen (FDP) / Moser, Biel (FDP) Sanierung Gymnasium Strandboden Biel (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 559 ) Gemeinsame Beratung Heinz Siegenthaler, Rüti b. Bern (BDP). Im Voraus möchte ich sagen, dass ich die Motion nicht zurückziehe, auch wenn ich deswegen als Heckenschütze bezeichnet werde. Den Entscheid kann ich Ihnen nicht ersparen. Es handelt sich nicht um einen schwarz-weissen Entscheid. Vielmehr geht es darum, dass wir als Grossratsmitglieder nicht Regierung spielen und eben nicht steuernd einwirken können. Genau das hat auch das Geschäft zu Beginn des Morgens aufgezeigt: Der Grosse Rat kann nur Ja oder Nein sagen. Das stellt besonders bei komplexen und strategischen Beschlüssen eine Schwierigkeit dar. Bezüglich des vorliegenden Geschäfts besteht die Hauptaufgabe des Kantons Bern darin, genügend guten Schulraum an einem geeigneten Standort zur Verfügung zu stellen. Der Grosse Rat als finanzkompetentes Organ muss entscheiden, ob die Gelder sinnvoll eingesetzt werden. Die Frage bezüglich des vorliegenden Kreditgeschäfts lautet nun also, ob der eingeschlagene Weg der Regierung trotz aller Schwierigkeiten noch der richtige Weg ist oder ob die Notbremse gezogen werden muss, damit nach neuen Lösungen gesucht werden kann. Keinesfalls fordere ich mit meiner Motion den Wegzug des Gymnasiums von Biel, genauso wenig wie den Abriss des Gebäudes. Unbestritten ist jedoch, dass der Schulbetrieb im bestehenden Gebäude kaum zumutbar ist. Ausserdem stellt das Gebäude eine Energieschleuder dar, und es besteht dringend Handlungsbedarf. Persönlich erachte ich den Standort des Gebäudes als sehr problematisch. Ursprung für die heutige Situation waren zwei Fehler, die begangen wurden: Der erste Fehler geschah beim Entscheid über den Ort und die Art des Gebäudes. Das Gebäude steht an schönster Lage direkt am Bielersee. Kein Mensch würde dort nochmals ein Schulhaus bauen. Dieser städtebauliche Fehler von damals ist heute für niemanden mehr nachvollziehbar. Das Siegerprojekt von 1968 sah sieben kleine Pavillons vor, um den Blick auf den See nicht durch einen hohen Bau zu verhindern. Gebaut wurde allerdings ganz etwas anderes: drei grosse Häuser in einer Wanne. Die Gebäude wurden im Boden in einer Wanne versenkt damit sie nicht zu hoch aus dem Boden ragen. Die Gebäude stehen im teuersten überhaupt erdenkbaren Baugrund: im Seeschlamm. Der bauliche Zustand ist der Antwort des Regierungsrates auf Seite sechs zu entnehmen: sehr schlechter Zustand, Fassade verrostet, ungeeigneter Schallschutz, unzumutbare klimatische Verhältnisse. Das Gebäude war nie richtig funktionstüchtig. Heute ist es eine Funktionsruine, welche durch die Unterhalts- und die Energiekosten den Kanton Bern im Tag mehr als 5000 Franken kostet. Der zweite Fehler geschah im Jahre Aufgrund der Kantonalisierung der Schulen konnte die Stadt Biel, der das Gebäude gehörte, das Problem elegant an den Kanton loswerden. Im Jahre 2005 war aufgrund der Kenntnisse über die problematische Situation eine Sanierung geplant. Zu Beginn war lediglich die Rede von einer Fassadensanierung. Später kamen dann Sanierungsplanungen bezüglich des Klimas, der Energie, des Hochwassers- und des Brandschutzes dazu. Ausserdem sollten die verschiedenen Standorte des Gymnasiums zusammengelegt werden. Im Jahre 2007 beschloss der Grosse Rat, einen Planungskredit zu genehmigen. Schon zum damaligen Zeitpunkt habe ich davor gewarnt und geraten, den Planungskredit abzulehnen und einen neuen Standort zu suchen. Nach damaligem Zeitplan sollte die Planung nach zwei Jahren abgeschlossen sein. Nun sind vier Jahre vergangen, in denen zweimal eine Projektänderung vorgenommen wurde. Der Widerstand der Denkmalpflege und der Architektenverbände wächst zusehends. Sie wollen an ihrem Widerstand festhalten und ihn nötigenfalls an die nächste höhere Instanz weiterziehen, um die Sanierung zu verhindern. Die geschätzten Baukosten entwickelten sich nicht nachvollziehbar. Einem Schreiben der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion vom September 2010 sind die geschätzten Sanierungskosten zu entnehmen. Im Jahre 2007 beliefen sich die geschätzten Sanierungskosten auf 73 Mio. Franken und die geschätzten Neubaukosten auf 104 Mio. Franken. Im September 2010 rechnete die BVE mit 73,5 Mio. Franken Sanierungskosten und 120 Mio. Franken Neubaukosten. In der aktuellen Antwort des Regierungsrates steigt die Zahl der Sanierungskosten auf etwa 90 Mio. Franken und die Neubaukosten auf etwa 150 Mio. Franken. Diese Teuerungssprünge von 20 Prozent kann ich nicht nachvollziehen und weiss dementsprechend nicht, was ich glauben soll. Ein weiteres Risiko stellen die eventuell noch ewig dauernde Verzögerung und die technischen Probleme dar. Während des Baus dauerte es etwa zehn Jahre, bis die Wanne wasserdicht war. Wenn an dieser Stelle während des Umbaus ein Fehler geschieht, wird die Wanne reissen und das ganze Gebäude wird geflutet. Wenn wir heute den Entscheid treffen, die Sanierungsplanung weiter zu führen, können wir das Geschäft in einem Jahr unmöglich mehr ablehnen. Wenn uns der Ausführungskredit dann vorliegt, können wir nur noch Ja oder Nein sagen und keine Steuerung mehr vornehmen. Es besteht die Gefahr, zwei grobe Fehler zu zementieren. Welchen Einfluss der Bau der Autobahn in Zusammenhang mit dem Umbau hat, ist unklar. Ein weiterer Nachteil des Umbaus ist, diesen während des laufenden Schulbetriebes durchführen zu müssen. Wenn hingegen an einem anderen Ort gebaut würde, kann die Schule bequem ins neue Gebäu-

109 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 549 de umziehen. Befürworter des Umbaus argumentieren mit dem Platzmangel in Biel. Da frage ich mich jedoch, wo dann der beschlossene neue Campus in Biel gebaut werden soll. Meines Wissens steht im Raum Biel in Bahnhofsnähe sehr viel Land zur Verfügung, das von Seiten der SBB nicht mehr genutzt wird. Selbstverständlich ist ein Neubau teurer als eine Sanierung. Allerdings hat ein Neubau auch einen besseren Gegenwert. Unbestritten ist auch der Zeitverlust, würde nun der Entscheid für einen Neubau gefällt werden. Bloss geschah der Fehler vor sechs Jahren, und wäre dieser damals nicht passiert, könnten wir heute wahrscheinlich die Einweihung des neuen Gebäudes feiern. Seit vier Jahren wird geplant und verzögert; ein Schrecken ohne Ende. In Bezug auf dieses Geschäft bevorzuge ich ein Ende mit Schrecken. Heute können Sie darüber entscheiden und ich bitte Sie, diesen Entscheid weise zu fällen. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Wahrscheinlich bin ich einer der einzigen, der dieses Gymnasium besucht hat; es war ein zweifelhaftes Vergnügen. Von Anfang an war das Gebäude eine Fehlplanung und dadurch mit unendlichen Problemen verbunden. Wunderschöne Turnhallen konnten wir wegen des Wassers nicht benutzen. Wir mussten in ganz Biel umherreisen, um unsere Turnlektionen abzuhalten. Wasser war damals ein Problem und wird immer eines bleiben. Der Bieler Baudirektor hat sich in der letzten Debatte gegen eine Sanierung ausgesprochen und erachtete die Suche nach einem neuen Standort als problemlos. Die zum heutigen Zeitpunkt völlig andere Meinung der Bieler Regierung lässt gewisse Fragezeichen offen. Bezüglich der Kosten wurde von Herrn Siegenthaler bereits alles erläutert. Entweder wird das Gebäude komplett neu saniert oder es wird nur teilweise saniert. Bei einer Totalsanierung können die Kosten nicht so stark von den Neubaukosten abweichen. Wenn das Gebäude nur teilweise saniert wird, ist schon heute klar, dass uns in fünf bis zehn Jahren wieder neue Kreditanträge vorliegen werden, um die übrigen Sanierungsarbeiten durchzuführen. Zugegeben, die Formulierung in Ziffer zwei der Motion ist ein Schönheitsfehler. Daraus ergaben sich Diskussionen bezüglich des französischen Gymnasiums. Für mich persönlich muss das Gymnasium in Biel bleiben. Dem vorangegangenen Votum konnten wir entnehmen, in welchem Gebiet ein Standort möglich wäre. Der Bau des Campus wird wohl nicht die ganze letzte freie Fläche belegen. Etwas irritierend an der ganzen Diskussion empfinde ich die Rücksichtsnahme auf die Architektur. Diese Rücksichtsnahme für ein angeblich so wahnsinnig zeitgemässes architektonisches Meisterwerk wird Millionen kosten. Das architektonische Können zu beurteilen liegt zwar nicht in meiner Befugnis. Allerdings ist die nötige Funktionalität des Gebäudes unbestritten. Demnach ist die Ausgabe von Millionen, um lediglich eine allfällige Ästhetik zu erhalten, absolut untragbar. Das widerspricht all den Finanzdebatten, in denen stets Sparmassnahmen Bestandteil sind. Deshalb bitte ich Sie, die Motion anzunehmen. Peter Bonsack, Kallnach (EDU). Das Gymnasium in Biel schreibt eine leidvolle Geschichte. Bereits während des Baus musste massiv gespart werden. Das Gebäude entpuppte sich bald nach dem Bezug als ein Reinfall. Seit Beginn wurde enorm viel Geld für Reparaturarbeiten ausgeben und auch die Regierung hat Franken im Jahr angegeben. Uns Motionären geht es nicht darum, uns grundsätzlich gegen die Sanierung eines alten Gebäudes auszusprechen. Aber in Bezug auf den vorliegenden Fall des Gymnasiums Biel kostet die geplante Sanierung überproportional viel und unterliegt vielen Sachzwängen, da die Gebäudestruktur bereits gegeben ist; es ist unbestritten eine schlechte Gebäudestruktur, da bereits während des Baus vor 29 Jahren auf Kosten der Qualität gespart wurde. Im Grunde ist das Gebäude viel zu jung um solch eine teure Sanierung vornehmen lassen zu müssen. Die Kostenschätzungen für den Neubau stiegen in den vergangenen Monaten laufend an. Zu Beginn beliefen sie sich auf 109 Mio. Franken. Erst im vergangenen November war der Antwort auf die Interpellation von Herrn Gnägi zu entnehmen, dass die geschätzten Neubaukosten auf 120 Mio. Franken angestiegen waren, und nun liegen sie gemäss Antwort auf die vorliegende Motion bei Mio. Franken. An dieser Stelle bitte ich Sie, die Seriosität des Vorgehens zu bedenken: Lohnt es sich wirklich, so ein Baudenkmal um jeden Preis zu sanieren? Leider hat der Kanton Bern der Stadt Biel ein sehr schlechtes Objekt abgekauft. Aus all diesen Gründen verlangen wir einen Planungsstopp beim Gymnasiums Biel und die unverzügliche Suche nach einem neuen Standort, ausschliesslich in Biel. Sabine Kronenberg, Biel (glp). Entgegen dem allgemeinen Gemunkel muss ich eine für einige unter uns wahrscheinlich enttäuschende Aussage machen: Ich habe keine Interessenbindung. Ich habe lediglich das gemacht, was schon längst jemand hätte tun sollen: Ich habe zugehört; dem Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG), den Architekten von Zürich, den Nutzern des Gebäudes, dem Präsidenten der Wettbewerbskommission, der Denkmalpflege, dem Heimatschutz und dem Komitee von Biel. Wir, von der glp sind letztlich auch in das Parlament gezogen mit der Absicht, keine vorgefertigten Meinungen wiederzukauen, sondern unsere eigene fundierte Meinung zu bilden und nicht im Sinne von Parteistereotypen zu agieren. Ich vertraue darauf, dass Parlament und Verwaltung mit meiner Kritik konstruktiv umgehen werden und die längst fällige Auslegeordnung des Projektes beschliessen und für die Zukunft Vorschläge finden werden. Ich bedaure, bereits im Vorfeld Haarspaltereien zu betreiben und auf Fehlern herumreiten zu müssen. Nur ist das leider nötig, da Fehler vertuscht werden, anstatt sie als Chancen konstruktiv und zukunftsorientiert zu nutzen. Einige Versuche mit Informationsplattformen und Treffen an einem runden Tisch wurden zwar umgesetzt. Jedoch fällt meine Bilanz von solch einem Treffen, an dem ich teilnahm, negativ aus: Es wurde viel gesprochen ohne viel zu sagen. Das Treffen wurde als Handlung und nicht als Inhalt verkauft. Somit wird die Handlung zu einem Wert ohne Wirksamkeit. Das macht mich aufgrund der mangelnden Effektivität und Effizienz nicht nur als glp-cvp- Fraktionsmitglied, sondern auch als Stimmbürgerin fassungslos. Es stellt sich die Frage, ob ein solches Zusammenspiel von Parlament, Verwaltung und Partnern nicht eine Karikatur ihres Selbst ist. In erster Linie verfolgen wir Motionäre eine beschlussfähige Diskussion an einem runden Tisch. Herr Brönnimann wird darauf später noch genauer eingehen. Nun komme ich zu einzelnen Ausschnitten aus der Antwort der Regierung: «Die Anlage gilt als ein wichtiges Beispiel des zeitgenössischen Bauens.» Der Entwurf des Baus entspringt den 60er-Jahren. Versteht der Kanton darunter etwa zeitgenössisch? Da hat er sich wohl im Begriff vergriffen. Das ist für mich einer der ersten Hinweise auf den oft gefallenen Ausdruck «Respekt», der keiner zu sein scheint. Mit dem vorausgegangen Textausschnitt war wohl eher gemeint, dass das Gymnasium ein wichtiges Beispiel der Bauweise der Solothurner Schule darstellt. Formulierungen dieser Art kommen mehrmals in der regierungsrätlichen Antwort vor: «...Im Interesse eines sorgfältigen Umgangs mit der bestehenden Architektur...» und «...geht respektvoll mit dem architektonischen Erbe um...». Dies scheinen mir rhetorische Floskeln ohne Inhalt zu sein. Denn wie drückt sich dieser Respekt

110 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie konkret aus? Etwa durch den respektvollen Umgang mit den Partnern und Kontrahenten des Projektes? In der Antwort des Regierungsrats steht des Weiteren: «...die Sanierung war bereits 1968 umstritten...» Der historische Sachverhalt, dass der Bau schon damals umstritten war, dient an dieser Stelle als Rechtfertigung, um auch heute respektlos damit umzugehen. Das ist verbrämter Historizismus, den ich mir verbiete und der den Mangel an Respekt eben gerade durch die Verquickung dieser Formulierungen nachweist, um nicht zu sagen persifliert. Ausserdem muss nur von Respekt gesprochen werden, wenn er nicht gelebt wird; das ist eine Einsicht aus der Küchenpsychologie, die jedem Bekannt ist. Nun möchte ich einiges bezüglich der Zeitplanung anbringen. Der vorgelegte Terminplan Ausführungskredit Ende 2011; Anfang 2013 Beginn der Bauarbeiten verschweigt vorhergehende Terminpläne, die vorhersahen, den Bau längst abgeschlossen zu haben. Hier wird mit Absicht der Eindruck erweckt, dass es aufgrund von Einsprachen zu Verzögerungen kam. Das ist eine inakzeptable Verquickung, denn das Projekt läuft seit dem Jahr 2003, und Einsprachen gab es erst im Jahr Nicht von ungefähr wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Vorstösse von Grossratsmitgliedern eingereicht, welche freundlich nachfragten, wie es um das Projekt steht. Die Antwort fiel stets genauso freundlich aus und es hiess, es sei alles in Ordnung. Nun ist die Zeit gekommen, nicht mehr freundlich nachzufragen, denn es ist überhaupt nichts in Ordnung. Im Detail ist der Antwort des Regierungsrats zu entnehmen, dass im Gymnasium Biel zentnerschwere Stahlplatten heruntergefallen seien. Mit dieser Aussage wird unter falschen Tatsachen ein ebenso falsches Katastrophenszenario heraufbeschworen. Denn es fielen lediglich Metall-Leisten herunter, die inzwischen gesichert wurden. In diesem Zusammenhang weitere Ausschnitte aus der regierungsrätlichen Antwort: «...Brandschutz und Sicherheit entsprechen nicht mehr den geltenden Vorschriften; ungenügender Schallschutz; veraltete Haustechnik...» Dass der Brandschutz, der Schallschutz und die Haustechnik in solch einem Gebäude aus den 70er- bis 80er-Jahren nicht mehr funktionieren, ist ein Sachverhalt, der nicht das gewählte Verfahren oder besser gesagt «Unverfahren» im Projekt begründet, sondern ist eine normale Tatsache bei einem Gebäude, das seit zehn Jahren sanierungsbedürftig ist. Bereits der frühere Eigentümer hätte handeln müssen. Ausserdem wurde der Brandschutz bei der Sanierung der BASPO-Gebäude (Bundesamt für Sport, Magglingen) pragmatischer und so auch günstiger gelöst, da der Denkmalschutz miteinbezogen wurde. Bei der Erarbeitung des Projektes Gymnasium Biel wurde konsequent eine solche Lösung, wie im Fall BASPO, vereitelt und jegliche Zusammenarbeit wissentlich vermieden; ein Vorgehen, vor dem Fachleute gewarnt hatten. Woher rührt diese Beratungsresistenz, wenn sie doch so offensichtlich zu Nachteilen führt? Ein weiterer Ausschnitt aus der Antwort des Regierungsrats: «Mit einem Erweiterungsbau soll zusätzliche Fläche geschaffen werden, damit die 2005 zum Seeland Gymnasium fusionierten Bieler Gymnasien «Linde» und «Deutsches Gymnasium» auch örtlich zusammengelegt werden.» An dieser Stelle werden die Sanierung und die Fusion mit einander vermischt, um wiederum ein Katastrophenszenario zu suggerieren. Auch hier kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass diese Vermischung der Vertuschung von Verfehlungen und der «emotionalen Erpressung» dient. Das schafft lediglich weitere Unklarheiten an Stelle von Transparenz. Weiter aus der Antwort des Regierungsrats: «Im Interesse eines sorgfältigen Umgangs mit der bestehenden Architektur hat das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) im Jahr 2005 einem vom SIA genehmigten Projektwettbewerb lanciert...» Dieser Projektwettbewerb ist kein Argument, denn das ist ein normales und legales Vorgehen und kam zudem nur auf Druck der Verbände zustande. Ebenfalls aus der Antwort des Regierungsrats: «Die Jury setzte sich zusammen aus Vertretern der Schule, der Stadt und des Kantons und ausgewiesenen Architektinnen und Architekten. Ebenfalls vertreten in der Jury war die Denkmalpflege. Damit wurde eine sehr detaillierte Qualitätssicherung erreicht.» Beim nachlesen findet man zwar eine Zustimmung der Denkmalpflege, aber die Bedenken überwiegen stark: Die Sanierung sei entgegen den Prinzipien der Nachhaltigkeit und nicht substanzerhaltend. Das Projekt kann nur unter Annahme einer «bestmöglichen Lösung» gewürdigt werden. Die Thematik bezüglich der Fenster, welche geöffnet werden können, ist auf den lange gehegten Unmut über die geschlossenen Fenster des Gymnasiums Biel zurückzuführen. Die Bauherrin sollte aus meiner Sicht nicht die klischierte Meinung unreflektiert übernehmen. Im Übrigen lassen sich die geplanten Fenster gar nicht öffnen. Im Sommer werden sie niemals geöffnet werden und nur einen Spalt weit in der Nacht. Im Grunde genommen werden heute die Fenster in Schulräumen von modernen Schulbauten nicht mehr geöffnet, wie zum Beispiel in der BFB (Bildung Formation Biel) oder der IDHEAP (institut de hautes etudes en administration publique), welche ich in Lausanne besuche. Die geplanten Fenster des Gymnasiums Biel entsprechen nicht den zeitgenössischen Umsetzungen. Sowohl Minergie als auch das Raumklima können in solchen «Kübeln» nicht gewährleistet werden. Ausserdem bedeutet ein 30-cm-Spalt eine aufwendige hochtechnisierte Fassade, die mit Sicherheit fehleranfällig sein wird au nom de dieux! Mit solch einer Sanierung wird bewirkt, dass man weiterhin über das Gymnasium mit seiner schlecht funktionierenden Fassade fluchen kann. Enfin bref: Zwar wird die Erscheinung der Gebäude in der Tat erhalten, aber ohne einen einzigen Stein auf dem anderen zu belassen. Die Sanierung ist aufwendig, teuer und alles andere als nachhaltig. Nun möchte ich bezüglich der Kosten zwei Fragen stellen: Ursprünglich war die Rede von 70 Mio. Franken für die Sanierung und Erweiterung. Was hat sich nun verändert? Für den Neubau kursieren inzwischen Summen von bis zu 200 Mio. Franken. Was hat sich hier verändert? Bezüglich der Neubauforderung kann ich Folgendes sagen: Als Ausgangslage gehen wir von den 200 Mio. Franken aus, welche möglicherweise wieder ändern. Angenommen, die ursprünglichen Baukosten der fünf Gebäude aus dem Jahre 1983 würden mit dem historischen Lohnindex aufindexiert, so würden die fünf Gebäude heute 78 Mio. Franken kosten. Wenn nun noch die Sanierung und Erweiterung dazu gerechnet wird, erreicht man mit der geplanten Sanierung und Erweiterung die kostengünstigere Variante. Ausserdem entspricht die populistische Forderung «sprengen, planieren, Rasen sähen» eher einer Wegwerfmentalität, die nicht ernsthaft verfolgt werden kann. Aus der Antwort des Regierungsrats: «Ein Kostenvergleich mit dem erwähnten Gebäude des Bundesamts für Sport in Magglingen ergibt im Übrigen, dass dort die Gebäudekosten pro Quadratmeter Geschossfläche um 20 Prozent höher sind.» Darüber wurden wir bereits an der eigens dafür veranstalteten Informationsplattform falsch informiert. Dort hiess es, der Preis pro Quadratmeter betrage im BASPO 2500 Franken und im Gymnasium 2000 Franken. Hier sind die 30 Prozent Ungenauigkeit noch nicht mit einberechnet. Profis haben dies nachgerechnet und kamen auf das Gesamtvolumen von lediglich 45 Mio. Franken, was nicht den in der Antwort gelieferten Zahlen entspricht. In der Antwort der Regierung ist die Rede von rund 60 Mio. Franken. Ändern die Zahlen je nach Bedarf, oder wie kann ich das verstehen?

111 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 551 Nun zum allgemeinen Vorgehen, beziehungsweise zum vorgeschlagenen Vergleich mit dem Fall BASPO. Aus der Antwort des Regierungsrats: «Dass das Projekt Strandboden trotzdem auf mehr Widerstand stiess, hat weniger mit dem gewählten Vorgehen, als vielmehr mit dem hohen architektonischen Stellenwert und dem prominenten Standort des Gebäudeensebles zu tun.» Hohe architektonischen Stellenwerte und prominente Standorte waren nicht nur beim Gymnasium Biel ein Thema sondern auch beim BASPO. Beide sind vom selben Architekten gebaut worden. Das BASPO liegt am Hang und wurde in den Felsen gebaut. Das würde heute sicherlich nicht mehr gemacht werden. Auch die Benutzer des BASPO haben sich geärgert. Es regnete in das Gebäude, sodass im Inneren Dachrinnen montiert wurden. Der Leidensdruck war massiv höher als bei den Nutzern des Gymnasiums Biel. Wenn an dieser Stelle die Verantwortung für den Bau oder den Schulbetrieb nicht mehr übernommen wird, ist das rein politisch begründet. Die Katastrophe hält einer Überprüfung nicht stand. Die Sanierung des BASPO wurde intensiv von der kantonalen Denkmalpflege begleitet. Gerade diese Zusammenarbeit hat zu einer kostengünstigen und sinnvollen Umsetzung der Brandsicherheit geführt. Beim Gymnasium Biel ging es um dieselbe Thematik von teuren und widersinnigen Trennwänden um Brandabschnitte zu machen. Aus der Antwort des Regierungsrats betreffend BASPO: «Wegen der sehr speziellen Bedingungen eignet es sich auch nicht, um daraus Lehren für ein standardisiertes Vorgehen ziehen zu wollen.» Die Bedingungen des Gymnasiums Biel sind genauso speziell wie beim BASPO und nur so speziell, wie jeder Bau seine eigene Thematik mit sich bringt. Es mangelt am Willen zu Vernetzung und Zusammenarbeit. Wie zu Beginn meines Votums erwähnt, sind gemachte Fehler Gelegenheiten, die es zu nutzen gilt. In grossen Bauprojekten wurden schon einige Fehler gemacht. Es kann nicht sein, dass wir diese hinnehmen und zuschauen, wie konsequent andere dafür verantwortlich gemacht werden. Wir stehen für eine effiziente Verwaltung und einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen und dem Geld ein und werden an der Motion festhalten. Herr Macchi, wir erwarten Vorschläge. Präsident. Ein unbekannter Schriftsteller hat einmal gesagt: «Gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig.» Frau Kronenberg ist von der Antwort auf ihre Interpellation teilweise befriedigt. Peter Moser, Biel (FDP). Ich werde nun mein Votum als Motionär halten und mich später als Fraktionssprecher zu den anderen Vorstössen äussern. Intensive Gespräche anlässlich der letzten Session, sowohl mit der BVE als auch mit der Schuldirektion und den Fachleuten, haben zum Entschluss geführt, diese Motion einzureichen. Die BVE hat die Motion rasch umgesetzt und bereits am 3. Mai, unter der Leitung der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin, eine Informationsplattform organisiert. Eingeladen waren die Fachverbände, Motionärinnen und Motionäre, die Schulleitung, der Architekt aber auch eine grosse Delegation der Verwaltung. Es war ein Gebot der Stunde, eine richtige Lagebeurteilung vorzunehmen. Diese war vor allem aufgrund der Einsprachefristen zur Baubewilligung notwendig. Eine sehr angeregte Diskussion wurde geführt, die leider zu keiner Einigung führte. Als Leihe erlangte ich eine erschreckende Erkenntnis: Das Schulhaus wird nicht zum Wohle der Benutzer des Gebäudes, also für die Schüler und die Lehrer umgebaut. Nein, der musealen Erhaltung wird höhere Priorität beigemessen. An dieser Stelle frage ich mich, was die Benutzerinnen und Benutzer alles unternehmen müssen, um zu ihrem ihr Recht zu kommen. Das Komitee «Rettet den Gymer Strandboden», unterbreitete neue Vorschläge. Diese erweckten in mir die Frage, warum wir am 3. Mai zusammengesessen sind. Denn damals waren auch die Leute des Komitees anwesend. Sie sind zwar nicht legitimiert, Einsprache zu erheben dieses Recht hat nur noch der Heimatschutz, jedoch sind gewisse Leute sowohl im Komitee als auch im Heimatschutz tätig. Unerhört ist Punkt drei des Vorschlags des Komitees «Rettet den Gymer Strandboden»: «An einem runden Tisch mit der Schule, der AGG, der Denkmalpflege und dem Komitee soll ein verbindlicher Konsens erarbeitet werden, sodass der Heimatschutz seine Einsprache zurückziehen kann. Diese Arbeit muss bis zum Sommer 2011 abgeschlossen sein.» Damit wird versucht, den Heimatschutz, der an der Diskussion nicht anwesend sein soll, so zu bearbeiten, bis er seine Einsprache zurückzieht. Aus meiner kleinen bescheidenen Sicht ist das Erpressung; wahrscheinlich ein verzweifelter Versuch noch etwas zu erzwingen, denn der Regierungsstatthalter hat bereits die Baubewilligung erteilt. Demnach für alle Gegner: Der Zug ist abgefahren. Ich ermutige die BVE, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen. Meinetwegen soll am Ende der Richter entscheiden. Mit der Abschreibung meiner Motion bin ich einverstanden und danke der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Peter Sommer, Wynigen (FDP). Bislang wurde sehr viel über die Ausführungsmöglichkeiten eines Neubaus gesagt. Bereits anlässlich der Debatte «Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» für das Seeland-Gymnasium Biel wurde im November 2007 die Frage gestellt, ob der gänzliche Neubau des Gymnasiums an einem anderen Standort letztlich nicht wirtschaftlicher wäre, als die geplante Sanierung der bestehenden Schulanlage mit einem neuen Erweiterungsbau. Aufgrund dieser Frage, zielt unsere Motion auf die Kosten des Projekts. Auslöser für die Einreichung unserer Motion war der Projektwettbewerb, der unter dem Druck des lokalen Heimatschutzes lanciert werden musste. In erster Linie wollen wir jedoch mit unserer Motion ein Zeichen gegen die überbordenden Forderungen des Heimatschutzes setzen. Konkret wird in der Motion gefordert, dass die berechneten Gesamtkosten der Sanierung und des Erweiterungsbaus rund 2/3 derjenigen eines Neubaus nicht überschreiten dürfen. Bezüglich der Kosten wurde heute bereits viel gemutmasst. Aus heutiger Sicht ist es relativ schwierig, definitiv und abschliessend zu errechnen, was nun ein Neu- oder ein Umbau genau kosten wird. Aufgrund der vorliegenden Zahlen kann unsere Forderung eingehalten werden. Deshalb erklären wir uns mit der Annahme und gleichzeitigen Abschreibung der Motion einverstanden. Peter Moser, Biel (FDP). Die Meinungen der FDP-Fraktion bezüglich der Abstimmung über den Rückweisungsantrag vom 20. November 2007 waren gespalten. Doch heute ist sich die Fraktion einig und lehnt die Motion von Herrn Siegenthaler sowie die Motion von Frau Kronenberg einstimmig ab; zumal das Geschäft bereits weit vorangeschritten ist. Aus unserer Sicht sind sowohl ein Stopp als auch die Prüfung eines Neubaus auf der grünen Wiese nicht zielführend. Beide Varianten würden die Zeitschiene unnötig verlängern. Entgegen den einstigen Aussagen des Bieler Baudirektors existiert keine Alternative für einen neuen Standort im Gebiet der Stadt Biel. Auch für eine Teillösung ist kein Platz mehr vorhanden. Ausserdem hat eine Verlegung des Gymnasiums neue Verkehrsströme und dadurch Transportkosten zur Folge. Das ist ein Nebenprodukt aller Zentralisierungen. Wenn nun auf der grünen Wiese ein Neubau realisiert werden würde, wäre der Kanton weiterhin stolzer Besitzer einer sanierungsbedürftigen Ruine. Kein Mensch kann daran glauben, dass der Heimatschutz dieses Gebäude übernehmen und

112 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie daraus ein Museum für Bauten nach der Schule von Solothurn selber finanzieren und betreiben würde. Forderungen zu stellen ist einfach. In der kommenden Woche wird hier im Grossen Rat die Energiesondersession stattfinden. Herr Siegenthaler hat es bereits erwähnt: Allein mit einer raschen Sanierung könnten Energiekosten von jährlich Franken gespart werden; worauf warten wir denn eigentlich noch? Der Regierungsstadthalter hat die Baubewilligung bereits erteilt. Der Heimatschutz als alleiniger Einsprecher wird seine Beschwerden an die nächste Instanz und wahrscheinlich noch bis zum Bundesgericht weiter ziehen. Lassen wir ihn ziehen, danach werden wir Klarheit haben. Die kantonale Denkmalpflege, die auch nicht immer ein Freund unseres Parlaments ist, steht voll und ganz hinter dem Projekt. Auch der Erweiterungsbau wurde durch die Jury gekürt und das weitere Vorgehen ist klar. Wenn nun heute das Projekt gestoppt und weitere Abklärungen in Auftrag gegeben werden, hat das lediglich eine zeitliche Verzögerung zur Folge. Für solch ein Zeitspiel sollte nicht nur eine gelbe sondern gleich eine rote Karte ausgeteilt werden. Aus Sicht der FDP-Fraktion handelt es sich um einen Meinungsstreit unter Fachleuten ähnlich wie bei den Juristen. Es ist ein Meinungsstreit, ausgetragen auf dem Buckel der Schüler, Lehrerinnen und Lehrer. Die Ästhetik ist eben keine exakte Wissenschaft; über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Die Tatsache allein, Architektur studiert zu haben, legitimiert niemanden, über die Meinung einer Mehrheit zu bestimmen. Mit dieser Aussage erwecke ich bei Fachleuten möglicherweise den Eindruck, ein Banause zu sein dazu stehe ich. Wir leben in einer Demokratie, in der die Mehrheit bestimmt und nicht ein paar wenige Fachleute. Nun noch kurz zur Zeitschiene: Die Behauptung des Komitees «Rettet den Gymer Strandboden», wonach eine Überarbeitung des Projekts ein schnelles Vorankommen garantiere, ist doch etwas zynisch. Genau solche Kreise haben bisher das Projekt verzögert. Jedoch teile ich die Meinung des Komitees, Frau Kronenberg hat es auch schon gesagt dass etliches gewonnen wäre, wenn das Projekt von Beginn an einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Nun gehört das der Vergangenheit an und heute ist der Lauf des Projekts unter Kontrolle. Wer heute gegen die Sanierung stimmt, stimmt damit gegen die BVE, die Schutzverbände, die Verwaltung, die Architekten und gegen das Gebäude selbst. Die Verlierer werden jedoch über 1000 Schüler und 200 Lehrer sein. Wenn wir heute den Schulstandort stärken und möglichst rasch zu einem neuen Schulgebäude gelangen wollen, bleibt uns nur der Weg der Sanierung. Demnach bitte ich Sie, die Motionen von Herrn Siegenthaler und Frau Kronenberg abzulehnen. Ich verlange die Abstimmung über beide Motionen unter Namensaufruf. Markus Grossen, Reichenbach (EVP). In Bezug auf das schon seit Jahren umstrittene Projekt steht der Grosse Rat heute aufgrund der eingereichten Vorstösse vor einem äusserst schwierigen politischen Entscheid. Die Motionäre haben das Projekt technisch bereits genügend vorgestellt und die zeitlichen Abläufe wurden erwähnt. Den Erläuterungen der Motionäre fehlte jedoch ein konkreter Vorschlag, was im Falle eines Neubaus mit dem bestehenden Objekt geschehen soll. In meinem Votum werde ich gleich zu allen eingereichten Vorstössen zum Thema Gymnasium Biel Stellung nehmen, da alle dieselbe Problematik ansprechen. Zum einen fordern die Motionäre den unverzüglichen Stopp der bereits weit fortgeschrittenen Planung und zum anderen, dass die Sanierung gegenüber einem Neubau maximal 2/3 der Neubaukosten aufweisen darf. Zum Zustand des Gebäudes: Die bestehenden drei Gebäude sind dem Alter entsprechend in einem baulich sehr schlechten Zustand und dringend sanierungsbedürftig. Für die Schüler, Lehrerinnen und Lehrer ist das Raumklima problematisch und längerfristig nicht mehr zumutbar. Für die Planung wurde bis anhin übermässig viel investiert, was die technischen Schwierigkeiten und die Komplexität des Projekts bestätigt. Ein Abbruch des Projekts ist sicherlich keine Lösung mehr, da mit diesem Entscheid die Nutzung des bestehenden Objektes nicht gelöst ist und das Gymnasium Biel in eine neue Planung für einen Neubau einsteigen müsste. In der Novembersession 2007 wurde einem Zusatzantrag zugestimmt, der einen Planungsstopp verlangt, falls Schwierigkeiten in der Planung auftreten und diese das Projekt verteuern. Von der Regierung möchte ich wissen, wieso die Kosten für einen Neubau innerhalb von dreieinhalb Jahren von 105 auf 150 Mio. Franken angestiegen sind? Wird der Neubau möglicherweise nur so teuer geschätzt, damit die Sanierung und das Umbauprojekt nicht gefährdet werden? Um das Projekt zu retten müssten sich die Planer, Einsprecher, Heimatschützer, Denkmalpfleger und die Bauherrschaft an einen runden Tisch setzen und allesamt Haare lassen. Kurz möchte ich noch zur Umplanung des geplanten Holzbaues 2008 etwas anbringen: Holz am Bau ist schön und ein ökologisches Baumaterial. Holzfassaden sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn auch genügend Vordach geplant ist und dadurch die Fassade nicht extremen Wettereinflüssen ausgesetzt ist; ein Beispiel dafür sind die Chaletbauten. Mehrere öffentliche Gebäude unseres Kantons mit Holzfassaden und ungenügendem Vordach gleichen nach zehn Jahren Abbruchobjekten. Die EVP-Fraktion unterstützt die Haltung, das bereits weit vorgeschrittene Projekt nicht einfach ohne konkrete Alternative eines Neubaus abzubrechen. Zur Diskussion steht immer noch der Planungskredit. Der Ausführungskredit wird uns erst noch vorgelegt werden. Auch wenn der Abbruch des Projekts je länger je schwieriger wird, muss das Projekt unter strengster Aufsicht weiterverfolgt werden, damit es politisch verantwortungsvoll umgesetzt werden kann. Das ist ein Hinweis an die Planer und an die Bauherrschaft. Die EVP-Fraktion lehnt aus den eben genannten Gründen die Vorstösse mehrheitlich ab und erwartet von Seiten der Planer, der Bauherrschaft und der Einsprecher eine kooperative Zusammenarbeit. Ueli Spring, Lyss (BDP). Das Projekt Strandboden Biel ist vor allem bei uns im Seeland ein enorm vieldiskutiertes Thema. Die bisherigen Schwierigkeiten und Verzögerungen sind sehr unschön und waren ausschlaggebend für diese Serie von Vorstössen. Wichtig ist nun, dass der Grosse Rat entscheidet. Die Beschaffung von genügend gutem Schulraum an einem geeigneten Standort stellt die Hauptaufgabe des Kantons Bern dar. Wie und Wo ist dabei zweitrangig; ausser, dass das Gymnasium in Biel bleiben soll. Auf beiden Seiten haben sich wie üblich Komitees gebildet. Jedoch hat sich in diesem Fall eine unglaubliche Dynamik entwickelt, welche eine riesige Informationsflut mit sich bringt. Das erschwert den Entscheid zusehends. Mehrheitlich unterstützt die BDP-Fraktion die Motionen von Herrn Siegenthaler und Frau Kronenberg in Ziffer 1 und 3. Ziffer 2 der Motion lehnt sie jedoch ab. Mit der Annahme und gleichzeitiger Abschreibung der Vorstösse von Herrn Moser und Herrn Sommer erklärt sich die BDP-Fraktion einverstanden. Nun möchte ich in Bezug auf die Thematik meine persönliche Meinung anbringen, da ich mich der Fraktionsmeinung enthalten habe. Für mich als Lysser ist es eine unglaublich schwierige Entscheidung. Von Lyss besuchen etwa 80 Prozent der Kinder das Gymnasium in Biel und nicht in Bern. Seit Jahren bekomme ich die Problematik des Gebäudes durch die Kinder und ihre Eltern mit. In den vergangen Tagen habe

113 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 553 ich mich intensiv damit beschäftigt und mich zu einer Entscheidung durchgerungen. Ich persönlich werde nun die zwei ersten Motionen ablehnen. Da ein Abriss des bestehenden Objekts ohnehin nicht zur Debatte steht, stellt sich mir die Frage, was denn damit geschehen soll. Die Sanierung muss ohnehin durchgeführt werden. Unsaniert wird dieses Gebäude sicherlich niemand kaufen; verschenken wäre noch eine Option. An dieser Stelle bitte ich Sie wie Herr Siegenthaler es ausgedrückt hat, weise zu entscheiden. Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Zur bisherigen Geschichte: wurde durch den Bieler Architekten Max Schlup, von der international anerkannten Solothurner Schule, der Bau des Gymnasiums Biel verwirklicht. Im Jahre 1998 hat der Kanton Bern die Schule übernommen; sehrwahrscheinlich nicht gratis, darüber fand ich jedoch in den Kosten keine Informationen. Am 20. November 2007 hat der Grosse Rat den Planungskredit von 4,5 Mio. Franken für die Sanierung und den Erweiterungsbau und einen Zusatzantrag bewilligt, welcher vorsieht, dass die Planung gestoppt wird, sollten während der Planungsphase Schwierigkeiten auftreten, die das Projekt verteuern würden. Inzwischen entnahm ich den Unterlagen den Betrag eines Planungskredits von 5,5 Mio. Franken. Die Regierung selbst beschreibt den Zustand des Gebäudes wie folgt: «Die Fassade zerfällt, die Unterkonstruktion der Fassade rostet, der ungenügende Schall- und Brandschutz führt zu Störungen und stellt ein Sicherheitsrisiko dar, die Fenster dürfen nicht geöffnet werden, ein wirksamer Sonnenschutz fehlt, die Haustechnik ist veraltet und kaum noch reparierbar. Der sehr hohe Energieverbrauch führt dementsprechend zu hohen Energieunterhaltskosten» Das alles bereits nach 29 Jahren. Im Jahre 2005 hat das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) einem vom SIA genehmigten Projektwettbewerb lanciert. Konkret sieht das Projekt vor, dass die bestehenden Volumen ihre Formen und ihren Charakter behalten. Der Heimatschutz, der Bund Schweizer Architekten, die SIA- Regionalgruppe Biel-Seeland und das Architekturforum Biel haben das Projekt und in Teilen auch das gewählte Vorgehen kritisiert. Gefordert wurde insbesondere ein konsequenterer Erhalt der Originalmaterialien, ein Verzicht auf Attikabauten und die Durchführung eines öffentlichen Projektwettbewerbs für den Erweiterungsbau. Die Durchführung des Wettbewerbs ist inzwischen geschehen und am 6. April 2011 hat der Regierungsstadthalter die Baubewilligung erteilt. Der Heimatschutz hat daraufhin gegen das Baugesuch für die Sanierung Einsprache erhoben und gegen den Baubewilligungsentscheid Beschwerde eingereicht. Auf das Schreiben des Komitees «Rettet den Gymer Strandboden» werde ich nicht eingehen. Nun zurück zur Gegenwart: Heute besitzt der Kanton ein 29-jähriges architektonisches Denkmal oder auch eine Bauruine, an schönster Lage am Bielersee. Die Schule soll mit knapp 100 Mio. Franken saniert werden. Es stellt sich nun die Frage, was die beste Lösung sowohl für die Schule als auch für den Kanton darstellt. Als Verwaltungspräsident der Raiffeisenbank weiss ich, was es heisst, in alte Gebäude zu investieren: Es ist immer teuer und das Gebäude bleibt schlussendlich immer alt. Nun besteht die Möglichkeit einen Neubau an einem anderen Standort zu bauen. In diesem Fall muss geklärt werden, was mit dem bestehenden Gebäude geschehen soll. Im Falle eines Umbaus stellt sich die Frage, was währenddessen mit dem Schulbetrieb geschieht. Allfällige Mietkosten und überfüllte Räume wären die Folge. Ausserdem besitzt der Kanton in Jahren immer noch ein altes Gebäude, und die nächste Sanierung muss bereits geplant werden. Die SVP-Fraktion hat darüber sehr intensiv und kontrovers diskutiert. Grossrätinnen und Grossräte aus dem Raum Biel und dem Berner Jura haben noch andere Aspekte mit eingebracht. Man versuchte die Vor- und Nachteile abzuwägen und so gelangte die SVP-Fraktion zu folgender Haltung: Sie unterstützt ganz klar einen Abbruch des Verfahrens, ganz nach dem Motto von Herrn Siegenthaler: «Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende». Privat würde kein Mensch so viel Geld in dieses Gebäude investieren. Selbstverständlich braucht die Planung eines Neubaus im Grossraum Biel Zeit. Für das bestehende Gebäude muss eine optimale Nutzung gefunden werden. Dank der Lage könnte es für den Tourismus, sei es als Hotel, Wellnessoase oder auch als Kongresszentrum umfunktioniert werden. Auch sind gehobene Wohnräume vorstellbar. Demnach wird die SVP-Fraktion sowohl die Motionen von Herrn Siegenthaler und Frau Kronenberg annehmen, als auch die beiden anderen Vorstösse mit gleichzeitiger Abschreibung. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Am 20. November 2007, vor mehr als drei Jahren, hat der Grosse Rat 4,5 Mio. Franken für die Planung bewilligt. Die damaligen Gründe, die dafür sprachen, waren die Tatsache, dass die Liegenschaft bereits Eigentum des Kantons Bern war und als Denkmal geschützt kaum verkäuflich ist. Schon damals hat Herr Siegenthaler einen Vorstoss eingereicht, in dem er den Abbruch der Übung und die Suche eines neuen Standorts für die Erstellung eines Neubaus forderte. Damals wurden die Kosten für die Sanierung auf 75 Mio. Franken und für einen Neubau auf 100 Mio. Franken geschätzt. Der Antwort des Regierungsrats ist zu entnehmen, dass nun von 100 Mio. Franken für eine Sanierung ausgegangen wird. Demnach besteht keine Differenz zwischen einer Sanierung und einem Neubau. Ursprünglich wurde in unserer Fraktionssitzung beschlossen, am bestehenden Projekt festzuhalten. Danach erschien jedoch das Schreiben der Architekten unter der Federführung von Patrick Thurston, in dem die Aufgleisung des Projekts auf einer ganz anderen Basis verlangt wird. Damals waren bereits die Einsprache des Heimatschutzes und die Differenzen im gesamten Nutzungskonzept bekannt. Vor diesem Hintergrund beschloss die EDU-Fraktion, den Abbruch der Übung zu unterstützen. In diesem Sinne wird sie die Motionen von Herrn Siegenthaler und Mitmotionären und Frau Kronenberg annehmen. Bezüglich der Überlegungen meines Vorredners, was mit dem bestehenden Gebäude geschehen soll, erachtet die EDU-Fraktion unter anderem ein Kongresshaus als möglich. Wir müssen uns bewusst sein, dass die Bausubstanz in keinem guten Zustand ist. Mehrere Objekte von Max Schlup führten zu erheblichen Sanierungsmassnahmen, durch welche die Lage nicht viel verbessert wurde. Aufgrund dieser Überlegungen ist ein Abbruch der richtige Weg um anderweitig einen Neubau zu realisieren. Ursula E. Brunner, Hinterkappelen (SP). Für mich als «Nichtbernerin» wirkt der Name «Strandboden Gymer» sehr interessant. Wenn ich nun aber die Berichterstattung der geplanten Sanierung des Seelandgymnasiums, die verschiedenen Vorstösse und die Antworten darauf lese, und wenn ich mit verschiedenen Leuten in Biel spreche, dann erweckt das Projekt keinen positiven Anschein mehr, sondern eher den eines gestrandeten Grossprojektes. Heute liegt es in unserer Hand, eine Weichenstellung vorzunehmen. Interessenvertreter und Beteiligte des Projekts sprechen von Ignoranz, wenn das Gebäude geopfert werden sollte. Andere wiederum befürchten eine massive Kostenüberschreitung und verlangen eine neue Kostenanalyse. Wieder andere fordern den sofortigen Stopp des Projekts und die Planung eines Neubaus. Der Antwort des Regierungsrats ist jedoch zu entnehmen, dass er alles unter Kontrolle hat und aus seiner Sicht eine Sanierung wesentlich günstiger sein wird als ein

114 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Neubau. Zudem ist aus Sichtweise der Bieler Behörden eine Verlegung des Gymnasiums in ein anderes Zentrum von Biel nicht vorstellbar. Somit steht kein alternativer Standort zu Verfügung. Nicht zu vergessen sind die Menschen, die sich seit Jahren täglich in diesem Gebäude aufhalten müssen. Seit der Eröffnung beklagen sich diese über das Raumklima. Etliche Sanierungen und Verbesserungen wurden bereits durchgeführt, um die Situation für die Benutzer einigermassen erträglich zu machen. Das Gymnasium gleicht einem Flickwerk ohne Ende mit horrenden Unterhaltskosten. Zwar wurde das Gebäude von einem namhaften Architekten gebaut, vielmehr stellt es aber ein Denkmal für den ungebremsten Glauben an die Technik und ein Zeichen des Machbarkeitswahns aus dieser Zeit dar. Zu Recht wird von einer Funktionsruine gesprochen. Meiner Meinung nach muss Architektur den Bedürfnissen der Menschen und der Nutzbarkeit gerecht werden. Die Architektur muss heute ökologisch und ökonomisch vertretbar sein. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion unterstützt den Antrag des Regierungsrats in allen Punkten. Mit dem Bauentscheid vom 6. April 2011 hat der zuständige Regierungsstatthalter von Biel das Sanierungsprojekt bewilligt. Nach der Zeitplanung soll der Ausführungskredit Ende 2011 beantragt werden, damit Anfang 2013 mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Bis 2016 soll die Anlage etappenweise dem Betrieb übergeben werden. Unbestritten wurden in der Vergangenheit Fehler begangenen. Helfen Sie jedoch heute mit, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Verzögerungstaktik der unterschiedlichsten Kreise aus unterschiedlichsten Interessen zu stoppen. Schaffen Sie hier und heute die Voraussetzung für ein reifes Sanierungsprojekt, das so bald als möglich umgesetzt werden soll. Dies zum Wohle von über 1000 Schülerinnen und Schülern und ihrer Lehrpersonen des Gymnasiums Strandboden. Gestern wurde im Bieler Tagblatt das Ergebnis der Bauplanung wie folgt beschrieben: Sie sei richtig, nicht übertrieben, einfach und schön. Also packen wir es an und lösen die Probleme von gestern mit den Mitteln und Methoden von heute. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion bittet Sie, im Sinne der Regierung abzustimmen. Vizepräsidentin Therese Rufer-Wüthrich übernimmt den Vorsitz. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Les personnes de l extérieur, qui sont par exemple à la tribune, doivent bien se rendre compte que l affaire n est pas simple, qu il y a à mon avis aussi des points de vue qui peuvent être pris en compte chez les motionnaires. Il s agit maintenant de trouver une solution et je dirais en premier lieu une solution pour ceux qui vivent quotidiennement la situation. Depuis de trop nombreuses années, les conditions de travail des étudiants du Gymnase de Bienne sont déplorables. Cette situation est due essentiellement à la vétusté des bâtiments et à leur conception. Cela ne sert à rien de revenir en arrière et de faire des critiques par rapport à ce qui a été élaboré il y a un certain nombre d années. En été, la chaleur accumulée dans les dalles des toits ne peut s évacuer pendant la nuit, car le système de ventilation est insuffisant. Le matin, la température des salles de cours est encore trop élevée et il est impossible d aérer, parce qu il n y a pas de fenêtres. Pendant la journée, les stores intérieurs n empêchent pas le soleil de chauffer les locaux. En hiver, la mauvaise isolation des bâtiments ne permet pas d atteindre une température ambiante décente et, par grand froid, on est même contraint de prévoir un chauffage complémentaire mobile. Certains travaux ont dû être effectués sur les façades, parce que la sécurité des élèves risquait d être compromise. Un million de francs est dépensé par année pour couvrir les besoins énergétiques; plusieurs centaines de milliers de francs sont nécessaires à l entretien des bâtiments et des équipements techniques. Ce ne sont là que quelques exemples des problèmes posés par ces constructions aux utilisateurs. Le maintien et la stabilité du Gymnase de Bienne sur le site revêtent une importance cruciale pour les francophones de Bienne et du Jura bernois. De plus, le complexe abrite également le Gymnase du Seeland et des classes bilingues. Dans quelque temps, 1000 élèves devraient être rejoints par 200 étudiants alémaniques provenant du Gymnase des Tilleuls. Il est par conséquent clair qu un assainissement devra être complété par un agrandissement. A l heure où l on prône le bilinguisme, il est primordial que ces institutions soient très proches les unes des autres. Un concours d architecture, puis un second, ont permis d élaborer un plan d assainissement, ainsi qu un projet d agrandissement du Gymnase du Lac. Le droit de construire a été accordé par le préfet et le calendrier des travaux a été mis en place. Agrandissement et assainissement sont évalués à 80 millions, les travaux débuteraient en 2013 et se termineraient en Pour les Verts, l acceptation des motions Siegenthaler et Kronenberg mettrait en péril le projet, ce qui serait catastrophique pour l école. La construction d un nouveau complexe ailleurs induirait une dépense de près de 200 millions et ne résoudrait pas les problèmes posés par les anciens bâtiments. Ceux-ci, si l on veut éviter des frais d entretien considérables, devraient de toute manière être assainis. A cela, il faudra encore ajouter l investissement financier pour une étude de faisabilité. Comment pourrions-nous justifier auprès de la population un surcoût de 40 millions? J ai été rassuré par les propos d Andreas Blank et de quelques motionnaires, qui disaient qu il n était pas question de remettre le site de Bienne en question. A notre avis, le Gymnase doit rester bilingue et ne doit pas être délocalisé. Les Verts sont unanimes: l heure n est plus aux tergiversations! Repousser l échéance ne ferait qu aggraver la situation. Il faut assainir au plus vite ces bâtiments et procéder à leur agrandissement. En résumé, nous vous prions de suivre l avis du Conseilexécutif, en rejetant les motions Siegenthaler et Kronenberg, et en acceptant et classant les motions Moser et Sommer. Präsident Beat Giauque übernimmt wieder den Vorsitz. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Im Verlaufe der Diskussion hat man gemerkt, dass wir es mit einer ziemlich verfahrenen und komplexen Situation zu tun haben. Bevor ich die Würdigung der Sachlage aus meiner Sicht darlege, muss ich eine Interessenvertretung bekannt geben: Seit knapp einem Monat bin ich Geschäftsleitungsmitglied des Berner Heimatschutzes. Die Geschehnisse um dieses Geschäft studiere ich als interessierter Laie, so, wie Sie sicherlich auch. Als solcher las ich vergangen Dienstag den 7. Juni 2011 im «Bund» einen Artikel mit dem Titel: «Von Freuden und Leiden im Baudenkmal». Ein möglicher Titel wäre auch gewesen: «Von Freuden und Leiden einer Bau-, Verkehrsund Energiedirektorin». Die Geschichte des Gymnasiums Biel ist bereits alt und noch lange nicht zu Ende. Alle unumstrittenen Sachverhalte möchte ich kurz zusammenfassen. Der Standort des Gymnasiums: Die klimatischen Raumverhältnisse sind schlecht das wird sicherlich der Rektor Herr Cadetg, der auf der Tribüne sitzt, bestätigen. Jedoch darf an dieser Stelle nicht dramatisiert werden, es ist noch niemand im Gymnasium Biel erstickt. Des Weiteren ist die sehr schlechte Energieeffizienz unbestritten; das Gebäude aus den 70er-Jahren ist eine Energieschleuder und es besteht Konsens über den Handlungsbedarf. An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen festzuhalten, dass auch von Seiten der Architekten, welche die Interessen des Heimat-

115 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 555 schutzes vertreten, unbestritten ist, dass neu eine Dreifachverglasung notwendig ist, um das Raumklima zu verbessern. Laut Architekten wird so auch der Minergie-Standard erreicht. Ausserdem unbestritten ist, dass eine Sanierung nötig ist und dass das Gebäude in einem städtebaulich sehr sensiblen Kontext steht. Es ist absehbar, dass Interessengruppen wie der Bund schweizerischer Architekten und das Komitee «Rettet den Gymer Strandboden» weiter kämpfen werden. Das wird eine lange Auseinandersetzung mit sich bringen. Was ist bestritten? Auf die bestrittenen Kosten werde ich nicht mehr weiter eingehen, da ich nicht weiss, auf welche Zahlen ich mich verlassen kann. Bestritten ist zudem die juristische Würdigung des Schulhauses als Baudenkmal. Die Interessengruppe, die ich vertrete, ist über den Sieg eines Gerichtsweges sehr sicher und hat bereits entschieden, diesen auch zu gehen. Dadurch würde jedoch das Geschäft die politische Arena verlassen und den Rechtsweg beschreiten. Heute spreche ich weder als Architekt oder Ingenieur, die ich nicht bin, noch als Jurist, der ich eigentlich wäre, sondern als Politiker. Um Lösungen zu suchen ist ein Politiker darauf angewiesen, den Fachpersonen vertrauen zu können. Diesbezüglich sitzen wir Grossrätinnen und Grossräte im selben Boot mit der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Den uns gelieferten Zahlen der Experten müssen wir vertrauen können. Nun haben wir dieses Vertrauen nicht mehr. An Stelle der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin wäre ich mir der Vertrauenswürdigkeit ihrer Beraterinnen und Berater nicht mehr so sicher; in zu vielen Geschäften stimmten die Zahlen nachträglich nicht mehr. Ich verstehe jedoch, dass sie nicht bereit ist, die Verantwortung für die Sicherheit, eine weitere Verzögerung und für allfällige Abschreibungen der Planungskosten zu übernehmen. Diese Verantwortung tragen wir als Grossratsmitglieder. Deshalb bitte ich Sie, die Motion von Herrn Siegenthaler in Ziffer 1 und unsere Motion insgesamt zu unterstützen. Mit dem Weg, welchen die Fraktionssprecherin der SP- JUSO-PSA vorgeschlagen hat, wird das Geschäft auf den Rechtsweg übergehen. Dabei sind meist in erster Linie die Anwälte die Gewinner und alle anderen drohen Verlierer zu werden. Deshalb frage ich die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin nochmals, ob es nicht schlauer wäre, zum jetzigen Zeitpunkt ein unabhängiges Gutachten in Auftrag zu geben, als stattdessen auf den Auftrag durch das Verwaltungsgericht zu warten. Das hätte eine weitere Verzögerung und ein politisches Schwarzpeterspiel zur Folge. Zum Schluss bitte ich die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin mein Votum als ein Angebot für das Zusammensitzen an einem runden Tisch zu verstehen und nicht als ein Misstrauensvotum gegen sie. Zugegeben, es ist ein Misstrauensvotum gegen ihre Fachexperten, insbesondere gegen den Kantonsbaumeister; da stehe ich offen dazu. Ich hoffe sehr, dass wir noch einen Ausweg finden werden, sonst werden wir noch einige Male darüber diskutieren müssen. Pierre-André Geiser, Tavannes (UDC), Sprecher der Députation. Les motions demandent l interruption de la planification de l assainissement et de l agrandissement du complexe des Prés-de-la-Rive à Bienne, complexe qui abrite deux écoles, le Gymnase français de Bienne et le Seeland- Gymnasium Biel. La Députation francophone a analysé la situation de manière approfondie. Sur la base des informations obtenues, elle est arrivée à la conclusion que ces motions doivent absolument être rejetées. La Députation est d avis que l acceptation de ces motions mettrait gravement en péril le fonctionnement, l avenir et les possibilités de développement du Gymnase français de Bienne, ainsi que les possibilités de collaboration de cette école avec son homologue alémanique, à savoir le Seeland-Gymnasium, en particulier dans l organisation et la conduite de leur filière bilingue commune, une filière construite sur un modèle unique en Suisse et qui atteint un niveau de qualité inégalé. Or, le Gymnase français constitue pour la Députation une institution-clé pour la population francophone. Son existence et son développement sont prioritaires pour le Jura bernois et l ensemble des francophones du canton. La Députation ne voit aucune raison objective de stopper le projet en cours. Le scénario d une construction à neuf ailleurs induirait des coûts extraordinairement élevés et ce scénario plongerait le Gymnase français dans une situation d incertitude et de risques de blocage insensés, au vu de l état de délabrement des équipements techniques actuels et de l urgence d un assainissement profond. Dans ces conditions, la population francophone considérerait inévitablement la mise en péril de son école comme un affront incompréhensible. Notre position repose sur les considérations suivantes. Premièrement, il n y a aucune raison objective et rationnelle de stopper le projet au stade actuel. Le projet a rencontré des difficultés qui peuvent s expliquer; toutefois les conditions posées par le Grand Conseil lors de l octroi du crédit d étude à fin 2007 ont été respectées et les contraintes fixées ont été tenues. Le coût du projet reste en-dessous des deux-tiers du coût à neuf d un complexe scolaire équivalent. Le projet a avancé de manière régulière, l assainissement et la mise aux normes des bâtiments existants ont fait l objet d un concours. Les plans existants ont été publiés, le préfet a accordé le permis de construire et levé les oppositions déposées contre le projet. Le concours d architecture pour le complexe scolaire est terminé, le vainqueur a été désigné et la planification de cette deuxième partie du projet avance très rapidement. Les plans détaillés pourront être publiés dans les délais prévus, le crédit devrait pouvoir être soumis au Grand Conseil dès l automne de cette année. Les travaux devaient pouvoir débuter en 2013 et se terminer en Deuxièmement, un abandon du projet coûterait extrêmement cher et constituerait un gaspillage incompréhensible. Abandonner le projet et se tourner vers une nouvelle planification anéantiraient le travail et les fonds investis jusqu à présent, et conduiraient à un immense gaspillage. Les bâtiments existants resteraient et devraient être maintenus en fonction pour les écoles pour cinq à dix années, jusqu à la réalisation d un nouveau complexe scolaire ailleurs. Cela induirait des coûts très élevés et les frais en énergie des bâtiments existants se situent près du million, soit quatre à cinq fois plus que pour un bâtiment moderne ou assaini comparable. Les coûts pour assurer le maintien du bâtiment et des équipements techniques s élèvent eux aussi chaque année à plusieurs centaines de milliers de francs déboursés en pure perte. Les bâtiments existants devraient à terme de toute façon être assainis. La ville de Bienne n accepterait jamais de voir ces bâtiments aller à la ruine. Les raser et engazonner la zone signifierait l anéantissement de près de 50 millions de francs, la valeur actuelle des bâtiments, une destruction de valeur qui serait impossible à justifier auprès des citoyennes et des citoyens. Construire un nouveau complexe scolaire coûterait au bas mot 120 millions, au lieu des 80 millions qui constitue le plafond des coûts de l assainissement et l agrandissement du complexe actuel. Ce coût supplémentaire de 40 millions serait injustifiable. Un abandon du projet ferait peser des risques inacceptables sur les écoles concernées. L état des équipements techniques accroît mois après mois le risque d un grounding et d une fermeture provisoire des écoles, avec un impact sur la qualité et la formation de nos jeunes. Prolonger cette incertitude au-delà de ce qui est inévitable relèverait de la pure inconscience. La localisation actuelle de ce complexe scolaire est idéale, proche de la gare de Bienne et de son nœud ferroviaire, ce qui permet aux jeunes franco-

116 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie phones du Jura bernois et de Bienne, du Seeland et aussi de Berne et de sa couronne d atteindre leurs écoles de manière aisée et efficace. Cet avantage de site n est pas à négliger, il a notamment permis l implantation du Gymnase français, d une filière passerelle, de la maturité professionnelle à l Université, pour l espace Berne-Jura-Neuchâtel. Anéantir cet avantage porterait un coup très dur au Gymnase français et ce sans raison objective. Grâce à cette localisation, les deux cultures scolaires se rencontrent et se fructifient l une l autre. Elles peuvent le faire dans un échange égalitaire au sein de structures communes, mais en se basant sur des écoles indépendantes qui garantissent une assise clair à chacun d eux et à chaque groupe linguistique. Le canton de Berne ne peut pas se permettre de prendre le risque de détruire un tel équilibre. Sur la base de ces arguments, la Députation appelle instamment le Grand Conseil à rejeter les deux motions Siegenthaler et Kronenberg, afin d aller de l avant le plus rapidement possible dans ce projet et de soutenir ainsi le développement du seul Gymnase francophone du canton et de ses possibilités de coopération avec son école partenaire, le Seeland- Gymnasium Biel. Concernant la teneur de ces deux motions, la Députation demande le vote séparé pour ces deux motions. Präsident. Für die Geschäfte 55 und 56 wurde vote séparé verlangt. Béatrice Struchen, Epsach (UDC). Etant un des seuls membres qui va voter contre une réfection de ce gymnase, j aimerais déposer ici mon point de vue. Je ne reviendrai pas sur tous les désavantages de ce vieux bâtiment, car mes collègues motionnaires les ont mentionnés. J aimerais vous parler de trois points. Premièrement, concernant la Table ronde: j ai la vive impression que nous avons assez discuté sur ce projet. L intervention tout à l heure du député Brönnimann confirme ma position: il a parlé des affaires juridiques et a mentionné que le Grand Conseil devait faire attention. Les affaires juridiques, comme vous le savez, prennent énormément de temps. C est pourquoi il vaut mieux trouver un nouveau site et commencer de zéro. On a parlé du bâtiment actuel, mais pourquoi ne pas le vendre, vu la place à laquelle il se trouve? Ce serait peut-même encore meilleur marché d en faire cadeau, comme l a suggéré Ueli Spring. Vous le savez tous, Bienne est en manque d hôtels haut de gamme: pourquoi la ville n aurait-elle pas l occasion de faire un hôtel quatre ou cinq étoiles sur ce site? Je m adresse ici à mes camarades du Jura bernois: vous avez souligné que le bâtiment est très bien placé près de la gare. On va parler dans peu de temps d un campus, qui se trouve entre la gare et justement l actuel gymnase. Pourquoi ne pas trouver ici des synergies: on n aurait besoin que d une cantine, d une seule bibliothèque par exemple? On ferait là aussi des économies. Quand on a parlé au départ du site du campus, on a toujours entendu qu il y avait assez de place. Si le campus vient, on aura des synergies et s il ne vient pas, on a la place pour ce gymnase, à côté de la gare de Bienne. J aimerais encore préciser ici, en tant que membre de la Députation, que je me battrai bec et ongles pour que ce gymnase reste à Bienne et pour que ce gymnase continue à être bilingue. Elisabeth Hufschmid, Biel (SP). Zu Beginn muss ich meine Interessenbindung bekanntgeben. Ich bin Einwohnerin der Stadt Biel. Aus meiner Sicht steht das Gymnasium Biel an der schönsten Lage, an der sich eine Schule überhaupt befinden kann. Da ich weder Architektin noch Spezialistin für Finanzen bin, spreche ich als Bielerin zu Ihnen. Ein Standortwechsel des Bieler Gymnasiums ist kein Thema. Gemäss den Aussagen des Stadtpräsidenten ist es weder wünschenswert noch realisierbar. Auch ein Wegzug von Biel ist nicht denkbar. Das würde das Aufgeben des Gymnase française und der zweisprachigen Angebote bedeuten. Das Sanierungs- und Erweiterungsprojekt erfüllt die Anforderungen in Bezug auf die Behebungen der heutigen Mängel und respektiert den architektonischen Wert der Anlage hat der Kanton Bern gezwungenermassen die Schule übernommen. Ende 2007 bewilligte der Grosse Rat den Planungskredit. Bereits damals war ein Abbruch keine Alternative. Im April 2011 hat der Regierungsstatthalter die Baubewilligung erteilt. Nach der Zeitplanung soll der Ausführungskredit Ende 2011 beantragt werden, damit Anfang 2013 mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Bis 2016 soll die Anlage etappenweise dem Betrieb übergeben werden. Ich bitte alle Grossrätinnen und Grossräte nun endlich den Startschuss für die längst überfällige Sanierung zu erteilen, damit wir uns alle an der Eröffnungsfeier in Biel wieder treffen. Definitiv unbestritten ist der sanierungsbedürftige Zustand des Gebäudes und der Erneuerungsbau muss dringend erstellt werden. Die unzumutbaren Lernbedingungen müssen heute und nicht am «Sankt-Nimmerleins-Tag» verbessert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen ich bitte Sie, auf sämtliche Verzögerungs- und Verhinderungsmassnahmen zu verzichten, die Motionen von Herrn Siegenthaler und Frau Kronenberg abzulehnen und die Motionen von Herrn Sommer und Herrn Moser bei gleichzeitiger Abschreibung anzunehmen. Herr Siegenthaler sprach von städtebaulichen Fehlern, welche die Stadt Biel begangen hat. Es ist anmassend, ein Parlament derart zu kritisieren. Warum soll in Biel keine offene Schulanlage stehen, anstelle einer Reihe von Hotelkomplexen, so wie zum Beispiel in Luzern? Das Gelände kann so weiterhin von Jung und Alt, für Schul- und Freizeitangebote genutzt werden. Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung zu Frau Kronenberg: Am Treffen der parlamentarischen Begleitgruppe des Vereins Seeland-Biel/Bienne vom 27. Mai 2011, wurde laut Frau Kronenberg ohne Inhalt diskutiert. Damit hat sie sozusagen Recht, denn sie selbst hat kein einziges Wort gesagt und Herr Siegenthaler war nicht einmal anwesend. Pierre-Yves Grivel, Bienne (PLR). Je serai bref. En tant que Biennois francophone et Romand de surcroit, en tant qu enseignant aussi à l écoute des professeurs et des gymnasiens et par conséquent de mes anciens élèves en tant que conseiller de ville biennois, j aimerais dire ceci. Le site du Gymnase de Bienne est incontesté, il n y a pas de site de remplacement. J aimerais bien qu on ne mélange pas le gymnase avec le campus. Bienne, deuxième ville du canton et de surcroît bilingue dans un canton bilingue, qui a toujours défendu ce statut. On ne peut imaginer envoyer des Romands à Lyss, à Aarberg ou je ne sais où et on ne peut s imaginer séparer les deux gymnases, c est-à-dire séparer les langues. Nous sommes bilingues, nous avons besoin de l autre langue toute proche, nous avons une maturité bilingue au niveau des études. Je ne mélange rien et j avoue franchement que je ne suis pas un spécialiste ni de l architecture ni des finances. Par contre, comme député, je me dois de défendre les intérêts biennois et jurassiens-bernois et francophones pour un gymnase à Bienne, car finalement je suis ici grâce à eux et pour eux! 1200 élèves, 200 professeurs, c est l avenir des générations futures. Bienne est une ville de formation qui ne peut se passer de ces bâtiments. Il est impensable de les délocaliser. Chers collègues, allons de l avant et donnons-nous les moyens d une politique pour l avenir. Manfred Bühler, Cortébert (UDC). J ai eu personnellement le plaisir de vivre quatre années de ma formation dans ces bâtiments à Bienne, c était entre 1994 et 1998, il y a donc

117 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 557 quelques années de cela. La ventilation, le chauffage, trop chaud en été, trop froid en hiver: c étaient déjà des thèmes à l époque. Notre estimé professeur de géographie disait que la conformation énergétique du bâtiment était une catastrophe. Cela fait 15 ans, même beaucoup plus longtemps que l on sait cela. Il est temps que ce projet, qui n est pas parfait sous tous ces points, mais qui apporte de bonnes solutions à ces problèmes soit accepté. Lorsqu on nous parle d alternative, de chercher un autre endroit en ville de Bienne, je dois constater que les autorités biennoises elles-mêmes disent aujourd hui qu il n y a pas d alternative crédible et sérieuse. Si on doit rechercher un autre endroit, cela va prendre des années de recherche, de planification, nous ne les avons plus. Le fonctionnement de l école est véritablement en danger à nos yeux aujourd hui et je peux en témoigner à titre personnel. Même s il n est pas parfait, ce projet doit absolument être accepté et ces motions rejetées, pour ne pas créer des retards qui finalement friseraient l inconscience dans le contexte actuel. Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, in diesen sauren Apfel zu beissen. Es ist nicht einfach, aber die weniger schlechte Lösung. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Trotz der langen Einzelsprecherliste muss ich ans Rednerpult treten. Ansonsten wird mir Herr Siegenthaler in seinem Schlussvotum vorhalten, dass ich doch vor vier Jahren den Rückweisungsantrag unterstützt habe. Meine Damen und Herren, damals war für eine Rückweisung der richtige Zeigpunkt. Nun sind jedoch vier Jahre vergangen. Auch noch vor zwei Jahren hätte ich allenfalls der Sistierung dieser Planung zugestimmt. Damals gingen die Meinungen zwischen den Projektbeteiligten, den Lehrkörpern, dem Rektorat, dem Kanton und den Architekten sehr stark auseinander. Heute sind sich nun endlich alle Direktbeteiligten einig. Zum heutigen Zeitpunkt ist der Heimatschutz, ob berechtigt oder nicht, nebst den einzelnen Grossrätinnen und Grossräten die einzige Partei, die sich gegen das Projekt in dieser Form ausspricht. Herr Brönnimann warnt vor einem Rechtsstreit und möchte dieses Risiko nicht tragen. Ich, als Jurist, lebe von Entscheiden der Juristen, das stellt für mich kein Risiko dar. Vor genau drei Tagen wurde ich hier vorne am Rednerpult stark kritisiert: Was sich die FDP-Fraktion eigentlich erlaube, in einen ordentlichen Prozess der Finanzkommission einzugreifen und mit Ordnungsanträgen und Sondersessionen eine Übersteuerung zu wollen. Der Präsident der Finanzkommission hätte alle Möglichkeiten, mit der Finanzkommission in dieses Projekt Einfluss zu nehmen. Stattdessen liegt nun diese Motion vor; dieses Vorgehen erstaunt mich sehr. Es bleibt dabei: Es ist aus heutiger Sicht vielleicht schwer erklärbar, warum dieser hohe zweistellige Millionenbetrag investiert werden muss, aber alle anderen Varianten sind teurer. Ich komme zum Schlusssatz: Immer wieder habe ich gehört: «sprengen, flach machen». Doch darum geht es nicht. Sie haben keine Ahnung von der Bieler Stadtpolitik. Dort wird nie etwas anderes zu stehen kommen. Sie bauen einfacher ein Minarett auf der Rütliwiese als ein Hotel am Strandboden. Ich bitte Sie inständig, das Projekt nicht weiter zu verzögern. Wenn die Juristen die Verantwortung übernehmen wollen, das Projekt zu verzögern, dann sollen sie das tun. Aber wir, von der Politik aus, müssen im Interesse des Bildungsstandorts des Gymnasiums vorwärts machen. Wir Politiker sollten nicht die Verantwortung für eine weitere Verzögerung übernehmen; das wäre eine sehr schlechte Politik. Präsident. Ich bin froh, dass der FDP-Fraktionssprecher auch zum Ende seines zweiten Schlusssatzes gekommen ist. Sabine Kronenberg, Biel (glp). Ich habe nochmals tief durchgeatmet und mich wieder etwas beruhigt. Ich möchte nochmals betonen: Wenn die 2000 Franken, die der Antwort des Regierungsrats zu entnehmen sind, von Profis nachgerechnet werden, das Ergebnis 45 statt 60 Mio. Franken ergibt. Das steht unbeantwortet im Raum. Wenn wir heute dem Projekt zustimmen, das entgegen den Behauptungen die im Raum stehen bereits verzögert ist, entscheiden wir uns für eine 20-Mio.-Franken-Fassade, statt einer Dreifachverglasung, die den Minergie-P-Standard ermöglichen würde. Das wollte ich an dieser Stelle doppelt unterstreichen. Heinz Siegenthaler, Rüti b. Bern (BDP). Entschuldigen Sie bitte, dass ich vorhin zu lange gesprochen habe. Ich habe immer auf das Lämpchen geachtet, aber es hat nie aufgeleuchtet. Zu Herrn Kneubühler: Er hat sich getäuscht, ich hätte ihn nicht zitiert. Ich bin mir auch bewusst, dass vier Jahre vergangen sind und diese reuen mich ebenso. Aber das Votum bezüglich der Übersteuerung der Finanzkommission kann ich damit begründen, dass die Finanzkommission in den vergangenen vier Jahren mit der BVE in Kontakt gestanden ist. Wir haben Informationen erhalten, die uns nicht ganz zufriedengestellt haben. Ich habe meine Motion bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion angekündigt. Sie hat gesagt, wenn wir das wollen, sollen wir es rasch machen, damit endlich der Entscheid feststeht. Das ist auch der Hilferuf, von dem ich zu Beginn gesprochen habe. Jetzt stehen die Grossratsmitglieder in der Pflicht, darauf werde ich noch einmal zurückkommen. Ganz kurz zu einigen Stichworten, die gefallen sind: ein Baudenkmal, ein Zeitzeuge. Ich bin gespannt, wie mit den Baudenkmälern und Zeitzeugen umgegangen wird, über die im nationalen Parlament beschlossen wurde, dass sie in ein paar Jahren nicht mehr gebraucht werden und ob dann auch überall Denkmalgeschützte Atomkraftwerke herumstehen werden. Was an dem schönen Platz am See gemacht werden kann, beweisen andere Gemeinden. Sie haben zum Beispiel ein Kultur- und Kongresszentrum (KKL) an schönster Lage am See. Ein weiteres Stichwort war: Es hat überhaupt keinen Platz mehr in dieser Stadt Biel. In dem Fall wird es eine grosse Herausforderung für uns alle werden, den geplanten Campus in Biel zu unterstützen. Ein Argument dafür lautete, dass es in Biel noch sehr viel Land hat und die Mitkonkurrenten weniger haben. Nun höre ich hier, dass in Biel überhaupt kein Platz mehr vorhanden ist. Das erschüttert mich etwas, denn dann ist der Campus in Biel gestorben. Am meisten verwirrt haben mich die Voten, in denen von der Schule gesprochen wurde. Das ist ein Bauproblem und gehört in die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion. Das hat überhaupt nichts mit dem frankophonen Bildungsstandort des Gymnasiums Biel zu tun. Selbstverständlich bin ich der letzte, der sagt, dass keine vote separé stattfinden darf. Aber ich weiss den Grund dafür nicht: Der Bildungsstandort Biel und das Gymnasium werden durch meine Motion überhaupt nicht in Frage gestellt. Es geht nicht darum, das Gymnasium zu schliessen. An dieser Stelle benötige ich wahrscheinlich noch Nachhilfeunterricht. Der Grosse Rat kann nicht den Regierungsrat spielen. Er kann nicht planen und im Detail Aufträge erteilen. Wir sind verantwortlich dafür, die Gelder zu sprechen. Wir sind das finanzkompetente Organ, das heisst, wir müssen Ja oder Nein sagen zu einem Unternehmen oder einem Vorhaben. Ich als Laie, der weder Architekt, noch Planer ist, muss mich auf das mir Gesagte verlassen können. Wenn ich dieses Vertrauen nicht habe, dann bleibt mir nichts anderes übrig als Nein zu sagen und kein Geld zu sprechen. Genau das ist mein Problem, denn irgendwann wird es um den Ausführungskredit gehen, bei dem wir Ja oder Nein stimmen müssen.

118 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Präsident. Das Votum wurde auf die Sekunde genau beendet. Ich kann Herrn Grossrat Siegenthaler beruhigen: Da sich nicht alle Mitmotionäre zu einer Stellungnahme gemeldet haben, wurde dadurch sein Überziehen kompensiert. Nun wird sich als Mitmotionär Herr Blank äussern. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Besten dank für die Diskussion. Herr Siegenthaler hat es bereits gesagt: Das zweisprachige Gymnasium ist unbestritten, es soll zusammen bleiben. Alle Voten, die in diese Richtung zielten, waren überflüssig. Den Druck des Faktischen erleben wir hier zur Genüge. Wenn der Grosse Rat den Übungsabbruch beschliessen würde und dadurch eben der Druck des Faktischen geschaffen würde, dann bin ich sicher, dass auch die Stadt Biel plötzlich einen Standort für das Gymnasium finden würde. Ausserdem würde es mich dann interessieren, ob es nicht doch möglich wäre, die Gebäude abzureissen. Sie können nun heute die Motionen ablehnen, dann bleiben zwei Risiken bestehen: Das erste betrifft den juristischen Teil. Das zweite Risiko läge darin, eine kantonale Abstimmung zu bestehen, wenn die Widerstände in der Region wachsen und es zu einem Referendum kommt. J aimerais encore m exprimer sur le vote séparé. A mon avis, le vote séparé n est pas applicable ici, et ceci pour deux raisons. Premièrement, je trouve que le vote séparé n est pas applicable sur des motions, parce que les motions ne peuvent pas être changées. Tout ce que le vote séparé peut faire est de demander que le gouvernement reprenne l affaire, mais autrement. Deuxièmement, je conteste que la matière des motions soit vraiment appropriée pour le vote séparé. Dies vielleicht noch auf Deutsch: Ich bin der Meinung, dass die vote séparé nicht anwendbar ist. Erstens, weil sie auf Motionen nicht anwendbar ist wenn Sie das Grossratsgesetz und die Geschäftsordnung lesen, denn der Sinn der vote séparé ist, dass das Geschäft zurück in die Regierung geht und dort verändert wird. Aber eine Motion kann nicht abgeändert werden, darüber kann nur abgestimmt werden. Zweitens bestreite ich, dass es überhaupt ein Anwendungsfall für die frankophonen Interessen ist; höchsten Ziffer zwei der Motion von Herrn Siegenthaler. Ich weiss nicht, ob wir über dieses Kapitel noch eine separate Diskussion führen müssen. Ich bitte Sie, die Motionen anzunehmen. Präsident. Auf die Frage der vote séparé werden wir im Verlauf des Nachmittags eingehen. Möchte sich vor der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin eine weitere Motionärin oder ein weiterer Motionär zu Wort melden? Nein, das ist nicht der Fall. Der Motionär Herr Brönnimann möchte nach der Regierungsrätin seine Stellungnahme abgeben. Zu Beginn des Nachmittags wird die Regierungsrätin ihr Votum halten. Somit ist Frau Egger-Jenzer bis dahin entlassen. Die Grossratsmitglieder bitte ich jedoch, noch zu bleiben, denn nun werde ich über einiges informieren. Bezüglich der Sondersession Energie: Die Präsidentenkonferenz hat festgehalten, dass zu Beginn die Regierung eine Erklärung abgeben wird. Im Anschluss wird eine Grundsatzdebatte stattfinden. Bei dieser werden die üblichen Redezeiten von acht und vier Minuten gelten. Danach folgt die Behandlung der einzelnen Blöcke. Diesbezüglich liegt inzwischen ein Ordnungsantrag vor, der eine Änderung der Reihenfolge der Blöcke beantragt. Über diesen Ordnungsantrag werden wir noch befinden. Die Präsidentenkonferenz hat festgehalten, die Redezeit bei diesen Blöcken zu halbieren. Das heisst, dass bei den Motionen die Redezeiten von vier und zwei Minuten gelten. Bei Vorstössen mit gemeinsamer Beratung gilt das für das ganze Päckchen, aber innerhalb der Blöcke werden Motionen einzeln behandelt werden. Bezüglich der Interpellationen gelten die Grundsätze der reduzierten Debatte gemäss Art. 79a. Das zu den Redezeiten der Sondersession Energie von kommender Woche. Punkto Sondersession «Gesundheit und Finanzen» wird nächsten Mittwoch eine ausserordentliche Präsidentenkonferenz stattfinden, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden, damit Sie vor Ende der Session darüber informiert werden können. Nun gebe ich die Beschlüsse des Büros bezüglich der Dringlicherklärung der Vorstösse bekannt. Dringlicherklärung parlamentarischer Vorstösse Das Büro hat folgende Vorstösse dringlich erklärt: Geschäft Interpellation 191/11 Sommer, Wynigen (FDP). «Wirtschaftliche Bedeutung der RSE AG für das Emmental» Geschäft Interpellation 190/11 Haldimann, Burgdorf (BDP). «Verteilen der Gelder aus dem Spitalinvestitionsfonds; «Pferdewechsel während des Rennens?» Geschäft Interpellation 189/11 Grimm, Burgdorf (Grüne). «Wohin steuert der Regierungsrat das Regionalspitalzentrum Emmental RSE?» Geschäft Interpellation 188/11 Kummer, Burgdorf (SVP). «Wie sieht der Regierungsrat die Zukunft des Spitalwesens im Kanton Bern? Besteht eine interkantonale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Anpassung der kantonalen Gesetze?» Geschäft Interpellation 187/11 Friedli, Sumiswald (EDU). «Verwendung der Mittel aus dem Spitalinvestitionsfonds (SIF) / Auskapitalisierung der RSZ» Geschäft Interpellation 184/11 Zäch, Burgdorf (SP). «Warum ein gesundes Unternehmen behindern, statt zu fördern?» Geschäft Interpellation 183/11 Friedli, Sumiswald (EDU). «Verwendung der im Fonds für Spitalinvestitionen verbleibenden Mittel ohne Wettbewerbsverzerrung» Geschäft Motion 182/11 Pieren, Burgdorf (SVP). «Volle Transparenz bei der Kreditgewährung für Neubauten und Sanierungen zu Lasten des Fonds für Spitalinvestitionen» Geschäft Interpellation 179/11 Blank, Aarberg (SVP). «Personalgemeinkosten POM» Geschäft Motion 177/11 Müller, Bern (FDP). «Verbesserter Schutz bei Angriffen auf Staatsangestellte durch standardmässiges Schnellverfahren (Schnellrichter)» Geschäft Interpellation 176/11 Näf-Piera, Muri (SP). «Gelten beim plakatieren die Gesetze für alle?» Geschäft Interpellation 175/11 Näf-Piera, Muri (SP). «Sparen in Bildung und Kultur Wer ist betroffen?» Geschäft Interpellation 173/11 Jost, Thun (SVP). «Schaffen die SKOS-Richtlinien die richtigen Anreize?» Geschäft Motion 169/11 Meyer, Roggwil (SP). «Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: Untauglich!» Geschäft Motion 168/11 Etter, Treiten (BDP). «Neue Verhandlungen mit der SBB zum Kauf der Gebäude an der Hochschulstrasse 6 in Bern» Geschäft Interpellation 167/11 Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP). «Kostenprognosen für die neue Spitalfinanzierung ab 1. Januar 2011 Klärung der widersprüchlichen Angaben der Krankenkasse KPT und der Gesundheits- und Fürsorgedirektion» Geschäft Motion 166/11 Guggisberg, Ittigen (SVP). «Keine Kantonspolizistinnen und -polizisten ohne Schweizer Pass»

119 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 559 Geschäft Interpellation 161/11 Burren, Mittelhäusern (SVP). «Bezieht der KV-Verband Schweiz Gelder von Bund oder Kanton?» Geschäft Motion 160/11 Rösti, Kandersteg (SVP). «Gesamtbetrachtung der Nachhaltigkeit und Handlungsoptionen beim Hochwasser und Renaturierungsprojekt «Aarewasser» Geschäft Motion 159/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). «Die Rekrutierung von Schweizer Polizistinnen und Polizisten ist eine zwingende Staatsaufgabe» Geschäft Motion 150/11 Brönnimann, Mittelhäusern (glp). «Neue Eigentümerstrategie BKW» Geschäft Interpellation 145/11 Jenni, Oberburg (EVP). «Gibt es einen Notfallplan für das AKW Mühleberg?» Geschäft Motion 140/11 BDP (Riem, Iffwil). «Strukturverbesserung im Privatwald» Geschäft Interpellation 136/11 Jenni, Oberburg (EVP). «So kann es nicht weitergehen mit der Denkmalpflege» Geschäft Motion 134/11 Müller, Bowil (SVP). «Energie aus Aarewasser» Geschäft Motion 133/11 Moser, Biel (FDP). «Informationsplattform zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Geschäft Interpellation 129/11 Sollberger, Bern (glp). «Sicherung der ärztlichen Aus- und Weiterbildung mit der neuen Spitalfinanzierung» Geschäft Motion 126/11 Amstutz, Corgémont (Les Verts). «BKW unterstützt erneuerbare Energien». Geschäft Motion 125/11 Amstutz, Corgémont (les Verts). «Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien» Geschäft Motion 123/11 Wasserfallen, Hinterkappelen (SP). «Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG» Die Dringlichkeit folgender Vorstösse wurde abgelehnt: Geschäft Interpellation 194/11 Fuchs, Bern (SVP). «Mietobjekte der Fachhochschulen; Wieso werden nicht alle Kosten ausgewiesen.» Geschäft Interpellation 186/11 Friedli, Sumiswald (EDU). «Einfluss der PWC-Studie auf die Eigentumsstrategie der Regionalen Spitalzentren» Geschäft Interpellation 185/11 Lemann, Langnau (SP). «Wie kann eine flächendeckende Gesundheitsversorgung im Kanton Bern ohne die Landspitäler sichergestellt werden?» Geschäft Motion 180/11 Brand, Münchenbuchsee (SVP). «Aufsichtsrechtliche Anzeigen: Formlos, kostenlos, nutzlos?» Geschäft Motion 174/11 Näf-Piera, Muri (SP). «Kein Sparen in der Bildung!» Geschäft Motion 171/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). «Transparente Berichterstattung bei Delikten» Geschäft Motion 170/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). «Kein staatlich verordneter obligatorischer Sexualunterricht» Geschäft Motion 164/11 Graber, Horrenbach- Buchen (SVP). «Planung und Bau eines Windparks im Gebiet Honegg, Eriz» Geschäft Motion 163/11 Graber, Horrenbach- Buchen (SVP). «Bau von Windenergieanlagen in Wäldern und an Waldrändern» Geschäft Motion 158/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). «Der musische Bildungsauftrag muss erfüllt werden!» Geschäft Interpellation 155/11 Zuber, Moutier (PSA). «Volksabstimmung über die Vorschläge der interjurassischen Versammlung» Geschäft Motion 154/11 Gsteiger, Perrefitte (PEV). «Für eine interkantonale Jurabogenpolizei» Geschäft Motion 146/11 Brönnimann, Mittelhäusern (glp). «Zulassung von Berufsmaturanden an die PH Bern» Geschäft Motion 144/11 Rösti, Kandersteg (SVP). «Erleichterung der Nutzung sofort verfügbarer erneuerbaren Energien» Geschäft Motion 138/11 Luginbühl-Bachmann, Krattigen (BDP). «Fonds zur Förderung erneuerbaren Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz als Gegenentwurf zur Abschaffung der Handänderungssteuer» Präsident. Das Geschäft Motion 169/11 Meyer, Roggwil (SP) / Heuberger, Oberhofen (Grüne). «Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: Untauglich!» wurde traktandiert. Danke für das Ausharren in der Nachspielzeit und einen guten Appetit. Schluss der Sitzung um Uhr. Die Redaktorinnen: Larissa Steinhart (d) Catherine Graf Lutz (f) Anhang: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 548 hiervor. Geschäft /11 Dringliche Motion Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Gnägi, Jens (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Bonsack, Kallnach (EDU) Planungsstopp Gymnasium Biel Wortlaut der Motion vom 25. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert: 1. Die Planung zur Sanierung und zum Erweiterungsbau des Seeland-Gymnasiums Biel an der Ländtestrasse 8 14 zu stoppen. 2. Unverzüglich einen neuen Standort im Raum Biel-Seeland zu evaluieren um den benötigten Schulraum bereitstellen zu können. Begründung: Am 20. November 2007 hat der Grosse Rat einem Planungskredit zur Sanierung und zum Erweiterungsbau des Seeland- Gymnasiums zugestimmt. In der Debatte wurden schon damals verschiedene Befürchtungen geäussert, die dieses Vorhaben als unwirtschaftlich und schwer realisierbar kritisierten. Der Grosse Rat hat daher einstimmig einen Zusatzantrag der Steuerungskommission genehmigt. Dieser Antrag sieht vor, dass die Planung gestoppt wird, sollten während der Planungsphase Schwierigkeiten auftreten, die das Projekt verteuern würden. Nach damaligem Zeitplan sollte die Planung nach zwei Jahren abgeschlossen sein. Nun sind drei Jahre vergangen und ein Abschluss der Planung ist noch nicht absehbar.

120 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Diverse Projektänderungen führten zu dieser Verzögerung. So musste nach Vorgaben der Baudirektion im Jahr 2008 das ursprüngliche Projekt, das den Wettbewerb 2006 gewonnen hatte, durch das zuständige Architekturbüro in einen Holzbau umgeplant werden. Im Jahr 2010 musste das Projekt auf Grund verschiedener Einsprachen erneut abgeändert werden. Anstelle einer Aufstockung der bestehenden Gebäude wird nun ein grösserer Erweiterungsbau geplant. Der Regierungsrat hat dazu einen weiteren Architektur-Wettbewerb ausgeschrieben. Wie nun aus den Medien zu erfahren ist, wollen die Einsprecher an ihrem Widerstand festhalten und ihn nötigenfalls an die nächst höhere Instanz weiterziehen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten muss neben der zeitlichen Verzögerung, auch mit einer Verteuerung des ursprünglichen Projekts gerechnet werden. Damit wäre die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu einem Neubau nicht mehr gegeben. Aufgabe des Kantons ist es, genügend guten Schulraum an geeignetem Standort unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit zur Verfügung zu stellen. Beim Projekt Seeland- Gymnasium am jetzigen Standort sind diese Vorgaben nicht mehr erfüllt. Das Projekt, das von Beginn an umstritten war, steckt in grossen Schwierigkeiten bei der Planung. Bei der zeitlichen Verzögerung und der zu befürchtenden Verteuerung wäre es sinnvoller, die Planung zu stoppen und an einem anderen Standort im Seeland einen Neubau zu realisieren. (Weitere Unterschriften: 9) Geschäft /11 Dringliche Motion Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau Sistieren und aus Fehlern lernen Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, 1. jede weitere Planung des Projekts «Biel / Ländtestrasse 8-14; Seeland-Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» zu sistieren 2. eine kostenwahre Analyse aller bisher anfallenden und zukünftigen Kosten, des bisherigen Projektverlaufs und dessen Wirkung dem Grossen Rat zur Stellungnahme vorzulegen 3. innert schnellstmöglicher Frist eine absehbare und effiziente Lösung für die dringend benötigen Schulräume vorzuschlagen Begründung zu Punkt 1 und 2: Das Seelandgymnasium sollte heute schon dem Gymnasium Linde den Umzug an den See ermöglichen können. Offensichtlich ist ein Fortschritt dieses Projekts nicht in Aussicht. Dabei kam es auf verschiedenen Seiten zu Versäumnissen. 1 Diese sollen seitens des Bauherrn, des Kantons, im Sinne einer Evaluation von kantonalen Bauvorhaben aufgearbeitet und dargelegt werden, um in zukünftigen Projekten vorausschauender mit Nutzern, Finanzen und Ressourcen umzugehen. Es ist vorgesehen, die zu sanierenden Gebäude zuerst auszuhöhlen und dann wieder aufzurüsten. Es kursieren Zahlen zu den Kosten für die Sanierung von 75 Mio. Franken und für 1 Vgl. verschiedene Motionen zum Projekt, in: sowie Medienmitteilung des Kantons Bern, in: Zugriff am den Neubau von 109 Mio. Franken, mal abgesehen von den zusätzlich anfallenden Kosten inzwischen. 2 Vergleichbare Gebäudestrukturen, das BASPO (Bundesamt für Sport) in Magglingen sowie der Neubau der BFB (Bildung Formation Biel/Bienne) am Walserplatz in Biel, konnten fristgerecht und viel kosten- und nutzergerechter umgesetzt werden. 3 Dabei war die Ausgangslage des BASPO beispielsweise denkbar schlecht: Schlechterer Zustand und bei den Nutzern noch unbeliebter als das Gymnasium in Biel. 4 Begründung zu Punkt 3: Seit 2000 nach der Kantonalisierung der Gebäude wurde zugewartet, erst 2007 kam der Baukredit in den Grossen Rat, die Baueingabe erfolgte unüblicherweise erst 5 Jahre später. Dabei anfallende, jährliche Energiekosten bewegen sich im Bereich etwas unter einer Million (2009 waren es beispielsweise CHF 5 ). Einbezug dieser Kosten in die Gesamtkosten entspricht dem Prinzip der Kostenwahrheit, und hierbei handelt es sich, aufgrund der wie auch immer begründeten Wartezeit, keineswegs um übliche Instandhaltung. 6 Die Nutzer des Gymnasiums brauchen jetzt eine wirtschaftliche und effiziente Lösung für die Schulräume. (Weitere Unterschriften: 9) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Vorgehen bei kantonalen Bauvorhaben am Beispiel des Projekts «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» Wortlaut der Interpellation vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten: 1. Warum liess sich das BASPO (Bundesamt für Sport, Magglingen) einvernehmlich mit verschiedensten Partnern nachhaltig sanieren und das Seeland-Gymnasium Biel nicht? 2. Wie kommt es zu dieser Konfliktsituation? Was ist hier der Beitrag seitens BVE? 3. Wie lässt sich solches Vorgehen inskünftig vermeiden und standardisieren? Begründung: Wie aus verschiedensten Anfragen beim BVE sowie aus den Medien vernehmlich ist, hat das Projekt «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland-Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» einen schwierigen Stand. 7 Das Beispiel BASPO (Bundesamt für Sport, Magglingen) zeigt an einem gleichen Gebäude, mit gleicher, wenn nicht 2 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern, Jahrgang Dokumentation der ausführenden Architekten, in: Zugriff am BBL(Hrsg.), Magglingen, BASPO, Hochschule Hauptgebäude, in: =de und g=de, Zugriff am Freundlich zur Verfügung gestellt von ESB Biel/Bienne, Oktober Jürg Zulliger, Kostenwahrheit für Bauprojekte. Baubegleitendes Facility Management optimiert Lebenszykluskosten, in: wohnen (2010/11), Zürich Vgl. verschiedene Motionen zum Projekt, in: sowie Medienmitteilung des Kantons Bern, in: Zugriff am

121 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 561 schlechterer Nutzersituation, dass in der Zusammenarbeit mit Partnern der Bauherrschaft ein Potential vorhanden ist. Der Bund machte sich dieses zunutze. Der Kanton im vorliegenden Fall nicht. Wie kommt es dazu? Die Gebäude des BASPO sind 1970 in den Fels des Juras in Hanglage gebaut worden. Ein vergleichbar schwieriges Gelände, wie der Untergrund, in den die Gebäude des Seeland- Gymnasiums am See 1981 eingelassen wurden. Ebenfalls ähnlich sieht die Situation seitens der Nutzenden aus; wie das Gymnasium heute leider immer noch, waren die BASPO-Gebäude aufgrund veralteter Klimatechnik nicht nur energieineffizient in höchstem Masse, sondern sorgten auch für gesundheitliche Schwierigkeiten und Einschränkungen. Wie auch im BASPO ehedem, sorgt beim Gymnasium der Rasterbau für eine schwierige räumliche Aufteilung, die sich selbst im Brandschutz auswirkt. Beim BASPO wurde jedoch gerade durch eine Zusammenarbeit mit denkmalschützerischen Vereinigungen eine Regelung gefunden, die ohne diese Zusammenarbeit nicht zustande gekommen wäre und ein Vielfaches an Mehrkosten verursacht hätte. 8 Ausserdem war vor der Sanierung des BASPO der Zustand des Gebäudes noch schlechter als beim Gymnasium am See: Die Fenster waren undicht, die elektronischen Installationen teilweise unsicher und die Räume hoffnungslos überbelegt. Lange ging man seitens der Bauherrschaft deshalb davon aus, es sei ein zusätzlicher Bau nötig, was sich in der zeitgemässen Sanierung mit besserer Raumausnutzung als obsolet erwies. Heute steht die Akzeptanz des Gebäudes ausser Frage.9 Solch ein Szenario ist für das Seelandgymnasium denkbar, handelt es sich schliesslich um dieselbe Bausubstanz, von demselben Architekten. Was hindert ein einvernehmliches Vorgehen, wie es bei Sanierungs- und Bauvorhaben dieser Grössenordnung üblich ist? Ziel der BVE sollte doch sein, solche Prozesse koordiniert abzuwickeln wozu gerade im Bauwesen auch Schwierigkeiten gehören und dabei Betriebs- und Bewirtschaftungskosten dauerhaft zu senken, Fixkosten zu flexibilisieren, die technische Verfügbarkeit der Anlagen zu sichern sowie den Wert von Gebäuden und Anlagen langfristig zu erhalten. Hier geht es um Nachhaltigkeit die Strategie, durchaus gebräuchlich bei Spekulanten und Privaten, Gebäude verfallen zu lassen, um dann leichtfertig zu einem Neubau zu kommen, sollte keine Strategie des Kantons sein. 10 (Weitere Unterschriften: 12) Geschäft /11 Motion Moser, Biel (FDP) / Sommer, Wynigen (FDP) Informationsplattform zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Wortlaut der Motion vom 31. März 2011 Der Regierungsrat wird gebeten, unverzüglich zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» eine «Informationsplattform» einzuberufen. 8 VBS/ew, Hochschulhauptgebäude eingeweiht, in: PVB, Nr.19, 98. Jahrgang, BBL(Hrsg.), Magglingen, BASPO, Hochschule Hauptgebäude, in: =de und g=de, Zugriff am Jürg Zulliger, Kostenwahrheit für Bauprojekte. Baubegleitendes Facility Management optimiert Lebenszykluskosten, in: wohnen (2010/11), Zürich Daran teilnehmen sollten alle involvierten Fachkreise, Benutzer, Standortgemeinde, Kantonsbehörden und Vertreter der im Grossen Rat vertretenen Parteien. Aufgabe dieser Plattform ist es, die gegenseitige Information zu verbessern und Misstrauen abzubauen, um damit ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Ziel ist es, das genannte Projekt unverzüglich umzusetzen, um den Schülern und Lehrern möglichst rasch adäquate Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Begründung: An dieser Informationsplattform gehören alle Fakten auf den Tisch, wie z. B. die hohen Energiekosten (im sanierten Projekt liessen sich die jährlichen Energiekosten von heute rund 1 Mio. auf Franken senken), die überproportionalen Unterhaltskosten sowie die «einmaligen» Investitionskosten (die notwendig sind, damit der Betrieb überhaupt aufrechterhalten werden kann so müssen Franken in die Klimaanlage investiert werden, die aber nach der Sanierung nicht mehr gebraucht werden kann). Es gilt alles zu unternehmen, damit die letztlich Leidtragenden (Schüler und Lehrer) möglichst rasch von einer angemessenen Infrastruktur profitieren können. Ein Planungsstopp und eine Suche nach einem neuen Standort sind nicht zielführend, dauern zu lange, sind mit den gleichen Problemen (wie Einsprachen) behaftet und werden im Endeffekt kaum günstiger (kommt hinzu, dass der Kanton dann immer noch Besitzer eines sanierungsbedürftigen Gebäudes wäre...). Ein anderer Standort als Biel würde heissen, dass man keine zweisprachige Bildungsstätte mehr will! (Weitere Unterschriften: 0) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die Schulanlage Strandboden in Biel wird vom Seeland Gymnasium und dem Gymnase français genutzt. Sie ist eine der grössten Anlagen für Mittelschulen im Kanton. Die räumlichen Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen sind seit längerem sehr schlecht und müssen dringend verbessert werden. Deshalb sind ein Sanierungsund ein Erweiterungsprojekt in Erarbeitung, wofür der Grosse Rat Ende 2007 einen Projektierungskredit von 4,5 Mio. Franken bewilligt hat. Dies unter anderem mit der Auflage, das Projekt müsse im Vergleich zu einem Neubau wirtschaftlich sein. Mit Bauentscheid vom 6. April 2011 hat der zuständige Regierungsstatthalter von Biel/Bienne das Sanierungsprojekt bewilligt. Nach der Zeitplanung soll der Ausführungskredit Ende 2011 beantragt werden, damit Anfang 2013 mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Bis 2016 soll die Anlage etappenweise dem Betrieb übergeben werden. Die eingereichten dringlichen Vorstösse sowie die vorgängig eingereichte Motion Sommer (168/10) verlangen eine sofortige Sistierung beziehungsweise einen Stopp der Projektierung, zumindest bis die Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit des Projekts feststehe oder wenn sie in Frage gestellt wäre. Dabei wird namentlich auch nach den Gründen für den öffentlich gewordenen Widerstand gegenüber dem Projekt gefragt. Bevor die einzelnen Vorstösse konkret beantwortet werden, sollen nachfolgend die Gründe für das Projekt, das Vorgehen, das Projekt selbst, die Kosten und die Kritikpunkte kurz dargestellt werden: Gründe für die Sanierung und Erweiterung Die Schulanlage Strandboden in Biel wurde in den Jahren 1975 bis 1982 gebaut und 1998 vom Kanton übernommen. Sie besteht aus einem Ensemble von vier Schulgebäuden und wurde vom bekannten Bieler Architekten Max Schlup entworfen. Die Anlage gilt als ein wichtiges Beispiel des zeitgenössischen Bauens. Heute befinden sich die Gebäude in

122 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie einem sehr schlechten baulichen Zustand. Die Fassaden zerfallen und mussten behelfsmässig gesichert werden, nachdem zentnerschwere Stahlplatten herunter gefallen waren. Die Unterkonstruktion der Fassaden rostet. In den Gebäuden führt der für heutige Bedürfnisse ungenügende Schallschutz zu massiven Störungen und Einschränkungen des Unterrichts. Brandschutz und Sicherheit entsprechen nicht mehr den geltenden Vorschriften und können ohne grundlegende Massnahmen nicht angepasst werden. Als besonders problematisch und in Teilen unzumutbar erweisen sich die klimatischen Verhältnisse. Die Fenster können nicht geöffnet werden und ein wirksamer Sonnenschutz fehlt. Mit einem enormen energetischen Aufwand, der Kosten von rund 1 Mio. Franken pro Jahr verursacht, wird versucht, die negativen Auswirkungen im Sommer und Winter in erträglichen Grenzen zu halten. Die Haustechnik ist jedoch völlig veraltet und kaum noch reparierbar. Die ausserordentlich hohen Unterhaltsmassnahmen verschlingen pro Jahr rund Franken und verlangen ein hohes Mass an Improvisation. Nebst den dringend erforderlichen Sanierungsmassnahmen sollen mit einem Erweiterungsbau zusätzliche Flächen geschaffen werden, damit die 2005 zum Seeland Gymnasium fusionierten Bieler Gymnasien «Linde» und «Deutsches Gymnasium» auch örtlich zusammengelegt werden können. Dies ermöglicht die Zusammenführung der berufsvorbereitenden Schuljahre in der Schulanlage Linde und die Aufgabe eines Mietobjekts. Das Vorgehen Im Interesse eines sorgfältigen Umgangs mit der bestehenden Architektur hat das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) im Jahr 2005 einen vom SIA genehmigten Projektwettbewerb lanciert. Die Jury setzte sich zusammen aus Vertretern der Schule, der Stadt und des Kantons und ausgewiesenen Architektinnen und Architekten. Ebenfalls in der Jury vertreten war die Kantonale Denkmalpflege. Da gewisse Mängel im Betrieb direkt mit der spezifischen Bauweise der bestehenden Bauten zusammenhängen, war von Anfang an klar, dass Zielkonflikte zu bewältigen sein würden. Der aus 22 Projekten ausgewählte Lösungsvorschlag wurde unter Leitung der Jury einer zweimaligen intensiven Überarbeitung unterzogen. Damit wurde eine sehr detaillierte Qualitätssicherung erreicht. Die Aufgabenstellung beinhaltete insbesondere, dass die heute vollklimatisierten Gebäude nach der Sanierung öffenbare Fenster und einen wirksamen Sonnenschutz haben sollten, um eine natürliche Belüftung und Beschattung zu ermöglichen. Damit die Lösung auch gestalterisch überzeugt, wurde grossen Wert auf die enge Begleitung durch die Jury gelegt. Das Projekt Das Projekt sichert der Schule innert nützlicher Frist eine Zukunft als Bildungsstandort, behebt die baulichen und betrieblichen Mängel, schafft die räumlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der schulischen Entwicklung und geht respektvoll mit dem architektonischen Erbe um. Konkret sieht das Projekt vor, dass die bestehenden Volumen ihre Formen und ihren Charakter behalten. Es sind weder Annoch Aufbauten vorgesehen. Die bestehenden Gebäudehüllen werden so erneuert, dass die funktionalen, technischen, energetischen, sicherheitsmässigen und klimatischen Anforderungen erfüllt werden. Gleichzeitig bleiben die wesentlichen Elemente des ästhetischen Ausdrucks erhalten. Der Erweiterungsneubau wird am Rand der Anlage platziert. In ihm werden die Naturwissenschaftsräume zusammengefasst. Das entlastet die Umbauansprüche im Innern der bestehenden Gebäude und wirkt sich sowohl betrieblich als auch finanziell günstig aus. Die architektonische Gesamterscheinung bleibt erhalten. Ebenso erhalten bleibt die Innenraumkonzeption mit ihren charakteristischen offenen Hallen, Treppenanlagen und Erschliessungszonen. Unverzichtbar sind allerdings wesentliche brandschutztechnische Massnahmen bei den Trennwänden. Indem die Trennwände durch neue ersetzt werden, können sowohl die Anforderungen des Brandschutzes als auch der Schalldämmung zwischen den Räumen erfüllt werden. Wesentlich ist dabei, dass auch mit den neuen Trennwänden die optische Leichtigkeit des Innenraums erhalten bleibt. Zwingend erforderlich ist eine neue Gebäudehülle, die klimatisch grundlegend bessere Voraussetzungen schafft. Die Fenster müssen sich öffnen lassen, damit eine natürliche Nachtauskühlung möglich wird. Ebenso unverzichtbar ist ein wirksamer Sonnenschutz. Die bestehende Haustechnik wird durch eine im Betrieb wesentlich sparsamere Lösung ersetzt. Das Sanierungsprojekt des Architekten Alexander Maier respektiert die Architektur der bestehenden Bauten und erfüllt die heutigen Anforderungen bestmöglich. Für den Erweiterungsneubau liegt ein von der Jury genehmigtes Projekt vor, das sowohl die baurechtlichen als auch die finanziellen Rahmenbedingungen einhält. Das Erweiterungsvolumen wurde durch eine dichte Belegung der bestehenden Bauten möglichst klein gehalten. Zu den Kosten Nach den heute vorliegenden Berechnungen werden die Gesamtkosten des Sanierungs- und Erweiterungsprojekts rund 90 Mio. Franken betragen (Kostenstand April 2010). Die Kosten wurden durch den Projekt verfassenden Generalplaner Maier Hess Architekten, Zürich, detailliert berechnet und vom Büro für Bauökonomie, Luzern, kontrolliert. Die Gesamtkosten für einen Neubau würden mehr als 150 Mio. Franken betragen. Hinzu kämen die Landkosten von Mio. Franken. Das Sanierungs- und Erweiterungsprojekt verursacht somit Kosten, die deutlich unter dem Grenzwert von zwei Dritteln der Neubaukosten liegen. Übersicht (Index April 2010) Projekt Sanierung Erweiterungsbau Neubau Baukosten 58,2 Mio. Franken 15,3 Mio. Franken 120 Mio. Franken Gesamtkosten (inkl. prov. Landerwerb, Ausstattung und 13 % Reserven) 88 Mio. Franken Mio. Franken Die Kostenangaben zum Sanierungs- und Erweiterungsprojekt weisen eine Genauigkeit von + 8 % / -15 % auf. Die Neubaukosten sind nach den Standardinvestitionskosten des AGG geschätzt und haben eine Genauigkeit von + / -30 %. Die jährlichen Energiekosten können nach den Sanierungsmassnahmen massiv von heute 1 Mio. Franken auf Franken gesenkt werden. Beim Vergleich der Sanierungs- und Erweiterungskosten mit den Neubaukosten ist zudem zu berücksichtigen, dass auch bei einem Neubau an anderer Lage Kosten für die bisherigen Gebäude am Strandboden anfallen würden, unabhängig davon, welchen neuen Nutzungen sie zugeführt würden. Kritikpunkte und Projektanpassungen Der Heimatschutz, der Bund Schweizer Architekten, die SIA- Regionalgruppe Biel-Seeland und das Architekturforum Biel haben mit Schreiben vom Mai 2010 das Projekt und in Teilen auch das gewählte Vorgehen kritisiert. Gefordert wurde insbesondere ein konsequenterer Erhalt der Originalmaterialen sowohl aussen (Fassaden, Fenster etc.) als auch in den Gebäuden (zum Beispiel Trennwände), ein Verzicht auf Attikabauten und die Durchführung eines öffentlichen Projekt-

123 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Morgen 563 wettbewerbs nach SIA Normen für den Erweiterungsbau. Aufgrund der Einwände wurde auf zwei Forderungen eingegangen: Auf die moderaten Erweiterungen der bestehenden Attikaaufbauten wurde verzichtet und für den Erweiterungsneubau wurde ein SIA-Wettbewerb durchgeführt. Trotz dieser Anpassungen hat der Heimatschutz gegen das Baugesuch für die Sanierung Einsprache erhoben und gegen den Baubewilligungsentscheid vom 6. April 2011 Beschwerde eingereicht. Kritisiert wird das Sanierungsprojekt auch von einem eigens gebildeten Komitee «Rettet den Gymer Strandbode!». Deren Anliegen decken sich weitgehend mit den in der abgewiesenen Einsprache formulierten Einwänden. Im Vordergrund steht die Auffassung, dem architektonisch bedeutsamen Gebäudekomplex werde bei der Sanierung zu wenig Respekt entgegen gebracht haben die Bieler Stimmberechtigten in einer Volksabstimmung über den Standort des Gymnasiums am Strandboden entschieden. Die Seeuferzone im Strandboden sollte durch die Schule aufgewertet werden. Die Tatsache, dass rund die Hälfte des Gebäudevolumens unterirdisch bewältigt werden musste und die heute charakteristischen oberirdischen Trakte möglichst leicht erscheinen sollten, zeigt, dass der Standort nicht unbestritten war. Mit dem nun vorliegenden Sanierungs- und Erweiterungsprojekt wird die Schulanlage mit ihren Besonderheiten den zukünftigen Generationen erhalten. Die Architektur bleibt in ihren wesentlichen Zügen gewahrt und die Schule hat einen zukunftstauglichen Standard. Zu den Vorstössen Motion 085/11 Siegenthaler: «Planungsstopp Gymnasium Biel» Der Regierungsrat lehnt einen Planungsstopp ab. Das weit fortgeschrittene Sanierungs- und Erweiterungsprojekt wird allen definierten Anforderungen gerecht: Es schafft die dringend notwendigen Verbesserungen und Erweiterungen für den Schulbetrieb, es wahrt die architektonische Gesamterscheinung aussen und innen, es erfüllt die gesetzlichen Bauvorschriften und es lässt sich viel rascher und kostengünstiger realisieren als eine Neubaulösung. Demgegenüber hätte eine Neubaulösung massive finanzielle und terminliche Folgen. Das beinahe ausführungsreife Projekt müsste aufgegeben werden, ein neuer Standort wäre zu suchen und zu kaufen und die Projektarbeiten müssten neu beginnen. Leidtragende wären in erster Linie die Schülerinnen und Schüler und das Lehrkollegium, aber auch die Bieler Bevölkerung. Zudem wäre völlig unklar, was mit den Gebäuden der Schulanlage Strandboden in diesem Fall geschehen soll, und welche Folgekosten entstehen würden. Antrag: Ablehnung. Motion 101/11 Kronenberg: «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau Sistieren und aus Fehlern lernen» Der Regierungsrat lehnt eine Sistierung des Projekts ab. Entgegen der Annahme der Motionärin kommen die Projektierungsarbeiten gut voran und sind weitgehend abgeschlossen. Das Sanierungs- und Erweiterungsprojekt behebt die heutigen Mängel, macht die Schule zukunftstauglich und respektiert gleichzeitig den architektonischen Wert der Anlage. Obwohl die heute veranschlagten Gesamtkosten gegenüber dem im Hinblick auf den Projektierungskredit einstweilen geschätzten Richtbetrag höher sind, liegen sie nach wie vor deutlich unter den theoretischen Neubaukosten. Für die Kostenzunahme seit den Schätzungen von 2006 sind nebst der eingetretenen Teuerung die folgenden Gründe zu nennen: Erforderlicher Flächenzuwachs um 2500 m 2 (nach bereinigtem Bedarf aufgrund der Detailplanung), grundlegende Überarbeitung des Erweiterungsbauprojekts über einen zusätzlich durchgeführten Projektwettbewerb, höhere Kosten für die Ausstattung und Erhöhung der Reserven auf die üblichen 13 Prozent. Die Kosten wurden mit besonderer Sorgfalt und einer hohen Genauigkeit detailliert berechnet, kontrolliert und plausibilisiert. Sie brauchen daher aus Sicht des Regierungsrates nicht weiter analysiert zu werden. Das Projekt entspricht nach wie vor und uneingeschränkt den im Grossratsbeschluss zum Projektierungskredit formulierten Auflagen. Ein Kostenvergleich mit dem erwähnten Gebäude des Bundesamts für Sport in Magglingen ergibt im Übrigen, dass dort die Gebäudekosten pro m 2 Geschossfläche um 20 Prozent höher sind. Die nun vorliegenden Projekte, sowohl für die Sanierung als auch den Erweiterungsbau, überzeugen in jeder Hinsicht und der Regierungsrat sieht keinen Bedarf für neue Lösungen. Antrag: Ablehnung. Interpellation 102/11 Kronenberg: «Vorgehen bei kantonalen Bauvorhaben am Beispiel des Projekts Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» Zu den Fragen 1 bis 3 Ein Vergleich mit dem 1970, ebenfalls nach Plänen von Max Schlup, erstellten und 2010 sanierten Hauptgebäude des Bundesamtes für Sport (BASPO) in Magglingen ergibt folgendes Bild: Beim Projekt des BASPO wurde das gesamte Objekt bis auf die Tragkonstruktion zurückgebaut. Wiederverwendet wurden im Wesentlichen nur die Fassadenbleche aus dem heute kaum mehr zum Einsatz kommenden von Natur aus rostigen Cortenstahl. Im Innern wurde die bestehende Raumsituation ganz wesentlich verändert, indem die Decken wuchtig ausgeschnitten wurden, weil grosse Teile des Gebäudes zu dunkel waren. Die Eingriffe waren somit viel einschneidender. Dass das Projekt Strandboden trotzdem auf mehr Widerstand stiess, hat weniger mit dem gewählten Vorgehen, als vielmehr mit dem hohen architektonischen Stellenwert und dem prominenten Standort des Gebäudeensembles zu tun. Die Modernisierung einer solchen Schulanlage kann nicht konfliktfrei bleiben. Eine Schulanlage muss die funktionellen Anforderungen die sich im Verlauf der Zeit ändern erfüllen, sonst sind Zweck und Sinn der Bauten in Frage gestellt. Deshalb können und sollen bei diesem Projekt nicht alle partikulären Anliegen erfüllt werden. Das gewählte partizipative Verfahren war in jeder Hinsicht ausgewogen und angemessen. Der Regierungsrat sieht keinen Anlass, das gerade für dieses Projekt überaus sorgfältig gewählte Vorgehen grundsätzlich in Frage zu stellen. Wegen der sehr speziellen Bedingungen eignet es sich auch nicht, um daraus Lehren für ein standardisiertes Vorgehen ziehen zu wollen. Motion 133/11 Moser: «Informationsplattform zum Geschäft Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Der Regierungsrat befürwortet die Schaffung von Informationsplattformen, wenn sie geeignet sind, allfällige Informationslücken zu schliessen und gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion hat die Anregung sofort aufgenommen und die relevanten beteiligten Parteien Anfang Mai 2011 zu einer Informationsplattform eingeladen. Antrag: Annahme unter gleichzeitiger Abschreibung.

124 Juni 2011 Morgen Bau, Verkehr und Energie Geschäft /10 Motion Sommer, Wynigen (FDP) / Moser, Biel (FDP) Sanierung Gymnasium Strandboden Biel Wortlaut der Motion vom 14. September 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt: 1. Beim lancierten Wettbewerb für den Erweiterungsbau dafür zu sorgen, dass dieser die heute bekannten berechneten Gesamtkosten für Sanierung und Erweiterungsbauten, rund 2/3 eines Neubaus, einhalten kann. Es dürfen keine Mehrkosten entstehen. 2. Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion wird beauftragt, die laufende Projektierung sofort zu stoppen, wenn die erwarteten Gesamtkosten für Sanierung/Erweiterungsbau den Betrag von 2/3 eines Neubaus übersteigen und sich herausstellt, dass sich eine Sanierung/Erweiterung gegenüber einem Neubau als unwirtschaftlich erweist. 3. Bei einem Projektierungsabbruch ist das zuständige Organ zu informieren und in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden eine neue Standortbestimmung vorzunehmen. Begründung: Bereits anlässlich der Debatte «Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» für das Seeland-Gymnasium Biel wurde im November 2007 die Frage gestellt, ob der gänzliche Neubau des Gymnasiums an einem andern Standort letztlich nicht wirtschaftlicher wäre als die geplante Sanierung der bestehenden Schulanlage mit einem neuen Erweiterungsbau. Schliesslich wurde ein Rückweisungsantrag abgelehnt, aber Zusatzanträge der damaligen Steuerungskommission sowie der FDP angenommen: Es wurde eine Standortbestimmung verlangt, wenn sich die Gesamtkosten der Sanierung/Erweiterung derart an die Neubaukosten annähern sollten, dass ein Neubau letztlich wirtschaftlicher wäre. Nun wurde bekannt, dass auf grossen Druck des (lokalen) Heimatschutzes sowie lokaler und kantonaler Planungsverbände für den geplanten Erweiterungsbau zusätzlich noch ein umfassender SIA-Wettbewerb durchgeführt werden muss. Wir befürchten, dass als Folge dieses Wettbewerbs höhere Planungs- und Realisierungskosten das Kostenverhältnis zwischen der Variante Sanierung/Erweiterung und der Variante Neubau zugunsten der letzteren verändern. (Weitere Unterschriften: 11) Zu Punkt 2+3 Sollte sich in der oben erwähnten Einschätzung etwas ändern, würde die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion unverzüglich die laufende Projektierung stoppen und die zuständige Finanzkommission informieren. Die Regierung möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass der verlangte Kostenvergleich zwischen dem aktuellen Projekt und einem entsprechenden Neubau nicht auf der Basis von Gesamtkosten erfolgen kann. Massgebend für einen solchen Vergleich sind die effektiven Baukosten. Dies deshalb, weil beispielsweise Landerwerb, Provisorien und Ausstattung nicht direkt vergleichbar sind. Der Regierungsrat basiert deshalb den Vergleich auf der Basis der Baukosten und geht davon aus, dass auch der Grosse Rat einen Kostenvergleich auf Basis der Baukosten wünscht. Antrag: Annahme der Motion unter gleichzeitiger Abschreibung. Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 16. März 2011 Die Schulanlage Strandboden in Biel wird vom Seeland Gymnasium und dem Gymnase français genutzt. Sie ist eine der grössten Anlagen für Mittelschulen im Kanton. Die Anliegen der Motion sind grundsätzlich identisch mit den Auflagen, welche der Grosse Rat bereits bei der Genehmigung des Projektierungskredits im November 2007 beschlossen hat. Der Regierungsrat akzeptiert diese Auflagen und setzt die Anliegen der vorliegenden Motion bereits um. Zu Punkt 1 Am 1. Dezember 2010 musste der Regierungsrat für das vorliegende Geschäft einen Zusatzkredit von Franken bewilligen (RRB 1718/2010). Wie im Beschluss dargelegt, sind diese Zusatzkosten notwendig, weil ein zusätzlicher Projektwettbewerb durchgeführt werden muss. Wesentliche Voraussetzung für den Zusatzkredit war, dass die Baukosten auch mit Berücksichtigung des Zusatzkredits weniger als zwei Drittel der theoretischen Neubaukosten betragen. Das Projekt entspricht deshalb aus heutiger Sicht immer noch dem Grossratsbeschluss und den darin formulierten Auflagen.

125 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 565 Siebte Sitzung Donnerstag, 9. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 146 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Antonio Bauen, Erwin Burn, Patrick Gsteiger, Natalie Imboden, Josef Jenni, Vania Kohli, Ueli Lehmann, Silvia Lüthi, Irène Marti Anliker, Luc Mentha, Stefan Oester, Corrado Pardini, Corinne Schmidhauser, Peter Siegenthaler. Präsident. Wie Sie gesehen haben, musste ich eine relativ lange Vorstossliste vorlesen, unabhängig davon, ob sie dringlich oder nicht dringlich sind. Es stellt sich die Frage, ob das zwingend notwendig ist. Wir machen uns Gedanken darüber, ob wir auch da effizienter werden könnten. Eventuell könnte man nur die Abweichungen bekannt geben. Sollte das Anliegen erst in die Parlamentsrechtsrevision einfliessen, dauert es allerdings noch ein paar Jahre, bis man es ändern könnte. Ich versuche das für die nächste Session abzuklären. Geschäft /11 Dringliche Motion Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Gnägi, Jens (BDP) / Blank, Aarberg (SVP) / Bonsack, Kallnach (EDU) Planungsstopp Gymnasium Biel Geschäft /11 Dringliche Motion Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau Sistieren und aus Fehlern lernen Geschäft /11 Dringliche Interpellation Kronenberg, Biel (glp) / Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Vorgehen bei kantonalen Bauvorhaben am Beispiel des Projekts «Biel / Ländtestrasse 8 14; Seeland Gymnasium Biel. Gesamtsanierung und Erweiterungsbau» Geschäft /11 Motion Moser, Biel (FDP) / Sommer, Wynigen (FDP) Informationsplattform zum Geschäft «Sanierung Gymnasium Strandboden Biel» Geschäft /10 Motion Sommer, Wynigen (FDP) / Moser, Biel (FDP) Sanierung Gymnasium Strandboden Biel Gemeinsame Beratung Fortsetzung Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Die Schulanlage Gymnasium Strandboden Biel ist eine der grössten Anlagen für Mittelschulen des Kantons und ist sowohl für den Kanton wie auch für die Stadt Biel sehr wichtig. Von 1975 bis 1982 gebaut und 1998 vom Kanton übernommen, gilt diese Anlage als wichtiges Beispiel zeitgenössischen Bauens. Folgendes möchte ich jedoch gleich zu Beginn betonen: Die Anlage steht nicht unter Denkmalschutz. Heute, knapp dreissig Jahre nach der Inbetriebnahme, sind die vier Gebäude im Strandboden in einem sehr schlechten baulichen Zustand und müssen dringend saniert werden. Zudem brauchen wir einen Erweiterungsbau, damit wir die beiden Abteilungen des Seelandgymnasiums, die immerhin bereits vor sechs Jahren fusioniert wurden, bisher räumlich aber nicht zusammengeführt werden konnten, endlich auch am selben Ort unterbringen können. Um diese beiden Ziele geht es: die Sanierung und die Erweiterung. Als Sie, liebe Grossrätinnen und Grossräte, in der Novembersession 2007 den Projektierungskredit bewilligten, hielten Sie als Auflage fest, die Sanierung und die Erweiterung müssten klar kostengünstiger sein als ein Neubau. Diese Auflage haben wir nie aus den Augen verloren. Es ist dem Regierungsrat genauso wichtig wie Ihnen, dass dieses Projekt wirtschaftlich bleibt. Vielleicht hat genau diese Auflage zu jenem vermeintlichen Zahlensalat geführt, den ich heute Morgen vernommen habe. Dass Sie bezüglich der Kosten verunsichert sind, verstehe ich gut. Die Kosten liegen eben noch nicht gesichert vor. Wir haben noch keinen Ausführungskredit. Erst dort werden die definitiven Kosten vorliegen. Wir stehen mitten in der Projektierungsphase; in einem völlig normalen Prozess, in dem die Kosten berechnet werden. Weil wir das Projekt stets mit einem Neubau vergleichen müssen, gibt es auch immer verschiedene Zahlen. Weshalb weisen wir heute höhere Kosten aus als ganz am Anfang? Bei der Sanierung und der Erweiterung hatten wir eine Ausgangslage von 63 Mio. Franken Baukosten; dazu kommt neu die Teuerung von 3 Mio. Franken. Ausserdem brauchte das Gymnasium zusätzlichen Raum von 2500 Quadratmetern, die geplant werden mussten. Das macht 4,5 Mio. Franken aus. Nachher führten wir einen SIA- Wettbewerb durch, den wir zu Beginn nicht berücksichtigt hatten; das sind noch einmal 2,5 Mio. Franken. In den ausgewiesenen Kosten sind auch die Kosten von rund 15 Mio. Franken für die Provisorien enthalten, die während des Umbaus notwendig sind. Zudem wurde bereits die Ausstattung überschlagsmässig berechnet. Dazu kommen die üblichen 13 Prozent des Betrags als Reserve. Das sind die zusätzlichen Berechnungen, die wir angestellt haben. Wie viel es letztlich genau sein wird, werden wir erst sehen, wenn wir den Ausführungskredit vorlegen. Daneben wurden die Kosten für den Erweiterungsbau berechnet; da besteht noch nicht einmal ein Projekt. Diese Kosten haben wir überschlagsmässig nach unseren üblichen Standards berechnet und kamen somit auf die Zahlen, die wir ausgewiesen haben. Von einem Zahlensalat kann also nicht die Rede sein. Sie können von einem Zahlensalat sprechen, wenn ich den Ausführungskredit vorlegen werde; dann können Sie vorbringen, es sei viel zu teuer, und sagen, was man alles nicht machen soll. Aber im Moment sind wir noch gar nicht so weit. Den Kostenvergleich, der vom Grossen Rat gefordert wurde, nehmen wir laufend vor. Der Kostenvergleich zwischen Sanierungs- und Erweiterungsprojekt und einer Variante Neubau spricht immer noch ganz klar für die Sanierung. Ein Neubau käme uns deutlich teurer zu stehen und würde viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, was für uns und auch für die Schule ein sehr grosser Nachteil wäre. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die räumlichen Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler im Strandboden verbessern müssen und wollen, und zwar nicht irgendwann in der Zukunft, sondern möglichst rasch. Das Projekt, das wir mit grossem Aufwand und sehr sorgfältig erarbeiteten, überzeugt. Das hat der Regierungsstatthalter von Biel mit der Erteilung der Baubewilligung für die Sanierung der beiden Gebäude am 6. April 2011 bestätigt. Die Einsprache des Heimatschutzes wies er dabei ab. Ich bin etwas erstaunt, wenn nun behauptet wird, der Heimatschutz habe mit seiner Beschwerde grösste Chancen. Das kann wohl nur jemand behaupten, der diese Seite vertritt. Selbstverständlich haben auch wir unsere Juristen, die sich nun damit befassen müssen. Diese sagen etwas ganz anderes. So oder so werden sich die Gerichte damit ausei-

126 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie nandersetzen müssen. Gesichert können wir jedoch sagen: Die Baubewilligung des Regierungsstatthalters liegt vor; er hat entschieden und er gebrauchte gegen die Einsprache des Heimatschutzes sehr deutliche Worte. Der Grosse Rat entscheidet heute über verschiedene parlamentarische Vorstösse, die unter anderem die Sistierung oder den Stopp der Projektierung sowie die Prüfung eines Neubaus an einem andern Standort fordern. Wir sprechen also nicht über ein Ausführungsprojekt, sondern über den Stopp eines laufenden Prozesses. Der Kanton Bern hat einen klaren Bildungsauftrag; dazu gehört auch, dass er für ein gutes Bildungsumfeld sorgt. Täglich gehen rund 1000 Schülerinnen und Schüler und an die 200 Lehrkräfte durch die Türen der Schulanlage im Strandboden. Nach der Zusammenführung der beiden Abteilungen werden es noch mehr sein, nämlich 1200 Schülerinnen und Schüler. Der Zustand des Gebäudekomplexes ist sehr schlecht, um nicht zu sagen katastrophal und unzumutbar. Die Halterungen der Fassade sind verrostet; zentnerschwere Stahlplatten sind bereits heruntergefallen das «Bieler Tagblatt» berichtete darüber. Ich bin sehr erschrocken, als ich das vernahm. Und wir hatten grosses Glück, dass nicht etwas viel Gravierenderes passierte. Wären sie auf einen Menschen gefallen, wäre dieser tot. Die Geländer in der ganzen Schulanlage sind zu niedrig und damit gefährlich. Der Schallschutz ist für die heutigen schulischen Bedürfnisse völlig ungenügend. Der Brandschutz und die Sicherheit entsprechen nicht mehr den Vorschriften. Die Gebäudeversicherung hat bereits mehrmals interveniert. Besonders schlimm sind die klimatischen Verhältnisse: Bei heissen und bei kalten Temperaturen wird es in den Räumen unerträglich, sodass sie zum Teil gar nicht mehr richtig benutzt werden können. Handlungsbedarf ist also zweifellos gegeben; er ist sogar sehr dringend und wird wohl von niemandem bestritten. Ich möchte das an folgendem Beispiel noch einmal illustrieren: Würde heute in einem der Gebäude ein Brand ausbrechen, wäre es nicht möglich, die Scheiben einzuschlagen und die Schülerinnen und Schüler zu retten. Sie müssten alle über das einzige Treppenhaus flüchten. Das ist äusserst gefährlich und entspricht in keiner Weise den heutigen Sicherheitsbestimmungen. Ich habe die Gebäudeversicherung vorhin angesprochen. Nur allein schon deshalb darf die dringend notwendige Sanierung des Gebäudes nun nicht wegen eines Architektenstreits und auch nicht wegen anderer Interessenvertretungen fälschlicherweise verzögert oder verhindert werden. Mit einem Planungsstopp setzen Sie, liebe Grossrätinnen und Grossräte, die Schülerinnen und Schüler unnötigerweise weiteren Unannehmlichkeiten und sogar Risiken aus. Heute Morgen hörte ich von einem der Grossräte, man müsse Verantwortung übernehmen. Genau das versuche ich in meinem Amt zu tun. Ich habe mich noch nie gescheut, Verantwortung zu übernehmen. Die Verantwortung für all das, was da noch passieren könnte, wenn man nicht sofort handelt, übernimmt der Regierungsrat jedoch nicht. Von verschiedenen Seiten und aus verschiedenen Gründen gibt es gegen das Projekt Widerstand. Das bedaure ich sehr. Denken Sie bitte daran: Beim Projekt Gymnasium Biel geht es primär weder um ein architektonisches noch um ein finanzpolitisches Prestigeprojekt. Vielmehr geht es schlicht und einfach um eine Schule. Und bei einer Schule ist es normal, dass man die Gebäude an den Bedürfnissen derjenigen ausrichtet, die dort tagtäglich ein und aus gehen. Die Schülerinnen und Schüler dürfen nicht zum Spielball eines Interessenkonflikts werden. Das haben sie nicht verdient und das wäre unfair. Was die architektonische Seite betrifft, haben wir das Projekt stets kritisch hinterfragt und haben externe Fachleute, Architektinnen und Architekten sowie selbstverständlich die kantonale Denkmalpflege beigezogen. Ich zitiere aus einem Brief von Dr. Jürg Schweizer, dem ehemaligen Denkmalpfleger des Kantons Bern, vom 22. Januar 2010: «Heute ist festzustellen, dass dank intensiver und guter Arbeit der Projektverfasser ein Sanierungskonzept vorliegt, das aus denkmalpflegerischer Sicht gutgeheissen werden kann.» Am 10. September 2010 schrieb sein Nachfolger, der aktuelle Denkmalpfleger, Michael Gerber: «Für die Sanierung des Gymnasiums Strandboden liegt als Resultat eines Wettbewerbs ein Sanierungskonzept vor, das aus denkmalpflegerischer Sicht, wie sie der ehemalige Denkmalpfleger Dr. Jürg Schweizer in seinem Schreiben vom [ ] dargestellt hat, gutgeheissen werden kann.» Beide Denkmalpfleger des Kantons, von welchen der eine Einsitz in der Wettbewerbsjury hatte, stimmten dem Projekt zu. Wir wollten stets sicher sein, dass wir eine gute Sanierungslösung wählen, die erstens wie ich nochmals betonen möchte die Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler wesentlich verbessert und zweitens die Gesamterscheinung und den Charakter des Gebäudekomplexes nicht beeinträchtigt. Alle Beteiligten waren schliesslich von der Lösung überzeugt. Das Siegerprojekt wurde einstimmig mit der Stimme des kantonalen Denkmalpflegers genehmigt. Deshalb und auch weil wir eine erstinstanzliche Baubewilligung haben, sehen wir keinen Grund für einen Marschhalt. Auch der zusätzliche Wettbewerb, der für den Erweiterungsbau lanciert wurde, verläuft nach Plan. Am 24. Mai dieses Jahres konnten wir dem Siegerteam den Zuschlag erteilen. Nun möchten wir so rasch als möglich das Baugesuch für den Erweiterungsbau einholen. Was die finanzielle Seite betrifft, befinden wir uns, wie ich vorhin darlegte, im ordentlichen normalen Prozess. Dort sind wir auf Kurs. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass ein Neubau unter dem Strich wirtschaftlicher wäre. Im Gegenteil: Bei einer Neubauvariante darf man nicht vergessen, dass die Evaluation eines neuen Standorts eine Verzögerung von mehreren Jahren zur Folge hätte. Damit der Schulbetrieb am alten Standort für die etwa zehn Jahre überhaupt einigermassen aufrecherhalten werden könnte, müssten wir rund 20 bis 30 Mio. Franken in provisorische Massnahmen zur Sicherung des Gebäudes und in Notlösungen investieren: rund 12 Millionen für Sofortmassnahmen und rund 15 Millionen für Reparaturkosten. Daneben hätten wir weiterhin die extrem hohen Energiekosten. Und wenn man auf die längst fällige örtliche Zusammenführung der beiden Schulabteilungen nicht verzichten will, würden weitere 4 Mio. Franken für Provisorien nötig. Dazu käme die Frage, was mit den bestehenden Schulgebäuden im Strandboden geschehen soll. Die Stadt Biel hat kürzlich in der Antwort zu einer überparteilichen Interpellation betont, dass sie niemals akzeptieren würde, dass der Kanton diese Gebäude aufgibt oder verfallen lassen würde. Die Idee eines schönen Strandhotels oder von wunderbaren Luxuswohnungen hatten auch wir; wir fanden sie eigentlich gut. Dafür wäre jedoch eine vollständige Zonenänderung notwendig. Dazu kommt, dass beim Strandboden die Autobahn geplant ist; ich bin nicht sicher, ob es Leute gibt, die in ein Fünfsternehotel am See gehen würden, wenn dahinter die Autobahn vorbeiführt. Auch diese Möglichkeiten haben wir geprüft. Der Strandboden ist eine Zone für öffentliche Nutzung, deshalb kann man dort keine Privatbauten erstellen. Ich bin daher überzeugt, dass der eingeschlagene Weg in jeder Hinsicht der richtige ist. Ich fände es sehr schade, wenn der Grosse Rat nun den Eindruck hätte, es handle sich um ein schlechtes Projekt, nur weil nun Kritik dagegen laut wurde. Sie wissen alle: Kritik gibt es bei jedem grösseren Bauprojekt, sei es ein Strassenbauprojekt oder ein ÖV-Projekt. Wir versuchen stets, mit den Kritikern zusammenzusitzen. Das letzte grosse Bauprojekt, das der Kritik stark ausgesetzt war, war, wie sich einige von Ihnen sicher erinnern, der

127 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 567 Wankdorfkreisel: Der VCS erhob aus verschiedenen Gründen Einsprache dagegen. Wir setzen uns mit den Einsprechern zusammen das haben wir auch hier zumindest versucht und hinterfragten das Projekt noch einmal. Wir fanden schliesslich eine gute Lösung, und der VCS zog seine Einsprache zurück. Es ist also völlig normal, dass ein Bauprojekt in dieser Grössenordnung kritisiert wird. Das ist wirklich nichts Neues. Im Übrigen ist Widerstand gegen ein Bauprojekt, liebe Grossrätinnen und Grossräte, auch immer eine Chance. Auch im vorliegenden Projekt versuchten wir die Chancen zu nutzen, machten Zusatzabklärungen und nahmen Anpassungen vor. Darum haben wir heute vorbehaltlos die Gewissheit, dass wir mit dem Projekt auf dem richtigen Weg sind. Meine Ausführungen zu den Vorstössen wurden nun etwas länger als üblich. Es ist mir aber wichtig, Ihnen zu versichern, dass wir mit unserem Projekt die wichtigsten Ziele nie aus den Augen verloren: Wir wollen möglichst rasch wesentlich bessere räumliche Bedingungen im Gymnasium Strandboden Biel schaffen, und das zu einem wirtschaftlichen Preis. Liebe Grossrätinnen und Grossräte: Weder ein Planungsstopp noch ein Neubau lösen irgendwelche Probleme; im Gegenteil. Das würde dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler wie auch die Lehrerschaft noch während einer sehr langen Zeit in einem dringend sanierungsbedürftigen Gebäude lernen und unterrichten müssen. Dabei geht es nicht um Komfortfragen, sondern um echte und gefährliche Sicherheitsprobleme. Mit einem Planungsstopp oder mit einem Neubau, der ohnehin viel teurer zu stehen käme als die Sanierung, müssten ganze Schuljahrgänge in Biel ihre Gymnasiumszeit in einem schlecht unterhaltenen und gefährlichen Schulhaus oder, noch schlimmer, in Containern verbringen. Ob das von den Bielerinnen und Bielern und von den vielen Betroffenen in der ganzen Region verstanden würde, wage ich zu bezweifeln. Liebe Grossrätinnen und Grossräte, entscheiden Sie sich für die Interessen der Schülerinnen und Schüler. Nur dafür. Unterstützen Sie uns in diesem wichtigen Projekt. Ich bitte Sie, den Anträgen des Regierungsrats zu den Vorstössen zu folgen und denjenigen zum Planungsstopp sowie den Vorstoss Kronenberg abzulehnen. habe erst ein Problem, wenn die Juristen gegen die Regierung entscheiden. Das Problem haben wir jedoch schon vorher. Wir haben nachher höchstens noch das politische Schwarzpeterspiel, wer schuld ist, dass es so herauskam. Ich selber jasse lieber, als Schwarzpeter zu spielen. Früher machte ich das auch gerne, aber es ist schon ziemlich lange her. Regierungsrätin Egger sagte in diesem Zusammenhang, wir müssten nun so oder so vor Gericht. Nein, müssen wir nicht, aber scheinbar wollen wir. Dann gehen wir halt, und am Schluss werden wir sehen, wer die besseren Juristen hat, der Kanton oder die andern. Wir sehen dann auch, wer die besseren Ingenieure hat, der Kanton oder die andern. Aber das ist schade. Regierungsrätin Egger erwähnte Berichte im «Bieler Tagblatt». Ich bekenne mich als Nicht-«Bieler Tagblatt»- Leser, aber selbst wenn ich «Bieler Tagblatt»-Leser wäre, wenn ich es im «Bund» oder in der «NZZ» lesen würde, dass zentnerschwere Stahlplatten herunterfallen, wäre ich nicht so sicher, ob das stimmt. Denn sonst hätte ich meine Zweifel, weshalb das Gebäude überhaupt noch offen ist. In dem Fall hätte man es wohl schliessen müssen. Frau Regierungsrätin Egger sagte, es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, sie scheue sich nicht davor. Ich war es, er an den Grossen Rat appelliert hat, Frau Egger diese Verantwortung abzunehmen und die Verantwortung zu übernehmen, wenn man Punkt eins der Motion Siegenthaler und von uns zustimmt. Regierungsrätin Egger sagte, Dr. Schweizer und auch Herr Gerber hätten sich dahingehend ausgesprochen, dass es keine Probleme gebe. Wenn dem so ist, dass es keine Probleme gibt, sehe ich meinerseits nicht, wo das Problem mit einem unabhängigen Gutachten liegt, sodass wir das erst vom Verwaltungsgericht in Auftrag geben lassen wollen. Es wurde nun geredet, die Meinungen sind vielleicht gemacht. Vielleicht konnte ich noch den einen oder andern zum Nachdenken bringen. Es wird jetzt einfach weiter gepokert, nicht gejasst. Leider nicht mit dem eigenen Geld. Das ist so eine Sache. Ich hätte, wie gesagt, gerne gejasst. Am liebsten hätte ich einen Differenzler gemacht, denn dort gewinnt jeweils derjenige, der null Punkte hat. Präsident. Ich begrüsse auf der Zuschauertribune angehende Zimmerleute vom Berufsbildungszentrum Interlaken unter der Leitung von Lehrer Garçon. Herzlich willkommen. (Applaus) Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Frau Regierungsrätin Egger plädierte mit Herzblut für die Anträge des Regierungsrats. Sie wurde sogar etwas länger. Erlauben Sie mir, ebenfalls mit Herzblut noch einmal für unsere Anträge zu votieren. Wir werden nachher abstimmen; unterdessen ist der Rat fast vollzählig. Ich hoffe, dass diejenigen, die noch nicht da sind, die Regierungsanträge unterstützt hätten. Vielleicht gibt es einige Grossräte, die noch nicht sicher sind, wie sie abstimmen sollen. An sie wende ich mich nun. Vielleicht gehört auch Grossrat Kneubühler dazu, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall muss ich noch auf ihn zurückkommen. Er meinte, es seien nun vier Jahre vorbei und man sei vier Jahre weiter, und deshalb stehe er hinter dem Regierungsrat. Lieber Adrian Kneubühler: Vier Jahre sind vergangen, aber wir sind nicht vier Jahre weiter. Das ist für mich ein nicht unwesentlicher Unterschied. Weiter sprach Grossrat Kneubühler für sich, vielleicht auch für die FDP, deshalb wende ich mich an ihn und an die FDP, falls er für sie gesprochen haben sollte. Er sagte, er habe kein Problem mit dem Beschwerderecht. Wir seien ein Rechtstaat, eine Beschwerde gehe da ihren Gang, und nachher würden die Juristen entscheiden. Er Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Wenn man zitiert wird und das erst noch falsch, hat man wohl auch als Regierungsrätin das Recht auf eine Richtigstellung. Ich hätte bereits in meinem Votum zu den früheren Voten beider Sprecher der glp einiges anmerken können. Ich fand jedoch, es sei nicht angebracht, und habe deshalb darauf verzichtet. Aber da es zum zweiten Mal geschieht, muss ich es berichtigen. Herr Brönnimann hat behauptet, es seien vier Jahre vergangen und man sei keinen Schritt weiter. Im November 2010 hätten wir den Ausführungskredit dem Grossen Rat vorlegen können, wenn nicht der Heimatschutz vorher Opposition gemacht hätte. Herr Brönnimann ist meines Wissens Mitglied des Heimatschutzes. Er behauptete nun, ich hätte gesagt, man müsse so oder so vor Gericht. Wenn Sie von einer Organisation vor Gericht gezogen werden, haben Sie keine andere Wahl, als ebenfalls vor Gericht zu erscheinen! Es war der Heimatschutz, der Beschwerde eingereicht hat, nicht der Kanton, Herr Brönnimann. Mir wäre es auch lieber, man könnte das Geld anders einsetzen als für teure Anwälte. Ausserdem sagte er, es sehe nicht, wo das Problem liege, wenn doch Herr Dr. Schweizer und Herr Gerber dem Projekt zugestimmt haben. Das Problem, liebe Grossrätinnen und Grossräte, ist eben folgendes: Die kantonale Denkmalpflege ist nicht gleich Heimatschutz. Wenn hier im Rat manchmal über die Denkmalpflege hergezogen wird, ist eigentlich der Heimatschutz gemeint. Und noch etwas: Der Heimatschutz reicht immer wieder Beschwerde gegen Bau-

128 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie projekte ein; und der Heimatschutz wird als Organisation vom Kanton unterstützt. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Der Heimatschutz wird vom Kanton unterstützt. Er nimmt eine öffentliche Aufgabe wahr. Wenn der Heimatschutz sie nicht wahrnehmen würde, müsste die Denkmalpflege sie übernehmen. Der Heimatschutz als NGO nimmt sie kostengünstig wahr. Ich freue mich, dass Regierungsrätin Egger gesagt hat, ich hätte sie falsch zitiert, dass es ihr nicht darum gehe, so oder so vor Gericht zu gehen. Wir sind beide Juristen und wissen, dass es immer noch Möglichkeiten gibt, nicht vor Gericht zu landen. Ich spreche vom Verwaltungsgericht und nicht von der Baudirektion, die eine etwas merkwürdige Rekursinstanz ist, wenn die Baudirektion Partei ist. Eines kann ich mir aber doch nicht verkneifen: Es würde mich schwer erstaunen, wenn das Verbandsbeschwerderecht von dieser Seite her in Frage gestellt würde. Es ist schon dicke Post genug, dass es der Nationalrat in Frage gestellt hat. Präsident. Ich bin froh, dass es Strandboden und nicht Sandboden heisst, denn man soll nie auf Sand bauen. Vielleicht heisst es auch, man sollte nicht am Strand bauen. Aber wir sind mit unsern Diskussionen endgültig am Strand angekommen und können die Bötchen verlassen. Wir wollen versuchen, nun an Land abzustimmen. Es gab ein Votum von Grossrat Blank, der sagte, man werde die vote séparé zumindest noch diskutieren. Man kann das auch anders sehen. Er sagte klar, er sehe das tatsächlich anders, hat jedoch keinen Antrag gestellt. Gemäss Artikel 16d Absatz 3 des Grossratsgesetzes und Artikel 34 der Geschäftsordnung gibt es ein Mitspracherecht der Députation. Drei Mitglieder der Députation können einen Antrag auf eine vote séparé stellen. Das ist geschehen. Also werden wir dieses Prozedere durchführen müssen. Wollte jemand das nicht, müsste er jetzt den Gegenantrag stellen, keine vote séparé zu machen. Das ist nicht der Fall. Wir stellen nun die Beschlussfähigkeit der Députation fest. Es müssen mindestens 9 Mitglieder anwesend sein. Anwesend sind 15 von 16 Mitgliedern; 14 von ihnen fordern je eine vote séparé für die Geschäfte M 085/11 und M 101/11. Vote séparé Geschäft Für Annahme der Motion 085/11 Dagegen Vote séparé Geschäft Für Annahme der Motion 101/11 Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion 085/11 Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion 101/11 Dagegen 1 Stimme 14 Stimmen 0 Enthaltungen 1 Stimme 14 Stimmen 0 Enthaltungen 62 Stimme 80 Stimmen 3 Enthaltungen 68 Stimme 73 Stimmen 4 Enthaltungen Präsident. Sowohl vote séparé als Auch die Plenumsabstimmung ergaben die Ablehnung der beiden Vorstösse. Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung der Motion 133/11 Dagegen 138 Stimme 3 Stimmen 2 Enthaltungen Abstimmung Geschäft Für Annahme und gleichzeitige Abschreibung der Motion 168/ Stimme Dagegen 2 Stimmen 2 Enthaltungen Geschäft /10 Motion Gnägi, Jens (BDP) / Herren-Brauen, Rosshäusern, (BDP) / Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) / Etter, Treiten (BDP) / Schenk-Anderegg, Schüpfen (BDP) / Spring, Lyss (BDP) Bauwerke der Juragewässerkorrektion: Anpassung an heutige Verhältnisse Wortlaut der Motion vom 9. September 2010 Die 1. Juragewässerkorrektion fand vor ca. 150 Jahren statt, Korrekturen und Verbesserungen wurden im Rahmen der 2. Juragewässerkorrektion vor ca. 50 Jahren vorgenommen. Im Zuge dieser Gewässerkorrektion wurden im Seeland mehrere Kanäle mit Brückenübergängen erstellt, um die unterbrochenen Verbindungswege wiederherzustellen. Diese Brückenübergänge erreichen ihre Alters- und Kapazitätsgrenzen und müssen in den nächsten Jahren saniert werden. Teilweise sind sie nicht mehr in der Lage, die Last der heutigen Fahrzeuge zu tragen, und mussten mit Gewichtsbeschränkungen versehen werden. Sie können Ihren ursprünglichen Zweck nur noch teilweise erfüllen. Deshalb wird der Regierungsrat ersucht, umgehend Massnahmen aufzuzeigen und zu ergreifen, damit die Bauwerke wieder ihren Zweck erfüllen können. (Weitere Unterschriften: 14) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 9. März 2011 Der Regierungsrat teilt die Ansicht der Motionäre, dass die im Zusammenhang mit der Juragewässerkorrektion erstellten Kreuzungsbauwerke ihren Zweck als Verbindungsteile im Strassennetz müssen erfüllen können. Konkret geht es um die folgenden drei Brücken: Die über den Hagneckkanal führende Walperswilbrücke und zwei über den Nidau-Büren- Kanal führende Brücken, die Eybrücke und die Safnernbrücke. Walperswilbrücke über den Hagneckkanal Die Walperswilbrücke wurde 1876 im Rahmen der I. Juragewässerkorrektion (JGK) erstellt. Sie wurde für die damaligen Verhältnisse (Pferd und Wagen) konzipiert. Heute gehören beide Strassenstücke links und rechts der Walperswilbrücke der Einwohnergemeinde Walperswil, während die Brücke selbst von Gesetzes wegen ins Eigentum des Kantons als Rechtsnachfolger der JGK überging. Die Strasse, die über die Walperswilbrücke führt, ist eine Gemeindestrasse im Sinne von Artikel 8 Strassengesetz. Die kantonale Denkmalpflege stuft die Walperswilbrücke als schützenswert ein. Aus Sicherheitsgründen gilt heute eine Gewichtslimite von 3,5 Tonnen. Die Brücke kann daher mit modernen landwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht mehr passiert werden. Die Anstössergemeinden fordern seit längerem den Bau einer neuen, stärkeren Brücke.

129 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 569 Eybrücke und Safnernbrücke über den Nidau-Büren-Kanal Der Nidau-Büren-Kanal wurde anlässlich der I. Juragewässerkorrektion ( ) erstellt. In diesem Zusammenhang mussten die Safnernbrücke in der Gemeinde Safnern und die Eybrücke (auch Ziegelei-, Hägni- oder Häftlibrücke genannt) in der Gemeinde Büren a. A. gebaut werden. Beide Brücken wurden ursprünglich als Flurbrücken erstellt und im Rahmen der II. JGK als Betonbrücken neu gebaut. Sie gehören heute von Gesetzes wegen dem Kanton. Die Strassen, die über die Brücken führen, sind Bestandteile des jeweiligen Gemeindestrassennetzes. Zustandsanalysen der beiden Brücken ergaben, dass die Eybrücke sanierungsbedürftig ist und die Safnernbrücke neu erstellt werden muss: Bei der Eybrücke wird eine komplette Sanierung empfohlen. Die Gemeinde Büren prüft, ob sie die Eybrücke im Zug der Sanierung auf zwei Fahrspuren verbreitern will (Erschliessung Industrie- und Gewerbegebiet Ey) und ob sie für den Langsamverkehr (Erschliessung Wohngebiet, Schulweg) einen separaten Geh- und Radweg anbauen will. Bei der Safnernbrücke ist die Tragsicherheit gefährdet, denn bei den Widerlagern wurden Setzungen festgestellt. Vermutlich wurde die Brücke auf den alten Widerlagern aufgebaut und zeigt die Spuren jahrelanger Überbelastung. Zur Gewährleistung der Tragsicherheit mussten Sofortmassnahmen angeordnet werden. So gilt heute eine Gewichtsbeschränkung von 15 Tonnen auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Gemäss Zustandsanalyse wird empfohlen, die Brücke baldmöglichst abzubrechen und innert zwei bis fünf Jahren durch einen Neubau zu ersetzen. Eine Sanierung der bestehenden Brücke ist aus konstruktiven und finanziellen Gründen nicht sinnvoll. Der Handlungsbedarf ist erkannt, aber vorerst war die Zuständigkeitsabgrenzung und Kostenverteilung zwischen dem Kanton und den involvierten Gemeinden zu klären, weil die gesetzlichen Vorschriften dazu unvollständig sind. Das im vergangenen Jahr extern in Auftrag gegebene Rechtsgutachten ergab klar, dass die Gemeinden als Eigentümerinnen der jeweiligen Gemeindestrassen gestützt auf das Strassengesetz für die baulichen Massnahmen zuständig und verantwortlich sind. Der Kanton als Rechtsnachfolger der Juragewässerkorrektion und Verursacher der Brücken muss sich an den Kosten beteiligen, soweit sie für den Substanzerhalt der Brücken anfallen. Das weitere Vorgehen basiert nun auf diesen Zuständigkeiten und Kostentragungspflichten. Die Verantwortung für die Brückenprojekte liegt damit bei den Gemeinden. Der Kanton hat seine Abklärungsaufgaben erfüllt und trägt nur noch eine Kostenbeteiligungspflicht. Antrag: Annahme als Motion unter gleichzeitiger Abschreibung. Jan Gnägi, Jens (BDP). Es geht bei der vorliegenden Motion konkret um drei Brücken, die während der Juragewässerkorrektion entstanden waren. Sie wurden gebaut, um Verbindungswege, welche durch die Gewässerkorrektion unterbrochen wurden, wiederherzustellen. Der Zweck dieser Brücken besteht also darin, den Landbesitzern die Bewirtschaftung ihres Landes, das unterteilt wurde, weiterhin zu ermöglichen, ohne dass sie dabei grössere Umwege machen müssen. Dabei handelt es sich namentlich um die Walperswilbrücke über den Hagneckkanal, die Eybrücke in Büren und die Safnernbrücke über den Nidau-Büren-Kanal. Diese Brückenübergänge erreichen nun ihre Alters- und Kapazitätsgrenzen und mussten teilweise mit Gewichtsbeschränkungen versehen werden. Daraus ergeben sich gewisse Probleme. Wer weiss, wie viel heute landwirtschaftliche Fahrzeuge wiegen, kann verstehen, dass die Brücken ihren ursprünglichen Zweck teilweise kaum mehr erfüllen können. Nicht mehr alle können über diese Brücken fahren. Beispielsweise für die Walperswilbrücke gilt eine Gewichtsbeschränkung auf nur gerade 3,5 Tonnen. Mit modernen landwirtschaftlichen Fahrzeugen kann man sie nicht mehr überqueren. Man muss längere Umwege machen: Entweder über Aarberg oder Hagneck mit je 6 Kilometer Fahrt, als langsames Gefährt über eine befahrene Strasse. Das ist speziell in Aarberg zu Stosszeiten ein Problem und belastet den Verkehr zusätzlich. Dieselbe Problematik besteht bei der Safnernbrücke. Sie ist auf 15 Tonnen beschränkt. Traktoren mit Rübenwagen, die diesen Weg entlangfahren sollten, können diese Brücke nicht passieren. Dass sie einen Umweg durch die Stadt Biel machen müssen, ist nicht nur von der Verkehrssituation her, sondern auch aus ökologischer Sicht bedenklich. Diese Brückenübergänge sind aber von einer gewissen Wichtigkeit. Einerseits für die Landbewirtschafter, aber gerade bei der Eybrücke wird auch eine Industriezone erschlossen. Dass die Bauwerke nicht mehr den heutigen Bedürfnissen entsprechen und sanierungsbedürftig sind, ist klar. Auch die Regierung anerkennt in ihrer Antwort den Handlungsbedarf. Die Verantwortung wird allerdings den Gemeinden zugewiesen. So einfach ist die Situation aber nicht: Die Brücken sind Eigentum des Kantons; die Strassen, die darüberführen, sind Gemeindestrassen. Gemäss der Regierung liegt deshalb die Verantwortung bei den Gemeinden. Für diese ist eine Sanierung oder ein Neubau aber nicht ohne Weiteres möglich; es braucht Unterstützung vom Kanton, einerseits bei den Kosten die Kostenbeteiligungspflicht wird von der Regierung in der Antwort auch erwähnt, anderseits aber auch bei der Planung und der Umsetzung von solchen Projekten. Die Gemeinden können bekanntlich nicht einfach machen, was sie wollen. Immerhin gehören ihnen diese Brücken gar nicht. Die Projekte müssen vom Kanton begleitet werden. Bei Gesprächen mit betroffenen Gemeinden wurde der Wille zur Zusammenarbeit mit dem Kanton deutlich spürbar. Die Bereitschaft, beispielsweise eine Arbeitsgruppe zu gründen, um gemeinsam mit dem Kanton zu einer sinnvollen, angemessenem und nachhaltigen Lösung zu gelangen, ist vorhanden. Aber wie gesagt: Auch der Kanton ist gefragt und gefordert. Wir möchten deshalb diese Motion nicht abschreiben, weil die Thematik noch nicht abgeschlossen ist und die Massnahmen noch nicht ergriffen wurden. In dem Sinn bitte ich den Rat, die Motion anzunehmen und nicht abzuschreiben. Jakob Etter, Treiten (BDP). Wir sprechen hier über drei Brücken, die im Rahmen der Juragewässerkorrektion, also etwa vor 150 Jahren, gebaut wurden. Sie wurden gemäss den Ansprüchen errichtet, die damals bestanden; für Bauernfahrzeuge mit Pferden oder auch mit Kühen. Man muss wissen, dass gerade der Hagneckkanal oder auch der Nidau-Büren- Kanal zur damaligen Zeit entstanden. Diese Kanäle durchschnitten gewisse Landstriche, deshalb haben manche Bauern auf beiden Seiten Land. Entsprechend müssen sie zur Bewirtschaftung ihres Landes den Kanal überqueren. Die Brücken wurden, wie gesagt, gemäss den Anforderungen der damaligen Zeit erstellt. In der Zwischenzeit wurden die Fahrzeuge grösser und schwerer, die Landwirtschaft hat sich weiterentwickelt. Gleichzeitig gilt seit einigen Jahren bei der Walperswilbrücke eine Gewichtsbeschränkung von 3,5 Tonnen. Das bedeutet, dass die Bauern nicht einmal mehr mit dem leeren Traktor darüberfahren können. Sie müssen, wie Jan Gnägi sagte, Umwege machen, um zu ihrem eigenen Land zu gelangen. Stellen Sie sich die Situation einmal vor: Irgendwo baut der Kanton eine Strasse oder der Bund eine Autobahn, und die Anwohner müssen anschliessend einen riesigen Umweg machen, um zu ihrem eigenen Land zu kommen. Heute ist es doch selbstverständlich, dass die ur-

130 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie sprünglichen Möglichkeiten, die zur Bewirtschaftung des Landes gegeben sind, an beiden Orten erfüllt werden müssen. Bei den andern beiden Brücken besteht eine ähnliche Situation: Die Safnernbrücke ist auf 15 Tonnen beschränkt und die Eybrücke in Büren muss saniert werden. Die Regierung anerkennt in ihrer Antwort den Sanierungsbedarf der Brücken. Es steht auch, die Brücken seien Eigentum des Kantons, die Strasse jedoch Eigentum der Gemeinden. Einige Punkte in der Antwort auf die Motion gehen für uns nicht auf. Die Regierung anerkennt zwar den Sanierungsbedarf, will die Motion jedoch abschreiben. Die Brücken gehören dem Kanton als Rechtsnachfolger der damaligen Juragewässerkorrektion, den Unterhalt will er aber nur mitfinanzieren. Aus all diesen Gründen sind wir mit der Annahme der Motion einverstanden, sie darf jedoch nicht abgeschrieben werden, denn es wurde noch gar nichts gemacht. Wir stehen am Anfang, nicht am Schluss. Ich geniere mich fast ein wenig, wenn wir da über Zahlen sprechen, nachdem in vorherigen Debatten von 60, 130 oder 200 Millionen die Rede gewesen war. Hier sprechen wir von ganz anderen Zahlen: 2008 wurde eine Studie erarbeitet, wonach die Walperswilbrücke verstärkt werden könnte. Wir sprechen keineswegs von 30 oder 40 Tonnen, davon kann keine Rede sein. Wir sprechen von 15 Tonnen. In dieser Studie ist von einem Betrag von Franken die Rede. Das ist nicht alle Welt; zudem sind die Gemeinden bereit, mitzuhelfen, wie der Motionär ausgeführt hat. Der Kanton muss jedoch einen massiven Anteil beitragen, sonst ist es für die Bauern wirklich schwierig, ihr Land zu bewirtschaften. Die BDP-Fraktion beantragt einstimmig, die Motion anzunehmen, aber nicht abzuschreiben. Ich bitte deshalb den Rat, die Motion nicht abzuschreiben. Daphné Rüfenacht, Biel (Grüne). Der Handlungsbedarf wurde erkannt, das Rechtsgutachten zeigt auf, wer wofür zuständig ist, und der Regierungsrat zeigt sich schwarz auf rosarot bereit, sich an den Kosten zu beteiligen, soweit sie für den Substanzerhalt der Brücken anfallen. Die grüne Fraktion ist daher mit der vorliegenden Antwort und damit auch der Abschreibung einverstanden. Francis Daetwyler, Saint-Imier (PS). Le groupe socialiste reconnaît aussi la nécessité d assainir ces ponts de manière à ce qu ils puissent être utilisés par les véhicules agricoles dans leur dimension et leur poids actuels. Il s agit maintenant de savoir qui est compétent pour qui. Il est bien évident que la question est complexe vu qu elle a nécessité une expertise juridique. Le groupe estime aussi que le résultat de cette expertise juridique est cohérent, puisqu il dit que la propriété des routes appartient aux communes, mais que le canton assumera sa part de financement lorsque des travaux d assainissement interviendront. Constatant que la responsabilité de déclencher ces travaux appartient aux communes, je pense qu il s agit d être cohérent vis-à-vis de la notion d autonomie communale. Un fantôme plane dans cette salle et il va encore planer pendant un certain temps, c est celui de la situation financière. Je ne peux pas m empêcher de voir une certaine contradiction entre les discours et les incantations pour économiser à peu près tout partout, sauf au moment où cela devient concret et là on se tourne toujours, quel que soit le projet, extrêmement volontiers vers le canton pour qu il finance. En conclusion, le groupe socialiste soutient la motion, mais soutient également le classement de cette motion. Willy Marti, Kallnach (SVP). Wir sprechen hier über eine Motion, bei der offenbar schon einiges klar ist. Die Brücken wurden vor 100 Jahren im Zug der Juragewässerkorrektion vorwiegend als Bestandteil von Erschliessungsstrassen zu Kulturland gebaut. Zu jener Zeit mussten sie vor allem Pferde und Wagen tragen. Diese Zeit ist natürlich vorbei. Was bringen Brücken, die nichts nützen? Man kann sagen, man wolle sie schützen. Doch hier ist eine zweckdienliche Lösung gefragt. Die Brücken werden vermehrt auch für den zivilen Verkehr genutzt, aber eben auch für die Landwirtschaft. Aus wirtschaftlichen Gründen sind die Landwirte heute gezwungen, immer grössere Flächen zu bewirtschaften. Das bedingt, dass sie immer grössere Maschinen anschaffen müssen. Die Wege zu ihrem Land, zu den grösseren zu bewirtschaftenden Flächen, werden auch ohne schikanöse Umwege wie unbrauchbare Brücken länger. Weil aus Sicherheitsgründen die Gewichtslimite auf 3,5 Tonnen reduziert werden musste und weil der Regierungsrat in seiner Antwort schreibt, er müsse sich an den Kosten für den Substanzerhalt beteiligen, ist es sicher sinnvoll, dieser Motion ohne Wenn und Aber zuzustimmen. Die Motionäre fordern nur, «umgehend Massnahmen aufzuzeigen und zu ergreifen, damit die Bauwerke wieder ihren Zweck erfüllen können». Diese Forderung geht wirklich nicht sehr weit. Eine Zustimmung hätte keine Riesenkosten zur Folge. Es wäre aber sicher sinnvoll, wenn der Kanton mit Know-how und Infrastruktur die Führung bei der gesamten Planung und der späteren Realisierung einer Lösung übernehmen würde. Er wird sich später zweifellos auch an den daraus resultierenden Korrekturen, zum Teil wohl neuen Brücken, finanziell beteiligen müssen. Die SVP- Fraktion stimmt dieser Motion einstimmig ohne Wenn und Aber zu. Peter Moser, Biel (FDP). Es wurde bereits alles gesagt, der Handlungsbedarf liegt klar auf dem Tisch. Die Regierung sagt ebenfalls Ja dazu. Dem haben wir nichts entgegenzusetzen. Bezüglich Abschreibung sind wir grossmehrheitlich dafür, das Geschäft pendent zu lassen und es nicht abzuschreiben. Béatrice Struchen, Epsach (SVP). Ich werde mich kurz fassen, möchte aber als Präsidentin von LOS, landwirtschaftliche Organisation Seeland, dennoch einige Punkte ansprechen. Es geht nicht nur um eine Sanierung; wir sprechen hier von ökologischen und ökonomischen Massnahmen. Es gibt Bauern, die zum Grasen anstatt 2 Kilometer bis zu 12 Kilometer fahren müssen, und das von März bis November jeden Tag! Sie fahren durch das Städtchen Aarberg, das durch den Verkehr ohnehin stark belastet ist. Es kann doch nicht sein, dass wir Traktoren dorthin schicken, wo sie gar nichts zu tun haben! Es gibt, wie gesagt, auch einen ökonomischen Aspekt: Es verursacht Kosten für unsere Bauern. Und die Brücken sind in Kantonsbesitz, nicht im Besitz der Gemeinden links und rechts. Derzeit wird der Kanal saniert, und das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, auch dort etwas zu machen, damit während der Sanierungsarbeiten ab und zu ein leerer Lastwagen hätte durchfahren können. Jan Gnägi, Jens (BDP). Besten Dank für die Diskussion und die Stellungnahmen. Zu einigen möchte ich mich äussern. Ich bedanke mich bei Willy Marti und Beatrice Struchen, die noch einmal die ökologischen Bedenken, die auch wir hatten, aufzeigten. Grossrätin Rüfenacht möchte ich sagen, dass es eben gerade nicht um eine Substanzerhaltung geht. Das wäre keine Lösung, denn mit einer Substanzerhaltung würden die Gewichtslimiten bleiben. Es geht vielmehr um eine Zweckerhaltung, damit die Traktoren die Brücken weiterhin benutzen können. Grossrat Daetwyler sprach vor allem von den Kosten. Es geht jedoch nicht um die Kosten, sondern um die Mitarbeit. Das sagt auch die Regierung. Die Kosten wären auch gegeben, wenn man die Motion abschreiben würde. Die Zusammenarbeit von Gemeinden und Kanton ist immer wie-

131 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 571 der wichtig; gerade in diesem Fall ist sie von entscheidender Bedeutung. Mit der Überweisung der Motion ohne Abschreibung beauftragen wir den Kanton als Eigentümer dieser Brücken, seine Verantwortung wahrzunehmen und den Gemeinden bei ihren Projekten Unterstützung zu bieten. Die Kostentragungspflicht ist übrigens aus meiner Sicht auch eine Massnahme. Sie wurde noch nicht ergriffen. Auch deshalb kann man die Motion nicht abschreiben. Eigentum verpflichtet zu Verantwortung und Mitarbeit, wie es auch Grossrätin Struchen betont hat, und in dem Sinn zu einer gerechten Lösung. Die Gemeinden sind zu einer Zusammenarbeit bereit. Ich bitte den Rat, die Motion nicht abzuschreiben. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung der Motion Dagegen 117 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen 46 Stimmen 73 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft /10 Motion SP-JUSO-PSA (Stucki, Bern) Vorbeugen beim öffentlichen Beschaffungswesen Korruption verhindern Wortlaut der Motion vom 23. November 2010 Der Regierungsrat wird aufgefordert, die Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen (Gesetz oder zumindest Verordnung) dahingehend zu ergänzen, dass 1. das Korruptionsrisiko soweit als möglich eingeschränkt werden kann 2. Unternehmen auf dem Selbstdeklarationsformular explizit bestätigen, keinerlei Korruptionshandlungen zu unternehmen 3. Sanktionen vorgenommen werden können, wenn Vergehen im Sinne von Korruption vor, während oder nach dem Vergabeverfahren festgestellt werden Weiter wird der Regierungsrat aufgefordert, 4. aktiv mit Transparency International 1 zusammenzuarbeiten und insbesondere 5. die kantonale Verwaltung durch Schulung und spezielle Kampagnen für das Korruptionsrisiko zu sensibilisieren Als eines der volkswirtschaftlich bedeutsamsten Segmente gehört das öffentliche Beschaffungswesen zu den korruptionsanfälligen Bereichen der Wirtschaft. Das Risiko, mit unlauteren Methoden und Bestechungshandlungen auf die Erteilung des Zuschlags einzuwirken, ist im Vergabeverfahren hoch, da immense finanzielle Interessen dahinterstehen. Im Vergabeverfahren sind deshalb Transparenz und Chancengleichheit unter Anbietenden wesentliche Grundsätze, um das Korruptionsrisiko soweit als möglich einschränken zu können. Weiter sind öffentliche Beschaffungsstellen zunehmend damit konfrontiert, dass Unternehmen mit unlauteren oder schwer nachprüfbaren Handlungen die Arbeiten während der Ausführung zu verteuern versuchen. Das Gesetz ist deshalb mit der Aufnahme von Ausschlussgründen zu ergänzen, und zwar in folgendem Sinne: Während des Vergabeverfahrens: Ausschluss eines Anbietenden durch die Vergabestelle nach Kenntnisnahme 1 Transparency International Schweiz, Schanzeneckstrasse 25, Postfach 8509, CH-3001 Bern der Begehung eines Bestechungsdelikts oder wegen Absprachen, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen oder erheblich beeinträchtigen. Vor dem Vergabeverfahren: Ausschluss eines Anbietenden, wenn dieser wegen der Begehung von Bestechungsdelikten oder wegen Absprachen, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen oder erheblich beeinträchtigen, innerhalb der letzten fünf Jahre rechtskräftig verurteilt worden ist, der rechtskonforme Zustand nicht wiederhergestellt worden ist und keine angemessenen (organisatorischen, strukturellen und personellen) Massnahmen ergriffen worden sind, um einen solchen Verstoss künftig zu verhindern. Möglichkeit des Widerrufes eines Zuschlags oder des Ausschlusses von Vergabeverfahren für eine Dauer von bis zu fünf Jahren, wenn Zuwiderhandlungen festgestellt werden. (Art. 8 ÖGB) Aufnahme einer «Integritätsklausel» in alle Beschaffungsund Ausführungsunterlagen, welche Auftraggeber/in und Anbieter/in verpflichten, alle erforderlichen Massnahmen zur Vermeidung von Bestechung und anderem unethischen Verhalten zu ergreifen, sodass insbesondere keine Zuwendungen oder andere ungebührliche Vorteile angeboten oder angenommen werden. (Weitere Unterschriften: 21) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Der Regierungsrat ist ebenfalls der Meinung, Korruption sei neben kartellistischen Absprachen von Anbietenden eines der zwei grossen Risiken öffentlicher Beschaffungen. Korruptionsfälle lassen sich allerdings nur schwer nachweisen und Verurteilungen sind äusserst selten, obschon die schweizerische Gesetzgebung (Strafgesetzbuch, Bundespersonalgesetz, Gesetz über den unlauteren Wettbewerb) zahlreiche korruptionsrelevante Straftatbestände mit angemessenen Strafandrohungen kennt. Die aktuelle Fassung von Artikel 8 des bernischen Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBG) nennt den Tatbestand der Korruption nicht ausdrücklich, bietet jedoch eine ausreichende Rechtsgrundlage für Sanktionen gegenüber Firmen, die sich korrupter Handlungen schuldig gemacht haben. Nebst einem Ausschluss aus laufenden Verfahren können bestehende Zuschlagsverfügungen widerrufen werden und in schwer wiegenden Fällen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, Zuschlagsempfänger zusätzlich bis zu fünf Jahre von künftigen Verfahren auszuschliessen. Trotzdem ist der Regierungsrat bereit, die Aufnahme des Korruptionstatbestands in den expliziten Katalog von Artikel 8 ÖBG bei der nächsten Gesetzesrevision zu prüfen. Ebenso soll eine entsprechende Ergänzung des Selbstdeklarationsformulars geprüft werden. Wichtiger als neue gesetzliche Regelungen sind aus Sicht des Regierungsrates allerdings präventive Massnahmen gegen die Korruption. Kantonale Beschaffungsstellen wenden bereits heute die folgenden administrativen Qualitätsmassnahmen an, die zwar nicht primär zur Korruptionsabwehr geschaffen wurden, aber auch eine präventive Wirkung entfalten: Die hohe Transparenz öffentlicher Beschaffungen, namentlich bei offenen Verfahren. Die Dokumentation des Vergabeverfahrens, mit der noch nach Jahren garantierten Einsehbarkeit der Akten bei einem allfälligen Verdacht. Das interne Kontrollsystem mit einem weitgehenden «Vier- Augen-Prinzip».

132 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie Die nachträgliche externe Prüfung durch die Finanzkontrolle. Die Genehmigungspflicht von Nebenbeschäftigungen. Zudem erachtet der Regierungsrat insbesondere gezielte Sensibilisierungsmassnahmen zur Korruptionsgefahr bei öffentlichen Beschaffungen als sinnvoll. Im Rahmen eines Schwerpunktthemas des Beirats für das öffentliche Beschaffungswesen des Kantons Bern haben bereits erste Kontakte mit Transparency International stattgefunden. Geplant sind namentlich konkrete Sensibilisierungsveranstaltungen für Submissionsverantwortliche. Der Regierungsrat ist bereit, eine Ergänzung der Gesetzgebung über die öffentliche Beschaffung im Sinne der Motion ebenso zu prüfen wie den Ausbau geeigneter Präventionsmassnahmen. Am 2. Februar 2011 hat der Regierungsrat bereits ein Projekt zur Optimierung des Beschaffungswesens in der Kantonsverwaltung in Auftrag gegeben (RRB 173/2011). Dieses bezweckt unter anderem die Professionalisierung, Harmonisierung und Standardisierung der Beschaffungsprozesse und sieht dazu auch Massnahmen zur Korruptionsverhinderung und -bekämpfung vor. In diesem Sinne befürwortet der Regierungsrat eine Annahme der Motion als Postulat. Antrag: Annahme der Motion als Postulat. Beatrice Stucki, Bern (SP). Der Vorstoss wird auch als Postulat bestritten, deshalb ergreife ich das Wort. Zuerst etwas zu meiner Verknüpfung: Ich bin als Vertreterin der Gewerkschaft VPOD Mitglied im paritätisch zusammengesetzten Beirat öffentliches Beschaffungswesen des Kantons Bern. Bestechung und Korruption: zwei Begriffe, die in den letzten Wochen in den Medien oft zu hören und zu lesen waren. Aber, Kolleginnen und Kollegen, Bestechung und Korruption gibt es nicht nur in der FIFA oder im Fussball, wo ein Goalie die Gesundheit seiner Teamkollegen mit Schlafmittel im Trinkwasser gefährdete. Bestechung und Korruption gibt es in allen Bereichen unserer Gesellschaft, im Handel, im Bau, im Sport; sogar in den Schulen kommt es manchmal vor, dass Eltern das Gefühl haben, sie könnten einer Lehrperson etwas anbieten, wenn dadurch ihr Kind eine Prüfung bestehen würde. Schweizerinnen und Schweizer denken immer, Bestechung und Korruption gebe es in der Schweiz nicht. Das ist leider falsch. Seit Jahren belegt die Schweiz auf der Korruptionsskala von Transparency International den siebten Rang. Sie bleibt damit unter den Top Ten derjenigen Länder, in denen Korruption in der öffentlichen Verwaltung als unbedeutend wahrgenommen wird. Das öffentliche Beschaffungswesen regelt ein wichtiges Segment unserer Volkswirtschaft. Die Gemeinden, die Kantone und der Bund sind gute Kunden von Anbietern der unterschiedlichsten Bereiche, eben Bau, Waren und Leistungen. Das macht 25 Prozent der gesamten Staatsausgaben der Schweiz aus oder 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Weil das ein so wichtiges Segment ist, ist auch die Gefahr gross, dass kleinere oder grössere Angebote mit Geschenken nachgebessert werden. Hier beginnt die Problematik. Was genau ist Korruption, was ist Bestechung? Sicher nicht die Flasche Wein an Weihnachten oder eine gelegentliche Einladung zu einem Mittagessen oder an einen YB-Match. Bei einer Einladung zu einem verlängerten Wochenende im «Bellevue» oder im «Palace» in irgendwo beginnt es jedoch. Was ist eigentlich Korruption? Transparency International definiert sie wie folgt: «Korruption ist der Missbrauch einer anvertrauten Machtstellung zu privatem Nutzen.» Dafür gibt es folgende Beispiele: aktive Bestechung, passive Bestechung, Vorteilsgewährung oder Vorteilsannahme, Schmiergelder, materieller oder immaterieller Vorteil. Mein Vorstoss wurde offenbar von einigen von Ihnen und von Gewerbe und Handel als Misstrauensäusserung wahrgenommen. Das war nicht meine Absicht, ganz im Gegenteil. Mir geht es darum, ehrliche und transparente Gewerbetreibende zu schützen. Es wäre auch gar nicht so, dass Transparency International alle Angebote kontrollieren müsste, das wäre ziemlich absurd. Eine einfache Selbstdeklaration, wie sie auf dem Netz von Transparency International aufgeschaltet ist, ist in zwei Minuten ausgefüllt. Sie enthält fünf Fragen, man kann die Kästchen «erfüllt» oder «nicht erfüllt» ankreuzen. Es gibt beispielsweise so wahnsinnig komplizierte Fragen wie: «In Ihrem Unternehmen gibt es eine klare Regelung»; oder noch schlimmer: «Wesentliche Entscheide werden nicht von einzelnen Personen, sondern von mindestens zwei Personen getroffen». Also eine Sache, die in wenigen Minuten ausgefüllt ist. Keine grosse «Büetz». Mein wichtigstes Anliegen ist klar die Sensibilisierung, sowohl auf der Seite der Käuferinnen und Käufer als auch auf der Seite der Anbieterinnen und Anbieter. Deshalb auch der Antrag, den Begriff «Korruption» im Gesetz ausdrücklich zu erwähnen und damit dem Risiko, das nun einmal besteht, Rechnung zu tragen. Mir sind vor allem die Ziffern 1, 3 und 5 wichtig. Sie tun niemandem weh und erfordern keine Mehrarbeit der Anbieterfirmen. «Ich muss bestechen, weil die anderen es auch tun und ich sonst den Auftrag verliere»: Das Ist eine Aussage, die man ab und zu hört. Es ist eine traurige Begründung, aber leider nicht selten. Um einen Zuschlag zu erhalten, kann mit unlauteren Methoden nachgeholfen werden. Damit erhält letztlich nicht das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag, sondern dasjenige, das durch seine Bestechungsangebote überzeugt hat. Davon sind nicht Kleinaufträge betroffen, sondern in erster Linie Grossaufträge, und solche hat der Kanton als Bauherr von Strassenbauten, Gebäudesanierungen und Neubauten sehr viele zu vergeben. Ich bitte daher alle, nicht mit Angst oder einer Abwehrhaltung auf diese Sensibilisierung zu reagieren und meine Motion zu unterstützen. Hugo Kummer, Burgdorf (SVP). Unsere Fraktion war schon etwas erschüttert, als wir den Titel der Motion lasen. Wir fragten uns, ob wir denn in einer Bourbaki-Republik seien oder noch im Kanton Bern. Wir haben uns ebenfalls gefragt, ob wir denn nur noch derart schlechte Unternehmer in unserem Kanton haben. Wir sind ganz klar der Meinung: Das kann nicht der Fall sein. Es ist auch nicht der Fall. Die Motionärin schlägt verschiedene Massnahmen vor, um das Korruptionsrisiko im öffentlichen Beschaffungswesen zu reduzieren. Eines ist klar: Auch die SVP will absolut keine Korruption. Und Korruptionsfälle sind eigentlich eher selten. Vorgeschlagen werden unter anderem die Ergänzung des Gesetzes beziehungsweise der Verordnung sowie die Selbstdeklaration. Der Regierungsrat weist in seiner Antwort ganz klar darauf hin, dass das aktuelle Gesetz ausreichende Rechtsgrundlagen für Sanktionen gegenüber Firmen vorsieht, die sich korrupter Handlungen schuldig machen. Vorgesehen sind in solchen Fällen Ausschlüsse von bis zu fünf Jahren. Was ist die Folge davon? Wir müssen hier keine Motion überweisen, das ist ganz klar. Wir müssen die Instrumente, die wir haben, anwenden. Wir müssen nichts Neues erfinden. In unserer Gemeinde hatten wir einen solchen Fall. Es handelte sich nicht um Korruption, aber wir hatten einen andern Fall, und genau dort wendeten wir dieses Instrument an. Es braucht sehr viel Material und wir trugen grosse Dossiers zusammen, aus verschiedenen Unternehmen und verschiedenen Direktionen. Es gelang uns jedoch, das Unternehmen für fünf Jahre auszuschliessen. Kommen wir zur Selbstdeklaration. Die Motionärin sagte, das sei kein grosser Aufwand. In der Motion steht aber klar geschrieben, dass die Verwaltung zusätzlich geschult werden müsse, da sie das kontrollieren müsse. Das bedeutet wieder

133 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 573 einen wesentlichen zusätzlichen Aufwand. Wir sind zudem der Meinung, dass die Unternehmer und die Handwerker eigentlich da sind, um zu arbeiten und um ihre Projekte zu realisieren, und nicht noch zusätzlichen Bürokram auf sich nehmen sollten. Es stellt sich auch die Frage, ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohne und ob mit diesen Massnahmen das Problem der Motionärin verhindert werde. Unsere Fraktion ist ganz klar der Meinung, dass wir genügend Instrumente haben, um etwas zu bewirken. Aus diesem Grund lehnen wir diese Motion ab. Auch ein Postulat würden wir nicht unterstützen. Fazit: Wir sind der Ansicht, dieser Vorstoss sei absolut unnötig. Walter Neuenschwander, Rubigen (BDP). Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Diskussion zur Motion über die Mützen und Kopfbedeckungen. Der Regierungspräsident sagte dort, man solle doch Vertrauen in die Menschen haben, solle ihnen die nötige Verantwortung geben und sie nach gesundem Menschenverstand ihre Aufgaben und Arbeiten machen lassen. Ich nehme an, dass er damit nicht nur die Lehrer und Lehrerinnen meinte, sondern alle Leute. Liebe Kollegin Beatrice Stucki: Nicht alle Gewerbler und KMU sind kleine Sepp Blatters! Aber auch die Personen, die im öffentlichen Beschaffungswesen über Auftragsvergaben entscheiden müssen, machen ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen, nach den Vorgaben und Regeln des Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen sowie nach den Submissionsverordnungen der jeweiligen Gemeinwesen, sei es Kanton, Bund oder Gemeinde. Das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen sieht ausreichende Möglichkeiten vor und bietet genügend Rechtsgrundlagen, um Anbieter und Firmen, die sich allenfalls korrupter Handlungen schuldig machen könnten, zu sanktionieren. Vorgesehen sind der Ausschluss aus laufenden Verfahren, der Widerruf, der Entzug des Auftrags; zudem können sie für längere Zeit von künftigen Angebotsverfahren ausgeschlossen werden. Ausserdem kann der Tatbestand der Korruption bereits heute gemäss Strafgesetzbuch, Personalrecht und Wettbewerbsrecht entsprechend drastisch sanktioniert werden. Die BDP-Fraktion ist wie die Regierung der Meinung, es brauche keine weiteren gesetzlichen Regelungen in dieser Sache. Die kantonalen Beschaffungsstellen wenden schon heute gute, griffige Qualitätsmassnahmen an, die ausreichend präventiv gegen jede allfällige Korruption wirksam sind. Es kann doch nicht sein, dass nebst den vielen heutigen Deklarationen und Bestätigungen von verschiedensten Stellen zusätzlich noch eine Bestätigung der Firma Transparency International zusammen mit der Offerte eingereicht werden muss, notabene für Aufträge von Bau- oder Renovationsarbeiten in der Grössenordnung von 5000 bis Franken. Das ist klar übers Ziel hinausgeschossen. Ich betrachte diesen Vorstoss als unnötig. Ich bitte den Rat, uns Handwerker und Gewerbetreibende nicht noch stärker mit bürokratischem Kram zu belasten. Die BDP- Fraktion lehnt den Vorstoss als Motion, aber auch als Postulat einstimmig ab. Peter Sommer, Wynigen (FDP). Mit der vorliegenden Motion wird einmal mehr die Erweiterung des bestehenden, notabene sehr gut funktionierenden öffentlichen Beschaffungswesens verlangt. Konkret will man mit diesem Vorstoss das Korruptionsrisiko reduzieren. Wie bereits gesagt wurde, weist die Regierung in ihrer Antwort darauf hin, dass die aktuelle Gesetzesgrundlage bis heute genügt, um Firmen, die sich korrupter Handlungen schuldig machen würden, sanktionieren zu können. Im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens bestehen ebenfalls genügend Möglichkeiten, solche Firmen vom Verfahren auszuschliessen. National und international wurde der Kampf gegen die Korruption in den letzten Jahren verstärkt. In einem Bereich, der vorhin bereits genannt wurde, vielleicht etwas weniger. Im Zug dieser Entwicklung hat auch die Schweiz das Korruptionsstrafrecht verschärft und erweitert. Nach der neuen Rechtslage werden Personen in der Schweiz, und zwar sowohl natürliche Personen als auch Unternehmungen, strafrechtlich verfolgt, wenn sie sich der Korruption schuldig machen. Neben der drohenden Strafe zieht die Korruption für überführte Unternehmungen weitere Schäden nach sich, indem ihnen beispielsweise Zugang zu staatlichen Leistungen und Projekten untersagt wird. Zudem erleiden sie generell grosse Reputationsverluste. Die FDP-Fraktion erachtet deshalb den Vorstoss als unnötig und lehnt ihn sowohl als Motion wie auch als Postulat ab. Mit dieser Forderung würde das heute schon komplexe öffentliche Beschaffungswesen noch weiter verkompliziert, und der Kanton Bern würde einmal mehr ein Sonderzüglein fahren. Viele kommunale Vergabestellen kommen mit den heutigen Bestimmungen des Beschaffungswesens an ihre Grenzen; zum Teil sind sie gar überfordert. Die Einführung eines weiteren Kriteriums würde zu einer zusätzlichen Verunsicherung führen, auch wenn es im Moment den Eindruck erweckt, es sei mit einem Kreuz, das man auf dem Selbstdeklarationsblatt anbringen kann, ein einfaches Kriterium. Auch wenn der Anbieter in diesem Selbstdeklarationsblatt das Kreuz am richtigen Ort macht, stellt sich rasch einmal die Frage, ob sich das überhaupt kontrollieren lässt. Konzentrieren wir uns im öffentlichen Beschaffungswesen also besser auf Vergabekriterien, die sinnvoll und kontrollierbar sind. Noch ein Wort zu den Unternehmungen: In der Motion wird zumindest in einem gewissen Mass auch suggeriert, dass bei den Unternehmern die Korruption toleriert werde und zum Teil gang und gäbe sei. Die Korruption wird sicher nicht toleriert, ich weise diese Unterstellung mit Vehemenz zurück. Die negativen Auswirkungen kennt man aus andern Ländern: Ausländische Direktinvestitionen gehen zurück; die Produktivität sinkt; Schattenwirtschaft und Inflation steigen; Einkommen und Vermögen sind ungleich verteilt; das soziale Ungleichgewicht nimmt zu. Etwas hat Beatrice Stucki vorhin verschwiegen: Ein Blick auf das Rating von Transparency International zeigt, dass die Schweiz auf dem 8. von 180 Plätzen figuriert. Damit ist wohl auch klar, dass Korruption und Bestechung in der Schweiz und auch im Kanton Bern kein vordringliches Problem sind. Deshalb lehnt die FDP den Vorstoss sowohl als Motion wie auch als Postulat ab. Sollte er als Motion angenommen werden, beantragen wir Abschreibung. Kathy Hänni, Kirchlindach (Grüne). Ich verstehe nicht ganz, weshalb sich unsere ehrenhaften KMU nun angegriffen fühlen. Im juristischen Sinn ist Korruption der Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer Funktion in der Verwaltung, der Justiz, der Wirtschaft oder auch in der Politik, um einen materiellen Vorteil zu erlangen, auf den man keinen rechtlich begründeten Anspruch hat. Wo aber beginnt das? Bei der Verletzung von allgemeinen Interessen zugunsten eines speziellen Vorteils. Damit einher gehen ein ganz klarer Leistungsabbau, eine Imageeinbusse und ein Vertrauensverlust. Der Verlust wird von Transparency International mit bis zu 7 Prozent beziffert; es ist also nicht einfach «es Nüteli». Ich stellte mir die Frage, weshalb wir überhaupt bestechlich werden. Unser Submissionsgesetz schreibt vor, den Zuschlag immer dem günstigsten Angebot zu geben. Dieses Spardenken holt uns in der heutigen Zeit öfter ein und beschert uns auch gewisse Unannehmlichkeiten. Es ist für mich wie ein Kristallisationspunkt. Wer das versprochene Angebot bis ganz zum

134 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie Schluss vollständig einhalten kann: Chapeau! Meistens sieht es etwas anders aus, gerade bei Kantons- und Staatsaufträgen. Für den Leistungsanbieter ist der Wunsch, den Zuschlag zu erhalten, in der heutigen Zeit auch aus ökonomischen Gründen so stark, dass er alles gibt und möglicherweise bereits im Voraus damit liebäugelt, gewisse Tricks einzusetzen. Eine Medaille hat eben immer zwei Seiten: die eine ist der Preis, die andere die Leistung. Ein niedriger Preis hat gelegentlich ein grösseres Risiko. Deshalb ist es zwingend, dass man die richtigen flankierenden Abmachungen hat. Die Motionärin bringt sehr gute Vorschläge, um unsere Entscheidträger mit guten Hilfsmitteln an diesem Kristallisationspunkt zu stärken. Aus der Antwort geht auch klar hervor, dass sich die Regierung bei der Überarbeitung nach der Annahme der Motion Sommer ebenfalls Gedanken zu diesen Punkten gemacht hatte. Ich bin überzeugt, dass wir bei der Überarbeitung, die angesprochen wurde, ein paar Nägel mit Köpfen einschlagen könnten, um gewappnet zu sein. Der Zeitpunkt der Motion von Grossrätin Stucki im Vorfeld dieser Arbeit könnte kaum besser gewählt sein. Sie gibt uns wertvolle Hinweise, um diese heiklen Themen anzupacken. Die grüne Fraktion würde auch eine Motion unterstützen, weil die geforderten Punkte von der Regierung bereits als gute Sache bezeichnet wurden. Damit könnten wir eine gesunde Grundlage für den Kampf gegen Korruption und Kartellwesen schaffen. Ich hoffe, die KMU sehen ihre Chance darin. Michael Aebersold, Bern (SP). Die Präsenz ist wieder etwas besser. Ich habe mich bereits gefragt, ob nur diejenigen anwesend seien, die sich mit diesem Thema befassen, respektive, ob diejenigen den Saal verlassen haben, die nicht über Korruption sprechen wollen. Zum Vorstoss: Es ist aus allen Voten wohl klar geworden, dass niemand Korruption gutheissen kann und auch niemand sie gutheissen will. Es ist ebenfalls klar, dass im öffentlichen Beschaffungswesen, um das es im Vorstoss geht, wie auch im nichtöffentlichen ein riesiges Potenzial für Korruption vorhanden ist. Das beginnt im Kleinen, mit dem bekannten «Söihäfeli Söideckeli» oder der «Vetterliwirtschaft», um irgendeinen Vorteil zu ergattern, bis hin zum Schmieren oder zu einem richtigen Betrugsfall. In diesem ganzen Spektrum ist die Sensibilisierung wichtig. Wir sind der Meinung, die Stossrichtung dieser Motion sei deshalb richtig. Es ist notwendig, die Gesetzgebung entsprechen zu überprüfen und allenfalls anzupassen. Dies umso mehr, als der Regierungsrat sagt, der Tatbestand der Korruption als solcher stehe heute nicht im Gesetz. Das wäre doch eigentlich ein Grund, um das Anliegen zu prüfen, und das Gesetz dort, wo es nötig ist, zu ergänzen. Ich finde, es sollte auch von bürgerlicher Seite her möglich sein, den Vorstoss mindestens als Postulat zu überweisen. Ich möchte noch kurz etwas zu den bisherigen Ausführungen sagen: Die SVP sagte, sie sei erschüttert, es sei ja nicht so schlimm, sie wolle keine Korruption und dennoch keine Motion und auch kein Postulat: Ich muss zugeben, ich verstehe das nicht. Es ist nicht allzu lange her, da hatten wir in diesem Kanton grosse Korruptionsfälle: amtierende Regierungsmitglieder, welche beispielsweise ihr Auto einfach gratis in den Service brachten. Das, meine Damen und Herren, ist Korruption! Das wäre ein Grund, den Vorstoss als Postulat zu unterstützen. Die BDP und die FDP argumentieren quasi, als ob sich der Vorstoss gegen das Gewerbe und gegen Unternehmungen richten würde. Es braucht zwei Seiten: eine Seite, die den Auftrag vergibt, und eine Seite, die den Auftrag entgegennimmt. Es besteht eine Wechselwirkung; beide Seiten müssen dabei sauber und fair handeln, damit der freie Markt, ein Credo, das ebenfalls von der bürgerlichen Seite kommt, fair spielen kann. Vom Sprecher der FDP wurde der Reputationsverlust erwähnt: Genau darum geht es, genau das wollen wir verhindern, damit nicht eine schlechte Reputation zu einer schlechten Entwicklung im Unternehmertum führt. Darum bitten wir den Rat, den Vorstoss mindestens als Postulat zu überweisen. Martin Friedli, Sumiswald (EDU). Ich bin etwas erstaunt über den Verlauf der Diskussion. Auch über das Votum der Motionärin. Vielleicht interpretiere ich es falsch, weil auch Emotionen dabei sind. Ich möchte aber einige Dinge aus meiner Sicht, als jemand, der viel mit dem öffentlichen Beschaffungswesen zu tun hat, dazu sagen. Die Motionärin meinte, man höre ab und zu die Aussage, man müsse selber korrupt sein, um einen Auftrag zu erhalten, weil es auch die andern sind. Ich möchte wissen, wo das möglich war und wo es einen solchen Tatbestand gibt. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass so etwas vorgefallen sein soll. Sie erwähnte auch die Vergabe im öffentlichen Strassenbau. Auch dort möchte ich gerne etwas über den Fall erfahren. Falls sie auf das Bewertungssystem abzielt, das dort angewendet wird, muss ich sagen: Die Baudirektion macht das sehr moderat. Sie prüft gründlich und fair und macht einen guten Job. Das Bewertungssystem ist gut; das wollten wir so. Dass gewisse Emotionen dabei sind, ist logisch. Wenn man etwas verkaufen will oder wenn man selber etwas kaufen will, kauft man auch niemandem etwas ab, dem man zu verstehen gibt, er sei ein Dummkopf. Die Emotionen sind vorhanden, und ich frage mich, ob das wirklich so schlecht ist. Die Baubranche wird immer wieder als schlecht dargestellt, sie ist immer der Zankapfel. Von daher fühle ich mich zwar nicht angegriffen, aber doch auch angesprochen. Ich finde, es gibt Branchen, bei denen es mehr Diskussionsbedarf gäbe. Die Baudirektion macht, wie gesagt, einen guten Job. Ich betrachte den Vorstoss als Misstrauensäusserung gegenüber den Leuten, die unsere Eingaben kontrollieren. Das finde ich nicht gut. Ich möchte auch nicht, dass die Selbstdeklaration zu einem «Lugiblatt» wird, weil man sie nicht kontrollieren kann. Diese Situation hatten wir bereits. Ich empfehle der Motionärin, in ein Postulat zu wandeln, und dem Grossen Rat, dieses anzunehmen als positives Zeichen dafür, dass wir nicht a priori sagen, so etwas könne nicht passieren. Gleichzeitig würde ich aber auch Abschreibung beantragen, als Zeichen des Vertrauens in den Staat. Marc Jost, Thun (EVP). Ich habe einige Zeit in Ländern verbracht, bei denen Transparency International von einer Korruption von 95 Prozent der Gesellschaft spricht. Wenn ich das mit meinem Heimatland verglich, war ich dankbar und erleichtert, dass wir ganz andere Verhältnisse haben. Das ist tatsächlich so. Trotz allem mochte ich darauf hinweisen, dass es nicht deplatziert ist, das Thema im Grossen Rat des Kantons Bern aufs Tapet zu bringen. Dies aus folgenden Gründen: Beim vorliegenden Vorstoss geht es nicht nur um Korruption. Wer ihn vollständig liest und auch die Regierungsantwort ganz anschaut, erkennt, dass es um unlauteren Wettbewerb und um unerlaubte Absprachen, um Kartelle, geht. Wer sich noch etwas tiefer in die Materie hineinwagt und vielleicht einen Blick auf die letzten zehn Entscheide der Wettbewerbskommission wirft, die übrigens im Internet publiziert wurden, muss Folgendes feststellen: In der letzten Meldung, vom 9. Juni 2011, kommuniziert die Wettbewerbskommission unerlaubte Preisabsprachen im Strassen- und Tiefbau im Kanton Aargau und die Verfügung von Bussen in der Höhe von 7 Mio. Franken. Wenn Sie die letzten Entscheide der Wettbewerbskommission durchgehen, finden Sie weitere

135 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 575 solche Fälle. Viele Fälle betreffen leider die Baubranche. Damit will ich aber nicht behaupten, es sei nur dort ein Problem. Zudem wird in keinem der Fälle explizit von Korruption gesprochen. Man kann sich fragen weshalb das so ist; möglicherweise kann man sie schlecht nachweisen, es ist aber auch möglich, dass sie nicht vorkommt. Es wäre aber falsch, zu meinen, wir hätten keine Probleme in diesem Bereich. Wer das behauptet, sollte wirklich einmal genauer hinschauen und diese Entscheide lesen. Die EVP-Fraktion unterstützt das Postulat, und zwar aus verschiedenen Gründen. In der Forderung ist einerseits der Punkt der Selbstdeklaration enthalten, die um den Tatbestand der Korruption ergänzt werden soll. Das finden wir richtig; erstens weil eine Selbstdeklarationspflicht schon mal sensibilisiert und das Unternehmen oder den Mitarbeiter, der daran beteiligt ist, an die Spielregeln, die in seinem Business gelten, erinnert. Häufig ist eine Verunsicherung darüber vorhanden, was man gerade in Bezug auf Absprachen überhaupt darf. Zweitens ist eine Deklarationspflicht auch für die Behörden wichtig, damit sie sich darauf berufen können, dass das Unternehmen davon gewusst hat, wenn es zu Problemen kommt. Von einigen Sprechern wurde das als «Bürokram» bezeichnet, der zu Verunsicherung führe. Es handelt sich um ein Formular; das verunsichert keineswegs. Wenn man nicht sicher ist, was denn Korruption genau ist, kann man sich doch ins Bild setzen. Die Sensibilisierung ist wichtig. Weshalb nur ein Postulat? Im Motionstext sind die Ausschlussgründe, die man in ein Gesetz aufnehmen will, sehr detailliert und sehr eng gefasst. Wir bezweifeln, dass dies die richtige Form ist. Vielleicht sollte man das noch einmal überdenken und sich nicht ein derart enges Korsett vorschreiben, was die Aufnahme des Tatbestands ins Gesetz betrifft. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Regierung, den Vorstoss als Postulat zu überweisen. Ich rufe dazu auf, noch einmal genau zu prüfen, was denn eigentlich gegen ein Postulat spricht. Mit einer zusätzlichen Sensibilisierung könnte man letztlich auch das an sich nicht schlechte Image der verschiedenen Branchen, die immer wieder kritisiert werden, noch einmal verbessern. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Ich kann nicht viel mehr dazu sagen als wir bereits in der Motionsantwort ausgeführt haben. Es gibt im Moment keinen expliziten Tatbestand im Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Regierung ist bereit, eine Ergänzung zu prüfen. Man müsste zuerst untersuchen, wie man das machen könnte. Deshalb ist die Regierung für ein Postulat. Wichtiger im ganzen öffentlichen Beschaffungswesen ist ein professionelles Verhalten der Vergabestellen und der Leute, die dort arbeiten. Das ist auch für die Verhinderung von Korruption etwas ganz Entscheidendes. Dort machen wir zusammen mit verschiedenen andern Stellen bereits sehr viel, indem wir die Leute immer wieder ausbilden und sensibilisieren. Ich bitte Sie aus diesen Gründen, den Vorstoss nicht als Motion zu überweisen, womit wir gleich einen Gesetzesartikel aufnehmen müssten, sondern als Postulat, um uns das erst prüfen zu lassen. Beatrice Stucki, Bern (SP). Dass der Vorstoss von so vielen als unnötig erachtet wird, ergibt für mich ein grosses Fragezeichen. Es lässt tief blicken, vor allem wenn man sich primär hinter dem Aufwand versteckt. Ich bin froh, dass die Vertreter der Arbeitgeberseite im Beirat öffentliches Beschaffungswesen nicht so denken. Aufgrund dieses Vorstosses haben wir im Beirat lange diskutiert. Es wurde beschlossen, dass das Hearing, das regelmässig mit verschiedensten Anbietern regelmässig durchgeführt wird, in diesem Jahr diesem Thema gewidmet sein wird. Ich habe kein Interesse an einer abgelehnten Motion, ebenso wenig an einem abgelehnten Postulat; deshalb ziehe ich meine Motion zurück. Zum Votum von Martin Friedli: Ich habe niemanden persönlich angegriffen. Ich habe den Strassenbau als ein Beispiel dafür erwähnt, wo die Gefahren lauern. Ich habe niemanden aufgrund eines konkreten Beispiels angreifen wollen. Präsident. Ich wiederhole: Die Motion wurde zurückgezogen. Geschäft /10 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Gsteiger, Perrefitte (PEV) / von Kaenel, Villeret (PLR) / Hirschi, Moutier (PSA) / Bühler, Cortébert (UDC) Für ein echtes Velowegnetz im Berner Jura Wortlaut der Motion vom 25. November 2010 Gemäss Artikel 45 des Strassengesetzes (SG) vom 4. Juni 2008 (BSG ) erlässt der Regierungsrat den kantonalen Sachplan Veloverkehr, mit dem die Velorouten mit kantonaler Netzfunktion für den Veloalltags- und für den Velofreizeitverkehr festgelegt werden. Der neue Sachplan ist für 2012 vorgesehen. Um die Sicherheit der Velofahrerinnen und Velofahrer zu gewährleisten, die sanfte Mobilität zu fördern und zur Tourismusentwicklung im Berner Jura beizutragen, wird der Regierungsrat wie folgt beauftragt: 1. In den Kantonalen Richtplan Veloverkehr (KRP Velo) sind neue Massnahmen zugunsten des Veloverkehrs in der gesamten Region aufzunehmen, damit innert kürzester Zeit ein Grundroutennetz realisiert werden kann. 2. Es ist dafür zu sorgen, dass mit diesen Massnahmen bestehende Lücken geschlossen und ein vollständiges Velowegnetz geschaffen werden können. 3. Überall dort, wo dies möglich ist, soll in den Gemeinden das bestehende Netz der Nebenwege (Ortsverbindungswege) ausgebaut werden, um die Ausgaben in diesem Bereich möglichst gering zu halten und es den Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, abseits der Kantonsstrassen zu fahren. 4. Die Strecke Cormoret Villeret ist so rasch wie möglich zu realisieren. 5. Es ist beim Bund (ASTRA) zu intervenieren, damit die Veloverkehrsverbindung zwischen Biel und La Heutte so schnell wie möglich realisiert wird. Begründung: Bei mehreren Grundsatzbeschlüssen zur Raum-, Verkehrsund Umweltpolitik kann mit Befriedigung festgestellt werden, dass der Regierungsrat die Förderung des Veloverkehrs als wichtige Aufgabe festgelegt hat. Mit dem Leitbild Velo verdeutlicht der Regierungsrat diese Grundsatzbeschlüsse, und er zeigt, wie die Vorgaben im Bereich des Veloverkehrs umgesetzt werden sollen. Er schafft damit die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine gezielte und koordinierte Veloförderung sowie Impulse zur Ausnützung des bestehenden Handlungsspielraums. Veloverbindungen sollen eine hohe Benutzerqualität aufweisen. Das heisst, sie sind kohärent geführt (durchgehend, zusammenhängend), untereinander vernetzt und zeichnen sich durch direkten Verlauf, hohe Sicherheit und hinreichenden Komfort aus. Mit dem kantonalen Richtplan Velo (KRP Velo) will der Kanton die Sicherheit im Veloverkehr erhöhen, das Velo als Verkehrsmittel im Alltag fördern und das Strassen- und Wegnetz

136 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie entsprechend anpassen. Dadurch sollen das übrige Verkehrssystem entlastet, die Umweltemissionen reduziert und die Volksgesundheit verbessert werden. Wir anerkennen, dass das Tiefbauamt mithilfe des KRP Velo in den vergangenen Jahren im Berner Jura mehrere Velorouten angelegt hat und dass kürzere Strecken nun realisiert sind. Wir sind aber der Auffassung, dass die Zeit gekommen ist, ein echtes Netz von Velowegen oder Velostreifen zu realisieren, indem die bestehenden Strecken auf optimale Weise miteinander verbunden werden. Unsere Region eignet sich für den sanften Tourismus und somit für Wanderungen und Veloferien, auch für Familien. Ausserdem können mit einem Streckenangebot, auf denen beispielsweise Schülerinnen und Schüler ungefährdet mit dem Velo fahren können, kostspielige Schülertransporte vermieden werden. Die Verbindung Cormoret Villeret muss rasch realisiert werden, damit die Schülerinnen und Schüler des Schulverbands Villeret Cormoret Courtelary den Schulweg sicher per Velo unternehmen können. Es sei noch darauf hingewiesen, dass es zwischen dem Mittelland und den Jurahügeln auf einer Strecke von über 65 km (zwischen Balsthal und Areuse) keine für den Veloverkehr geeignete Verbindung gibt. Die Strecke Biel La Heutte ist eine wesentliche Achse im Veloroutennetz und wartet nur darauf, ausgebaut zu werden. Sie stellt praktisch die Zugangspforte zu unseren Tälern dar und gehört zu den wichtigsten Trümpfen für die Tourismusattraktivität unserer Region. Es ist unabdingbar, an dieser Stelle eine sichere Verbindung zu bauen, denn es ist inakzeptabel, dass der Verkehr gemischt und durch Tunnels geführt wird, in denen die Autos tendenziell mit über 80 km/h fahren. Die vom Grossen Rat im September 2009 überwiesene Motion Schär-Egger (137/09) hatte dieses Problem bereits unterstrichen. Es besteht zwar ein Projekt, die Situation ist aber blockiert, seit dieser Abschnitt vom Bund (ASTRA) abhängt. (Weitere Unterschriften: 22) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 In den letzten zehn Jahren hat der Kanton im Berner Jura für rund 15 Mio. Franken Massnahmen zu Gunsten des Veloverkehrs verwirklicht. Unter anderem wurden auf folgenden Strecken Radstreifen realisiert: Tavannes Tramelan, Sonvilier Saint-Imier und Eschert Grandval. Im Strassenbauprogramm sind weitere 2,3 Mio. Franken für Radstreifen zwischen Cortébert und Sonceboz enthalten. Grundsätzlich bilden das Kantonsstrassennetz, der Nationalstrassenabschnitt Anschluss Reuchenette La Heutte (Taubenloch) und die heute signalisierten Freizeitrouten ein hinreichend dichtes Grundnetz für den Veloverkehr. Der Regierungsrat teilt aber die Meinung der Motionäre, dass der Veloverkehr weiter gefördert und das Veloroutennetz im Berner Jura vervollständigt und verbessert werden soll. Namentlich auf dem Nationalstrassenabschnitt Taubenloch ist die Situation für den Veloverkehr trotz vergünstigter Velomitnahme im Zug unbefriedigend. Dies ist umso gravierender, als dass zwischen Oensingen und dem Val de Travers keine geeignete Verbindung für den Veloverkehr aus dem Mittelland in den Jura existiert. Das für den fraglichen Abschnitt zuständige Bundesamt für Strassen (ASTRA) hat in Aussicht gestellt, dem Kanton bis Mitte 2011 Lösungsvorschläge zur Schliessung dieser Netzlücke von nationaler Bedeutung für den Veloverkehr zu unterbreiten. Optimierungsbedarf für den Veloverkehr besteht überdies im Vallon de Saint-Imier, sowohl für den Veloalltagsverkehr wie auch für den Freizeit- und Schülerverkehr. Im Weiteren sind Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des Veloverkehrs auf kurzen Abschnitten der Strecken Tramelan Tavannes und Pontenet Loveresse sowie in der Klus von Court erforderlich. Der Kanton wird die Lösungen in enger Zusammenarbeit mit der Region auf der Grundlage des Regionalen Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzepts (RGSK) suchen. Schliesslich besteht am Jurafuss in Kleintwann eine Lücke für den Veloverkehr, die bisher verhindert hat, dass die Velofreizeitroute Nr. 50 «Jurafuss» am linken Bielerseeufer signalisiert werden konnte. Für die Verwirklichung der baubewilligten Velo- und Fussgängerunterführung in Twann ist das ASTRA zuständig. Der Kanton beabsichtigt, die Realisierung des Vorhabens auch für den Bund über den kantonalen Richtplan verbindlich festzusetzen. Zu Ziffer 1 Der Kanton ist bestrebt, ein Grundnetz im und zum Berner Jura in enger Zusammenarbeit mit den für die Nationalstrassen zuständigen Bundesstellen zu realisieren. Der Kanton wird die nötigen Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit, insbesondere im Vallon de Saint-Imier, auf kurzen Abschnitten im Vallée de Tavannes und auf der Kantonsstrasse nach Tramelan, prüfen. Besteht ein Handlungsbedarf, werden grössere Massnahmen im Sachplan Veloverkehr und soweit Kantonsstrassen betroffen sind zudem im Strassennetzplan festgelegt. Zu Ziffer 2 Der Netzgedanke steht im neuen Sachplan Veloverkehr im Zentrum der Überlegungen. Massnahmen zur Schliessung bestehender Lücken werden aufgrund entsprechender Eingaben der Regionen geprüft. Zu Ziffer 3 Der Ausbau von Ortsverbindungsstrassen zu Gunsten des Veloverkehrs ist Sache der Gemeinden. Bei Massnahmen, die Ausbauten an Kantonsstrassen ersetzen oder ergänzen, kann sich der Kanton finanziell beteiligen, sofern die alternative Veloroute im Sachplan Veloverkehr festgelegt ist. Dabei ist zu beachten, dass Verbindungen abseits der Kantonsstrasse oft mit Umwegen und grösseren Höhendifferenzen verbunden sind, was ihre Attraktivität für den Veloverkehr schmälert. Zu Ziffer 4 Die Verbindung Cormoret Villeret ist bereits heute im Sachplan Veloverkehr enthalten (Massnahmenbedarf ausserorts, Typ 1). Aufgrund des Regionalen Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzepts wird der Kanton zusammen mit der Region und den Gemeinden die zweckmässigen Massnahmen im Sachplan Veloverkehr festlegen und soweit die Voraussetzungen dafür gegeben sind in den Strassennetzplan aufnehmen. Zu Ziffer 5 Die Velosituation zwischen Biel und La Heutte war bereits Gegenstand der Motion Schär-Egger (M 137/09). Die Antwort des Regierungsrats vom 12. August 2009 gilt unverändert: Der Bund ist verantwortlich für die Realisierung dieser Veloverbindung. Das zuständige Bundesamt für Strassen hat mit Brief vom 23. November 2010 angekündigt, es werde seine Vorstellungen im Sommer 2011 präsentieren. Antrag: Annahme als Postulat Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Je vous aurais bien emmenés pour une petite promenade à vélo pour nous aider à digérer, mais comme vous avez accepté mon postulat, j aimerais ici vous remercier de ce soutien et vous souhaite une bonne suite pour les débats.

137 Bau, Verkehr und Energie 9. Juni 2011 Nachmittag 577 Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 127 Stimmen 2 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /10 Interpellation Amstutz, Corgémont (Les Verts). Bühler, Cortébert (UDC). Daetwyler, Saint-Imier (PS). Gsteiger, Perrefitte (PEV) / von Kaenel, Villeret (PLR) Sicherheit im Bahnhof Péry Geschäft /10 Interpellation Leuenberger, Trubschachen (BDP) 40 Jahre Frauenstimmrecht «festlicher Apéro» in Bern Wortlaut der Interpellation vom 9. September 2010 In der Migros-Zeitung vom hat Frau Regierungsrätin Barbara Egger alle Frauen mit Geburtsdatum zu einem «festlichen Apéro» nach Bern eingeladen. Als Kontaktadressen sind eine Mitarbeiterin bei der BVE und eine extra eingerichtete adresse der BVE erwähnt. In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Handelt es sich beim geplanten Apéro um einen offiziellen Anlass der Berner Regierung? Wenn ja, warum sind nicht alle Regierungsrätinnen als Gastgeberinnen vermerkt? 2. Die kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern (FGS) ist das Kompetenzzentrum für Gleichstellungsfragen im Kanton Bern. Was hat den Regierungsrat dazu bewogen, neu die BVE mit Aufgaben im Zusammenhang mit Gleichstellungsfragen zu betrauen? 3. Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich die private Nutzung von Kantonspersonal und kantonaler IT-Infrastruktur durch Regierungsratsmitglieder? 4. Hat der Regierungsrat Richtlinien erlassen, welche die private Nutzung von Personal und IT-Infrastruktur durch Regierungsratsmitglieder regeln? 5. Wie hoch sind die Kosten, die dem Kanton Bern für die Ausrichtung des «festlichen Apéros» sowie für die ganzen Planungs- und Vorbereitungsarbeiten durch die BVE entstehen? 6. Auf welche Produktgruppen werden diese Kosten zu welchen Anteilen verteilt? (Weitere Unterschriften: 1) Dringlichkeit abgelehnt am 25. November 2011 Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 16. März 2011 Zu den Fragen 1 und 2: Der Frauenapéro hat am 7. Januar 2011 im Rathaus Bern als offizieller Anlass stattgefunden. Der Anlass war ein grosser Erfolg und hat gute mediale Beachtung gefunden. Am Apéro teilgenommen haben Frauen mit Geburtsdatum 7. Februar 1971 sowie deren Mütter und Töchter, Grossrätinnen aus dem Kanton Bern und weitere Frauen. Der Apéro basiert auf einer Initiative von Frau Regierungsrätin Barbara Egger- Jenzer. Zu den Fragen 3 und 4: Es handelt sich um einen offiziellen Anlass. Die Frage nach der privaten Nutzung von Kantonspersonal sowie kantonaler IT-Infrastruktur stellt sich nicht. Zu den Fragen 5 und 6: Der «festliche Apéro» wurde von der Genossenschaft Migros Aare gesponsert. Die verbleibenden Kosten und Arbeiten in der BVE sind klein (Produktgruppe: Führungsunterstützung). Präsident. Der Interpellant ist von der Antwort nicht befriedigt; er gibt keine Erklärung ab. Wortlaut der Interpellation vom 6. Oktober 2010 Der Bahnhof von Péry ist ziemlich bedeutend, da sich dort 19 Mal pro Tag Züge aus Richtung La Chaux-de-Fonds, Moutier und Biel kreuzen. Vor kurzem wurde auch eine neue Buslinie zwischen Péry und dem Bözingenfeld, einem Arbeitsquartier im Osten der Stadt Biel, aufgenommen, was den Passagierverkehr weiter erhöht hat. Der durch das Zementwerk Vigier generierte Güterverkehr ist ebenfalls sehr dicht. Die Sicherheit der SBB-Reisenden im Bahnhof Péry ist seit langem problematisch, denn dieser Bahnhof gehört zu den unsichersten im ganzen Berner Jura. Die Perrons sind zu niedrig, um problemlos in die Züge einsteigen zu können; dies gilt vor allem für ältere Personen, Behinderte und Mütter mit Kinderwagen. Ausserdem kann wenn sich Zugskompositionen im Bahnhof kreuzen regelmässig festgestellt werden, dass Reisende aus den Wagons steigen, während der eine Zug noch in Bewegung ist. Die Bahnreisenden stehen dann zwischen zwei Zügen, eingeklemmt in einem nicht gesicherten und hoch gefährlichen Bereich von 1 m Breite. Im Winter, wenn die Perrons rutschig sind, ist die Situation besonders gefährlich. Die kürzliche Inbetriebnahme neuer Züge hat die Lage noch verschlimmert, da so paradox es auch erscheint der Einstieg bei Niederflurwagen schwieriger ist als bei Hochflurwagen. Und die Probleme im Zusammenhang mit den sich kreuzenden Zügen bestehen nach wie vor. Das Ein- und Aussteigen ist in Péry nicht nur für die oben genannten Personen mit Gefahren verbunden, sondern auch für die vielen Schülerinnen und Schüler, die täglich mit dem Zug in die Sekundarschule nach Corgémont fahren. Die Situation ist mittlerweile unhaltbar. Es braucht sofortige Massnahmen, um ein Unheil zu verhindern. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass es bisher noch zu keinem schlimmen Unfall gekommen ist! Die Gemeinde Péry hat sich am 21. April 2010 schriftlich an die SBB-Division Infrastruktur gewandt, um sie auf die Problematik hinzuweisen. Am 7. Mai schickte eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern einen Brief, Bilder und eine von 337 mehrheitlich aus Péry stammenden Bahnreisenden unterzeichnete Petition an dieselbe SBB-Adresse. In ihrer Antwort vom 20. Mai präzisieren die SBB, sie würden angesichts der wahrscheinlichen Realisierungsfristen für dieses Vorhaben parallel dazu eine kurzfristige provisorische Lösung prüfen und planen. Es gehe dabei um eine Ausbesserung und Erhöhung der beiden aktuellen Mittelperrons zwischen den Gleisen 1, 2 und 3. Das Einsteigen in den Zug könne so verbessert werden. Die Bahnreisenden dürfen zu Recht von den SBB sofortige und genügende Sicherungsmassnahmen erwarten. Mittelfristig wird sich sicher eine umfassendere Sanierung (in der Art einer Unterführung) als notwendig erweisen. Der Regierungsrat wird um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Ist der Regierungsrat über die geschilderte Situation im Bilde? 2. Wenn ja, wie schätzt er sie ein? 3. Über welche Mittel verfügt er, um bei den SBB zu intervenieren?

138 Juni 2011 Nachmittag Bau, Verkehr und Energie 4. Was gedenkt er zu unternehmen, damit die SBB möglichst rasch Lösungen zur optimalen Verbesserung der Passagiersicherheit vorlegen? (Weitere Unterschriften: 0) Dringlichkeit abgelehnt am 25. November 2010 Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 6. April 2011 Zu Frage 1: Dem Regierungsrat ist die Situation im Bahnhof Péry bekannt. Beim Bahnhof Péry handelt es sich um einen Bahnhof, der den früheren Standards entspricht, mit einem Zugang zu den Mittelperrons, der über bestehende Geleise führt, und einer geringen Perronhöhe. Für solche Bahnhöfe existieren spezifische Vorschriften für das Kreuzen der Züge. Gemäss den Vorschriften der Behindertengleichstellungsgesetzgebung müssen diese Bahnhöfe bis ins Jahr 2023 saniert werden. Ähnliche Situationen mit einer vergleichbaren Infrastruktur und regelmässigen Kreuzungen von Regionalzügen bestehen im Kanton Bern beispielsweise bei den Bahnhöfen Malleray- Bévilard, Ramsei oder Erlenbach im Simmental sowie bei verschiedenen Schmalspurbahnhöfen im Netz der Chemin de fer du Jura (CJ), der Aare Seeland mobil (ASM), dem Regionalverkehr Bern Solothurn (RBS), der Zentralbahn (zb) oder den Berner Oberlandbahnen (BOB). Zu Frage 2: Die Situation in Kreuzungsstationen ohne schienenfreie Zugänge entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Deshalb bestehen gemäss Vorgaben des Bundes besondere Anforderungen an den Betrieb. So müssen namentlich immer die Züge zuerst in den Bahnhof einfahren, die auf dem Gleis beim Bahnhofgebäude anhalten. Zu Frage 3: Zur Infrastruktur der SBB im Berner Jura und den in den nächsten Jahren geplanten baulichen Massnahmen finden regelmässige Treffen zwischen Vertretern der SBB und des Kantons statt. Im Rahmen dieser Besprechungen nutzt der Kanton die Möglichkeit, auf notwendige Massnahmen hinzuweisen. Beim Bahnhof von Péry-Reuchenette ist der mittelfristige Sanierungsbedarf allen Beteiligten bekannt und es werden derzeit Studien für die Sanierung erstellt. Nach ersten Schätzungen wird die Sanierung sehr aufwändig, da zahlreiche Geleise verschoben und eine neue Personenunterführung erstellt werden müssen. Zwischen der Gemeinde und der SBB laufen Verhandlungen über kleinere Massnahmen, um die Einsteigeverhältnisse in die Züge kurzfristig zu verbessern. Der Kanton Bern kann die Gemeinde dabei unterstützen. Zu Frage 4: Die laufenden Abklärungen und die Verhandlungen zwischen den SBB und der Gemeinde sind der richtige Weg, um die erforderlichen Verbesserungen zu erreichen. Der Kanton wird die Gemeinde unterstützen, damit die SBB rasch zweckmässige Massnahmen realisiert. Präsident. Der Interpellant ist von der Antwort teilweise befriedigt und gibt eine Erklärung ab. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Je suis partiellement satisfait de la réponse du Conseil-exécutif, parce qu il me semble que la situation en gare de Péry est vraiment grave. Nous avons eu jusqu ici beaucoup de chance de ne pas avoir d accident. J espère que le Conseil-exécutif insistera de manière claire auprès des Chemins de fer, parce que les solutions qui ont été avancées jusqu à présent sont me semblent vraiment minimes. Le temps presse et une planification serait la bienvenue et les CFF feraient bien de dire clairement et rapidement leurs intentions. Geschäft /10 Interpellation Daetwyler, Saint-Imier (PS) Wo sind die Grenzen der ÖV-Finanzierung? Wortlaut der Interpellation vom 25. November 2010 Die Zunahme der Nachfrage beim ÖV hat alle Erwartungen übertroffen, namentlich seit der Inbetriebnahme von Bahn Die qualitativen und quantitativen Verbesserungen der vergangenen Jahre werden von der Bevölkerung ganz offensichtlich geschätzt. Doch könnte der ÖV schon bald Opfer seines eigenen Erfolgs werden? Die jüngste Entwicklung zeigt, dass der ÖV von vielen ungebundenen Kundinnen und Kunden benutzt wird, die bezüglich Angebotsdichte und Qualität hohe Ansprüche haben. Neues Rollmaterial stellt in der Regel eine wesentliche Verbesserung des Komforts dar. Heute ist es nicht mehr möglich, Material im Regionalverkehr einzusetzen, das im Langstreckenverkehr bezüglich Komfort nicht mehr genügt, so wie dies lange gemacht wurde. Fortschritt hat somit seinen Preis. Ein leistungsfähiges ÖV-Angebot ist für eine Region und einen Kanton jedoch ein wichtiger Attraktivitätsfaktor, und der Nutzwert geht über die reine Bedürfnisbefriedigung der Kundschaft hinaus. Anderseits sind die Kosten im Verhältnis zum Leistungsausbau weniger stark gestiegen, dies vor allem aufgrund von Rationalisierungs- und Produktionssteigerungsmassnahmen seitens der ÖV-Betriebe. Doch haben wir in der Vergangenheit nicht auf Kosten der Zukunft gelebt? Hat man der Unterhaltskostenentwicklung bei der immer stärker ausgelasteten Infrastruktur/Rollmaterial genügend Rechnung getragen? Der heutige Investitionsbedarf und die entsprechenden Folgekosten sind beachtlich. Der Regierungsrat wird daher um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Ist er angesichts der Bedeutung des ÖV hinsichtlich Attraktivität und Wichtigkeit für den Wirtschaftsplatz der Ansicht, dass der ÖV weiterhin über die Steuern zu finanzieren ist? 2. Braucht es ein umfassendes ÖV-Konzept, wenn man weiss, dass er bei entsprechender Attraktivität beispielsweise auch zur Entlastung des Strassennetzes beiträgt? 3. Hält es der Regierungsrat angesichts der bedeutenden Menge der ungebundenen ÖV-Kundschaft in der Schweiz für eine Notwendigkeit, dass der Preis der ÖV-Mobilität gegenüber den Individualverkehrskosten attraktiv bleiben muss? 4. Zieht der Regierungsrat angesichts der künftigen Bedarfszunahme und im Hinblick auf ein Verkehrsmanagement neue Finanzierungsquellen in Betracht? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Die Finanzierung des Verkehrs, speziell des öffentlichen Verkehrs, ist vielschichtig. Im Kanton Bern beteiligen sich die Nutzer ungefähr hälftig über den Billettpreis an den Kosten. Die andere Hälfte der Kosten wird über Abgeltungen der öffentlichen Hand finanziert (Bund, Kanton und Gemeinden). In den letzten Jahren hat der Kanton sowohl im Verkehrs- als auch im Infrastrukturbereich sehr viel investiert. Der Kanton steht mit den dringend benötigten Agglomerationsprojekten und der Finanzierung von neuem, zeitgemäs-

139 Finanz 9. Juni 2011 Nachmittag 579 sem und der Nachfrage angepasstem Rollmaterial weiterhin vor grossen Herausforderungen. Zu Frage 1: Für den Regierungsrat sind die Förderung und der Ausbau des ÖV zentrale Anliegen. In seiner Gesamtmobilitätsstrategie räumt er dem öffentlichen Verkehr erste Priorität ein. Die nachhaltige Entwicklung des Kantons erfordert ein attraktives Mobilitätsangebot für die Bevölkerung und zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts, bei gleichzeitigem schonendem Umgang mit den Ressourcen. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es eines leistungsfähigen, umweltfreundlichen und platzsparenden Verkehrssystems. Das Verkehrswachstum soll daher nach dem Willen des Regierungsrats vor allem in den Städten und Agglomerationen prioritär mit dem öffentlichen Verkehr abgedeckt werden und der Anteil des ÖV am Gesamtverkehr soll zunehmen. Die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs hängt unter anderem vom Preis-/Leistungsverhältnis für die Kunden ab. Die Kunden sind durchaus bereit, für ein gutes Angebot im öffentlichen Verkehr einen entsprechenden Preis zu bezahlen. Es ist eine zentrale Aufgabe des Staats ein attraktives Verkehrsangebot bereitzustellen. Der Preis für die Nutzung der verschiedenen Verkehrsmittel muss ausgewogen und konkurrenzfähig sein. Dies bedingt, dass die Infrastruktur von Schiene und Strasse und das ÖV-Angebot auch weiterhin über den allgemeinen Staatshaushalt (Steuern) mitfinanziert werden. Investitionen in den ÖV tragen auch dazu bei, die Strasse zu entlasten und damit profitieren auch die Autofahrenden. Zu Frage 2: Mit dem Angebotsbeschluss und dem Investitionsrahmenkredit im Sinne des Gesetzes über den öffentlichen Verkehr verfügt der Kanton Bern über schweizweit vorbildliche Instrumente zur jeweils vierjährigen Planung eines umfassenden ÖV-Angebots und von dessen Finanzierung. Ergänzt werden die Instrumente durch langfristig ausgelegte Planungen des ÖV-Angebots, die regionalen Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzepte (RGSK) und die Agglomerationsprogramme. In den nächsten Jahren steht der öffentliche Verkehr vor grossen finanziellen Herausforderungen. Gestützt auf die Prognosen des neu eingeführten kantonalen Gesamtverkehrsmodells werden die öffentlichen Verkehrssysteme daher zurzeit mit einem Horizont von rund zwanzig Jahren, also bis 2030, geplant. Um das vorhergesagte Verkehrswachstum bewältigen zu können, muss das Angebot des öffentlichen Verkehrs weiter verbessert werden. Die Kapazität der ÖV-Infrastruktur ist vielerorts vollständig ausgelastet. Entsprechend stehen verschiedene kostspielige Infrastrukturprojekte an, die in den nächsten Jahren finanziert werden müssen. Die Planung der Projekte erfolgt grundsätzlich verkehrsträgerübergreifend und in Abstimmung mit der Siedlungsentwicklung. Die Finanzierung soll hingegen auch in Anlehnung an die Finanzierungsinstrumente des Bundes weiterhin verkehrsträgerspezifisch sein. Von grosser Bedeutung ist es aber, Lösungen aufzuzeigen, wie der zunehmende Finanzbedarf für Investitionen in den öffentlichen Verkehr gedeckt werden kann. Zu Frage 3: Der Motorisierungsgrad ist wie in der Schweiz auch im Kanton Bern auf einem Höchststand angekommen. Nichtsdestotrotz sind es laut der letzten Bevölkerungsumfrage über 70 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons, die mehr oder weniger regelmässig den ÖV benutzen. Neben dem attraktiven Angebot ist es sicher auch eine attraktive Preisstruktur, die zur ÖV-Nutzung animiert. Die Billetkosten im ÖV müssen gegenüber den Individualverkehrskosten konkurrenzfähig sein. Eine einseitige Erhöhung der ÖV- Preise ist deshalb nicht zielführend. Zu Frage 4: Um die zukünftigen Herausforderungen im gesamten Verkehrsbereich also auch beim ÖV meistern zu können, braucht es neue Finanzierungsquellen. Angelehnt an die Überlegungen zur Verkehrsfinanzierung auf Bundesebene sind dazu verschiedene Optionen zu prüfen. Möglichkeiten dazu sind unter anderem eine verstärkte Nutzerfinanzierung, zum Beispiel über Mobility Pricing, die Reduktion der Steuerabzüge für das Pendeln sowie die Schaffung neuer Investitionsmodelle. Ein wesentlicher Teil der ÖV-Investitionen wird allerdings nach wie vor über die allgemeine Staatskasse zu finanzieren sein. Präsident. Der Interpellant ist von der Antwort befriedigt; er gibt keine Erklärung ab. Geschäft Äufnung des Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen mit CHF 136,5 Millionen zulasten der Rechnung 2010 für den Kauf und die Sanierung von zwei Liegenschaften für die Universität Bern an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern Beilage Nr. 13, RRB 0382/2011 Antrag der Finanzkommission Der Grosse Rat des Kantons Bern, auf Antrag des Regierungsrats, beschliesst: 1. Zulasten der Laufenden Rechnung 2010 ist eine Fondseinlage von CHF ,5 Millionen Franken für den Kauf und die Sanierung von zwei Liegenschaften für die Universität Bern an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern vorzusehen. 2. Stimmt der Grosse Rat der Fondsäufnung nicht zu, so werden die für die Fondsäufnung reservierten CHF 136,5 Millionen nicht erfolgswirksam direkt zu Gunsten des Bilanzfehlbetrags der Rechnung 2011 verbucht. Antrag FDP (Desarzens-Wunderlin, Boll) 1. Ablehnung einer Fondseinlage 2. Zustimmung der Streichung 3. Neu: Der Kauf der beiden SBB-Gebäude Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43 wird über den Investitionsfonds finanziert (Kreditgeschäft , mehrjähriger Verpflichtungskredit) Heinz Siegenthaler, Rüti bei Büren (BDP), Präsident der FIKO. Ich versuche es kurz zu machen. Man könnte auch ausführlich werden, aber wir haben festgestellt, dass wir ein Zeitproblem haben: Wir müssen dieses Geschäft unbedingt in dieser Session verabschieden können. Zudem ist schon bald Feierabend. Nächsten Dienstag beginnt die Sondersession, und anschliessend sind andere Direktionen an der Reihe. Aus meiner Sicht ist dieses Geschäft klarer als dasjenige, zu dem ich mich vorhin geäussert habe: Es ist schwarz oder weiss. Die Regierung beantragt, 136,5 Mio. Franken zu äufnen. Sie wissen alle, worum es geht. Die FIKO beantragt, 61 Mio. Franken zu äufnen, und die FDP will gar keine Äufnung vornehmen. Aktuell enthält der Fonds meines Wissens 350 Mio. Franken. Andernfalls soll man mich korrigieren. Es war eine erste Einlage getätigt worden und anschliessend eine zweite. Entnahmen wurden bisher keine vorgenommen. Im Jahr 2010 waren zwar Entnahmen geplant; der Grosse Rat hatte jedoch verlangt, dass dem Fonds erst Geld entnommen wird, wenn die geplanten Investitionen nicht aus der ordentlichen Investitionsrechnung bezahlt werden können konnte man das jedoch. Die Regierung hatte das ganze

140 Juni 2011 Nachmittag Finanz Geschäft mit dem Geschäft «Kauf der SBB-Liegenschaften» verknüpft. Daran hat sich die FIKO gestört; sie war der Ansicht, der Grosse Rat könne auf diese Weise nicht unabhängig entscheiden. Der Grosse Rat muss beim einen Geschäft Nein sagen können und unabhängig davon beim anderen Geschäft auch. Mit der Verknüpfung ist das nicht möglich. Die Präsidentenkonferenz folgte der FIKO; die Geschäfte wurden entkoppelt. Konsequenterweise beantragen wir dem Grossen Rat, den zweiten Satz von Ziffer 1 zu streichen. Sie können das nachlesen; ich muss nicht darauf eingehen. Wir fanden auch, die Sanierungskosten würden uns Bauchweh bereiten. Deshalb möchten wir das Geld für die Sanierungskosten nicht schon beiseitelegen. Falls der Grosse Rat mit den Sanierungskosten nicht einverstanden wäre, würde es für ihn schwierig, da noch die Notbremse zu ziehen. Man würde argumentieren, der Grosse Rat habe das Geld dafür bereits beiseitegelegt. Dadurch entstand der Betrag von 61 Mio. Franken, den die FIKO dem Grossen Rat zur Äufnung beantragt. Damit wäre der Kauf möglich, den wir heute Vormittag beschlossen haben. Ziffer 2 lehnen wir ab, weil die Finanzkontrolle darauf aufmerksam gemacht hat, dass es buchhalterisch nicht ganz richtig sei, das so zu verbuchen, wenn man der Fondsäufnung nicht zustimmt. Das hat dazu geführt, dass wir heute oder allenfalls nächste Woche darüber beschliessen müssen, ob wir äufnen wollen und um welchen Betrag, und im September die angepasste Rechnung korrekt genehmigen können. Deshalb bitten wir den Grossen Rat, Ziffer 2 zu streichen. Zum Antrag der FDP: Die Ziffern 1 und 2 lehnen wir ab, da wir für eine Äufnung sind; Ziffer 3 lehnen wir ebenfalls ab, denn das würde bedeuten, dass der Kauf auf jeden Fall aus dem Fonds finanziert würde. Wir sind jedoch der Meinung, dass wie bisher zuerst die ordentliche Investitionsrechnung für die Finanzierung von Vorhaben «gebraucht» und erst danach auf den Fonds zurückgegriffen werden soll. Zusammengefasst: Die FIKO beantragt die Äufnung von 61 Mio. Franken, Streichung von Ziffer 2 und Ablehnung des FDP- Antrags. Eva Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP). Dass die FDP etwas gegen Investitionsfonds, egal welcher Art, hat, ist nicht neu. Dass wir uns weiterhin konsequent gegen die Äufnungen sträuben, ist in dem Fall auch nichts Neues. Wir lehnen deshalb Ziffer 1 des FIKO-Antrags ab. Weshalb allerdings der FIKO-Präsident Ziffer 2 unseres Antrags ablehnt, verstehe ich nicht. Genau mit diesem Punkt unterstützen wir die FIKO. Ich nehme einmal an, er habe nicht richtig gelesen, was wir geschrieben haben. Wir finden es genau richtig, dass sich die FIKO dagegen gewehrt hat, in derselben Session den Investitionsfonds zu äufnen und den Geschäftsbericht zu verabschieden. Wir finden es aber dennoch etwas seltsam, weil nämlich der Entwurf des Geschäftsberichts und die Art der Äufnung des Investitionsfonds, die man dem Grossen Rat beantragen will, längstens bekannt sind. Wieso müssen wir den Geschäftsbericht in der Septembersession behandeln? Und weshalb kam der Äufnungsantrag nicht in der Märzsession? Denn in dem Fall könnten wir ordentlich, wie es auch die Gemeinden machen müssen, im ersten halben Jahr den Geschäftsbericht verabschieden. Im letzten Jahr und auch in diesem sind wir den Gemeinden ein lausiges Vorbild. Ziffer 3 entstand, als wir die Drohung hörten, wenn der Investitionsfonds nicht geäufnet werde, werde das Geschäft über die laufende Rechnung finanziert. Wir würden es begrüssen, wenn man trotzdem irgendwann anfangen würde, den Investitionsfonds zu brauchen. Sicher wäre es schön, wenn er auf Ende der Ablaufzeit tel quel genutzt werden könnte, um die Schulden stärker abzubauen. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Zunächst ist es mir wichtig festzuhalten, dass wir nach unserem Dafürhalten jetzt vor einem rein finanzpolitischen Geschäft stehen und ein solches zu beurteilen haben. Der im Geschäftstitel noch enthaltene Verweis auf den Kauf der SBB-Liegenschaften mag zwar ein wichtiges argumentatives Instrument sein, mehr ist es aber nicht. Diese Einschränkung mindert allerdings auf der andern Seite die Notwendigkeit oder vielmehr die Sinnhaftigkeit dieser Fondsspeisung in keiner Art und Weise, ganz im Gegenteil. Wir denken, dass wir aus finanzpolitischen Erwägungen ein enormes Interesse daran haben, die Fondsspeisung vorzunehmen. Ich muss ehrlich sagen: Dass ausgerechnet die Partei, die vor zwei Tagen noch mit relativ grossem Getöse eine Sondersession zur Finanzpolitik durchgesetzt hat, mit ihrem Antrag einen aktiven Beitrag zu einer Verschärfung der kantonalen Finanzlage leisten würde, ist mir effektiv ziemlich unverständlich. Weshalb braucht es eine nochmalige Speisung des Investitionsfonds? Das Prinzip dieses Fonds ist recht einfach. Der frühere Finanzdirektor Urs Gasche hat es mit dem Gedanken des «Vorsparens» auf einen ziemlich einfachen Nenner gebracht: Wenn wir in guten Zeiten vorsparen, vergrössern wir damit in finanziell schlechteren Zeiten unseren Handlungsspielraum. Angesichts dessen hat Urs Gasche den Investitionsfonds als «Zwilling» der Schuldenbremse bezeichnet. Der Kanton Bern hat in finanzpolitischer Hinsicht eineinhalb ausgezeichnete Jahrzehnte hinter sich; das müssen wir auch einmal festhalten. In diesen 15 Jahren ist es gelungen, die Schuldenlast um einen grossen Betrag zu reduzieren und damit auch wieder finanzpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen. Diejenigen, die schon so lange dabei sind, dass sie die Zeiten der letzten Sparpakete mitbekommen haben, wissen genau, welche grossen Anstrengungen und Entbehrungen dafür nötig waren. Doch nun stehen wir finanzpolitisch an einem potenziellen Wendepunkt; aufgrund des Zusammentreffens sowohl struktureller wie auch konjunkturell bedingter Verschlechterungen der Finanzlage droht vom nächsten Jahr an eine erhebliche Neuverschuldung. Worauf ist diese Neuverschuldung zurückzuführen? Ich habe es erwähnt: Es sind sowohl strukturelle wie auch konjunkturelle Gründe. Der strukturell bedingte Teil dieser finanzpolitischen Schwierigkeiten besteht unter anderem aus den Mehrbelastungen aufgrund der übergeordneten Gesetzgebung. Dabei denke ich in erster Linie an die KVG-Revision mit 250 Mio. Franken an die Pflegefinanzierung; dazu zählen selbstverständlich auch die kantonalen Wahlentscheide, insbesondere die Senkung der Motorfahrzeugsteuern, die unseren Finanzhaushalt mit 120 Mio. Franken belastet. An diesen Mindereinnahmen respektive Mehrausgaben wird sich so schnell nichts ändern. Deshalb ist es wichtig, dass der Regierungsrat das Sparpaket erarbeitet, das Auswege aufzeigen soll. Der konjunkturelle Teil des Problems besteht darin, dass das Niveau der Steuereinnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise von Ende 2008/2009 wesentlich tiefer liegt, als es sonst gewesen wäre. Nach meinem Dafürhalten gehört zum konjunkturellen Teil auch die drohende Reduktion der Gewinnausschüttungen der Nationalbank an die Kantone. Dazu muss man sagen, dass solche Verschiebungen zwar temporär massive Probleme und Herausforderungen verursachen; anderseits sind es Probleme, die sich wesentlich schneller lösen als die Strukturell verursachten. Von daher ist es klar, dass wir für die konjunkturellen Herausforderungen nicht dieselben Antworten und Massnahmen anbieten können wie für die strukturell bedingten. Genau da bietet der Investitionsfonds die Möglichkeit, trotz einer schwierigen Finanzlage das eigentlich notwendige, strategisch und volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionsniveau aufrechtzuerhalten. Und zwar,

141 Finanz 9. Juni 2011 Nachmittag 581 ohne dass wir dafür eine noch grössere Verschuldung in Kauf nehmen. Was unter strategisch notwendigen Investitionen zu verstehen ist, wurde beim SBB-Geschäft ausführlich diskutiert. Das ist wohl auch der Grund, weshalb der Regierungsrat ursprünglich diese Verknüpfung der beiden Geschäfte vorgeschlagen hat. Der Investitionsfonds leistet somit einen wichtigen, aktiven Beitrag zur Verringerung der Neuverschuldungsgefahr im Jahr 2012 und fortfolgende. An die Adresse derjenigen, welche in der bisherigen Debatte monierten, es seien bisher aus dem Fonds noch gar keine Entnahmen erfolgt, weshalb eine weitere Speisung unnötig sei, möchte ich antworten: Was ist denn schlecht daran, wenn man bis jetzt keine Entnahmen gemacht hat? Der Fonds soll bekanntlich kein Instrument zur Finanzierung irgendwelcher Sonderwünsche oder Extravaganzen in gute Zeiten sein, vielmehr ist der Investitionsfonds ausdrücklich ein Pool für schlechte Zeiten. Von daher zeugt es von finanzpolitischer Verantwortung und Weitsicht des Regierungsrats, dass er nicht ohne Not auf die Fondsmittel zurückgreift. Angesichts dieser Überlegungen unterstützen die Grünen mit Überzeugung den Antrag des Regierungsrats, eine Fondsspeisung in der Höhe von 136,5 Mio. Franken vorzunehmen. Den Antrag der FDP auf einen Verzicht auf die Speisung lehnen wir ab. Ich wiederhole: Mit dem FDP-Antrag würde eine weitere Verschärfung der Finanzsituation des Kantons in Kauf genommen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt machen müssen. Zum Antrag der FIKO Folgendes: Es liegt auf der Hand, dass er einen Mittelweg aufzeigt. Besser das als nichts, aber die Grünen bevorzugen, wie gesagt, klar den Antrag des Regierungsrats. Ziffer 2 des FDP-Antrags ist relativ irrelevant, zumindest ist er auch im Antrag der FIKO enthalten. Zu Ziffer 3 des FDP-Antrags: Dieses Geschäft ist nicht der Ort, um über die Verwendung dieser Fondsmittel zu beschliessen; das geschieht im Rahmen des ordentlichen Finanzplanungsprozesses beziehungsweise bei den entsprechenden Kreditbeschlüssen. Zusätzlich zu den Gründen, die der FIKO-Präsident bereits aufgeführt hat, sollte man diesen Antrag auch aus diesem Grund ablehnen. Eva Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP). Die FDP versucht sich bekanntlich auf die Fahnen zu schreiben, effizient zu sein. Deshalb entschuldige ich mich für den Fauxpas: Wir ziehen selbstverständlich genau aus dem Grund, den Blaise Kropf genannt hat, Ziffer 3 zurück. Darüber muss nun nicht mehr diskutiert werden. Martin Friedli, Sumiswald (EDU). Sie wissen, dass ich gegenüber jedem Fonds immer skeptisch war, vor allem auch gegenüber diesem. Zielsetzung, Sinn und Zweck dieses Fonds habe ich immer etwas in Frage gestellt. Ich hatte immer den Eindruck, es sei eine Umgehung der Schuldenbremse. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich die Art und Weise dieses Fonds so interpretiere. Ich muss aber zugeben, dass sich die Situation seit dem Jahr 2008, als wir die erste Diskussion über diesen Fonds führten, verändert hat. Blaise Kropf hat es dargestellt: Die Finanzlage hat sich doch etwas verändert. Sie ist angespannt, und auch die Zukunftsperspektive ist eine andere als damals. Und der Fonds ist nun da. Es stellt sich wirklich die Frage, wie wir mit ihm umgehen, wie wir das Geld verwenden, denn es ist ja nur eine buchhalterische Perspektive. Wir haben einen Fondsbestand von 350 Millionen. Vorläufig gilt auch noch die Bedingung, dass der Fonds 2015 aufgelöst werden soll. Die Investitionen werden unter Druck geraten; gleichzeitig sind wir aber auch aufgerufen, die Investitionen nicht zu vernachlässigen. Wir müssen auch aus volkswirtschaftlicher Sicht Investitionen tätigen. Ich erinnere daran, dass wir im Kanton Bern Bruttoinvestitionen von gegen einer Milliarde tätigen. Wenn wir den Fonds nun verwenden, um die Höhe dieser Investitionen zu überbrücken, weil wir ein Geschäft haben, das wir gezielt daraus zahlen können, betrachte ich das heute auch als eine Nachhaltigkeitstätigkeit, die uns in der gesamten finanzpolitischen Perspektive etwas bringt. Dass eine Verbindung mit dem SBB-Geschäft gemacht wurde, hat die Regierung gezeigt. Das haben wir getrennt; ich finde es in Ordnung, Ziffer 2 zu streichen. Ich muss allerdings festhalten, dass eine gewisse moralische Verpflichtung nach wie vor vorhanden ist. Deshalb ist auch die Entnahme von 61 Mio. Franken aus der Rechnung 2010 zugunsten des Investitionsspitzenfonds entstanden. Diese 61 Millionen entsprechen genau der Zahl, die in Ziffer 1 der FIKO beim SBB-Geschäft bewilligt wurde. Ich möchte das als Hinweis deponieren, dass man genau diese Zahl nun nehmen und auch dafür verwenden könnte. Der Rest wird für den Schuldenabbau gebraucht, im Sinne der FDP. Man kann es auch als Verrechnung mit dem Bilanzfehlbetrag bezeichnen. Das hat sicher eine positive Wirkung. Zu Ziffer 1 des FDP-Antrags möchte ich Folgendes sagen: Es ist Ansichtssache, ob man die Höhe von 350 Mio. Franken bereits abbaut oder ob man noch etwas einlegt, von dem wir wissen, dass es gleich wieder entnommen wird. In dem Sinn ist genügend begründet, dass wir nun dem Antrag der FIKO zustimmen könnten, auch wenn er in der FIKO sehr knapp zustande kam. Die EDU lehnt Ziffer 1 des Antrags FDP ab und unterstützt den Antrag der FIKO, diese 61 Mio. Franken zulasten der Rechnung 2010 in den Investitionsfonds einzulegen. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Nach dem Motto «Kluger Rat, Notvorrat» unterstützte die EVP die ersten beiden Speisungen des Investitionsfonds. Selbstverständlich unterstützen wir sie auch jetzt. Die finanziellen Aussichten für den Kanton sind sehr düster. Das einzig Vernünftige, was wir machen können, ist diese Speisung zulasten der Rechnung Für die EVP ist klar: so viel wie möglich. Deshalb sind wir nicht nur für den Antrag der FIKO, vielmehr wäre uns lieber, wenn der Rat die 136,5 Mio. Franken, welche die Regierung vorschlägt, beschliessen würde. Den Verzicht auf die Speisung lehnen wir ab. Es soll so viel wie möglich, nach dem Motto «Kluger Rat, Notvorrat», in den Fonds eingespeist werden. Bernhard Antener, Langnau (SP). Es geht heute, wie wir gehört haben, nicht um die erste Äufnung. Der Fonds war von Anfang an politisch umstritten. Das hat auch Frau Desarzens gesagt. Es hat daher keinen Sinn, diese Debatte wieder aufzunehmen. Die Meinungen sind vermutlich gemacht. Man kann es primär in den Tagblättern nachlesen. Ein Punkt, den auch Blaise Kropf erwähnte, ist mir jedoch wichtig. Der Regierungsrat wurde bereits dafür kritisiert, dass er bisher keine Fondsentnahmen vorgenommen hat. Daraus darf man nicht schliessen, dass der Fonds überflüssig wäre. Es zeigt vielmehr, dass der Regierungsrat sorgfältig mit diesen Mitteln umgeht. Sein Verhalten entspricht auch den Erwartungen der FIKO, die im Grossen Rat bestätigt wurden: dass nur die Mittel entnommen werden, die man maximal eingestellt hat, nach Möglichkeit aber weniger. Es stehen drei Anträge im Raum: 136,5 Mio. Franken, wie es im Geschäftsbericht vorgesehen ist; die 61 Mio. Franken der FIKO, in deren Hintergrund der hohe Kaufpreis der SBB-Liegenschaften steht, sowie der Antrag der FDP, die gar nicht äufnen will. Die SP- JUSO-PSA-Fraktion unterstützt den Regierungsantrag. Wir sind überzeugt, dass wir schon in absehbarer Zeit sehr froh

142 Juni 2011 Nachmittag Finanz über die zurückgelegten Mittel sein werden, um eine einigermassen kontinuierliche Investitionstätigkeit weiterführen zu können. daher, wie gesagt, zustimmen. Wir begrüssen den Antrag der FIKO und bevorzugen ihn als Mittelweg. Den Antrag der FDP werden wir ablehnen. Präsident. Mesdames et messieurs, chers membres du Grand Conseil, j aimerais saisir l occasion de saluer une délégation française qui nous fait l honneur d une visite de courtoisie. Mesdames et messieurs, je vous souhaite la plus cordiale bienvenue au Grand Conseil du canton de Berne. La délégation est composée de treize conseillers auprès de membres du pouvoir législatif français. Ils passent quelques jours en Suisse afin de s informer sur le système politique de notre pays et de la Genève internationale. Ce voyage d étude est organisé par Présence Suisse. Au nom du Grand Conseil je souhaite à toute la délégation un séjour intéressant dans notre canton. (Applaus) Andreas Blank, Aarberg (SVP). Ich kann mich ebenfalls kurz fassen; wir führten diese Debatte schon einige Male. Ich will die Argumente nicht wiederholen, weshalb die SVP auch dieses Mal gegen eine Äufnung des Fonds ist, unabhängig davon, ob es 136 oder 61 Mio. Franken sind. Auch eine allgemeine Finanzdebatte nicht nötig; die werden wir in der September- und in der Novembersession führen. Ich will nur noch kurz Folgendes sagen: Es wurden immer wieder die 100 Mio. Franken Motorfahrzeugsteuer erwähnt. Der Form halber möchte ich klarstellen, dass dort immer noch der Verwaltungsgerichtsentscheid offen ist, ob es zu einer Nachzählung komm oder nicht. Ich hoffe natürlich, dass es nicht dazu kommt. Ich will nur präzisieren, dass das noch nicht hundertprozentig sicher ist. Wir haben 350 Mio. Franken in diesem Fonds, der schon vor einiger Zeit beschlossen worden war. Es wurde noch kein einziger Franken entnommen, und nun will man noch mehr einlegen. Damit nimmt man etwas vorweg, das man erst später beschliessen sollte. Martin Friedli hat bereits erwähnt, dass es 2015 darum gehen wird, ob man den Fonds verlängert oder nicht. Wenn wir nun noch mehr äufnen, ist es praktisch sicher, dass wir den Fonds werden verlängern müssen, schlicht und einfach deswegen, weil das Geld nicht hatte verwendet werden können. Auch das ist ein Grund, um dieser Äufnung über die 350 Mio. Franken hinaus nicht zuzustimmen. Wir lehnen deshalb Ziffer 1 auch mit den 61 Mio. Franken ab. Der Streichung, Ziffer 2, stimmen wir zu. Für Ziffer 3 des Antrags FDP hätten wir eine gewisse Sympathie gehabt, sind jedoch ebenfalls der Meinung, dass dieser Antrag bei diesem Geschäft nicht gestellt werden kann, sondern separat traktandiert werden müsste. Ich bitte den Rat, in diesem Sinn abzustimmen. Sabine Kronenberg, Biel (glp). Ich mache es kurz und langsam. Die glp-cvp-fraktion ist für die Äufnung des Fonds. Ich persönlich tue mich schwer mit zweckgebundenen Fonds, dies aus vielzitierten und bekannten Gründen. Das kommt davon, wenn man sowohl nach hinten als auch nach vorn schaut. Wir müssen weitere Schulden in einem Kanton, der nicht gut dasteht, vermeiden. Wie bereits gesagt, für uns ist das Augenmerk vor allem auf die Langfristigkeit und die Fassbarkeit der Ziele zu richten. Wir werden mehr Prioritäten setzen und ein weiteres Verzetteln von Geld, das uns zwischen den Fingern zerrinnt, vermeiden müssen. Allenfalls müssen wir anfangen, ganz neu zu denken und Rat und Regierung dazu zu bringen, gemeinsam eine Agenda zu schaffen. Aber item. Beim Investitionsfonds kann ich die Argumente dafür noch am ehesten verstehen. Wir wollen den veränderten Kontext zudem würdigen. Die glp-cvp wird Mathias Tromp, Bern (BDP). Ich möchte vorab gleich darlegen, dass die BDP den Antrag der FIKO unterstützt. Erstens: Wir sind froh, dass nun die formelle Trennung stattgefunden hat. Es sind eigentlich zwei formelle Trennungen: Zunächst, dass man nicht einfach automatisch mit dem Rechnungsabschluss eine Fondseinlage machen wollte; zu diesem Zweck habe ich in dieser Session sogar eine Motion eingereicht. Ausserdem, dass man es formell vom SBB-Geschäft direkt getrennt hat. Damit stellt sich die Frage, wie hoch eine Fondseinlage sein soll, wenn man noch einmal eine solche vornehmen will. Wir können auf das achten, was uns zur Verfügung steht. Gemäss Schuldenbremse könnten wir bis zu 164 Mio. Franken einlegen. Wir können auch 0 Franken einlegen. Dazwischen kann man alles machen. Nun kommen wir, wie die FIKO, auf 61 Mio. Franken; damit ist wenigstens der Kauf der beiden SBB-Gebäude im Fonds integriert. Mehr wollen wir nicht, und zwar, weil wir nicht wollen, dass gesagt wird, wir hätten das Geld für die Sanierung der SBB- Liegenschaften geäufnet. Das kann nicht sein. Deshalb ist die BDP mit der FIKO zusammen der Auffassung, dass wir bei den 61 Mio. Franken bleiben, genau wie es auch Martin Friedli begründet hat. Ich danke dem Rat, wenn er diesen 61 Mio. Franken zustimmt. Heinz Siegenthaler, Rüti bei Büren (BDP), Präsident der FIKO. Frau Desarzens hatte natürlich recht. Ich bin etwas schwer von Begriff, aber auch solche Leute haben ein Recht auf eine angemessene Vertretung im Grossen Rat. (Heiterkeit) Aus Sicht der FIKO unterstützen wir Ziffer 2 des FDP- Antrags natürlich, in diesem Punkt will sie dasselbe wie wir. Beatrice Simon, Finanzdirektorin. Der Grosse Rat stimmte dem Kauf der beiden SBB-Liegenschaften zu, wenn auch mit einigen Akzentuierungen gegenüber dem Regierungsantrag. Er hat die Liegenschaftskäufe beschlossen, hat aber ebenfalls beschlossen, das Kaufgeschäft und die Fondseinlage zu entkoppeln. Das kann man selbstverständlich so machen. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Und trotzdem besteht zwischen den beiden Geschäften ein Zusammenhang, der nicht wegdiskutiert werden kann. Wenn man die SBB- Liegenschaften kauft, muss man sie bekanntlich umbauen. Deshalb wäre es jetzt finanzpolitisch konsequent, gleichzeitig die Finanzierung damit meine ich den Kauf und den Umbau dieses Geschäfts sicherzustellen. Macht man das nicht, fehlen die Mittel, um andere Investitionen zu tätigen. Der Regierungsrat hat in den letzten zwei Jahren das Volumen der Nettoinvestitionen sukzessive erhöht. Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, detailliert darzustellen, was alles gemacht wurde. Nur so viel: Das Volumen der Investitionen wurde in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt. Bei all diesen Investitionen handelt es sich keineswegs um irgendwelchen Wunschbedarf, sondern um Vorhaben, die für den Schutz unserer Bevölkerung und für den Erhalt unserer Infrastrukturen von zentraler Bedeutung sind. Zu all dem, was wir ohnehin machen müssen, kommen nun noch der Kauf und der Umbau der beiden SBB-Liegenschaften. Wenn die Finanzierung nicht mit einer entsprechenden Fondseinlage sichergestellt wird, kann es dazu führen, dass andere Investitionsvorhaben zurückgestellt werden müssen. Wenn sich der Grosse Rat gegen den Antrag der Regierung stellt, den Fonds mit 136,5 Mio. Franken zu äufnen, müssen

143 Finanz 9. Juni 2011 Nachmittag 583 Sie sich, liebe Grossrätinnen und Grossräte, der Konsequenzen auch bewusst sein. Es ist nun bald vier Uhr, und ich bin froh, wenn wir heute noch über dieses Geschäft abstimmen können. Im Zusammenhang mit dem Investitionsspitzenfonds ist es mir aber doch ein Anliegen, noch die folgenden Punkte zu erwähnen: Der Fonds wird nur dann geäufnet, wenn sich abzeichnet, dass es von der finanzpolitischen Situation her möglich ist. Das heisst, dass die Vorgaben bezüglich der Schuldenbremse sowohl für die Laufende Rechnung als auch für die Investitionsrechnung trotz Fondsäufnung eingehalten werden müssen. Im vorliegenden Fall ist das erfüllt. In Anbetracht der finanzpolitischen Perspektiven, die Ihnen wohl allen bewusst sind, bietet sich heute vermutlich zum letzten Mal für die nächsten paar Jahre die Möglichkeit, den Fonds zu äufnen. Über jede Entnahme aus dem Fonds entscheiden allein Sie, liebe Grossrätinnen und Grossräte. Der Regierungsrat hat lediglich ein Antragsrecht. Er hat keine Möglichkeit, dem Fonds irgendwelche Gelder zu entnehmen. Der Fonds läuft am 1. April 2015 aus. Es ist jedoch nicht so, dass der Kontostand bis zu jenem Datum auf null sein muss. Der Termin vom 1. April 2015 bedeutet, dass die Verpflichtungen, welche bis zu jenem Zeitpunkt eingegangen wurden, noch ausgeführt werden können. Das Parlament kann also bis zum 1. April 2015 Entscheidungen bezüglich Ausgaben für ausführungsreife Projekte treffen, von denen es der Meinung ist, man solle sie aus dem Investitionsspitzenfonds finanzieren. Der zusätzliche Investitionsbedarf, auf den die Bau- und Verkehrsdirektorin bereits mehrmals hingewiesen hat, kann nur dann gedeckt werden, wenn Geld im Fonds vorhanden ist. Sollten nach dem 1. April 2015 im Fonds noch ungebundene Gelder liegen, ist es gemäss dem gültigen Recht ganz klar, dass dieses Geld direkt der Laufenden Rechnung 2015 gutgeschrieben würde und somit dem Schuldenabbau zugeführt werden kann. Liebe Grossrätinnen und Grossräte, ich bitte Sie wirklich dringend, die Fondseinlage in der ganzen Höhe zu beschliessen, denn sonst wird es unmöglich, die SBB- Liegenschaften kaufen und anschliessend auch noch umbauen zu können. Abstimmung Geschäft Für den Antrag FIKO Ziff. 1 Für den Antrag Regierung Ziff. 1 Abstimmung Geschäft Für den Antrag FIKO Ziff. 1 Dagegen (Antrag FDP; Ablehnung Ziff. 1) Abstimmung Geschäft Für den Antrag FIKO / FDP (Ziff. 2 streichen) Dagegen (Antrag Regierung Ziff. 2) Schlussabstimmung Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 85 Stimmen 41 Stimmen 0 Enthaltungen 74 Stimmen 50 Stimmen 2 Enthaltungen 112 Stimmen 11 Stimmen 2 Enthaltungen 72 Stimmen 49 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /10 Motion FIKO (Siegenthaler, Rüti b. Büren) Gesamtkantonale Investitionsplanung Wortlaut der Motion vom 19. November 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, eine integrierte Investitionsplanung zu erarbeiten. Das Planungsinstrument soll sämtliche Investitionen der mindestens nächsten zehn Jahre umfassen. Begründung: Mit den vorhandenen Instrumenten Strassenbauprogramm (ab 2012 Strassennetzplan) und Investitionsrahmenkredit öffentlichen Verkehr sowie der ab 2013 vorgesehenen mittelfristigen Investitionsplanung für den Liegenschaftsbereich (MIP+) wären rund 80 Prozent der geplanten Investitionen erfasst, obwohl bei letzterem Planungsinstrument noch nicht feststeht, ob es der Finanzkommission und dem Grossen Rat überhaupt zur Kenntnis gebracht werden soll. Somit liegen für die einzelnen Bereiche zwar gute Planungsinstrumente vor, jedoch besteht für den Grossen Rat kein Gesamtüberblick im Sinne einer integrierten Investitionsplanung über einen Zeitraum hinweg, der mindestens zehn Jahre umfasst. Für ein Milizparlament wie den Grossen Rat ist eine aggregierte Zusammenfassung aller geplanten Investitionen notwendig, um Entscheide sachlich und mit Verlässlichkeit und Konstanz fällen zu können. Aus diesen Gründen fordert die Finanzkommission eine integrierte Investitionsplanung für die jeweils kommenden zehn Jahre, die gleichzeitig mit dem Voranschlag / Aufgaben-/ Finanzplan vorgelegt wird. Diese ermöglicht eine sachbezogene Debatte und eine verbesserte Entscheidungsfindung auf der politischen Ebene und sorgt für Transparenz im Investitionsbereich. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 23. März 2011 Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine Motion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates (Richtlinienmotion). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages, und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. Die Finanzkommission stellt fest, dass für ein Milizparlament wie den Grossen Rat eine aggregierte Zusammenfassung aller geplanten Investitionen notwendig sei, um Entscheide sachlich und mit Verlässlichkeit und Konstanz fällen zu können. Sie verlangt deshalb in ihrer Motion die Erarbeitung einer integrierten Investitionsplanung für jeweils mindestens die kommenden zehn Jahre, die gleichzeitig mit dem Voranschlag und Aufgaben-/Finanzplan vorgelegt wird. Der Regierungsrat nimmt zum vorstehenden Anliegen der Finanzkommission wie folgt Stellung: Für die mittel- und langfristige Investitionsplanung stehen dem Grossen Rat und dem Regierungsrat zum heutigen Zeitpunkt die folgenden Steuerungsinstrumente zur Verfügung: Voranschlag und Aufgaben-/Finanzplan (u. a. statistischer Nachweis) Investitionsrahmenkredit öffentlicher Verkehr Strassenbauprogramm Ab dem Jahr 2012, resp werden dem Regierungsrat weitere Planungsinstrumente zur Verfügung stehen. Es handelt sich dabei um die Folgenden: Strassennetzplan und Investitionsrahmenkredit Strasse (2012 und 2013) Mit dem neuen Strassengesetz erhielt der Regierungsrat zur Planung der Strasseninfrastruktur zwei neue Planungsund Finanzierungsinstrumente, die das bisherige Strassenbauprogramm ablösen: Den Strassennetzplan und den Investitionsrahmenkredit Strasse. Der Strassennetzplan legt die langfristigen Veränderungen des Kantonsstras-

144 Juni 2011 Nachmittag Finanz sennetzes fest, gibt Aufschluss über Art und Stand der vorgesehenen Massnahmen und beziffert den ungefähren Finanzbedarf. Er wird erstmals im Jahr 2012 durch den Regierungsrat beschlossen und anschliessend dem Grossen Rat zur Kenntnis vorgelegt. Seine Gesamtüberarbeitung ist alle acht Jahre vorgesehen, mit der Möglichkeit früherer Anpassungen für einzelne Vorhaben. Die Inhalte des Strassennetzplanes werden mit den übrigen übergeordneten Planungen abgestimmt. Auf der Basis des Strassennetzplans wird dem Grossen Rat alle vier Jahre der entsprechende Investitionsrahmenkredit Strasse gleichzeitig mit dem Angebotsbeschluss für den öffentlichen Verkehr und dem Investitionsrahmenkredit ÖV zur Genehmigung vorgelegt, erstmals im Jahr 2013 (Laufzeit ). MIP+ für den Liegenschaftsbereich (2011) Für den Liegenschaftsbereich hat die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion das Konzept der mittelfristigen Investitionsplanung «MIP+» erarbeitet. «MIP+» zeigt die Bedarfsentwicklung in den einzelnen Liegenschaftsportfolios auf und dient dem Regierungsrat als Zusatzinformation zur Finanzplanung. Ab dem Jahr 2011 wird der Regierungsrat jeweils jährlich im Rahmen seiner finanzpolitischen Planungsgespräche im Frühjahr über den aktuellen finanziellen Zwischenstand in den Planungen «Strassennetzplan» und «MIP+» in Kenntnis gesetzt. Damit erhält er die Möglichkeit, sich ein Bild über den Finanzbedarf für Investitionen im Hoch- und Strassenbau zu verschaffen, der über den Zeithorizont des Aufgaben- /Finanzplanes hinausgeht. Die in der Motion durch die Finanzkommission im Bereich der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion geäusserten Anliegen werden damit bereits weitgehend erfüllt. Darüber hinaus kann der Regierungsrat bei Bedarf bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf strategischer Ebene erste Prioritäten in Bezug auf künftige Investitionsprojekte setzen. Vor diesem Hintergrund hat der Regierungsrat bisher bewusst auf die Erarbeitung eines zusätzlichen Planungsinstrumentes verzichtet. In Anbetracht der finanzpolitischen Perspektiven, des zusätzlichen Mittelbedarfs in anderen Politikbereichen sowie des Handlungsdrucks im Personalbereich bringt der Regierungsrat aber Verständnis für den politischen Vorstoss der Finanzkommission auf. Es ist für ihn nachvollziehbar, dass auch die Finanzkommission, resp. der Grosse Rat im Investitionsbereich bei Bedarf jährlich eine Prioritätensetzung vornehmen und im Sinne einer politischen Güterabwägung Schwerpunkte festlegen möchte. Dies ist mit den derzeit vorliegenden Planungsinstrumenten für die Finanzkommission und den Grossen Rat aber nur zum Teil möglich. Der Regierungsrat plant deshalb, spätestens ab dem Jahr 2012 jeweils im Rahmen des Voranschlags und Aufgaben- /Finanzplanes den Grossen Rat jährlich mittels einer Gesamtübersicht unter anderem auf der Basis der vorstehenden Planungsinstrumente über die finanziell wichtigsten Investitionsvorhaben der Direktionen und der Staatskanzlei der nächsten zehn Jahre (ab dem jeweiligen Voranschlagsjahr) zu informieren. Die Aktualisierung der entsprechenden Übersichten erfolgt im Rahmen des ordentlichen Planungsprozesses zur Erarbeitung des Voranschlags und Aufgaben- /Finanzplans. In diesem Sinn beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat die Annahme der vorliegenden Richtlinienmotion. Antrag: Annahme als Motion. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Priska Vogt (d) Catherine Graf Lutz (f) 118 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Wird die Motion bestritten? Das ist nicht der Fall. Damit stimmen wir ab.

145 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 585 Achte Sitzung Dienstag, 14. Juni Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 154 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Bernhard Antener, Natalie Imboden, Corrado Pardini, Corinne Debora Schärer, Jürg Schürch, Maxime Zuber. Präsident. Ich heisse Sie herzlich willkommen und eröffne die erste Nachmittagssitzung der Sondersession zur Energiepolitik. Wir hatten eine etwas längere Pause und konnten uns entsprechend vorbereiten und erholen. Diese Session ist durch zwei spezielle Pausen, durch Auffahrt und Pfingsten, geprägt. Dadurch erhielt sie einen etwas anderen Rhythmus, an den man sich sicher auch gewöhnen könnte. Aber bei den andern Sessionen wird es dann nicht wieder ganz so sein. Die Präsidenten des Grossen Rats gehen ja «in die Geschichte ein». Ich werde dann zumindest sagen können, dass mit den Sondersessionen Energie, Finanzen und Gesundheit in diesem Jahr mindestens drei Sondersessionen durchgeführt wurden. Das ist sicher speziell. Wir sind, wie Sie wissen, mit dem Tagesgeschäft in Verzug und eigentlich müsste man sogar eine Sondersession aller unerledigten Geschäfte einführen, damit wir diese ebenfalls mit verkürzten Redezeiten zu Ende bringen könnten um wieder à jour zu sein. Dies aber nur im Spass. Das Thema Energie wird heute noch oft erwähnt werden. Ich halte mich hier zurück. Es ist klar: Wir sind alle von dieser Thematik betroffen, doch hat vor allem das Ereignis in Japan bei Vielen zu einem Umdenken geführt in dem Sinn, dass man sich überlegen muss, wie man mit der neuen Ausgangslage umgehen soll. Eigentlich haben wir alle das gleiche Ziel, nämlich eine Antwort auf die Frage zu finden, wie wir aus dieser schwierigen Situation für unser Land, unsere Bevölkerung und jetzt hier speziell für unseren Kanton herauskommen. Deshalb werden wir uns heute speziell mit den kantonalen Dingen auseinandersetzen. Ich glaube nicht, dass der Ausspruch von Helmut Schmidt immer noch zutrifft. Er hat ihn zu einer früheren Zeit gemacht: «Mich verwundert es immer wieder, welche dezidierte Vorstellung die Leute über Atomkraftwerke haben, die zu Hause nicht einmal in der Lage sind, eine Steckdose zu reparieren.» Dieses Zitat stammt aus einer etwas anderen Zeit. Mittlerweile hat sich unser Wissen auch aufgrund verschiedener Ereignisse verbessert und es ist sicher richtig, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Ich glaube und hoffe, dass wir Respekt haben, und zwar nicht nur vor dem Thema, sondern auch untereinander und dass wir uns mit vereinten Kräften Gedanken machen, wie wir die Zukunft der Energie angehen können, dass wir also lösungsorientiert denken und die Anliegen aufarbeiten. Deshalb haben wir die Vorstösse in Paketen zusammengefasst, denn wir müssen letztlich auch realistisch bleiben. Es ist wichtig, auch ab und zu aufeinander zuzugehen und letztlich das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: eine energiegesicherte Zukunft für uns alle zu haben, auch für die Wirtschaft und die eigene Lebensqualität. Über die Themen äussere ich mich im Moment nicht. Doch letztlich hat alles, was auch immer wir machen, volkswirtschaftliche, wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Auswirkungen. Noch kurz zu den Spielregeln: Zuerst werden wir uns die Erklärung des Regierungsrats anhören, vertreten durch die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Dann gilt die normale Redezeit. Zuerst erhalten die Fraktionen und dann die Einzelsprecher das Wort. Anschliessend, also nach der Kenntnisnahme der Erklärung des Regierungsrats und dieser Debatte, kommen wir dann zu den Blöcken. Dort liegt ein Ordnungsantrag von Grossrat Jost vor, der nach der Erklärung zur Diskussion gestellt wird. Soweit er bestritten ist, werden wir darüber abstimmen. Anschliessend gehen wir blockweise vor. Ich werde dann nochmals auf die genauen Redezeiten verweisen, aber Sie wissen es bereits: Bei den Blöcken gilt die halbierte Redezeit. Auch für die Fraktionen gilt pro Block eine reduzierte Redezeit, nicht aber für die einzelne Motion. Damit können wir mit der Sondersession zur Energiepolitik starten. Ich bitte Sie, ruhig zu werden und den Worten unserer Regierungsrätin Barbara Egger zuzuhören. Geschäft Erklärung des Regierungsrats gemäss Artikel 66 des Grossratsgesetzes (GRG) Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Die schrecklichen Ereignisse im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima haben die Energiepolitik aufgewühlt. Genau 25 Jahre nach Tschernobyl und nur wenige Wochen nach der kantonalen Volksabstimmung zur Stellungnahme für ein Mühleberg II hat Fukushima uns die Gefahren und Risiken der Atomtechnologie wieder in Erinnerung gerufen. Fukushima hat gezeigt, dass der Atom-Gau auch in einem hochindustrialisierten Land möglich ist und wir Menschen letztlich diese Technologie nie, nie restlos beherrschen können. Und obwohl die Schreckensmeldungen aus Japan in den Medien längst durch aktuellere Ereignisse abgelöst wurden, ist die Krise in Fukushima noch längst nicht ausgestanden. Hunderttausend Menschen sind immer noch evakuiert und können vielleicht nie mehr in ihre Wohnungen und Häuser zurück, Hunderte von Arbeitern kämpfen noch immer im Atomkraftwerk unter Lebensgefahr, um noch Schlimmeres zu verhindern. Grosse Mengen von Radioaktivität sind ins Meer und in den Boden entwichen und machen die Umgebung von Fukushima wohl für sehr lange Zeit für jegliches Leben unbewohnbar. Und wenn Sie jetzt meinen, ich übertreibe wieder einmal, muss sich Ihnen sagen: Gerade heute ist in der «BZ» auf Seite 17 zu lesen: «Die radioaktive Verstrahlung in Japan durch die Atomruine Fukushima wird immer ernster. Nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde wurde zudem erstmals auch im Grundwasser» also Trinkwasser, sehr verehrte Grossrätinnen und Grossräte «radioaktives Strontium entdeckt. Wissenschaftler sprechen bei Strontium von einem Knochenkiller. Es schädige das Knochenmark und könne Leukämie (Blutkrebs) auslösen.» Seit Fukushima hat sich in der Energiepolitik viel verändert. Der Bundesrat hat in einem historischen Entscheid den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Der Nationalrat hat diesen Beschluss deutlich bestätigt. Politikerinnen und Politiker fordern die Energiewende, Parteien überdenken ihre bisherigen Positionen, Bürgerinnen und Bürger, Schüler und Schülerinnen demonstrieren, und Meinungsumfragen zeigen deutliche Mehrheiten für den Atomausstieg. Der Regierungsrat begrüsst die heutige Sondersession, liebe Grossrätinnen und Grossräte. Es ist richtig und wichtig, dass wir jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern unsere zukünftige Energiepolitik debattieren. Warum braucht es immer zuerst eine schlimme Katastrophe, bevor uns Menschen die Augen geöffnet werden, muss man sich fragen? Denn eigentlich waren die Risiken und Gefahren der Atomtechnologie auch schon vor Fukushima bestens bekannt. Die Regierung hat diese im Abstimmungskampf vom Februar

146 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik thematisiert. Damals wurde uns Propaganda und schlechter politischer Stil vorgeworfen. Heute sind diese Stimmen verstummt. Der Regierungsrat ist froh, dass jetzt die grundsätzliche Debatte zur Atomfrage geführt werden kann. Im Zusammenhang mit der Sondersession haben Sie, liebe Grossrätinnen und Grossräte, insgesamt 46 Vorstösse eingereicht. Diese Vorstösse umfassen Forderungen zum Atomausstieg, viele Ideen zum Stromsparen, zur Förderung der Energieeffizienz und den neuen erneuerbaren Energien sowie etliche Fragen zur Sicherheit des Atomkraftwerks Mühleberg und auch Anliegen zur Strategie der BKW. Ich möchte hier ausdrücklich danken für diese vielen Vorstösse. Diese haben uns zwar sehr viel Arbeit gemacht; sie haben uns aber auch wertvolle Impulse gegeben und unsere Analyse und Arbeit befruchtet. In der regierungsrätlichen Erklärung werde ich mich zu folgenden Punkten äussern. Erstens: Der Regierungsrat hat im Hinblick auf diese Sondersession seine Haltung zur Atomfrage überprüft und bekräftigt. Zweitens: Die Energiepolitik und die Stromproduktion sind sehr stark vom Bund geprägt und reglementiert. Für uns Kantone ist entscheidend, wohin die Politik des Bundes geht. Ich nehme deshalb Stellung zu den aktuellen Beschlüssen des Bundesrats. Zum Schluss werde ich Ihnen nochmals die Energiepolitik der Regierung in Erinnerung rufen und insbesondere auch aufzeigen, wie aus Sicht der Regierung die weitere Energiepolitik ausgestaltet werden soll, um den vom Bundesrat beschlossenen Atomausstieg in unserem Kanton umzusetzen. Ich komme zur Haltung des Regierungsrats zur Atomfrage: Die Ereignisse von Fukushima haben den Regierungsrat in seiner Energiepolitik bestärkt. Die Haltung des Regierungsrats zur Atomfrage lässt sich denn wie folgt zusammenfassen: Der Regierungsrat unterstützt den Entscheid des Bundesrats, dass die Schweiz aus der Atomenergie aussteigen soll. Dieser Ausstieg hat geordnet und schrittweise zu erfolgen. Die heutigen Atomkraftwerke sollen am Ende ihrer sicherheitstechnischen Betriebsdauer stillgelegt werden. Massgebend für die Beurteilung der Sicherheit bei den bestehenden Atomkraftwerken ist das eidgenössische Nuklearinspektorat ENSI. Die Politik ist hier auf das Fachwissen der Fachleute angewiesen und muss sich auf sie verlassen können. Auf den Ersatz bestehender Atomkraftwerke und auch auf neue Atomkraftwerke ist zu verzichten. Ein geordneter Ausstieg setzt voraus, dass die Energiepolitik schwergewichtig auf die Förderung von erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz setzt. Die Potenziale sind technisch unbestritten und auch wirtschaftlich immer mehr vorhanden. Sie müssen jetzt nur nutzbar gemacht werden. Hierzu braucht es den politischen Willen, gute Rahmenbedingungen, aber auch den Einsatz und das Engagement von uns allen. Diese grundsätzliche Haltung des Regierungsrats gilt auch für das Atomkraftwerk Mühleberg. Auch beim Atomkraftwerk Mühleberg soll der Ausstieg geordnet erfolgen: Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass die BKW nun umgehend ihre Unternehmensstrategie überprüfen und ihre Strategie schwergewichtig auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz lenken soll. Der Regierungsrat hat die BKW bereits im März 2011 zur Überarbeitung der Strategie aufgefordert. Die BKW hat dem Regierungsrat bis Ende Jahr eine erste Rückmeldung in Aussicht gestellt. Als politische Behörde hat der Regierungsrat keine Kompetenz, das AKW Mühleberg sofort abzustellen. Massgebend für die Frage, wie lange das AKW Mühleberg noch betrieben werden kann, ist einzig die zuständige Fachbehörde des Bundes, also das ENSI. Auch als Vertreter des Mehrheitsaktionärs der BKW hat der Regierungsrat keine Möglichkeiten, das Atomkraftwerk Mühleberg sofort abzustellen. Hierfür bräuchte es eine Statutenänderung, welcher zwei Drittel aller Aktionäre zustimmen müssten. Ganz abgesehen davon, dass politisch eine rasche Abschaltung des AKW Mühleberg nicht allein vom Regierungsrat beschlossen werden könnte. Es ist selbstverständlich, dass dies auch der Grosse Rat und allenfalls das gesamte Volk mitentscheiden möchten. Insgesamt ist es aus unternehmerischer Sicht problematisch, wenn die BKW das AKW Mühleberg ohne sicherheitstechnische Anordnung des ENSI und bevor eine neue Strategie vorliegt, von sich aus abschaltet. Dies würde zugleich die Position der BKW im schweizerischen Strommarkt schwächen. Gleichzeitig ist allerdings auch zu beachten, dass ein allfälliger Störfall während der Betriebsdauer auch aus ökonomischer Sicht ein Risiko unschätzbaren Ausmasses beinhalten würde. Liebe Grossrätinnen und Grossräte, der Regierungsrat ist sich seiner Verantwortung als Vertreter des Mehrheitseigners der BKW sehr bewusst und er hat entsprechend mit Sorgfalt gehandelt. Der Regierungsrat ist aber auch klar der Überzeugung, dass die BKW jetzt geordnet aus der Kernenergie aussteigen soll. Denn der Regierungsrat sieht in diesem Strategiewechsel nicht nur unternehmerische Chancen und Potenzial für das Unternehmen. Es ist sogar so, dass es heute angesichts der klaren Signale des Bundes wirtschaftlich für die BKW nachteilig wäre, wenn sie jetzt ihre bisherige Strategie nicht kritisch überdenken und der neuen Energiepolitik des Bundesrats anpassen würde. Ich komme zum nächsten Block, dem Grundsatzentscheid des Bundesrats zum Atomausstieg: Der Bundesrat hat am 25. Mai 2011 den Grundsatzentscheid gefällt, dass die Schweiz aus der Atomenergie aussteigt. Der Nationalrat hat diesen Beschluss am 7. Juni deutlich bestätigt. Das Ausstiegskonzept des Bundesrats entspricht weitgehendst der Energiepolitik des Regierungsrats, wie er sie bereits seit längerer Zeit verfolgt. Der Regierungsrat ist erfreut über die Beschlüsse des Bundesrats und unterstützt selbstverständlich diese Stossrichtung. Wie der Regierungsrat will auch der Bundesrat einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie. Die bestehenden Atomkraftwerke sollen solange am Netz bleiben, wie der Betrieb aus Sicherheitsgründen von der ENSI gewährleistet wird. Auf neue Atomkraftwerke soll verzichtet werden. Der Bundesrat hat mit der Aktualisierung seiner Energieperspektiven aufgezeigt, dass der Atomausstieg technisch machbar und auch finanzierbar ist. Auch der Bundesrat sieht die Zukunft in den erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Um diesen zum Durchbruch zu verhelfen, will der Bundesrat eine neue Energiestrategie 2050 anvisieren. Die Massnahmen dieser Strategie soweit diese heute schon absehbar sind decken sich weitgehend mit unserer bernischen Energiepolitik. Zahlreiche Massnahmen haben wir in unserem Energiegesetz bereits implementiert. Auch die Massnahmen, welche mit dem Volksvorschlag wieder aus unserem Gesetz gestrichen wurden, werden wohl bald auf Bundesebene wieder zur Diskussion stehen und gegebenenfalls vom Bund den Kantonen zur Umsetzung übertragen werden. Der Regierungsrat teilt die Beurteilung des Bundesrats, wonach der Atomausstieg und die neue Energiepolitik des Bundesrats auch volkswirtschaftliche Vorteile haben. Die neue Energiepolitik erlaubt eine Verminderung der fossilen Energieabhängigkeit vom Ausland. Sie führt dazu, dass viel Geld, welches heute für Energiekäufe ins Ausland abfliesst, bei uns im Land bleibt. Die neue Energiepolitik schafft Arbeitsplätze und Wachstum und ermöglicht mit Clean Tech auch neue Exportchancen für innovative Unternehmen. Solche gibt es gerade in unserem Kanton bereits einige, welche heute schon sehr erfolgreich international am Markt agieren. Wie sieht der Regierungsrat den Weg unseres Kantons aus der Atomenergie? Der Regierungsrat hat die Antwort auf

147 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 587 diese Fragen bereits mit seiner Energiestrategie vom 2006 beantwortet. Die Energiestrategie des Regierungsrats nennt klar Ziele und zeigt den Weg, wie unser Kanton geordnet aus der Atomenergie aussteigen kann. Dazu gehört insbesondere die konsequente Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Mit dem neuen Energiegesetz ist der erste Schritt zur Umsetzung dieser Strategie gelungen. Der Regierungsrat wird weitere Massahmen, welche allenfalls zur Umsetzung der Strategie notwendig werden, vorbereiten und Ihnen beantragen. Die Kantonsregierung teilt die Meinung der Motionäre, dass der Ausstieg aus der Atomenergie zwingend eine massive Senkung des Strom- und Gesamtenergieverbrauchs sowie einen deutlichen Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien erfordert. Der Regierungsrat ist bereit, in seinem Kompetenzbereich konkrete Zielvorgaben zu definieren und diese gemeinsam mit Ihnen konsequent umzusetzen. Er will deshalb verschiedene in den Vorstössen geforderte Massnahmen und Vorschläge umsetzen, beziehungsweise auf ihre Machbarkeit prüfen. Dazu zählen beispielsweise die schrittweise Umrüstung der Strassenbeleuchtungen auf energiesparsame LED- Lampen oder die Prüfung einer Lenkungsabgabe auf Atomstrom zur Förderung der Energieeffizienz und erneuerbarer Energien. Der Regierungsrat des Kantons Bern ist für die Umsetzung seiner Politik allerdings auf die Unterstützung der Bevölkerung, des Grossen Rats und auch des Bundes angewiesen. Mit dem Einreichen einer Standesinitiative zur Energiewende setzt sich der Kanton Bern deshalb auch gegenüber dem Bund für einen Ausstieg aus der Atomenergie und für eine nachhaltige Energiepolitik ein. Ich komme zum Schluss: Liebe Grossrätinnen und Grossräte, ich bin sehr gespannt auf die nun folgende Debatte. Ich hoffe, dass Sie gute und konstruktive Beschlüsse fällen, welche uns energiepolitisch weiterbringen. Denn eines erscheint dem Regierungsrat von ganz grosser Wichtigkeit zu sein: Die Energiepolitik der letzten Jahre war geprägt von Grabenkämpfen und Ideologien. Das bringt uns, liebe Grossrätinnen und Grossräte, energiepolitisch nicht weiter. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Nach Fukushima sind wir alle gefordert, in der Energiepolitik rasch Nägel mit Köpfen zu machen. Der Regierungsrat fordert deshalb alle Parteien und alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf, gemeinsam an der Energiepolitik der Zukunft zu arbeiten. Das verlangt Bereitschaft aufeinander zuzugehen, Kompromisse einzugehen und vor allem Gräben zu überspringen. Der Regierungsrat bietet Hand dazu. Er bittet Sie, es ihm gleichzutun; im Interesse unseres Kantons, im Interesse einer zukunftsfähigen und sicheren Energiepolitik und im Interesse unserer Kinder und Kindeskinder. Ich danke Ihnen fürs Zuhören. Allgemeine Eintretensdebatte Präsident. Ich begrüsse die Gäste auf der Tribüne. Übrigens danke ich dem Rat, weil er so ruhig ist. Unsere Gäste auf der Tribüne sind es übrigens auch. Auf der einen Seite ist also der Rat ein gutes Beispiel, auf der andern Seite auch unsere Gäste auf der Tribüne. Von der Gewerbeschule in Thun begrüsse ich das erste Lehrjahr der Gärtnerklasse. Es sind vor allem junge Leute, die Landschaftsgärtner oder Landschaftsgärtnerin oder auch Zierpflanzengärtnerin oder -gärtner lernen. Herzlich willkommen bei uns. Ich hoffe, Sie werden eine interessante Debatte hören. Es geht ja um Ihre Zukunft und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Nachmittag. Jetzt gibt es dann etwas heissere Debatten, aber ich glaube immer noch daran, dass wir das in Würde und Respekt über die Bühne bringen werden. Herzlich willkommen. (Applaus). Das ist mehr oder weniger auch der einzige Applaus, der zugelassen ist, nämlich derjenige für unsere Gäste oder wenn jemand Geburtstag hat. Voten darf man nicht mit Applaus quittieren, dies zur Information, falls Sie das gerne machen würden einfach, damit Sie nicht enttäuscht sind. Es war jedoch so ruhig, dass ich wahrscheinlich gar nicht werde intervenieren müssen. Ich finde es super, wenn man miteinander sprechen kann. Jetzt kommen wir zu den Fraktionssprechern, es gilt die normale Redezeit. Samuel Leuenberger, Trubschachen (BDP). Auch meine Partei gehört zu denjenigen, die der Ansicht waren, dass eine drohende Stromlücke am besten mit dem Neubau eines Atomkraftwerks in der Schweiz überbrückt werden kann. Leider mussten wir nach den tragischen Ereignissen in Japan feststellen, dass dieser Plan wohl der Vergangenheit angehört. Es ist politisch für absehbare Zeit höchstwahrscheinlich nicht mehr möglich, im Schweizer Volk eine Mehrheit für den Neubau eines Atomkraftwerks zu gewinnen. Die Ereignisse in Japan haben aufgezeigt, dass auch in einer hochtechnischen, modernen Gesellschaft ein Restrisiko nicht ausgeschlossen werden kann. Warum eigentlich die Differenzierung zwischen den Kernschmelzereignissen in Three Mile Island im Jahr 1979, Tschernobyl im Jahr 1986 und Fukushima 2011? In Three Mile Island konnte man den Vorfall technisch beherrschen. In Tschernobyl klagte man, es stünden veraltete, gefährliche Technologien im Einsatz. So war beispielsweise die Grafitmoderation veraltet. Zudem seien gefährliche Experimente durchgeführt und eine ungenügende Sicherheitsphilosophie umgesetzt worden. In Fukushima hingegen können wir eine Kernschmelze in einem hochtechnischen Land beobachten, das in der Anwendung der Atomtechnologie führend war. Das ist der grosse Unterschied zu den Ereignissen der Jahre 1979 und Wir alle wissen noch nicht genau, was in Japan wirklich geschehen ist. Aber die Katastrophe hat sicher stattgefunden. Die BDP bekennt sich seit ihrer Gründung zu einem geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Dass nach der Katastrophe in Japan die Zeitverhältnisse ganz anders beurteilt werden, ist logisch. Logisch und sogar verständlich ist auch die Tatsache, dass im Wahljahr ganz intensiv auf der Klaviatur des Atomausstiegs und der AKW-Sicherheit gespielt wird. Jetzt ist aber das quasi Unfassbare passiert. Die nationale Politik war für einmal schneller als wir alle gedacht haben. Ausgelöst durch die klare Haltung und die Vorstösse der BDP wurden auf nationaler Ebene wegweisende Entscheide in Richtung Atomausstieg gefällt. Der Bundesrat und der Nationalrat haben die Marschrichtung vorgegeben und somit viele gutgemeinte Vorstösse der anstehenden Sonderdebatte überflüssig gemacht. Das ist zwar für die betroffenen Motionäre und Postulanten in gewisser Hinsicht ärgerlich, doch macht es schlicht keinen Sinn, Vorstösse zu überweisen, die von der politischen Realität bereits überholt worden sind oder die sich schlicht als untauglicher Versuch herausstellen, weil sie auf der falschen politischen Stufe angesetzt sind. So werden Sicherheitsfragen ausschliesslich auf der eidgenössischen Ebene behandelt und entschieden. Die BDP ist hier für eine klare Linie und für Effizienz im Ratsbetrieb und somit gegen Scheindebatten. Deshalb lehnen wir mit wenigen Ausnahmen die Vorstösse der Blöcke 1 und 2, in denen es um den Atomausstieg und die Sicherheit des AKW Mühleberg geht, ab. Ökologie war auch für die BDP immer ein zentrales Anliegen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Das bedeutet: Wer für den Atomausstieg einsteht, muss bereit sein, zu sparen und in neue Energien zu investieren. Deshalb unterstützen wir die aus unserer Sicht zielgerichteten und machbaren Vorstösse der Blöcke 4 und 5. Der Weg in ein neues Energiezeitalter,

148 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik wie er vom Bundesrat, vom Nationalrat und voraussichtlich auch vom Ständerat beschritten wird, wird enorm anstrengend sein. Dies nicht nur für den Kanton Bern, sondern für unser ganzes Land. Es ist zu hoffen, dass sich die politisch verantwortlichen Behörden im Kanton Bern ebenfalls auf den Weg der Bundesbehörden begeben und nicht eine kantonsinterne, eigene Lösung anstreben. Sie, Kolleginnen und Kollegen, werden in den kommenden Jahren des Öfteren über Ihren eigenen Schatten springen müssen. Dies, damit wir die Ziele, für die wir uns jetzt in der Energiedebatte entscheiden, vollziehen können. Wir alle müssen unsere Eigeninteressen gegenüber dem Gesamtwohl zurückstellen. Der energiepolitische Wandel wird dieselbe Anbauschlacht hervorrufen wie im Zweiten Weltkrieg die Kartoffeln von Bundesrat Wahlen, nur eben jetzt mit Solar- und Photovoltaikzellen. Allerdings mit einem grossen Unterschied: Damals bestanden für solche Anlagen deutlich kleinere Bewilligungshürden. Meine Partei ist bereit, gemeinsam mit Ihnen den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie voranzutreiben und die nötigen Begleitmassnahmen mitzutragen. Wir werden mithelfen, sinnvolle Spar- und Energieeffizienzmassnahmen voranzutreiben und die erneuerbaren Energien zu fördern. Wir befinden uns jedoch hier in einem politischen Prozess. In einem solchen Prozess sind Lösungen und Zugeständnisse von allen Seiten möglich. Und in einem solchen Prozess sind Lösungen nur möglich, wenn Zugeständnisse von allen Seiten gemacht werden. Ich hoffe, dies werde von allen Seiten getan. Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Am 25. Mai hat der Bundesrat den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, 75 Tage nach dem schweren Erdbeben und dem Tsunami in Japan. Und dies im Wissen darum, dass die ältesten Kernkraftwerke in der Schweiz seit mehr als Tagen zuverlässig während des ganzen Jahres Tag und Nacht CO 2-armen Strom liefern. Der für unsere Schweiz weitreichende Entscheid basiert auf Visionen und Studien, aber auch auf Illusionen und Wunschdenken, statt auf klaren Fakten, Zahlen und Realitäten. Auch wurde er ohne vertiefte Prüfung der Konsequenzen und Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gefällt. Der Bundesrat hat sich keine Zeit genommen, Zweitmeinungen einzuholen, ein breit abgestütztes Vernehmlassungsverfahren durchzuführen und die Stromproduzenten und die Wirtschaft in diesen für die Schweiz wichtigen Entscheid einzubinden. Der schnelle Bundesrats- und inzwischen auch Nationalratsentscheid verkennt zudem die Tatsache, dass die Schweiz heute fest in das gesamteuropäische Stromnetz eingebunden ist. Fakt ist und bleibt: 59 Kernkraftwerke in Frankreich speisen während 24 Stunden am Tag Atomstrom in das europäische Stromnetz, ob wir das wollen oder nicht. Strom ist die Schlüsselenergie und der Lebensnerv für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Ohne Strom steht die Welt still. Denken Sie an unsere Spitäler, an die Rettungs- und Überwachungsorganisationen, an unsere stromintensive Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, an den öffentlichen Verkehr und an unsere Informationsgesellschaft, die ja ohne Handy und Internet nicht mehr leben kann. Ein paar Fakten zur Erinnerung: Die Schere zwischen Stromverbrauch im letzten Jahr plus 4 Prozent und der Stromproduktion öffnet sich seit Jahren und damit auch die Stromlücke, die unaufhaltsam auf uns zukommt. Der Stromverbrauch wird auch in den kommenden Jahren ungebremst zunehmen, die Treiber sind das Wirtschaftswachstum, der Wohlstand, die Bevölkerungszunahme, aber auch der gewünschte Ersatz fossiler Energieträger. Ein weiteres, einfaches, von vielen Politikern immer noch nicht verstandenes Faktum ist: Es muss immer so viel Strom produziert werden, wie die Gesellschaft und die Industrie benötigen, und zwar im Sommer und im Winter und während 24 Stunden am Tag. Sonne und Wind sind sehr unzuverlässige Stromproduzenten, es sei denn, man bekenne sich zu weiteren grossen zusätzlichen Speicherseen in den Alpen. Die Forderungen und Wünsche, die zurzeit vor allem von den Politikern und den Medien gestellt werden, sind grenzenlos: Die sofortige Stillegung von älteren Kernkraftwerken, massiver Ausbau der Wasserkraft, Aufhebung des Verbandsbeschwerderechts, Aufgabe des Widerstands gegen alternative Energieträger und massive Erhöhung der Beiträge für erneuerbare Energien. Und neuerdings wird auch der Bau von Gas- und Kohlekraftwerken befürwortet. Der Klimawandel war in den vergangenen Wochen kein Thema mehr. Was sind aber die Alternativen zur Kernenergie? Auch die SVP ist für den Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien; aber klar nach marktwirtschaftlichen und realistischen Gesichtspunkten und Szenarien. Die Wasserkraft ist in der Schweiz weitgehend ausgeschöpft, und sowohl Grossprojekte als auch Kleinwasserkraftwerke scheitern an Einsprachen seitens Natur- und Umweltschutz. Der Kanton Bern leistet sich sogar den Luxus, Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung von weniger als 300 kwh nicht zu bewilligen, im Wissen, dass ein solches Kleinwasserkraftwerk bis zu 2 Mio. kwh Strom pro Jahr produzieren könnte. Und übrigens: Die drei KWO-Plus-Projekte, die frühestens in 10 Jahren rund 80 gwh zusätzlichen Strom liefern können, machen nur ich betone: nur ungefähr 3 Prozent einer Jahresproduktion des KKW Mühleberg aus; und das mit einer Bausumme von 1300 Mio. Franken. Noch zur vielgepriesenen Photovoltaik: Wenn man die Jahresproduktion des Kernkraftwerks Mühleberg durch Photovoltaikanlagen ersetzen wollte, müssten wir während 10 Jahren jeden Tag mindestens 250 bis 300 Photovoltaikanlagen bauen und installieren, und das mit dem grossen Nachteil, dass wir bei Nebel und Nacht trotzdem keinen Strom zur Verfügung hätten. Es ist eine Tatsache: Die Schweiz ist kein ideales Land für Windkraftwerke. Auch hier wurde von Seiten des Landschaftsschutzes bereits jetzt grosser Widerstand angemeldet. Hingegen bin ich überzeugt, dass Geothermie in Zukunft eine grössere Rolle spielen könnte, aber hier stecken wir noch in den Kinderschuhen und es wird noch manches Jahr dauern, bis die Geothermie zuverlässig Strom liefern kann. Ein sofortiger Ausstieg aus der Kernkraft würde unweigerlich zu einer Verknappung von Strom und zu massiven Preissteigerungen führen. Erinnern Sie sich noch an die Abstimmung vom 15. Mai? Ein Zuschlag von 0,5 bis 1 Rappen wurde mit grossem Mehr verworfen. Der Bundesrat selber geht bei seinen Szenarien klar von steigenden Stromkosten aus. Die Preise für den Strom werden massiv steigen. Wissen Sie übrigens, dass die Schweiz im Jahr ,3 TWh Atomstrom aus Frankreich bezogen hat? Das entspricht etwa fünfmal einer mittleren Jahresproduktion des KKW Mühleberg. Und vergessen wir es nicht: Für den Bau und die Realisation von Stromproduktionsanlagen braucht es willige Investoren, und diese sind nur dann interessiert, wenn letztlich das investierte Kapital auch einen genügenden Gewinn abwirft. Fazit: Das Hauptziel unserer kantonalen Energiepolitik muss eine sichere, breit abgestützte und zuverlässige, möglichst auslandunabhängige, klimaverträgliche, aber auch bezahlbare und wettbewerbsfähige Stromversorgung sein. Deshalb wird die SVP alle Vorstösse ablehnen, die diesem Ziel zuwiderlaufen. Wir wollen eine sichere, zuverlässige und wettbewerbsfähige Stromversorgung für unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft. Wir wollen keinen überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie. Wir unterstützen alle Massnahmen zur

149 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 589 Effizienzsteigerung, zum Sparen, zum Entwickeln von erneuerbaren Energien, jedoch zu marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir lehnen konsequent jeglichen bernischen Alleingang ab. Niklaus Gfeller, Rüfenacht (EVP). Jeder von uns konsumiert fortlaufend grosse Mengen von Energie, sei es zu Hause im Haushalt, im Verkehr oder am Arbeitsplatz. Jeder dieser Bereiche macht etwa einen Drittel unseres Energieverbrauchs aus. Unser Lebensstandard, unser Wohlstand basieren darauf, dass Energie in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Ohne Energie in diesem Ausmass würde bei uns sehr Vieles ganz anders aussehen. Bei der Sondersession geht es aus unserer Sicht vor allem um die Frage an uns Energiekonsumenten, ob wir bereit sind, unseren Energiekonsum einzuschränken. Katastrophen als Folge des Klimawandels oder die Katastrophe von Fukushima schrecken uns auf. Das Aufschrecken bewirkt aber in der Regel nicht ein Einschränken des Energieverbrauchs, sondern man versucht in der Regel einfach die genutzte Primärenergie auszuwechseln. Und hier muss zwingend ein Umdenken geschehen. Es genügt nicht, wenn wir uns gegen die KKW empören und gleichzeitig der Strombedarf weiter zunimmt. Und es genügt nicht, kritisch zu sein gegenüber Energiequellen, die CO 2 freisetzen, aber gleichzeitig nimmt der motorisierte Strassenverkehr eher noch zu. Gut, ab und zu ist ein Elektroauto zu sehen. Wir ersetzen Elektroheizungen durch Wärmepumpen, die Strom brauchen. Sie sind zwar im Energieverbrauch durchaus sparsamer. Aber wenn die Wärmepumpe mit Strom betrieben wird, die aus einem thermischen Kraftwerk stammt, zeigen Überlegungen zum Wirkungsgrad, dass gesamthaft von der Einsparung kaum mehr etwas übrig bleibt. Man hat zwar dann selber eine Heizung oder man hat ein Auto, das kein CO 2 produziert, aber der Dreck wird dann irgendwo im Ausland in einem Kernkraftwerk oder in einem Kohlekraftwerk erzeugt. Aber eben: Dort sieht man es nicht und man riecht es nicht und genau das ist symptomatisch und typisch für die ganze Diskussion, in der wir stecken. Unsere Energieversorgung muss sich immer mehr auf erneuerbare Energiequellen stützen. Das ist für uns Schweizer ja eigentlich nicht neu: Mit der Nutzung der Wasserkraft stammt schon jetzt ein grosser Teil unserer Energie aus erneuerbaren Quellen. Dass allerdings ein Teil der genutzten Wasserkraft von Gletscherwasser stammt, das dann wegfällt, wenn aufgrund der Klimaveränderung die Gletscher verschwunden sind, erwähne ich hier nur am Rand. Der Ersatz der Energien, die auf Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran basieren, durch den Ausbau der Wasserkraft, durch den Bau von Photovoltaikanlagen, durch Windmühlen oder durch die Nutzung von Geothermie: Das braucht Zeit. Wenn wir das technische Problem der begrenzten Leistungskapazität des europäischen Stromnetzes einmal ausblenden, könnte man das Kernkraftwerk Mühleberg durchaus abstellen. Schliesslich sind wir ja über das Stromnetz mit ganz Europa, mit all den verschiedenen Kohle-, Gas-, Öl- und Kernkraftwerken verbunden. Strom für die Schweiz zu produzieren wäre sicher ein lukratives Geschäft. Strom aus Kohlekraftwerken verschärft jedoch das weltweite CO 2-Problem genau gleich, ob sich das Kraftwerk in Europa oder bei uns befindet. Und wenn wir Strom aus Kernkraftwerken von Frankreich oder von Osteuropa beziehen, exportieren wir damit nichts anderes als unser Sicherheitsproblem und das Problem mit dem radioaktiven Abfall. Das alles widerspricht ganz klar der ethischen Haltung der EVP. Deshalb lehnt die EVP den umfangreichen Import von Strom ab. Denn das ist nichts anderes als ein Exportieren unserer Probleme, die wir haben, weil wir übermässig Energie konsumieren. Aus Sicht der EVP müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die erneuerbaren Energien zu fördern und den Energieverbrauch durch effizientere Geräte zu drosseln. Beides ist eine Aufgabe der Forschung. Doch Forschung und Entwicklung brauchen Zeit. Ich habe etliche Jahre im Bereich der Nutzung von Sonnenergie geforscht und ich weiss, dass Druck wenig bringt. Weit über all dem steht aber die Aufgabe für uns alle, unseren Energiebedarf einzudämmen. Aus unserer Sicht ist dazu eine ökologische Steuerreform notwendig, die in einem genügend grossen Raum vorgenommen mit und damit meine ich einen Raum, der wesentlich grösser ist als der Kanton Bern. Vermutlich muss es sich um einen Raum in der Grössenordnung von Europa handeln. Mit dieser Steuerreform muss einerseits der Energieverbrauch verteuert werden, und anderseits muss durch ein kluges Rückerstatten der Energiekonsum auch für Benachteiligte ermöglicht werden. In diesem Sinn fordert die EVP nicht einen sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie, denn damit werden nur unsere Probleme in Zusammenhang mit der Energie exportiert. Wir fordern einen Umstieg, der so rasch wie möglich erfolgen muss, und der eine eigene verantwortungsbewusste Lösung unserer Probleme in Zusammenhang mit der Energie umfasst. Die Frage bleibt: Sind wir bereit unseren Energiekonsum einzuschränken? Blaise Kropf, Bern (Grüne). Wer hätte das gedacht, als wir am Nachmittag des 13. Februar in der Staatskanzlei, also nur ein paar Meter weiter östlich, die Ergebnisse der Konsultativabstimmung zu Mühleberg II kommentiert haben: Nur vier Monate später hat nicht nur der Bundesrat, sondern mittlerweile auch der Nationalrat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Und es gibt noch ganz viele weitere Facetten des Erstaunens, die man hier anbringen könnte. Es war uns immer bewusst: Atomenergie, die AKW-Debatte hat ein unheimliches Mobilisierungspotenzial. Das war uns auch bewusst, als wir im vergangenen Herbst nach Deutschland blickten und es wurde uns bewusst anlässlich der Konsultativabstimmung im Kanton Bern. Aber dass am 22. Mai mitten in der aargauischen Provinz eine Grosskundgebung mit mehr als Teilnehmerinnen und Teilnehmer stattfinden würde, die grösste Anti-AKW-Kundgebung seit mehr als 25 Jahren, hätte wohl kaum jemand erwartet. Dasselbe gilt hinsichtlich der 3000 Menschen, die gestern in Mühleberg waren dies nur als Klammerbemerkung. Wenden wir unseren Blick noch ins Ausland: Deutschland wird in 11 Jahren sein letztes Atomkraftwerk vom Netz nehmen und in Italien haben 94,6 Prozent der Bevölkerung gegen die Atomkraft gestimmt. Auch das war, zumindest in dieser Dimension, nicht zu erwarten. So erfreulich diese Entwicklung ist, so traurig ist der Umstand, dass es für den Prozess des Umdenkens eine Katastrophe dieses Ausmasses brauchte. Der CVP-Präsident auf schweizerischer Ebene, Herr Darbellay, hat im «Bund» vom Samstag kritisiert: «Atomfreaks haben noch nicht gemerkt, dass in den letzten 25 Jahren von den weltweit 500 Reaktoren fünf geschmolzen oder explodiert sind.» Zuerst stelle ich fest: Er hat recht. Aber zweitens frage ich mich, ob man zu dieser Erkenntnis nicht auch etwas früher hätte kommen können. Doch was bedeutet dies alles für den Kanton Bern? Können wir angesichts dieser Entwicklungen auf internationaler, aber insbesondere auch auf gesamtschweizerischer, eidgenössischer Ebene jetzt einfach die Hände in den Schoss legen und abwarten, was auf uns zu kommt? Nein, ganz sicher nicht, und zwar insbesondere aus drei Gründen. Erstens: Ein riesiger Teil der Umsetzungsarbeit für den Umstieg von der Atomenergie auf die erneuerbaren Energien wird auf kantonaler und auch auf kommunaler Ebene anfallen. Es ist unbestritten: Die Energieeffizienz und auf der andern Seite das

150 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Energiesparen werden ganz wesentliche Elemente des Ausstiegsprogramms aus der Atomenergie darstellen. Und gerade hier besteht auf kantonaler und kommunaler Ebene sehr, sehr viel Handlungsbedarf. Ich möchte anfügen: Insbesondere nach dem Nein zum kantonalen Energiegesetz in der Abstimmung vom vergangenen Mai. Zweitens: Der Kanton Bern ist Mehrheitsaktionär einer grossen, bedeutenden Energieversorgungsunternehmung, den BKW. Die BKW sind als Stormlieferant ein sehr wichtiger Player, aber die BKW spielen nicht nur eine wichtige Rolle als Stromlieferant, sondern sie sind auch eine wichtige Arbeitgeberin und ein zentraler wirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher Faktor. In Folge der Atomkrise haben die BKW-Aktien 30 Prozent an Wert verloren. Dazu muss ich Folgendes sagen: Erstens ist das unerfreulich. Aber zweitens ist es auf der andern Seite auch ein ganz deutlicher Hinweis darauf, wie ungenügend die BKW für den Markt der erneuerbaren Energien gerüstet ist. Wir müssen alles daransetzen, dass die BKW hier endlich die nötigen Weichenstellungen vornimmt, anstatt den Ausstiegsentscheid des Bundesrats mit einem völlig unnötigen, bedauernden Communiqué zu quittieren. Dies einmal nur ein Beispiel, auf weitere werden wir im Verlauf dieser Session noch eingehen. Der dritte Punkt betrifft die Sicherheitsfragen. Hier kann man es sich zwar einfach machen und so tun, als wäre das einfach alles eine Sache der Bundesbehörden, vom ENSI und so weiter. Doch gemäss Auffassung der Grünen würden wir es uns so allzu einfach machen. Wenn es in Mühleberg zu einem Vorfall kommen sollte und wir uns eingestehen müssten, dass wir mit Verweis auf die Bundeskompetenzen oder auch aus finanziellen Erwägungen, ganz egal aus welchen Gründen, bei den Sicherheitsaspekten nicht genau hingeschaut hätten, würde uns das zu Recht um die Ohren geschlagen und dann würden wir alle nicht mehr sehr gut schlafen. Wenn wir uns einig sind, dass auch für den Kanton Bern ein grosser Handlungsbedarf besteht, müssen wir uns aber auch die Frage stellen, wie sich der Kanton bisher verhalten hat. Bei dieser Frage muss ich vorerst eher ein enttäuschendes Fazit ziehen: Auf kantonaler Ebene haben wir es nach Fukushima nicht geschafft, uns zusammenzuraufen und dem relativ moderaten Energiegesetz zum Durchbruch zu verhelfen. Adrian Kneubühler, Fraktionspräsident der FDP, du hast dich in der vergangenen Woche hier darüber ausgelassen, wie schwierig es sei, den politischen Kompass zu stellen, wenn die Stimmbevölkerung auf der einen Seiten zumindest in Umfragen klar für den Atomausstieg plädiert und auf der andern Seite, ich zitiere, «einfache Eingriffe und eine geringfügige Strompreiserhöhung ablehne». In einer solchen Situation sei es schwierig, den politischen Kompass zu stellen. Das mag sein. Aber den zweiten Teil der Frage, also was du oder deine Partei dafür geleistet haben, dass es so gekommen ist oder nicht so gekommen ist, müsste man dann ebenfalls näher anschauen. Hier brauchen wir definitiv mehr Spirit und Commitment, um die vor uns liegenden Herausforderungen packen zu können. Ein weiterer Aspekt, den ich eher enttäuschend finde, betrifft die Generalversammlung der BKW. Sie ging vor kurzem über die Bühne, ohne dass man dabei einschneidendere Kurskorrekturen hätte wahrnehmen können. Ich hatte sogar die Hoffnung, dass zumindest der Verwaltungsrat der BKW mit einer ausgewiesenen Fachperson für Erneuerbare Energien gestärkt würde. Aber auch diese bescheidene Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Von daher sage ich es jetzt bereits hier: Wir Grüne haben die klare Erwartung an die BKW, dass spätestens bis Ende dieses Jahres ein konzeptionelles Papier vorliegt, worin der rasche Ausstieg aus der Atomtechnologie und die Hinwendung zu erneuerbaren Energien glaubhaft in die Unternehmensstrategie eingebaut ist. Die BKW hat vom Regierungsrat den entsprechenden Auftrag bekommen. Wir erwarten von den BKW, dass dieser Auftrag umgesetzt wird und vom Regierungsrat selbstverständlich, dass er dieses Anliegen konsequent durchsetzen wird. Ich komme zum Schluss. In der Debatte zu «Bern erneuerbar» wurde verschiedentlich das Hohelied der Langsamkeit angestimmt, um es ein bisschen polemisch zu formulieren. Ich möchte hier die Frage stellen: Ist das ein guter Ratgeber? Ich lasse die Frage unbeantwortet, doch möchte ich an ein Diktum von Michail Gorbatschov erinnern: «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben». Wenn wir als Kanton Bern auf der einen Seite einer von Verantwortung geprägten Energiepolitik zum Durchbruch verhelfen und auf der andern Seite unseren Kanton volkswirtschaftlich stärken wollen, brauchen wir jetzt ganz klare und verbindliche Entscheide. Hier geht es nicht darum, einen Alleingang zu machen, sondern die anstehende Umsetzungsarbeit anzupacken. Ich danke Ihnen bereits jetzt für eine spannende Debatte und für gute Entscheide. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Der Bund will, wie wir gehört haben, aus der Kernenergie aussteigen, und zwar Mein erster Gedanke war: Super, was für eine gute Nachricht, wunderbar, wir sind auf dem richtigen Weg, uns Grünliberale braucht es nicht mehr, wir können unsere Sachen zusammenpacken und uns wieder dem Leben und der Arbeit zuwenden. Doch das war nur ein Reflex. Denn mein zweiter Gedanke war: Halt! Jetzt beginnt unsere Arbeit erst richtig. Die gesetzliche Umsetzung ist nämlich noch offen. Wenn wir wirklich in 25 Jahren den Ausstieg schaffen wollen, müssen wir heute damit beginnen und nicht zuwarten. Es nützt nichts, in Angst zu erstarren wie ein Kaninchen vor der Schlange und sich jegliches Schreckensszenario auszumalen: Stromlücke, Stromverknappung und Energiepreise, die sich nur noch die Reichsten leisten können. Ich bin keine Prophetin und ich weiss nicht, was in 25 Jahren sein wird. Niemand hier im Saal weiss das. Aber was wir heute alle Wissen ist Folgendes: Die Atomenergie ist äusserst gefährlich, sie ist teurer als viele Leute meinen, und es setzt sich auch langsam die Erkenntnis durch, dass die Gestehungskosten von Atomenergie mit Hilfe von nicht mitgerechneten und vernachlässigten Risikokosten künstlich tief gehalten worden sind, und dass das Risiko auf die Bevölkerung überwälzt und eine beschönigte CO 2-Bilanz präsentiert worden ist. Ganz zu schweigen von den ungelösten Atommüllproblemen und der Tatsache, dass die Energiepreise in der nahen Zukunft sowieso steigen werden, ob wir eine Energiewende haben oder nicht. Wenn wir jetzt aber wirklich die Energiewende umsetzen wollen, müssen wir den Energiehunger zähmen und ganz wichtig: mit der Energie sorgfältiger umgehen. Der Weg zur atomfreien Schweiz ist noch lang und steinig. Das ist nur mit neuen Gesetzen, günstigen Rahmenbedingungen und sogar Verfassungsänderungen, die aber wiederum dem fakultativen Referendum unterstellt sind, zu erreichen. Sie sehen es: Schliesslich wird das Volk uns den Takt angeben. Ganz wichtig ist jetzt aber Folgendes: Die Milliarden, die für die Planung und den Bau von neuen AKW angedacht worden sind, müssen jetzt ganz konsequent in die erneuerbaren Energien gesteckt werden. Die Stromnetze müssen angepasst werden. Ich denke dabei an die lange versprochenen Investitionen der Smart- und SuperGrids. Erst dadurch kann die vermehrt dezentral und unregelmässig anfallende erneuerbare Energie in Europa effizient und unseren Bedürfnissen entsprechend verteilt werden. Auch erhalten in diesem Szenario unsere Speicherseen als Batterien von Europa eine ganz neue und wichtige Rolle.

151 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 591 Für die erneuerbare Zukunft brauchen wir Energieversorger, die eine sinnvolle Geschäftspolitik betreiben. Als ich den Geschäftsbericht 2010 der BKW gelesen habe, hat mich nämlich etwas stutzig gemacht: Die BKW produzieren einerseits mehr Strom als sie absetzen können und sie beklagen sich anderseits, dass die Strompreise auf dem europäischen Strommarkt einfallen. Die BKW könnte locker ihre Beteiligungen an den Atommeilern von Cattenom und Fessenheim und ihre Beteiligungen an gewissen Gaskraftwerken abstossen. Auch ohne diese Auslandbeteiligungen hätten die BKW immer noch eine ausgeglichene Strombilanz. Müssen wir auf der Produktionsseite Strom im Überfluss produzieren, wenn wir ihn nicht einmal speichern können? Das frage ich mich schon lange. Da kommt mir ein Verkäufer, der Schnittblumen anbietet, in den Sinn: Wenn er sie nicht verkaufen kann, beklagt er sich, er müsse die Blumensträusse zum halben Preis abgeben, weil sie sonst verwelken. Kein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen würde eine solche Geschäftspolitik betreiben. Ein weiterer Kreis ist das Bevölkerungswachstum. Davor dürfen wir die Augen nicht verschliessen. Wir brauchen in Zukunft mehr Strom. Heute, nach Fukushima, stellt sich allen die Frage, wie dieser Mehrbedarf gedeckt werden kann. Die Grünliberalen haben hier ein ganz klare Vorstellung: Erstens kommen wir nicht darum herum, Strom zu sparen. Mit einer konsequenten Strompolitik liesse sich der Stromverbrauch um einen Drittel reduzieren. Das sind 2,7 Milliarden kwh. Dazu müssten aber zum Beispiel die BKW von ihrer Politik des Mengenrabatts wegkommen. Er müsste durch Stromtarife ersetzt werden, bei dem man bei wachsendem Verbrauch auch tatsächlich mehr bezahlen muss. Der Anreiz sollte sowohl für Kleinst-, als auch für Grossbezüger bestehen, weniger Strom zu konsumieren und nicht mehr Strom, wie es das heutige System vorsieht. Zweitens müssen erneuerbare Energien im In- und Ausland gefördert werden. Wir kommen nicht darum herum. Drittens: Um den Energiewandel vorantreiben zu können, muss wegen fehlenden Alternativen wir haben 25 Jahre verloren die Betriebslaufzeit der aktuellen AKW, solange dies die Sicherheitsrichtlinien zulassen, ich möchte es betonen: solange die Sicherheit für uns gewährleistet ist, bis ans reguläre Laufzeitende weiterbetrieben werden. Jetzt noch ein weiterer Gedanke, der mir nach dem Entscheid des Bundesrats in den Sinn gekommen ist: Wir freuen uns auf den vor uns liegenden Weg, so steinig er auch sein mag. Die Grünliberalen und die CVP sind zuversichtlich: Wir werden im Unterfangen des Systemumbaus in erneuerbare Energie reüssieren. Sogar bei den BKW waren erste Anzeichen des Umdenkens auszumachen; und das stimmt mich freudig: Im Geschäftsbericht 2010 haben die Herren Gasche und Rohrbach gepredigt: «Die Kernenergie bleibt ein unverzichtbarer Pfeiler für eine zuverlässige und klimafreundliche Stromzukunft». Doch die Atomkatastrophe vom 11. März in Japan hat die Schweizer Energiepolitik tüchtig durchgeschüttelt und die Gültigkeit dieser Aussage war kürzer als die Halbwertszeit von Polonium, das beim radioaktiven Zerfall von Uran frei wird. Denn am 19. April beauftragte der Veraltungsrat der BKW die Geschäftsleitung, einen geordneten Ausstieg aus der Atomkraft zu planen. Die Grünliberalen sind zuversichtlich, dass wir diesen Ausstieg schaffen. Der Entscheid des Bundesrats muss die Halbwertszeit der 138 Tage von Polonium um viele Generationen übertreffen. Die Zukunft ist erneuerbar. Die erneuerbare Zukunft ist machbar, also machen wir uns jetzt auf den Weg! Michael Aebersold, Bern (SP). Die energiepolitische Diskussion wurde über Jahrzehnte geprägt vom Streit über die Nutzung der Kernenergie. Die Fronten waren bisher klar und die Entscheide in den Kantonen und Städten richteten sich immer nach den bekannten politischen Mehrheiten in den Exekutiven und in den Parlamenten. Das Volk hat sich zwar auch mehrmals zu dieser Frage geäussert, aber die Entscheide fielen jeweils knapp aus. Man kann sagen, dass sich in dieser Frage ein Graben durch die Bevölkerung zieht. Und dieser Graben ist ähnlich wie auch Kaiseraugst ein Symbolwort für den Widerstand desjenigen Teils der Bevölkerung, der klar der Meinung ist, dass die Kernenergie nie eine Zukunft hatte und auch keine haben sollte. Offenbar reichte Tschernobyl nicht aus, um ein Umdenken, ein Agieren in der Politik zu erwirken. Es brauchte leider die tragischen Vorkommnisse in Fukushima, auf die jetzt in kürzester Zeit reagiert werden sollte. Was man seit der ersten Moratoriumsinitiative, die 1990 als Denkpause deklariert und angenommen worden ist, verpasst hat, sollte man jetzt alles national und kantonal nachholen. Denn es ist ja trotz dieser Initiative kein entscheidender Schritt in dieser Frage gemacht worden. Das ist eine riesige Herausforderung. Positiv ist, dass jetzt Vorschläge und Ratschläge der Parteien und der Medien Hochkonjunktur haben. Man muss ja nur die Zeitungen öffnen. Dort sieht man täglich, was die Parteien und die Kommentare zu sagen haben. Auf einmal gibt es viele Akteurinnen und Akteure, die sich nicht nur mit Energiepolitik befassen, sondern auch gleich noch wissen, was man eigentlich machen sollte. Es gibt gewisse Dinge, die einem ärgern und andere, die einem zum Schmunzeln bringen, so zum Beispiel eine Aussage im «Bund» aus dem Jahr 2008, wo eine Lenkungsabgabe als problematisch bezeichnet wird. Heute ist in den Medien zu lesen, dass das eigentlich das sei, was man machen müsste. Eher geärgert hat mich ein Kommentar in der «BZ» aus dem Jahr 2008 mit dem Standpunkt «Es ist Zeit für ein Ja zur Kernenergie». Das war also die Position vor drei Jahren, und jetzt hat sich die Situation völlig umgekehrt. Das ist richtig und gut. Der Zeitpunkt um Nägel mit Köpfen zu machen, um Entscheide zu fällen, ist jetzt also da. Es gab hüben und drüben Kehrtwendungen, heute aber geht es darum, Farbe zu bekennen und die Gewissheit zu erlangen, wie es im Kanton Bern mit Energie und damit verbunden mit der Wirtschaftspolitik weitergeht. Mir ergeht es ähnlich wie Blaise Kropf, wie der Grünen Partei nach der Diskussion der vergangenen Woche zur Initiative «Bern erneuerbar» und dem Gegenvorschlag. Ich habe sehr gemischte Gefühle, was nun in der Sondersession passieren wird. Im Gegensatz zu Christine Häsler habe ich keine grauen Haare bekommen das liegt vielleicht an der Frisur (Heiterkeit). Es wurde die Frage nach dem Stellenwert und der Bedeutung der Sondersession gestellt. Auf nationaler Ebene wurde gesagt, die energiepolitische Debatte sei zwar intensiv geführt worden, aber mit bekannten Argumenten. Ja, das ist so, denn es gibt heute keine neuen Argumente und es ist alles auf dem Tisch. Deshalb werde ich Sie bei meinen Ausführungen mit Zahlen verschonen. Aber was sich ändern kann, sind Meinungen und Haltungen. Das kann sich ändern, und bisweilen muss sich das auch ändern. Jetzt stellt sich die Frage, ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wir sind der Meinung: Ja, es ist jetzt der Zeitpunkt für eine zentrale Weichenstellung, eine Weichenstellung, die eigentlich bereits vorgenommen worden ist. Die Lokomotive und zwei bis drei Wagen haben sie bereits passiert; die restlichen folgen nun nach, und es wäre jetzt höchst problematisch, wenn jemand die Weichen zurückstellen würde. Denn das würde wahrscheinlich zu einem energiepolitischen Unglück führen. Die Richtung ist also vorgegeben. Sicher können wir noch über die Geschwindigkeit dieses Zuges diskutieren. Ich weiss: Es wollen nicht alle mit der Geschwindigkeit eines TGV mitfah-

152 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik ren. Die Geschwindigkeit ist ja auch Inhalt der jetzigen Diskussion. Sicher kann man sich aber darüber einigen, wenn ein Konsens über die Richtung besteht. Mir wurde gesagt, wir würden jetzt wieder herumpalavern. Aber der Grosse Rat steht vor einem historischen Entscheid. Der Kanton Basel Stadt hat den Ausstieg schon lange beschlossen, die Städte Bern und Zürich folgten. Die Zeithorizonte liegen bei 2039 und Das haben wir ja in der vergangenen Woche diskutiert. Ich bin mir nicht so sicher, was auf nationaler Ebene noch geschehen wird. Das Geschäft war nun einmal im Nationalrat, es wird noch der Ständerat folgen, dann kommt es vielleicht wieder in den Nationalrat und dann kommen noch Wahlen auf uns zu, sodass ohnehin wieder alles anders aussieht. Im Kanton Bern können wir jetzt entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen. Barbara Egger hat es in ihrem Eintretensvotum gesagt: Wir haben schon lange gesagt, dass wir aussteigen wollen. Auf Ebene des Bundes ist man diesem Wunsch nachgekommen. Warum jetzt nicht konkreter werden und sagen, wie die einzelnen Massnahmen und Schritte aussehen könnten und dort als Beispiel voran gehen? Wir können heute nicht nur ein Zeichen setzen, sondern wir können Pflöcke für die Energiepolitik einschlagen, und das in fünf Blöcken. Die Vorstösse sind so aufgelistet. Bei sehr vielen Abstimmungen kann man die Tasten grün, rot oder gelb drücken ich meine das nicht politisch. Es ist wichtig, jetzt Farbe zu bekennen, also Ja oder Nein zu stimmen und nicht mit Enthaltungen Politik zu machen. Sicher werden die Blöcke 1 und 2, die Sicherheit und der Atomausstieg, auf nationaler Ebene entschieden. Wir kennen diese Gesetze ja auch. Trotzdem muss ich der BDP, lieber Samuel Leuenberger, sagen: Wenn Ihre Partei seit der Geburt quasi gegen einen Ausstieg ist, können Sie doch auch den Vorstössen der Blöcke 1 und 2 zustimmen, denn wir wissen es ja alle: Politik hat auch immer einen gewissen Symbolwert, hier müssen wir uns nichts vormachen. Wenn Sie sich das schon auf die Fahne schreiben, können Sie doch auch hier über den Schatten springen. Ich bin dann umso glücklicher, wenn dann die drei Blöcke Unternehmensstrategie, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien die breite Unterstützung finden. Hier auf kantonaler Ebene können wir die Musik selber machen, hier können wir bestimmen, was passiert, und zwar unabhängig davon, was uns andere insbesondere der Bund vorschreiben. Bisher kam es mir vor wie ein «Jekami». Aber jetzt ist der Moment da, den Tatbeweis zu erbringen, also ein «Wehimi», das heisst, wer hilft mit, das Ganze umzusetzen. Sie können bei jeder Abstimmung den Tatbeweis erbringen. Ein wichtiges Argument für den Entscheid, den Weg jetzt so zu gehen, ist: Was kommt denn auf uns zu? Seien wir doch ganz ehrlich: Im Detail kann das kein Mensch voraussagen. Es gibt Berichte, Expertisen, aber wir wissen es nicht. Wir wissen auch nicht, ob in einem Werk ein kleiner oder ein grosser Unfall passiert, ob er überhaupt passiert und wie die Auswirkungen genau aussehen. Aber wir haben gewisse Indizien dafür, dass es passieren kann und dass die Auswirkungen riesig sein können. Ich bin überzeugt davon, dass wir es fertig bringen, einen beschlossenen Ausstieg konsequent, intelligent und schrittweise umzusetzen. Deshalb fordern Sie jetzt bitte nicht noch Berichte und Szenarien, um alles zu belegen. Jetzt mache ich ganz schnell, damit ich noch zum Schluss kommen kann: Ich wollte auch noch auf die positiven Seiten hinweisen, die ein Umstieg mit sich bringt: Investitionen in Netze, die man ohnehin umbauen muss, vor allem sparen, sparen, sparen und Energieeffizienz. Noch zwei Dinge möchte ich sagen. Erstens: Wir alle wissen, wie die Mehrheiten hier aussehen. Wir sind auf Sie also von mir aus gesehen auf die linke Seite auf die Bürgerlichen angewiesen. Sie müssen diesmal einen Schritt machen, damit wir energiepolitisch weiterkommen. Zweitens: Es wurde gesagt, es sei bisweilen besser zuzuwarten, damit man keine Fehler mache. Ich komme zurück auf den Zug: Ein Zug kann auch einmal abfahren, ein Kanton kann auch einmal Chancen verpassen. Stichwort Hauptstadtregion Bern: Wir haben vielleicht schon zu viele Chancen verpasst. Jetzt wäre der Moment, diese Chancen zu packen. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Die Ereignisse in Japan haben aufgezeigt, dass die Atomenergie nicht überall beherrschbar ist. Deshalb musste die EDU ihre Position neu überdenken und dieses Ereignis miteinbeziehen. Zwar haben wir schon vor diesem Unfall gesagt, wir könnten uns eine Schweiz ohne Atomenergie vorstellen, aber wir haben nicht daran geglaubt. Und wir haben nicht daran geglaubt, weil wir das Gefühl hatten, wir würden das politisch nicht durchbringen, wir würden keine Zusammengehörigkeit finden, keine Strategie, die zu einem gemeinsamen Ziel führt, damit man das machen kann. Heute sieht es etwas anders aus. Frau Regierungsrätin Egger hat etwas sehr Gutes gesagt, das zentral ist: Wir sollen mit den Grabenkämpfen aufhören und wir sollen die Ideologien vergessen, sie gehören der Vergangenheit an. Wir können einen Ausstieg schaffen, wenn es uns gelingt, solches auf die Seite zu schieben. Die FDP, Grossrat Flück, hat zu einem Runden Tisch eingeladen, an dem über diese Positionen diskutiert wurde. Ich fand das sehr gut. Am Runden Tisch kam heraus, dass die SP von ihrer Position abgerückt ist. Sie kann mit einem Ausbau der Grimsel, also mit der Erhöhung der Staumauer, leben, und zwar dann, wenn man aus der Atomenergie aussteigen kann. Die gleichen Signale hörte man damals auch von den Grünen. Das wurde nicht nur am Runden Tisch so kommuniziert, sondern öffentlich. Das sind Ansätze, die zum Ziel einer atomfreien Schweiz führen können. Jetzt müssen wir uns aber noch den Weg überlegen. Er muss strukturiert sein und darf keine Hysterie beinhalten. Vorab sollte es uns gelingen, einen Netzausbau und eine Speichererweiterung vorzunehmen, damit wir all die Energieformen wie Solarenergie, Windenergie oder was auch immer für Energie zu jeder Tages- oder Nachtzeit anfällt, speichern können, damit wir die Energie dann nutzen können, wenn wir sie brauchen. Auch brauchen wir neue Schritte bei der Geothermie, was auch eine gewisse Zeit braucht. Die EDU sieht eine Möglichkeit. Dabei dürfen wir aber Folgendes nicht vergessen: Im vergangenen Jahr haben wir in der Schweiz 4 Prozent mehr Strom gebraucht als im Jahr vorher. Der ÖV hat davon 6 Prozent mehr gebraucht als im vorherigen Jahr. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass diese Kurve nicht flacher wird. Die Vorstösse, die nur auf das Energiesparen hinzielen, werden scheitern. Frau Schöni forderte eine Regelung per Gesetz. Aber wie wollen Sie das mit einem Gesetz regeln, wenn der ÖV 6 Prozent mehr Strom braucht? Soll es dann von Gesetzes wegen verboten sein, von morgens um bis nachmittags um Uhr mit Bahn und Bus zu fahren? Das ist illusorisch. Wir dürfen das Augenmass nicht verlieren, aber das Ziel müssen wir angehen. Wenn wir gemeinsam vorwärts gehen, werden wir es schaffen und wir werden auch ein Zeichen für unsere Bevölkerung und für Gesamteuropa setzen können. Denn es geht nicht überall so vor sich. Peter Flück, Brienz (FDP). Ich möchte als Erstes der Verwaltung danken. Sie musste viel Arbeit, sicher auch zusätzliche Arbeit leisten, um all diese Vorstösse zu beantworten. Sie wurden umfassend beantwortet und dafür bedanke ich mich. Ich bedanke mich aber auch bei der Regierung, die sicher in

153 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 593 einer Feuerwehrübung all diese Beschlüsse an der Regierungssitzung behandeln musste. Ich danke auch ihr für diese Arbeit. Wir sind froh, dass die Sondersession in die Junisession verschoben worden ist, denn inzwischen wurden auf verschiedenen Ebenen Entscheide gefällt: So haben der Bundesrat und der Nationalrat entschieden und jetzt fehlt nur noch der Entscheid des Ständerats, damit der Beschluss auf Bundesebene dann wirklich auch zum Tragen kommt. Ich hoffe, dass der Ständerat den Entscheiden von Bundesrat und Nationalrat folgen wird. Aber auch das ENSI hat verschiedene Berichte erstellt. Es wurde der richtige Weg beschritten. Die FDP befürwortet ganz klar den geordneten Ausstieg aus der Atomkraft. Uns haben die Erfahrungen von Fukushima zu dieser Haltung bewogen. Wir wissen es: Wir haben früher einmal eine andere Haltung vertreten, wir sind uns dessen bewusst. Aber es ist legitim, gestützt auf Ereignisse, auch auf tragische Ereignisse, zu einer andern Meinung und zu einer andern Erkenntnis zu kommen. Das ist unsere Begründung, warum wir es heute so sehen. Und ich erlaube mir hier noch folgende Bemerkung: Ich habe nicht gewusst, dass die BDP erst nach Fukushima gegründet worden ist. Die FDP steht aber auch für die Versorgungssicherheit ein. Auch diesen Verfassungsauftrag müssen wir ernst nehmen. Er besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene. Ich denke, Sie sind alle mit mir einig, dass wir nach der Debatte keine Lösung auf dem Tisch haben werden. Es wäre vermessen, wenn wir uns das einbilden würden. Wir stehen erst am Anfang des Ausstiegs, vor dem Ausstieg, den wir zwar wohl beschliessen können, aber das allein genügt nicht. Wir haben eine erste grosse Aufgabe übernommen, es werden weitere grosse Aufgaben auf uns zukommen. Es muss viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden, wenn wir das zustande bringen wollen. Es ist völlig klar: Die Energieeffizienz muss gesteigert werden, was mit Sparen und Verzichten verbunden ist. Und ich muss Ihnen nicht sagen, dass das nicht ganz einfach ist. Bei der Finanzdebatte geht es eigentlich um das Gleiche. Wir müssen aber auch die erneuerbaren Energien fördern und auch hier müssen wir ein Umdenken über uns ergehen lassen. Wir müssen die Prioritäten anders setzen als dies bisher der Fall war. Hier appelliere ich vor allem an die Denkmalpflege, aber auch an den Landschaftsschutz. Auch hier muss man bereit sein, Kompromisse einzugehen, denn sonst wird es nicht funktionieren. Das Steigern der Energieeffizienz, das Fördern neuer erneuerbaren Energien und diese einzusetzen wird aber etwas kosten. Und es kann nicht sein, dass der Staat diese Kosten allein übernimmt. Nein, hier sind wir alle zusammen, jeder einzelne, sei es als Benutzer des ÖV, sei es als Liegenschaftsbesitzer, als Besitzer eines Fernsehgerätes und so weiter gefordert, das nötige Geld in die Hand zu nehmen. Die neue Energiezukunft ist aber für unser Land und entsprechend also auch für den Kanton Bern eine grosse Herausforderung. Innovative Unternehmungen werden ihren Weg weitergehen. Zum Glück gibt es bereits solche im Kanton Bern. Aber es wird im Kanton Bern auch neue geben. Doch müssen wir auch ein grosses Augenmerk auf die Forschung und die Entwicklung legen. Hier besteht ein grosses Nachholpotenzial. In diesem Zusammenhang müssen wir auch dafür sorgen, dass wir Leute ausbilden, die bereit und willens sind, unsere Forderungen umzusetzen, zu installieren und so weiter. Wir erachten es aber weiterhin auch als sinnvoll, wenn der Wettbewerb ebenfalls seinen Anteil dazu beiträgt, den Ausstieg zu schaffen. Die FDP legt jedoch auch grossen Wert auf die Stufengerechtigkeit. Es ist nicht so, dass wir als Kanton Bern in der Energiepolitik einfach machen können, was wir wollen. Die Aufgaben sind klar verteilt und es macht wenig Sinn, hier über Aufgaben oder Dinge zu reden, die auf nationaler Ebene entschieden werden müssen. Wir sind bereit, aufeinander zuzugehen, einen konstruktiven Weg miteinander zu beschreiten und zu versuchen, Lösungen aufzuzeigen; auch, wenn nach der vergangenen Woche das Gefühl auftauchen könnte, das sei nicht so. Doch muss die Versorgungssicherheit an oberster Stelle stehen, denn wir alle wollen Strom und Energie brauchen und zwar auch in Zukunft. Doch dürfen wir nebst all dem, was wir versuchen für den Atomausstieg zu schaffen, die CO 2-Problematik nicht vergessen. Das ist für mich nach wie vor ein ganz wichtiger Aspekt, der von uns allen auch in Zukunft grosse Aufmerksamkeit verlangt. Ich freue mich auf eine spannende Debatte. Wir wollen es gemeinsam anpacken. Präsident. Jetzt haben die Einzelsprecher das Wort. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich möchte mit einem Zitat beginnen, und zwar aus der Antwort zur Interpellation 122/08. Es handelt sich dabei um eine der vielen Interpellationen, die wir eingegeben haben, weil wir an der Sicherheit des AKW Mühleberg zweifelten. Ich zitiere aus der Antwort der Regierung: «Das Kernkraftwerk Mühleberg entspricht dem neusten Stand der Technik. Zurzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Betriebssicherheit nicht gewährleistet wäre. Die HSK überwacht als Aufsichtsorgan die Gewährleistung der Sicherheit des KKW Mühleberg. Der Regierungsrat geht davon aus, dass, sollte gestützt auf diese Berichte eine mögliche Gefährdung von Bevölkerung und Umwelt erkennbar sein, die HSK den Reaktorbetrieb unverzüglich unterbinden würde.» Dieses Zitat habe ich in ähnlicher Formulierung fünf bis zehnmal von unserer Regierung gelesen. Die HSK, die frühere Hauptabteilung für Sicherheit, heisst heute ENSI. Im «Bund» vom 10. Mai steht folgendes Zitat von Herrn Wanner, dem Direktor es ENSI es ist ja interessant zu sehen, wie das ENSI auf solche Bemerkungen reagiert: «Es ist nicht Aufgabe des ENSI, festzustellen, wie viel Risiko der Bevölkerung zugemutet werden kann. Es ist Aufgabe der Politik». Dazu möchte ich drei Dinge sagen. Erstens: Hier haben wir ein klassisches «Verantwortungs-Pingpong». Die eine Behörde sagt, die andere sei zuständig, die andere Behörde sagt, die eine sei zuständig und der Kanton sagt, der Bund sei zuständig. Es ist eine gefährliche Situation, wenn niemand klar zuständig ist. Zweitens: Wenn das ENSI sagt, Mühleberg sei sicher, heisst das nicht, dass nichts passieren darf, sondern: Das ENSI interpretiert einfach den gesetzlichen Auftrag so, dass es sagt, es sei sicher. Aber wir wissen es alle spätestens nach Fukushima: Kein einziges AKW auf der Welt ist sicher, kein einziges. Das heisst also, dass die Bemerkung, das AKW sei sicher, nicht zum Nennwert genommen werden darf. Vielmehr geht sie auf irgendwelche Bedingungen zurück. Ich möchte künftig von der Regierung nicht mehr solche Antworten hören, wie ich sie jetzt zitiert habe. Drittens zeigen die Ergebnisse von Fukushima, dass das ENSI den gesetzlichen Auftrag sehr verschieden interpretieren kann. Es besteht ein ganz klarer Unterschied zwischen der Interpretation vor Fukushima und der Interpretation des genau gleichen gesetzlichen Auftrages nach Fukushima. Das ist ein gewaltiger Unterschied, und es beunruhigt mich, wenn nach einem solchen Ereignis der Auftrag auf einmal anders interpretiert wird. Fukushima ist baugleich mit Mühleberg und weist ebenfalls einen Kernmantel auf. Der Kernmantel von Fukushima begann genau zur gleichen Zeit Risse aufzuweisen wie das KKW Mühleberg. Der Unterschied besteht in Folgendem: In Fukushima I, also in dem havarierten Kraftwerk, wurde der Kernmantel ersetzt. Das kostet etwa eine 0,5

154 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Mrd. Franken. Im Kanton Bern wurden Sicherheitsanker eingebaut. Auch das beruhigt nicht unbedingt. Das Erdbeben von Fukushima hätte die Sicherheitsanker durchaus zerreissen können und man hätte es nicht einmal abstellen können. Immerhin konnte man es abstellen, aber die Katastrophe ist trotzdem passiert. Roland Näf-Piera, Muri (SP). Mich haben die Voten der Fraktionssprecher von FDP und BDP gefreut. Beide haben ganz klar bestätigt: Der Atomausstieg ist klar, wir müssen ihn nicht mehr diskutieren. Das gibt uns ja auch die nationale Ebene vor. Für mich gibt es nur noch zwei Fragen, die wir in den Debatten von heute und vielleicht auch noch morgen führen müssen, nämlich: Wann nehmen wir die AKW ausser Betrieb und wie schaffen wir es, die Stromversorgung ohne AKW sicherzustellen? Der Sprecher der BDP hat gesagt, es brauche Zugeständnisse von allen Seiten. Frau Egger sprach von Nägeln mit Köpfen. Das steht im Zentrum. Erwin Burn sagte anschliessend, die SP sei vorausgegangen. Ja, wir haben konkrete Punkte eingebracht. Die SP hat einige Schritte gemacht und wir sind über unseren Schatten gesprungen und zwar konkret. In unserem Positionspapier ist nicht nur von der Grimsel-Staumauer die Rede. Wir sprachen zum Beispiel auch von kleinen Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme- Koppelung, vom Ausbau des Stromnetzes und von der Förderung der erneuerbaren Energien. Wir haben also ganz konkrete Vorschläge gemacht. Dieser Schritt war für uns schwierig und es brauchte lange Diskussionen. Und genau das erwarten wir von der andern Seite auch. Bis heute habe ich von den andern Parteien jedoch noch keinen einzigen konkreten Vorschlag gehört, der zeigt, dass sie mit gleichen Schritten auf uns zukommen. Für diese Debatte würde ich mir das aber wünschen. Noch eine Bemerkung im Anschluss an das, was Blaise Kropf zu einem Votum von Adrian Kneubühler von vergangener Woche gesagt hat: Du hast auf die Abstimmung des Energiegesetzes hingewiesen und hast in Bezug auf diese Abstimmung ein gewisses Bedauern geäussert, wenn ich dich richtig verstanden habe. Doch hatte ich den Eindruck einer gewissen Scheinheiligkeit, weil gleichzeitig eure Kräfte dahinter standen und mit einem massiven Werbeaufwand, mit sehr viel Geld das Energiegesetz bekämpft worden ist; und zwar das Energiegesetz in der Form, wie wir es hier als Kompromiss ausgearbeitet haben. Ich finde es merkwürdig, wenn einerseits dieses Bedauern ausgedrückt und gleichzeitig gegen das Energiegesetz gekämpft wird. Noch ein wichtiger Punkt: Es ist mir bewusst und das habe ich auf der bürgerlichen Seite gefühlt, dass ihr unter einem sehr starken Druck steht. Es sind einerseits zum Beispiel der Hauseigentümerverband, der Handels- und Industrieverein, aber auch weitere Lobbyisten, die dahinter stehen. Das ist schwierig. Aber wir können hier nur zu Lösungen kommen, wenn ihr dort eine gewisse Distanz zu den Lobbyingpartnern erreichen könnt, die oft auch in finanzieller Hinsicht hinter euch stehen. Nur dann können wir hier Kompromisse finden. Und das wünsche ich mir von dieser Debatte. Erich Hess, Bern (SVP). Theoretisch könnte man Mühleberg abstellen, aber nur, wenn die linke Seite auch gewisse Kompromisse eingehen würde. In der Schweiz gibt es arbeitslose Ausländer, ausländische Sozialhilfeempfänger, Asylsuchende, vorübergehend Aufgenommene und mehr als illegale Ausländer. Das sind alles Ausländer, die der Volkswirtschaft nichts bringen. Wenn man das zusammenrechnet, gibt das Ausländer. Wenn man sie mit dem durchschnittlichen Stromverbrauch in der Schweiz multipliziert, ergeben sich daraus mehr als 3,3 Mrd. kwh. Das ist also etwas mehr als Mühleberg pro Jahr produziert. Sie sehen also: Wenn Sie bei solchen Massnahmen mithelfen würden, könnte man theoretisch Mühleberg abschalten. Das Abschalten wäre aber nicht von langer Dauer, denn in den vergangenen zehn Jahren kamen ja durchschnittlich mehr als Ausländer neu in die Schweiz; also Nettoeinwanderung. Sie sehen also: Somit lässt sich auch der vorher erklärte jährliche Strommehrverbrauch zu einem grossen Teil erklären. Deshalb genügt es nicht, hier über ein paar Sonnenkollektoren und ein paar Windräder zu diskutieren. Vielmehr müssen wir über weitere Massnahmen sprechen. Ich möchte noch schnell auf das Unglück in Japan eingehen: Es war ein Unglück, aber es war lange nicht ein so massives Unglück, wie das die Medienlandschaft überall grossschreiben möchte: Es gab sage und schreibe gerade einmal vier Tote. Von diesen vier Toten starben zwei bei einer kleineren Explosion, einer fiel von einer Leiter und noch ein weiterer ist ertrunken. Es gab 36 «Verletzte», in Anführungsstrichen. Diese 36 Personen erhielten dort ein erhöhtes Krebsrisiko. Das erhöhte Krebsrisiko ist ungefähr gleich gross wie bei jemandem, der während zehn Jahren jeden Tag ein Päckli Zigaretten raucht. Die Zahlen, die ich hier vortrage, sind übrigens international anerkannt. Deshalb dürfen wir nicht immer Slalom fahren. Wir müssen in der Energiepolitik eine klare Linie fahren. Somit heisst das: Wir müssten vielleicht früher oder später in ein paar Jahren vielleicht trotzdem ein neues Kernkraftwerk bauen, so wie es das Berner Stimmvolk Ende Februar beschlossen hat. Das Problem, das entstehen wird, werden nicht mehr Sie tragen müssen. Sie sind alle so um die 50 Jahre alt, sodass Sie dann so gegen 70 Jahre alt sein werden, wenn die Kernkraftwerke auslaufen. Wir Jungen sind es, die dann in 20 Jahren, wenn die Kernkraftwerke vom Netz gehen, die hohen Stormtarife bezahlen müssen. Deshalb bitte ich Sie, eine zukunftsorientierte Energiepolitik zu betreiben. Thomas Knutti, Weissenburg (SVP). AKW abschalten, AKW nicht abschalten: Für mich ist, sicher wie für uns alle, das Erdbeben von Japan und der anschliessende Unfall im KKW Fukushima eines der schlimmsten Ereignisse der letzten Jahre. Doch denken wir auch gerade während dieser Sondersession an diejenigen Leute, die in Japan ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Es ist sehr spannend, wie seit dem Unfall die Bevölkerung auf der Welt, in der Schweiz und im Kanton Bern auf den Unfall reagiert. Kaum jemand zeigt irgendein Interesse an denjenigen Menschen, die innert ein paar Minuten alles verloren haben. Nein, es fokussiert sich alles auf das Unglück in Fukushima. Jeder behauptet von sich, ein Experte zu sein und für die Zukunft die beste Lösung auf dem Tisch zu haben. Doch ich kann Ihnen eines sagen: Ich behaupte nicht, ein Experte zu sein. Deshalb habe ich noch ein paar offene Fragen an Sie: Wieso wird Fukushima mit dem Kanton Bern eins zu eins verglichen, wenn man doch weiss, dass nicht das Erdbeben, sondern der Tsunami das KKW zerstört hat? Wieso behauptet man seit Wochen, dass dasselbe Unglück bei uns auch passieren kann, wenn man doch weiss, dass es in der Schweiz kaum einen Tsunami geben kann? Der Bundesrat will aus der Atomkraft aussteigen mit der Begründung, sie sei zu gefährlich. Aber er lässt die AKW in den kommenden 20 Jahren weiterlaufen, weil sie noch sicher genug sein sollen. Ist das nicht ein Widerspruch? Der Stromverbrauch hat im vergangenen Jahr um 4 Prozent zugenommen. Industrie, unsere KMU, unsere Landwirtschaft, unsere Verwaltung, die zunehmende Bevölkerung: Überall braucht es mehr Strom. Auch ich bin für erneuerbare Energien, aber man muss wissen, dass zum Beispiel die Photovoltaikanlage auf dem Stade de Suisse mit einer Grösse von

155 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag m 2 in einem Jahr gleich viel Strom liefert wie das AKW Gösgen in einer Stunde. Oder dass das Betreiben einer Photovoltaikanlage ungefähr 86 Rappen kostet, eine kwh Kernenergie dagegen 6 Rappen, also vierzehnmal weniger. Sind Sie sich wirklich so sicher, dass wir in Zukunft nicht mehr auf Kernenergie angewiesen sind? Mir wurde gesagt, wir sollen selber weniger Strom brauchen. Ich habe es versucht, doch musste ich immer wieder feststellen, dass ich fast für alles, was ich mache, Strom benötige. Vielleicht könnten all diejenigen, die glauben, dass wir die AKW abstellen können, wenigstens während der Sondersession auf den Gebrauch ihrer Laptops im Grossratsaal verzichten; das wäre doch ein Anfang. Ich erwarte von uns in der Energieversorgung ein ruhiges und überlegtes Handeln und keine konzeptlosen Schnellschüsse. Für mich wäre das Schlimmste, wenn jetzt die Politik wegen des Wahljahrs schnelle Entscheide fällen würde und wir dann zu einem späteren Zeitpunkt Gas-, Kohlekraftwerk- oder teuren Atomstrom aus dem Ausland importieren müssten. Die Bevölkerung wäre uns dankbar, wenn sie auch in Zukunft genügend Strom zu marktgerechten Preisen hätte. Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). Einen geordneten Ausstieg aus der Atomkraft bestreitet auch die SVP nicht. Aber wenn man der Bevölkerung vorgaukelt, man könne in der Schweiz ohne grosse Folgen die Atomkraftwerke einfach abstellen, ist das eine unehrliche Politik. Gemäss Berechnungen des Bundesrats würden durch den Atomausstieg jährlich zusätzliche Kosten in der Höhe von 2 bis 4 Mrd. Franken anfallen. Eine vierköpfige Familie müsste also für den Strom pro Jahr 2000 Franken mehr bezahlen. Zusätzlich würden auch das Brot, das Bahnbillett und die Kleider teurer, weil nämlich dort überall Strom drin ist. Auch die Computer sind Stromfresser, und doch will ja niemand, wie man ja auch hier im Saal sieht, auf Computer verzichten. Im Moment könnte die Stromlücke, die bei einem Atomausstieg entstehen würde, nur mit dem Bau mehrerer Gaskombikraftwerke gedeckt werden. Damit würden wir in Kauf nehmen, dass Millionen Tonnen von CO 2 ausgestossen würden. Wollen wir das wirklich? Aus all diesen Gründen ist ein sofortiger Ausstieg für die Familien, für unsere Bevölkerung finanziell nicht tragbar. Sinnvoll ist es, wenn man jetzt einen geordneten Ausstieg plant. Dem stimmen alle zu. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Es ist sicher nach den Vorfällen in Japan legitim, die ganze Sache frisch zu thematisieren und zu debattieren. Man kann sich auch über den Sinn einer Sondersession unterhalten wir haben sie ja jetzt. Wenn man jetzt aber schaut, welch ein Wirbel und Wind um die ganze Sache entstanden ist, muss man schon ein wenig staunen. Wenn man den ganzen Wind, der da von linker und grüner Seite produziert worden ist, in Energie umwandeln könnte, könnte man vielleicht schon das erste Kernkraftwerk abstellen. Warum sage ich das? Auf Bundesebene gab es sicher Entscheide, die dort hingehören, weil sie dort gefällt werden müssen. Wenn ich aber das Programm unserer Sondersession betrachte und sehe, was da alles für Vorstösse daherkommen viele mit Wünschen und Anregungen, aber kaum etwas Konkretes und Verbindliches, muss ich einfach Folgendes sagen: Die Sondersession ist zu früh. Wir sollten sie dann durchführen, wenn die Lösungsvorschläge der Regierung vorliegen. Die Bevölkerung will vielleicht keine neuen AKW mehr und will die Bestehenden abstellen; das ist sehr wohl möglich. Aber sie will das erst entscheiden, wenn sie den Strompreis und den Benzinpreis kennt der sicher nach oben unter Druck geraten wird, wenn wir die ganze klimapolitische Dimension betrachten, und wenn man die genaue Versorgungssicherheit kennt. Erst dann wird die Bevölkerung der Schweiz dazu Stellung nehmen können und wollen, ob sie sie vom Netz nehmen will oder nicht, und ob sie neue bauen will oder nicht. Zu all denjenigen, die sich jetzt auf die Bevölkerung und auf die Umfragewerte berufen, auch kürzlich in den eidgenössischen Räten, muss ich Folgendes sagen: Das EU- Beitrittsgesuch vertreten genau dieselben, die heute die Bevölkerung so hoch spielen, obwohl eine erdrückende Mehrheit zur Kenntnis nimmt, dass kein Mensch heute in die EU will, auch nicht in absehbarer Zeit. Sie werden das nicht zurückziehen, sondern gegen die Bevölkerung agieren. Geradezu an Hohn grenzt das, was in Deutschland passiert ist, wo man sich jetzt auf die Bevölkerung beruft: Man tut so, als ob man sie je bei genauso wichtigen Entscheiden wie der Abschaffung des deutschen Marktes gefragt hätte, dabei war klar, dass dies bei der Bevölkerung keine Chance hätte. Dieses Geschäft hat man ihr nicht vorgelegt, und heute beruft man sich darauf. Ich möchte einfach zu mehr Besonnenheit aufrufen, zu einer klaren Debatte aber auch zu konkreten Lösungen. Wir werden in den einzelnen Blöcken noch darauf zurückkommen. Vieles wird auf Stufe Bund entschieden und bei Vielem handelt es sich um unverbindliche Wünsche. Diese werden wir nicht unterstützen. Wir werden dann darüber ernsthaft diskutieren, wenn Sie konkret sagen können, was uns dieser Ausstieg kostet und welche Folgen er hat. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Zuerst muss ich Roland Näf entgegnen, der uns eine allzu grosse Nähe zu den Wirtschaftsverbänden vorwirft. Lieber Roland Näf, ich gebe dir auf dem Sekretariat sehr, sehr gerne Einsicht in die Jahresrechung der FDP des Kantons Bern. Wir haben vom HIV, vom Hauseigentümerverband und so weiter keinen einzigen Rappen bekommen. Weiter gibt es künftig ein paar Debatten, bei denen ich froh wäre, wenn die SP und die Grünen eine gewisse Distanz zu den Gewerkschaften und zu gewissen Personalverbänden belegen würden. Das würde auch zu einer gewissen Entkrampfung führen. Es ist mir wichtig, Folgendes zu sagen: Rot-Grün steht möglicherweise vor dem grossen Sieg mit ihrem lang erklärten Ziel, aus den AKW auszusteigen. Ich bin froh, dass es Stimmen gibt, die nicht auf einen sofortigen Ausstieg pochen, sondern so lange weiterfahren wollen, wie es sicher ist. Ich gratuliere zu diesem Erfolg. Ob man daran viel Freude haben wird, wird sich zeigen. Etwas mehr Mühe habe ich mit der Tatsache, dass zumindest auf nationaler Ebene gewisse Parteien sich dabei übertreffen, ebenfalls ein AKW-Ausstiegsturbo zu sein. Ein solches Verhalten bezeichne ich etwa gleich wie wenn die EVP einen Kinderabzug erhöht und dann die Steuern senkt. Das hat etwa dieselbe Glaubwürdigkeit. Inhaltlich möchte ich ganz klar sagen, dass der Ausstiegsschritt sehr mutig ist. Michael Aebersold hat vorhin gesagt, wir müssten sparen, sparen und effizienter werden, denn so würden wir das Ziel erreichen. Wenn wir Bürgerlichen jeweils in der Finanzpolitik dieselbe Argumentationskette verwenden, werden wir zusammengeschossen in dem Sinn, dass wir die Konsequenzen nicht überlegt und den genauen Weg nicht aufgezeigt hätten. Und hier geht es jetzt plötzlich. Ich sage nicht, dass man deswegen den Schritt oder zumindest das Ziel nicht verankern soll. Aber wir werden in der künftigen Abstimmung ganz klar auch den Finger in die Wunde legen und fordern, dass die Regierung in die Pflicht genommen wird und aufzeigt, was so ein Ausstiegsszenario allenfalls bedeuten könnte. Mit einer langfristigen Strategie kann es durchaus auch wirtschaftlich sehr, sehr lukrativ sein, wenn man versucht, sich von den fossilen Energieträgern zu entkoppeln und eine Wirtschaft aufzubau-

156 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik en, die möglichst wenig Strom braucht. Aber mittelfristig und kurzfristig ergeben sich daraus sehr schmerzhafte Umstrukturierungsschritte. Und ob wir dies alle wirklich beachtet haben, weiss ich nicht. Ich wurde der Scheinheiligkeit bezichtigt. Das war keine Scheinheiligkeit, Roland Näf, es war eher Verzweiflung. Was bietet man in der Energiepolitik einem Volk an, wenn man weiss, dass es mit grösster Wahrscheinlichkeit einem AKW- Ausstieg zustimmen wird, aber gleichzeitig einfache Massnahmen abgelehnt hat? Du und Blaise Kropf haben auf den Falschen geschossen. Ihr solltet auf diejenigen schiessen, die sich überhaupt nie bewegen, oder auf diejenigen in euren Kreisen schiessen, die sich zum Beispiel bei der Grimsel West überhaupt nicht bewegen. Es ist freisinnigem Vordenken zu verdanken, wenn zusammen mit euch eine Energiestrategie zustande gekommen ist. Dazu zähle ich auch Hans Grunder, den heutigen BDP-Präsident, das muss ich offen sagen. Es wird immer die mangelnde Kompromissbereitschaft erwähnt. Aber wir haben hier im interkantonalen Vergleich ein überdurchschnittlich scharfes Energiegesetz erreicht. So ist der Kanton Zürich meilenweit von dem entfernt, was wir haben. Und sagt denen mal, sie seien Weicheier! Wir waren sehr mutig. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass man es etwas überzogen hat, um in der Sprache der Schwinger zu sprechen. Deshalb werden wir hier alle Massnahmen unterstützen, die dem Volk aufzeigen, welche konkreten, schmerzhaften Massnahmen es braucht, damit das Szenario eines geordneten Ausstiegs möglich wird. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Ich möchte kurz zum Votum von Herrn Näf Stellung nehmen: Er sprach von «aufeinander zugehen». Und du hast gesagt, ihr kommt auf uns zu. Es nimmt mich Wunder, was du nun dazu sagst: Von den 150 eingereichten Beschwerden gegen Projekte der BKW für erneuerbare Energien wurde seit Fukushima kein einziges zurückgezogen. Wo bleibt da euer Entgegenkommen? Bisweilen ist von euerer Seite her das Entgegenkommen etwas einseitig gemeint. Du kannst jetzt sagen, es handle sich um Naturverbände und so weiter, aber die sind bei euch angeschlossen, und deshalb müsst ihr dafür sorgen, dass sie die Beschwerden zurückziehen. Die Erhöhung der Grimsel- Staumauer wird vor Bundesgericht enden. Das ist auch einer dieser Punkte, und auch hier werdet ihr sagen, das habe nichts mit euch zu tun. Aber das sind alles Grüne, Umweltverbände, also Leute, die bei euch angeschlossen und verantwortlich sind. Ich danke im Übrigen für das Bedauern, das du gegenüber denjenigen Personen ausgedrückt hast, die unter den Bösen Lobbyisten leiden. Tatsache ist, dass die Wirtschaftsverbände du hast vorhin den Hauseigentümerverband und den HIV erwähnt für die Interessen ihrer Mitglieder arbeiten. Und die Mitglieder wollen eine ausreichende Energieversorgung. Wir müssen diese sicherstellen, und bei einem Ausstieg ist sie aus heutiger Sicht eben nicht gesichert. Die Energieabstimmung vom 15. Mai war ein deutliches Zeichen dafür, was passiert, wenn das Volk weiss, was man aus diesen hochfliegenden Diskussionen dann konkret macht. Also wenn das Volk dann konkret die Konsequenzen dessen sieht, was wir hier diskutieren, kommt es auf die Welt. Und dann kann es durchaus so herauskommen, wie dies am 15. Mai der Fall war. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Volk dann, wenn es konkret wird, anders abstimmt als Sie jetzt meinen. Die 80-Prozent-Mehrheit für den Volksvorschlag war ein sehr deutliches Zeichen. Das hat mich sehr gefreut. Aber es war auch ein Fingerzeig für die künftige Energiepolitik, wie sie hier gemacht werden sollte. Sabina Geissbühler hat gesagt, ihr erster Satz sei die Meinung der SVP. Dem ist aber nicht so, es war vielmehr die persönliche Meinung von Sabina Geissbühler. Kathy Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne). Hier nur ein kurzer Anstoss, um noch etwas weiterzudenken: Ist eigentlich der SVP und den ungebremsten AKW-Befürwortern und Mühleberg-Erhaltern bewusst, was ein Reaktorunfall in Mühleberg für uns bedeuten würde? Es würde Folgendes heissen: Hauptstadtregion evakuieren, unbewohntes Niemandsland hinterlassen, unsere Heimat dahin. Aber wohin gehen wir? Wir müssten bei unseren Nachbarn anklopfen und auf Aufnahme hoffen. Von daher ist die bereits mehrmals hier im Saal gemachte Schuldzuweisung an die Zuwandernden, wonach wir wegen ihnen ein oder zwei zusätzliche AKW in Betrieb lassen müssten, ein absoluter Affront. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Ich muss Grossrat Knutti noch etwas entgegnen: Du hast gesagt, es spiele sich hier jeder als Experte auf. Und wenn das jeder machte, schlügen wir uns heute und morgen viele Zahlen um die Ohren und das bringe uns nicht weiter. Gleichzeitig hast du sofort Zahlen herumgeboten. Wer aber heute an der Mittagsveranstaltung teilgenommen hat, weiss, dass die Zahl, die du zur Photovoltaik genannt hast, nicht stimmt. Vielleicht hast du sie sogar von den BKW erhalten, ich weiss es nicht. Aber in diesem Bereich hat sich in den vergangenen drei bis vier Jahren sehr viel sehr schnell geändert. Ich nenne jetzt nicht die effektive Zahl, denn das variiert je nach Grösse und Typ der Anlage. Aber sie liegt nicht bei den von dir genannten 86 Rappen. Es ist einfach schade, wenn man genau das macht, von dem man sagt, man solle es nicht machen. Und noch etwas: Frau Energiedirektorin Egger hat gesagt, wir würden hier nur Weichen stellen und Lösungen erreichen können, wenn wir einen Schritt aufeinander zu machten. Wie Sie seit dem vergangenen Donnerstag wissen, vertrete ich auch die Interessen des Heimatschutzes. Und wie du weisst, habe ich deine Motion im Bereich Holznutzung unterstützt. In diesen Kreisen wird mir das nicht nur Applaus bescheren. Ich habe mich bereits exponiert und zwar bewusst, im Sinn eines Schrittes in Richtung auf die andere Seite. Und das müssen wir einfach gegenseitig tun. Grossrat Brand sagt, «die sind bei euch angeschlossen» und ein anderer sagt am Rednerpult, der Hauseigentümerverband ist bei euch angeschlossen genau so bauen wir wieder Fronten auf. Die Frau Regierungsrätin hat es richtig gesagt: Wenn wir schon in der Einstiegsdebatte diese Fronten aufbauen, können wir Kaffee trinken gehen. Präsident. Somit kommen wir ans Ende der Liste der Fraktionssprechenden und der Einzelsprechenden. Ich frage die Frau Regierungsrätin, ob sie am Schluss noch etwas sagen möchte? Das ist nicht der Fall. Somit haben wir die Erklärung einerseits zur Kenntnis genommen, aber auch ausführlich diskutiert. Somit können wir das Geschäft 114 verlassen. Wie Sie wissen, haben wir bei diesen Blöcken bestimmte Spielregeln abgemacht. Die verschiedenen Vorstösse werden in Blöcken behandelt. Das Geschäft 118 (M 010/11 )gehört allerdings in Block 2 und nicht wie auf der Traktandenliste aufgeführt in Block 1. Ich gehe davon aus, dass auch die Motionärin damit einverstanden ist. Das ist der Fall. Ordnungsantrag Antrag Jost (EVP, Thun) Sondersession Energiepolitik Block 2 zur «Sicherheit des AKW Mühleberg» ist vor dem bisher geplanten Block 1 «Atomausstieg» zu beraten.

157 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 597 Begründung: Eine Grundlage zu den Entscheiden für oder gegen die Stillegung des AKW Mühleberg wie auch für einen möglichen Zeitpunkt bildet die Sicherheitseinschätzung. Es ist deshalb sinnvoll, die Debatte auch in dieser Reihenfolge zu führen. Eine Debatte über die Sicherheit mach den Entscheiden über eine mögliche Stillegung macht inhaltlich wenig Sinn. Präsident. Ist dieser Ordnungsantrag bestritten? Das ist nicht der Fall. Somit stimmen wir darüber ab. Abstimmung Für Annahme des Ordnungsantrags Dagegen 119 Stimmen 0 Stimmen 2 Enthaltungen Präsident. Mit dieser Abstimmung wurde die Reihenfolge der Blöcke umgedreht. Wir befassen uns also zuerst mit Block 2. Noch kurz zum Vorgehen: Im Titel steht «gemeinsame Beratung». Somit werden all diejenigen Vorstösse, die zusammengehören, gemeinsam beraten, auch wenn einzelne mit einer gemeinsamen Antwort behandelt worden sind. Das hat den Vorteil, dass wir Zeit gewinnen. Wenn wir nur diejenigen mit gemeinsamer Antwort zusammennehmen würden, müssten wir dann die einzelnen Vorstösse, die separat sind, immer auch nach dem normalen Rhythmus durchgehen. Dies zwar mit verkürzter Redezeit, doch könnte man dort dann immer auch zusätzlich Diskussion verlangen. Als Folge haben die Fraktionssprecher über das Gesamte gesehen etwas weniger Zeit, aber als Einzelsprecher kann man am Schluss ja auch noch ans Pult kommen. Jetzt beraten wir innerhalb des Blockes 2 Geschäft um Geschäft gemäss Sessionsprogramm. Jede Motionärin, jeder Motionär, jede Interpellantin und jeder Interpellant kann zu seinem Anliegen etwas sagen. Anschliessend haben die Fraktionssprecher das Wort und am Schluss die Einzelsprecher. Wir müssen eine Gleichberechtigung anstreben, denn sonst erhalten einzelne Motionen oder Interpellationen, die ganz für sich allein stehen, genau gleich viel Zeit, wie ein ganzes Paket. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden? Das wird nicht bestritten. In diesem Sinn müsste man dann auch nicht extra Diskussion für eine einzelne Interpellation verlangen, weil wir sie in der Redezeit abhandeln. Und wer spricht, spricht zum gesamten Block 2 und nicht zu einem einzelnen Vorstoss. Das gilt auch für die Einzelsprecher. Wir beginnen somit mit Block 2. Ich werde dann noch bei den RednerInnen, deren Vorstösse auf der Liste nacheinander aufgeführt sind, fragen, ob sie gleich über das Gesamte sprechen. Aber wenn die Vorstösse nicht aufeinander folgen, folgen wir der Traktandenliste. Geschäft /2011 Motion Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle Motion Annahme und gleichzeitige Abschreibung Geschäft /11 Dringliche Interpellation Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem? Geschäft /11 Dringliche Interpellation Näf-Piera, Muri (SP) Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg Geschäft /11 Dringliche Motion Kropf, Bern (Grüne) Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen Geschäft /11 Interpellation Imboden, Bern (Grüne) Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg gewährleistet? Geschäft /11 Interpellation Scheuss, Biel (Grüne) Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg? Geschäft /10 Interpellation Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne) Atomunfall Was passiert mit unseren Ressourcen? Geschäft /10 Interpellation Jenni, Oberburg (EVP) / Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) / Masshardt, Langenthal (SP) AKW Mühleberg Müssen Verantwortung und Haftung im Falle von Umweltschäden nicht verbindlicher geregelt werden? Geschäft /10 Motion Grimm, Burgdorf (Grüne) / Häsler, Burglauenen (Grüne) Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation Geschäft /10 Interpellation Häsler, Burglauenen (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden? Geschäft /11 Dringliche Interpellation Imboden, Bern (Grüne) Sieht der Kanton Bern Evakuierungspläne bei einem AKW-Unfall vor? Geschäft /11 Interpellation Jenni, Oberburg (EVP) / Kneubühler, Nidau (FDP) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Gibt es einen Notfallplan für das AKW Mühleberg? Geschäft /11 Postulat Heuberger, Oberhofen (Grüne) Medizinische Vorkehrungen bei AKW-Havarie Mühleberg (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 604 ) Gemeinsame Beratung Block 2: Vorstösse zur Sicherheit AKW Mühleberg Geschäft /11 Dringliche Interpellation Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg? Präsident. Zur Erinnerung: Es gelten verkürzte Redezeiten, denjenigen Personen, die ihre Vorstösse vorstellen, stehen also vier Minuten zur Verfügung. Wir beginnen mit Frau Schöni, die sich zu ihrer Motion 010/11 äussert.

158 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Wie Sie gesehen haben, stammt diese Motion aus der Zeit von vor der tragischen Katastrophe in Japan. Die Problematik der fehlenden Transparenz und Kostenwahrheit, wenn es um die Berechnung des Atomstroms geht, ist aber dieselbe geblieben; sie hat sich sogar noch verstärkt. Heute spricht niemand mehr von einem Ersatz der bestehenden AKW. Sollte aber die BKW Mühleberg I, unser heutiges AKW, aus Sicherheitsgründen vorzeitig vom Netz nehmen, wären sie verpflichtet, die Kosten für die Stillegung und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu tragen. Deshalb werden grundsätzlich alle AKW-Betreiber verpflichtet, Rückstellungen in den Stillegungs- und Entsorgungsfonds zu entrichten. Die erste schlechte Nachricht ist: Wie man der Presse entnehmen konnte, haben die BKW bereits jetzt einen Rückstand in der Höhe von 11 Prozent und könnten einen Rückbau ihres jetzigen AKW nicht bezahlen. Die zweite schlechte Nachricht ist: So genannte neue Erkenntnisse haben gemäss swissnuclear zu Korrekturen der Entsorgungskosten nach oben geführt, was für die BKW einen weiteren Zahlungsrückstand bedeutet. Und der Kanton müsste, wenn die BKW den Rückbau des AKW nicht bezahlen könnten, dafür gerade stehen. Unsere Motion zielt zwar auf das geplante Zwischenlager bei einem Ersatz-AKW Mühleberg II ab. Doch bleibt sich die Situation gleich, ja, sie akzentuiert sich noch zusätzlich, wenn das AKW zurückgebaut werden müsste. Wir fordern mit unserer Motion, dass die Betreibung eines Zwischenlagers dynamisch in eine Investitionsrechnung einfliessen soll. Das heisst, auch wenn das AKW einmal nicht mehr Strom liefern sollte und das Zwischenlager noch weiter betreut werden müsste, sollten die Kosten auf die Zeit der Betriebsdauer überwälzt werden. Wir sind mit der Antwort der Regierung grundsätzlich zufrieden. Sie sieht ein, dass beim Bau und beim Betrieb von Zwischenlagern eine dynamische Investitionsrechnung gemacht werden sollte. Insofern wäre es auch nötig, für das jetzige Zwischenlager in Mühleberg eine dynamische Investitionsberechnung zu machen. Wir finden das Anliegen, die Überwälzung der künftig anfallenden Kosten auf den jetzigen Abnehmer des Stroms zu überwälzen, zu wichtig, als dass wir das jetzt einfach so annehmen würden. Die Regierung schreibt ja unsere Motion ab. Ich ziehe meine Motion zurück und werde sie in aktualisierter Form wieder einreichen. Gerade in der aktuellen Situation ist es wichtig, dass der Atomstrom zu Vollkosten und nicht subventioniert an den Konsumenten weitergegeben wird. Präsident. Zur Interpellation I 074/2011: Der Interpellant, Herr Grimm, ist von der Antwort der Regierung teilweise befriedigt und gibt eine Erklärung ab. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Ich danke der Regierung bestens für die Beantwortung meiner beiden Interpellationen. Sie zeigt eindrücklich auf, welchen Gefahren wir hier im Raum Bern ausgesetzt sind. Die Fragen wurden zwar leider vermehrt aus der Sicht der BKW beantwortet, was mich etwas befremdet hat. Es gibt ja auch noch eine andere Meinung und ich habe erwartet, dass wir auch noch andere Ansichten zu hören bekommen. Es kann nicht wegdiskutiert werden, dass die alten AKW alt sind. Da nützt auch das beste und teuerste Facelifting überhaupt nichts. Es wurde ja in der vergangenen Woche treffend gesagt: Mühleberg stammt aus der Zeit des Schwarzweissfernsehens, der Schreibmaschine und des Autos ohne Katalysator. Gewisse Nachrüstungen, wie das in der Interpellation erfragte passive Sicherheitssystem, könnten schon gar nicht mehr eingebaut werden. Wir gehen also ganz bewusst hohe Risiken ein. Die Antwort bestätigt klar, dass bei einem Unfall wie in Fukushima die öffentliche Hand massiv zahlen müsste und die BKW gingen wahrscheinlich Konkurs. Präsident. Zur nächsten Interpellation, I 075/11, von Grossrat Grimm. Auch hier ist der Interpellant von der Antwort der Regierung teilweise befriedigt. Er gibt keine Erklärung ab. Zur nächsten Interpellation 088/11: Der Interpellant, Herr Näf, ist von der Antwort der Regierung befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Jetzt äussert sich Herr Kropf zu seiner Motion 091/11. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Vorab möchte ich dem Regierungsrat für die Bereitschaft danken, meinen Vorstoss entgegenzunehmen und im Rahmen seiner Möglichkeiten für die Umsetzung der Forderungen zu sorgen. An dieser Stelle möchte ich Sie alle bitten, meinen Vorstoss und damit drei eigentlich selbstverständliche Forderungen zu überweisen und die Erfüllung dieser Forderungen zu ermöglichen. In meinem Vorstoss geht es ganz einfach gesagt nicht um ein Für oder ein Wider zur Atomenergie im Allgemeinen oder zum AKW Mühleberg im Speziellen, sondern es geht letztlich ganz allein um die Frage der Sicherheit. Es geht um die Frage, mit welcher Offenheit die Öffentlichkeit über Schwächen, Einschränkungen und Probleme bei der Sicherheit des AKW Mühleberg informiert werden soll. Sie wissen es alle und konnten es in den Medien mitverfolgen: Bereits sehr rasch nach den ersten Explosionen im Komplex Fukushima war bei der Erklärung von teilweise doch ziemlich gravierenden Sicherheitsmängeln die Rede. Und bei den erheblichen Pannen, die im Katastrophenmanagement in Fukushima geschehen sind, war von der Korruptheit der Behörden, zum Teil sogar von mafiösen Strukturen und so weiter die Rede. Nach all dem, was man in den vergangenen Monaten Schritt für Schritt erfahren hat manchmal ging es ja zwei Schritte vorwärts, dann wieder einen zurück und dann wieder zwei vorwärts ist diese These sicher nicht abwegig. Solche Vorwürfe können und wollen wir hier nicht erheben; das möchte ich ganz klar festhalten. Allerdings ist der Umgang mit Sicherheitsanforderungen, mit Sicherheitsproblemen oder Sicherheitsmängeln ein ganz zentrales Element des Sicherheitsmanagements oder des Gefahrenmanagements eines Atomkraftwerks. Das Zurückhalten von Informationen würde bei einem Vorfall beim Atomkraftwerk Mühleberg auf jeden Fall sehr schnell zu berechtigter und wohl auch heftiger Kritik führen. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir die Unterstellung von «Frère et Cochon» dann noch so einfach in Abrede stellen könnten, wie wir das jetzt tun. Es ist offensichtlich: Wir arbeiten heute im Bereich der AKW- Sicherheit in einer enormen Dunkelkammer. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen und die Publikation von Gutachten zum Teil ging es ja nicht einmal um integrale Gutachten sondern nur um Teile davon haben das in den vergangenen Wochen ziemlich eindrücklich vor Augen geführt. All diejenigen, die am vergangenen Montag an der Informationsveranstaltung mit Jürg Joss und Martin Saxer vom AKW Mühleberg teilgenommen haben, erhielten dort nochmals ein kleines Müsterchen vorgesetzt: Plötzlich wurden Argumente der technischen Verständlichkeit aufgeführt, die angeblich für die Nichtpublikation von Gutachten und Berichten zur AKW- Sicherheit in Mühleberg ausschlaggebend gewesen seien. Sie sehen also: Man zieht situativ sehr unterschiedliche Argumente bei, um solche Informationen nicht zugänglich zu machen. Und genau das ist ein erhebliches Problem. Man kann davon ausgehen, dass im Langzeitsicherheitsbericht sehr viele wichtige Aspekte thematisiert werden, die für den Entscheid über den Weiterbetrieb und insbesondere über die mögliche Zeitdauer des Weiterbetriebs des Atomkraftwerks Mühleberg absolut zentral sind. Deswegen ist es un-

159 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 599 abdingbar, dass dieser Bericht und die entsprechende Stellungnahme offengelegt werden. Denn nur auf der Basis dieser Dokumente können wir, kann die Politik hier verantwortungsvolle Entscheide treffen. Von daher ist es wichtig und zentral, Einblick in diese Dokumente zu erhalten und auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Das ist die Forderung dieses Vorstosses. Ich bitte Sie, diesen drei Forderungen zuzustimmen. Präsident. Zur Interpellation von Frau Imboden, I 153/2011: Die Interpellantin ist von der Antwort der Regierung befriedigt, und gibt auch, weil sie nicht da ist keine Erklärung ab. Der Autor der nächsten Interpellation, I 143/11, Herr Scheuss, ist nicht mehr Mitglied des Grossen Rats, und wir haben nicht herausgefunden, ob er von der Antwort der Regierung befriedigt wäre. Es gibt hierzu auch niemanden auf der Rednerliste. Frau Hänni, ist von der Antwort auf ihre Interpellation, I 143/10, nicht befriedigt und erhält auch ihre Redezeit. Kathy Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne). Ja, es ist so, ich kann nicht befriedigt sein. Die zwar nach bestem Wissen und Gewissen beantworteten Fragen sind für mich höchstens ein Gedankenmodell. Um uns der Tragweite bewusst zu werden, lese ich ein paar Stellen aus den Antworten vor: In der Einleitung zu meiner Interpellation habe ich geschrieben, dass es ganz schlimm wäre, wenn etwas passieren würde. Die Antwort des Regierungsrats darauf lautet: Ein schwerer Störfall in der Grössenordnung von Tschernobyl oder Fukushima würde in der Schweiz eine nationale Katastrophe auslösen, die nicht zu bewältigen wäre. Das steht einfach so da. Wir reagieren nicht wir haben wohl eine harte Haut. Die zweite Frage lautet: «Was sollen Bäuerinnen und Bauern zum Beispiel mit der versuchten Milch, dem ungeniessbaren Fleisch und den unbrauchbaren Ernten machen? Wer entscheidet mit welchen Grundlagen?» Bei dieser Frage wird in der Antwort darauf hingewiesen, dass ja die Probenahmen von den Kantonen gemacht werden und dass der Bund Weisungen herausgeben wird. Ich Frage mich einfach: Funktioniert das alles noch, wenn eine solche Katastrophe eintritt? Funktioniert unser Laboratorium noch, das bestimmen sollte, welche Grenzwerte noch tolerabel sind? Bei der dritten Frage geht es um Häuser und Felder. Das geht noch ganz andere etwas an als nur gerade die Bauern. Ich appelliere hier nämlich an die Finanzwelt und an unsere Bankers: Bittet kündigt die Hypotheken im Gefahrengebiet nicht auf, obschon euer Geld ungesichert ist. Denn mein Biohof und alle schönen Wohn- und Geschäftshäuser werden nach einer Verseuchung wertlos werden. Bei der Frage 4 habe ich gefragt, woher eigentlich in dieser Zeit unser Essen kommt. In der Antwort ist Folgendes zu lesen: Der Handel selbst ist in diesem Falle für die Einhaltung der für die Belastung mit Radionukliden geltenden gesetzlichen Grenzwerte verantwortlich und wird dabei stichprobenartig vom Kantonalen Laboratorium kontrolliert. Auch da gilt für mich: sorry, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies dann noch funktionieren kann. Ich könnte sagen: Liebe KonsumentInnen, helft mit, Mühleberg so rasch wie möglich geordnet abzustellen, denn das Risiko für unsere Ernten und Tiere zeigt aus den Erfahrungen von vor 25 Jahren, dass belastete Ernten trotzdem sehr oft im Verkauf landen. Es wurde ja verseuchtes Milchpulver in Schokolade gefunden. Die neueste Schreckensnachricht aus Japan, auf die die Frau Regierungsrätin hingewiesen hat, wonach jetzt auch das Grundwasser verseucht ist, ist für mich eine weitere Hiobsbotschaft. Bei der letzten Frage erwartete ich eine Antwort über die Auswirkungen der atomaren Schäden auf uns Menschen und auf unsere Ressourcen und nicht irgendwelche Informationen über die Forschung der Nagra. Vielleicht werde ich dazu noch eine Antwort bekommen. Ich wäre froh, wenn Sie sich diese Interpellation noch einmal zu Gemüte führen würden. Präsident. Zu den beiden Interpellationen I 162/10 und I 145/11 äussert sich der Interpellant, Herr Jenni, gleichzeitig. Bei der ersten Interpellation ist teilweise befriedigt von der Antwort des Regierungsrats und bei der zweiten ist er befriedigt. Josef Jenni, Oberburg (EVP). Ich danke dem Regierungsrat für seine Antwort auf meine erste Interpellation. Diese Antwort befriedigt mich teilweise. Sie zeigt, dass die Verwaltungsräte nur eine sehr konventionelle Haftung haben. Solange sie nicht grobfahrlässig oder bösartig vorgehen, haften sie persönlich nicht. Für eine Technik mit einem derart weitreichenden Schadenspotenzial, mit derart weitreichenden Konsequenzen ist mir das zu wenig. Die Leute würden anders vorgehen, wenn sie mehr haften würden. Es stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt verantwortbar ist, die Gesellschaft im Wissen um derart grosse Probleme in eine solche Technologie hineinzuführen. Jede Argumentation, die bezweckt, die Probleme kleinzureden, ist in diesem Bereich verantwortungslos. Das Thema Notfallplan AKW Mühleberg habe ich nach Fukushima eingereicht, das andere vorher. Hier danke ich der Regierung für die Beantwortung der ganz bewusst sehr kritisch gestellten Fragen. Die Antworten zeigen mir, dass für kleine Ereignisse durchaus Vorkehrungen getroffen wurden, aber für Grossereignisse eigentlich nicht. Dies nach dem Motto: «Ein Grossereignis ist derart schlimm, dass es nicht passieren darf», ist sie der Meinung, dass das, was nicht passieren darf, nicht passiert. Und wenn es nicht passiert, müssen wir nichts vorkehren genau wie in Japan. Auch die Beantwortung der Haftungsfrage ist deutlich. Es müssen enorme Risiken von der Allgemeinheit getragen werden. Die Beantwortung dieser Interpellation zeigt mir, dass wir auf AKW verzichten müssen. Es ist etwas, das nicht drin liegt. Ich kann mich Kathy Hänni anschliessen: Lesen Sie einmal ihre Interpellation und die Antwort darauf. Die Antwort gibt mir sehr zu denken. Präsident. Nun hat Herr Grimm zur Begründung seiner Motion M 171/10 das Wort. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Ich spreche zugleich zur Interpellation I 172/10 und zur Motion von mir und Christine Häsler. Ich danke für die Beantwortung der Interpellation. Grundsätzlich wurden unsere Fragen beantwortet. Bei der Frage, wie lange das AKW Mühleberg noch betrieben werden kann, ist uns allen klar: Mühleberg hat grundsätzlich eine Bewilligung bis Ende Hier ist noch ein Verfahren hängig, sodass sich noch etwas ändern könnte. Zur Frage 2, also zu den für einen Ausstieg nötigen Massnahmen: Die Energieperspektiven 2035 vom Bund und die Inkraftsetzung des kantonalen Energiegesetzes beschreiben diesen Weg und ermöglichen den Ausstieg. Nachrüstungsarbeiten bezüglich Sicherheit, die das ENSI angeordnet hat, dauern fünf Jahre. Mühleberg hat seit seiner Erbauung ein paar Mal so viel gekostet wie die damaligen Investitionskosten. Und all das für die Sicherheit. Da muss man sich fragen, ob sich das wohl lohnt. Wir stellten die Fragen 2 und 3 nicht ausschliesslich auf Mühleberg bezogen, sondern allgemein. Doch erhielten wir nur Antworten im Hinblick auf Mühleberg. Deshalb ist es für uns nicht ganz nachvollziehbar, warum man nicht bereit ist, eingehend zu prüfen, ob eine Brennelementsteuer in Frage käme. Und deshalb ist es auch nicht klar, warum diese Moti-

160 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik on abgeschrieben werden soll, zumindest was den dritten Teil betrifft. Wir möchten diese Prüfung durchführen lassen, damit man das wirklich weiss. Es ist überhaupt nicht unser Ziel, Mühleberg zu benachteiligen. Wir möchten selbstverständlich für alle AKW, die in der Schweiz betrieben werden, wissen, ob eine solche Brennelementsteuer in Frage käme und unter welchen Voraussetzungen dies möglich wäre. Deshalb bitten wir Sie, zumindest Ziffer 3 nicht abzuschreiben. Vielen Dank für die Unterstützung. Präsident. Damit wurde auch zur Interpellation von Frau Häsler «Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden?» gesprochen. Sie selber wird als Fraktionssprecherin zu Block 2 sprechen. Sie ist befriedigt von der Antwort der Regierung und gibt keine Erklärung ab. Die Interpellantin, Frau Imboden ist von der Antwort der Regierung auf ihre Interpellation I 070/11 befriedigt. Als nächster hat Herr Heuberger das Wort zur Begründung seines Postulats P 098/11. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Vor dem Unfall in Fukushima hätte wahrscheinlich die Betreiberin des Kernkraftwerks in Japan, die Regierung der Region, gesagt: Wir haben alles vorgesehen, es kann nichts passieren, es ist ganz sicher alles sicher. Die Ereignisse haben etwas anderes gezeigt, nicht zuletzt nach den Gesetzen von Murphy s Law: Vor allem bei grosstechnologischen Anlagen und auch bei kleineren Dingen sagt Murphy: Was schief gehen kann, wird irgendwann einmal schief gehen. Die Schlussfolgerung daraus muss sein, dass man vorbereitet sein muss. Ich danke der Regierung bestens für die Bereitschaft zur Annahme dieses Postulats. Der Kanton zeigt sich hier verantwortlich für die Gesundheit und die Versorgung der Bevölkerung und er ist näher als der Bund. Der Bund ist etwas weiter weg von der eigenen Bevölkerung, aber ein Kanton muss wissen, was er machen und vorkehren muss. Ich bin froh, wenn der Kanton bereit ist, das zu übernehmen. Fukushima hat nämlich etwas gezeigt: Die wesentlichste Belastung der Bevölkerung ist die Unsicherheit über die Vorgänge, über die geplante Hilfe, was man wo bekommt, wo man Sicherheit, Behandlung, Schutz und die Hilfe erhält, mit der man die Gefahren abwehren kann. Unsicherheit erregt Angst, und die Verängstigung, die Unsicherheit der Bevölkerung über die Zukunft ist in den letzten paar Wochen und auch heute noch riesengross, wenn es einen dann wirklich trifft. Und denjenigen, den es trifft, trifft es zu 100 Prozent, nicht nur zu einem kleinen Prozentsatz. Wenn man die Fernsehbilder anschaut, sieht man, dass das heute noch oft greif- und sichtbar ist. Deshalb das Anliegen dieses Postulats nach einer umfassenden Information der Bevölkerung: Eine umfassende Information über geplante Massnahmen, wen trifft es wie, wer bleibt gefährdet, wo und wann bekomme ich Unterstützung, Hilfe, Schutz und Therapie. Viele Informationen, die ich hier erwähne, sind in der Antwort enthalten. Ich bin sehr froh darüber und bedanke mich bei der BVE für die bereits geleistete Arbeit. Doch braucht es noch mehr. Wir wissen es selber: Sie ist noch ziemlich unvollständig und unsicher, gewisse Dinge sollte man sich noch besser überlegen. Ich möchte nur ein einziges Beispiel erwähnen: die Dekontaminierung bei Verstrahlungen. Pro Stunde kann man offenbar 30 Personen dekontaminieren. Das macht 720 Dekontaminationen pro Tag. Nach 10 Tagen sind es 7200 Personen. Überlegen Sie sich einmal, wie viele Leute im Umkreis von 20 und 30 Kilometern wohnen. Die Stadt Bern liegt unter anderem auch darin. Von daher sind wir sehr froh, wenn dieser Punkt aufgearbeitet wird, die Informationen gesammelt und Pläne erstellt werden, sodass die Bevölkerung weiss, was wie wo wann Sache ist, wenn es mal dazu kommen sollte; was ja selbstverständlich niemand hofft. Aber wenn es dazu kommt, kommt die Information, die nicht greifbar ist, eindeutig zu spät. Von daher bin ich froh, wenn die Regierung das übernimmt. In der Antwort ist von «zu gegebener Zeit» die Rede. Doch sollte die gegebene Zeit nicht allzu weit weg sein. Präsident. Damit konnten alle, die einen Vorstoss eingereicht haben, sprechen. Jetzt kommen wir zur Beratung des gesamten Blocks. Zuerst erhalten die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen für vier Minuten das Wort. Sie können über das Gesamte sprechen oder auch situativ etwas herausgreifen. Dann folgen die Einzelsprecher. Wenn diese zu einem bestimmten Vorstoss etwas sagen wollen, wäre es gut wenn sie sagen, zu welchem sie sprechen. Aber sie können auch generell zu diesem Block etwas sagen. Es ist einfach gut, wenn zuhanden des Protokolls klar wird, zu was man etwas hat anbringen wollen. Béatrice Struchen, Epsach (UDC). Chacun d entre nous a été secoué par les événements de Fukushima. Chacun d entre nous a pesé le pour et le contre d une centrale nucléaire dans son voisinage. Chacun d entre nous en a discuté en famille et entre amis. Dans notre groupe aussi, la discussion a été menée, en voici le résumé. Pour le groupe UDC, la sécurité dans la centrale et autour de la centrale Mühleberg est un aspect primordial à respecter. Nous aussi, nous avons des enfants, des petits-enfants, des amis, des parents à qui nous aimerions assurer un avenir sans incidents néfastes. Tous les problèmes possibles et imaginables pouvant surgir lors de l exploitation de la centrale se doivent d être étudiés, calculés et résolus. La question, en cas d accident, de la protection de la population vivant dans un périmètre proche de la centrale est également, pour le groupe UDC, d une grande importance. Une bonne planification des mesures préventives, mais aussi, en cas d accident plus grave, du déroulement de l évacuation de la population se doit d être infaillible. Certains interpellateurs mettent en avant le danger de la centrale de Mühleberg, en la comparant à la centrale de Fukushima, mais cette comparaison est erronée: au Japon, c est le tsunami qui a causé des problèmes, sa force et son amplitude disproportionnées ont fait des dégâts inimaginables. Un tsunami à Mühleberg est vraiment improbable. Ce n est donc pas un tremblement de terre qui a entraîné cette catastrophe et, en ce qui concerne un possible tremblement de terre sur Mühleberg, la centrale est conçue pour résister à un tremblement de terre d une magnitude de 7 et ceci à proximité immédiate du site. Le barrage du lac de Wohlen est conforme aux prescriptions de l Office fédéral de l énergie pour les ouvrages de classe A, la classe la plus élevée, et remplit ainsi les exigences de sécurité les plus sévères posés aux ouvrages de retenue en Suisse. L UDC ne soutiendra aucune motion qui n est pas du ressort du Conseil-exécutif. Nous rejetons donc les deux premiers points de la motion Grimm, où il est question de la sortie du nucléaire qui sont du ressort de la Confédération. En ce qui concerne le troisième point, l impôt sur le combustible nucléaire, nous nous rallions à l avis du gouvernement, à savoir adopter et classer. Le groupe UDC adopte et classe les trois points de la motion Kropf. Déjà aujourd hui, l Inspection fédérale de la sécurité nucléaire IFSN et les Forces motrices bernoises informent la population lors d incidents ayant lieu en rapport avec la centrale. Les résultats de l analyse du rapport sur la sécurité à long terme de Mühleberg seront dans tous les cas présentés au public, aussitôt que celui-ci aura été analysé par l IFSN. En ce qui concerne le postulat Heuberger, nous le rejetons parce que nous ne voulons pas de rapport supplémentaire tel que demandé par le motionnaire, car il est actuellement préparé par l Office fédéral de la protection de la population. Un rapport de plus ne sert à rien

161 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 601 pour une bonne sécurité. Par contre, quand ce rapport sera présenté au canton de Berne, le groupe UDC est d avis que le canton de Berne se devra de mettre en œuvre les mesures de sécurité encore nécessaires suite à cette analyse. Nous approuvons en revanche l examen que le canton a mis en œuvre dans le cadre de l identification des points faibles dans le domaine de la protection A, B et C. La sécurité dans et autour de la centrale est capitale pour l UDC. Nous faisons confiance aux employés qui travaillent pour notre sécurité dans nos centrales et j en profite ici pour les remercier pour leur travail (Der Präsident bittet die Rednerin zum Schluss zu kommen). Nous faisons confiance à nos normes sévères, à nos contrôles stricts ainsi qu à nos autorités de contrôle. Peter Sommer, Wynigen (FDP). Kernkraftwerke werden intensiv auf mögliche Risiken hin untersucht und werden in der Schweiz durch das ENSI staatlich kontrolliert. Das grösste Risiko von Kernkraftwerken besteht im Wesentlichen darin, dass bei grösseren Störfällen radioaktive Stoffe in die Umwelt austreten können. Bei genauerem Prüfen solcher Störfälle, beziehungsweise bei der Ursachenanalyse, geht man von der Annahme aus, dass ein gravierendes Versagen von technischen Einrichtungen nicht zufällig eintritt, sondern aufgrund einer Kette unglücklicher Zufälle. Sind die Wirkungsketten erkannt, können sie gezielt unterbrochen werden. Damit kann eine sehr hohe Sicherheit erreicht werden. Kernpunkt ist in der Regel ein Mehrbarrierenkonzept: Versagen von Schutzmassnahmen auf der einen Ebene sollen auf der nächsten aufgefangen werden. Das AKW Mühleberg hat ein Sicherheitskonzept mit genau diesen Wirkungsketten. Wir können also nach dem heutigen Informationsstand davon aus ausgehen, dass das AKW Mühleberg sicher ist. Die Sicherheit bei Atomkraftwerken soll und muss höchste Priorität haben. Auch die FDP nimmt das ernst und schreibt der Sicherheit einen hohen Stellenwert zu. Auch wir wollen das kleinstmögliche Risiko einer Katastrophe. Aber es geht dabei auch um eine sinnvolle Interessenabwägung gegenüber wirtschaftlichen Interessen. Es kann nicht sein, dass aufgrund von Hypothesen und Mutmassungen ein AKW Mühleberg vorzeitig abgeschaltet und damit eine ganze Unternehmung in die Wand gefahren wird. Das hängt vorab mit einer ganzen Reihe von technischen Fragen zusammen, die sehr schwer abzuschätzen und zu beantworten sind. Sollten beim AKW Mühlberg wirklich sicherheitsrelevante Mängel vorhanden sein, sollten sie auch nach Meinung der FDP genau überprüft und das AKW wenn nötig sofort abschaltet werden. Diesen Entscheid kann und soll aber nur das ENSI fällen. Das ENSI hat nach den Ereignissen in Japan bereits verfügt, dass die Betreiber sämtlicher Kraftwerke in der Schweiz ihre Anlagen überprüfen müssen. Eine erste Überprüfung hat ergeben, dass zwar auch im AKW Mühleberg Verbesserungspotential vorhanden ist, doch es kann aufgrund der momentanen Kenntnis ein sicherer Betrieb gewährleistet werden. Nun zu den einzelnen Vorstössen: Mit Blick auf meine vorhergehende Argumentation stellt die FDP-Fraktion fest, dass fast alle Vorstösse zum Thema Sicherheit nicht stufengerecht sind und dass es in Bezug auf die Sicherheit auch schwierig ist, sich ein abschliessend objektives Bild zu verschaffen. Zur Motion Kropf: Im Sinn einer möglichst grossen Transparenz kann die FDP-Fraktion grundsätzlich mit dieser Forderung leben. Deshalb unterstützen wir Ziffer 1 auch als Motion. Für uns ist die Sicherheit ein zentraler und wichtiger Punkt. Deshalb sind wir auch für eine möglichst grosse Transparenz. Wenn wir auf der einen Seite eine hohe Sicherheit fordern, ist für uns auf der andern Seite auch klar, dass ein solcher Bericht veröffentlicht werden sollte. Doch versteht es sich für uns von selbst, dass keine Details, die zu einer Gefährdung führen könnten, veröffentlicht werden dürfen. Ich denke da zum Beispiel an Konstruktionsdetails. Die unter Ziffer 2 geforderte erneute umfassende Prüfung wurde vom UVEK beim ENSI bereits angeordnet. Deshalb sind wir wie die Regierung für Annahme und gleichzeitige Abschreibung. Ziffer 3, also die geforderte Information über kleinste Störfälle, ist mit der Informationspolitik der BKW bereits zu einem grossen Teil erfüllt. Die Regierung hat zudem versichert, dass sich ihre Vertreter im Verwaltungsrat der BKW dafür einsetzen werden. Wir werden auch diese Ziffer unterstützen. Zur Motion Grimm: Wir nehmen Ziffer 1 an unter gleichzeitiger Abschreibung. Das ist nicht Sache der Regierung, vielmehr soll das ENSI diese Beurteilung vornehmen. Zu Ziffer 2: Die Regierung verweist in ihrer Antwort auf die wesentlichen Punkte der Energiestrategie Sie haben es bereits von unserem Fraktionschef gehört: Dort wird anhand eines politischen Szenarios aufgezeigt, wie man aus der Kernkraft aussteigen soll. Welche Massnahmen und Konsequenzen aber die Strategie nach sich zieht, ist bis heute nicht nachgewiesen. Auch das Postulat Heuberger unterstützen wir. Roland Näf-Piera, Muri (SP). Die SP des Kantons Bern war die erste Organisation in der Schweiz, die nach dem Unglück von Fukushima die Ausserbetriebnahme des AKW Mühleberg forderte. Unsere Einschätzung hat sich nicht verändert, im Gegenteil: Das AKW Mühleberg ist aus unserer Sicht ganz klar gefährlich; nicht mehr und nicht weniger. Dazu zitiere ich den Präsidenten einer bürgerlichen Partei der Schweiz: «Die BKW muss Mühleberg jetzt schnell in Ordnung bringen. Heute ist das AKW nicht sicher genug.» Überlegen Sie sich, was das heissen würde, wenn man es wie folgt überträgt: Wenn wir zum Beispiel mit einem 40-jährigen Auto auf das Strassenverkehrsamt gehen und das Strassenverkehrsamt stellt fest, dass die Steuermechanik nicht sauber ist und die Bremsleitungen angerostet sind. Wir würden nicht einmal mehr nach Hause fahren. Was heisst das konkret in Bezug auf Mühleberg? Es geht darum, das AKW zumindest so lange ausser Betrieb zu setzen, bis die Schäden behoben sind, und ganz sicher nicht darum, so weiterzufahren, beziehungsweise das AKW weiterlaufen zu lassen. Warum nicht? Es ist etwas ganz anderes, ob wir wegen einer Bremsleitung oder einer Steuermechanik einen schweren Unfall bauen. Es sind ein paar Fahrzeuge betroffen und es ist schlimm für diese Leute, aber es ist ganz etwas anderes, ob die halbe Bevölkerung des Kantons Bern weggehen muss, evakuiert werden muss und wahrscheinlich nie mehr, nicht in den kommenden 10 Jahren, eventuell nicht einmal mehr in den kommenden 100 Jahren hier wird leben können. Ich zitiere dazu den ehemaligen Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Das ist etwas Ähnliches wie das ENSI in der Schweiz. Auf die Frage, wie lange das Gebiet unbewohnbar bleibt, antwortete er: «Jahrzehnte, womöglich auch Jahrhunderte. Die Situation ist in diesem Punkt ähnlich dramatisch wie in Tschernobyl, auch wenn der Unfall völlig anders verlief.» Wir finden folgenden Punkt wichtig: Mühleberg steht, übrigens im Gegensatz zu Fukushima, in einem sehr dicht besiedelten Gebiet. Es ist im europäischen Vergleich fast einzigartig. Das würde heissen: Nicht «nur» die Hälfte der Bernerinnen und Berner wäre betroffen, sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gäbe auch keine Berner Wirtschaft mehr. Wir müssten hier nicht mehr über wirtschaftliche Folgen des Ausstiegs diskutieren. Auch eine andere, besonders pikante Aussage stach mir auch noch in die Augen, und zwar jene des aktuellen Leiters des AKW Mühleberg, Patrick Miazza. Er machte vor ungefähr einem Jahr folgende Aussage: «Das Risiko bei einer Staumauer ist hundertmal höher als bei einem AKW.» Ich glaube, er ging, als er diese Aussage machte, nicht nachschauen,

162 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik wie es in Mühleberg aussieht. Er hätte nur ein paar 100 Meter um die Flussschlaufe gehen müssen und hätte dort die Staumauer des Wasserkraftwerks Mühleberg gesehen. Und jetzt komme ich auf Frau Struchens Votum zu sprechen, die vorhin hier am Rednerpult gesagt hat, es könne in der Schweiz keinen Tsunami geben. Wenn die alte Staumauer, die in den 20er-Jahren mit zu wenig Beton gebaut werden musste, brechen würde, hätten wir beim Kraftwerk Mühleberg genau den gleichen Effekt wie bei einem Tsunami. Es würde eine massive Flutwelle entstehen, was übrigens in einem Bericht der BKW zu lesen ist. Es ist nicht zufällig, dass das neue AKW auf einem Sockel hätte gebaut werden sollen. Das wird oft vergessen. Es ist klar: Der Grosse Rat kann hier keine Ausserbetriebnahme verfügen, denn dafür ist das ENSI zuständig. Das kann auch nicht der Regierungsrat. Aber das ENSI steht unter einem unglaublichen Druck, den wir hier im Saal auch spüren. Auf der einen Seite geht es um sehr viel Geld, auf der andern Seite geht es um die Sicherheit. Ob wir dieses Risiko akzeptieren, ist eine politische Frage. Wenn wir heute hier ein starkes Zeichen setzen, wird es dem ENSI wesentlich einfacher fallen, den Entscheid zu fällen; nämlich sofort Mühle Mühleberg ausser Betrieb zu setzen. Zum Schluss: Die SP unterstützt die Haltung des Regierungsrats bei sämtlichen drei Motionen und beim Postulat. Josef Jenni, Oberburg (EVP). Für die EVP ist die Sicherheit von Atomkraftwerken neben der dauerhaften Bewältigung der Abfallproblematik der zentrale Punkt bei der Frage, ob Kernkraftwerke betrieben werden sollen oder nicht. Auf der Welt befinden sich im Moment gemäss der Internationalen Atomenergieagentur 440 Kernreaktoren in Betrieb. Gemäss der IAEA wurden 85 Kernkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von mehr als 100 Megawatt bis heute definitiv abgeschaltet. Von diesen 85 Reaktoren gingen 6 Reaktoren mit allergrössten Problemen als Folge eines Unfalls vom Netz. Also jeder vierzehnte Reaktor. Es ist also gar nicht so abnormal, wenn ein Kernreaktor kaputt geht, und das mit all den Folgen. Die Wahrscheinlichkeit liegt heute bei 7 Prozent. Ich weiss nicht, was wir machen würden, wenn wir wüssten, dass mit 7 Prozent Wahrscheinlichkeit Mühleberg zerstört wird. Aus diesen Gründen kann sich die EVP mit den Antworten der Regierung einverstanden erklären. Nicht zufrieden sind wir mit der Antwort auf die Interpellation in Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz. Unsere Fachleute sind hier ganz klar folgender Meinung: Wenn ein Verkehrsflugzeug oder ein Militärflugzeug, ein Kampfjet, direkt auf das Kernkraftwerk zusteuert, ist es um das Kraftwerk geschehen. Wir glauben schlichtweg nicht, dass das Kernkraftwerk absturzsicher ist. Sehr eindrücklich ist auch die Antwort auf die Interpellation von Kathy Hänni. Ich empfehle Ihnen noch einmal, sie wirklich durchzulesen. Ich persönlich kann es nicht verstehen, wenn diese Antwort jemanden kalt lässt. Zusammengefasst stimmt die EVP den Anträgen der Regierung mehrheitlich zu. Bernhard Riem, Iffwil (BDP). Zum ersten Teil des Blocks 2 wurden sämtliche Vorstösse Ende März oder Anfang April eingereicht, also nachdem sich die energiepolitische Ausgangslage massiv verändert hat. Einiges ist mittlerweile längst geklärt, von anderem wissen mittlerweile die meisten, wer dafür zuständig ist. Übrig bleibt für den Rat nicht mehr viel Bahnbrechendes zu entscheiden. Zur Motion Kropf, Ziffer 1: Unsere Fraktion befürwortet grossmehrheitlich wie die Regierung die Offenlegung als vertrauensbildende Massnahme, sobald der Bericht verfügbar ist. Wenige Mitglieder werden diese Ziffer ablehnen, weil die Forderung als nicht stufengerecht beurteilt wird. Zu Ziffer 2: Für eine erneute Sicherheitsüberprüfung ist der Bund zuständig, die Sache ist am Laufen, das ENSI prüft erneut. Hierzu folgen keine weiteren Erklärungen meinerseits, wir sind für Annahme und Abschreibung. Zu Ziffer 3: Niemand kann ernsthaft gegen eine offene Information sein. Zuständig ist aber auch hier der Bund. Wir empfehlen in diesem Fall trotzdem Annahme und Abschreibung. Zur Motion Grimm: Sie stammt aus der Zeit vor der Volksabstimmung zum Ersatzkraftwerk und selbstverständlich von vor dem Unfall in Japan. Auch dieser Vorstoss ist teilweise von der Geschichte überholt. Er kommt mir so vor, als ob statt Musik auf dem Gurten in diesem Ratsaal ein Luftgitarrenkonzert stattfinden würde. Die Show und Verrenkungen täuschen darüber hinweg, dass kaum ein Ton produziert wird. Hier die Stellungnahme der BDP konkret: Wie lange ein Kernkraftwerk betrieben werden kann, ist nicht Sache der Regierung, sondern allein eine Angelegenheit des ENSI und der Betreiberfirma, die diese Auflagen erfüllen kann oder nicht. Die zweite Forderung ist in der Form, wie die Frage gestellt ist, längst überholt. Es steht kein Eratzkraftwerk Mühleberg mehr zur Diskussion. Der Bundesrat, der Nationalrat und die BDP haben den geordneten Ausstieg beschlossen. Ob das politische Szenario und die Realitäten des Energieverbrauchs, beziehungsweise der Energieerzeugung, einander je einmal entsprechen werden, wird sich weisen. Die Einführung einer Brennelementsteuer ist für die BDP-Fraktion kein Thema. Erstaunlicherweise ist sie das sogar für die Mehrheit der Regierung nicht. Meine ganz persönliche Meinung zu diesem Punkt geht über eine Brennelementsteuer hinaus. Zusätzliche kantonale Steuern und Abgaben sind nur mit grösster Zurückhaltung einzuführen, auch im Energiebereich. Der Kanton Bern befindet sich bezüglich seiner Wirtschaftskraft im hinteren Teil der Kantonsrangliste. Sondersteuern und Alleingänge verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe im Kanton. Jede Form von Abgaben muss schweizweit erfolgen und auch das mit äusserster Zurückhaltung bezüglich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die BDP lehnt die Motion Grimm und Häsler ab. Das Postulat Heuberger empfehlen wir zur Annahme; zur Prüfung. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne). Wir haben jetzt grade von meinem Vorredner gehört, wir würden hier Luftgitarre spielen, und es gäbe nichts mehr Bedeutendes zu entscheiden, nachdem die BDP entschieden hat. Ganz so ist es nicht und darüber bin ich froh. Ich bin sehr dankbar für die vielen sehr wertvollen Antworten, die wir bekommen haben und ich möchte mich für die grosse Arbeit bedanken, die in Zusammenhang mit all den Vorstössen zur Sondersession in der Regierung und in der Verwaltung geleistet worden ist. Wir alle haben hier wichtige Fragen gestellt. Es geht immerhin um Menschen, die in der Sicherheitszone Gefahrenzone II leben. Dies ist eine Zahl, zu der die kantonale Polizeiund Militärdirektion im Oktober in einer Antwort auf eine Interpellation noch Folgendes gesagt hat: «Bei einem Störfall in einem Kernkraftwerk ist die Evakuation von Tausenden von Menschen innert weniger Stunden nicht durchführbar, nicht vorgesehen und auch nicht sinnvoll.» Das war die Antwort der Polizei- und Militärdirektion im vergangenen Oktober auf eine Interpellation zur Frage, was bei einem Störfall passieren würde. Ein Antwort, die uns heute, nach all den Ereignissen in Japan, nach den Diskussionen der letzten Wochen und nach den teilweise auch unsicheren und widersprüchlichen Aussagen von Experten definitiv Gänsehaut verursacht. «Bei einem Störfall ist die Evakuation von Tausenden von Menschen nicht durchführbar, nicht vorgesehen und nicht sinnvoll.» Wir wissen aus heutiger Sicht, was passiert, wenn die Menschen nicht evakuiert werden können. Das war damals zum Beispiel in Tschernobyl der Fall. Die Menschen wurden zu spät evakuiert und die Folgen waren katastrophal.

163 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 603 Wir lesen, schauen und hören noch heute davon und wir wissen, wie viele auch ungenannte Menschenleben damals dieser Katastrophe zum Opfer gefallen sind. Wir können, wollen und dürfen dieses Risiko nicht länger auf uns nehmen. Und wir dürfen das Schicksal mit der Haltung, es werde wohl schon nichts passieren, nicht herausfordern. Es ist unmöglich, in der kurzen Zeit, in der wir hier als Fraktionssprechende zur Verfügung haben, wirklich detailliert zu den Vorstössen aus dem Block 2 Stellung zu nehmen, deshalb mache ich es einfach in globo, relativ kurz: Für uns ist klar: Sicherheit ist nicht verhandelbar. Bei all denjenigen Interpellationen und Vorstössen in Block 2 zu Fragen der Sicherheit bedanken wir uns für die Beantwortung. Bei den Vorstössen mit Forderungen folgen wir der Regierung, ausgenommen bei der Motion Grimm, die wir lieber nicht abschreiben möchten. Ansonsten folgen wir überall der Regierung und genehmigen entsprechend diese Vorstösse. Wir sind überzeugt: Wenn wir hier schon kurz sein müssen, gibt es eine globale Antwort auf diese Fragen: Den Ausstieg müssen wir rasch und gemeinsam an die Hand nehmen. Die Sicherheit der Bevölkerung geht vor. Und ich spreche nicht allein von der Versorgungssicherheit, ich spreche von der Sicherheit. Sicherheit ist nicht verhandelbar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deshalb wollen wir an die Arbeit gehen. Vielen Dank für die Unterstützung dieser Vorstösse. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Christine, du hast die Sicherheit angesprochen und das ist ja das Thema, um das es hier geht. Eine absolute Sicherheit gibt es einfach nicht. Dieses Problem haben wir in unseren Regionen und im Leben, es gibt keine absolute Sicherheit. Bedenken Sie: Wenn irgendeine Staumauer im Oberland geborsten oder die Mauer des Schiffenensees gebrochen wäre, würden wir heute über ganz andere Dinge diskutieren. Es ist eine Grundaufgabe eines jeden Werkes, das erbaut wird, immer wieder abzuchecken, welche Risiken es birgt und wie man es so sicher wie möglich gestalten kann. Das ist auch im Interesse der EDU und deshalb unterstützen wir die Motion von Blaise Kropf. Die im Sicherheitsbericht aufgeführten Aspekte sollen im Sinn der Transparenz offengelegt werden, sobald sie offengelegt werden dürfen und sobald ein gewisses Verfahren abgeschlossen ist. Vorausgesetzt die Motion Grimm wird angenommen und abgeschrieben, haben wir damit kein Problem. Wenn sie aber nur angenommen würde, hätten wir ein Problem. In diesem Fall würden wir sie nicht unterstützen. Das Postulat von Herrn Heuberger berührt ebenfalls einen sehr wichtigen Punkt. Der Unfall in Japan zeigte, welche Schwächen vorhanden sind. Doch hat der Bund Berichte ausgearbeitet oder ist dabei, sie auszuarbeiten. Wir finden die Anregungen sehr wertvoll, aber eigentlich ist es eine Bundessache. Sobald die Sache auf dem Tisch liegt und in die Umsetzung geht, muss der Kanton das in Mühleberg umsetzen, die Massnahmenpläne erarbeiten und aufzeigen, wie er das lösen will. In diesem Sinn können wir das Postulat auch unterstützen und finden es ebenfalls positiv. Präsident. Wir kommen zur ersten Einzelsprecherin. Hier gilt eine Redezeit von zwei Minuten. Ursula Brunner, Hinterkappelen (SP). Ich spreche speziell zum Geschäft 131, «Medizinische Vorkehrungen bei AKW- Havarie Mühleberg». Die Antwort des Regierungsrats ist sorgfältig, und ich bedanke mich für die Sorgfalt, die die Verwaltung bei der Beantwortung aller Fragen an den Tag gelegt hat. Anderseits hat mich das in keiner Art und Weise beruhigt. Ich setze mich seit mehr als 30 Jahren gegen die Atomtechnologie ein. Ich kann Ihnen sagen: Die Wirklichkeit, wenn wirklich etwas passiert, wird noch einmal unendlich viel schlimmer sein, als wir dies hier im Entferntesten der vorliegenden Antwort entnehmen können. Keine Stromlücke, keine freie Marktwirtschaft, keine Versorgungssicherheit rechtfertigt das Restrisiko, das mit dieser Technologie verbunden ist. Aus diesem Grund gebe ich das Wort an Franz Hohler, der das Restrisiko beschrieben hat: Hannes Zaugg-Graf, Uetendorf (SP): Ich wurde gebeten, dies vorzulesen: Sie finden vielleicht, ich passe nicht hierher da müsste ich sagen, das bedaure ich sehr denn ich bin praktisch bei jedem Empfang vielleicht nicht zuvorderst, eher hinten, im Gang da tauche ich auf, ohne Eile, ohne Hast und stehe dann da wie der dreizehnte Gast Meine Damen, meine Herren wie geht es? Hallo! Mir geht es gut, ich bin das Restrisiko. Ich habe an alle von euch gedacht und habe ein Köfferchen mitgebracht. Brennstabschmelzen und Natriumbrände plötzlich berstende Reaktorwände Computerfehler für Erstschlagbefehle leckende Gase und Gifte und Öle hab ich alles da drin, nehmt ihr alles in Kauf! Wollt ihr mal sehen? Dann mach ich es auf Meine Damen, meine Herren wie geht es? Hallo! Mir geht es gut, ich bin das Restrisiko. Zwischen Beznau und Leibstadt gefällt es mir prima Fast so gut wie in Fukushima... Ich habe an alle von euch gedacht und hab es für heute nicht aufgemacht. Doch wo immer die Gesellschaft ihre Höhenflüge feiert wo immer man die Macht des Fortschritts beteuert wo immer man Gesetze und Verträge besiegelt wo immer man schwere Türen verriegelt da sieht man mich irgendwo im Hintergrunde und irgendeinmal schlägt meine Stunde! Meine Damen, meine Herren ich bin ja so froh bin immer bei euch das Restrisiko. [ ] Ich glaube, ich muss jetzt langsam wieder gehen es war wirklich schön, Sie alle hier zu sehn ich muss noch zur Expertensitzung des Bundes das ist immer etwas Hübsches, Nettes, Rundes da machen alle so ein eifriges Gesicht und ich sitze da, und sie sehen mich nicht! Aber Sie sahn mich jetzt und das freut mich ja so. Auf Wiedersehen! Ihr Restrisiko. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich spreche zum Geschäft 127, Motion Grimm «Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation». Hier ist der Zusammenhang zwischen den Ziffern 1 und 3 wichtig. Gemäss Ziffer 3 würde eine Brennelementsteuer eingeführt, was die Rentabilität des Werkes senken würde. Es gibt noch andere Einflüsse, die die Renta-

164 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik bilität des Geschäftes senken würden, nämlich die berechtigten Forderungen des ENSI, die es vielleicht nach Fukushima einmal durchsetzt das könnte ja sein. Die Mängelliste von Mühleberg ist die längste sämtlicher Mängellisten der AKW in der ganzen Schweiz. Das würde ja wahrscheinlich auch Kosten bewirken. Beide Kosten zusammengezählt könnten dann durchaus Einfluss auf Ziffer 1 haben, nämlich auf das frühzeitige Abschalten von Mühleberg. Das heisst also, wenn wir Ziffer 3 überweisen, würden wir ein Stück weit auch einen Beitrag zu Ziffer 1 leisten. Die Regierung sagt, sie sei nicht zuständig für das Abschalten. Aber indirekt, über eine Brennelementsteuer, könnte tatsächlich eine vorzeitige Abschaltung von Mühleberg bewirkt werden. Deshalb stimme ich selber gegen die Abschreibung von Ziffer 3, denn es ist wichtig, dass man diese Ziffer klärt. Es gibt noch klärungsbedürftige Fragen und diese Ziffer muss unbedingt geklärt werden. Deshalb darf man Ziffer 3 nicht abschreiben. Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr. Die Redaktorinnen: Dorothea Richner (d) Catherine Graf Lutz (f) Anhang Block 2: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 597 hiervor. Geschäft /11 Motion Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle Wortlaut der Motion vom 24. Januar Die Regierung wird aufgefordert zu veranlassen, dass die BKW eine dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle macht. 2. Die Strompreise sind entsprechend anzupassen. Begründung: Es ist nach heutigem Stand des Wissens nicht absehbar, wann das geplante Zwischenlager im Mühleberg, das nach Angaben der BKW auch Platz für die Lagerung von Abfällen anderer AKW bietet, seinen Abfall einem Endlager zuführen kann. Deshalb ist es notwendig, diese Investition für den Bau des geplanten Zwischen-/Endlagers dynamisch in die Rechnung aufzunehmen. Bei der dynamischen Investitionsrechnung ist der Kapitalwert oder Nettogegenwartswert eine Kennziffer, die es dem Investor (hier BKW bzw. der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär) erlaubt zu beurteilen, ob er das eingesetzte Kapital plus Verzinsung mindestens wieder zurückbekommt (Kapitalwert >= 0) oder nicht (Kapitalwert <0), also über den Gewinn/Verlust einer Investition. Bei der Kapitalbeschaffung auf dem Markt erlaubt diese Kennziffer den Banken zu beurteilen, wie hoch das Risiko des geliehenen Geldes ist. Die dynamische Investitionsrechung ist heute für langfristige Investitionen und Verpflichtungen (z. B. Bürgschaften) üblich. Der Bau und Betrieb dieses Zwischenlagers auf der Anlage in Mühleberg wird nie einen Rückerlös geben, sondern für die Betreiberfirma in der Kapitalrechnung nur eine endlose Last bedeuten, die nach der Stilllegung durch den Kanton bzw. die Steuerzahler übernommen werden muss. Die Kosten für ein Lager mit 20 Mitarbeitern kann man mit gutem Gewissen auf 5 Mio. Franken/a veranschlagen ( pro Mitarbeiter). Der Kapitalwert für 300 Jahre Abfallbewirtschaftung, mit 3 Prozent diskontiert und aufsummiert, beträgt 1218 Mrd. Franken. Nach Angaben der Regierung auf die Interpellation 103/10 werden die Betriebskosten für ein Zwischenlager aber nur auf 240 Mio. Franken veranschlagt, was mit einer dynamischen Investitionsrechnung gerade für ca. 40 Jahre reicht. Dieser Aufwand der gesamten Abfallbewirtschaftung muss aber nach dem Verursacherprinzip von denjenigen bezahlt werden, die auch den Strom konsumieren und den Abfall produzieren. Deshalb muss diese Investition in ihrer ganzen Summe auf die Strompreise für die produzierte kwh abgewälzt werden, solange das AKW in Betrieb ist. (Weitere Unterschriften: 0) Dringlichkeit abgelehnt am 31. Januar 2011 Geschäft /11 Dringliche Interpellation Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem? Wortlaut der Interpellation vom 21. März 2011 Die tragischen Ereignisse in Japan unterstreichen die Befürchtungen, die die Grünen seit Jahren der Kernenergie

165 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 605 entgegenbringen. Die Kernkraftwerkanlage von Fukushima ist mit demselben Reaktortyp, einem Siedwasserreaktor, ausgerüstet und wurde ziemlich genau zur selben Zeit erbaut. Der Standard ist somit vergleichbar. Das KKW Mühleberg liegt an der Aare unweit unterhalb der Staumauer des Wohlensees. Ein mögliches Erdbeben könnte diese 90 Jahre alte Staumauer beschädigen und das inzwischen 40-jährige Kraftwerk ausser Betrieb setzen. Bekanntlich entstand durch das Erdbeben in Japan ein Stromausfall, der das Notkühlsystem ausser Betrieb brachte. Eine Flutwelle könnte auch das KKW Mühleberg erfassen. Nach verschiedenen Explosionen in den Reaktoren und einem Brand im Abklingbecken des havarierten KKW Fukushima 1 steht Japan im Banne einer radioaktiven Wolke. Die Winde scheinen eine grössere Verseuchung des Landes zu verhindern, da diese die radioaktive Wolke aufs Meer lenken. Dies kann jedoch in Mühleberg nicht der Fall sein. Ein möglicher, vergleichbarer atomarer Unfall in Mühleberg wird demzufolge immer das Land verseuchen. Es wären mehrere Menschen davon betroffen. Die Folgen sind unvorstellbar. Obwohl das erdbebenerfahrene Japan über hohe Sicherheitsvorkehrungen verfügt, gelang es der Tepco (Betreiberin der Anlage) bislang nicht, das Notkühlsystem wieder in Betrieb zu nehmen. Die deutsche Bundesregierung hat sofort reagiert und beschlossen, die ältesten sieben Kernkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen. Dies, damit die Reaktoren auf deren Sicherheit überprüft werden können. Vier davon werden wohl nie mehr in Betrieb gesetzt werden. Das ENSI (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) trat am an die Medien mit folgender Mitteilung: «Kernanlagen in der Schweiz sind sicher». Eine neue Studie des renommierten Öko-Instituts Darmstadt untersuchte die Arbeit des ENSI. Die Studie ist für die Aufsichtsbehörde wenig schmeichelhaft. Die Aussagen des ENSI seien widersprüchlich, wenig aussagekräftig und nicht geeignet, die mögliche Gefährdung durch den Kernmantelschaden zu widerlegen. Sie würden im Gegenteil auf einen «wesentlichen Schadenzustand» im AKW Mühleberg hinweisen. An anderer Stelle heisst es, dass die Ausführungen «nicht ausreichend und stellenweise verharmlosend» seien. Sie geben im Gegenteil «Anlass für erhöhte sicherheitstechnische Bedenken» (Zitat Bericht az vom Mittwoch, ). Die BKW wehrt sich dagegen und behauptet, dass Mühleberg keine Mängel habe und aus diesem Grund keine Sofortmassnahmen nötig seien. Der ENSI-Bericht würde eben gerade belegen, dass Mühleberg sicher sei. Verwaltungsratspräsident Urs Gasche äussert sich in der Presse vom Montag (vergleiche BZ vom ) dazu, dass er auch weiterhin auf Kernenergie setzen will. Dies wirkt im Zusammenhang mit dem gravierenden Unfall in Fukushima sehr überheblich, unglaubwürdig, arrogant und zynisch. Aus diesem Grund wird der Regierungsrat gebeten, die nachfolgenden Fragen zu beantworten. 1. Erachtet der Regierungsrat die Aussagen des Berichtes des Öko-Instituts Darmstadt zu den Aussagen des ENSI vom als falsch oder nicht relevant? 2. Mit welcher absoluten Sicherheit kann angenommen werden, dass sich in der Schweiz niemals ein stärkeres Erdbeben ereignen wird als jenes im Jahr 1356 in Basel, das bislang stärkste Beben in Europa nördlich der Alpen mit einer Stärke zwischen 6,2 6,7 auf der Richterskala? 3. Welche konkreten Notszenarien hat die BKW für den Fall eines Dammbruchs der Staumauer am Wohlensee vorgesehen. 4. Warum sieht die Planung für das neue KKW Mühleberg vor, dass dieses in erhöhter Lage gebaut werden soll (wenn doch das alte gemäss BKW-Behauptungen absolut sicher ist)? 5. Welche konkreten Massnahmen wurde beim KKW Mühleberg vorgenommen, damit ein solcher Zwischenfall Flutung des Abkühlbeckens funktioniert nicht sich nicht ereignen kann? 6. Worin liegen die Unterschiede zwischen dem Notkühlsystem von Fukushima und demjenigen von Mühleberg? Kann angenommen werden, dass die BKW in Mühleberg über einen wirkungsvolleren und technisch zuverlässigeren Schutz vor Stromausfall verfügt? 7. Welche zusätzlichen Sicherheitssysteme wurden beim KKW Mühleberg eingebaut, sodass sich ein Unfall wie in Fukushima nicht ereignen kann. 8. Das neue KKW Mühleberg soll falls es jemals gebaut werden sollte mit weiterentwickelten passiven Sicherheitssystemen ausgerüstet werden. Was ist mit «passiven Sicherheitssystemen» gemeint und warum wurde das alte KKW nicht damit nachgerüstet? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg? Wortlaut der Interpellation vom 21. März 2011 Kurz vor der Abstimmung vom 13. Februar 2011 wurde bekannt, dass in Mühleberg ein atomares Zwischenlager betrieben wird. Sollte wider Erwarten in Mühleberg ein neues KKW mit der vierfachen Leistung des alten Kraftwerks erstellt werden, würde gemäss Planung der BKW ein Zwischenlager so dimensioniert, dass nicht nur Abfälle von Mühleberg selber, sondern auch noch Bestände von den übrigen KKW der Schweiz eingelagert würden. Die BKW verschwieg der Öffentlichkeit diese Tatsache lange Zeit und machte sich damit sehr unglaubhaft. In Japan ist nun das Unwahrscheinliche eingetroffen, und das KKW Fukushima zerstört mit der austretenden radioaktiven Strahlung die Umwelt, die Menschen und deren Zukunft. Ein Szenario, das die Grünen seit vielen Jahren befürchten, ist 25 Jahre nach Tschernobyl wieder aufgetreten. Die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist weltweit nirgends gelöst. Bei einem grossen Erdbeben, einem Flugzeugabsturz, einem Terroranschlag oder einem aus menschlichem Ermessen heute nicht bekannten Ereignis könnte auch das Zwischenlager in Mühleberg in Mitleidenschaft gezogen werden. Es könnten sich somit ähnliche Horrorbilder wie sie in Japan zurzeit leider Tatsache sind auch in der Schweiz wiederholen. Dies gilt es mit allen Mitteln zu vermeiden. Der Regierungsrat wird aus diesem Grund gebeten, die nachfolgenden Fragen zu beantworten: 1. Wie schätzt der Regierungsrat die Gefahr einer nuklearen Katastrophe in Bezug auf das Zwischenlager ein, falls die Anlage von Mühleberg durch ein Erdbeben, einen Terroranschlag oder einen Flugzeugabsturz beschädigt oder durch einen Staudammbruch überflutet werden sollte? 2. Welche konkreten Sofortvorkehrungen werden aus den Erkenntnissen von Fukushima in Bezug auf die Sicherheit des Zwischenlagers in Mühleberg getroffen? 3. Wer entscheidet wann darüber, welche Massnahmen sofort, welche mittelfristig und welche langfristig vollzogen werden müssen? 4. Wer würde die Folgekosten einer solchen Katastrophe tragen?

166 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik 5. Welche Auflagen macht der Regierungsrat der BKW in seiner Funktion als Mitglied des Verwaltungsrates diesbezüglich? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Näf-Piera, Muri (SP) Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg Wortlaut der Interpellation vom 28. März 2011 Nach den verheerenden Naturkatastrophen in Japan wird die ums Überleben kämpfende Bevölkerung auch noch von einem atomaren GAU, der an die Kernschmelze von Tschernobyl erinnert, heimgesucht. Bei den betroffenen AKW Fukushima I-VI handelt es sich wie in Mühleberg um Siedewasserreaktoren, die erdbebensicher (bis 8,25 nach Richterskala) gebaut wurden und den hohen internationalen Sicherheitsstandards entsprachen. Da auch in der Schweiz jederzeit ein Erdbeben auftreten kann und unterhalb des Stauwerks Wohlensee beim AKW Mühleberg die Gefahr grosser Überschwemmungen besteht, wird der Regierungsrat gebeten, die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Auf welche Erdbebenstärke ist das AKW Mühleberg ausgelegt? Welche Erdbebenstärke wird in Mühleberg gemäss aktuellsten Studien als wahrscheinlich angesehen? Was könnte passieren bei Erdbeben der Stärke 6,5 (Basel 1356) und höher? 2. Auf welche Erdbebenstärke ist die Wohlensee-Staumauer von 1920 ausgelegt? Ist deren Sicherheit angesichts der Mängel bei der Konstruktion (schlechter Beton) gewährleistet? 3. Wie würde sich der Bruch der Wohlensee-Staumauer auf das AKW Mühleberg auswirken? Insbesondere auch in Bezug auf die grossen Schlammmassen, welche damit freigesetzt würden? 4. Wie stellt der Regierungsrat sicher, dass die Informationspolitik der AKW-Verantwortlichen jederzeit verantwortungsbewusst, wahrheitsgemäss und transparent erfolgt also ganz anders als in den Fällen Tschernobyl und Fukushima? 5. Wie beurteilt der Regierungsrat die Möglichkeit, das AKW Mühleberg vorläufig abzustellen, bis eine Sicherheitsanalyse aufgrund der Erfahrungen aus Japan vorliegt? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Motion Kropf, Bern (Grüne) Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, 1. das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI und die BKW aufzufordern, den von der BKW auf Ende 2010 erstellten Langzeitsicherheitsbericht zu Mühleberg sofort offenzulegen und zu kommentieren 2. sich beim Bundesrat für eine erneute, umfassende Sicherheitsüberprüfung des AKW Mühleberg auf der Basis der Erkenntnisse aus dem Unglücksfall in Japan einzusetzen 3. die AKW-Betreiber und die Kontrollbehörden zu einer aktiven, umfassenden und unverzüglichen Information schon bei kleinsten Störfällen zu verpflichten Begründung: Die dramatischen Vorfälle im japanischen AKW Fukushima haben die Frage nach der Sicherheit von AKW zuoberst auf die politische Traktandenliste gesetzt. Die Havarie der japanischen Reaktoren zeigt auf, dass fatale Unglücksfälle auch in hochentwickelten Ländern mit Spitzentechnologie passieren können und nicht nur in den besonders veralteten Kraftwerken in der ehemaligen Sowjetunion. Dieser Sachverhalt hat weltweit zu einer Wiederbelebung der Sicherheitsdiskussion geführt. In der EU sollen beispielsweise die rund 140 AKW Stresstests unterzogen werden. Und in den USA sollen wenigstens die Standorte für AKW überprüft werden. In der Schweiz hat das ENSI bereits vor der Katastrophe in Japan aufgrund der politischen Debatte beschlossen, den Langzeitsicherheitsbericht für das AKW Mühleberg vorzuziehen. Die BKW als Betreiberin des AKW Mühleberg hatte bis Ende Dezember 2010 einen umfassenden Bericht/Konzept über den Sicherheitsstand des AKW Mühleberg abzuliefern. Das ENSI plant, den Bericht auszuwerten und im Verlaufe des Jahres 2011 dazu Stellung zu nehmen und Schlussfolgerungen zu präsentieren. Aufgrund der Vorfälle in Japan ist es dringend geboten, den Langzeitsicherheitsbericht (namentlich die per Ende Dezember 2010 erstellte Stellungnahme der BKW) sofort offenzulegen und damit gegenüber der Öffentlichkeit transparent darzulegen, welche Massnahmen ergriffen wurden und welche Sicherheitsmängel weiterhin bestehen (Erdbebensicherheit, Mängel beim Kernmantel etc.). Darüber hinaus muss auf der Basis der Erkenntnisse aus dem Unglücksfall in Fukushima eine erneute Sicherheitsüberprüfung mit aktualisierten Fragestellungen lanciert werden. Die BKW soll künftig auch bei kleinsten Vorfällen die Öffentlichkeit umfassend informieren. (Weitere Unterschriften: 13) Geschäft /11 Interpellation Imboden, Bern (Grüne) Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg gewährleistet? Wortlaut der Interpellation vom 11. April 2011 Es ist ein Kampf unter Extrembedingungen, mit höchstem Risiko für Leben und Gesundheit: Im AKW Fukushima versuchen seit Wochen ein paar Dutzend Techniker, das Schlimmste zu verhindern; zynisch werden sie «die tapferen 50» genannt. Für Leute, die beruflich mit Strahlung zu tun haben, ist die Frage des Grenzwerts existenziell. Im Normalfall darf zum Beispiel ein/e AKW-Mitarbeiter/in 20 Millisievert im Jahr abbekommen, im Ausnahmefall 50 Millisievert. Wer welchen Strahlendosen ausgesetzt sein darf, ist in der Schweiz im Strahlenschutzgesetz (StSG) vom und der dazugehörenden Strahlenschutzverordnung (StSV) vom geregelt. Bereits im «Normalbetrieb» ist der Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden in den Atomkraftwerken gefährdet. Allein in den letzten vier Jahren wurden in der Schweiz in zwei Werken Mitarbeiter verstrahlt. 1 Ein neue Studie, bei der über 1 Der eine Zwischenfall ereignete sich im Juli 2009 im Block 2 des AKW Beznau. Zwei Mitarbeiter brachten unterhalb des Reaktordruckbehälters Leuchten für den späteren Einsatz einer Kamera an. Weil andere Mitarbeiter gleichzeitig in einem anderen Raum mit stark strahlenden Rohren und Sonden hantierten, stieg die Belastung unterhalb des Druckbehälters vorübergehend stark an, und die beiden Mitarbeiter wurden einer Dosis von 25 bzw. rund 39 Millisievert

167 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag AKW-Angestellte in fünfzehn Ländern einbezogen worden sind, zeigt, dass man das Risiko vermutlich völlig unterschätzt hat: Die Strahlenbelastung fordert doppelt so viele Krebstodesfälle wie bislang angenommen, die Grenzwerte müssten demnach massiv gesenkt werden. Übrigens hat die Schweiz bei dieser Studie miserabel abgeschnitten: Verglichen mit Angestellten französischer Atomkraftwerke hatten die von Beznau und Mühleberg das Vierfache an Strahlung abbekommen (WoZ, ). Der Regierungsrat wird um die Beantwortung folgender Fragen zur Sicherheit der Mitarbeitenden des Atomkraftwerks Mühleberg gebeten: 1. Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg im «Normalbetrieb» sichergestellt? Wie wird die Umsetzung der Strahlenschutzverordnung überwacht? 2. Was für Schlüsse zieht das AKW Mühleberg aus der unten zitierten internationalen Studie, die zeigt, dass verglichen mit Angestellten französischer Atomkraftwerke Mitarbeitende des AKW Mühleberg das Vierfache an Strahlung abbekommen? 3. Wie hoch ist die Anzahl Mitarbeitende, die bei einem Ernstfall für Notfallarbeiten herangezogen werden? Welche Ausbildung haben diese Mitarbeitenden? Ist ihr Einsatz in Notfall freiwillig, bzw. wie sind die Auswahlkriterien? 4. Werden aufgrund der Ereignisse in Japan die Sicherheitsund Gesundheitsschutzbestimmungen für die Mitarbeitenden für einen atomaren Notfall überprüft und allenfalls angepasst? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Interpellation Scheuss, Biel (Grüne) Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg? Wortlaut der Interpellation vom 5. April 2011 Der Super-GAU kommt immer überraschend und unvorhersehbar. Niemand baut ein AKW, ohne nicht die besten Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Dazu gehört auch die Sicherheit bei einem Flugzeugabsturz, besonders bei einem gezielt herbeigeführten Absturz. Das AKW Mühleberg wurde beim Bau bekanntlich nicht auf den Fall eines Flugzeugabsturzes ausgelegt. Gesetzliche Vorschriften dafür gibt es erst seit den 1980er-Jahren. Das AKW Mühleberg wurde entsprechend nachgerüstet, wobei der Fall eines absichtlich herbeigeführten Absturzes nicht berücksichtigt wurde. Dies änderte sich nach dem 11. September In der sicherheitstechnischen Stellungnahme des eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) zur letzten periodischen Sicherheitsüberprüfung des Kernkraftwerks Mühleberg aus dem Jahr 2007 ist zu lesen, dass für das AKW Mühleberg bei mittleren Geschwindigkeiten eines Passagierflugzeugs ein Schutz der im Reaktorgebäude installierten Einrichtungen gegen die Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes besteht: «Dank der inneren, massiven Strukturen ist auch bei einem Durchstanzen des äusseren Gebäudes ein hoher Schutzgrad gegen eine Beschädigung der für die Kernkühlung relevanten Systeme vorhanden. Weiterhin zeigt die Untersuchung, dass die Tragfähigkeit und Dichtheit des Reaktor- und SUSAN-Gebäudes (spezielles ausgesetzt. Erlaubt sind normalerweise insgesamt 20 Millisievert während eines ganzen Jahres. In Ausnahmefällen kann dieser Wert aber auch schon mal auf 50 angehoben werden. Der zweite Fall der Stufe 2 ereignete sich im August letzten Jahres in Leibstadt. Ein Taucher, der im Brennelementtransfer-Becken loses Material einsammeln musste, erhielt am ganzen Körper eine Strahlendosis von 28 Millisievert. An der Hand, mit der er ein stark radioaktives Rohrstück angefasst hatte, war die Dosis noch höher. unabhängiges System zur Abfuhr der Nachwärme) auch nach einem grösseren Kerosinbrand erhalten bleibt. Die Analyse zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung gering ist.» Der Regierungsrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wurden bis heute Massnahmen getroffen, um den Schutz des Reaktorgebäudes und der Sicherheitsanlagen vor unfallbedingten und gezielten Flugzeugabstürzen (mit der Absicht, einen Super-GAU auszulösen) zu verbessern? 2. Bis zu welchem Ausmass ist das AKW Mühleberg vor einem Kerosinbrand geschützt? (Weitere Unterschriften: 0) Gemeinsame Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 In Folge der Ereignisse in Fukushima wurden folgende Vorstösse betreffend verschiedene Sicherheitsaspekte des Kernkraftwerks Mühleberg (KKM) eingereicht: Motion 010/11 Schöni «Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle» Motion 091/11 Kropf «Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen» Interpellation 074/11 Grimm «Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem?» Interpellation 075/11 Grimm «Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg?» Interpellation 088/11 Näf «Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg?» Interpellation 153/11 Imboden «Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW-Mühleberg gewährleistet?» Interpellation 143/11 Scheuss «Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg?» Da diese Vorstösse dieselben Themenbereiche behandeln, werden sie gemeinsam beantwortet. Die Vorstösse thematisieren alle Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Mühleberg (KKM). Der Regierungsrat hält fest, dass er weder für die Sicherheit des Kernkraftwerks Mühleberg verantwortlich noch in der Lage ist, die teilweise sehr detaillierten und technischen Fragen selbst zu beantworten. Für die Sicherheit der Kernkraftwerke in der ganzen Schweiz ist das Nuklearinspektorat (ENSI) zuständig. Die folgenden Antworten basieren deshalb stark auf Angaben der BKW FMB Energie AG als Betreiberin des Kernkraftwerkes. Beantwortung der einzelnen Vorstösse: Motion 010/11, Schöni «Dynamische Investitionsrechnung für die Lagerung nuklearer Abfälle»: Die Motion verlangt im Zusammenhang mit dem für den Ersatz des heutigen Kernkraftwerks Mühleberg (EKKM) notwendigen Zwischenlager eine dynamische Investitionsrechnung. Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine Motion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates (Richtlinienmotion). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages, und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. Nach den Ereignissen in Fukushima hat der Bund die drei Rahmenbewilligungsgesuche für die Ersatzkernkraftwerke inkl. EKKM sistiert. Mit diesem Entscheid ist das Anliegen der Motion gegenstandslos geworden. Für das Projekt EKKM wäre zudem gemäss Auskunft der BKW ohnehin eine dynamische Investitionsrechnung geführt worden, welche auch das Zwischenlager umfasst hätte. Damit sind die Anliegen der Motion grundsätzlich erfüllt. Antrag: Annahme unter gleichzeitiger Abschreibung.

168 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Motion 091/11, Kropf «Langzeitsicherheitsbericht für AKW Mühleberg sofort offenlegen» Zu Ziffer 1: Die Frage der Sicherheit von Kernanlagen ist für die Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung. Der Regierungsrat wird sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bei der BKW und der ENSI für die Veröffentlichung des Langzeitsicherheitsberichts einsetzen. Die sofortige Veröffentlichung ist nicht möglich, da das ENSI diesen Bericht zurzeit noch prüft. Zu Ziffer 2: Die von den Vorstössen verlangte erneute und umfassende Sicherheitsüberprüfung des KKW Mühlebergs hat das zuständige Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beim ENSI bereits angeordnet. Gemäss Angaben der BKW hat das ENSI am 18. März 2011 von den Schweizer Kernkraftwerkbetreiberinnen insbesondere die folgenden Überprüfungen und allfälligen Nachrüstungen verfügt: a) Unverzügliche Überprüfung der Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung. b) Bericht zuhanden des ENSI zu Fragen der Kühlmittelversorgung für die Sicherheits- und Hilfssysteme sowie Fragen betreffend Kühlung und Schutz des Brennelementbeckens (bis 31. März 2011). c) Aufzeigen, wie allfällige unter Punkt 2 hervorgehende Defizite beseitigt werden sollen (bis 31. August 2011). d) Sicherstellen eines Zugangs zu einem externen Lager, in dem erdbeben- und überflutungssicher zusätzliche Einsatzmittel bereitstehen (bis 1. Juni 2011). Mit den verfügten Überprüfungen des ENSI ist das Anliegen in Ziffer 2 erfüllt. Zu Ziffer 3: Der Regierungsrat teilt die Haltung des Motionärs, wonach die Sicherheit von Kernanlagen für die Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung ist und die Öffentlichkeit jederzeit Anrecht hat auf eine aktive, umfassende und vollständige Information. Der Regierungsrat unterstützt das Anliegen des Motionärs und ist bereit, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einzusetzen. Der Regierungsrat muss aber auch festhalten, dass die Regelung der Information der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kernkraftwerken gemäss der Kernenergiegesetzgebung in der Kompetenz des Bundes bzw. des ENSI liegt und von den Bundesbehörden geregelt wird. Der Regierungsrat hat deshalb keine rechtliche Möglichkeit, Einfluss auf die Information der KKW-Betreiber und Kontrollbehörden zu nehmen. In Bezug auf die BKW haben die beiden Kantonsvertretungen sich bisher im Verwaltungsrat der BKW immer dafür eingesetzt, dass die Informationspolitik der BKW verantwortungsbewusst, wahrheitsgemäss und transparent ist. Sie werden das auch weiterhin so tun. Anträge: Ziffer 1 und 3 Annahme, Ziffer 2 Annahme unter gleichzeitiger Abschreibung Interpellation 074/11, Grimm «Wie sicher ist das KKW Mühleberg vor einer Überflutung und wie zuverlässig funktioniert das Notkühlsystem» Zu Ziffer 1: Der Regierungsrat kennt den Inhalt des Berichtes des Öko- Instituts Darmstadt zu den Aussagen des ENSI vom nicht. Zuständig für dessen Beurteilung sind die zuständigen Bundesbehörden. Zu den Ziffern 2, 3 und 6: Das Auftreten eines Erdbebens mit einer Stärke von mehr als 6,7 auf der Richterskala in der Schweiz kann von niemandem mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Der heutige Stand der Forschung lässt jedoch darauf schliessen, dass die Eintretenswahrscheinlichkeit eines solchen Naturereignisses eher gering ist (Periodizität: rund 1000 Jahre). Die Erdbebengefährdung in der Schweiz wird vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich abgeschätzt ( Die folgenden Angaben zu den Auswirkungen auf das KKM im Falle eines Erdbebens und eines Dammbruchs der Wohlensee-Staumauer wurden von der BKW gemacht: Das KKM ist auf ein Erdbeben der Stufe 7 in unmittelbarer Nähe des Standorts ausgelegt. Die Wohlensee-Staumauer ist entsprechend den Richtlinien des Bundesamtes für Energie für Sperren der Klasse I (höchste Sperrenklasse) ausgelegt und erfüllt damit die höchsten in der Schweiz an Talsperren gestellten Sicherheitsanforderungen. Bei einem Erdbeben und einem Bruch der Staumauer würden die Steuerstäbe des KKM innerhalb von weniger als 4 Sekunden eingefahren und damit die Kettenreaktion sofort unterbrochen, noch bevor das Hochwasser beim KKM ankommt. Ein grosser Teil der nicht sicherheitsrelevanten Gebäude würden beschädigt bzw. unter Wasser gesetzt. Die externe Stromversorgung des KKM fiele mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Das Kraftwerk würde über den Notstromdieselgenerator versorgt werden. Falls dieser wider Erwarten ebenfalls ausfallen würde, wäre die Energieversorgung und Kühlung des Kraftwerks mit Hilfe der beiden Notstromdieselgeneratoren im SUSAN 2 -Gebäude gewährleistet. Dieses unabhängige, gebunkerte System würde es erlauben, die Störfallbeherrschung (Abfuhr der Nachwärme, Steuerung, usw.) zu gewährleisten. Die Ansaugstützen für das SUSAN- System, welche das Gebäude und die Notstromgeneratoren mit Frischluft versorgen, befinden sich auf 7.25 Meter Höhe 3. Die beschädigten Kraftwerke in Fukushima verfügen nach Angaben der BKW über kein entsprechendes Notstandsystem wie in Mühleberg. Berechnungen haben ergeben, dass allfällige Schlammablagerungen in Folge eines Dammbruchs stromabwärts vom Auslaufbauwerk erfolgen könnten 4. Das Ansaugrohr für die SUSAN-Kühlwasserzufuhr mit mehreren grossen Öffnungen, die in Fliessrichtung gerichtet sind, ragt weit in die Mitte der Aare, was einer lokalen Verstopfung entgegenwirkt 5. Die erste Überprüfung der Schweizer Kernkraftwerke aufgrund der Erkenntnisse aus Fukushima hat gemäss ENSI Schwachstellen im Bereich der Lagerung der Brennelemente zu Tage gefördert. Eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung bestehe aber nicht, weshalb auch keines der Schweizer Kernkraftwerke kurzfristig ausser Betrieb genommen werden müsse. Für das Kernkraftwerk Mühleberg hat das ENSI in seiner Verfügung vom 5.Mai 2011 folgende Schwachstellen identifiziert: Die Kühlmittelversorgung für das Notstandsystem weist keine Alternative zur Kühlwasserentnahme aus der Aare auf. Die Brennelementbeckenkühlung ist nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt. Die Notfallmassnahmen zur Wiederherstellung der Kühlung nach Erdbeben oder Überflutung sind unvollständig. Verbesserungsmassnahmen zur Behebung der Schwachstellen müssen die Betreiber bis zum 31. August 2011 beim ENSI einreichen. 2 SUSAN steht für Spezielles Unabhängiges System zur Abfuhr der Nachzerfallswärme 3 Gemäss der BKW würden bei einem Dammbruch diese Anlagen nicht überflutet. 4 Gemäss Angaben der BKW haben die letzten beiden Jahrhunderthochwasserereignisse diese Berechnungen bestätigt. 5 Das Ansaugrohr verfügt über einen eher hohen Durchmesser und damit über eine hohe Ansaugfläche. Weiter ist das Ansaugrohr mit einem Abscheider und einem Grobrechen geschützt.

169 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 609 Zu den Ziffern 4 und 8: Die Informationen zu diesen Fragen stammen ebenfalls von der BKW. Der Dammbruch wurde für das KKM und das Ersatzkernkraftwerk Mühleberg (EKKM) als wesentliches Ereignis identifiziert. Beim EKKM wurde vorgesehen, die Anlage erhöht zu bauen, um damit über eine genügende Sicherheitsmarge zu verfügen. Die Reaktoren der dritten Generation, welche bisher für das EKKM vorgesehen waren, verfügen zum Teil über passive Sicherheitssysteme, welche es ermöglichen, die Notkühlung des Reaktors und des Brennelementlagerbeckens ohne Stromversorgung sicherzustellen. Solche passive Systeme bedingen wegen ihrer grossen Dimensionen eine grundlegend andere Konzeption der Anlage als diejenige des Kernkraftwerkes Mühleberg. Eine entsprechende Nachrüstung des KKM ist daher nicht möglich. Zu Ziffer 5: Die Angaben zu diesen Fragen stammen von der BKW. Sollten der Kontrollraum, die externe Stromversorgung und der Notstromgenerator des KKM nach einer Flutwelle ausfallen, müsste die Betriebsmannschaft des KKM eine Notkühlung über das Feuerwehrlöschwassersystem oder über mobile Pumpen und Feuerwehrschläuche erfolgen. Dazu ist es erforderlich, dass die Mannschaft das Reaktorgebäude betritt und Wasserschläuche verlegt. Als Sofortmassnahme aufgrund der Ereignisse in Fukushima hat die BKW beschlossen, die Notspeisung des Brennelementlagerbeckens so zu erweitern, dass die Notkühlung des Beckens in Betrieb genommen werden kann, ohne dass ein Betreten des Reaktorgebäudes notwendig ist. Für weitergehende Angaben wird auf Ziffer 2,3 und 6 hiervor verwiesen. Zu Ziffer 7: Gemäss Angaben der BKW sind das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) und dasjenige in Fukushima vom Design her vergleichbar. Bezüglich Nachrüstungen gibt es jedoch bei beiden Kraftwerken Unterschiede: Das KKM verfügt über das Notstandsystem SUSAN, welches autark funktioniert und wasserdicht ist. Das KKM verfügt über einen äusseren Torus, der die Funktion einer zusätzlichen Druckabbaukammer hat. Das Reaktorgebäude des KKM hat die Funktion eines Sekundärcontainments (Barriere gegen Austritt radioaktiver Stoffe, Schutz gegen Einwirkung von aussen). Interpellation 075/11, Grimm «Wie sicher ist das Zwischenlager der radioaktiven Abfälle in Mühleberg» Zu Ziffer 1: Die Informationen zu dieser Frage wurden von der BKW mitgeteilt. Im Zwischenlager auf dem Gelände des KKM befindet sich tiefenlagergerecht konditionierter Betriebsabfall (d. h. in Fässern ausbetonierter schwach- und mittelaktiver Betriebsabfall). Im Zwischenlager befinden sich keine ausgebrannten Brennelemente. Das Zwischenlager besteht aus 8 Meter hohen, wasserdichten und massiven Betonwannen, die nur von oben zugänglich sind. Bei einem kompletten Verschwinden der Wohlensee-Staumauer läge der Hochwasserpegel an einigen Punkten des KKM-Betriebsgeländes auf bis zu 6,5 Meter, also niedriger als die Seitenwände der Betonwannen. Bei einem schweren Erdbeben wie auch bei einem Flugzeugabsturz ist die Abgabe radioaktiver Stoffe an die Umgebung nicht ausgeschlossen. Zu den Ziffern 2 und 3: Die Entscheidkompetenz liegt beim ENSI. Dieses hat aufgrund der Ereignisse in Fukushima Abklärungen verlangt. Sofortmassnahmen betreffend das Zwischenlager wurden vom ENSI nicht gefordert. In seiner Verfügung vom 5. Mai 2011 hat das ENSI den jeweiligen KKM-Betreiber die identifizierten Schwachstellen mitgeteilt (vgl. I 074/11 Ziffer 2, 3 und 6). Diese betreffen nicht das Zwischenlager. Zu Ziffer 4: Gemäss Kernenergiehaftpflichtgesetz haftet der Inhaber der Kernanlage mit seinem ganzen Vermögen ohne betragsmässige Begrenzung. Weil die potenziell sehr hohen Schäden eines grossen Atomunfalls nur zu einem sehr kleinen Teil versichert werden, muss bei einem grossen Störfall damit gerechnet werden, dass Betreiber von Atomkraftwerken Konkurs gehen könnten und entsprechende sehr grosse Verluste bei Geschädigten und der öffentlichen Hand verbleiben. Diese Fragestellung war ebenfalls Gegenstand der Interpellation 162/10 Jenni «AKW Mühleberg Müssen Verantwortung und Haftung im Falle von Umweltschäden nicht verbindlicher geregelt werden?». Für weitere Ausführungen wird auf diesen Vorstoss verwiesen. Zu Ziffer 5: Wie bereits erwähnt haben der Regierungsrat bzw. seine Mitglieder im Verwaltungsrat der BKW keinen Einfluss auf sicherheitsbedingte Auflagen des Bundes bzw. des ENSI betreffend das KKM. Die BKW bzw. deren Verwaltungsrat hat immer betont, dass die Sicherheit der Bevölkerung und Umwelt oberste Priorität hat. Interpellation 088/11, Näf «Erdbeben- und Hochwassersicherheit des AKW Mühleberg» Zu den Ziffern 1 bis 3: Es wird auf die Ausführungen in I 074/11 Ziffern 2, 3 und 6 verwiesen. Zu Ziffer 4: Es wird auf die Ausführungen in M 091/11 Ziffer 3 verwiesen. Zu Ziffer 5: Für die Sicherheitsbelange der schweizerischen Kernkraftwerke ist das ENSI zuständig. Der Regierungsrat hat als politische Behörde keine rechtliche Möglichkeit, das KKW Mühleberg abzuschalten, weder vorläufig bis eine Sicherheitsanalyse aufgrund der Erfahrungen aus Japan vorliegt, noch definitiv. Im Weiteren wird auf die Ausführungen in M 091/11 Ziffer 2 verwiesen. Interpellation 153/11, Imboden «Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW Mühleberg gewährleistet?» Die folgenden Angaben zum Schutz der Mitarbeitenden im KKM stammen von der BKW. Zu Ziffer 1: Die Mitarbeitenden des KKM, welche die strahlenschutztechnisch kontrollierte Zone des Kraftwerks im Rahmen ihrer Berufsausübung betreten, gehören gemäss den Bestimmungen des Bundes zum «beruflich strahlenexponierten Personal». Sie werden durch verschiedene Massnahmen wie Abschirmungen, Spülen von Leitungen und durch Training an Modellen konsequent vor ionisierender Strahlung geschützt. Die aufgenommene Strahlendosis wird individuell mit zwei verschiedenen Dosimetern überwacht und protokolliert. Bei der Überschreitung der eingestellten Alarmwerte von einem Hundertstel des Jahresgrenzwertes werden Alarme ausgelöst, sodass sich die Mitarbeitenden rasch zurückziehen können. Der Zutritt zur kontrollierten Zone wird erst nach Analyse der Überschreitung wieder freigegeben. Darüber hinaus gehört eine regelmässige Schulung sowie eine jährliche ärztliche Kontrolle zum präventiven Schutz des Personals. Die Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften wird durch das ENSI mit regelmässigen Inspektionen und Einsichtnahmen in die Registrationen der Dosimetrie, durch das Bundesamt für Gesundheit sowie durch die SUVA überwacht. Zu Ziffer 2: Die BKW hat die fragliche Studie analysiert. Diese betrachtet nur die Dosis des Eigenpersonals eines Kraftwerks. Im KKM

170 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik ist das Eigenpersonal stärker in die Revisionsarbeiten eingebunden als in den anderen europäischen Kernkraftwerken, die einen Grossteil der Revisionsarbeiten mit Fremdpersonal abwickeln. Dieser relevante Faktor ist in der zitierten Studie nicht berücksichtigt worden. Vergleicht man die Kollektivdosis (Eigen- und Fremdpersonal) über Jahre hinweg, bewegt sich die Strahlenbelastung im KKM im unteren Mittelfeld. Die Dosisgrenzwerte der für die BKW massgebenden Strahlenschutzvorschriften für beruflich strahlenexponiertes Personal wurden während der Betriebszeit des KKM immer eingehalten. Zu Ziffer 3: Ein grosser Teil der Belegschaft des KKM ist Teil der Notfallorganisation 6. Der Entscheid, wie viele Personen zur Behebung eines Vor- bzw. Störfalls herangezogen werden, liegt in der Entscheidkompetenz des Notfallstabes. Bei einem Einsatz über Tage oder Wochen würden die Teams, welche vor Ort im Einsatz sind, regelmässig zum Schlafen und Ruhen ausgewechselt. Die Notfallorganisation wird regelmässig ausgebildet und der Notfall geübt. Notfalleinsätze, in deren Rahmen der Jahresgrenzwert von 20mSv überschritten wird, sind gemäss Strahlenschutzverordnung freiwillig. Die Auswahl der Einsatzkräfte erfolgt nach ihrer Qualifikation, ihrem Gesundheitszustand und ihrer individuellen Dosishistorie. Zu Ziffer 4: Auswertungen der Ereignisse in Japan liegen der BKW bisher nicht vor. Allfällige Anpassungen der massgebenden Strahlenschutzvorschriften wird die BKW unverzüglich umsetzen. Interpellation 143/11, Scheuss «Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg?» Die Angaben zu den Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Mühleberg stammen von der BKW. Zu Ziffer 1: Die Schweizer Kernkraftwerke sind durch bauliche und organisatorische Massnahmen geschützt auch gegen Terrorismus und Flugzeugabstürze. In Mühleberg wurde ein zusätzlicher, vom Reaktorgebäude abgetrennter Bunker gebaut, der über einen stark gesicherten Kontrollraum und eigene, komplett autarke Reaktornotkühlsysteme mit eigener Notstromversorgung verfügt. Nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 in New York haben die Schweizer Aufsichtsbehörden reagiert und die Sicherheit der Kernkraftwerke bei Angriffen mit grossen Verkehrsflugzeugen überprüft. Sie kamen zum Schluss, dass die Schweizer Kernkraftwerke gegen terroristische Angriffe und Flugzeugabstürze gesichert sind. 7 Gestützt auf den Bericht der Sicherheitsbehörden und anlässlich der periodischen Sicherheitsüberprüfungen (Stellungnahmen des ENSI/HSK von 2003 und 2007) wurden diese Szenarien wiederholt hinterfragt und analysiert. Als Resultat davon hat die BKW unter anderem die Brandschutzeinrichtungen verbessert und nachgerüstet, um so die Folgen eines Flugzeugabsturzes besser beherrschen zu können. Zu Ziffer 2: In den Überlegungen und Sicherheitsanalysen der BKW zum Schutz gegen die Folgen eines Flugzeugabsturzes spielen mögliche Kerosinbrände eine wesentliche Rolle. Die Schlussfolgerungen aus dem HSK-Bericht 2003 ziehen die Auswirkungen von Kerosinbrände mit ein. Die damals von der HSK verlangten Verbesserungen bezüglich Begrenzung von Brandauswirkungen hat die BKW umgesetzt. 6 Zur Notfallorganisation gehören unter anderem das Schichtpersonal des KKM (Pikettingenieure, Reaktoroperateure), Strahlenschutzpersonal, Werkfeuerwehr und -sanität sowie die Kraftwerkleitung. 7 Stellungnahme der HSK zur Sicherheit der schweizerischen Kernkraftwerke bei einem vorsätzlichen Flugzeugabsturz, Würenlingen 2003 (HSK-AN-4626) Geschäft /10 Interpellation Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne) Atomunfall Was passiert mit unseren Ressourcen? Wortlaut der Interpellation vom 6. September 2010 Im April 1986 kam es beim Atomkraftwerk Tschernobyl (Russland) zu einer Kernschmelze und einem riesigen atomaren «Fallout». Die radioaktive Wolke hatte Auswirkungen bis zu uns. Ich mag mich noch genau erinnern an die hilflosen und nicht umsetzbaren Anweisungen der damaligen Behörden. So wurde zum Beispiel empfohlen, den Kühen solle statt frischen Grases sofort einzig noch Heu gefüttert werden. Tatsache war jedoch, dass Ende April praktisch überall die Heuvorräte aufgebraucht waren. Früher oder später blieb für die Tiere und Menschen einzig die neue und mit radioaktivem «Fallout» verseuchte Ernte. Ein Restrisiko des radioaktiven Austrittes in grösseren Mengen besteht auch bei den schweizerischen Atomkraftwerken. Die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Unfalls mag zwar klein sein, die Auswirkungen eines solchen Ereignisses, wenn es dann eintritt, sind dagegen unvorstellbar gross. Auf Grund der topographischen Lage (dicht besiedeltes Mittelland, Nähe zur Stadt Bern) ist besonders das Atomkraftwerk Mühleberg eine viel zu grosse Gefahr. Der Kanton Bern ist selbst prominent am Atomkraftwerk Mühleberg beteiligt. Bei einem solchen Austritt könnten die Menschen möglicherweise evakuiert werden, der ursprüngliche Lebensraum, unsere Pflanzen, unsere Tiere wären jedoch ungeschützt der Verseuchung ausgesetzt. Riesige heute bestehende Werte würden schlagartig vernichtet oder praktisch wertlos. Ich denke da an Häuser, Einrichtungen und Ländereien welche für längere Zeit nicht mehr brauch- und bewohnbar sind. Es ist allgemein bekannt, dass die Atomkraftwerke für solche Fälle absolut ungenügend versichert sind und die Schäden von der Allgemeinheit und den Geschädigten getragen werden müssen. Versicherungsgesellschaften wollen zum eigenen Schutz auf der einen Seite solche grossen Schäden nicht komplett versichern. Im Weiteren finden sich in vielen Versicherungsbedingungen zum Beispiel bei privaten Hausratversicherungen Haftungsausschlüsse bei kriegerischen Ereignissen oder bei Reaktorkatastrophen. Fragen an den Regierungsrat 1. Ist sich der Regierungsrat bewusst, welchen immensen Schaden das Atomkraftwerk Mühleberg verursachen könnte? 2. Was sollen Bäuerinnen und Bauern mit der verseuchten Milch, dem ungeniessbaren Fleisch und den unbrauchbaren Ernten machen? Wer entscheidet mit welchen Grundlagen? 3. Was passiert mit den verseuchten Feldern und Häusern? 4. Woher kommt in der folgenden Zeit unser Essen? 5. Was machen wir Bauern und Bürger nach einer solchen Katastrophe? 6. Ist der Kanton Bern zumindest teilweise in der Lage, berechtigte Schadenersatzforderungen zu leisten? Sind vom Kanton oder von den AKW Betreibern entsprechende Rückstellungen getätigt worden? Könnte der Kanton beim Bund Hilfe holen? 7. Welches war oder sind die Fragen, die der Forschung nach Tschernobyl gestellt wurden (zum Beispiel Krebsregister), und wie können die Forschungsergebnisse umgesetzt werden? (Weitere Unterschriften: 0)

171 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 611 Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 30. März 2011 Der Regierungsrat setzt zur langfristigen Deckung des Strombedarfs gemäss der Energiestrategie 2006 auf erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. Dies insbesondere auch deshalb, weil Atomkraftwerke ein mit den Grundsätzen der Nachhaltigen Entwicklung nicht vereinbares Grossrisiko beim Betrieb darstellen. Die gravierenden Störfälle in Japan im Zusammenhang mit dem schwerst havarierten Atomkraftwerk Fukushima 1 bestärken den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet werden muss. Dabei sind insbesondere auch zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien notwendig. Das Strahlenschutzgesetz und die Notfallschutzverordnung regeln, wie der Bund mit einem Störfall in einem Atomkraftwerk umgeht. Weitere Verordnungen regeln die Aufgaben der Einsatzorganisation und der Nationalen Alarmzentrale, die Alarmierung sowie die Beschaffung und Verteilung von Jodtabletten. Der Regierungsrat stellt fest, dass die drei bestehenden Referenzszenarien des Bundes die ganze Palette der denkbaren Störfälle abdecken, vom schnellen Störfall mit einem raschen Ablauf aber geringfügiger Verstrahlung in der nächsten Umgebung des AKW bis zur Freisetzung einer radioaktiven Wolke nach einem schweren Störfall mit Kernschmelze und entsprechend landesweit gravierenden Wirkungen. Allerdings geht der Bund von der Annahme aus, dass zwar grössere Mengen radioaktiver Edelgase, aber kaum etwas vom Reaktorinhalt freigesetzt würde, wie das 1986 in Tschernobyl der Fall war und aktuell in Japan geschieht. Ein schwerer Störfall in der Grössenordnung von Tschernobyl oder Fukushima würde in der Schweiz eine nationale Katastrophe auslösen, die nicht zu bewältigen wäre. Der Notfallschutz in der Umgebung der Atomkraftwerke wird in regelmässig durchgeführten Übungen erprobt. Die Einsatzplanung für das Szenarium eines Störfalls im AKW Mühleberg wurde im Jahre 2009 im Rahmen der Gesamtnotfallübung MEDEA letztmals einer kritischen Überprüfung unterzogen und aufgrund der gewonnen Erkenntnisse angepasst. Die Vorbereitungen im Kanton Bern richten sich auf alle Referenzszenarien des Bundes für den in Mühleberg genutzten Reaktortyp aus. Zu Frage 1 Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass ein schwerer Störfall im AKW Mühleberg wie in Tschernobyl oder Fukushima unermessliche Schäden verursachen würde. Die Eintretenswahrscheinlichkeit eines gravierenden Störfalls ist zwar klein. Das heisst aber nicht, dass ein solch schlimmes Ereignis wie die jüngste Erfahrung leider wieder gezeigt hat nicht jederzeit eintreten kann. In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder grössere und kleinere Störfälle (u. a. Lucens in der Schweiz, Harrisburg in den USA), aber auch schwerste Störfälle (Tschernobyl in der Ukraine, Fukushima in Japan). Darauf zu bauen, dass sich die Risiken nicht realisieren, ist angesichts der verheerenden Folgen letztlich nicht zu verantworten. Zu Frage 2 Nach einem Ereignis nimmt der Bund eine Beurteilung der Verstrahlungslage vor und erarbeitet die nötigen Folgemassnahmen. Er stützt sich bei der Beurteilung der Verstrahlung der Umwelt und von Lebens- und Futtermitteln auf die Probenahmen der Kantone. Im Kanton Bern nimmt das Kantonale Laboratorium die Probenahme bei radioaktiver Verstrahlung vor (Gammaspektrometrie). Eine entsprechende Ausbildung des Personals ist für 2011 geplant. Grundsätzlich gilt, dass alle im möglicherweise verstrahlten Bereich produzierten Lebensmittel vorerst für den Verzehr gesperrt werden. Sie werden erst wieder für den Konsum freigegeben, wenn nachgewiesen ist, dass sie ungefährlich sind. Zu Frage 3 Dies hängt von der Schwere des Vorfalls und vom Verstrahlungsgrad ab. Praktische Erfahrungen hat man vorerst nur aufgrund des Störfalls von Tschernobyl. Er hat gezeigt, dass bei einem Super-GAU, das heisst bei der Freisetzung einer stark radioaktiven Wolke mit Reaktorinhalt nach einem schweren Störfall mit Kernschmelze, damit gerechnet werden muss, dass grosse Teile der Schweiz über Jahrzehnte hinweg unbenutzbar und unbewohnbar bleiben würden. Zu Frage 4 Auch dies hängt von der Schwere des Vorfalls und vom Verstrahlungsgrad ab. Wenn die Verstrahlung schwach ist, so dass sich selbst Säuglinge und Kinder noch im verstrahlten Gebiet aufhalten dürfen, dann erfolgt die Lebensmittelversorgung über die üblichen Kanäle (Grossverteiler, Detailhandel). Der Handel selbst ist in diesem Falle für die Einhaltung der für die Belastung mit Radionukliden geltenden gesetzlichen Grenzwerte verantwortlich und wird dabei vom Kantonalen Laboratorium stichprobenartig kontrolliert. Im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung sind grundsätzlich der Bund und der Handel dafür zuständig, dass für alle Bevölkerungsgruppen in jeder Lage genügend zugelassene Lebensmittel zur Verfügung stehen. Ob die Grundversorgung bei einem schweren Störfall in der Grössenordnung von Tschernobyl oder Fukushima noch einigermassen sichergestellt werden könnte, muss bezweifelt werden. Zu Frage 5 Gemäss Einsatzplanung wird die Bevölkerung nach einem Sirenenalarm über die Medien informiert und angewiesen. Die Führung bei der Bewältigung von Störfällen in einem Atomkraftwerk liegt beim Bund, der gestützt auf die Entwicklung laufend angepasste Verhaltensanweisungen verbreitet. Die kommunalen Exekutiven und die zivilen Führungsorgane müssen die Massnahmen im eigenen Zuständigkeitsbereich einleiten und die Umsetzung der Verhaltensanweisungen durch die Bevölkerung überwachen. Auch bei einem schweren Störfall ist keine flächendeckende Evakuation von tausenden von Menschen vorgesehen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Bevölkerung nicht im Freien aufhält und durch Beton möglichst gut vor Verstrahlung abgeschirmt wird (Keller, Schutzraum). Gemäss Einsatzplanung beträgt die notwendige Verweilzeit der Bevölkerung am geschützten Ort auch beim schwersten angenommenen Störfall nur rund einen Tag. Beim AKW Mühleberg könnte sich eine vorsorgliche Evakuation der Bevölkerung allenfalls bei einem solchen Störfall mit Kernschmelze für die Zone 1 aufdrängen (rund 2500 Personen im Umkreis von drei bis fünf Kilometern). Allerdings entsprechen die angenommenen Szenarien in keiner Weise so gravierenden Störfällen wie in Tschernobyl und Fukushima. Zu Frage 6 Atomkraftwerke sind gemäss eidgenössischem Kernenergiehaftpflichtgesetz von einer vollständigen Versicherung allfälliger Haftpflichtfälle befreit. Für ein AKW beträgt die Versicherungssumme 1 Mrd. Franken zuzüglich 100 Mio. Franken für Zinsen und Verfahrenskosten. Die beschränkte Pflichtdeckung würde keineswegs ausreichen, um die Auswirkungen eines schweren Störfalls zu bezahlen. Eine Studie bezifferte die potenzielle Schadenssummen für eine Katastrophe in der Grössenordnung von Tschernobyl in der Schweiz auf rund 4000 Mrd. Franken. In einem solchen Fall müssten demnach der Staat bzw. die Allgemeinheit praktisch die gesamten Schadenskosten übernehmen. Dies würde die Schweiz mit grosser Wahrscheinlichkeit überfordern.

172 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Auf Schadenersatzforderungen könnte der Kanton Bern nicht eingehen, weil die Zuständigkeiten und die Verantwortung für die Kernenergienutzung beim Bund sind. Für einen schweren Störfall sieht das Kernenergiehaftpflichtgesetz unter dem Titel «Grosschäden» Folgendes vor: Zeigt sich, dass die für die Deckung der Schäden verfügbaren Mittel des Haftpflichtigen nicht ausreichen, so stellt die Bundesversammlung in einem allgemeinverbindlichen, dem Referendum nicht unterstehenden Bundesbeschluss eine sogenannte Entschädigungsordnung auf. Mit ihr sollen alle zur Verfügung stehenden Mittel gerecht auf die Geschädigten verteilt werden. Nötigenfalls kann sich der Bund zusätzlich an allenfalls ungedeckten Schäden beteiligen. Zu Frage 7 Für die Kernenergieforschung ist der Bund allein zuständig. Der Kanton Bern hat weder einen Einfluss auf die Inhalte, noch auf die Umsetzung der Forschungsergebnisse. Die öffentliche Hand wendet jährlich rund 160 Mio. Franken für die Energieforschung auf. Die diesbezüglichen Schwerpunkte werden von der Eidgenössischen Energieforschungskommission CORE festgelegt. Die Schwerpunkte liegen im Gebiet der Kernenergieforschung bei der Sicherheitsforschung und der Entsorgung radioaktiver Abfälle. In der Schweiz befassen sich mehrere Institutionen (PSI, EPFL, ETHZ, NAGRA etc.) mit Forschungen auf dem Gebiet der Kernenergie und betreiben oder beteiligen sich an Forschungsprojekten und -reaktoren im In- und Ausland. Die Hauptzweige der Kernenergieforschung bilden die Fissionsforschung (Kernspaltung als heute angewandte Technologie) und die Fusionsforschung (Kernfusion als mögliche künftige Technologie). Die Fissionsforschung wird fast ausschliesslich am Paul Scherrer Institut (PSI) durchgeführt und ist stark mit internationalen Programmen verknüpft. Die Fissionsforschung stellt einerseits die Grundlagen bereit, die die Behörden zur Beurteilung der Sicherheit von Kernanlagen benötigen. Anderseits befasst sich die Fissionsforschung mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle aus der Kernenergienutzung. Hauptträger dieser Aktivitäten ist in der Schweiz die Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA), die eng mit dem PSI zusammenarbeitet. Von der Fusionsforschung erhofft man sich die Erschliessung einer neuen Energiequelle, die auf der Verschmelzung leichter Atomkerne beruht. Die Forschung wird praktisch nur an der Eidgenössischen Hochschule in Lausanne (EPFL) betrieben, die ihrerseits in entsprechende internationale Programme integriert ist (insbesondere EURATOM). Geschäft /10 Interpellation Jenni, Oberburg (EVP) / Amstutz, Corgémont (Les Verts) / Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) / Masshardt, Langenthal (SP) AKW Mühleberg Müssen Verantwortung und Haftung im Falle von Umweltschäden nicht verbindlicher geregelt werden? Wortlaut der Interpellation vom 9. September 2010 Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat einmal mehr und dennoch überraschend vor Augen geführt, welche Risiken mit den heutigen Technologien verbunden sind, und wie der Mensch diesen auch immer wieder ebenso ratlos wie fassungslos gegenübersteht. Diese Fassungslosigkeit stellt sich allerdings auch deshalb ein, weil auch hier nicht zum ersten Mal sichtbar geworden ist, mit welcher Sorglosigkeit und Verantwortungslosigkeit vorgegangen wird. Im blinden Vertrauen, dass schon alles gut geht, werden bei der Sicherheit Abstriche in Kauf genommen, die Kontrolle vernachlässigt und für den Fall von Havarien keine Konzepte entwickelt, um aus einer Problemsituation wieder anständig herauszukommen. Dies hat sogar den amerikanischen Präsidenten derart genervt, dass er den Verantwortlichen des Energiekonzerns BP vorgeworfen hat, sie hätten die Konsequenzen ihres Handelns nicht zu Ende gedacht. Und gerade darum geht es: um Verantwortung und um Verantwortungsträger. Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft können und dürfen sich nie allein auf die sogenannte hochentwickelte Technik, welche gleichbedeutend mit Sicherheit sein soll, und auf sogenannte Fachleute verlassen; sie haben stets auch noch andere Kriterien zu berücksichtigen. Zu diesen gehören die absehbaren Dimensionen von potentiellen Schadensereignissen sowie der nie zu vermeidende Umstand, dass menschliches Ungenügen und Fehlverhalten am Ursprung von Katastrophen steht. Neben den technologischen (funktionellen) Risiken des Betriebs gibt es die eigentlichen Strategie- und Planungsrisiken, welche zur Wahl einer bestimmten Technologie führen. Die entsprechenden Entscheide liegen im Verantwortungsbereich von politischen Behörden sowie bei privaten Firmen beim Verwaltungsrat. Es stellt sich deshalb die grundsätzliche Frage, ob Verantwortung und Haftung des Verwaltungsrats, z. B. von AKW bzw. ihren Betreibergesellschaften, angesichts der unermesslichen Schadensdimensionen, die hier potentiell im Spiel sind, ausreichend geregelt sind. Die Frage stellt sich auch deshalb, weil nicht auszuschliessen ist, dass im Zuge des Drucks der öffentlichen Meinung und eines aufwallenden Volkszorns analog der Situation bei den Banken-Boni plötzlich weitreichende Forderungen zur Diskussion stehen könnten. In erster Linie müsste es darum gehen, die persönliche Haftung von Mitgliedern des Verwaltungsrats so anzusetzen, dass dieser dazu angehalten wird, seine strategischen und planerischen Entscheide im vollen Bewusstsein für sämtliche Aspekte der Konsequenzen seines Handelns zu fassen. Die haftungsrechtlichen Bestimmungen in der Schweiz nehmen insbesondere Bezug auf die Verantwortung des Verwaltungsrats gegenüber seinem Unternehmen und den Aktionären. Eine weitergehende Verantwortung für Gefährdung und Schäden für Menschen und Umwelt, deren zielgerichtete Eingrenzung unter der Bezeichnung «environmental compliance» gängig ist, scheint eher weniger eindeutig geregelt zu sein. Jedenfalls müsste die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, die den Verwaltungsrat bei schuldhaften Pflichtverletzungen für den Schaden haftbar macht, auch in einem weiteren Sinne gelten, auch wenn eine Verantwortlichkeit nur dann gegeben ist, wenn zum Entscheidzeitpunkt Fehler gemacht worden sind. Darauf basierend kann argumentiert werden, dass eine fehlende oder ungenügende Berücksichtigung des Risikopotentials und der möglichen Schadensdimensionen durchaus eine Pflichtverletzung darstellen können. Gerade der Umstand, dass die Schäden eines AKW-Unfalls dermassen gross sein können, dass sie nicht versicherbar sind, zeigt auf, dass die Risikodimension bekannt ist, und damit auch, welche Ansprüche an die Mitglieder eines Verwaltungsrats zu stellen sind, der sich nicht einfach mit Nichtwissen oder Nichtwissenwollen aus der Affäre ziehen darf. Ansprüche auch, die sich nicht bloss auf eine diffuse und letztlich konsequenzlose «moralische» oder «politische» Verantwortung beziehen, sondern die sich unter Umständen auch in einer konkreten Verantwortung im Sinne eines Schadensbeitrags aus dem Privatvermögen des Verwaltungsrats niederschlagen müssten. Der Regierungsrat wird ersucht, die folgenden Fragen einzeln zu beantworten (Fragen betreffend Verantwortung sind stets in Bezug auf die abstrakte Verantwortung bzw. die konkrete

173 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 613 z. B. in Form von finanziellen Leistungen oder anderen strafrechtlichen Massnahmen zu differenzieren): 1. Wie weit geht die haftungsrechtliche Verantwortung des Verwaltungsrats der BKW? 2. Hat der Verwaltungsrat der BKW eine Verantwortung, die über die Interessen des Unternehmens hinausgeht? Falls ja, wie ist diese beschaffen, wo endet sie und wie wird sie konkret wahrgenommen? 3. Ist der Regierungsrat der Auffassung, dass die geltenden Haftungsregelungen ausreichend sind? Falls ja: Weshalb? Falls nein: Wo wären Ergänzungen erforderlich? 4. Welche Voraussetzungen müssten gegeben sein und welche Rechtserlasse auf welchen staatlichen Ebenen müssten geschaffen oder geändert werden, damit die Mitglieder des Verwaltungsrats der BKW persönlich und auch finanziell für Schäden (Umwelt, Menschen) geradestehen müssen, die sich aus dem Bau, dem Betrieb, dem Rückbau und dem Umgang mit Abfällen bei Atomkraftwerken ergeben? (Weitere Unterschriften: 16) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 30. März 2011 Die gravierenden Störfälle in Japan im Zusammenhang mit dem schwerst havarierten Atomkraftwerk Fukushima 1 bestärken den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet werden muss. Dabei sind insbesondere auch zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien notwendig. Zu Frage 1 Die BKW ist eine gemäss Art. 620 ff. OR privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft. Die Mitglieder des Verwaltungsrates haften nach den aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsregeln. Die Mitglieder des Exekutivgremiums sind verpflichtet, ihre gesetzlichen Aufgaben gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 5 OR mit aller Sorgfalt zu erfüllen. Bei einer absichtlichen oder fahrlässigen Verletzung dieser Gesetzespflichten haften die Mitglieder des Verwaltungsrates gegenüber der Gesellschaft, den einzelnen Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern für den dadurch verursachten Schaden. Für den vom Kanton Bern gestützt auf Art. 762 OR in den Verwaltungsrat der BKW entsandten Vertreter haftet der Kanton Bern den Aktionären und den Gläubigern gegenüber. Wenn der Schaden die Folge einer Straftat ist, für welche die Mitglieder des Verwaltungsrates verantwortlich sind, so haften diese persönlich sowohl zivilrechtlich für den Schaden, welchen sie Dritten dadurch zugefügt haben, als auch strafrechtlich. Zu Frage 2: Die Interessen der Unternehmung leiten sich aus dessen Zweck ab, welcher in den Statuten formuliert ist. Der Verwaltungsrat muss mit aller Sorgfalt bestrebt sein, diesen zu erfüllen. Konkret bedeutet dies, dass die Interessen der BKW hauptsächlich die Sicherstellung der Stromversorgung und die langfristige und nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts umfassen. Die langfristige Sicherstellung der Stromversorgung setzt voraus, dass die BKW den Schutz von Mensch und Umwelt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit gewährleistet. Dazu muss die Unternehmung die in diesen Bereichen geltenden Gesetze einhalten. Pflicht des Verwaltungsrates der BKW ist es dafür zu sorgen, dass sich die Unternehmung in jeder Hinsicht an die geltenden Gesetze hält. Gemäss Angaben der BKW hat der Verwaltungsrat am 5. Dezember 2008 zur Wahrnehmung dieser Verantwortung einen Verhaltenskodex erlassen. Dieser ist seit 1. Januar 2009 in Kraft 8. Der Verhaltenskodex hält fest, dass das Einhalten der Gesetze für die BKW und ihre Mitarbeitenden selbstverständlich und unverzichtbar ist. Weiter führt er aus, dass die BKW und ihre Mitarbeitenden bei der Erfüllung ihrer Aufgabe Rücksicht auf Mensch und Umwelt nehmen müssen und zur Vermeidung schädlicher Auswirkungen auf Menschen und Umwelt die anwendbaren gesetzlichen Vorschriften und technische Standards strikte einzuhalten haben. Zu den Fragen 3 und 4: Der Regierungsrat vertritt die Ansicht, dass die heutigen Haftungsregelungen ausreichen und keiner Ergänzung bedürfen. Dies aus folgenden Gründen: Die Haftung für Schäden aus Bau, Betrieb, Rückbau von Kernanlagen sowie aus dem Umgang mit Abfällen aus solchen Anlagen ist im Kernenergiehaftpflichtgesetz geregelt. Es handelt sich um ein Spezialgesetz, welches diesen Rechtsbereich abschliessend bestimmt. Gemäss dem Kernenergiehaftpflichtgesetz haftet der Inhaber einer Kernanlage (im Falle des Kernkraftwerks Mühleberg die BKW) ohne betragsmässige Begrenzung für die Nuklearschäden, die durch Kernmaterialien in seiner Anlage verursacht werden. Es handelt sich hierbei um eine Kausalhaftung, d. h. ein Verschulden von Organen oder Mitarbeitenden der BKW muss nicht vorliegen. Das Gesetz sieht ein grundsätzliches Rückgriffsrecht auf diejenige Person vor, welche den Schaden absichtlich verursacht hat. Ob bei einem atomaren Unfall ein solches Rückgriffsrecht auf Verwaltungsräte möglich wäre, müsste im Detail geprüft werden. Die detaillierte Abklärung dieser Frage ist rechtlich komplex und würde nach Auffassung des Regierungsrates den üblichen Rahmen einer Interpellationsantwort sprengen. Grundsätzlich kann vermutet werden, dass dieses Rückgriffsrecht im Zusammenhang mit Verwaltungsräten kaum von Relevanz sein würde, insbesondere auch weil die Beweishürde beim Tatbestand der absichtlichen Verursachung bei Verwaltungsräten sehr hoch und somit kaum zu beweisen wäre. Demgegenüber erachtet aber der Regierungsrat die Höhe der zu versichernden Haftungssumme heute als zu gering. Gemäss Kernenergiehaftpflichtgesetz beträgt diese 1 Mrd. Franken. Ab Inkrafttreten des neuen Kernenergiehaftpflichtgesetzes wird diese auf 1,8 Mrd. Franken erhöht. Der Regierungsrat vertritt die Ansicht, dass auch diese erhöhte Summe in einem schweren Störfall nicht ausreichen wird. Geschäft /10 Motion Grimm, Burgdorf (Grüne) / Häsler, Burglauenen (Grüne) Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation Wortlaut der Motion vom 15. September 2010 Der Regierungsrat wird aufgefordert in einem Bericht aufzuzeigen: wie lange das AKW Mühleberg noch betrieben werden soll welche Massnahmen nötig sind, damit der Ausstieg aus der Kernenergie ohne eine weitere AKW-Generation möglich wird ob eine Brennelementsteuer den Ausstieg aus der Atomenergie ermöglichen würde Begründung: Dem AKW Mühleberg wurde vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. Damit wurde Mühleberg den anderen schweizerischen 8 Verhaltenskodex der BKW-Gruppe, abrufbar auf

174 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Atomkraftwerken gleichgestellt. Es ist jedoch unbestritten, dass eine unbefristete Laufzeit nicht denkbar ist. Es ist deshalb aufzuzeigen, wie der Umbau vollzogen werden kann. Dass die Zukunft den erneuerbaren Energieträgern gehört, ist heute von allen Seiten unbestritten. Die Zukunft liegt in den erneuerbaren Energieträgern, wegweisend ist dabei die Initiative «Bern erneuerbar». Gleichzeitig bietet die Förderung von erneuerbaren Energien und Klimaschutz (z. B. Gebäudemassnahmen) ein immenses Wirtschaftspotential für die Berner KMU. Damit der Umbau weg von der Atom- hin zur erneuerbaren Energie sicher beschritten werden kann, muss unbedingt aufgezeigt werden, in welchem Zeitrahmen das AKW Mühleberg realistischerweise vom Netz genommen werden kann bzw. muss. Dabei ist der Sicherheit oberste Priorität beizumessen und die Frage der Endlagerung ist mit einzubeziehen. Die Frage darf nicht mehr lauten ob, sondern wann wir aus der Atomenergie aussteigen. Die in der Schweiz geplanten neuen AKWs generieren Kosten von gegen 20 Milliarden Franken. Das sich zurzeit im Bau befindliche finnische AKW auf der Halbinsel Olkiluoto belegt, dass einerseits mit massiven Bauverzögerungen zu rechnen ist. Andererseits sind die Kostenfolgen nur sehr schwer berechenbar. Wenn die Schweiz bis 20 Mrd. Franken in neue Atomkraftwerke investiert, fehlen die finanziellen Mittel für den Umbau. Mit dem deutschen Ausstiegsszenario können die notwendigen Mittel für die Energiewende generiert und die Stromversorgung gewährleistet werden. Zusätzliche Erträge und/oder Brennelementsteuern, die aus der verbleibenden Betriebszeit generiert werden, sollen vollumfänglich zur Förderung von erneuerbaren Energieträgern und zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden. Die Bestrebungen sollen dahingehend wegweisend sein, dass dadurch kein neues Atomkraftwerk mehr gebaut werden muss. (Weitere Unterschriften: 3) Geschäft /10 Interpellation Häsler, Burglauenen (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden? Wortlaut der Interpellation vom 15. September 2010 Die Schweiz und der Kanton Bern stehen mitten in der Diskussion um neue Kernkraftwerke. Während die eine Seite zwei bis drei neue AKW fordert, welche die alten ergänzen oder ersetzen sollen, fordert die andere Seite den Ausstieg aus der Atomenergie. Gleichzeitig ist unbestritten, dass die erneuerbaren Energieträger auf lange Sicht der richtige Weg sind. Anders in Deutschland. Die von der Regierung gefasste Entscheidung, die bestehenden Kernkraftwerke etwas länger laufen zu lassen, bis ausreichend erneuerbare Energieträger die Versorgung übernehmen können, garantiert Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie. Atomenergie ist eine umstrittene Technologie, das bestätigen die gegenwärtigen Diskussionen und die bestehende Blockade. Die Endlagerung von radioaktiven Materialien ist nach wie vor nicht gelöst, und auch Uran ist ein endliches Produkt. Erneuerbare Energien generieren zudem nachweislich wesentlich mehr Arbeitsplätze im Kanton Bern als dies durch den Bau neuer AKW möglich wäre. Auch der Kanton Bern muss sich überlegen, wie der Weg ins atomkraftwerkfreie Zeitalter gesichert, der Umbau gezielt geplant und die zurzeit fehlenden finanziellen Mittel generiert werden können. Der Regierungsrat wird deshalb gebeten, die nachfolgenden Fragen zu beantworten: 1. Wie lange soll das AKW Mühleberg nach heutigem Wissensstand noch weiterbetrieben werden? 2. Wie schätzt der Regierungsrat die Möglichkeit für die Einführung einer sogenannten Brennelementsteuer ein? 3. Welche finanziellen Mittel könnten dadurch für den Umstieg von der Atomenergie in die erneuerbaren Energien generiert werden? (Weitere Unterschriften: 3) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 30. März 2011 Die beiden Vorstösse: Motion 171/10, Grimm / Häsler: «Sichere Stromversorgung ohne neue AKW-Generation» und die Interpellation 172/10, Häsler / Grimm: «Wie lange kann Mühleberg noch sicher betrieben werden?», betreffen beide Fragen zum sicheren Betrieb des Kernkraftwerkes Mühleberg, zum Ausstieg aus der Kernenergie und zur Einführung einer Brennelementsteuer. Die Vorstösse werden daher gemeinsam beantwortet. Die gravierenden Störfälle in Japan im Zusammenhang mit dem schwerst havarierten Atomkraftwerk Fukushima 1 bestärken den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet werden muss. Dabei sind insbesondere auch zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien notwendig. Zu M 171/10, Punkt 1 und I 172/10, Frage 1: Für alle Fragen, die den Betrieb von Atomkraftwerken betreffen, ist der Bund zuständig. Die Betriebsbewilligung für das Kernkraftwerk Mühleberg ist heute bis Ende 2012 befristet. Die BKW FMB Energie AG (BKW) hat ein Gesuch für die Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung eingereicht. Diesem wurde vom Bundesverwaltungsgericht stattgegeben. Zurzeit ist das Verfahren beim Bundesgericht hängig. Zur M 171/10, Punkt 2: Wie der mittelfristige Ausstieg aus der Kernenergie erfolgen soll, wird in der kantonalen Energiestrategie 2006 ausgeführt: Er basiert auf einer Verbesserung der Energieeffizienz und einer vermehrten Nutzung erneuerbarer Energien. Das vom Bund im Rahmen der Energieperspektiven 2035 erarbeitete Szenario IV E 9 bestätigt die Grundannahmen der kantonalen Energiestrategie und zeigt im Einzelnen auf, dass in der Schweiz kein neues Atomkraftwerk gebaut werden muss, um den Wegfall der Stromlieferungen aus den alten Kernkraftwerken zu kompensieren. Ein nächster wesentlicher Schritt zur konkreten Umsetzung der kantonalen Energiestrategie wird die Inkraftsetzung des neuen kantonalen Energiegesetzes sein. Im Nachgang zu den Störfällen im Atomkraftwerk Fukushima in Japan vom März 2011 hat das Bundesamt für Energie den Auftrag erhalten, die Energieperspektiven unter Einbezug der aktuellen Erkenntnisse zu überarbeiten und die Konsequenzen eines Ausstiegs aus der Atomenergie zu aktualisieren. Die 2007 veröffentlichte Pegasos-Studie zur Erdbebensicherheit der schweizerischen Atomkraftwerke (AKW) führte dazu, dass das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat 9 Die Energieperspektiven 2035, Band 1 5 mit Anhängen, Bundesamt für Energie, Bern, Im Vergleich zu den anderen Szenarien basiert das Szenario IV E auf den stärksten Annahmen bezüglich gesellschaftlichem, politischem, technologischem und wirtschaftlichem Wandel.

175 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 615 (ENSI) den AKW Überprüfungs- und Nachrüstungsmassnahmen anordnete, die teilweise noch im Gang sind. Diese Arbeiten sollten in ca. fünf Jahren abgeschlossen sein. Der Bundesrat hat am 14. März 2011 aufgrund der jüngsten Reaktorvorfälle in Japan für alle bestehenden AKW eine vorzeitige Sicherheitsüberprüfung angeordnet. Wie sich deren Ergebnisse auf den Weiterbetrieb des AKW Mühleberg auswirken werden, ist zurzeit noch offen. Zu M 171/10, Punkt 3, und I 172/10, Frage 2 und 3: Wer unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine allfällige Brennelementsteuer einführen könnte, wurde durch die kantonale Steuerverwaltung summarisch geprüft. Dabei zeigte sich, dass die Rechtslage nicht eindeutig ist. Wird eine Brennelementsteuer als Verbrauchssteuer qualifiziert, steht es den Kantonen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung frei, eine solche besondere Verbrauchssteuer einzuführen, soweit und solange der Bund nicht selbst bereits eine Steuer erhebt. Ein Teil der Rechtslehre geht allerdings davon aus, nur der Bund sei für die Einführung besonderer Verbrauchssteuern und somit auch einer Brennelementsteuer zuständig. Unabhängig von der rechtlichen Zuständigkeit und der Frage, ob Atomenergie überhaupt zukunftsfähig ist, lehnt der Regierungsrat die Einführung einer Brennelementsteuer auf Kantonsebene ab, weil sie nicht zielführend wäre. Der Kanton Bern ist zu klein und die Brennelementsteuer müsste sehr hoch sein, um eine Wirkung zu entfalten. Die BKW würde auf dem nationalen Markt benachteiligt und die höheren Kosten würden auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt. Diese könnten dann ihrerseits in einem liberalisierten Markt auf die Konkurrenz ausweichen. Soll die gewünschte Wirkung erreicht werden, käme demnach nur eine Brennelementsteuer auf Bundesebene in Betracht. Entsprechend können zur Frage nach den finanziellen Mitteln, die sich mit der Erhebung einer kantonalen Brennelementsteuer generieren liessen, keine konkreten Angaben gemacht werden. Der Regierungsrat geht davon aus, dass die Fragen der Vorstösser damit beantwortet sind, und sich die Erstellung eines Berichts erübrigt. Er beantragt daher, die Motion sei anzunehmen, unter gleichzeitiger Abschreibung. Antrag: Annahme der Motion (M 171/10) unter gleichzeitiger Abschreibung. Geschäft /11 Dringliche Interpellation Imboden, Bern (Grüne) Sieht der Kanton Bern Evakuierungspläne bei einem AKW-Unfall vor? Wortlaut der Interpellation vom 18. März 2011 «Bei einem Störfall in einem KKW ist die Evakuation von tausenden von Menschen innert weniger Stunden nicht durchführbar, nicht vorgesehen und auch nicht sinnvoll.» Diese Antwort stammt vom von der kantonalen Polizei- und Militärdirektion POM zur Interpellation Imboden: « Bernerinnen und Berner leben in der AKW- Gefahrenzone 2: Wie wird ihre Sicherheit bei einem AKW- Unfall gewährleistet?» Die Sicherheit des 39-jährigen Atomkraftwerks Mühleberg war und ist massiv umstritten. Sogar der Direktor des Eidgenössischen Sicherheitsinpektorats (ENSI), Hans Wanner, hat aufgrund der erschreckenden Ereignisse in Japan festgestellt, dass die neuen Sicherheitsanforderungen durchaus Konsequenzen für das alte AKW Mühleberg haben könnten. Im Ernstfall liegen zudem keine Evakuierungspläne für die Schweizer Bevölkerung vor. Die technischen Mängel der Anlage wurden durch das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und die Betreiber kleingeredet und die potenziellen Gefahren ausgeblendet. Die physische Alterung der Anlage, der Riss im Kernmantel, die mangelnde Erdbebensicherheit, aber auch die Nähe zum Staudamm des Wohlensees und die Risiken im Falle eines Anschlags machen die Abschaltung des ältesten Siedewasserreaktors der Welt unumgänglich. Der gleiche Reaktor-Typ in Japan hält derzeit die Welt in Atem. Deutschland nimmt Anlagen, die vor 1972 in Betrieb genommen wurden, vom Netz. Genau dann wurde Mühleberg in Betrieb genommen. Keine Evakuierungspläne im Ernstfall! Willi Scholl, Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, geht in einem Interview in der Zeitung «Bund» (17. März 2011) davon aus, dass es bei einer Evakuierung ein «ziemliches Durcheinander» geben würde. Gemäss seinen Aussagen müssten rund um die betroffenen AKW die Menschen in einem Radius von 20 Kilometern evakuiert werden. Geschähe in Mühleberg ein Unfall, beträfe das gar Menschen, die verstrahlt werden könnten. Es ist mehr als beunruhigend, dass im Kanton Bern bis heute keine Evakuierungspläne vorliegen, obwohl Evakuierungen im Falle eines GAU verordnet werden könnten. Gemäss Aussagen des Chefs des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, sind seit diesem Jahr Evakuierungen vorgesehen, und die Kantone sind für diese Notfälle zuständig. Zudem laufen Abklärungen mit der ETH Zürich über Simulationen für diesen Fall. Der Regierungsrat wird aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten: 1. Sieht der Regierungsrat vor, Evakuierungspläne für den Fall eines atomaren GAU zu erarbeiten sofern das AKW Mühleberg nicht unverzüglich vom Netz genommen wird und wie sehen diese aus? 2. Was sind die Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zwischen Kanton, AKW-Betreibern, Bundesbehörden, betroffenen Gemeinden und Nachbarkantonen für diese Evakuierungspläne? 3. Wie werden die Kosten für die Erarbeitung der Evakuierungspläne und allfälliger Evakuierungen den AKW- Betreibern verrechnet? 4. Wie werden die kommunalen Behörden, insbesondere die grossen Städte Bern, Biel und Freiburg, die innerhalb der 20-km-Gefahrenzone rund um das AKW Mühleberg liegen, einbezogen? 5. War dem Regierungsrat zur Zeit der Beantwortung des erwähnten Vorstosses bewusst, dass gemäss Amt für Bevölkerungsschutz seit 2011 Evakuierungen vorgesehen sind? (Weitere Unterschriften: 13) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 31. März 2011 Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung: Zu Frage 1 Gemäss Art. 11 lit. c der per 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Verordnung des Bundes über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen (Notfallschutzverordnung, NFSV; SR ) erarbeitet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) Vorgaben für die vorsorgliche Evakuation der Bevölkerung in der Zone 1, die einen Perimeter von 2,8 km umfasst. Gemäss Artikel 12 lit. c NFSV erstellen die Kantone nach Vorgaben des BABS ein Konzept zur vorsorglichen Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung. Derzeit liegen noch keine entsprechenden Vorgaben des BABS vor. Der Regierungsrat erachtet eine möglichst rasche Überprüfung und Anpassung der Notfallszenarien des Bundes unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem Vorfall in Fukushima als wichtig. Die zurzeit unter der Federführung der zuständigen Bundesbehörden laufende Überprüfung der

176 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik schweizerischen Atomkraftwerke wird möglicherweise zu einer Anpassung der Notfallplanung für das AKW Mühleberg führen. Unabhängig von den in Aussicht gestellten Vorgaben des Bundes prüft das Kantonale Führungsorgan (KFO) im Rahmen einer Defizitanalyse im ABC-Bereich die aktuelle Notfallplanung, welche auch das Thema Evakuation beinhaltet. Evakuationen erfordern Zeit und können nur durchgeführt werden, wenn im vorgesehenen Zeitfenster keine radioaktive Wolke zu befürchten ist. Andernfalls ist ein Aufenthalt im Keller oder Schutzraum (24 36 Stunden) vorzuziehen. Die Anordnung einer Evakuation bedeutet, dass sich die Bewohner eines bezeichneten Gebietes mit eigenen Mitteln vorsorglich aus einer potenziellen Gefahrenzone begeben. Die Aufgabe des Kantons besteht darin, Evakuationsachsen zu definieren, Aufnahmeorte einzurichten, die dortige Betreuung zu organisieren, die laufende Information über die Lage sicherzustellen und Hilflose zu unterstützen, indem Sammeltransporte organisiert werden. Zu Frage 2 Der Bund erstellt die Vorgaben, der Kanton setzt um. Der Vollzug der operativen Massnahmen erfolgt immer in der kantonalen Zuständigkeit. Dabei ist der Kanton auf die Unterstützung der Fachstellen des Bundes (Nationale Alarmzentrale NAZ, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, usw.) angewiesen, welche die Entscheidungsgrundlagen liefern und die Information der Bevölkerung koordinieren. Die zentrale Aufgabe des Kantons besteht darin, laufend die Risikobeurteilung zu kommunizieren und die dynamischen Prozesse ereignisgerecht zu steuern. Wichtige Fragen wie das Hochfahren der Notfallorganisation oder das Auslösen der Warnung und Alarmierung werden zwischen den Partnern des Notfallschutzes (ENSI, NAZ, Werk, Kanton) unter Abwägungen aller Risiken anlässlich periodischer Konferenzgespräche geklärt. Zu Frage 3 Gestützt auf die Kernenergiegesetzgebung sind die Betreiber von Kernanlagen zur Übernahme ausgewiesener und quantifizierbarer Mehrkosten verpflichtet. Basierend auf diesem Grundsatz schlossen das Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM) des Kantons Bern und das Atomkraftwerk Mühleberg Anfang 2011 eine Leistungsvereinbarung betreffend die Vorhalteleistungen des BSM, der kantonalen Führungsorgane und Dritter im Auftrag des BSM zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft im Hinblick auf mögliche Störfälle im Kraftwerk ab. Zu diesen Vorhalteleistungen gehört unter anderem auch die Bearbeitung der konzeptionellen Belange Notfallschutz in der Umgebung des Kraftwerks. Für die in der Leistungsvereinbarung definierten Vorhalteleistungen des Kantons entrichtet das Atomkraftwerk Mühleberg eine jährliche Pauschalentschädigung. Das BSM setzt die Massnahmen um und stellt das jährliche Reporting sicher. Die Kosten für allfällige Evakuierungen werden durch diese Leistungsvereinbarung nicht erfasst. Gemäss Artikel 4 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983 (KHG; SR , Stand 1. Januar 2011) können jedoch bei einem nuklearen Unfall die Kosten für Massnahmen, welche die zuständigen Behörden zur Abwehr oder Verminderung einer unmittelbar drohenden nuklearen Gefahr treffen, dem Inhaber einer Kernanlage überbunden werden. Zu Frage 4 Alle Gemeinden der Zone 1 und 2 verfügen über eine Notfalldokumentation und arbeiten im Ereignisfall nach Checklisten. Alle Exekutivmitglieder dieser Gemeinden absolvierten eine Schulung des Amts für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM) und verfügen über die notwendigen Grundkenntnisse. Angesichts der Tatsache, dass rund hundert Gemeinden in den Zonen 1 und 2 liegen, sind die Möglichkeiten für eine individuelle Unterstützung beschränkt. Das Kantonale Führungsorgan muss sich darauf konzentrieren, klare Vorgaben zu kommunizieren. Diese können über Radio oder via Alarmstelle der Gemeinden verbreitet werden. Im Vollzug der Massnahmen sind die Gemeinden weitgehend auf sich gestellt. Zu Frage 5 Bei der Beantwortung der Interpellation 097/10 Imboden im Herbst 2010 war bereits bekannt, dass sich bei einem schweren Störfall mit langsamem Ablauf allenfalls eine vorsorgliche Evakuation der Bevölkerung in der Zone 1 aufdrängen würde. Angaben zu einer solchen Evakuierung wurden bereits in der Antwort des Regierungsrates auf die erwähnte Interpellation gemacht. Geschäft /11 Interpellation Jenni, Oberburg (EVP) / Kneubühler, Nidau (FDP) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Gibt es einen Notfallplan für das AKW Mühleberg? Wortlaut der Interpellation vom 5. April 2011 Nach wie vor ist die AKW-Katastrophe im japanischen Fukushima nicht unter Kontrolle. Etwas überraschend ist dabei auch, dass offenbar für ein Ereignis der nun vorliegenden Grössenordnung keine Notfallszenarien vorhanden sind und deshalb Tag für Tag ad hoc an Massnahmen gebastelt wird, ohne Gewissheit, ob und wie diese überhaupt wirksam sind. Es stellt sich zwingend die Frage, wie in einem dicht besiedelten Gebiet wie dem schweizerischen Mittelland bei einem vergleichbaren Vorkommnis vorgegangen würde. Der Regierungsrat wird ersucht, die folgenden Fragen einzeln zu beantworten: 1. Gibt es einen Notfallplan der BKW für eine nukleare Katastrophe, insbesondere auch für eine solche, die ungeachtet der Ursachen von der Dimension her mit derjenigen in Fukushima vergleichbar ist? 2. Falls ein Notfallplan vorhanden ist: Für welche Ereignisdimension ist er ausgelegt? Wie sieht er konkret aus? Wie nimmt er auf den Umstand Bezug, dass das AKW Mühleberg in einem dicht besiedelten Gebiet liegt und bislang noch keine AKW-Katastrophe in einem vergleichbar dicht besiedelten Gebiet erfolgte? 3. Welche Stellen bzw. welche Personen würden für die Schadensbehebung aufgeboten? Welche radioaktiven Belastungen würden diesen Personen zugemutet? Welche Geräte und Einrichtungen sowie Schutzausrüstungen stehen zur Verfügung? 4. Falls Personen aus der Bevölkerung aufgeboten würden: Nach welchen Kriterien würden diese Aufgebote erlassen? Was würde mit Personen geschehen, die sich weigern, ihr Leben für eine Technologie zu gefährden, die sie grundsätzlich ablehnen? 5. Falls kein Notfallplan vorhanden ist: Ist geplant, einen solchen zu erstellen und vorzubereiten? Wie wird dieser aussehen? Auf welche Ereignisdimension wird er Bezug nehmen? 6. Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn die Aare und damit auch der Rhein radioaktiv verseucht werden und die Trinkwasserversorgung bis Rotterdam beeinträchtigt wird? (Weitere Unterschriften: 24) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung: 1. Gibt es einen Notfallplan der BKW für eine nukleare Katastrophe, insbesondere auch für eine solche, die unge-

177 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 617 achtet der Ursachen von der Dimension her mit derjenigen in Fukushima vergleichbar ist? Hinsichtlich des Notfallschutzes für Ereignisse in Kernanlagen, bei denen eine erhebliche Freisetzung von Radioaktivität nicht ausgeschlossen werden kann, besteht eine geteilte Verantwortung zwischen Bund, Kantonen und Anlagebetreiber. Die entsprechenden Aufgaben sind in den Artikeln 6 ff. der Verordnung des Bundes über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen (Notfallschutzverordnung, NFSV) vom 20. Oktober 2010 festgehalten. Im Wesentlichen ist die Ereignisbewältigung im Atomkraftwerk (z. B. die Notkühlung nach einer Schnellabschaltung ungeachtet der Ursache) Sache des Anlagebetreibers, während der Schutz der Bevölkerung vor erhöhter Radioaktivität eine Aufgabe des Bundes und der Kantone darstellt, wobei auch den Gemeinden (Führungsorgane) Verpflichtungen zukommen. Die Überwachung der bestehenden Notfallplanung der Werke erfolgt durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI), das auch die entsprechenden Vorgaben erlässt. Die Notfallorganisation der Kernanlagen wird regelmässig mit Notfallübungen für Mühleberg letztmals 2009 überprüft. 2. Falls ein Notfallplan vorhanden ist: Für welche Ereignisdimension ist er ausgelegt? Wie sieht er konkret aus? Wie nimmt er auf den Umstand Bezug, dass das AKW Mühleberg in einem dicht besiedelten Gebiet liegt und bislang noch keine AKW-Katastrophe in einem vergleichbar dicht besiedelten Gebiet erfolgte? Die Notfallplanungen von Bund, Kanton und Anlagebetreiber richten sich nach den vom Bund vorgegebenen drei Referenzszenarien. Diese decken die ganze Palette der denkbaren Störfälle ab, vom schnellen Störfall mit einem raschen Ablauf aber geringfügiger Verstrahlung in der nächsten Umgebung des Werks, bis zur Freisetzung einer radioaktiven Wolke nach einem schweren Störfall mit Kernschmelze. Die Notfallplanungen des Anlagebetreibers sind aus Gründen der Sicherheit nicht vollumfänglich für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Pläne des Bundes und der Kantone umfassen die Alarmierung sowie weitere Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung gemäss den geltenden Vorgaben. Die Planungen berücksichtigen die Siedlungsdichte. Die Organe der betroffenen Gemeinden sind entsprechend instruiert; auf die konkreten Gefährdungen des Standorts Mühleberg wird Bezug genommen. Auf eine Ereignisdimension wie in Fukushima ist die Planung jedoch nicht ausgelegt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich die Standorte Fukushima und Mühleberg klar unterscheiden: In Mühleberg ist zwar eine Überflutung des Werkes infolge Staudammbruchs, nicht aber ein Tsunami möglich. Mühleberg befindet sich nicht wie Fukushima in einer tektonischen Bruchzone mit erhöhter Erdbebengefahr. Am Standort Mühleberg wird anders als in Fukushima nur ein (kleinerer) Reaktor betrieben. Die zurzeit unter der Federführung der ausschliesslich dafür zuständigen Bundesbehörden laufende Überprüfung der schweizerischen Atomkraftwerke wird zeigen, ob die Notfallplanung beim AKW Mühleberg allenfalls der Risikosituation anzupassen ist. 3. a) Welche Stellen bzw. welche Personen würden für die Schadensbehebung aufgeboten? Aufgeboten wird die betriebsinterne Notfallorganisation, welche aus dem Notfallstab, der betriebsinternen Feuerwehr und dem Strahlenschutz besteht. b) Welche radioaktiven Belastungen würden diesen Personen zugemutet? Die radioaktiven Belastungen werden durch das Bundesamt für Gesundheit, die Strahlenschutzverordnung sowie die ENSI-Richtlinien vorgegeben. Der Grenzwert für die Mitarbeitenden des AKW Mühleberg liegt bei 20 Millisievert pro Jahr (msv/jahr). In Notfallsituationen gilt eine spezielle Abstufung. c) Welche Geräte und Einrichtungen sowie Schutzausrüstungen stehen zur Verfügung? Zur Verfügung stehen die im Rahmen der Notfallvorsorge vorgesehenen Geräte und Ausrüstungen (Notstromaggregate, Schläuche, Anzüge usw.) gemäss der ENSI- Verfügung. Die Geräte und Ausrüstungen werden regelmässig kontrolliert. Gemäss der letzten ENSI-Verfügung werden die Geräte und Ausrüstungen gegenwärtig durch ein zusätzliches externes Lager ergänzt. 4. Falls Personen aus der Bevölkerung aufgeboten würden: Nach welchen Kriterien würden diese Aufgebote erlassen? Was würde mit Personen geschehen, die sich weigern, ihr Leben für eine Technologie zu gefährden, die sie grundsätzlich ablehnen? Für Arbeiten in der Anlage werden AKW-Mitarbeitende eingesetzt und keine Personen aus der Bevölkerung aufgeboten. Für den Schutz der Bevölkerung in der betroffenen Gegend werden entsprechend ausgebildete und ausgerüstete Fachleute der Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes eingesetzt. Eine Rekrutierung aus der weiteren Bevölkerung ist nicht geplant. 5. Falls kein Notfallplan vorhanden ist; Ist geplant, einen solchen zu erstellen und vorzubereiten? Wie wird dieser aussehen? Auf welche Ereignisdimension wird er Bezug nehmen? Wie in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 beschrieben, sind entsprechende Notfallplanungen vorhanden. Diese werden im Zuge der aktuellen Ereignisse und gemäss den Vorgaben des Bundes (ENSI) laufend angepasst. 6. Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn die Aare und damit auch der Rhein radioaktiv verseucht werden und die Trinkwasserversorgung bis Rotterdam beeinträchtigt wird? Die Haftungsfragen richten sich nach den Bestimmungen des Kernenergiehaftpflichtgesetzes des Bundes vom 18. März 1983 (KHG; SR ) und den dazugehörenden Ausführungsverordnungen. Demnach ist die Haftung auf die Inhaber der Kernanlagen gebündelt. Sie haften grundsätzlich mit ihrem gesamten Vermögen und unbegrenzt für die von ihren Anlagen verursachten Schäden. Gemäss der bisherigen Gesetzgebung müssen die Inhaber einer Kernanlage eine Privatversicherung mit einer Deckungssumme von 1 Mrd. Franken abschliessen, zuzüglich 100 Mio. Franken für Zinsen und Verfahrenskosten. Nuklearschäden, die durch ausserordentliche Naturvorgänge oder kriegerische Ereignisse verursacht werden, sowie Schäden zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. Franken, die durch terroristische Gewaltakte verursacht werden, können von den privaten Versicherern von der Deckung ausgeschlossen werden. Diese Risiken werden bis zu einem Betrag von 1 Mrd. Franken durch den Bund versichert, wofür die Inhaber einer Kernanlage eine Prämie bezahlen. Übersteigt der Schaden die versicherte Summe von 1 Mrd. Franken, so haftet der Inhaber mit seinem ganzen Vermögen für die nicht von der Versicherung gedeckten Schäden. Ist bei Grossschäden damit zu rechnen, dass das Vermögen des Anlageninhabers und die Versicherungsleistungen zur Deckung der Schäden nicht ausreichen was bei einem schweren Vorfall wie in Fukushima klar der Fall wäre so stellt die Bundesversammlung in einem allgemeinverbindlichen, dem Referendum nicht unterstehenden Bundesbeschluss eine Entschädigungsordnung auf, die weitere Beiträge des Bundes an den nichtgedeckten Schaden vorsehen kann. Bei einem

178 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik schweren Vorfall wie in Fukushima müssten die nicht einschätzbaren Folgekosten einer radioaktiven Verseuchung grösstenteils durch den Staat beziehungsweise vom Volk getragen werden. Mit der Totalrevision des Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG) vom 13. Juni 2008 wurde gemäss Informationen des Bundesamtes für Energie (BFE) die minimale Deckungssumme für Nuklearschäden von 1 Mrd. auf 1,8 Mrd. Franken erhöht, womit unter anderem der Opferschutz (auch bei nuklearen Unfällen im Ausland) verbessert wird. Dadurch wurde die Voraussetzung geschaffen, dass die Schweiz Ende März 2009 das Pariser Übereinkommen und das Brüsseler Zusatzübereinkommen ratifizieren konnte. Diese internationalen Übereinkommen im Bereich der Kernenergiehaftpflicht sehen eine minimale national aufzubringende Deckungssumme für durch einen nuklearen Unfall entstandenen Schaden im In- und Ausland von 1,8 Mrd. Franken vor. Hinzu kommt eine weitere Entschädigungstranche von 300 Mio. Euro, die von allen Vertragsstaaten gemeinsam aufgebracht wird. Das KHG kann jedoch erst in Kraft gesetzt werden, wenn das Revisionsprotokoll zum Pariser Übereinkommen in Kraft tritt, da das Gesetz auf die erwähnten völkerrechtlichen Verträge verweist und nur solche Bestimmungen konkretisiert, die nicht unmittelbar anwendbar sind. Damit das Pariser Übereinkommen in Kraft treten kann, ist dessen Ratifizierung durch mindestens zwei Drittel der 15 Unterzeichnerstaaten erforderlich. 13 dieser 15 Staaten sind Mitglieder der Europäischen Union (EU). Der Rat der EU hat entschieden, dass alle betroffenen EU-Staaten das Pariser Übereinkommen gemeinsam ratifizieren müssen. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür bestehen zurzeit in 10 dieser Mitgliedstaaten. Mit einem Inkrafttreten des revidierten Pariser Übereinkommens ist laut BFE voraussichtlich nicht vor Anfang 2012 zu rechnen. Der Bundesrat bestimmt anschliessend das Inkrafttreten des revidierten KHG. Geschäft /11 Postulat Heuberger, Oberhofen (Grüne) Medizinische Vorkehrungen bei AKW-Havarie Mühleberg Wortlaut des Postulats vom 28. März 2011 Die Regierung wird aufgefordert, dem Grossen Rat innert sechs Monaten einen Bericht über die medizinischen Notmassnahmen vorzulegen, die im Falle einer schweren Havarie im Kernkraftwerk Mühleberg vorgesehen oder geplant sind. Der Bericht soll folgende Einzelheiten enthalten: 1. Zeithorizont, in dem wirksame Massnahmen ergriffen werden können für den Teil der Bevölkerung im 20-km- Umkreis, der nicht sofort evakuiert werden kann 2. Welcher Anteil der Bevölkerung könnte nicht evakuiert werden? 3. Massnahmenpaket inklusive Örtlichkeiten, die für diesen Teil der Bevölkerung bereitgestellt sind oder bereitgestellt werden sollen (Unterkünfte, Nothilfestellen, medizinisches Personal, Medikamente, Schutzkleidung) 4. Medizinische Massnahmen und Strahlendekontamination im 20-km-Rayon (Zeitrahmen) 5. Dieselben Kennzahlen und Informationen sind für einen 30-km-Rayon auszuweisen. Begründung: Im Verlaufe der AKW-Katastrophe in Fukushima wird klar, dass eine wesentliche Gefährdung und psychische Belastung daher rührt, dass die Bevölkerung im Unklaren gelassen wird, welche Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung geplant wurden und ergriffen werden. Weiter wird klar, dass im Falle einer gefährlichen Havarie in einem Kernkraftwerk nicht alle betroffenen Personen im unmittelbaren Gefahrenkreis (20- und 30-km-Rayon) sofort oder in nützlicher Frist evakuiert werden können, sei dies wegen fehlenden Räumlichkeiten oder mangelnder Infrastruktur und fehlenden Transportkapazitäten. Für diese Personen ist es lebenswichtig, dass rasch griffige Massnahmen zum Schutz und zur medizinischen Behandlung getroffen werden können. Dies gilt besonders, wenn man die Aussagen berücksichtigt, die in der Presse zu lesen waren, dass nicht alle Personen im nahen Umkreis von Mühleberg sofort evakuiert werden könnten. Hier muss offen, genau und verständlich informiert werden und die Vorbeugemassnahmen müssen als vertrauensbildende Massnahme der Bevölkerung auch bekannt sein. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Der Regierungsrat nimmt die Besorgnis der Bevölkerung ernst und legt grossen Wert auf eine gute vorsorgliche Planung. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die Aufgaben zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt sind. So ist die Gesamtheit der Massnahmen in einem Katastrophenfall stufengerecht geregelt. Die Ereignisse in Fukushima führen dazu, dass die bisher gemachten Beurteilungen im Licht der neuen Erkenntnisse betrachtet werden müssen. Zu den einzelnen Punkten können bereits in dieser Antwort die Zuständigkeiten und die vorgesehenen Massnahmen wie folgt skizziert werden: Zu 1. und 2.: Gemäss Artikel 11 Buchstabe c der per 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Verordnung des Bundes über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen (Notfallschutzverordnung, NFSV) erarbeitet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) Vorgaben für die vorsorgliche Evakuation der Bevölkerung in der Zone Gemäss Artikel 12 Buchstabe c NFSV erstellen die Kantone nach Vorgaben des BABS ein Konzept zur vorsorglichen Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung. Unter Würdigung dieser Bestimmungen und solange keine anderslautenden Anweisungen des Bundes bekannt sind, geht der Regierungsrat davon aus, dass sich die Pflicht zur Evakuationsplanung nach den Vorgaben des Bundes einzig auf die Zone 1 beschränkt. Derzeit liegen noch keine entsprechenden Vorgaben des BABS vor. Unabhängig von den in Aussicht gestellten Vorgaben des Bundes prüft das Kantonale Führungsorgan (KFO) derzeit im Rahmen einer Defizitanalyse im ABC-Bereich die Erstellung einer Evakuationsplanung für die Zone 1 um das Kernkraftwerk Mühleberg und allenfalls für weitere Gebiete in der Zone Evakuationen erfordern Zeit und können nur durchgeführt werden, wenn im vorgesehenen Zeitfenster keine radioaktive Wolke zu befürchten ist. Andernfalls ist ein Aufenthalt im Keller oder Schutzraum vorzuziehen. Da die heute vorhande- 10 Die Zone 1 umfasst nach der NFSV das Gebiet um eine Kernanlage, in dem bei einem schweren Störfall eine Gefahr für die Bevölkerung entstehen kann, die Schutzmassnahmen sofort erforderlich macht. Sie umfasst ein Gebiet mit einem Radius von 3 bis 5 Kilometern um das Werk. In Zone 1 des KKM leben rund 2800 Personen. 11 Die Zone 2 schliesst an die Zone 1 an und umfasst das Gebiet, in dem bei einem schweren Störfall eine Gefahr für die Bevölkerung entstehen kann, die Schutzmassnahmen erforderlich macht (umfasst einen Radius von ca. 20 Kilometern). Sie wird in Gefahrensektoren eingeteilt:

179 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Nachmittag 619 nen Szenarien des Bundes auf einer vorübergehenden Strahlenbelastung basieren, wird davon ausgegangen, dass der Keller oder Schutzraum nach 24 bis 36 Stunden wieder verlassen werden kann. Sollte dennoch eine Evakuation angeordnet werden, bedeutet dies, dass die Bewohner eines bezeichneten Gebietes die potenzielle Gefahrenzone möglichst mit eigenen Mitteln vorsorglich verlassen müssen. Die Aufgabe des Kantons und der Gemeinden besteht darin, Evakuationsachsen zu definieren, Aufnahmeorte einzurichten, die dortige Betreuung zu organisieren, die laufende Information über die Lage sicherzustellen und hilfsbedürftige Personen zu unterstützen, indem Sammeltransporte organisiert werden. Eine erste medizinische Sofortmassnahme bei Ereignissen mit erhöhter Radioaktivität stellt die Einnahme der Kaliumiodid-Tabletten dar. Innerhalb der Zonen 1 und 2 wurden die Kaliumiodidtabletten zwischen Oktober 2004 und Mai 2005 auf die Haushalte verteilt, wobei eine hundertprozentige Überdotierung besteht. Neuzuzügern werden die Tabletten durch die Gemeinden abgegeben. Für die Zone 3 12 schreibt der Bund vor, dass die Kaliumiodidtabletten innert 12 Stunden auf die Haushalte verteilt werden müssen. Ein entsprechendes Konzept ist für den Kanton Bern in Umsetzung. Die Kaliumiodidtabletten sind ausschliesslich auf Anweisung der Behörden und nicht prophylaktisch einzunehmen. Die entsprechenden Anweisungen werden nach einem Ereignis mit erhöhter Radioaktivität via Radio verbreitet. Darüber hinaus existieren derzeit keine Szenarien und Vorgaben des Bundes, die eine über die Zone 1 hinausgehende flächendeckende Evakuierung vorsehen. Daher liegen auch keine Informationen darüber vor, welcher Anteil der Bevölkerung nicht evakuiert werden könnte. Dies wäre auch abhängig vom betroffenen Sektor/Gebiet. Bezogen auf die Zone 1 ist jedoch davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Gebiet mit eigenen Mitteln verlassen würde. Für nicht-mobile und hilfsbedürftige Personen sind Sammeltransporte durch den Kanton vorgesehen. Zu 3.: In einem von einem Ereignis mit erhöhter Radioaktivität betroffenen Gebiet würde die Bevölkerung aufgefordert, primär im eigenen Keller oder Schutzraum Schutz zu suchen. Demnach ist nicht damit zu rechnen, dass es einen hohen Bedarf an weiteren Unterkünften geben wird. Trotzdem könnten die vorhandenen öffentlichen Schutzräume als weitere Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden. Da die heute vorhandenen Szenarien des Bundes auf einer vorübergehenden Strahlenbelastung basieren, wird davon ausgegangen, dass der Keller oder Schutzraum nach 24 bis 36 Stunden wieder verlassen werden kann und dass daher keine weitergehende Unterbringung der Bevölkerung notwendig ist. Zu 4. und 5.: Zusätzlich zu den humanmedizinischen Massnahmen an Patientinnen und Patienten, wie sie in allen Lagen durch sämtliche gesundheitsdienstlichen Organe im Kanton Bern angeboten und durchgeführt werden, besitzt der Kanton Bern ein Netz von ausgebildeten und ausgerüsteten Ambulanzstandorten sowie Spitälern mit Dekontaminationsstellen. Dieses Dekontaminationskonzept, welches im Anschluss an die Euro08 im Kanton Bern eingeführt wurde, kommt auch zum Tragen bei atomaren Unfällen oder bei der Einweisung von Patientinnen und Patienten mit Verstrahlungen in ein Spital. Folgende Ambulanzstandorte sind mit entsprechender Schutzausrüstung (ABC) ausgerüstet: Bern Sanitätspolizei, Aarberg, Biel, Münsingen und Thun-Gesigen. Bei den Spitälern wird zwischen Dekontaminationsspitälern und Akutspitälern mit Grob-Dekontaminations-Möglichkeiten unterschie- den. Deko-Spitäler sind das KSD-Spital Burgdorf, das Inselspital, das Spitalzentrum Biel und das Spital STS Thun. Die Dekontaminationskapazität beträgt je genanntes Spital 30 Patienten pro Stunde. Akutspitäler, welche über eine Grob-Deko mit einer Dekontaminationskapazität von zehn Patienten pro Stunde verfügen sind: die Klinik Sonnenhof AG, das Ziegler Spital, das Tiefenau Spital, das Spital Münsingen und das Spital Aarberg der Spital Netz Bern AG und das Lindenhofspital Bern. Die vorgenannten Einrichtungen sind kurze Zeit nach Alarmierung (innerhalb von 20 bis 40 Minuten) in Betrieb. Das Dekontaminationskonzept wird dieses Jahr gemäss einem vom Kantonalen Laboratorium in Zusammenarbeit mit dem Kantonsarztamt geplanten Konzept erweitert. Das Konzept dient zur Aufnahme von verstrahlten Patientinnen und Patienten ungeachtet des 20-km- oder 30- km-rayons, sondern aufgrund medizinischer Indikationen. Weiter hat der Kanton, gestützt auf die Eidgenössische Notfallschutzverordnung (NFSV), den Betrieb von sogenannten Kontaktstellen für die medizinische und psychologische Betreuung von Personen geplant. Diese Kontaktstellen dienen dazu, bei Personen Verstrahlungen festzustellen, diese zu beraten und zu betreuen. Für die Ereignisbewältigung in den Kontaktstellen stellt das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) Einsatzelemente zur Verfügung. Die verlangten Abklärungen können in die erwähnten laufenden Arbeiten einbezogen werden. Der Grosse Rat hat generelle Fristen für den Vollzug von Vorstössen festgelegt (Art. 67 GO). Eine Information des Grossen Rates bzw. der Bevölkerung soll zu gegebener Zeit stattfinden. Antrag: Annahme. 12 Das Gebiet der übrigen Schweiz wird als Zone 3 bezeichnet.

180 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 619 Bitte umblättern!

181 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik Neunte Sitzung Dienstag, 14. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident. Präsenz: Anwesend sind 142 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Bernhard Antener, Hans Baumberger, Jean-Michel Blanchard, Thomas Fuchs, Niklaus Gfeller, Monika Gygax- Böninger, Lorenz Hess, Irma Hirschi, Natalie Imboden, Sabine Kronenberg, Roland Matti, Luc Mentha, Corrado Pardini, Corinne Debora Schärer, Jürg Schürch, Dave von Kaenel, Maxime Zuber, Katrin Zumstein. Gemeinsame Beratung Block 2: Vorstösse zur Sicherheit AKW Mühleberg Fortsetzung Präsident. Wir fahren fort mit den Einzelsprecherinnen und Einzelsprechern. Ulrich Scheurer, Lengnau (SP). Nachdenklich stimmt vor allem die Aussage zur Interpellation von Kathy Hänni, dass ein Störfall wie in Fukushima für die Schweiz nicht zu bewältigen wäre. Grosse Teile unseres Landes wären über Jahre, eher Jahrzehnte, nicht mehr bewohnbar. Auch für die Landwirtschaft, die Wirtschaft und den Verkehr würden sie nicht mehr zur Verfügung stehen. In Fukushima wurde anfänglich ebenfalls beschwichtigt. Später musste trotzdem grossräumig evakuiert werden. Bei einem GAU in Mühleberg wären unter anderem Bern, Biel und Lyss unbewohnbar. Immer wieder heisst es, wir hätten in der Schweiz alles im Griff. Nach Tschernobyl hiess es, ein solcher Unfall könne nur bei einer solch veralteten Technologie vorfallen. Nach Fukushima kann dies nicht mehr behauptet werden. Wer hat bei Erdbeben und Tsunamis so viel Erfahrung wie Japan? Trotz der hohen Kompetenz der Japaner, auch in der Technologie, ist Fukushima noch heute, mehrere Monate nach dem GAU, nicht unter Kontrolle. Informationen fliessen spärlich, und zugegeben wird nur, was nicht zu verstecken ist eigentlich genau wie bei Mühleberg. Die Aussagen der BKW sind nicht vertrauenswürdig. Die Probleme werden immer wieder heruntergespielt. Der Standort unterhalb des Wohlensees ist kritisch. Der Staudamm wurde während einer Zementknappheit gebaut. Die Erdbebensicherheit darf wirklich bezweifelt werden. Der Wohlensee besteht grösstenteils aus Schlamm. Ein weiteres Kapitel sind die Zuganker. Die vier Zuganker fixieren den Kernmantel nur in einer Richtung, nicht aber in der viel wichtigeren vertikalen Richtung. Im rissigen Kernmantel könnten sich durch Verrückungen die Steuerstäbe verkanten. Dann könnte der Reaktor nicht mehr abgeschaltet werden. Auch ein ausser Betrieb stehendes AKW bleibt gefährlich, wie Fukushima zeigt. Bis zu diesem Vorfall wurde den zwischengelagerten, abgebrannten Stäben nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. (Der Präsident bittet den Redner, zum Schluss zu kommen.) Können solche Fälle nicht vorhergesehen werden, wie kann dann diese Technologie behaupten, sie habe die Gefahren im Griff? Weshalb ist zuerst ein Störfall notwendig, bevor gehandelt wird? Weiter ist die Kontrollstelle, das ENSI, nicht neutral, sondern aus AKW-Kreisen zusammengestellt. Deshalb muss die Politik endlich die Verantwortung übernehmen. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ich äussere mich zuerst als Einzelsprecher und anschliessend für die Fraktion. Bei dieser Sicherheitsdiskussion bekomme ich langsam einen dicken Hals. Ich bin kein Experte für die Sicherheit von Atomkraftwerken. Wenn die Experten die Verantwortung den Politikern zuschieben und diese sie wiederum den Experten zuschieben, so ist dies merkwürdig. Alles, was bis zum 12. Februar noch sicher war, soll nun von derselben Behörde als unsicher dargestellt werden. Damit habe ich grosse Mühe. Wenn dies so wäre, müsste man ja die grösste Vertuschungsaktion vermuten, die es in diesem Land je gegeben hat. Das kann ich nicht glauben Auf der anderen Seite hört man, dass Japan seine Sicherheitsmassnahmen auf einen 25-jährigen Höchstkatastrophenfall ausgerichtet hat. In Mühleberg gehen wir von einem 1000-jährigen Katastrophenfall aus. Ich weiss, auch dies ist keine absolute Sicherheit. Als Fraktionssprecher empfehle ich Ihnen, wie von der Regierung beantragt abzustimmen. Eine Ausnahme ist die Motion Grimm und Häsler. Ziffer 2 wollen wir nicht abschreiben. Denn es ist noch nicht allen klar, was der Ausstieg aus der Atomenergie bedeutet. Dies muss man den Leuten noch genauer aufzeigen. Daher kann die Ziffer heute noch nicht abgeschrieben werden. Die Forderung nach einer Brennelementsteuer lehnen wir auch als Postulat ab. Dies mit Blick auf die Abstimmung über das Energiegesetz. Alle kantonalen Sondersteuerlösungen sind leider zurzeit im Kanton Bern nicht mehrheitsfähig. Mathias Tromp, Bern (BDP). Es gibt immer ein Restrisiko. Es stellt sich die Frage, wer über das Risiko entscheiden soll. Die Politik kann nicht über dieses Risiko entscheiden. Man muss letztlich die Fachleute entscheiden lassen. In unserm Land ist es das ENSI, das darüber entscheidet. Auf eidgenössischer Ebene wird die Sache einigermassen korrekt angeschaut. Wenn wir damit beginnen, zu entscheiden, stellt sich die nächste Frage. Wir müssen dann schlussendlich Atom- oder anderen Strom importieren. Es ist nicht ganz ehrlich, wie Deutschland dies getan hat. Es wurde hier nämlich gesagt, sie könnten abschalten. Klar können sie abschalten. Sie importieren nun Kohlestrom und Atomstrom aus Tschechien. Ich frage, was denn schlussendlich sicherer ist. Es ist mir lieber, wenn wir die Sicherheit selbst in den Händen haben. Wir sollten nicht Strom importieren, der wesentlich weniger sicher ist als derjenige, den wir im eigenen Land haben. Aus diesem Grund bitte ich Sie, so abzustimmen, wie es vom Fraktionssprecher empfohlen wurde. Die BDP ist für den Ausstieg aus der Kernenergie; aber bitte kontrolliert und nicht überstürzt. Erwin Burn, Adelboden (EDU). In der Pause ist uns aufgefallen, dass uns ein Lapsus unterlaufen ist. Wir möchten die Motion Kropf in allen drei Ziffern annehmen und abschreiben. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Ich danke für die mehrheitlich gute Aufnahme meines Vorstosses. Ich bitte darum, die Abschreibung auf Ziffer 2 zu beschränken. Ziffer 1 ist offensichtlich noch nicht erfüllt. Ich bitte Sie, auf dessen Abschreibung zu verzichten. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Ich danke Ihnen für die Diskussion über unsere Motion. Wir hatten diese Frage auch in der Interpellation gestellt. Es ist wichtig, die Motion anzunehmen. Damit nicht zusätzliche Kosten verursacht werden, indem ein Bericht im Zusammenhang mit der Brennele-

182 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 621 mentsteuer erstellt werden müsste, sind wir bereit, abzuschreiben. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Ich danke für die Diskussion und für die gute Aufnahme unserer Antworten. Ich weise nochmals darauf hin, dass wir viele Antworten seitens der Regierung oder der Verwaltung nicht selbst geben konnten. Wir waren auf Antworten der BKW angewiesen. Sie betreibt das AKW Mühleberg. Die Angestellten der BKW sind keine Mitarbeitenden der Verwaltung. Wir haben offengelegt, welche Fragen wir der BKW vorgelegt haben und welche Fragen von der BKW beantwortet wurden. Ich bitte diesbezüglich um Verständnis. Es wäre manchmal schön, der Regierungsrat wäre allwissend. Das sind wir jedoch nicht. Es gibt gewisse Fragen, die wir wirklich nicht beantworten können. Es ist nicht der Regierungsrat, der das AKW Mühleberg betreibt, sondern die BKW als Unternehmung. Wir bauen auch kein neues AKW, wie mehrmals gesagt wurde. Was die Vorstösse betrifft, verweise ich auf die Antwort der Regierung. Zur Brennelementsteuer. Die Regierung ist nicht gegen eine Brennelementsteuer. Dieses Thema wurde auf nationaler Ebene diskutiert, und das wird wohl auch künftig noch der Fall sein. Die Regierung ist einfach dagegen, dass man dies nur für den Kanton Bern einführen würde. Wenn man eine solche Brennelementsteuer einführen will, dann auf nationaler Ebene. Die Motion verlangt, es sei ein Bericht zu erstellen, in welchem aufgezeigt werden soll, ob eine Brennelementsteuer den Ausstieg aus der Atomenergie ermöglichen würde. Wie in der Antwort aufgeführt, haben wir dies von der Steuerverwaltung summarisch prüfen lassen. Rechtlich ist nicht ganz klar, wie dies gemacht werden müsste. Die kantonale Steuerverwaltung müsste wohl einen Auftrag an die eidgenössische Steuerverwaltung erteilen. Ob diese unsern Auftrag annehmen wird, weiss ich nicht. Sie müsste uns dann die Unterlagen liefern, damit wir so etwas machen könnten. Was in unseren Möglichkeiten liegt, haben wir gemacht wir haben es summarisch geprüft. Eine solche Brennelementsteuer sei möglich, sagen die einen; dies müsse jedoch auf nationaler Ebene eingeführt werden. Ich bitte Sie daher, den Vorstoss Grimm und Häsler anzunehmen und in allen Punkten abzuschreiben. Denn sonst werden wir beauftragt, erneut einen Bericht zu erstellen. Was die Motion Kropf und das Postulat Heuberger betrifft, bitte ich Sie, wie die Regierung zu stimmen. Die Motion Kropf soll in den Ziffern 1 und 3 angenommen werden. Tatsächlich sind diese Anliegen noch nicht erfüllt. Ziffer 2 soll unter gleichzeitiger Abschreibung angenommen werden. Hier gibt es für uns im Moment nichts mehr zu tun. Präsident. Wir stimmen zuerst punktweise über die Motion Kropf ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 1 der Motion Dagegen 121 Stimmen 16 Stimmen 0 Enthaltungen 71 Stimmen 69 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Nun stimmen wir über Annahme und gleichzeitige Abschreibung von Ziffer 2 der Motion Kropf ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung von Ziff. 2 der Motion Dagegen 140 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Zum Schluss stimmen wir noch über Ziffer 3 der Motion Kropf ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 3 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 3 der Motion Dagegen 112 Stimmen 29 Stimmen 0 Enthaltungen 70 Stimmen 71 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Nun befinden wir über die Motion Grimm. Wird die Abschreibung der Motion bestritten? Dies ist nicht der Fall. Wir können also gleichzeitig über Annahme und Abschreibung abstimmen. Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung der Motion Dagegen 119 Stimmen 22 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Wir stimmen ab über das Postulat Heuberger. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 96 Stimmen 45 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Damit haben wir Block 2 beendet. Wir fahren nicht mit Block 3 fort, sondern kommen zurück auf Block 1. Ich möchte Sie darüber informieren, dass zwei Geschäfte aus der JGK, eine Gesetzesänderung und ein Kreditgeschäft, dringend behandelt werden müssen und daher vorgezogen werden. Die Geschäfte werden unmittelbar nach Abschluss der Sondersession Energiepolitik behandelt. Geschäft /11 Dringliche Motion Jenni, Oberburg (EVP) / Löffel- Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) Der Kanton Bern hat keine andere Wahl: AKW Mühleberg stilllegen! Geschäft /11 Dringliche Motion Häsler, Burglauenen (Grüne) Atomkraftwerk Mühleberg Ausstieg 2012 Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri) Energiewende (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 631 ) Gemeinsame Beratung Block 1: Vorstösse zum Atomausstieg Josef Jenni, Oberburg (EVP). Ich danke dem Regierungsrat für die konstruktive Antwort auf die Motion. Wie ich erwähnt habe, sind auf der ganzen Welt 85 Reaktoren bereits abgeschaltet worden. Sechs davon, das heisst jeder vierzehnte, wurden mit Problemen abgeschaltet. Die entspricht einem

183 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik statistischen Risiko von 7 Prozent. Bis jetzt hatte man weltweit bei den Reaktoren 7 Prozent Risiko. Dies ist für mich im Hinblick auf Mühleberg viel zu viel. Dies umso mehr, wenn man beachtet, dass Mühleberg eine ganze Reihe von Schwachstellen aufweist. Auf diese wird seit Jahren hingewiesen, und sie werden seit Jahren bagatellisiert. Sie werden nicht überall gleich gesehen. Solange nichts geschieht, geschieht nichts. Sollte es jedoch dumm laufen, können sich die Schwachstellen verheerend auswirken. Eine Havarie in einem Kernkraftwerk dies haben alle bisherigen Fälle gezeigt ereignet sich ohne jegliche Voranmeldung. Sie ist plötzlich da und kann nicht mehr kontrolliert werden. Es sind dann eben Probleme, bei welchen es dumm gelaufen ist, an die man nicht gedacht hat, usw. Es kommen dann viele Ausreden, die jedoch nicht viel helfen. 79 Reaktoren wurden bereits behördlich abgeschaltet. In vielen andern Staaten wäre Mühleberg längst abgeschaltet worden. In Deutschland wäre dies ganz bestimmt der Fall; vielleicht sogar auch in Frankreich. Wollen wir aus der Atomenergie aussteigen, dann geht es nicht darum, dass wir nur darüber reden. Wollen wir aussteigen, dann müssen wir konkret Kernkraftwerke abschalten. Denn der Strom, der angeboten wird, wird verbraucht. Die Kernkraftwerke dann abzuschalten, wenn wir deren Strom nicht mehr benötigen das ist für mich eine absolute Illusion. Darauf können wir ewig warten. Dies sind Antworten von Energiejunkies. Energiejunkies nehmen bekanntlich jegliche Risiken in Kauf. Kernkraftwerke sind für mich nicht die Lösung eines Problems, sondern das Problem selbst, das wir mit grösstem Aufwand lösen müssen. Es ist auch für uns völlig klar, dass man Kernkraftwerke nicht einfach abschalten und den Strom aus anderen, zweifelhaften Quellen beziehen kann. Wir sind gefordert, unsern Energie- und Ressourcenverschleiss mit grössten Anstrengungen zu reduzieren. Dies können wir; da haben wir drei Möglichkeiten. Wir können das mit Energiespartechniken tun. Wir haben sehr viele Möglichkeiten mit erneuerbaren Energien. Demnächst haben wir wieder die Gelegenheit, zwei weitere, vollständig solar geheizte Mehrfamilienhäuser zu realisieren. Diese können meiner Meinung nach absolut wirtschaftlich realisiert werden, das heisst, mit normalen Preisen für gewöhnliche Wohnungen. Drittens können wir unsern Bedarf infrage stellen. Auch das müssen wir tun. Wollen wir die Energieprobleme lösen und das können wir, dann sind ganzheitliches Denken und ein optimales Zusammenspiel vieler Möglichkeiten notwendig. Der Umstieg weg von Kernkraftwerken hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung ist ein Kraftakt, der jedoch machbar ist, sowie eine Willensfrage. Die mit Abstand schmerzloseste Möglichkeit wäre eine grundlegende ökologische Steuerreform. Es ist mir klar, dass der Kanton nicht der richtige Ort dafür ist. Dies wäre jedoch am einfachsten. Ich fasse zusammen: Für mich ist ein statistisches Risiko von 7 Prozent für Mühleberg schlichtweg zu hoch. Daher bin ich für ein Abschalten. Ich bin der Meinung, dass wir dies tun können und müssen. Ich danke Ihnen für die Zustimmung zur Motion. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Die Risiken, die potenziellen Nebenwirkungen und die unlösbaren Langzeitprobleme der Atomenergie sind uns in den letzten Monaten unerwartet heftig in Erinnerung gerufen worden. Den meisten von uns ist heute bewusst, dass in der Schweiz nie mehr ein neues AKW wird gebaut werden können. Je früher wir den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen schaffen, desto besser. Unsere Motion verlangt daher von der Regierung, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpft, um dasjenige AKW möglichst rasch abzustellen, welches im Falle einer Katastrophe einen grossen Teil unseres Kantons verwüsten würde. Der Bundesrat und auch der Nationalrat haben diesen Entscheid im Grundsatz gefällt. Es ist nun an uns, die eingeschlagene Richtung zu unterstützen. Ich weiss, das Wort «raschestmöglich», welches im Motionstext steht, kann ganz unterschiedlich interpretiert werden. Darum sage ich nun kurz, was die EVP darunter versteht. Ein sofortiger und vollständiger Umstieg von der Atomenergie auf erneuerbare Energiequellen scheint ohne massive Einsparungen nicht realistisch. Der Import von zusätzlichem «Dreckstrom» und damit der Export der Probleme ist für die EVP kein gangbarer Weg. Aus diesem Grund behandeln wir später noch unsere zweite Motion, die rigorose Energiesparmassnahmen verlangt. Hand in Hand mit wirkungsvollen Sparanreizen und Effizienzverbesserungen soll nach dem Dafürhalten der EVP der Umstieg so rasch wie möglich erfolgen «raschestmöglich» eben. Das heisst, Mühleberg soll «raschestmöglich» stillgelegt werden, sobald dies im skizzierten Rahmen möglich und machbar ist. Dafür soll die Regierung alle notwendigen Massnahmen ergreifen. Ich danke Ihnen, wenn Sie die Motion unterstützen. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne). Lucens, Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima heute Morgen haben wir in den Medien gehört, Japan wolle einen Fonds gründen, der den Opfern von Fukushima helfen und sie entschädigen soll, ohne dass die zuständige Firma Tepco daran zugrunde gehen soll. Noch ist völlig unklar, ob dieser Fonds politisch umsetzbar und wirtschaftlich machbar ist. Wir wissen, dass auch ein solcher Fonds nur bedingt helfen kann, den einen oder andern wirtschaftlich-materiellen Verlust zu dämpfen. Eigentlich kommt die Hilfe zu spät. Der Unfall ist geschehen, und die Folgen sind geografisch und zeitlich weitreichend. Dieses Problem kann man nicht mit einem Masterplan bis Ende Jahr lösen. Der Unfall ist wie derjenige in Tschernobyl eine Katastrophe, die sich über eine sehr lange Zeit auswirkt. Bern hat sein AKW vor der Haustüre, wobei mit dem gleichen Reaktortyp gearbeitet wird. Über die Sicherheit haben wir vorhin lange miteinander gesprochen. Ob «raschestmöglich» oder 2012, so hoffen wir doch alle, ist zweitrangig. Wir hoffen, es geschehe nun nichts, das ausmacht, dass es auf ein paar Wochen angekommen wäre. Ich beharre nicht auf der Aussage Es geht darum, jetzt die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit wir miteinander den Umstieg in eine neue Zeit schaffen können. Dazu sind die Grundlagen des Energiegesetzes wichtig, nämlich eine konsequente, zielführende und auch hier raschestmögliche Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Ich habe die Antwort der Regierung genau gelesen. Der Regierungsrat hat als politische Behörde keine Entscheidkompetenz hinsichtlich der Frage, wann abgestellt wird. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Es darf nun hier auch nicht um das Rechthaben gehen. Es muss um die Lösungen gehen, die wir gemeinsam erarbeiten wollen. Die Wende muss nun in unsern Köpfen und in unserer gemeinsamen Arbeit beginnen. Ich wandle daher Ziffer 1 meiner Motion ins Postulat. Dies aufgrund der Prüfung der Antwort der Regierung, die mich überzeugt hat. Damit meine ich auch «raschestmöglich». Ich bitte Sie, dem Vorstoss so zuzustimmen für die Sicherheit der Menschen im Kanton Bern, derjenigen von heute, von morgen und der kommenden Generationen. Damit meine ich nicht nur die Sicherheit, was die Versorgung mit vermeintlich günstigem Strom betrifft, sondern die Sicherheit der Bevölkerung als Ganzes. Dies betrifft den Betrieb des alten Reaktors, die nuklearen Abfälle und all diejenigen Risiken, die wir eigentlich kennen und über die wir hier immer wieder sprechen. Es geht um die Gesundheit, und es geht auch um eine gesunde Wirtschaft. Aus unserer Sicht ist die

184 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 623 Atomwirtschaft keine gesunde Wirtschaft. Wir wollen eine gesunde, starke Berner Wirtschaft eine, die sich für die erneuerbaren Energien einsetzt und dort ein grosses Potenzial hat. Ich danke Ihnen für die Unterstützung der in Ziffer 1 ins Postulat gewandelten Motion. Präsident. Die Ziffer 1 der Motion Häsler wurde ins Postulat gewandelt. Roland Näf-Piera, Muri (SP). Zuerst möchte Ihnen aufzeigen, wie diese Motion zustande gekommen ist. Die Motion entstand in enger Zusammenarbeit der sozialdemokratischen Parteien aller AKW-Standortkantone in der Schweiz. Der Vorstoss wurde also gemeinsam entwickelt und wird in allen entsprechenden Kantonsparlamenten eingereicht. Die Motion beinhaltet in den Ziffern 1 und 2 das, was bereits im Nationalrat beschlossen wurde. Sie können nun fragen, warum ich nochmals damit komme, und sagen, es handle sich um kalten Kaffee. Das ist nicht der Fall. Das Thema muss noch durch den Ständerat. Ich bin diesbezüglich nicht durchgehend optimistisch. Vor allem bin ich nicht sicher, was unsere beiden katonalen Ständeräte vertreten werden, sobald das Geschäft im Ständerat ankommt. Genau darum ist mir wichtig, dass auch die beiden ersten Ziffern von diesem Parlament mit Übrzeugung als Standesinitiative überwiesen werden. In Ziffer 3 geht es um sämtliche Möglichkeiten der Energiegewinnung, also um erneuerbare Energien. Es geht auch um die Effizienz, das heisst, die Geräte müssen besser werden. Vor allem das ist für mich persönlich am wichtigsten geht es um das Energiesparen. Dies wurde heute verschiedentlich angsprochen. Die Fraktion SP-JUSO-PSA ist nicht so optimistisch, dass das Sparen bei der Bevölkerung von selbst kommt. Wir haben dies immer wieder versucht. Es ist wesentlich mehr als eine Aufforderung notwendig. Notwendig ist eine Bewusstseinsänderung. Dazu sind, wie von Herrn Löffel erwähnt, klare Anreize notwendig. Ebenso braucht es Einflussnahme auf unsere Stromproduzentinnen und -produzenten im Kanton, beispielsweise auf die BKW. Es braucht auch mehr Reglementierung, mehr Staat. Ich weiss, das ist unangenehm. Wollen wir, dass der Ausstieg wirklich gelingt, ist dies jedoch nicht zu verhindern. Zu Ziffer 4. Nach den Ereignissen in Fukushima wird das Misstrauen der Bevölkerung, auch was die Endlagerung betrifft, wesentlich grösser sein als vorher. Dies bedeutet eine grosse Belastung für unser demokratisches System. Ich befürchte, dass sich die lokale Bevölkerung gegen jeden Standort eines Endlagers wehren wird. Wir haben während über 40 Jahren Atommüll produziert. Wir wissen heute, dass dies ein Fehler war. Auch wir von der SP-JUSO-PSA wollen mithelfen, diesen Fehler auszubügeln. Wir fordern konkret eine Zusammenarbeit, um gute Standorte für die Endlagerung zu finden, eventuell auch zusammen mit dem Ausland. Dies betrifft vor allem die Forschung. Wir müssen uns fragen, ob es nicht ein Fehler ist, solche Anlagen in Gebieten mit derart hoher Bevölkerungsdichte zu bauen. Ich bitte Sie, der Standesinitiative zuzustimmen. Ueli Lehmann, Zäziwil (BDP). Die BDP lehnt die Motion Jenni ab. Wir respektieren die Marschrichtung und die Entscheide des Bundesrats und des Nationalrats. Wir wollen deren Kompetenz nicht einschränken, sondern uns dieser unterordnen. Wir sind klar für den Ausstieg, aber eben geordnet und schrittweise. Der Bundesrat hat beschlossen, die Atomkraftwerke schrittweise vom Netz zu nehmen. Wir stellen uns hinter die Entscheidungen der übergeordneten Behörden und wollen keine Sonderlösungen und kantonale Einzellösungen. Die Regierung deklariert in ihrer Antwort, dass der Beschluss des Atomausstiegs nicht ihre Sache sei. Mittelfristig hat sie das Ziel des Atomausstiegs, nicht jedoch als unmittelbares Ziel. Die Regierung hält fest, der Ausstieg müsse geordnet erfolgen. Nebst der Sicherheit müssten auch ökonomische und versorgungstechnische Kriterien berücksichtigt werden. Dies entspricht genau der Marschrichtung des Bundesrats. Der Regierungsrat erkennt, dass er nicht dazu befugt ist, zu entscheiden, wann das AKW Mühleberg abgeschaltet wird. Die Regierung gibt zu, dass sie auch als Mehrheitsaktionär nicht über die Schliessung, beziehungsweise Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg verfügen kann. Der Regierungsrat erkennt, dass es zum Erreichen der Zielvorgaben zum Atomausstieg nicht ohne die Entscheide auf Bundesebene geht, sowohl politisch wie technisch. Das heisst, Bundesrat, Parlament und ENSI müssen entscheiden. Die Entscheidungen, die wir hier fällen wollen, sind nicht stufengerecht. Ich wandle ein Sprichwort entsprechend ab: «Gib dem Kanton, was dem Kanton gehört, und gib dem Bund, was dem Bund gehört.» Die BDP lehnt Ziffer 1 der Motion Häsler auch als Postulat ab. Die Begründung entspricht derjenigen zur Motion Jenni. Die Ziffern 2 und 3 will die BDP als Motion überweisen. Wir verlangen daher punktweise Abstimmung. Die Ziffern 2 und 3 stehen mit der Strategie der BDP genau im Einklang. Wir haben den Gegenvorschlag zum Energiegesetz unterstützt. Daher unterstützen wir auch hier die geforderten Massnahmen. Die Motion Näf lehnen wir in allen Punkten ab. Es gibt keine neuen Argumente zusätzlich zu den bereits genannten. Man soll diejenigen Leute, beziehungsweise Entscheidungsorgane, welche die Entscheidungskompetenzen auch haben, stufengerecht und auf der richtigen Flughöhe entscheiden lassen. Philippe Müller, Bern (FDP). Die FDP-Fraktion unterstützt den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Dies ohne Relativierungen und ohne Vorbehalte. Sie enthält sich auch nicht der Stimme. Dies sollte nun klar sein. Auch klar ist aber Folgendes: Im Jahr 2020 oder 2030 werden andere Leute hier sitzen. Sie werden unter andern Umständen diejenigen Entscheide fällen, die sie für richtig halten. Wir werden hier also nicht Entscheidungen für alle Ewigkeit fällen. Ich erwähne das Beispiel der Greina-Hochebene im Bündnerland. Vor 30 Jahren hat man diese gerettet. Damals war man der Meinung, dies sei für immer. Mittlerweile diskutiert man wieder die Frage, ob die Ebene geflutet werden soll. Meinungen und Umstände können sich also ändern. Dies ist einer der Gründe, warum die FDP für einen geordneten Ausstieg ist. Sie unterstützt jedoch die Forderungen nach der Förderung der erneuerbaren Energien. Weil die FDP keine überstürzten Entscheidungen will, lehnt sie auch die Vorstösse, respektive die Ziffern betreffend die sofortige Stillegung des Atomkraftwerks Mühleberg ab. Zu beurteilen, ob Mühleberg sicher ist oder nicht dafür sind Experten zuständig, und zwar in Zusammenarbeit mit andern Gremien. Wenn diese sagen, Mühleberg sei nicht sicher, so sind wir die Ersten, die dafür sind, das Werk abzuschalten. Wenn sie jedoch sagen, es sei sicher, dann sind wir auch die Ersten, die sagen, es solle nicht abgeschaltet werden. Ich will niemandem hier im Saal zu nahe treten, aber die erwähnten Experten sitzen wahrscheinlich nicht hier. Hier sitzen Leute, die ihren politischen Meinungen zum Durchbruch verhelfen wollen. Wenn es Schule macht, dass wir hier von der kantonalen Ratsstube aus den Experten, beispielsweise im Tunnelbau, in der Biotechnologie oder in der Chirurgie, sagen wollen, wie sie ihren Job zu erfüllen haben, dann kommt es wahrscheinlich nicht gut heraus. Dies gilt auch für die vorliegenden Fragen. Ich fasse zusammen. Die FDP lehnt die Motion Jenni ab. Bei der Motion Häsler lehnen wir die erste Ziffer auch als Postulat ab. Die Ziffern 2 und 3 nehmen wir an. Die Standes-

185 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik initiative lehnen wir ebenfalls ab, da sie nichts bringt. Die Frage ist auf nationaler Ebene bereits entschieden worden. Der Motionär hat zwar sinngemäss gesagt, er wolle Druck machen. Es richtet sich an die nationale Ebene. Die Frage ist bereits dort. Wenn sie es machen wollen, dann machen sie es. Wenn sie es nicht machen wollen, nützt auch eine Standesinitiative nichts. Nadine Masshardt, Langenthal (SP). Die SP-JUSO-PSA- Fraktion unterstützt selbstverständlich alle Vorstösse in diesem Block. Wir wollen den Atomausstieg, und dies nicht erst seit Fukushima. Wir wollen auch die schnellstmögliche Stillegung des Atomkraftwerks Mühleberg. Wir setzen uns für Energieeffizienz und die Förderung der erneuerbaren Energien ein. In den vergangenen Wochen mit vielen schrecklichen Neuigkeiten aus Japan ist mir immer wieder der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt mit seinem Theaterstück «Die Physiker» in den Sinn gekommen. Dazu hat er unter anderem Folgendes geschrieben: «Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen. Was alle angeht, können nur alle lösen.» Damit sind auch wir, und ganz speziell wir im Rathaus gemeint. Oft ist die schlimmstmögliche Wendung nicht voraussehbar, weil Prognosen immer schwierig sind. Eine hoch gefährliche Technologie mit grossem Risikopotenzial birgt viele Gefahren. Darf man solche Risiken im Bewusstsein darum, wie schrecklich die Folgen sein können, eingehen? Nein. Dies hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit Vorsicht, Risikoabwägung und Selbstschutz. Wir Politikerinnen und Politiker tragen Verantwortung für das Heute, aber auch für das Übermorgen. Denken wir an Mühleberg. Die Technologie dieses Atomkraftwerks wurde in den 50er- und 60er- Jahren entwickelt, also zu der Zeit, da meine Eltern geboren wurden ging Mühleberg ans Netz zwölf Jahre vor meiner Geburt geschah der Super-GAU in Tschernobyl. Damals war ich eineinhalbjährig. Was hat sich seither nicht alles verändert denken wir an die Smartphones, an die Mobiltelefonie, die Laptops und das Internet. Anlässlich eines Podiums zur Einweihung des Solarstalls in Melchnau hat ein Swisscom-Vertreter gesagt, sie setzten zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien, da sie am eigenen Leib erfahren hätten, wie rasch sich Technologien entwickeln können. Das habe ich mir gemerkt. Mühleberg stammt aus einer anderen Zeit und gehört daher aus unserer Sicht schnellstmöglich abgeschaltet. Ich hoffe, dass wir alle endlich unsere Lehren ziehen. Dies nicht nur unserer Gesundheit und unserem Leben zuliebe, sondern auch zugunsten der heimischen Wirtschaft und der Arbeitsplätze in diesen Zukunftstechnologien. Ich bin Gotte eines halbjährigen Buben. Er soll in einem atomfreien Kanton Bern aufwachsen. Das Risiko des Atomkraftwerks Mühleberg ist gross. Wir haben bereits über die Risse im Kernmantel, die Folgen eines möglichen Erdbebens, Dammbruchs oder Flugzeugabsturzes gesprochen. Das will ich uns allen, aber auch unsern Kindern nicht zumuten. Dass im Grundsatz immer mehr Politikerinnen und Politiker auch aus dem bürgerlichen Lager einsehen, dass wir energiepolitisch über die Bücher gehen müssen, ist erfreulich. Es ist keine Schande, zuzugeben, dass man sich geirrt hat. Wichtig ist aber, im entscheidenden Moment die eigene Haltung kritisch zu hinterfragen. Das dient dem Wohl unserer Zukunft, dem Wohl der vielen Menschen, die rund um Mühleberg wohnen, und dem Wohl unserer Nachkommen. Dazu sind Worte nicht ausreichend; es müssen Taten folgen. Daher verstehe ich die Haltung insbesondere der BDP, aber auch der FDP nicht. Nun geht es um konkrete Vorstösse, darum, den Worten Taten folgen zu lassen. Es geht um den raschestmöglichen Ausstieg. Ich erwarte insbesondere von der BDP wie auch von der FDP, dass sie hier Taten zeigen. Wir von der SP-JUSO-PSA-Fraktion unterstützen in diesem Sinne alle Vorstösse. Wir bitten auch Sie um Unterstützung. Damit schaffen wir den Atomausstieg, die Energiewende. Dies wird bestimmt kein Spaziergang. Wenn wir am gleichen Strick ziehen, wie dies auch das nationale Parlament und der Bundesrat machen, schaffen wir das. Wir können uns als Kantonsparlament nicht aus der Verantwortung stehlen. Auch wir sind gefragt. Ich hoffe auf einen historischen Entscheid im Kantonsparlament. Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV). Cela a déjà été dit ici, le PEV veut sortir du nucléaire, mais contrairement à certains partis il souhaite, comme on le dit en français, «se hâter lentement». Le PEV refuse que les centrales nucléaires existantes soient remplacées et il veut que les vieilles centrales de Beznau et de Mühleberg soient arrêtées. Pour ce faire, la consommation d énergie doit être massivement réduite et les énergies renouvelables beaucoup mieux développées. Je citerai ici les quatre priorités du parti évangélique dans ce domaine. Premièrement, les centrales nucléaires existantes ne doivent pas être remplacées: Beznau I et II ainsi que Mühleberg ont atteint la fin de leur durée de vie et doivent être arrêtées dès que possible. Deuxièmement, la consommation totale d énergie doit être massivement réduite et je renonce ici à définir les moyens pour y arriver. Troisièmement, la promotion des énergies renouvelables doit être beaucoup plus importante et là aussi nous aurons encore l occasion de parler des moyens pour y arriver. Quatrièmement, il doit aussi être renoncé autant que possible aux centrales à gaz, en raison des dommages qu elles causent à l environnement. Il est hors de question d accepter les importations d électricité fabriquée à l étranger de manière aléatoire. Le PEV soutient donc la stratégie du Conseil fédéral, ainsi que la stratégie du gouvernement, pour une sortie progressive du nucléaire et une réduction prononcée de la consommation d énergie. Une sortie organisée signifie un remplacement progressif, mais le plus rapidement possible, de l énergie nucléaire par d autres énergies propres et renouvelables, de manière à ce que l approvisionnement et la sécurité climatique puissent être assurés. En résumé, pour les motions qui nous occupent, une majorité de mon groupe soutient la motion Jenni pour un arrêt de Mühleberg le plus rapidement que possible c est bien écrit comme cela dans son texte. Nous soutenons aussi la motion Häsler, bien que le point 1, même sous forme de postulat, nous paraît un peu irréaliste, mais nous la soutenons parce qu elle entre dans la philosophie de se sortir dès que possible du nucléaire. La motion Näf permet de donner un signal fort et nous la soutenons, car elle vise aussi un changement de cap important en matière d énergie. Je vous propose de nous réorganiser fondamentalement, je vous propose d aller dans la direction du développement durable et je vous propose un avenir axé sur la responsabilité énergétique. Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Ich möchte Ihnen die Haltung der SVP zu den einzelnen Vorstössen bekannt geben. Die Motion Jenni lehnen wir ab. Die ins Postulat gewandelte Ziffer 1 der Motion Häsler lehnen wir ab. In den Ziffern 2 und 3 sind wir geteilter Meinung. Nachdem die BDP und die FDP ja gesagt haben, werden diese Punkte durchkommen. Wir hätten die Ziffern geschlossen als Postulat unterstützt. Einzelne hätten auch der Motion zugestimmt. Die Motion der SP, Standesinitiative, lehnen wir ab. Die Begründung habe ich bereits im Grundsatzreferat dargelegt. Es ist mir wichtig,

186 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 625 es nochmals zu erwähnen: Strom ist der Lebensnerv, die Schlüsselenergie. Weltweit sind 442 Kernkraftwerke in Betrieb. 61 sind im Bau und 116 in Planung. Davon stehen 164 in Europa. Diese speisen Strom ins Netz ein. Wir können noch lange aussteigen wir werden immer Kernkraftstrom beziehen. Zu den drei schweren Unfällen, die in Amerika, Russland und Japan geschehen sind. Die USA haben unter Präsident Obama beschlossen, wieder einzusteigen. Dort werden Kernkraftwerke gebaut. In Russland sind im Moment 24 Kernkraftwerke im Bau. Aus Japan hat man bis jetzt nichts von einem Ausstieg gehört. Mir ist der Strommix sehr wichtig. Unser Strommix ist im Moment weltweit einer der besten. Dazu sollten wir Sorge tragen. Der Gesamtenergieverbrauch ist weltweit zu über 90 Prozent fossil. Diese Diskussion müssten wir eigentlich vor dem Ausstieg aus der Kernkraft führen. Die fossilen Energieträger müssten zurückgefahren werden. Fahren wir diese zurück, benötigen wir eben mehr elektrische Energie. Und das heisst im Endeffekt halt eben Kernkraftwerke. Wir wollen keinen überhasteten, vorzeitigen Ausstieg. Wir wollen auch keine sofortige Stillegung des Kernkraftwerks Mühleberg. Die Optionen sind seriös und umfassend zu prüfen. Die Versorgungssicherheit darf nicht gefährdet werden. Es soll nicht auf Importstrom gesetzt werden. Die Auslandabhängigkeit würde massiv ansteigen. Öl aus dem Nahen Osten und Gas aus Russland lassen grüssen. Die Erpressbarkeit nimmt zu. Importstrom ist immer teurer als eigener Strom. Auf die schlechte Klimabilanz habe ich bereits hingewiesen. Ein vorzeitiger Ausstieg käme uns sehr teuer zu stehen. Eine Studie von Professor Pfaffenberger des Bremer Instituts besagt, ein 30-minütiger Stromausfall in der Schweiz koste ungefähr 250 bis 900 Mio. Franken. Wir werden dies in den nächsten zehn Jahren irgendwann einmal erleben. Wenn die Strompreise um 30 Prozent steigen, kostet dies die Wirtschaft in etwa eine Milliarde Schweizer Franken. Wir wollen kein Technologieverbot. Dieser Begriff wurde auf eidgenössischer Ebene bereits einige Male genannt. Ich frage mich, was geschehen wird, wenn die gewünschten Szenarien nicht eintreffen. Dann muss ja jemand wieder in die Kernkraft einsteigen. Wo sind dann die Fachleute? Zu den finanziellen Folgen für die BKW: Immerhin profitiert der Kanton Bern von rund 100 Mio. Franken in Dividenden und Steuern pro Jahr von der BKW. Ein Drittel davon stammt aus dem KKW Mühleberg. In diesem Sinne unterstützen wir die Vorstösse nicht. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Die Fraktion glp-cvp ist und bleibt kritisch gegenüber der veralteten Atomenergie. Daher sind wir auch immer für die Ausstiegsstrategie eingestanden. Wir fordern für alle Atomkraftwerke, für Mühleberg wie auch für Fessenheim und Cattenom, absolute Transparenz bezüglich der Sicherheit. Für die Grünliberalen steht fest, dass die BKW möglicherweise Mühleberg vorübergehend oder dauerhaft abschalten müsste, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist. Nun zu den Motionen. Wir haben bei der Motion Jenni und Löffel lange über den Begriff «raschmöglichst» diskutiert. Ist es morgen, ist es Ende Jahr, ist es nach der regulären Laufzeit? Das ist nicht ganz klar. Die glp-cvp-fraktion würde es daher vorziehen, wenn der Vorstoss ins Postulat umgewandelt würde. Einem Postulat würden wir zustimmen. Können die heutigen Sicherheitsstandards aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht innert angemessener Frist realisiert werden, haben wir keine andere Alternative, als das AKW abzustellen. Ist die Sicherheit jedoch gewährleistet, kann das AKW noch während einer kürzeren Zeit weiterlaufen. Wir unterstützen den Vorstoss Häsler aus den gleichen Gründen als Postulat. Eine Motion hätten wir abgelehnt. Es darf nicht sein, dass die BKW rein aus ökonomischen Gründen ihr AKW weiterführt und dabei die Sicherheit vernachlässigt. Das Credo ist für uns ganz klar: «Safety first». Die Ziffern 2 und 3 der Motion Häsler nehmen wir an. Zur Motion von Grossrat Näf. Wir lehnen die Ziffer 1 ab. Die Ziffern 2 bis 4 unterstützen wir als Motion. Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Endlich ist der Damm gebrochen. Der Ausstieg und damit die Energiewende sind eingeleitet. Bundesrat und Nationalrat haben ihre Aufgabe erledigt. Dadurch sind verschiedene Forderungen der Motionen teilweise bereits erfüllt. Sicher ist aber noch gar nichts. Es fehlen noch der Entscheid des Ständerats und vielleicht auch des Volks. Darum ist es nun an uns, diese Entscheide für den Kanton zu bestätigen. Der Auftrag ist klar. Wir steigen aus der gefährlichen und unberechenbaren Atomenergie aus. Und wir steigen in ein neues, nachatomares, erneuerbares Zeitalter ein. Damit der Ausstieg wirklich vollzogen werden kann, braucht es im und vom Atomkanton Bern klare und starke Zeichen. Klare Zeichen aus dem Kanton Bern sind wichtig, damit auch der Ständerat dereinst mithilft, in der richtigen Richtung am Karren zu ziehen. Gehen wir also diesen Weg konsequent und zielstrebig. Dazu braucht es uns alle. Gemeinsam und dies möchte ich ausdrücklich betonen, ob Wendehals oder nicht Wendehals müssen wir diesen Weg gehen. Die Bernerinnen und Berner wollen dies. Sie wollen nun Lösungen sehen, und sie wollen kein Politiker-Cabaret. Sie haben genug vom Schönreden der Sicherheit von Atomkraftwerken, davon, dass Fukushima nicht mit Mühleberg vergleichbar sei und dass man alles im Griff habe. Das wollen die Leute nicht mehr hören. Sie wollen nun sehen und hören, wie wir weitergehen. Sie wollen nun ihre grosse Angst vor der atomaren Katastrophe vor der eigenen Haustüre endlich loswerden. Sie wollen nun eine Solardusche und keine Jodtabletten. Damit die Solarduschen kommen, braucht es nun Handlungen und Entscheide. Die grüne Fraktion ist daher ganz klar der Meinung, die vorliegenden Motionen sollten so behandelt werden, wie es von der Regierung beantragt wird. Alle Massnahmen müssen ergriffen werden, um einen möglichst raschen Ausstieg aus Mühleberg zu ermöglichen. Die Energiepolitik soll auf den Grundlagen des Energiegesetzes vorangetrieben werden, und die Produktion von erneuerbaren Energien soll gefördert und unterstützt werden. Wir finden es sinnvoll, wenn der Kanton dies mittels einer Standesinitiative auf Bundesebene noch verstärkt. Zusammen mit denjenigen Kantonen, die bereits ausgestiegen sind, soll man klar für eine sichere, langfristige Möglichkeit für ein Endlager eintreten. Wir unterstützen daher die drei Motionen von Block 1 im Sinne der Regierung. Ziffer 1 der Motion Häsler nehmen wir als Postulat an, und alle übrigen Forderungen in Motionsform. Ich lade Sie dazu ein, ein Gleiches zu tun. Ich schliesse mit den Worten von Frau Bundesrätin Leuthard: «Seien Sie jetzt konstruktiv. Wir schaffen das, und wir haben dafür 30 Jahre Zeit.» Erwin Burn, Adelboden (EDU). Das Interesse hat etwas nachgelassen. Ich fasse mich daher kurz. Der Bund hat über viele dieser Vorstösse bereits entschieden. Ich beschränke mich auf das, was stufengerecht ist. Die EDU unterstützt die Ziffern 2 und 3 der Motion Häsler. Den Rest lehnt sie ab. Präsident. Wir kommen nun zu den Einzelsprechern. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich möchte eine Frage zur Antwort der Regierung auf die Motionen stellen. Ich zitiere aus der Antwort der Regierung: «Ebenfalls als Vertreter des Mehrheitsaktionärs der BKW kann er eine Stillegung des

187 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik Atomkraftwerks Mühleberg nicht allein herbeiführen. Dazu würde es eine Statutenänderung brauchen, die eine Zweidrittelmehrheit aller Aktionäre erfordert.» Ich habe mich im Netz umgeschaut und beim «Infosperber» Aussagen gefunden, die dem widersprechen. Ich lasse offen, was richtig ist. Ich lese Ihnen vor, was ich im «Infosperber» gelesen habe: «In einer ersten Stellungnahme behauptete Egger, dass die 52 Prozent der Aktienstimmen nicht genügen, um das AKW Mühleberg stillzulegen. Es würde eine Statutenänderung brauchen, die eine Zweidrittelmehrheit aller Aktionäre benötigt.» Im nächsten Absatz heisst es: «Auf Nachfrage musste die Energiedirektorin allerdings zurückkrebsen. Sie habe nicht sagen wollen, dass die BKW für eine Stilllegung von Mühleberg eine Statutenänderung brauchen.» Dieser Beitrag stammt von Urs P. Gasche. Es ist also nicht «euer» Gasche von der BDP, wohl aber ein guter Journalist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Gasche etwas Falsches behauptet. Ich möchte in den Raum stellen, dass es in dieser Frage offenbar zwei unterschiedliche Varianten gibt, was die Zweidrittelmehrheit betrifft. Josef Jenni, Oberburg (EVP). Viele in diesem Saal, von mir aus gesehen vor allem auf der linken Seite, wollen aus der Atomenergie aussteigen. Wird es dann konkret, dann will man dies doch nicht. Ich wandle meine Motion ins Postulat, damit vielleicht Einzelne zeigen können, dass sie doch noch aus der Kernenergie aussteigen wollen. Die anderen können zeigen, dass sie bereit sind, ein statistisches Restrisiko von 7 Prozent für Mühleberg, aber auch für die Bevölkerung des Kantons Bern und darüber hinaus, auf sich zu nehmen. Es handelt sich um ein Restrisiko mit verheerenden Folgen. Ob ein Kernkraftwerk sicher ist oder nicht, ist nicht zuletzt auch ein wenig eine Ermessensfrage. Dies kann man im Voraus nicht beantworten. Man kann es vielleicht im Nachhinein sagen, falls nichts geschehen ist. Ich bin auch der Meinung, dass wir heute prinzipiell über Mühleberg noch entscheiden können. Wenn es dann schlussendlich einmal geknallt hat, müssen und können wir nichts mehr entscheiden dann ist es gelaufen. Ich danke Ihnen, wenn Sie wenigstens einem Postulat zustimmen. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Ich möchte mein Bedauern darüber ausdrücken, dass ich mich hier offenbar so unverständlich ausgedrückt habe, dass die Sprecher der BDP und der FDP nichts davon verstanden haben. Daher fasse ich nochmals kurz zusammen: Kein Import von zusätzlichem Dreckstrom, einschneidende Sparmassnahmen, Effizienzsteigerung und Förderung von Alternativen. Dies ist der Rahmen, der für die EVP «raschestmöglich» definiert. Will man die Marschrichtung von Bundesrat und Nationalrat respektieren, wie seitens der BDP gesagt wurde, so sollte man als Vertreterin oder Vertreter des Standortkantons die Motion vermutlich unterstützen. Sonst respektiert man ja das, was der Bundesrat und der Nationalrat wollen, eben nicht. Wenn dies bei einem Postulat und der erwähnten Definition von «raschestmöglich» nicht möglich ist, verstehe ich ihre verbalen Rückwärts-Saltos nicht. Präsident. Der Vorstoss Jenni und Löffel wurde ins Postulat gewandelt. ganz. Auf der einen Seite höre ich klar, man wolle keine neuen Atomkraftwerke mehr. Das ist in Ziffer 2 enthalten. Ich habe auch gehört, man müsse alle Atomkraftwerke stilllegen. In Ziffer 1 wird nicht festgehalten, wann dies zu geschehen hat. Ich habe gehört, man müsse sparen und brauche effiziente Geräte. Ich habe auch gehört, die Endlagerung sei wichtig. Nun sollen alle vier Punkte plötzlich nicht mehr gelten. Ich muss sagen, ich verstehe Sie nicht. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Bevor ich mich zu den drei Motionen äussere, ein Wort zu Herrn Grossrat Hofmann. Es gibt Umfragen, in welchen den Journalisten eine noch schlechtere Glaubwürdigkeit attestiert wird als den Politikern. Bei Herrn Grossrat Hofmann ist dies wahrscheinlich umgekehrt. Ich bitte Herrn Grossrat Hofmann, anschliessend zu mir zu kommen. Ich werde versuchen, ihm dies juristisch zu erklären. Die Frage hat mit dem Aktienrecht zu tun. Ich wage zu behaupten, dass Herr Gasche und da meine ich auch nicht den Verwaltungsratspräsidenten der BKW dies nicht begriffen hat. Ich habe zwar versucht, ihm dies zu erklären; es ist mir jedoch wohl nicht gelungen. Es handelt sich halt um eine ziemlich komplizierte Materie. Zur Standesinitiative der Fraktion SP-JUSO-PSA. Ich bitte Sie, die Standesinitiative zu unterstützen. Die Standesinitiative geht genau an den richtigen Ort. Sie kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie unterstützt nämlich diejenigen Politikerinnen und Politiker, welche im Nationalrat den Atomausstieg befürwortet haben, und damit auch die BDP-Nationalrätinnen und -Nationalräte. Die Standesinitiative ist als Unterstützung der Bundespolitik gedacht. Sie ist genau am richtigen Ort deponiert. Der Kanton Bern ist in der Energiepolitik ein wichtiger Kanton. Und ich muss Ihnen sagen, liebe Grossrätinnen und Grossräte, Sie haben schon wegen weniger wichtigen Themen eine Standesinitiative beim Bund eingereicht. Bei so etwas Wichtigem wäre ich schon dafür, dass Sie es tun würden. Ob Mühleberg sicher ist oder nicht ich wiederhole dies nochmals, kann die Regierung nicht beurteilen. Genau wie die Bevölkerung müssen auch wir den Fachleuten vertrauen und glauben. Eine Restunsicherheit genau in dieser Frage bleibt bestehen, und damit eben auch ein Restrisiko. Dies ist mit ein Grund, warum der Regierungsrat einen geordneten Atomausstieg befürwortet. Darum unterstützt der Regierungsrat die drei Motionen mit einer Ausnahme. Ziffer 1 der Motion Häsler unterstützen wir als Postulat. Die drei Motionen fordern keinen überhasteten Ausstieg. Sie sind lediglich ein Signal, dass die Atomzeit nun vorbei ist und man nun auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzen soll. Sie geben nicht mehr und nicht weniger als dieses Signal ab. Bei der Eintretensdebatte haben Sie alle dieses Signal abgegeben. Stehen Sie nun dazu. All diejenigen, die vorhin vom Atomausstieg gesprochen haben, sollten nun so stimmen, wie von der Regierung beantragt. Mühleberg wird nicht morgen abgestellt. Mühleberg wird auch nicht übermorgen abgestellt. Es sei denn, es sei nicht mehr sicher. Dies sagt nicht die Regierung, und dies sagt auch nicht der Grosse Rat, sondern das ENSI. Ich fordere all diejenigen, die für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind, dazu auf, wie die Regierung ja zu allen Motionen zu sagen. Präsident. Wir kommen zur Abstimmung. Zuerst stimmen wir ab über das Postulat Jenni und Löffel. Roland Näf-Piera, Muri (SP). Zum Stichwort Stufengerechtigkeit. Was ist denn stufengerechter als eine Standesinitiative? Diese geht ja genau dorthin, wo der Entscheid schlussendlich gefällt wird. Was Sie hier machen, konkret die BDP, ist für mich ein Verwirrspiel. Ich verstehe das nicht mehr so Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 61 Stimmen 72 Stimmen 1 Enthaltung

188 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 627 Präsident. Wir stimmen nun punktweise ab über den Vorstoss von Frau Häsler. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen 52 Stimmen 80 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /11 Dringliche Interpellation Hofmann, Bern (SP) Widersprüchliches Investitionsverhalten der schweizerischen Stromversorger, wie zum Beispiel der BKW: Ist der Schaden grösser als der Nutzen? (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 633 ) Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 der Motion Dagegen 95 Stimmen 38 Stimmen 1 Enthaltung Gemeinsame Beratung Block 3: Vorstösse zur Unternehmensstrategie BKW Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 3 der Motion Dagegen 102 Stimmen 31 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Wir stimmen als nächstes punktweise ab über die Motion SP-JUSO-PSA. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 3 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 4 der Motion Dagegen 49 Stimmen 79 Stimmen 5 Enthaltungen 65 Stimmen 63 Stimmen 4 Enthaltungen 75 Stimmen 55 Stimmen 4 Enthaltungen 70 Stimmen 62 Stimmen 2 Enthaltungen Geschäft /11 Motion Wasserfallen, Hinterkappelen (SP) Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG Geschäft /11 Motion Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Neue Eigentümerstrategie BKW Geschäft /11 Dringliche Interpellation Schärer, Bern (Grüne) AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar? Geschäft /10 Interpellation Hofmann, Bern (SP) Will die BKW keinen weiteren Ausbau der Windenergie in der Schweiz? Flavia Wasserfallen, Hinterkappelen (SP). Eine Vorbemerkung zu meiner Motion. Im Februar haben wir im Kanton Bern über einen Neubau des Atomkraftwerks Mühleberg abgestimmt. Man konnte davon ausgehen, dass diese Vorlage eine Fifty-fifty-Chance in der Abstimmung haben würde. Aufgrund dieser Ausgangslage musste die BKW bereits im Februar über einen Plan B verfügen. Der Plan B beinhaltet, was zu tun ist, wenn man die reservierten Milliarden von Franken nicht in ein neues AKW investieren kann. Denn es konnte nicht mit Gewissheit vorausgesagt werden, wie sich die Stimmbürgerinnen und -bürger äussern würden. Die Abstimmung fiel knapp aus. In der Zwischenzeit ist auch noch einiges geschehen. Nun sind wir beim Plan B angelangt. Was ist geschehen? Wir haben es verschiedentlich gehört. Fukushima hat uns erschüttert und vor Augen geführt, was ein Restrisiko ist, und dass dieses tatsächlich eintreffen kann. Der Bundesrat hat viel Papier und Grundlagen verlangt. Aufgrund dieser Analysen hat er am 25. Mai einen historischen Ausstiegsentscheid gefällt. Während zweier Monate hat das Bundesamt für Energie mit externen Büros Ausstiegsszenarien berechnet und die bestehenden Perspektiven aktualisiert. Denn es gab beim Bundesamt für Energie bereits vor Fukushima ein Ausstiegsszenario. All diejenigen, die sich intensiver mit diesen Grundlagen beschäftigen möchten, verwiese ich auf die Internetseite Dort können Sie die Berichte einsehen. Wir wissen auch, dass der Nationalrat am 8. Juni dem Entscheid des Bundesrats zu einem geordneten Ausstieg gefolgt ist. Zwei wichtige Erkenntnisse haben die Entscheidungsträger in die Waagschale geworfen. Erstens musste man anerkennen, dass das Restrisiko nicht kontrolliert werden kann und die Folgen eines AKW-Unfalls verheerend sind. Der zweite Punkt sind die Kosten. Bereits vor Fukushima musste man davon ausgehen, dass die Kosten für den Bau eines neuen Atomkraftwerks zu optimistisch berechnet wurden. Wir hatten die Situation schwankender Uranpreise, nicht gerade ermutigende Signale, was den Bau in Finnland betrifft, gestiegene Stahlpreise und Engpässe im Kraftwerkbau. Die Kosten mussten also rasch nach oben korrigiert werden. Die Sicherheitsanforderungen sind nach Fukushima gestiegen. Dies bedeutet, dass für ein neues AKW bedeutend mehr Geld in die Hand genommen werden müsste. Seitens der BKW erhalten wir seither widersprüchliche und höchst vage Informationen. Einerseits wurde gesagt, man überprüfe die Unternehmensstrategie. Anderseits werden Entscheide des Bundesrats und des Nationalrats kritisiert. Man beschwört wieder die mangelnde Versorgungssicherheit, die steigenden Strompreise und die steigenden CO 2- Emissionen. Es wird auch kritisiert, es seien zu wenige Grundlagen vorhanden gewesen. Dies trifft nicht zu. Es war kein Schnellschuss; viele Unterlagen sind da. Wenn man nun sagt, es seien zu wenige Unterlagen da, so ist dies nichts anderes als eine Verzögerungstaktik, die nur schadet. Ausserdem ist mir niemand mit einem politischen Gespür be-

189 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik kannt, der heute oder in den nächsten Jahren einem neuen AKW eine Chance einräumt. Wir haben eben eine Standesinitiative in diesem Punkt überwiesen. Warum hat die BKW das Gesuch nicht längst zurückgezogen? Mit der Motion fordern wir, dass das drittgrösste Energieunternehmen mithilft, den Atomausstieg zu gehen. Es wird schwierig, aber gemeinsam können wir es schaffen. Darum fordern wir die BKW dazu auf, die Schublade zu öffnen, den Plan B hervorzunehmen und den Hebel nun unmissverständlich auf Atomausstieg zu stellen. Dies im Interesse der Bevölkerung, der Wirtschaft und wie ich glaube auch im Interesse des Unternehmens selbst. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Leider sind die Umstände, die zu dieser Energiewende geführt haben, zu tragisch, als dass man sich aus tiefstem Herzen darüber freuen könnte. Aber ich gebe gerne zu, dass grünliberaler Optimismus herrscht. Der Bundesrat und auch der Regierungsrat befürworten beide einen geordneten Ausstieg. Dies war und ist der grünliberale Königsweg. In Sachen neue Unternehmensstrategie wurde anlässlich der BKW- Generalversammlung informiert, die BKW plane eine neue Holdingstruktur und arbeite somit selbst an einer neuen Unternehmensstrategie. Leider hat man nichts Näheres dazu erfahren. Es hat geheissen, zu gegebener Zeit würden die Informationen kommen. Ich hätte mir auch noch ein anderes Szenario als das reine Holding-Szenario gewünscht. Das ist doch etwas wenig; ich hoffe, es komme noch ein alternatives Szenario. Als ich anlässlich der BKW-Generalversammlung den Präsidenten des Verwaltungsrats, Urs Gasche, sprechen hörte, hat mich dies hoffnungsvoll gestimmt. Man erhielt den Eindruck, er richte sich gemäss den neuen energiepolitischen Realitäten aus, und bei der BKW geschehe nun auf der strategischen Ebene etwas. Als ich anschliessend das Interview mit CEO Rohrbach anlässlich des Swiss Economic Forum sah, machten sich bei mir bereits wieder Zweifel breit. Hat man nach dem Bundesratsentscheid in den Zeitungen gelesen, was der CEO von sich gegeben hat, so entstehen grösste Zweifel, dass unter ihm eine Neuausrichtung stattfinden wird. Ich hoffe, die künftigen BKW-Manager werden nicht mehr nur einfach Geschäftsbereiche führen und Befehlsempfänger sein. In Zukunft werden sie eigenständige Unternehmen führen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Sie sollten nicht mehr nur nach Umsatz und Gewinn entlöhnt werden, sondern auch noch andere Leistungsziele erhalten, beispielsweise in den Bereichen Energiesparen, Energieeffizienz, Energiemix und Energieversorgungssicherheit. Der Kanton Bern seinerseits muss im Verwaltungsrat der BKW auf die Energiestrategie Einfluss nehmen können, und zwar so, dass er als Mehrheitsaktionär die Gewissheit hat, dass die Energiestrategie des Kantons unterstützt wird und dass sich der Unternehmenswert der BKW nicht wie bisher verschlechtert. Er muss sich weiter überlegen, inwiefern sich die BKW an einzelnen Unternehmen beteiligen soll, wie stark der Kanton sich beteiligen soll und welche strategischen Bereiche vielleicht wieder verstaatlicht werden müssen. Dort darf es keine Tabus geben, vor allem im Bereich des Netzmonopols. Im Hinblick auf die absehbare Stillegung von Mühleberg ist die BKW für den Kanton Bern ein finanzielles Klumpenrisiko. Die BKW beruft sich jeweils selbstbewusst auf ihre unternehmerische Freiheit und streicht die Verantwortung gegenüber den Grossaktionären, den Publikumsaktionären hervor. Als Mehrheitsaktionär ist der Kanton Bern aus meiner Sicht bisher eine relativ passive Beteiligungsstrategie gefahren. Dies hat dazu geführt, dass der Unternehmenswert nicht gesteigert werden konnte. Er ist sogar vor Fukushima drastisch gefallen und hat sich unterdessen halbiert. Mit nur zwei Verwaltungsräten, die gleichzeitig vollamtliche RegierungsrätInnen sind, kann der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär im Verwaltungsrat den Prozess des Strategiewandels nur ungenügend begleiten. Es erscheint daher nichts als logisch, dass der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär mehr als zwei Verwaltungsräte stellt. Diese sollen die fachlichen Kompetenzen und die zeitlichen Ressourcen mitbringen, um die Unternehmensstrategie neu zu gestalten. Ich bitte Sie daher, die Motion zu überweisen. Ich verlange punktweise Abstimmung. Präsident. Die Interpellantin Corinne Schärer ist von der Antwort auf die Interpellation I 103/11 teilweise befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Herr Hofmann ist von der Antwort auf seine Interpellation I 167/10 befriedigt. Von der Antwort auf seine zweite Interpellation I 111/11 ist er teilweise befriedigt. Er gibt eine Erklärung ab. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich schliesse mich der freundlichen Ermahnung an die BKW an, mehr in Windenergie zu investieren. Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass freundliche Ermahnungen manchmal nicht so viel nützen. In der Schweiz werden zurzeit etwa 60 Gigawattstunden Windstrom erzeugt. Dies erfolgt vor allem auf dem Mont Crosin, aber auch an andern Orten. Gemäss dem, was Herr Rohrbach in den Zeitungen gesagt hat, wäre das Potenzial in der Schweiz langsam ausgeschöpft. Zum Glück sehen andere Stellen dies anders, beispielsweise das Bundesamt für Energie. Dort rechnet man bis 2030 mit 60 Gigawattstunden. Dies ist immerhin zehnmal mehr als das, was Herr Rohrbach gesagt hat. Heute Mittag war vom Bundesratsszenario, welches nach dem Ausstiegsbeschluss neu veröffentlicht wurde, mit 3000 bis 4000 Gigawattstunden die Rede. Viele Ratsmitglieder waren an der Veranstaltung leider nicht dabei. Diese Zahl ist 60-mal mehr als das, was Herr Rohrbach gesagt hat. Es ist etwas problematisch, wenn Herr Rohrbach in den Zeitungen solche Dinge einfach so «häreplouderet». Österreich hat bereits im Jahr 2006 dreimal mehr Windenergie erzeugt als das, was das Bundesamt für Energie für die Schweiz im Jahr 2030 vorsieht. In Sachen Windenergie sind wir gewaltig im Rückstand. Hier müsste man noch einen Zacken zulegen. Mathias Tromp, Bern (BDP). Mit dem Vorstoss Wasserfallen sprechen wir erneut über den Ausstieg aus der Atomkraft. Ich kann es nochmals bestätigen: Die BDP ist für einen Ausstieg, aber für einen kontrollierten Ausstieg. Frau Wasserfallen will mit einem Leistungsauftrag aussteigen. Niemand hat gesagt, was ein Leistungsauftrag ist. Der Leistungsauftrag hat sich nach der Finanzgesetzgebung zu richten. Man kann ihn dann machen, wenn man eine besondere Gesetzesgrundlage hat. Und dies kostet auch. Niemand hat bis jetzt gesagt, was ein solcher Leistungsauftrag kosten würde. Zum heutigen Zeitpunkt können wir dem eindeutig nicht zustimmen. Wir wollen in die Marschrichtung gehen, die grundsätzlich eingeschlagen ist. Dies jedoch eindeutig nicht mit einem Leistungsauftrag. Aus diesem Grund lehnen wir die Motion Wasserfallen ab. Unserer Meinung nach ist in diesem Punkt das Energiegesetz in der vom Volk angenommenen Fassung umzusetzen. Zum Vorstoss Brönnimann. Wir wünschen ebenfalls punktweise Abstimmung. Wir lehnen es grundsätzlich ab, dass die Regierung in eine Unternehmensstrategie hineinredet. Die Ziffern 1 und 2 können aber auch anders verstanden werden. Die BKW hat ja die Strategieüberprüfung eingeleitet. Die Regierung hat sich bereits geäussert. Aus der Sicht der BDP gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann das Anliegen aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnen, da man nicht möchte, dass in die Unternehmensstrategie hineingeredet wird. Einzelne Fraktionsmitglieder sind hingegen der Meinung, das

190 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 629 Anliegen sei bereits erfüllt. Sie werden der Motion in den Ziffern 1 und 2 zustimmen und gleichzeitige Abschreibung verlangen. Ich komme zu Ziffer 3. Da möchten wir eine Frage an Herrn Brönnimann richten. «Der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär soll seine Eigentümerstrategie bis Ende 2013 überarbeiten.» Was heisst «überarbeiten»? Wenn Sie wollen, dass die Regierung der BKW verstärkt dreinreden muss, dann lehnt die BDP Ziffer 3 einstimmig ab. Sagen Sie jedoch, der Kanton Bern solle als Mehrheitsaktionär aus der BKW aussteigen, so würden wir dies einstimmig annehmen. Wir erwarten von Ihnen noch eine Erklärung. Zu Ziffer 4 halte ich fest, dass im Verwaltungsrat viel Fachwissen vorhanden ist. Über einzelne Köpfe kann man immer diskutieren. Die Regierung hat an der Generalversammlung die Mehrheit. Sie kann theoretisch Köpfe auswechseln. Genau dies soll jedoch nicht stattfinden. Es soll nicht auf politische Gegebenheiten Rücksicht genommen werden, wenn man solche Köpfe wählt. Die Regierung hat Fachleute zu wählen seien es Energiefachleute, technische Fachleute, Finanzfachleute, Juristen etc. Sie hat nicht politische Leute zu wählen. Diese Praxis war früher in den Unternehmen vorhanden. Zum Glück ist sie inzwischen verschwunden. Sollte die Regierungsmehrheit einmal ändern, könnte es sein, dass die Regierung wieder umkehren müsste. Dies möchten wir auch nicht. Aus diesem Grund lehnen wir Ziffer 4 ab. Wir wollen Fachleute, nicht politisch ausgerichtete Leute im Verwaltungsrat der BKW. Wir bitten Sie aus den genannten Gründen, die Motion Wasserfallen abzulehnen. Die Ziffern 1 und 2 der Motion Brönnimann lehnen wir mehrheitlich ab. Unsere Haltung zu Ziffer 3 hängt von der Antwort des Motionärs ab. Ziffer 4 lehnen wir ab. Präsident. Herr Grossrat Hofmann erhält das Wort für seine Erklärung zur zweiten Interpellation Andreas Hofmann, Bern (SP). Von der Antwort der Regierung auf meine Interpellation 111/11 bin ich teilweise befriedigt. Ich gehe mit der Regierung darin einig, dass die Stromautarkie im heutigen europäischen Netzverbund nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie früher. Umso eigenartiger wirken jeweils die Stromlücken-Diagramme der BKW, wie sie vor dem 13. Februar dieses Jahres verbreitet wurden. Der Strom aus Atomkraftwerken wird als eigener Strom dargestellt, was natürlich nicht stimmt. Das Uran stammt aus dem Ausland, und die Technologie stammt aus dem Ausland. Warum dies eigener Strom sein soll, leuchtet mir nicht so recht ein. Laut der Schweizerischen Energiestiftung SES werden die schweizerischen Elektrizitätsversorger in naher Zukunft insgesamt 300 Prozent des in der Schweiz benötigten Stroms herstellen. Mit dieser Bemerkung sind in- und ausländische Produktionsstätten gemeint. Dazu hat die Regierung nicht Stellung genommen. Mit der Antwort auf die Fragen 2 und 4 bin ich einverstanden. Aufgrund der möglichen Importe aus ausländischen Kraftwerken, die von der Schweiz betrieben werden, wären im Prinzip andere Stromlücken-Diagramme möglich. Die Stromlücken würden deutlich kleiner, wenn man dies einbeziehen würde. In der Antwort auf die Frage 3 fällt auf, dass Investitionen in fossile Kraftwerke im Ausland wesentlich rascher, konkreter und deutlich massiver ausfallen als solche in erneuerbare Energien. Ich weiss nicht, ob es eine grosse Förderung der Windenergie ist, wenn die BKW einen ausländischen Windpark aufkauft. Es wäre wahrscheinlich sinnvoller, wenn sie diesen selbst neu bauen würde. An diese Antwort der Regierung fehlt mir im Moment noch der Glaube. Die BKW hat immerhin noch die Möglichkeit, dass ich in zehn Jahren daran glauben werde. Dies werden wir noch sehen. Mit der Antwort auf die Frage 5 bin ich einverstanden. Laut der Antwort auf die Frage 6 stimmt die BKW mit der Politik des Bundesrats überein. In der Zwischenzeit plant der Bundesrat den Ausstieg aus der Atomenergie. Es stellt sich nun die Frage, ob die BKW nachgezogen hat oder nicht. Die Regierung umgeht einen Konflikt mit der BKW, indem sie in dieser Antwort ausschliesslich die BKW zitiert und keine eigene Antwort formuliert. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine Doppelzüngigkeit vorliegt. Vor dem 13. Februar hat die BKW gesagt, sie lege Wert auf CO 2-freien Strom. Und was tut sie in Italien? Sie investiert massiv in Gas- und Kohlekraftwerke, und dies auch in Deutschland. Seitens der BKW wird argumentiert, sie verdränge alte Anlagen vom Markt. Dies würde jedoch ein anderer Investor auch tun. Sie baut einfach Werke, die der heutigen Technik entsprechen. Hans-Jörg Rhyn, Zollikofen (SP). Die SP-JUSO-PSA- Fraktion unterstützt alle Vorstösse zur Ausarbeitung von Strategien, die mithelfen, das Thema Energieversorgung auf den heutigen Stand der Erkenntnisse zu bringen und die Stromversorgung auf dieser Basis zu modernisieren. Bereits im letzten Jahrtausend wurde bekannt, dass in Amerika kein Privater mehr in neue Atomkraftwerke investiert. Seither ist weltweit kein einziges AKW mehr privat finanziert. Die finanziellen Risiken einer möglichen Haftung sind zu gross. Neue AKW sind daher auch in der Schweiz praktisch nicht mehr realisierbar. Neue Strategien sind also so oder so notwendig. Hinzu kommt, dass das Kernkraftwerk Mühleberg schon seit längerer Zeit eigentlich ein untragbares Risiko darstellt. Flavia Wasserfallen hat darauf hingewiesen, wo dies nachgelesen werden kann. Ich bin darüber verwundert, dass diejenigen, die für die Sicherheit verantwortlich sind auf welcher Stufe auch immer, noch ruhig schlafen können. Das Herunterfahren des alten und der Verzicht auf ein neues AKW ist für die BKW auch eine grosse Chance. Das Kapital wird nicht mehr für Investitionen in die milliardenteure Kernreaktortechnologie benötigt. Investitionen können ab sofort in neue, ökonomisch hoch interessante und ökologisch zentrale Energieformen umgeleitet werden. Nach den Entscheiden des Bundesrats und des Nationalrats ist die Ausgangslage eigentlich optimal. Der Kanton Bern und die BKW könnten als erste konkrete Strategien für die künftige Stromversorgung ohne Atom ausarbeiten. Es gibt genügend wissenschaftliche Studien von glaubwürdigen Experten, die nachweisen, dass 40 Prozent des heutigen Energieverbrauchs in absehbarer Zeit durch bessere Effizienz und weitere 30 bis 40 Prozent durch erneuerbare Energien kompensiert werden können. Die Cleantech-Initiative der SP, die vor einem Jahr lanciert wurde, zeigt einen Weg für die praktische Umsetzung dieser Studien auf. Und sie fördert die Wirtschaft im Inland. Der Kanton Bern ist problemlos fähig, zusammen mit den Verantwortlichen der BKW rasch eine Eignerstrategie auszuarbeiten, welche der BKW für 15 bis 20 Jahre die strategischen Ziele für eine ökonomisch gesicherte und ökologisch verantwortbare Stromversorgung vorgibt. Diese wird die Basis sein für eine BKW-Unternehmensstrategie, welche die Handlungsfelder und Ziele für die Bewältigung der grossen Herausforderungen in den nächsten Jahren festlegt. Ich erwähne lediglich zwei davon. Erstens: Das Atomkraftwerk Mühleberg wird auch nach dem Abschalten noch während mindestens 10 Jahren grosse Kosten verursachen. Der Abbau und der Rückbau werden weiterhin grosse Ressourcen beanspruchen. Da werden nicht nur operative Fragestellungen zu beantworten zu sein. Zweitens: Die neu geartete, optimierte Produktion, die Vermarktung und der innovative Verkauf und Vertrieb des BKW-Stroms, inklusive neuer Anreize zur Veränderung des Konsumverhaltens bei Energieverbraucherinnen und Verbrauchern, sind zu entwickeln. Die

191 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik beiden Motionen Wasserfallen und Brönnimann geben gute inhaltliche Anregungen zur Ausarbeitung der notwendigen Strategien. Sie setzten aber vor allem ein politisches Zeichen, nämlich, dass der Grosse Rat die BKW als wichtiges und kompetentes Unternehmen einstuft und sich ihre technischen und unternehmerischen Fähigkeiten für pionierhafte Leistungen im Rahmen der künftigen schweizerischen Stromversorgung sichern will. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion empfiehlt dem Rat die beiden Motionen zur Annahme. Fritz Freiburghaus, Rosshäusern (SVP). Die beiden Motionen betreffen die Eignerstrategie der BKW. Es handelt sich also um Richtlinienmotionen. Dafür ist bekanntlich der Regierungsrats abschliessend zuständig. Dies wird jeweils auch ersichtlich, wenn sich der Regierungsrat in den Medien zu Fragen der BKW äussert. Für die SVP ist klar, dass für die Unternehmensstrategie der BKW als börsenkotiertes Unternehmen klar der Verwaltungsrat zuständig ist. Im Verwaltungsrat ist der Regierungsrat mit zwei Regierungsräten vertreten. Ich gehe davon aus, dass sich diese entsprechend ihrem Gewicht auch einbringen. Die BKW hat bereits eine Strategieüberprüfung eingeleitet. Die Strategie muss sich betreffend Kernenergie an die Vorgaben des Bundes halten. Für uns von der SVP ist in der Unternehmensstrategie ganz klar die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung, insbesondere auch der Industrie und der Landwirtschaft, vorrangig. Betreffend Versorgungssicherheit leistet die BKW bis jetzt hervorragende Arbeit. Man betrachtet dies als selbstverständlich. Die Leute, die tagtäglich dafür sorgen, dass wir mit Strom versorgt werden, hätten unsern Dank verdient. Zwei Drittel des Stroms werden von der Wirtschaft verbraucht. Hier ist der Preis ein wichtiger Faktor. Die Förderung der Energieeffizienz ist eine Daueraufgabe auf allen Stufen sicher auch für die BKW. Auch wir unterstützen den Ausbau der erneuerbaren Energien. In meinen Augen sind die langwierigen Bewilligungsverfahren das grösste Problem. Auch hier wäre die Politik gefordert, eine Beschleunigung zu ermöglichen. Es kommt für uns nicht in Frage, unsere Atomkraftwerke abzustellen und französischen Atomstrom zu importieren. Der Regierungsrat sagt selbst, es sei wichtig, dass sich der Kanton, respektive die BKW alle Optionen offen halten. Genau dies möchten wir. In diesem Sinne vertrauen wir auf den Verwaltungsrat der BKW, dass er eine Strategie entwickelt, die eben alle Optionen offen lässt. Wir lehnen die Motion Wasserfallen ab. Für die Strategie ist klar der Verwaltungsrat zuständig. Für einen Leistungsauftrag fehlt unseres Erachtens weitgehend die gesetzliche Grundlage. Den Ziffern 1 und 2 der Motion Brönnimann könnte ein Teil unserer Fraktion, sobald sich der Motionär zur Abschreibung bereit erklärt, allenfalls zustimmen. Denn der Verwaltungsrat ist ja bereits an der Arbeit. Die Ziffern 3 und 4 lehnen wir ab. Die BKW ist ein börsenkotiertes und kein politisches Unternehmen. Aus diesem Grund soll der Kanton bewusst keine Mehrheit im Verwaltungsrat haben. Ein Wort an Andreas Hofmann bezüglich des «Plauderns» von Herrn Rohrbach. In der Regel nimmt Herr Rohrbach sachlich Stellung. Mit Plaudern hat dies in meinen Augen nichts zu tun. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Ich äussere mich zuerst als Fraktionssprecher und beantworte anschliessend als Motionär die Frage der BDP. Gemäss unserer grünliberalen Überzeugung wird es in Zukunft nicht mehr genügen, dass die BKW, vereinfacht gesagt, zentral Strom produziert, diesen den Endkunden verkauft und über ein simples Übertragungsnetz verteilt. Die BKW muss sich mit einer neuen Energiestrategie sozusagen neu erfinden, will sie im Markt bestehen. Sie wird nicht mehr nur ein Energieproduzent und -übertrager sein, sondern eine Energiemanagementfirma, die nebst der eigenen Produktion neue Energiedienstleistungen mit Partnern in den Bereichen Energieeffizienz und dezentrale Energieerzeugung erbringt. Dies leben viele Unternehmen in den USA bereits vor. Sie zeigen, dass dies sehr erfolgreiche Unternehmensstrategien sind. Die BKW wird zudem gut beraten sein, ein Demand-side- Managementsystem einzuführen, was auf gut Deutsch nichts anderes heisst, als ein neues zeit- und mengenabhängiges, nachfrageorientiertes Tarifsystem, welches den Verbrauch und die Netzkapazitäten effizienter steuert. Sie wird den Haushaltkunden nicht mehr mittels Grundtarifen faktisch degressive Stromtarife aufzwingen können. Den industriellen Grosskunden wird sie keine Mengenrabatte mehr gewähren können. Den Kunden wird vermehrt bewusst werden, dass Strom nicht gleich Strom ist, sondern dass es verschiedene Energiemixprodukte gibt. Die BKW wird mit grossen Kunden sogar Contracting-Verträge abschliessen, die Energieziele und wer weiss vielleicht sogar Bonus-Malus-Systeme beinhalten. Dies wird eine ganz andere Strategie sein als der heutige Stromverkauf. Im Bereich Stromproduktion wird es aus grünliberaler Sicht eine Diversifizierung der Produktionsarten und eine Dezentralisierung der Stromproduktionstechnologien geben. Die Preise für die Produktion und für die Netze werden leider steigen. Erfreulicherweise wird auch die Energieeffizienz zunehmen. Das Energiebewusstsein bei den Kunden wird steigen. Dies wird die Kosten wiederum dämpfen. Im europäischen Stromhandel wird die Variabilität zunehmen. Davon profitiert die BKW, zum Beispiel mit den Grimsel-Ausbauten im Pumpspeicherbereich. Die BKW erhält die Chance, künftig in industriellen Verbünden auf europäischer Ebene mitzuwirken. Sie tut dies ja bereits und soll dies ausbauen. Ich erwähne die Windparks in Norddeutschland und Süditalien und die Sonnenkraftwerke in Süditalien und Spanien. Vielleicht wagen der Eigentümer oder der Regulator, der Kanton Bern oder die Eidgenossenschaft, sogar einen Schritt in Richtung Decoupling. Das heisst, er entflechtet energiepolitisch die verkaufte Menge von den Gewinnen. Der Versorger dürfte den Preis erhöhen, damit der Gesamtenergieverbrauch im Versorgungsgebiet gesenkt wird. Hier gleite ich zugegebenermassen etwas in eine Zukunftsvision ab, denn dazu braucht es wie erwähnt auch die nationale Ebene. Die voraussichtlichen Investitionen in die Sicherheit von Mühleberg werden möglicherweise so gross sein, dass lediglich noch eine Betriebszeit bis 2022 finanziert werden kann. Für uns Grünliberale stellt sich zudem die Frage, ob wir Mühleberg nicht besser früher abschalten sollten, und zwar zugunsten einer längeren Betriebszeit von beispielsweise Leibstadt, das ein moderneres, sichereres und grösseres AKW ist. Die dadurch erzielten Gewinne könnten in die erneuerbaren Energien investiert werden. Wir nehmen die Motion Wasserfallen in allen drei Ziffern an. Sie geht in die gleiche Stossrichtung. Wir bitten Sie, unsere Motion in allen vier Ziffern anzunehmen. Nun die Antwort an Herrn Tromp und die BDP. Es handelt sich klar um eine Richtlinienmotion. Ich wollte der Regierung bewusst nicht vorgeben, ob sie mehr dreinreden oder ob sie ganz aussteigen soll. Es ist etwas heikel, ich habe es erwähnt, wenn man noch nichts von der neuen Holdingstrategie weiss. Je nachdem, wie diese Holding ausgestaltet sein wird, wird es für die Regierung möglich sein zu sagen, aus gewissen Bereichen, beispielsweise in den erneuerbaren Energien, steige sie aus. Aus andern Bereichen, ich denke da an den Bereich des Netzmonopols und strategische Produktionsbereiche wie Grimsel, sollten wir sicher nicht aussteigen. Im Gegenteil, dies sollten wir vielleicht sogar voll verstaatlichen.

192 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 631 Zu Ziffer 4. Es wurde seitens der BDP gesagt, der Kanton sollte nicht einfach zusätzliche Politiker delegieren. Nicht nur Politiker können den Kanton vertreten. Dies steht nirgends in der Motion. Präsident. An dieser Stelle unterbrechen wir die Beratungen. Es war eine lange Debatte. Tanken Sie Energie für morgen. Suchen Sie den Ausgleich vom Sitzen und vielen Denken. Morgen beginnen wir mit den Wahlen und der Fragestunde. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Monika Hager (d) Catherine Graf Lutz (f) Anhang Block 1: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 621 hiervor. Geschäft /11 Dringliche Motion Jenni, Oberburg (EVP) / Löffel- Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) Der Kanton Bern hat keine andere Wahl: AKW Mühleberg stilllegen! Wortlaut der Motion vom 21. März 2011 Der Regierungsrat ergreift alle nötigen Massnahmen zur raschestmöglichen Stilllegung des AKW Mühleberg. Begründung: Die Ereignisse der letzten Tage haben einmal mehr aufgezeigt, mit welch enormen unkalkulierbaren und unkontrollierbaren Risiken die Atomtechnologie verbunden ist. Diese Vorgänge sind umso beunruhigender, als davon ausgegangen werden konnte, dass in Japan ein mit Westeuropa vergleichbarer Sicherheitsstandard beachtet wird. Die Katastrophe zeigt, dass die Ursachen für die einzelnen Havarieereignisse unterschiedlich sein können, in ihrer Konsequenz jedoch stets auf das Gleiche hinauslaufen. Die Betreiber sind mit nicht vorhergesehenen Situationen konfrontiert, für die mit teilweise erschreckender Hilflosigkeit sozusagen experimentell ad-hoc-gegenmassnahmen ergriffen werden. Angesichts dieser Feststellungen kann es nicht Gegenstand von zufälligen Abstimmungsmehrheiten sein, ob und wie mit bestehenden Gefahrenquellen umgegangen wird. Die politischen Behörden tragen die Verantwortung, basierend auf einer ethischen Grundhaltung, welche den Wert und den Schutz des menschlichen Lebens über alles stellt, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen und von denjenigen Technologien Abstand zu nehmen, die in höchstem Masse lebensgefährlich sind. Das AKW Mühleberg zählt weltweit zu den ältesten Reaktoren überhaupt, basierend auf einer Technologie, die in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde. Seit 1990 ist bekannt, dass der Kernmantel des Reaktors im AKW Mühleberg Risse aufweist. Diese Risse haben im Laufe der Jahre in Bezug auf Anzahl, Länge und Tiefe (teilweise bis zu 90 Prozent der Wandstärke) zugenommen und haben heute ein kritisches Mass erreicht. Verlässliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Rissbildungen sind nicht möglich. Internationale Experten fordern nicht ohne Grund eine Abschaltung des Reaktors. Seit langem steht zudem die Vermutung im Raum, dass über den tatsächlichen Zustand nicht vollständig und offen informiert wird. Angesichts des Umstands, dass sich Mühleberg in einem dicht besiedelten Raum befindet und innerhalb eines Radius von 20 Kilometern Hunderttausende von Menschen leben, ergibt sich die Notwendigkeit, jetzt zu handeln. Es gibt kein anderes verantwortbares Handeln, als das AKW Mühleberg so rasch wie möglich stillzulegen. Der Regierungsrat wird deshalb beauftragt, alle in seiner Hand stehenden Möglichkeiten für die Stilllegung des Reaktors auszuschöpfen. Es wird Dringlichkeit verlangt. (Weitere Unterschriften: 3) Geschäft /11 Dringliche Motion Häsler, Burglauenen (Grüne) Atomkraftwerk Mühleberg Ausstieg 2012 Wortlaut der Motion vom 24. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit

193 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik das Atomkraftwerk Mühleberg im Jahre 2012 abgestellt wird die bernische Energiepolitik auf der Grundlage des Energiegesetzes vorangetrieben wird die Produktion von erneuerbaren Energien und die Massnahmen für Energieeffizienz konsequent und zielführend gefördert werden Begründung: Atomkraftwerke bergen gewaltige Risiken. Ein Unfall in einem Atomkraftwerk hat Folgen, die niemand versichern will und niemand verantworten kann. Diese Fakten sind nicht neu, sie bestätigen sich aber gegenwärtig in Japan in einem schrecklichen Ausmass. Das Atomkraftwerk Mühlenberg ist seit 1972 in Betreib und arbeitet mit dem gleichen Reaktortyp wie Fukushima. Zahlreiche Spezialisten weisen inzwischen darauf hin, dass ein Erdbeben aber ebenso ein Flugzeugabsturz in Mühleberg die gleichen Folgen haben könnte wie in Japan mit vergleichbaren Auswirkungen für die Bevölkerung. Die Energieversorgung kann innert nützlicher Frist nachhaltig und sicher erfolgen, wenn die Produktion von erneuerbaren Energien, Massnahmen für mehr Energieeffizienz und Energiesparmassnahmen konsequent gefördert werden. Dazu ist das Energiegesetz des Kantons Bern die richtige Grundlage. Zusätzlich ist u. a. auf eine Entdeckelung der bestehenden kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, auf eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für den Bau erneuerbarer Energieinfrastrukturen, auf eine Modernisierung des veralteten Stromnetzes und auf ein Miteinander von allen Beteiligten hinzuwirken. (Weitere Unterschriften: 12) Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri) Energiewende Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Grosse Rat des Kantons Bern beschliesst, beim Bund eine Standesinitiative mit dem folgenden Wortlaut einzureichen: 1. Sämtliche Schweizer AKW sind stillzulegen. 2. Die Schweiz verzichtet auf den Bau neuer Atomkraftwerke. 3. Die Schweiz fördert ab sofort sämtliche Möglichkeiten zur nachhaltigen, erneuerbaren Energiegewinnung, zur Energieeffizienz und zum Energiesparen. 4. Die Schweiz bemüht sich zusammen mit jenen Staaten, die den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben, um die Standortsuche nach sicheren atomaren Endlagern, die auch in ferner Zukunft weder Mensch noch Umwelt gefährden können. Begründung: Heute, fünfundzwanzig Jahre nach Tschernobyl, steht fest, dass sich in Japan erneut eine Nuklearkatastrophe riesigen Ausmasses abspielt. Diese die Menschheit bedrohenden Ereignisse dürfen nicht ohne Auswirkung auf die Schweizer Energiepolitik bleiben. Seit Jahrzehnten weisen Anti-AKW-Organisationen stets und immer wieder auf die Gefährlichkeit und die Unberechenbarkeit atomarer Anlagen hin: Eine kontrollierte Nutzung der Atomenergie ohne Risiko für Mensch und Umwelt gibt es nicht! Es bleibt immer ein sogenanntes «Restrisiko». Unsere schweizerischen AKW sind nur bedingt erdbebensicher. Sie weisen keinen höheren Sicherheitsstandard auf als jene japanischen AKW, die Hunderttausende von Menschen bedrohen, diese aus ihren Häusern, Dörfern und Städten vertreiben und unter Umständen deren Heimat für Jahrzehnte verseuchen. Wir in der Schweiz haben alle Möglichkeiten, AKW-Strom durch erneuerbare Energieformen, intelligente Stromnetze, effiziente Energienutzungs- und -sparmassnahmen zu ersetzen. Tausende sinnvoller und wertschöpfender Arbeitsplätze können mit einer auf Nachhaltigkeit, höchstmöglicher Sicherheit, Menschen-, Umwelt- und Naturschutz fokussierten Energiepolitik neu geschaffen werden. (Weitere Unterschriften: 0) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 In Folge der Ereignisse in Fukushima wurden folgende Vorstösse zum Atomausstieg eingereicht: Motion 071/11 Jenni: «Der Kanton hat keine andere Wahl: AKW Mühleberg stilllegen!» Motion 080/11 Häsler: «Atomkraftwerk Mühleberg Ausstieg 2012» Motion 089/11 SP-JUSO-PSA: «Energiewende» Da diese Vorstösse denselben Themenbereich behandeln, werden sie gemeinsam beantwortet. Die Forderungen der Motionen zum Atomausstieg decken sich weitgehend mit der Haltung des Regierungsrats zur Zukunft der Atomenergie in der Schweiz und deren Rolle bei der künftigen Energieversorgung unseres Landes. Bereits 2006 hat der Regierungsrat in der kantonalen Energiestrategie den Ausstieg aus der Atomenergie als mittelfristiges Ziel definiert. Die Atomkatastrophe in Japan hat den Regierungsrat zutiefst erschüttert und bewogen, seine Haltung zur Dringlichkeit des Ausstiegs aus der Atomenergie zu überdenken. Die Ereignisse in Fukushima und ihre Wirkungen zeigen erneut, wie gefährlich die Atomtechnik tatsächlich ist. Trotz der getroffenen Sicherheitsmassnahmen in den Atomkraftwerken (AKW) der Schweiz hält der Regierungsrat das Restrisiko der Atomtechnik für zu hoch. Massive Störfälle wie in Fukushima können überall stattfinden auch in der Schweiz. Aus diesem Grund befürwortet der Regierungsrat heute den möglichst raschen Ausstieg aus der Atomenergie. Der Ausstieg muss allerdings insofern geordnet erfolgen, als nebst der prioritär wichtigen Sicherheit auch ökonomische und versorgungstechnische Kriterien zu beachten sind. Die veränderte Situation bietet für die BKW eine Chance, ihre Unternehmensstrategie neu auszurichten und den Ausstieg aus der Atomenergie konkret vorzubereiten. Am 23. März 2011 hat sich der Regierungsrat mit der Leitung der BKW zu einer Aussprache getroffen. Dabei ging es um Fragen der Sicherheit des AKW Mühleberg und um die Folgen einer allfälligen Abschaltung. Das AKW Mühleberg und dasjenige in Fukushima sind vom Grundkonzept und vom Reaktortyp her vergleichbar. Allerdings gibt es bezüglich des Baus und der Nachrüstungen Unterschiede: So ist beispielsweise beim AKW Mühleberg die äussere Hülle mit Blick auf die Druckresistenz anders ausgelegt und es wurde mit einem Druckentlastungssystem des Typs Susan nachgerüstet. Aufgrund der neuen Erkenntnisse aus dem japanischen Reaktorunglück ist beim AKW Mühleberg als Sofortmassnahme bereits die Nachrüstung der Kühlsysteme eingeleitet worden. Der Regierungsrat hat als politische Behörde keine Entscheidkompetenz zur Frage, wann das Atomkraftwerk Mühleberg abgestellt werden soll. Ebenfalls als Vertreter des Mehrheitsaktionärs der BKW kann er eine Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg nicht allein herbeiführen. Dazu würde es eine Statutenänderung brauchen, die eine 2/3 Mehrheit aller Aktionäre erfordert. Für die Prüfung und Überwachung der Sicherheit aller Kernkraftwerke in der Schweiz ist ausschliesslich der Bund beziehungsweise das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) zuständig. Auch für die Anordnung von konkreten Massnahmen ist gemäss Art. 72 des eidgenössischen Kernenergiegesetzes das ENSI als Aufsichtsbehörde zuständig.

194 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 633 Der Entscheid über die Dauer der heute bis zum 31. Oktober 2012 befristeten Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg liegt beim Bund. Zurzeit ist beim Bundesverwaltungsgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde hängig, die am 1. Februar 2010 gegen den Entscheid des UVEK vom 17. Dezember 2009 eingereicht wurde, dem Atomkraftwerk Mühleberg eine unbefristete Bewilligung zu erteilen. Unabhängig davon, wie kurzfristig ein Verzicht auf die Atomstromproduktion umgesetzt wird, geht der Regierungsrat mit den Motionären einig, dass der Ausstieg aus der Atomenergie zwingend mit einer massiven Senkung des Strom- und Gesamtenergieverbrauchs sowie einem signifikanten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien verbunden sein muss. Die Senkung des Energieverbrauchs und die Förderung erneuerbarer Energien sind daher zentrale energiepolitische Ziele und der Regierungsrat ist bereit, sich im Sinne der eingereichten Motionen dafür einzusetzen, dass konkrete Zielvorgaben definiert und konsequent verfolgt werden. Dies ist allerdings nicht im Alleingang möglich. Es braucht die Unterstützung des Bundes, der politischen Gremien und des Stimmvolks. Die Kompetenz für Verbrauchssenkungen bei den Geräten, Maschinen und vor allem im Verkehr liegt beim Bund. Lenkungsabgaben sind umstritten, wie die Beratungen des neuen kantonalen Energiegesetzes im Grossen Rat und der Volksvorschlag gezeigt haben. Und Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien werden oft wegen Partikularinteressen bekämpft. Hier ist ein Umdenken nötig nicht nur in den politischen Gremien, sondern auch bei der Bevölkerung. Mit der Einreichung einer Standesinitiative zur Energiewende setzt der Kanton Bern als Standortkanton eines Atomkraftwerks und als grosser Kanton, dem eine bedeutsame Rolle in der schweizerischen Energiepolitik zukommt, nicht nur ein wichtiges Zeichen. Er setzt sich auch ausdrücklich für eine grundlegende Richtungsänderung ein, hin zu einer nachhaltigen und energiebewussten Zukunft. Anträge: Motion 071/2011 Annahme. Motion 080/ Lemma Annahme als Postulat, Lemma Annahme. Motion 089/2011 Annahme. Anhang Block 3: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 627 hiervor. Geschäft /11 Motion Wasserfallen, Hinterkappelen (SP) Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG Wortlaut der Motion vom 30. März 2011 Der Kanton Bern setzt sich als Mehrheitsaktionär der BKW AG im Sinne eines Leistungsauftrags für eine Investitionsstrategie ein, die 1. einen Ausstieg aus der Atomenergie 2. wirksame Massnahmen zur Förderung der Energieeffizienz 3. und einen massiven Ausbau der Investitionen in erneuerbare Energien im In- und Ausland vorsieht Begründung: Die Energiepolitik muss sich nach den Ereignissen in Japan grundlegend und nachhaltig ändern. In einem Land wie Japan, das bisher für seine moderne Technologie und die vorbildlichen Sicherheitsstandards bekannt war, ist das Undenkbare eingetreten: eine Atomkatastrophe mit noch ungewissem Ausgang für Mensch und Umwelt. Das von der BKW eingereichte Rahmenbewilligungsgesuch für ein neues Atomkraftwerk am Standort Mühleberg wurde für mindestens 18 Monate sistiert. Ob jemals ein neues Atomkraft am überschwemmungs- und erosionsgefährdeten Standort Mühleberg gebaut wird, ist mehr als ungewiss. Die mehreren Milliarden Franken, welche die BKW für den Neubau geplant hat, müssen nun in erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert werden. Zur Neupositionierung des Unternehmens ist dringend eine Strategieänderung zu erarbeiten und einzuleiten. Energieeffizienz ist die beste Energiequelle, die eingesparte Energie ist die umweltfreundlichste und günstigste. Durch den konsequenten Einsatz der neusten Technologie bei Geräten, Motoren und der Beleuchtung können bis zu 70 Prozent der Energie eingespart werden. Mit Sensibilisierungskampagnen kann die Bevölkerung über einfache Energiesparmöglichkeiten in ihrem Alltag informiert werden. Die Energieverschwendung von Geräten auf Stand-by-Modus ist ein Beispiel dafür. Investitionen in erneuerbare Energien bieten heute eine einmalige Chance für sauberen und sicheren Strom sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen in allen Regionen unseres Kantons. Die Potenziale der Wasserkraft, der Photovoltaik, der Biomasse, der Windenergie und der Geothermie sind bei weitem nicht genutzt. Bei der Photovoltaik handelt es sich um eine Zukunftstechnologie, die in den letzten Monaten eine massive Preissenkung erlebt hat. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Mit der Geothermie werden sich mittel- und langfristig neue Möglichkeiten zur Produktion von Strom aus sauberen Energiequellen bieten. An den besten Standorten in Nordeuropa ist die Windenergie schon jetzt gegenüber den billigsten Alternativen (AKW, GuD) mit einem Gestehungspreis von 6 8 Rp./kWh konkurrenzfähig. In der Schweiz sind die Gestehungskosten rund 20 Rp./kWh und damit mittelfristig mit anderen erneuerbaren Energien (Wasserkraft, Biomasse) eine Alternative. (Weitere Unterschriften: 3)

195 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik Geschäft /11 Motion Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Neue Eigentümerstrategie BKW Wortlaut der Motion vom 5. April 2011 Der Regierungsrat wird gebeten darauf hinzuwirken, dass der Kanton Bern im Rahmen seiner Eigentümerstrategie folgende Ziele verfolgt: 1. Der Verwaltungsrat der BKW soll möglichst bis Ende 2012 eine überarbeitete Konzern-Energiestrategie vorlegen. 2. Der Verwaltungsrat der BKW soll möglichst bis Ende 2012 eine überarbeitete Konzern-Unternehmensstrategie vorlegen. 3. Der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär soll seine Eigentümerstrategie bis Ende 2013 überarbeiten. 4. Der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär der BKW soll stärker als bisher mit eigenen Vertretern im Verwaltungsrat vertreten sein, die sich zur Energiestrategie des Kantons Bern bekennen. Begründung: Dass sich nicht nur in der Welt, sondern auch im Kanton Bern die energiepolitischen Rahmenbedingungen geändert haben, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Der Kanton Bern ist in der glücklichen Lage, die Energiepolitik nicht nur via seine Gesetzgebung beeinflussen zu können. Er kann dies auch via seine Eigentümerstrategie als Mehrheitsaktionär der BKW. Die BKW ihrerseits kann aus eigenem Antrieb durch unternehmerisches Handeln die Energiezukunft des Kantons Bern prägen. Sowohl auf der Produktionsseite, als auch auf der Vermarktungsseite erscheinen Energieversorger, wie das EWB oder EWZ, strategisch besser aufgestellt für die Zukunft. Die BKW hat bisher nur mit der Tochtergesellschaft sol-e Suisse AG eine Initiative ergriffen. Dies ist zwar lobenswert, genügt aber nicht. Dass bei sol-e nur ca Mitarbeiter arbeiten, spricht für sich. Zudem soll die BKW vermehrt mit anderen privaten Unternehmen, auch kleinen, die Energie erzeugen oder im Energieeffizienzbereich tätig sind, kooperieren. (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Schärer, Bern (Grüne) AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar? Wortlaut der Interpellation vom 28. März 2011 Die Verlautbarungen der BKW zum AKW Mühleberg nach dem tragischen Unfall und dem unermesslichen menschlichen Leid in Japan sind sehr zurückhaltend. Man wird den Eindruck nicht los, dass das AKW für das Unternehmen BKW unverzichtbar ist bzw. eine noch grössere finanzielle Bedeutung für das Unternehmen hat als bisher angenommen wurde. Und es scheint allmählich klar, dass umgekehrt die Diversifizierung des Unternehmens in Richtung andere Energieträger auch mehr vernachlässigt wurde als angenommen. Zudem fällt auf, dass die BKW sämtliche Risiken von AKWs auch nach Japan weiterhin herunterspielt. In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. In der Presse war zu lesen, dass der Anteil des Reingewinns der BKW aufgrund der Gewinne des AKW Mühleberg rund ein Drittel des Gewinns der BKW ausmacht. Anscheinend beruht diese Aussage jedoch auf Schätzungen von Experten, und die BKW gibt dazu keine Auskunft. Stimmt diese Aussage bezüglich des hohen Anteils des AKW Mühleberg am Gewinn der BKW? 2. Sollte die BKW die Zusammensetzung ihres Reingewinns nicht offenlegen? 3. Werden jetzt nach dem verheerenden Unfall in Japan ernsthaft alternative Unternehmensstrategien in Richtung erneuerbare Energieträger für die BKW erarbeitet? (Weitere Unterschriften: 13) Gemeinsame Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Als Folge des schlimmen Unglücks im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima wurden folgende Vorstösse eingereicht, welche die Eigner- bzw. die Unternehmensstrategie der BKW betreffen: Motion 123/11 Wasserfallen «Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG» Motion 150/11 Brönnimann «Neue Eigentümerstrategie BKW» Interpellation 103/11 Schärer «AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar?» Da diese Vorstösse ähnliche Themen betreffen, werden sie gemeinsam beantwortet. Motion 123/11 Wasserfallen «Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG» und Motion 150/11 Brönnimann «Neue Eigentümerstrategie BKW» Die Motionen 123/11 und 150/11 betreffen die Eignerstrategie der BKW, wofür der Regierungsrat abschliessend zuständig ist. Somit handelt es sich bei den Vorstössen um Richtlinienmotionen. Der Regierungsrat hat bei einer Richtlinienmotion einen relativ grossen Handlungsspielraum und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. Die Festlegung der Unternehmensstrategie obliegt dem Verwaltungsrat der BKW. In diesem zehnköpfigen Gremium nimmt der Kanton Bern mit zwei Vertretungen Einsitz. Deren Aufgabe ist es unter anderem die Anliegen des Eigners aus der Eignerstrategie in den Verwaltungsrat der Unternehmung einzubringen. Das schlimme Unglück im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima hat den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung bestärkt. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie eingeleitet werden muss. Das bedingt eine massive Verstärkung der Förderung von erneuerbarer Energie und der Energieeffizienz. Der Regierungsrat hat unmittelbar nach der Katastrophe von Fukushima den Verwaltungsratspräsidenten und den Direktionspräsidenten der BKW FMB AG zu einer Aussprache getroffen. Nach der Aussprache ersuchte der Regierungsrat den Verwaltungsrat der BKW insbesondere um die Klärung folgender Punkte: Abklärung der Auswirkungen einer raschen Abschaltung des AKW Mühlebergs Überprüfung der Unternehmensstrategie mit Schwerpunkt auf der Förderung von erneuerbaren Energien und Anreizen zur Energieeffizienz Prüfung Rückzug des Rahmenbewilligungsgesuches für ein Ersatzkernkraftwerk in Mühleberg Der Regierungsrat erwartet von der BKW eine Rückmeldung ihrer Abklärungen bis spätestens Ende Die BKW hat auch von sich aus bereits eine Strategieüberprüfung eingeleitet. Der Regierungsrat unterstützt grundsätzlich die Forderungen der Motionen 123/11 und 150/11. Die Vorkommnisse in Ja-

196 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 635 pan haben die Rahmenbedingungen im Energiesektor grundlegend verändert. Der Regierungsrat vertritt die Ansicht, dass diese Veränderungen auch eine Überprüfung der Eignerstrategie erfordert. Aus Eignersicht ist es von zentraler Bedeutung, dass sich der Kanton Bern im Hinblick auf die Neuausrichtung der BKW alle Optionen offen lässt. Damit soll die zukünftige Positionierung der Unternehmung im Wettbewerbsmarkt Energie sichergestellt werden. Dabei ist auch zu beachten, dass der BKW im Sinne des langfristigen Erhalts ihrer Werthaltigkeit die nötige unternehmerische Handlungsfreiheit gewährt wird. Deshalb wird der Regierungsrat auch prüfen, ob die im 2006 eingestellten Arbeiten am Beteiligungsgesetz wieder aufzunehmen und weiterzuführen sind. Der Regierungsrat beabsichtigt die einzelnen Forderungen der Motionen 123/11 und 150/11 im Rahmen der zu überprüfenden Eignerstrategie zu bearbeiten und unter Berücksichtung der unternehmerischen Interessen umzusetzen. Aus diesem Grund beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat diese Motionen anzunehmen. Antrag: Annahme der Motionen 123/11 und 150/11. Interpellation 103/11 Schärer «AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar?» Zu Frage 1: Gemäss Auskunft der BKW trifft die Schätzung zu, wonach das AKW Mühleberg rund einen Drittel zum Gewinn der BKW FMB AG beiträgt. Die BKW weist darauf hin, dass dieser Anteil sich aber durch den Einfluss anderer Geschäfte und einmaliger Effekte von Jahr zu Jahr stark verändern kann. Zu Frage 2: Die BKW erfüllt als börsenkotierte Unternehmung alle Rechnungslegungsvorschriften insbesondere auch hinsichtlich Transparenz. Alle verlangten Angaben betreffend Zusammensetzung ihres Reingewinns finden sich im veröffentlichten Finanzbericht. Zu Frage 3: Es wird auf die Ausführungen zu den Motionen 123/11 und 150/11 verwiesen. Geschäft /10 Interpellation Hofmann, Bern (SP) Will die BKW keinen weiteren Ausbau der Windenergie in der Schweiz? Wortlaut der Interpellation vom 14. September 2010 Im «Bund» vom 2. September 2010 wird BKW-Chef Kurt Rohrbach wie folgt zitiert: «Mit den 16 Windturbinen auf den Jurahügeln ist die Windenergie in der Schweiz mehr oder weniger auf dem Gipfel angelangt, viel mehr liegt nicht drin und auch die anderen erneuerbaren Energien aus Wasser, Biomasse, Erdwärme und Sonne können das Land alleine nicht antreiben.» Herr Rohrbach beantwortete damit eine falsch gestellte Frage, die von der «Bund»-Redaktorin offensichtlich auch nicht so gestellt worden ist. Wohl nicht zufällig hatte Herr Rohrbach in seiner Aufzählung die wichtigste «Energiequelle» verschwiegen: Die Energieeffizienz, die es massiv zu erhöhen gilt. Mit anderen Worten: Aufhören mit der Energieverschwendung, an die wir uns seit Jahrzehnten gewöhnt haben. Ich zähle dazu ein paar Beispiele für Massnahmen im Sinne der Energieeffizienz auf: Massive Reduktion der Stand-by- Verbräuche, nur noch den Verkauf der energieeffizientesten Geräte zulassen, Elektroheizungen verbieten, Wärme-Kraft- Koppelung mit Wärmepumpen kombinieren, Häuser auf Minergie-P-Standard bringen, Verbrennungsmotoren drastisch reduzieren, deutlich weniger Einfamilienhäuser bauen usw. In unserer Wirtschaft ist es nicht verwunderlich, dass die Energieeffizienz offenbar nicht gerade ein Herzensanliegen von Herrn Rohrbach ist: Er kann damit weniger Strom verkaufen und damit sinkt auch der Profit. Wenn man obige Massnahmen im Auge hätte, würde man nicht mehr auf eher kenntnisarm gestellte Fragen vom Typ: «Wie ersetze ich das AKW Mühleberg durch Windenergie?» hereinfallen. Solche Fragen wurden am 2. September 2010 sowohl von «Bund» und «BZ» gestellt und die Antwort war entsprechend: Das ist unmöglich. Der nach der Stilllegung des AKW Mühleberg wegfallende Strom muss gemäss obigen Ausführungen nur zu einem Teil ersetzt werden, der andere Teil wird infolge besserer Energieeffizienz einfach nicht mehr gebraucht. Dies wohlgemerkt ohne Komforteinbusse für den Stromverbraucher. Dass ein Anteil des nach der Stilllegung des AKW Mühleberg wegfallenden Stroms durch neue erneuerbare Energien ersetzt werden muss, ist unbestritten. Energien aus Wasser, Wind, Biomasse, Erdwärme und Sonne können dazu je einen Teil beisteuern. Mit anderen Worten: Die Windenergie allein muss nur einen relativ kleinen Anteil des verbleibenden AKW- Stroms ersetzen, womit die Frage jetzt richtig gestellt ist. Herr Rohrbach monierte gegenüber dem «Bund» (oben), mit dem Mont Crosin sei das Potential der Windenergie in der Schweiz schon bald ausgeschöpft. Das glaubt er wohl selbst nicht. Diese Aussage zeigt auf, weshalb die Anlage auf dem Mont Crosin überhaupt gebaut wurde: Um zu zeigen, dass die Windenergie in der Schweiz zu wenig bringt. Nach Ansicht von Herrn Rohrbach ist dieser «Beweis» offenbar erfolgt, jetzt kann man mit dem Ausbau der Windenergie bei uns getrost aufhören. Ein Blick nach Österreich zeigt Folgendes: «Bei ähnlichen geografischen Gegebenheiten und doppelter Fläche wurde im Jahr 2006 mit 607 Anlagen 1930 GWh Windstrom produziert. Das ist 127 Mal mehr als 2006 in der Schweiz erzeugt wurde (15,2 GWh mit 12 Anlagen).» Das Zitat stammt aus der Zeitschrift 4/2007 der SES. Wenn man die kürzlich erfolgte Steigerung der Schweizer Windstromproduktion auf dem Mont Crosin berücksichtigt, kommen wir in der Schweiz neu auf rund 46 GWh Windstrom pro Jahr. Verglichen mit Österreich ist das immer noch rund 40 Mal weniger, wobei Österreich in der Zwischenzeit seine Windstromproduktion ebenfalls noch erhöht haben dürfte. Wenn wir noch berücksichtigen, dass die Schweiz nur die halbe Fläche von Österreich aufweist, wird in der Schweiz bei vergleichbarer Fläche immer noch rund 20 Mal weniger Windstrom als in Österreich produziert. Vergleicht man die Aussagen von Kurt Rohrbach mit Tatsachen, wie sie auch in der Energiestrategie des Kantons Bern stehen, ergeben sich folgende Fragen an die Regierung: 1. Hat die Regierung als Vertreterin des Mehrheitsaktionärs Kanton Bern den Eindruck, dass die BKW einen genügenden Einsatz für eine verbesserte Energieeffizienz leistet? 2. Ist sie auch wie Herr Rohrbach der Ansicht, dass wir mit dem Ausbau der Windanlage Mont Crosin «mehr oder weniger auf dem Gipfel angelangt» seien und dass «nicht viel mehr drinliegt»? Diese Frage ist, wie von Herrn Rohrbach formuliert, für die ganze Schweiz, aber zusätzlich auch allein für den Kanton Bern zu beantworten. 3. Ist die Regierung der Ansicht, Herr Rohrbach sei als BKW- Chef die geeignete Person, um eine gemäss Energiestrategie zukunftsfähige Energiepolitik einer AG zu leiten, an welcher der Kanton 52,5 Prozent der Aktien besitzt? Bemerkung zur letzten Frage: EnergieWasserBern (ewb) scheint es im Gegensatz zum Kanton gelungen zu sein,

197 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik einen Chef zu finden, der die Energiepolitik der Stadtregierung tatsächlich umsetzt. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 9. März 2011 Zu Frage 1 Zentrale Aspekte der Energiestrategie des Kantons Bern sind der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Förderung der Energieeffizienz. Langfristiges Ziel ist die 2000-Watt- Gesellschaft. Die Förderung von Energieeffizienzmassnahmen ist auch Teil der Unternehmensstrategie der BKW FMB Energie AG (BKW). Es wurden bereits Effizienzmassnahmen in der Energieproduktion, in der Übertragung und in der Energieanwendung ergriffen und umgesetzt. Der Regierungsrat begrüsst die bisherigen Bemühungen der BKW, ist jedoch der Ansicht dass diese Anstrengungen nicht genügen und die Unternehmung in diesem Bereich noch über ein grosses Potenzial verfügt. Zu Frage 2 Nein, im Bereich der Windenergie gibt es noch ein Ausbaupotenzial. Für die Schweiz ging das Bundesamt für Energie Anfang dieses Jahres davon aus, dass die Schweizer Windenergie bis zum Jahr 2030 eine Stromproduktion von 600 Mio. kwh pro Jahr erreichen wird. Das entspricht einer installierten Leistung von rund 400 MW oder 200 Windturbinen à 2 MW Leistung. Der Bund hat bereits im Jahr 2004 Aussagen zum Potenzial der Windenergie in der Schweiz und zu den möglichen Standorten gemacht. 1 In der Zwischenzeit hat sich die Windenergie technisch weiter entwickelt, sodass weitere Standorte in Frage kommen. Das Konzept Windenergie Schweiz nennt über 30 potenzielle Standorte im Kanton Bern mit einer geschätzten totalen mittleren Produktivität von rund 480 GWh. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass weit weniger als die Hälfte dieses Potenzials wirklich genutzt werden kann. Trotzdem bestehen noch Ausbaumöglichkeiten, die gerade auch im Vergleich zu den Produktionsanlagen auf dem Mont Crosin sicher nicht vernachlässigbar sind. Der Regierungsrat ist daher nicht der Ansicht, der Gipfel der Ausbaumöglichkeiten bei der Windkraft im Kanton Bern sei erreicht. Im Übrigen kann die Schweiz bei Bedarf auch Windenergie aus windreichen Gebieten im Ausland importieren. Die BKW besitzt bzw. sie ist bereits an mehreren Windparks in Deutschland und Italien beteiligt. Zu Frage 3: Bei der BKW handelt es sich um eine börsenkotierte privatrechtliche Aktiengesellschaft, an welcher der Kanton mit 52,5 Prozent am Aktienkapital beteiligt ist. Der Kanton als Mehrheitsaktionär verfügt über eine Eignerstrategie zur BKW, welche die Grundgedanken der Energiestrategie beinhaltet. Die Eignerstrategie der BKW wird durch die beiden Regierungsrätinnen als Kantonsvertreterinnen im Verwaltungsrat eingebracht. In der Kompetenz des Verwaltungsrats ist die Ausarbeitung der Unternehmensstrategie. Deren Umsetzung ist die Aufgabe der gesamten Geschäftsleitung und damit auch von Herrn Kurt Rohrbach als Vorsitzender der Geschäftsleitung. Der Regierungsrat sieht keinen Anlass, Herrn Kurt Rohrbach als für diese Position nicht geeignet zu betrachten. Geschäft /11 Dringliche Interpellation Hofmann, Bern (SP) Widersprüchliches Investitionsverhalten der schweizerischen Stromversorger, wie zum Beispiel der BKW: Ist der Schaden grösser als der Nutzen? Wortlaut der Interpellation vom 28. März 2011 Die schweizerische Energiestiftung (SES) hält in ihrem Magazin 3/2010 fest, dass die Schweizer Energieunternehmen in naher Zukunft im Ausland fast das Doppelte an Strom produzieren werden, wie die Schweiz im Jahr 2008 verbrauchte. Dabei sind alle ausländischen Beteiligungen gerechnet, die schon Strom produzieren, im Bau oder geplant sind. Die Schweizerischen Stromversorger werden also, zusammen mit den inländischen Kraftwerken, fast das Dreifache des schweizerischen Strombedarfs produzieren. Dazu kommt, dass fast gleich viel Strom, wie die Schweiz braucht, importiert und wieder exportiert wird, was als «Stromhandel» bezeichnet wird. Das hat zur Folge, dass der Verbrauchs-Strommix der Schweiz viel «CO 2-haltiger» ausfällt als der immer wieder zitierte CO 2-arme Strommix der Produktion. Termingerecht nach der Atom-Abstimmung im Kanton Bern ( ) erschien im «Bund» ein Artikel nicht etwa über eine Stromlücke, sondern über eine Stromschwemme in Europa. Das hindert die Alpiq nicht, ihre Stromproduktion bis 2020 (ohne AKW) verdoppeln zu wollen. In ihrer im Januar 2011 an alle Haushalte verschickten Zeitung singt die BKW das Hohelied ihrer klimafreundlichen Stromproduktion. Zweck dieser «Information» war, die Bevölkerung für ein Mühleberg II zu überreden. Die Realität der Stromproduktion der BKW sieht dagegen völlig anders aus: Die BKW verfolgt in Italien Beteiligungen an fünf grossen Gaskraftwerken (siehe Tabelle unten). Durch zwei realisierte Gaskraftwerke kann die BKW derzeit über eine Leistung von 250 MW verfügen. Dazu kommt ein Kohlekraftwerk in Deutschland (unterste Zeile). 1 Konzept Windenergie Schweiz, August 2004

198 Sondersession Energiepolitik 14. Juni 2011 Abend 637 Hier eine Übersicht: Region Name, Leistung Status Beteiligung in %, MW Investitionssumme Piemont Livorno-Ferraris, In Betrieb 25 %, 200 MW 230 Mio. CHF 800 MW Abruzzen Tamarete, In Bau/ Betrieb 48 %, 50 MW 43,2 Mio. CHF 104 MW Basilikata Irsina, In Planung 100 % (bisher) 250 Mio. Euro 400 MW Kampanien Luminosa, In Planung nicht kommuniziert unbekannt 400 MW Venetien Cona, In Planung nicht kommuniziert unbekannt 800 MW Norddeutschland Wilhelmshaven 800 MW In Bau Betrieb %, 240 MW > 1 Mia. Euro Die BKW wird also bereits ab 2012 etwa 1,3 Mal so viel elektrische Leistung bereitstellen wie Mühleberg I, und zwar mit fossilen Brennstoffen im Ausland. Die BKW wird diese Produktion in nächster Zeit noch wesentlich ausweiten. Über solche Ungereimtheiten in der Schweizerischen und Bernischen Strompolitik kann man nur staunen. Die Regierung wird deshalb um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten: 1. Ist die Regierung nicht auch der Meinung, dass voraussichtlich Schweizerische Elektrizitätsunternehmungen im In- und Ausland gemessen am Bedarf in der Schweiz (^100 %) mit fast 300 Prozent produziertem Strom ziemlich übers Ziel hinausschiessen? 2. Welche Bedeutung haben die bei Schweizer Unternehmungen im Betrieb stehenden und geplanten Kraftwerke im Ausland für die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Strom? Ist die behauptete «Stromlücke» nicht eher ein Stromberg? 3. Wir sprechen von den Schweizerischen Strominvestitionen im In- und Ausland (ohne AKW, ohne Pumpspeicherwerke). Wie viel mal mehr Geld fliesst in die fossile Stromproduktion als in erneuerbare Energien? Die Frage ist zusätzlich auch allein für die BKW zu beantworten. 4. Wie viel Strom könnte die BKW durch bestehende und geplante Gaskraftwerke, an denen sie in Italien beteiligt ist, importieren? Oder ist das ein reines Geschäft für die BKW? 5. Ist mein Eindruck richtig, dass die Schweiz (eingebettet in den europäischen Strommarkt mit Mengen von Strom von Schweizer Firmen) in einer sehr vorteilhaften Position bzgl. Stromversorgung und Handel ist, sodass sie sich nicht vor einer Schweiz ohne Strom fürchten muss? 6. Ist es nicht doppelzüngig von der BKW, in der Schweiz ein neues AKW mit dem Klimaargument zu propagieren und anderseits im Ausland Massen von CO 2 zu emittieren? Sollte man eine derartige Werbung (siehe auch unten) nicht als unlauter qualifizieren? 7. Auf einem Werbeplakat der BKW stand im Jahr 2010 Folgendes: «Für eine CO 2-freie Stromversorgung». Anderseits wird Im Finanzbericht 2010 der BKW bei «Beteiligungen und Bezugsrechte» unter «Thermische Kraftwerke» aufgeführt: «E.ON Produzione Centrale Ferraris Livorno». Welche der beiden Versionen ist die Richtige? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Zu Frage 1: Die Interpellation thematisiert grundsätzliche Fragen der Energiepolitik und -versorgung. In Europa bestehen heute liberalisierte Strommärkte mit Elektrizitätsunternehmen, welche im freien grenzüberschreitenden Strommarkt agieren. Diese Unternehmen produzieren, handeln und verkaufen Strom sowohl im In- und Ausland. Mit der Liberalisierung der Strommärkte hat auch die Bedeutung der Energieversorgung und der Stromautarkie einen anderen Stellenwert erhalten. Grundsätzlich sind die Elektrizitätsunternehmen heute weniger auf eigene Produktion vor Ort angewiesen, weil Strom auch auf dem Markt bezogen werden kann. Aus Sicht der schweizerischen Versorgungssicherheit ist es aber immer noch wichtig, dass Strom im Inland produziert wird. Eine zu grosse Auslandabhängigkeit könnte bei einem Versorgungsengpass negative Folgen auf die Bevölkerung und Wirtschaft haben. Auch aus Sicht der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze ist es vorteilhaft, den Strom im Inland zu produzieren. Zu Frage 2: Grundsätzlich sind die schweizerischen Stromunternehmen frei im In- und Ausland Strom für in- und ausländische Kunden zu produzieren. Mit den Kraftwerken im Ausland versorgt beispielsweise die BKW in erster Linie Kunden im Ausland. Die BKW könnte diese Strommengen in die Schweiz importieren. Sie würde dies aber nur notfalls bei Versorgungsengpässen tun. Zu beachten ist, dass in diesem Fall der Import von Strom von den verfügbaren grenzüberschreitenden Netzkapazitäten abhängt und bei gleichzeitiger Stromknappheit im Exportland dieses ggf. Exportrestriktionen erlassen könnte. Zu Frage 3: Der Regierungsrat kann diese Frage nur in Bezug auf die BKW beantworten: Im Rahmen der aktuellen Strategie plant die BKW bis im Jahr 2030 ungefähr gleich grosse Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu tätigen, wie in den Bereichen Nuklear und Gas und Kohle zusammen. Bei einem Wegfall der Investitionen in Ersatzkernkraftwerke würde die BKW sogar dreimal mehr in den Bereich neue erneuerbare Energien im In- und Ausland investieren als in fossilthermische Anlagen. Zu Frage 4: Der BKW-Anteil an den Anlagen in Livorno Ferraris und Tamarete beträgt zusammen rund 750 GWh/a. Gemäss aktueller Strategie könnten noch ca GWh/a aus GuD- Projekten in Italien dazu kommen. Die BKW produziert diese Strommengen für ausländische Kunden. Wie bereits erwähnt, könnte die BKW diese Strommengen in die Schweiz importieren. Sie würde dies aber nur notfalls bei Versorgungsengpässen tun unter dem Vorbehalt, dass genügend grenzüberschreitende Netzkapazitäten und keine Exportrestriktionen bestehen. Zu Frage 5: Der Regierungsrat teilt grundsätzlich die Einschätzung des Interpellanten. Er hat mit seiner Energiestrategie den Weg aufgezeigt, wie die Energieversorgung unseres Kantons gesichert werden kann. Dazu sind insbesondere eine stärkere Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz zentral.

199 Juni 2011 Abend Sondersession Energiepolitik Zu Frage 6: Die BKW hat uns auf diese Frage folgende Antwort mitgeteilt: «Die Produktionsstrategie der BKW in der Schweiz und im Ausland stehen nicht im Widerspruch zueinander: Die Versorgungsstrategie der BKW in der Schweiz stützt sich wie erwähnt in Übereinstimmung mit der bundesrätlichen Energiepolitik zur Vermeidung einer Stromlücke auf die Säulen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und auf den Bau von Grosskraftwerken. Dies ermöglicht der Schweiz bei einem Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke eine weitgehend CO 2-freie Stromversorgung und Unabhängigkeit von Stromimporten aus dem Ausland. Mit den Kraftwerken im Ausland versorgt die BKW in erster Linie Kunden und den Grosshandelsmarkt in den entsprechenden Ländern. In diesen Ländern stammt ein bedeutender Teil der Stromproduktion bereits heute aus fossilthermischen Kraftwerken. Die fossil-thermischen Kraftwerke der BKW zählen in diesen Ländern zu den modernsten Anlagen ihrer Art. Bezüglich Emissionen setzen sie neue Standards und ermöglichen in Deutschland und Italien durch die Verdrängung ineffizienter Anlagen vom Markt eine erhebliche CO 2-Reduktion. Weiter ist im europäischen Ausland ein CO 2- Emissionshandelssystem implementiert worden, mit welchem die Kyoto-Ziele erreicht werden sollen. Diesen Rahmenbedingungen unterliegen auch die fossilen Kraftwerke der BKW im Ausland, d. h. sie bezahlen für jede ausgestossene Tonne CO 2 den entsprechenden Preis, worüber die externen Kosten internalisiert werden.» Zu Frage 7: Die BKW hat uns auf diese Frage folgende Antwort mitgeteilt: «Das Gaskombikraftwerk Livorno Ferraris weist einen Wirkungsgrad von 57 Prozent auf und gehört damit zu den modernsten Anlagen ihrer Art. Bezüglich Emissionen und Effizienz setzt sie neue Standards und ermöglicht durch die Verdrängung ineffizienter Anlagen vom italienischen Mark eine erhebliche CO 2-Reduktion in Italien.»

200 Wahlen 15. Juni 2011 Morgen 639 Zehnte Sitzung Mittwoch, 15. Juni 2011, 9.00 Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident. Präsenz: Anwesend sind 154 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Niklaus Gfeller, Lorenz Hess, Natalie Imboden, Sabine Kronenberg, Corrado Pardini, Maxime Zuber. Präsident. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Medienvertreterinnen und -vertreter, die gestern Abend sicher noch länger als wir arbeiten mussten, damit heute alles in der Zeitung steht, was gestern im Rat ausführlich diskutiert wurde. Ich ergreife die Gelegenheit, den Medien zu danken, die täglich über unsere Arbeit berichten, damit die Bürger unseres Kantons, die nicht persönlich anwesend sein können, sich darüber informieren können. Wir führen zuerst Wahlen durch, dann beantwortet der Regierungsrat eingereichte Fragen, und schliesslich werden wir die Beratung der Vorstösse in Block 3 der Sondersession zur Energiepolitik fortsetzen. Wahlen Präsident. Die heutigen Wahlen führen wir in zwei Blöcken durch: einerseits die Wahl eines Ersatzmitglieds der Oberaufsichtskommission für den zurückgetretenen Sylvain Astier, Moutier (PLR), und andererseits drei Richterwahlen. Der Fraktionschef der FDP äussert sich jetzt zur Wahl des Mitglieds der OAK. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Sie mögen sich kurz gewundert haben, warum die FDP als Nachfolger von Sylvain Astier gerade seinen Nachfolger im Grossen Rat und somit einen Neuling in die Oberaufsichtskommission delegiert. Die Überraschung legt sich jedoch, wenn man feststellt, dass Roland Matti schon lange vor den meisten jetzigen Ratsmitgliedern einmal in diesem Rat sass, nämlich von 1990 bis Er kennt die parlamentarische Arbeit also schon ein wenig, zudem finden wir wichtig, dass die frankophone Minderheit in dieser ständigen Kommission vertreten ist. Weiter wissen wir, dass Roland Matti als Gemeindepräsident von Neuenstadt grosse Erfahrung und Interesse an der Politik hat. Er ist sehr motiviert, in der Oberaufsichtskommission mitzuarbeiten. Dass wir Leute zur Verfügung stellen können, die sich engagieren, genau hinschauen und etwas erreichen wollen, ist wohl das Wichtigste für die Besetzung dieser Kommission. Darum empfehle ich Ihnen, Roland Matti als Nachfolger von Sylvain Astier in die Oberaufsichtskommission zu wählen. Präsident. Der Sprecher der Justizkommission kommentiert die Richterwahlen. Marc Jost, Thun (EVP), Sprecher der Justizkommission. Heute stehen drei Richterwahlen an. Ich erkläre dem Parlament einerseits, wie der Ausschuss die Wahlen für die Justizkommission vorbereitet, und anschliessend, wie wir im Rat die Wahlen konkret abwickeln. Es ist die Wahl eines Richters für das Obergericht, und es sind Ergänzungswahlen von fünf Fachrichterinnen und Fachrichtern der regionalen Schlichtungsbehörden sowie einer Fachrichterin des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten KUMV. Beim Obergericht machen drei Oberrichterinnen und -richter von der Möglichkeit Gebrauch, die das Gerichtsorganisationsgesetz in Artikel 21 bietet, nämlich ihr Vollpensum in ein Teilpensum umzuwandeln. Durch diese Verschiebungen werden Stellenprozente frei. Deshalb müssen wir heute eine 80-Prozent-Stelle am Obergericht mit Amtsdauer bis neu besetzen. Die Amtsdauer für diese Stelle dauert bis Ende Der Ausschuss der Justizkommission lud die Kandidierenden zu Gesprächen ein und holte Referenzen ein. Er schätzt die fachliche und persönliche Qualifikation ein, berücksichtigt jedoch nicht den Parteienproporz. Der Ausschuss IV schlägt dem Parlament Hanspeter Kiener aus Hinterkappelen und Samuel Schmid aus Langnau zur Wahl vor. Hanspeter Kiener schätzt er als sehr geeignet und Samuel Schmid als geeignet ein. Somit liegt es am Parlament, die Wahl zwischen den beiden zu treffen. Setzen Sie den Namen Ihrer bevorzugten Person auf den Wahlzettel, der Ihnen zugleich mit denjenigen für die übrigen Wahlen ausgeteilt wird! Die zweite Wahl ist die Ergänzungswahl von fünf Fachrichterinnen und -richtern an die regionalen Schlichtungsbehörden. Es ist Usus, dass die Verbände dafür Kandidierende vorschlagen. Wegen Rücktritten müssen beim Hauseigentümerverband vier und beim Mieterinnen- und Mieterverband eine Stelle wieder besetzt werden. Diese Kandidierenden laden wir nicht persönlich ein, sondern schätzen sie aufgrund der schriftlichen Unterlagen ein. Auf einem vorgedruckten Wahlzettel schlagen wir Ihnen jetzt die gleiche Anzahl Kandidierende vor, wie Sitze zu besetzen sind. Doch steht Ihnen frei, Kandidierende zu streichen, die sie nicht wählen wollen. Die dritte Wahl, zu der Sie den Wahlzettel ebenfalls im gleichen Couvert erhalten, betrifft das Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten. Nach bereits länger dauernder Vakanz können wir dort eine weitere Fachrichterstelle besetzen. Ich rekapituliere: Sie erhalten ein Couvert mit drei Wahlzetteln. Wir hatten es zuerst anders geplant, aber der Einfachheit halber und damit es rascher geht, verteilen wir alle Wahlzettel im gleichen Couvert. Bei der ersten Wahl eines Richters ans Obergericht haben Sie auf den roten Wahlzettel von Hand den Namen des Kandidaten aufzuschreiben, den Sie wählen wollen. Auf dem grünen und dem gelben Wahlzettel für die Fachrichterinnen und -richter sind die Namen bereits aufgedruckt, davon können Sie streichen, wen Sie allenfalls nicht wählen wollen. Ich bitte das Parlament, so vorzugehen. Präsident. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher kommen zu Wort. Peter Bernasconi, Worb (SP). Wie Sie gehört haben, stehen uns drei Wahlgänge bevor. Ans Obergericht wählen wir einen Richter deutscher Muttersprache mit Beschäftigungsgrad 80 Prozent. Im zweiten Wahlgang wählen wir fünf Fachrichterinnen und -richter an die regionale Schlichtungsbehörde für mietrechtliche Streitigkeiten und in der dritten Wahl einer Ergänzungswahl eine Fachrichterin ans Schiedsgericht für Sozialversicherungsstreitigkeiten. Für die Wahlgänge zwei und drei schlägt Ihnen die SP vor, alle Vorgeschlagenen zu unterstützen. Zur Wahl ans Obergericht folgende Bemerkungen: Die 80-Prozent-Stelle ergab sich dadurch, dass verschiedene Richterinnen und Richter ihre Arbeitspensen reduzierten. Es ist also keine Aufstockung, sondern eine Pensenverschiebung. Momentan stehen noch zwei Personen zur Auswahl: Hanspeter Kiener und Samuel Schmid. Hanspeter Kiener ich bin mir bewusst, dass ich wiederhole wurde als sehr

201 Juni 2011 Morgen Wahlen geeignet und Samuel Schmid als geeignet befunden. Wenn ich Ihnen Hanspeter Kiener ans Herz legen darf, möchte ich darauf hinweisen, dass seine sehr gute Qualifikation auf seiner sehr guten und sehr breiten Erfahrung beruht. Zuletzt war er noch bei der Staatsanwaltschaft tätig, hat auch ausgezeichnete Referenzen von der Staatsanwaltschaft, vom Obergericht, vom Anwaltsverband und vom bernischen Richterverband; überall wird er klar empfohlen. Kurz wurde der Parteienproporz angesprochen. Hanspeter Kiener gehört der SP an, während Samuel Schmid Mitglied der SVP ist. Ich verheimliche nicht, dass die SP im Obergericht übervertreten ist. Hingegen darf ich daran erinnern, dass wir bei der Behandlung der entsprechenden Erlasse der Justizreform immer wieder betonten, bei den Richterwahlen habe die Qualität klar Vorrang vor dem Parteienproporz. Im Einverständnis mit dem Grossen Rat stützten wir stets darauf ab. Zieht man dies bei den gelieferten Qualifikationen und den Ergebnissen der eingeholten Referenzen beider Kandidaten in Betracht, ist klar, dass Hanspeter Kiener in diesem Wahlgang die Nase vorn hat. Deshalb bittet Sie die SP, ihm als Oberrichter mit Beschäftigungsgrad 80 Prozent Ihre Stimme zu geben. Uns ist bewusst, dass die angesprochene Übervertretung wieder korrigiert werden muss. Dazu werden wir Hand bieten, hingegen sind wir klar der Meinung, dass in diesem Wahlgang Hanspeter Kiener zu wählen ist. Béatrice Struchen, Epsach (UDC). L UDC vous propose de soutenir le candidat Samuel Schmid pour le poste de juge germanophone à la Cour suprême. J aimerais préciser, comme l a déjà dit mon collègue Bernasconi, que l UDC est sous-représentée au niveau des sièges de ces juges. Nous aurions proportionnellement droit à six sièges et nous n occupons en ce moment que 4,6 sièges, tandis que le parti socialiste, qui aurait droit à cinq sièges, en occuperait 7,6 si son candidat est élu. C est vraiment une grande différence. M. Samuel Schmid est un candidat valable, même si certains d entre vous ont des réticences parce que c est un candidat qui a moins d expérience que son concurrent vu son jeune âge. J entends souvent dire justement par vous, chers collègues qu il faut donner une chance aux jeunes, que les jeunes doivent pouvoir montrer ce dont ils sont capables. Donnez une chance à Samuel Schmid afin qu il puisse vous montrer ce dont il est capable. En ce qui concerne les autres élections complémentaires, nous soutenons les candidats proposés. Katrin Zumstein, Langenthal (FDP). Die FDP unterstützt in der Ergänzungswahl für das Obergericht Hanspeter Kiener. Wir sind uns bewusst, dass durch diese Wahl der Proporz sehr stark zugunsten der SP verschoben wird. Wir sind aber der klaren Überzeugung, dass wir nur mit der Wahl der am besten Qualifizierten gegenüber unserer dritten Gewalt im Staat, der Justiz, glaubwürdig bleiben können. Im zweiten und dritten Wahlgang unterstützen wir die vorgeschlagenen Fachrichterinnen und -richter. Christine Häsler, Burglauenen (Grüne). Qualifikation vor Parteienproporz praktizieren wir hier seit mehreren Jahren und halten uns alle eigentlich immer daran. Wir tun es auch bei dieser Ergänzungswahl eines Mitglieds ans Obergericht. Wir wählen Herrn Hanspeter Kiener, der hervorragende Qualifikationen aus allen vorberatenden Gremien mitbringt, und wir legen Ihnen ans Herz, ihn ebenfalls zu wählen. Bei den anderen Wahlen von Fachrichterinnen und -richtern wählen wir alle Vorgeschlagenen. Anita Luginbühl-Bachmann, Krattigen (BDP). Zur ersten Wahl: Die BDP-Fraktion lud am letzten Dienstagnachmittag beide Kandidaten zum Hearing ein. In der anschliessenden angeregten Diskussion unter Abstimmung setzte sich der Kandidat der SP durch. Dies nicht zuletzt, weil die BDP den eingeschlagenen Weg beibehalten will, nämlich, wie Peter Bernasconi und meine beiden Vorrednerinnen bereits erwähnt haben, die am besten qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten zu unterstützen. So war es in den letzten Legislaturperioden ja immer gehandhabt worden. Als Mitglied des Obergerichts unterstützen wir also Hanspeter Kiener. Bei der zweiten, dritten und vierten Wahl werden wir alle vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten unterstützen. Geschäft Wahl eines Mitglieds der Oberaufsichtskommission (Ergänzungswahl) Bei 121 ausgeteilten und 121 eingegangenen Wahlzetteln, wovon leer 3 und ungültig 0, in Betracht fallend 118, wird bei einem absoluten Mehr von 60 Stimmen gewählt: Roland Matti mit 118 Stimmen Präsident. Je félicite M. le député Matti pour son élection à la Commission de haute surveillance. Je vous souhaite beaucoup de plaisir avec ce travail. (Beifall) Geschäft Wahl eines Mitglieds deutscher Muttersprache für das Obergericht (Ergänzungswahl) Bei 144 ausgeteilten und 144 eingegangenen Wahlzetteln, wovon leer 6 und ungültig 0, in Betracht fallend 138, wird bei einem absoluten Mehr von 70 Stimmen gewählt: Hanspeter Kiener Samuel Schmid erhielt 44 Stimmen. mit 94 Stimmen Präsident. Ich gratuliere Herrn Kiener zur Wahl. Er wird gleich nach der Bekanntgabe der übrigen Wahlresultate vereidigt. (Beifall) Geschäft Wahl von fünf Fachrichterinnen und Fachrichtern der regionalen Schlichtungsbehörden für mietrechtliche Streitigkeiten (Ergänzungswahl) Bei 144 ausgeteilten und 144 eingegangenen Wahlzetteln, wovon leer und ungültig 0, in Betracht fallend 144, werden bei einem absoluten Mehr von 73 Stimmen gewählt: Heinz Suter-Bettler Urs Klöti Hans Rudolf Stüdeli Peter Treier Jürg Jost Diverse erhielten 2 Stimmen. Präsident. Herzliche Gratulation! (Beifall) mit 142 Stimmen mit 141 Stimmen mit 141 Stimmen mit 138 Stimmen mit 135 Stimmen

202 Fragestunde 15. Juni 2011 Morgen 641 Geschäft Wahl einer Fachrichterin des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten KUVM (Ergänzungswahl) Bei 144 ausgeteilten und 144 eingegangenen Wahlzetteln, wovon leer 1 und ungültig 0, in Betracht fallend 143, wird bei einem absoluten Mehr von 72 Stimmen gewählt: Kathrin Hauser Präsident. Herzliche Gratulation! (Beifall) Vereidigung des neu gewählten Oberrichters mit 143 Stimmen Präsident. Sehr geehrter Herr Kiener, heute Morgen wählte Sie der Grosse Rat als neues Mitglied des Obergerichts für die Amtsdauer bis 31. Dezember Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen des Grossen Rates ganz herzlich. Für die Vereidigung, bei der Herr Kiener das Gelübde ablegen wird, bitte ich alle Anwesenden im Saal und auf der Tribüne, sich zu erheben. Herr Hanspeter Kiener legt das Gelübde ab. Präsident. Ich wünsche Herrn Kiener viel Erfolg bei seiner Arbeit am Obergericht und gratuliere nochmals ganz herzlich. (Beifall) Ich begrüsse auf der Tribüne die Klasse Hondrich 1 der landwirtschaftlichen Berufsschule Inforama aus dem Berner Oberland. Es freut uns, dass uns immer wieder junge Leute besuchen. Ich wünsche ihnen einen guten Tag und einen spannenden Einblick in die Tätigkeit des Grossen Rates. Sie werden bei der Fragestunde gleich einen Querschnitt durch alle Direktionen miterleben können. Ich wünsche ihnen auch weiterhin alles Gute in der gewählten Ausbildung. Herzlich willkommen hier bei uns im Ratsaal! (Applaus) Wir haben heute auch ein Geburtstagskind unter uns. Ich möchte Samuel Graber einen Spruch von Marc Twain auf den Weg geben: «Kein Mensch kann sich ohne sein Einverständnis wohl fühlen.» Ich wünsche ihm einen schönen Tag, alles Gute und gute Gesundheit. Herzliche Gratulation vom Rat! (Applaus) Fragestunde Frage 1 Walter Messerli, Interlaken (SVP) Zusatzfragen zu Fragen in der Fragestunde Oft werden in der Fragestunde zu schriftlich gestellten Fragen mündliche Zusatzfragen nachgeschoben, zu denen sich der angesprochene Regierungsrat nicht vorbereiten kann. Kürzlich gab es auch bezüglich der Vertretung zur Stellung von Zusatzfragen Unsicherheiten. Es bleiben nach solchen Zusatzfragen nicht selten irritierende Unsicherheiten im Raum. Im GRG (Art. 55) und in der GO (Art. 70) ist nur von schriftlichen Fragen, über deren Zulässigkeit zudem das Büro befindet, die Rede; mündliche Zusatzfragen, geschweige denn Regeln über deren Prüfung, sind nirgends erwähnt. Fragen: 1. Gibt es anderweitige gesetzliche Grundlage zu diesen mündlichen Zusatzfragen? 2. Wenn nein: Soll an diesem «parlamentarischen Gewohnheitsrecht» festgehalten werden? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zur Zulässigkeit von Zusatzfragen: Die Möglichkeit, eine Zusatzfrage zu stellen, hob der Grosse Rat im Zug einer Revision der Geschäftsordnung vom 19. Januar 2009 auf; seit dem 1. Juni 2010 besteht sie nicht mehr. Gewohnheitsrecht hatte sich noch nicht bilden können. Die Mitglieder der Präsidentenkonferenz wurden darüber informiert, dass künftig auf Zusatzfragen verzichtet wird. Präsident. Somit erfuhren Sie vom Regierungsrat, wie es zu handhaben ist. Ich wiederhole: Zusatzfragen sind nicht mehr zulässig, dadurch wird der Ratsbetrieb auch noch etwas schlanker. Sie wissen, dass wir die Zeit brauchen. Somit ist diese Regelung klar kommuniziert worden. Frage 7 Thomas Fuchs, Bern (SVP) Facebook-Sperre Wann geschieht dies endlich auch bei den mehrheitlich rot-grün geführten Direktionen? Nach der Finanzdirektion hat auch die Justiz-, Gemeindeund Kirchendirektion die vom Grossen Rat im September 2010 beschlossene und bereits im September 2009 (!) verlangte Sperre des Internetzugangs für soziale Netzwerke, Party- und Partnervermittlungsseiten umgesetzt. Fragen: 1. Per wann werden nun endlich auch die Erziehungsdirektion, die Volkswirtschaftsdirektion, die Polizei- und Militärdirektion, die Gesundheits- und Fürsorgedirektion und natürlich auch die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion die notwendigen Internetseiten endlich sperren (Antwort pro Direktion erwünscht)? 2. Lässt es die Arbeitsbelastung zu, dass die Mitarbeitenden Facebook während der Arbeitszeit nutzen? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Betreffend die fünf angesprochenen Direktionen lautet die Antwort folgendermassen: Das Amt für Kommunikation erarbeitet gegenwärtig eine Entscheidungsgrundlage für den Einsatz der sozialen Medien im Kanton. Gestützt darauf wird der Regierungsrat innerhalb der Zweijahresfrist über das weitere Vorgehen beschliessen. Zu Frage 2: Die private Nutzung sozialer Medien wie Facebook ist während der Arbeitszeit nicht zulässig. Frage 2 Markus Meyer, Roggwil (SP) Denkmalpflege: Verhinderin oder nicht? In den vergangenen Wochen ist um die Denkmalpflege eine eigentliche Polemik entstanden. Diese Fachstelle wurde als Verhinderungsbehörde bezeichnet, die Bauvorhaben verzögert, behindert, Bauherren belästigt, die Nutzung alternativer Energien verunmöglicht etc. Fragen: 1. Wie viele Baugesuche hat die Denkmalpflege in den Jahren 2009 und 2010 negativ beantwortet, d. h. einen Bauabschlag erteilt? 2. Hat die Denkmalpflege in den Jahren 2009 und 2010 Bauvorhaben durch Rechtsmittel verzögert?

203 Juni 2011 Morgen Fragestunde 3. Hat die kantonale Denkmalpflege im ordentlichen Baubewilligungsverfahren eine andere Stellung als die übrigen kantonalen Fachstellen (Gewässerschutz, Energie, Forst etc.)? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Die Denkmalpflege kann keine Bauabschläge erteilen. Sie ist nicht Baubewilligungsbehörde. Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens erstellt sie Fachberichte, die eine von mehreren Entscheidungsgrundlagen der Baubewilligungsbehörde bilden. In den Jahren 2009 und 2010 behandelte die Denkmalpflege 6216 entsprechende Geschäfte. In diesen rund 6000 Geschäften wurden 14 Fachberichte negativ verfasst, also mit Empfehlung, das Baugesuch nicht zu bewilligen. 5 der 14 negativ beurteilten Projekte wurden nachträglich noch mit der Denkmalpflege bereinigt und von der Baubewilligungsbehörde anschliessend oder letztlich trotz Fachbericht der Denkmalpflege bewilligt. Zu Frage 2: Nein Zu Frage 3: Nein; die Denkmalpflege ist anderen Fachstellen gleichgestellt. Fachberichte der Denkmalpflege unterliegen dem Grundsatz freier Beweiswürdigung. Davon ausgenommen sind die altrechtlichen, vor 1999 durch einen Regierungsratsbeschluss unter Schutz gestellten Baudenkmäler; sie unterstehen einer regierungsrätlichen Unterschutzstellung. Das sind aber weniger als 0,05 Prozent aller Gebäude im Kanton Bern. Für Gebäude, die der Regierungsrat je unter Schutz stellte, stellt die Denkmalpflege eine Verfügung aus. Frage 3 Christian Hadorn, Ochlenberg (SVP) Denkmalpflege Was würden wir im Kanton Bern einsparen, wenn wir die Abteilung Denkmalpflege abschaffen würden? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Im Budget 2010 sind für die kantonale Denkmalpflege rund 9,35 Mio. Franken eingestellt. Darin enthalten sind auch knapp 3 Mio. Franken für die Subventionsbeiträge an Bauherrinnen und Bauherren. Somit bleiben Kosten von gut 6 Mio. Franken übrig, 5 Mio. davon reine Lohnkosten. Die Abschaffung der Abteilung Denkmalpflege würde allerdings kaum gerade 5 Mio. Franken Einsparung erbringen. Die Pflege der Baukultur ist eine Aufgabe, die auch auf eidgenössischer Ebene durch das Naturund Heimatschutzgesetz geregelt ist und vom Bund den Kantonen übertragen wurde. Würde die Abteilung Denkmalpflege abgeschafft, müsste also die Pflege der Baukultur, mindestens im Umfang dessen, was der Bund vorschreibt, von einer anderen kantonalen Fachstelle übernommen werden. Frage 11 Thomas Knutti, Weissenburg (SVP) Denkmalpflege Am hat die Denkmalpflegekommission über die Überbauung der «Kehlstadtmatte» in Därstetten diskutiert. Seither wartet die Gemeinde Därstetten auf den definitiven Entscheid des Regierungsrats. Regierungsrat Bernhard Pulver hat der Gemeinde Därstetten am 8. März 2011 versprochen, dass mit dem Entscheid im Mai 2011 zu rechnen ist. Fragen: 1. Wann wird der rechtswirksame Entscheid «Kehlstadtmatte» Därstetten vom Regierungsrat gefällt? 2. Wieso dauern Entscheide der Denkmalpflege so lange? 3. Wieso kann die Denkmalpflege für eine Gemeinde wichtige Entscheide so lange verzögern? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Der Regierungsrat stimmte diesem Geschäft an seiner Sitzung vom 4. Mai 2011 zu. Darüber informierte er die Gemeinde Därstetten Anfang Juni 2011 schriftlich. Zu Frage 2: Stellungnahmen eben nicht Entscheide der Denkmalpflege im regulären Bewilligungsverfahren werden innerhalb der vorgeschriebenen 30 Tage verfasst. Das Geschäft «Kehlstadtmatte» steht jedoch durch Regierungsratsbeschluss eben unter seinem Schutz, der aufgehoben beziehungsweise verändert werden müsste. Das Geschäft wurde zwischen 2006 und 2010 der Kommission für Denkmalpflege mehrmals zur Vorberatung vorgelegt. Diese Kommission trifft sich in der Regel nur zweimal jährlich. Die Erziehungsdirektion ist bestrebt, alle Geschäfte stets so rasch als möglich zu behandeln. Zu Frage 3: Es liegt nicht im Interesse der Erziehungsdirektion und ihrer Denkmalpflege, Entscheide willentlich zu verzögern. Die Denkmalpflege ist bemüht, ihre Geschäfte innerhalb der gegebenen Frist zu erledigen. Frage 4 Christoph Berger, Aeschi (SVP) Unterrichtsausschlüsse gegen vier Schüler des Gymnasiums Köniz- Lerbermatt Vier Schüler des Gymnasiums Köniz-Lerbermatt attackieren und berauben im vergangenen Februar in Berlin ein Paar. Die Schulleitung suspendiert in der Folge die Schüler für 12 Wochen und verknurrt sie zu 9 Wochen Sozialdienst. In der Folge hat Erziehungsdirektor Bernhard Pulver die Ausschlüsse reduziert und den unentgeltlichen Sozialeinsatz ganz aufgehoben. Fragen: 1. Gestützt auf welche Erkenntnisse wurden die verhängten Sanktionen von Regierungsrat Bernhard Pulver abgeschwächt? 2. Ist dieser Entscheid nicht ein Rückenschuss gegenüber der Schulleitung? 3. Sind solch harmlose Sanktionen nicht ein falsches Zeichen gegenüber gewalttätigen Jugendlichen? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. In den nächsten drei Fragen zu den Unterrichtsausschlüssen vom Gymnasium Köniz-Lerbermatt werde ich diesen Entscheid zu erklären versuchen. Lieber hätte ich mich in den letzten drei Monaten um anderes gekümmert, aber das ist eine andere Sache. Zu Frage 1: Körperlich tätlich wurde nach der Erkenntnis der Erziehungsdirektion einer der vier Gymnasiasten. Nachts stellte er sich in Berlin einem unbekannten Paar in den Weg und bedrohte es verbal. Als es die Flucht ergriff, rannte er ihm einige Meter hinterher und stellte ihm das Bein. Das Paar fiel zu Boden, worauf die Schüler von ihm abliessen. Für diesen Schüler bestätigte die Erziehungsdirektion den zwölfwöchigen Schulausschluss. Bereits früher hatte er einmal einen disziplinarischen Verweis vom Gymnasium erhalten. Den drei anderen Schülern können aufgrund dessen, was wir heute wissen, keine körperlichen Tätlichkeiten vorgeworfen werden. Zwei davon nahmen aber aktiv am Vorfall teil, indem sie sich zum ersten Schüler stellten und die Bedrohungssituation gegenüber dem Paar verbal verstärkten. Ganz sicher war es keine angenehme Situation, dort in Berlin! Der vierte Schüler stand weiter entfernt von der Gruppe und war an der Bedrohung nicht direkt beteiligt. Die drei letzteren Schüler hatten sich vor diesem Vorfall in ihrer Schulzeit im Gymnasi-

204 Fragestunde 15. Juni 2011 Morgen 643 um disziplinarisch nichts zuschulden kommen lassen. Deshalb verkürzte die Erziehungsdirektion deren Schulausschluss in zwei Fällen auf acht Wochen und in einem Fall auf vier Wochen. Die vier Schüler verstiessen in unterschiedlicher Weise gegen die Regeln der Schule und gegen allgemeine Verhaltensregeln, was eine differenzierte Sanktion erfordert. Gemäss den Erkenntnissen der Erziehungsdirektion, soweit wir sie in diesem Verfahren erheben konnten, konnte die Berliner Polizei kein Diebes- oder Raubgut bei den Schülern finden. Zu Frage 2: Nein, dieser Entscheid ist kein Rückenschuss gegen die Schulleitung. Dass die Erziehungsdirektion und ich als Erziehungsdirektor gelegentlich Entscheide einer Vorinstanz korrigieren müssen, gehört zum üblichen gesetzlichen Rechtsmittelverfahren, wie es auch der Grosse Rat im Mittelschulgesetz festlegte. Zu Frage 3: Für den Hauptbeteiligten wurde der Schulausschluss nicht reduziert. Dessen Sanktion ist also nicht harmlos, sondern er beinhaltet die maximale vom Gesetz her zulässige disziplinarische Massnahme. Auch für die drei anderen Beteiligten ist der Schulausschluss von acht beziehungsweise vier Wochen keine harmlose Sanktion. Gegen sie war vorher nie eine andere disziplinarische Massnahme verhängt worden, und sie sind in Berlin nicht körperlich tätlich geworden. Frage 8 Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) Null- Toleranz gegen Gewalt? Anfang Februar bedrohten vier Schüler des Gymnasiums Lerbermatt frühmorgens um 4 Uhr in Berlin ein Paar. Die Berliner Polizei spricht von schwerem gemeinschaftlichem Raub. Die Schulkommission juristisch beraten durch die ERZ bestrafte die Schüler mit einem 12-wöchigen Schulausschluss und einem Sozialeinsatz von je 180 Stunden, wodurch sie dieses Jahr die Maturitätsprüfung verpasst hätten. Aufgrund von Beschwerden reduzierte der Erziehungsdirektor im Mai 2011 die von der Schulkommission verhängten Massnahmen erheblich. Weil nun möglicherweise drei der vier Schüler trotz des Vorfalls die Matur ablegen können, wurden offenbar Lehrkräfte zu Mehrarbeit verpflichtet. Fragen: 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden Lehrkräfte zu Mehrarbeit für die fehlbaren Schüler verpflichtet? 2. Welche Kosten entstehen dem Kanton Bern für den Zusatzaufwand im Zusammenhang mit dem Berliner Vorfall? 3. Wie ist die Tatsache zu erklären, dass die Schulkommission des Gymnasiums Lerbermatt trotz juristischer Beratung durch die ERZ «falsche» Strafen verhängt hat? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. In Ruedi Löffels Frage geht es um die Nachbearbeitung und die Nachprüfungen, die durchgeführt werden, damit die von der Sanktion betroffenen Schüler ihre Matura ablegen können. Zu Frage 1: Die Erziehungsdirektion reduzierte den Schulausschluss für drei von vier Schülern. Andere Anweisungen erliess sie nicht. Für die Maturitätsprüfungen ist die kantonale Maturitätskommission zuständig. Auf deren Entscheide habe ich als Erziehungsdirektor keinen Einfluss. Diese Kommission machte den Schülern zur Auflage, dass sie die gleiche Anzahl Erfahrungsnoten aufweisen müssten wie die übrigen Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse. Die Schule setzte diese Anweisung um und liess die entsprechenden Prüfungen nachholen. Nachprüfungen für verpasste Leistungsüberprüfungen sind im Übrigen keine Seltenheit, beispielsweise bei Krankheit, und gehören gemäss Lehreranstellungsgesetzgebung halt auch zum Berufsauftrag einer Lehrkraft. Zu Frage 2: In Rücksprache mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt beschloss die Schulleitung, den Lehrkräften ihren Zusatzaufwand zu entschädigen. Wir rechnen mit Gehaltskosten von mehreren Tausend Franken für die Nachprüfungen. Zu Frage 3: Es liegt in der Natur des Verwaltungsbeschwerdeverfahrens, dass Regierungsräte Entscheide ihrer Ämter oder Abteilungen aufgrund einer Beschwerde manchmal korrigieren müssen. So ist es vom Gesetzgeber vorgesehen. Wollte man das ändern, müsste man das Gesetz ändern; das ist möglich. Frage 20 Jürg Schürch, Huttwil (SVP) Falsches Signal durch Strafminderung von Regierungsrat Bernhard Pulver Bekanntlich wurde Anfang Februar 2011 in den Medien publik, dass vier Gymnasiasten des Gymnasiums Köniz- Lerbermatt auf einer Klassenreise in Berlin nachts ein Paar attackiert haben. Daraufhin hat die Schulkommission richtigerweise entschieden: 12 Wochen Schulausschluss und einen Sozialeinsatz von 180 Stunden. Die Minderung der Strafe durch Regierungsrat Bernhard Pulver am löste nicht nur in Schulkreisen des Kantons Bern, sondern auch in der Bevölkerung Kopfschütteln aus. Fragen: a) Ist es, obwohl die Schulkommission von Köniz-Lerbermatt nicht unter Druck gehandelt hat und zudem noch von der Erziehungsdirektion juristisch beraten wurde, nicht verwirrend, dem eigenen Rechtsdienst und der Kommission in den Rücken zu fallen? b) Obwohl unser Erziehungsdirektor sehr kompetent ist, warum werden Schulkommissionen und Rektorate derart im Stich gelassen? c) Müsste aus diesem zum Glück nicht alltäglichen Fall nicht gerade die Erziehungsdirektion die Lehre daraus ziehen, dass die Vorgaben für disziplinarische Massnahmen klarer geregelt sind, damit solche Unstimmigkeiten nie mehr vorkommen? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Bei dieser Frage geht es vorwiegend um das Verfahren. Zu Frage a: Für Aussenstehende ist dieses Verfahren schwierig zu verstehen und sogar verwirrend. Doch entspricht es der bernischen Gesetzgebung, dass Regierungsräte in einem Justizverfahren über Entscheide von Abteilungen der eigenen Direktion, beziehungsweise im vorliegenden Fall einer Schulkommission, als erste Rekursinstanz entscheiden müssen. Die im Gesetz vorgesehene Rekursmöglichkeit an den Direktionsvorsteher oder die Direktionsvorsteherin ergibt nur Sinn, wenn er oder sie auch Entscheide der Vorinstanz aufheben oder abändern kann. Das hat nichts zu tun mit «in den Rücken fallen», sondern entspricht dem im Gesetz vorgesehenen Rechtsweg. Zu Frage b: Der Erziehungsdirektor, beziehungsweise in diesem Fall ich, kann als Rekursinstanz nicht unbesehen alle Entscheide der Vorinstanz stützen. Er muss unabhängig und unvoreingenommen den Entscheid der Vorinstanz überprüfen und allenfalls abändern. Ich lasse die Schulleitungen und Schulkommissionen nicht im Stich, muss meinen Entscheid jedoch aufgrund einer sorgfältigen, sachlichen, unabhängigen Überprüfung aller Fakten fällen. Das entspricht dem, was im Gesetz vorgesehen ist. Zu Frage c: Disziplinarische Massnahmen bezwecken in erster Linie, den geordneten Schulbetrieb aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Deshalb

205 Juni 2011 Morgen Fragestunde müssen sie dem konkreten Fall angepasst sein. Das Mittelschulgesetz enthält eine Liste möglicher disziplinarischer Massnahmen, die nach Schweregrad abgestuft sind. Ein höherer Detaillierungsgrad der Sanktionen würde wohl nicht zum Ziel führen und den Schulen den nötigen Handlungsspielraum entziehen. Wir werden aber prüfen, welche Lehren aus diesem Fall zu ziehen sind und ob in irgendeinem Bereich Anpassungen der Rechtsgrundlagen erforderlich sind. Frage 13 Alfred Schneiter, Thierachern (EDU) Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern 1. Ist vorgesehen, dass beim obligatorischen Sexualunterricht auch ein «Sex-Koffer» bzw. eine «Sex-Box» eingesetzt wird? 2. Wenn Ja, ab welchem Alter? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Die nächsten zwei eingereichten Fragen stehen im Zusammenhang mit der Zeitungsmeldung über die «Sex-Box» beziehungsweise den «Sex-Koffer». Der Lehrplan der 21 deutschsprachigen Kantone wird zurzeit erarbeitet. Welche Rolle darin die Sexualpädagogik spielen wird, ist noch nicht definiert. Entsprechend kann die Erziehungsdirektion nicht sagen, welche Lehrmittel für die Umsetzung des Lehrplans zur Verfügung stehen werden. Heute gibt es zu diesem obligatorischen Lehrplaninhalt, also zur Sexualpädagogik, für den Kanton Bern keine vorgeschriebenen Lehrmittel. Das ist auch in Zukunft nicht vorgesehen. Frage 30 Daniel Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP) Sexualkundeunterricht im Kindergarten Ab dem neuen Schuljahr wird der Kanton Basel-Stadt eine offensive Sexualaufklärung an seinen Schulen und Kindergärten beginnen. Als Bestandteil des neuen Fachs «Sexualkunde», welches für alle Kinder ab Kindergarten obligatorisch ist, kommen ein «Sex-Koffer» und eine «Sex-Box» mit verschiedenen Aufklärungsgegenständen zum Einsatz. Mit der Einführung ihres offensiven Sexualkundeunterrichts ab Kindergartenalter nehmen Basel-Stadt und die beiden Ostschweizer Kantone St. Gallen und Appenzell eine Vorreiterrolle ein. In den restlichen Kantonen soll diese Art von Sexualkundeunterricht spätestens ab 2014 mit der Einführung des Lehrplans 21 obligatorisch werden. Ich erlaube mir deshalb folgende Fragen an den Regierungsrat: 1. Wie stellt sich der Regierungsrat zu einer solchen Form von Sexualkundeunterricht, insbesondere auf Stufe Kindergarten? 2. Wie sieht der aktuelle Stand der Vorbereitungen für den zukünftigen Sexualkundeunterricht im Kanton Bern aus? 3. Inwiefern ist damit zu rechnen, dass zukünftig auch in Berner Kindergärten ein ähnlicher Sexualkundeunterricht stattfinden wird wie in Basel-Stadt? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Der aktuelle Lehrplan für den Kindergarten sieht keine Sexualaufklärung vor, hingegen, dass die Kinder Verständnis für die Verschiedenartigkeit der Geschlechter entwickeln, über den eigenen Körper selbstbewusst bestimmen lernen und sich auch vor Übergriffen schützen können sollten. Der Regierungsrat nimmt zum Unterrichtsinhalt von Volksschulen anderer Kantone nicht Stellung. Zu Frage 2: Wie gesagt, wird der Lehrplan 21 der deutschsprachigen Kantone erst erarbeitet. Welche Rolle die Sexualpädagogik in diesem Lehrplan spielen wird, kann ich heute noch nicht sagen, weil es noch nicht bestimmt ist. Zu Frage 3: Die Erziehungsdirektion beabsichtigt nicht, im Kindergarten Sexualkundeunterricht einzuführen. Der Regierungsrat geht davon aus, dass auch mit der Umsetzung des Lehrplans 21 im Kindergarten keine Sexualaufklärung eingeführt wird. Frage 14 Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV) Für eine Schule ohne Ausschlusskriterien Die SVP Schweiz hat kürzlich ein bildungspolitisches Grundlagenpapier erarbeitet, das aufzeigt, wie die ideale Schule auszusehen hat. Behinderte, schwierige und weniger begabte Schülerinnen und Schüler sollen in Sonderklassen abgeschoben werden (um die besseren Schüler nicht zu bremsen), und auch ausländische Kinder, die die Amtssprache nicht ausreichend beherrschen, sollen nicht in Regelklassen integriert werden. Die SVP will so der angeblich links gesteuerten Schule den Kampf ansagen. Angesichts der drohenden Gefahr einer rückwärtsgerichteten Schule wird der Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Hat er vor, auf diesen Versuch, Ausschlusskriterien einzuführen, zu reagieren? 2. Ist er bereit, die in der Verfassung und in der Gesetzgebung verankerten Bildungswerte mit Überzeugung vor populistischen und verleumderischen Bestrebungen zu schützen? 3. Wird er sich resolut dafür einsetzen, eine Schule zu verteidigen und zu fördern, die auf dem Grundsatz der Erziehbarkeit beruht und die entschlossen ist, die Chancenungleichheiten zu korrigieren? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Les programmes des différents partis politiques ont pour objectif d alimenter le débat public, d interpeller le citoyen, de mettre en perspective les valeurs du parti, avec une argumentation acceptable ou non pour une majorité. Pour le gouvernement, dont l action exécutive s inscrit dans le cadre des bases légales en vigueur, un tel programme de parti n a pas de caractère contraignant. D autre part, c est au parlement ou au souverain qu il revient de légiférer. C est pour cette raison que le Conseil-exécutif ne prend pas position sur des manifestes de partis politiques, mais il va de soi que le gouvernement défend toujours avec conviction les valeurs affirmées par la Constitution et les lois cantonales et cherche à communiquer de manière transparente et non partisane. Frage 24 Erich Hess, Bern (SVP) Sind Lehrkräfte, die Schüler politisch instrumentalisieren, noch tragbar? Lehrkräfte beteiligen sich an illegalen Anti-AKW- Demonstrationen und instrumentalisieren dabei noch Schülerinnen und Schüler. Aus diesem Grund möchte ich vom Regierungsrat wissen: 1. Wie steht der Regierungsrat zur Tatsache, dass Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler für politische Zwecke instrumentalisieren?

206 Fragestunde 15. Juni 2011 Morgen Sind Lehrkräfte, welche die Schüler politisch instrumentalisieren und somit nicht mehr neutral sind, für den Regierungsrat noch tragbar, bzw. was sind die Konsequenzen? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Gemäss Kantonsverfassung sind die Lehrkräfte zu politisch neutralem Unterricht verpflichtet. Anderseits ist die politische Bildung Teilgebiet des Lehrplans der Volksschule. Durch die Arbeit mit verschiedenen Informationsquellen sollen sich die Schülerinnen und Schüler eine eigene Meinung bilden und andere Auffassungen verstehen können. Auch die Lehrpersonen sollen im Unterricht, ohne zu manipulieren, zu ihrer politischen Meinung stehen dürfen. Zu Frage 2: Der Regierungsrat ist nicht für die Personalführung der Lehrpersonen zuständig. Denjenigen, die politisch nicht neutral unterrichten, können die Anstellungsbehörden, also die Schulkommissionen oder die Schulleitungen, Verweise erteilen. Frage 25 Erich Hess, Bern (SVP) Was geschieht mit Lehrkräften, die während der Arbeitszeit an illegalen Demos teilnehmen? Lehrkräfte beteiligen sich an illegalen Anti-AKW- Demonstrationen und instrumentalisieren dabei noch Schülerinnen und Schüler. Aus diesem Grund möchte ich vom Regierungsrat wissen: 1. Was meint der Regierungsrat dazu, dass sich Lehrkräfte während der Arbeitszeit an illegalen Demonstrationen beteiligen anstatt die Schüler zu unterrichten? 2. Wie viele Gesuche für Ferienhalbtage wurden wenn überhaupt eingereicht, um an der Demonstration teilnehmen zu können? Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor. Zu Frage 1: Dem Regierungsrat sind keine Lehrpersonen bekannt, die an Anti- AKW-Demonstrationen teilnahmen anstatt zu unterrichten. Die Anstellungsbehörden der Gemeinden Schulkommissionen und Schulleitungen können unbezahlte Urlaube bewilligen, wobei die Bedürfnisse der Schule zu berücksichtigen sind. Zu Frage 2: Dem Regierungsrat ist nicht bekannt, ob solche Gesuche eingereicht oder ob unbezahlte Urlaube für die Teilnahme an Demonstrationen bewilligt wurden. Wird die Unterrichtsverpflichtung nicht eingehalten, können die Anstellungsbehörden Verweise erteilen. Frage 6 Peter Bonsack, Kallnach (EDU) Verwendung von Holz aus Wäldern zum Heizen In den Berner Wäldern liegt sehr viel Holz einfach herum. Dies kann bei so grossen Trockenheiten, wie wir sie diesen Frühling erlebten, sehr gefährlich werden, indem im Brandfall das herumliegende trockene Holz als Brandbeschleuniger dienen würde. Fragen 1. Wäre der Regierungsrat bereit, das Holz zu Heizzwecken häckseln zu lassen? 2. Die Arbeit könnte eventuell durch ein Arbeitslosenprogramm erledigt werden. Wäre der Regierungsrat bereit, dies zu fördern? Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Zu Frage 1: Nein, das Holz im Wald gehört den Waldeigentümerinnen und -eigentümern. Deshalb kann der Regierungsrat nicht darüber verfügen. Zu Frage 2: Ebenfalls nein; die Programme der Arbeitslosenversicherung beabsichtigen, die Integration arbeitsloser Personen in den Arbeitsmarkt zu fördern. Darum können solche Arbeiten nicht im Rahmen eines Arbeitslosenprogramms erledigt werden. Frage 10 Anita Herren-Brauen, Rosshäusern, (BDP) Betriebsdatenerfassung GELAN Ab Herbst 2011 müssen alle Landwirte ihre Daten per Internet erfassen und übermitteln. Vorher wurde dies per Hand über die Ackerbaustellenleiter ans LANAT übermittelt und dort von Studenten oder Bürofachkräften erfasst. Durch diese Änderung stellen sich nun für mich folgende Fragen: 1. Was geschieht mit diesen Angestellten, wenn ihre Arbeit wegrationalisiert wurde? 2. Werden dadurch Lohnkosten eingespart, wenn ja wie viel? 3. Wer kontrolliert jetzt die Maildaten, und was kosten diese Kontrollen? Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Es ist vorgesehen, die landwirtschaftlichen Betriebsdaten für die Direktzahlungen ab Herbst 2011 elektronisch zu erfassen. Die zwei im letzten Herbst und diesen Frühling durchgeführten Pilotversuche bei rund 1000 Betrieben zeigten, dass die meisten Betriebsleitenden ihre Daten problemlos selbst erfassen können. Zudem praktizieren unter anderen die Kantone Zürich und Luzern seit mehreren Jahren eine solche Lösung und machten damit gute Erfahrungen. Zu Frage 1: Im Rahmen der Neuorganisation wird eine halbe Stelle abgebaut; die jetzt besetzten temporären Stellen werden im Rahmen anderer Projekte benötigt. Zu Frage 2: Die Einsparungen machen rund Franken aus. Zu Frage 3: Die Daten werden wie bisher durch die Leitenden der Erhebungsstellen und anschliessend durch die Fachabteilung kontrolliert. Die Kontrollkosten bleiben deshalb etwa gleich hoch wie heute. Durch die elektronische Erfassung kann aber die Qualität der Daten erhöht werden, weil Fehler bei der Übertragung vom Formular in die Datenbank entfallen. Frage 16 Jakob Etter, Treiten (BDP) Zweiter Bericht des Regierungsrats an den Grossen Rat über die Aussenbeziehungen des Kantons Bern Zum zweiten Bericht des Regierungsrats an den Grossen Rat über die Aussenbeziehungen des Kantons Bern vom 16. März 2011 stellen sich folgende Fragen: Seite 49: Absatz 3 VOL «Die Verhandlungen über ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU sind von grosser Bedeutung für die Ernährungswirtschaft des Kantons Bern.» 1. Welche Bedeutung misst der Regierungsrat einem Agrarfreihandelsabkommen mit der EU für die Ernährungswirtschaft des Kantons Bern bei? 2. Welche Vor- und Nachteile sieht der Regierungsrat für die Ernährungswirtschaft des Kantons Bern bei einem Abbruch der Verhandlungen mit der EU über ein Agrarfreihandelsabkommen?

207 Juni 2011 Morgen Fragestunde Seite 98: 3. Abschnitt, 5. Spalte VOL / GEF «eine qualifizierte Mehrheit der Kantone spricht sich aufgrund des Landwirtschaftsbereichs gegen Verhandlungen aus (BE dafür)» 3. Aufgrund welcher Fakten kommt die Regierung zu diesem Schluss, nachdem sich der Grosse Rat am 14. September 2010 mit einer klaren Mehrheit gegen ein EU Agrarfreihandelsabkommen bzw. für dessen Abbruch ausgesprochen hat? Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Grundsätzlich verweist der Regierungsrat auf seine Antworten auf die Vorstösse Freiburghaus vom 4. März 2009 und vom 10. März Darin brachte er klar zum Ausdruck, dass für ihn ein Freihandelsabkommen mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich nur dann in Frage kommt, wenn durch Begleitmassnahmen und Übergangsfristen die Sozial- und Umweltverträglichkeit sichergestellt werden kann. Deshalb begrüsste der Regierungsrat die Aufnahme der Verhandlungen mit der EU, behielt sich aber eine eingehende Prüfung des Resultats vor. Zu Frage 1: Die Bedeutung liegt vorweg in den verbesserten Exportchancen, namentlich für Produkte hoher Qualität. Heute bestehen für verschiedene Lebensmittel komplizierte Import- und Exportregimes. Wegen des Zollschutzes für landwirtschaftliche Produkte liegen die Schweizer Rohstoffpreise deutlich über dem EU-Niveau. Das verhindert eine exportorientierte Ernährungswirtschaft im Kanton Bern. Durch eine massvolle Integration des Agrar- und Lebensmittelsektors in den EU-Binnenmarkt würde sich der Spielraum für die Ernährungswirtschaft verbessern. Zu Frage 2: Ein gewichtiger Nachteil wäre der geringere Spielraum für den Export. Kurzfristig könnte sich für die Schweizer Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeitung der ersten Stufe der Status quo aber als vorteilhaft erweisen. Allerdings wird im Agrar- und Lebensmittelbereich die Marktöffnung auch ohne Freihandelsabkommen mit der EU weiter voranschreiten. Ein Abwarten könnte sich deshalb mittel- und langfristig eher kontraproduktiv auswirken. Die Frage 3 bezieht sich auf die Tabelle mit den wichtigen Geschäften der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). Die Erhebung für diese Tabelle basiert auf den Einschätzungen des Dienstes für Aussenbeziehungen der Staatskanzlei und erstreckt sich vom 1. Oktober 2007 bis am 30. September Gemäss dem Konzept der Staatskanzlei werden nur Aktivitäten der KdK und die verabschiedeten Stellungnahmen des Regierungsrats bewertet. Da sich die KdK zwischen dem 14. und dem 30. September 2010 nicht mit diesem Geschäft befasste, konnte der Regierungsrat den Beschluss des Grossen Rats vom 14. September gegenüber der KdK nicht zum Ausdruck bringen. Gemäss dem Konzept der Staatskanzlei wurde er daher in dieser Tabelle für die Auswertung nicht berücksichtigt. Hingegen informierte der Regierungsrat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 über die Haltung des Grossen Rates des Kantons Bern. Frage 17 Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) Gleiches Recht für alle? Seit bald zwei Jahren sind im Kanton Bern die rechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung ist mit der Regelung zufrieden und geniesst die rauchfreien Innenräume. Auch die meisten Betreiberinnen und Betreiber von öffentlich zugänglichen Lokalen haben sich mit den neuen Rahmenbedingungen arrangiert. Leider gibt es aber im Kanton noch einzelne Betriebe, die mit der Umsetzung Mühe bekunden oder die rechtlichen Vorgaben bewusst missachten. Dazu gehört offenbar auch der Gaskessel in Biel. Die Einhaltung des Gesetzes haben die Gemeinden zu kontrollieren. Strafurteile sind der Volkswirtschaftsdirektion mitzuteilen. Fragen: 1. Wie viele Strafurteile wurden der Volkswirtschaftsdirektion seit dem 1. Juli 2009 je Halbjahr gemeldet? 2. Welche noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten stehen der Volkswirtschaftsdirektion offen, um die Gemeinden bei ihrer Kontrollaufgabe zu unterstützen? 3. Welche Massnahmen sind möglich, um auch in Lokalen, wie dem Gaskessel in Biel, den Passivrauchschutz zu gewährleisten? Andreas Rickenbacher, Volkswirtschaftsdirektor. Sowohl im Gastgewerbe als auch in den übrigen öffentlich zugänglichen Innenräumen hat sich die Vorschrift zum Schutz vor dem Passivrauchen im Kanton Bern gut eingespielt. Probleme gibt es nur in Einzelfällen. Zu Frage 1: Es liegen noch keine Strafurteile wegen Widerhandlung gegen das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen (PMG) vor. Solche sind der Volkswirtschaftsdirektion zu melden. Keine Information hat sie aber über Strafurteile zu den entsprechenden Bestimmungen im Gastgewerbegesetz, weil diese nur den zuständigen Regierungsstatthalterämtern zu melden sind. Zu Frage 2: Die Volkswirtschaftsdirektion berät die Gemeinden bei der Umsetzung des PMG. Dieses sieht aber keine weiteren Massnahmen zur Durchsetzung des Rauchverbots vor; deshalb gibt es in diesem Bereich keine zusätzlichen Möglichkeiten zur Unterstützung der Gemeinden. Zu Frage 3: Der Gaskessel in Biel gilt als öffentlich zugänglicher Innenraum. Der Regierungsstatthalter machte im Dezember 2010 die Stadt Biel auf das Problem aufmerksam. Sie sucht gegenwärtig mit den Betreibern nach einer Lösung. Frage 15 Marianne Schenk-Anderegg, Schüpfen (BDP) Verkehrsberuhigungsmassnahme Kantonsstrasse Meikirch Aarberg Auf der Kantonsstrasse Meikirch Aarberg wurden beim Alters- und Pflegheim Frienisberg Verkehrsberuhigungsmassnahmen mit Verkehrsinseln getroffen. Die Hindernisse wurden so gesetzt, dass grosse Fahrzeuge wie der Gelenkautobus nicht mehr auf der rechten Fahrseite die Insel passieren konnten und auf die andere Strassenseite ausweichen mussten. In der Folge mussten die Verkehrsinseln wieder verschoben und neu gesetzt werden (Ausführung der Inseln mit Kopfsteinpflaster). Fragen 1. Werden Planungen im Strassenbau nicht von mehreren Fachpersonen begutachtet? 2. Wer trägt bei solchen Falschausführungen die Verantwortung? 3. Wer kommt für den Mehraufwand an Kosten auf? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Hier geht es um zwei Verkehrsinseln. Die Verkehrsinsel in der südlichen Eingangspforte zum Frienisberg befand sich im Bau, als der Winter einbrach und die Arbeiten unterbrochen werden mussten. Darum war der damalige Bauzustand für

208 Fragestunde 15. Juni 2011 Morgen 647 grosse Fahrzeuge während dreier Monate leider sehr unbefriedigend. Zu Frage 1: Strassenbauprojekte werden von mandatierten externen Fachleuten ausgearbeitet und vom Auftraggeber, dem Tiefbauamt des Kantons Bern, beurteilt und im Strassenplanverfahren diversen Fachstellen zur Prüfung unterbreitet. Das gewährleistet eine möglichst hohe Qualität der Strassenbauvorhaben. Trotzdem passierte bei der Verkehrsinsel in der Abzweigung nach Schüpfen leider ein Fehler. Zu Frage 2: Im vorliegenden Fall trägt ganz klar der externe mandatierte Projektverfasser die Verantwortung, die er denn auch übernahm. Zu Frage 3: Der externe Projektverfasser übernahm die Kosten der Bauarbeiten für die Verschiebung, den Abbruch und Neubau der Verkehrsinsel. Frage 18 Andreas Hofmann, Bern (SP) Stand der Planung eines neuen Gebäudes für die Polizeiverwaltung? Offenbar möchte der Kanton die Polizeiverwaltung im hinteren Schermen konzentrieren. Es gibt aber auch Leute, die «aus zuverlässiger Quelle» erfahren haben, das Projekt sei so gut wie gestorben. Es gibt auch Kreise, die auf dem gleichen Terrain lieber eine Wohnsiedlung hätten. Die Lage ist etwas unübersichtlich, deshalb folgende Frage: Welches ist der aktuelle Stand der Planung eines neuen Gebäudes für die Polizeiverwaltung? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Die Planung für den Neubau eines Polizeizentrums auf dem Areal Hinterer Schermen in Bern ist zurzeit aus finanziellen Gründen sistiert. Ob und in welchem Umfang es mit dem Geschäft weitergeht, hängt von der Priorisierung der verfügbaren finanziellen Mittel ab. Eine Wohnsiedlung widerspricht dem geltenden Zonenplan der Stadt Bern und dem gültigen Richtplan ESP Wankdorf. Frage 19 Andreas Hofmann, Bern (SP) Gefahren für das Abklingbecken des AKW Mühleberg Die vielen Vorstösse zuhanden der Sondersession im Juni 2011 enthalten viele Annahmen, unter welchen das AKW Mühleberg eine Gefährdung für die Menschen darstellen könnte. Ein wichtiges System, das sich in Fukushima als störungsanfällig erwiesen hatte, ging dabei leider vergessen: das Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe. Die folgenden Fragen sollten auch diese Lücke noch schliessen: 1. Wie steht es um die Sicherheit des Abklingbeckens im Falle eines Flugzeugabsturzes? 2. Wie steht es um die Sicherheit des Abklingbeckens im Falle eines stärkeren Erdbebens als das, auf welches das AKW ausgelegt ist? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Der Regierungsrat ist nicht in der Lage, diese sicherheitstechnischen Fragen selbst zu beantworten. Die Antwort, die ich Ihnen jetzt erteile, stammt von der BKW. Zu Frage 1: Nach der Rückmeldung der BKW bestätigte 2003 die HSK, heute ENSI, dass die Kühlung des Brennelementlagerbeckens im Atomkraftwerk Mühleberg bei einem Flugzeugabsturz auch unter Störfallbedingungen gewährleistet sei, weil die Brennelemente in diesem Becken aus Strahlenschutzgründen tief gelagert sind und eine zirka fünf Meter starke Wasserüberdeckung haben. Der Schutz der Schweizer Kernkraftwerke bei Flugzeugabstürzen wird im Rahmen des EU- Stresstests, an dem die Schweiz teilnehmen wird, einer erneuten detaillierten Überprüfung unterzogen. Zu Frage 2: Die BKW antwortete dem ENSI im Rahmen der nach Fukushima angeordneten Sicherheitsüberprüfung wie folgt: «Die aktuell vorliegenden, sehr detaillierten und sehr aufwändigen Analysen der Erdbebenfestigkeit zeigen, dass das Reaktorgebäude und die dazu gehörenden Strukturen sowie das gesamte Notstandsystem SUSAN (Spezielles Unabhängiges System zur Abfuhr der Nachzerfallswärme) den Belastungen, die aus den Gefährdungsannahmen des Pegasus-Projekts abgeleitet wurden, standhalten kann. Diese Aussage schliesst das Brennelementbecken, das sich ebenfalls im Reaktorgebäude befindet, ein. Ein ausreichender Schutz des Brennelementbeckens gegen Erdbeben ist sichergestellt.» In seiner Verfügung vom 3. Mai 2011 gelangt das ENSI zum Schluss, die Angaben des Kernkraftwerks Mühleberg zu den internen und externen Einwirkungen auf das Brennelementbecken seien plausibel und nachvollziehbar. Im Sinn der Umsetzung der Grundsätze zur nuklearen Sicherheit forderte das ENSI aber trotzdem von den Betreibern der Atomkraftwerke eine vertiefte Überprüfung der Erdbeben- und Überflutungsrisiken sowie Konzepte für allfällige Nachrüstungsmassnahmen. Die BKW wird diesen Forderungen innert der gesetzten Frist nachkommen. Frage 21 Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts) Inertstoffdeponie in Grandval In Plain Journal, südlich von Grandval, könnte eine Inertstoffdeponie mit einer Kapazität von m 3 entstehen. Der Standort ist im «Regionalen Richtplan Abbau und Deponie» als Inertstoffdeponiestandort von lokaler Bedeutung verzeichnet. Fragen: 1. Warum hat man nicht vom Bau der A16 profitiert und im Tal von Tavannes nach einem zentraler gelegenen Standort gesucht? 2. Ist man angesichts des Materialvolumens, das in den nächsten 30 Jahren deponiert werden soll, in diesem Gebiet gegen grössere Erdrutsche gefeit? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Question 1. La vallée de Tavannes dispose depuis les années 90 d une décharge pour matériaux inertes à Tavannes. Celle-ci est toutefois bientôt comblée. En outre, une décharge en rapport avec l A16 a été aménagée à Chaluet. Pour des raisons de protection des eaux, seuls des matériaux d excavation provenant des chantiers autoroutiers peuvent y être déposés. La région de Moutier, quant à elle, est en manque cruel de volume de stockage pour matériaux inertes depuis des années. L aménagement d une décharge à Grandval comblerait ce déficit. Question 2. Les études géologiques effectuées sur le site de Plain Journal ont démontré que le stockage de matériaux inertes ne présentait pas de risques quant à un glissement de terrain.

209 Juni 2011 Morgen Fragestunde Frage 23 Nadine Masshardt, Langenthal (SP) BKW Energie AG: Was ändert sich mit der Holding-Struktur für den Kanton Bern? BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche hat an der Generalversammlung vom 13. Mai 2011 in Bern bekanntgegeben, dass die BKW dem Unternehmen per Anfang 2012 eine Holding-Struktur geben will. Fragen: 1. Hat die Wandlung der BKW Energie AG in eine Holding- Struktur Auswirkungen auf den Kanton Bern? 2. Falls ja, welche? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Der Kanton Bern wird neu Mehrheitsaktionär der BKW Holding AG anstatt der BKW FMB Energie AG. Die beiden Kantonsvertretungen werden im Verwaltungsrat der BKW Holding AG Einsitz nehmen. Durch die Überführung in die Holding- Struktur bleibt die Entscheidungskompetenz des Exekutivgremiums die gleiche. Die Holding-Struktur verleiht der BKW allerdings mehr Flexibilität. Das bedeutet beispielsweise, dass sie in den einzelnen Bereichen allianzfähiger wird. So kann sie auf der Ebene von Tochtergesellschaften allenfalls Partnerschaften eingehen. Frage 27 Adrian Wüthrich, Huttwil (SP) Führt das geplante neue Trassenpreissystem zu einem ÖV-Abbau? Bis am 17. Juni ist das neue Trassenpreissystem des Bundes in der Anhörung. Kurz zusammengefasst sollen der Güterverkehr entlastet und der Personenverkehr belastet werden. Dies führt zu einer Verteuerung des regionalen Personenverkehrs (RPV), der massgeblich durch die Kantone finanziert wird. Die Auswirkungen auf den Kanton Bern in finanzieller Hinsicht werden auf Seite 19 der Anhörungsunterlagen dargelegt. Netto wird der Kanton Bern zusammen mit den Gemeinden um 5 Mio. Franken mehr belastet. Aufgrund dieser Aussichten gelange ich mit folgenden Fragen an den Regierungsrat: 1. Unterstützt der Regierungsrat das neue Trassenpreissystem des Bundes? 2. Wie wird der Regierungsrat die wahrscheinlichen Mehrkosten von 5 Mio. Franken finanzieren? 3. Ist ein Abbau beim öffentlichen Verkehr aufgrund dieser Mehrbelastung zu befürchten? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Zu Frage 1: Die neu vorgeschlagene Trassenpreisberechnung des Bundes trägt dem Bestreben nach ressourcenschonender Benutzung der Infrastruktur Rechnung. Grundsätzlich unterstützt der Regierungsrat diese Stossrichtung, wehrt sich aber gegen die im Bundesvorschlag enthaltene Lastenverschiebung im bestellten Regionalverkehr auf die Kantone. Zu Frage 2: Im Finanzplan sind zurzeit keine Mittel für die Abdeckung der Trassenpreiserhöhung ab 2013 vorgesehen. Allfällige Mehrkosten auf den Linien des abgeltungsberechtigten Regionalverkehrs müssen zwingend kompensiert werden. Deshalb fordert der Regierungsrat in seiner Stellungnahme, dass der Bund die Mehrkosten im regionalen Personenverkehr über eine entsprechende Erhöhung des Bundesanteils bei den Abgeltungen ausgleiche. Zu Frage 3: Nein. Frage 29 Markus Grossen, Reichenbach (EVP) Kreditgeschäft Umfahrung Wilderswil Zum Kreditgeschäft Umfahrungsstrasse Wilderswil, das vom Grossen Rat 2010 bewilligt wurde, bitte ich den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Können die in der Presse vom 25. Mai 2011 erwähnten Gesamtkosten von 76 Mio. Franken bestätigt werden? 2. Welche Gründe führen zu den Mehrkosten von fast 30 Mio., welche schon im Vorfeld eine Kostenüberschreitung von ca. 50 Prozent auslösen? 3. Ab welcher prozentualen Kostenüberschreitung, die von Baubeginn an festgestellt wird, müssen Kreditgeschäfte erneut dem Grossen Rat zur Genehmigung vorgelegt werden? Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Zu Frage 1: Die aktuelle Schätzung für die Realisierung der geplanten Umfahrungsstrasse von Wilderswil geht von rund 76 Mio. Franken aus. Das für das Berner Oberland sehr wichtige Projekt steckt aber erst in der Planung. Es bestehen also weder ein Bauprojekt noch eine definitive Kostenschätzung. Dem gegenüber bewilligte der Grosse Rat 2009 einen Projektierungskredit von 2,9 Mio. Franken, der die Projektierungskosten decken wird. Zu Frage 2: Bei einer ersten Kostenschätzung aus dem Jahr 2002, vor also neun Jahren, aufgrund unvollständiger und ganz grober Schätzungen ging man von rund 46 Mio. Franken aus. Nach der Projektierung liegen nun erstmals verlässlichere und auch höhere Zahlen vor. Weil der Grosse Rat aber bisher keinen Baukredit bewilligte, handelt es sich dabei weder um Mehrkosten noch um eine Kostenüberschreitung. Definitive Kostenschätzungen werden aus heutiger Sicht nicht vor 2018 erst mit dem Antrag für den Baukredit vorliegen. Zu Frage 3: Bei Baukrediten muss beim zuständigen Organ sofort ein Zusatzkredit beantragt werden, wenn absehbar wird, dass der bewilligte Kredit nicht ausreicht. Weil für die Umfahrungsstrasse von Wilderswil noch gar kein Baukredit und deshalb keine Mehrkosten und Kostenüberschreitungen vorliegen können, erübrigt sich die Frage im Zusammenhang mit diesem Projekt. Frage 26 Irma Hirschi, Moutier (PSA) Hat der jurassische Nationalrat Dominique Baettig ein bernisches Visum erhalten? Nationalrat Dominique Baettig (JU) wird am kommenden 24. Juni an einem politischen Anlass der SVP Berner Jura teilnehmen. In ihrer Antwort auf meine Interpellation (I 016/11) schrieb die Regierung, «dass es in bestimmten Konstellationen Regeln der interkantonalen Courtoisie gebe, deren Einhaltung bedenkenswert sei» und «dies gilt insbesondere im jurapolitischen Kontext». Diese Antwort erfolgte im Anschluss an die Äusserungen von Regierungsrat Bernhard Pulver, der am Abend der letzten Gemeindewahlen die Anwesenheit von Staatsrätin Baume-Schneider in Moutier bedauert hatte. Fragen: 1. Löst die Anwesenheit eines SVP-Nationalrats an einem politischen Anlass im Berner Jura bei der Kantonsregierung und insbesondere bei Regierungsrat Pulver dieselbe Empörung aus wie jene einer jurassischen Staatsrätin in Moutier?

210 Fragestunde 15. Juni 2011 Morgen Regierungsrat Pulver war der Meinung gewesen, dass eine (politische) Reaktion auf Staatsrätin Baume- Schneiders Anwesenheit in Moutier gerechtfertigt wäre. Ist die Kantonsregierung der Auffassung, dass die Anwesenheit von Nationalrat Baettig an einem politischen Anlass im Berner Jura ebenfalls eine politische Reaktion rechtfertigen würde? 3. Hat Nationalrat Baettig die Kantonsregierung oder Regierungsrat Pulver um eine Bewilligung oder ein Visum ersucht? Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. L interpellation à laquelle Mme la députée Irma Hirschi se réfère avait pour objet le comportement de membres d exécutifs cantonaux. La situation est évidemment différente dès lors qu il s agit de membres des Chambres fédérales, si bien que le Conseil-exécutif répond par la négative aux trois questions. Frage 9 Elisabeth Zäch, Burgdorf (SP) Kennzahlen des RSE im Vergleich zu andern Regionalspitälern Das Regionalspital Emmental ist nach der Krise im Jahr 2007 wieder bestens auf Kurs, hat an Fällen zugelegt und seine Fallkosten massiv gesenkt um rund 8 Prozent auf 9200 Franken. Ausserdem schloss es 2010 mit einem Plus von Franken ab. Der Verwaltungsrat des RSE hat diese anhaltende positive Entwicklung mit seinem Schreiben vom 3. März 2011 bei Regierungsrat Perrenoud deponiert. Umso unverständlicher ist der Entscheid der Regierung, der Teilerneuerung des RSE keine Gelder zur Verfügung zu stellen. Fragen: 1. Wie präsentieren sich die vergleichbaren Fallkostenzahlen der andern Regionalspitäler? 2. Welche Jahresabschlüsse erzielten sie? 3. Bekam der gesamte Regierungsrat Kenntnis des Briefes vom 3. März und dessen Inhalts? Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. Question 1. Pour l année 2010, les coûts par patient des centres hospitaliers régionaux bernois varient de 9023 à francs, la valeur moyenne se montant à 9510 francs. Avec 9237 francs, l Hôpital régional d Emmental occupe la troisième place. Quant aux revenus moyens des centres, ils oscillent entre 5522 et 4742 francs. L Hôpital d Emmental affiche les recettes les plus basses. Il est vrai qu il connaît un nouvel essor depuis 2007 et que le nombre de patients traités a augmenté de 7 pour cent entre 2007 et Ma Direction estime cependant préoccupant que seuls 49 pour cent de la population de l Emmental se soient fait soigner dans l un des établissements de cet hôpital en En terme de fidélité aux sites hospitaliers locaux, il s agit du pourcentage le plus faible dans l ensemble du canton. Question 2. En ce qui concerne le rendement sur chiffre d affaires, c est-à-dire le bénéfice exprimé en pour-cent de ce chiffre, il est généralement modeste. Les gains des centres hospitaliers régionaux bernois se situent entre 0 et 1,3 million de francs en Ceux de l Hôpital régional d Emmental se montent à francs, ce qui correspond à un rendement sur chiffre d affaires de 0,55 pour cent. En 2009, ils avaient atteint francs et en francs, soit un rendement respectif de 0,87 et 0,96 pour cent. Question 3. Non. La lettre était adressée à mon nom. Frage 22 Hannes Zaugg-Graf, Uetendorf (SP) Alters- und Pflegefinanzierung Bis anhin wurden jeweils 2/3 des Nettobetrages (Lastenanteil/Rückerstattung) des Vorjahres als Akontozahlung ausbezahlt bzw. eingefordert. Dieser Prozess wurde auch dieses Jahr beibehalten, obschon per 1. Januar 2011 die Finanzströme neu geregelt wurden. Gerade bei Gemeinden mit Heimen werden so zum Teil massiv zu hohe Akontozahlungen geleistet, die sich erst in einem Jahr wieder korrigieren. Fragen: 1. Ist es richtig, dass diese Zahlungen als zinslose Darlehen an die Gemeinden zu betrachten sind und nicht plötzlich Forderungen des Kantons diesbezüglich auftauchen? 2. Wäre es in Anbetracht der finanziellen Lage des Kantons nicht sinnvoller, bei derart gehaltvollen Änderungen der Finanzströme vorher Überlegungen zu den neuen Prozessen zu machen, damit der Kanton nicht noch Bank spielt? Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. Question 1. Selon l ordonnance sur la péréquation financière et la compensation des charges, il ne s agit pas de prêts sans intérêt, mais d acomptes. Le canton n a donc aucune créance à faire valoir dessus. Question 2. L ordonnance sur la péréquation financière et la compensation des charges règle aussi les modalités du versement des acomptes à l article 18, alinéa 2: «Les acomptes sont versés à la fin du mois de juin au plus tard sur les avoirs prévisionnels des communes ou les créances prévisionnelles du canton résultant du décompte de la compensation des charges de l aide sociale pour l année en cours. Ils représentent au maximum deux tiers du dernier avoir ou de la dernière créance. Le calcul de l avoir ou de la créance incombe à l Office des affaires sociales». Autrement dit, pour fixer le montant des acomptes, l Office des affaires sociales se fonde sur le décompte de l exercice précédent. Pour la première année d exploitation, les communes n avaient pas reçu d avances. Si elles en reçoivent pour la dernière année d exploitation, alors qu elles n ont aucun préfinancement à opérer, les charges d intérêt vont se compenser. La procédure comme le montant des acomptes, au maximum les deux tiers du dernier avoir ou de la dernière créance, constitue une pratique établie de longue date, d entente entre le canton et les communes. Frage 28 Melanie Beutler-Hohenberger, Mühlethurnen (EVP) Suchttherapieplätze gefährdet 1. Ist der Regierungsrat darüber informiert, dass die kantonale Gesundheits- und Fürsorgedirektion der Fachklinik für Drogenentzug «Marchstei» die Bewilligung von zusätzlichen Behandlungsplätzen nicht gewährte? 2. und so die Existenz dieser bewährten Klinik im Rahmen der zukünftigen Spitalfinanzierung gefährdet? Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. Le programme de la Clinique Marchstein est du ressort de la Direction de la santé et de la prévoyance

211 Juni 2011 Morgen Fragestunde sociale, dont le directeur que je suis est informé chaque année des prestations commandées. Je suis au fait de la fermeture de cette institution. La Clinique Marchstein est l une des trois cliniques spécialisées de Berne qui proposent le sevrage des toxicomanes. Elle bénéficie d un contrat de prestations de la SAP, qui prévoit trois places de désintoxication, alors qu il y en a 15 à la Clinique Südhang et 16 à Selhofen. Une si petite institution n est pas rentable. Plusieurs options ont été envisagées pour Marchstein, soit la fusionner avec une autre clinique, soit l annexer à une institution de jeunesse. Cela n a malheureusement pas été possible, l orientation chrétienne de l institution devant être préservée. A mon avis, il n est pas possible d envisager, lors de sevrage tout au moins, que le délai d attente des trois cliniques ne dépasse pas les quinze jours convenus. La révision de la LaMal et celle de la loi bernoise sur les soins hospitaliers ont resserré les conditions d exploitation auxquelles il faut satisfaire pour figurer sur la liste cantonale des établissements répertoriés. Exploiter une situation comme Marchstein à un tel contexte n est aujourd hui plus possible pour des raisons économiques. aber der Umbau vor zwei, drei Jahren durchgeführt worden, hätte auch das Gericht vor dem Umzug per 1. Januar 2011 an seinen definitiven Standort noch in ein Provisorium und nachher zurück nach Saanen ziehen müssen. Weil bei einem früheren Umbau insgesamt mehr Personen von einem Umzug betroffen gewesen wären, hätte man dafür mit höheren Gesamtkosten rechnen müssen. Zu Frage 2: Für den Umzug von Mobiliar, Archiv und Informatikmitteln des Regierungsstatthalteramts Obersimmental- Saanen von Saanen nach Blankenburg kosteten die Leistungen einer Umzugsfirma rund 6000 Franken. Im Herbst dieses Jahres ist beim Wiedereinzug ins Amthaus Saaanen nochmals mit vergleichbaren Kosten zu rechnen. Für die Planungsarbeiten eines externen Dienstleisters, die Layout- Planung Blankenburg, die Besprechung von Planung / Umzug Saanen nach Blankenburg mit Nutzer vor Ort, Koordination mit Umzugsfirmen und so weiter belaufen sich die Kosten auf 4700 Franken. Für die Planung des Wiedereinzugs in Saanen rechnen wir mit tieferen Kosten eines externen Dienstleisters. In Blankenburg entstehen keine Mietkosten, weil das Gebäude dem Kanton Bern gehört. Frage 12 Thomas Knutti, Weissenburg (SVP) Regierungstatthalteramt Obersimmental-Saanenland Wegen dem Umbau im Amtshaus Saanen muss das Regierungsstatthalteramt für sechs Monate verlegt werden. Fragen: 1. Wieso wurde der Umbau nicht vor dem Zusammenschluss der beiden Regierungstatthalterämter Obersimmental und Saanen getätigt? 2. Was kostet der ganze Umzug für sechs Monate den Kanton Bern? Christoph Neuhaus, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor. Zu Frage 1: Vor der Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung beziehungsweise der Justizreform waren im Amthaus in Saanen der Gerichtskreis XIII Obersimmental-Saanen und das Regierungsstatthalteramt Saanen untergebracht. Im Rahmen der Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung per 1. Januar 2010 wurde dort das Regierungsstatthalteramt Simmental-Saanen untergebracht. Hätte man das Amthaus in Saanen vor dem 1. Januar 2010 umgebaut, hätte dies bedeutet, dass sowohl die Mitarbeitenden des damaligen Regierungsstatthalteramts Saanen als auch diejenigen des Gerichtskreises XIII für bestimmte Zeit hätten an einen anderen Ort verlegt werden müssen. Aus Kostengründen beschloss man, mit dem Umbau zuzuwarten, bis das Gericht im Rahmen der Justizreform auf den 1. Januar dieses Jahres am neuen Standort untergebracht sein würde. Weiter ist das Gericht für seine Tätigkeit zwingend auf einen Gerichtssaal angewiesen. Hätte man die Sanierung des Amthauses in Saanen noch vor dem Umzug des Gerichts in Angriff genommen, hätte man bis zum Wegzug per 1. Januar 2011 zumindest noch provisorisch einen Gerichtssaal bereitstellen müssen. Weiter hatte man ursprünglich geplant, das Regierungsstatthalteramt während der erwähnten Sanierungsarbeiten im Amthaus zu belassen, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt realisiert, dass das nicht möglich sein würde wegen zu erwartender Lärmimmissionen und aus technischen Gründen, dem Einbau eines Lifts, der Sanierung von Wasser, Abwasser und Stromversorgung im ganzen Gebäude. Für die Mitarbeitenden, die aus Blankenburg nach Saanen ziehen mussten, bedeutet es einen zweiten Umzug. Wäre Frage 5 Markus Meyer, Roggwil (SP) Einkommensmeldungen durch die Steuerverwaltung Persönliche AHV/IV/EO-Beiträge von Selbständigerwerbenden werden grundsätzlich auf der Basis der von der kantonalen Steuerbehörde an die Ausgleichskassen erstatteten Einkommensmeldungen definitiv festgesetzt. Dabei meldet die kantonale Steuerverwaltung offenbar systematisch zu hohe Einkommen. Sie berücksichtigt nicht wie das sein müsste die getätigten AHV-relevanten Einkaufssummen in die zweite Säule, sondern übermittelt rein das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Ziffer 9220 Unternehmenserfolg Bund). Auf dieser fehlerhaften Basis verfügt dann die Ausgleichskasse. Dem Steuer-/Beitragszahler bleibt nichts anderes, als erhöhte AHV-Beiträge zu bezahlen oder den Rechtsweg zu beschreiten. Fragen: Wieso meldet die Steuerverwaltung nicht das korrekte, für die AHV-Beiträge relevante Einkommen? Ist die Regierung bereit, diese Praxis zu ändern? Was gedenkt die Regierung zugunsten der durch diese Praxis Geschädigten zu unternehmen? Beatrice Simon-Jungi, Finanzdirektorin. Zu Frage 1: Die Steuerverwaltung meldet das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gestützt auf die geltenden Rechtsgrundlagen an die AHV-Behörde. Somit ist die entsprechende Meldung korrekt. Zu Frage 2: Der Regierungsrat sieht keinen Handlungsbedarf. Die vom Fragesteller gewünschte Praxisänderung würde den geltenden steuerrechtlichen Grundsätzen nur ungenügend Rechnung tragen und die selbständig Erwerbenden bei der Berechnung und Zahlung der AHV-Beiträge gegenüber den unselbständig Erwerbenden ohne sachliche Grundlage bevorteilen. Zu Frage 3: Die Praxis der Steuerverwaltung ist rechtskonform. Deshalb besteht kein Handlungsbedarf. Die von Herrn Meyer gestellten Fragen sind stark steuertechnischer und steuerrechtlicher Natur. Die zuständige Steuerverwaltung ist bereit, in einem zusätzlichen Schreiben die Rechtsgrundlagen noch näher zu erläutern. Es wird in den nächsten Tagen bei dir eintreffen.

212 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 651 Geschäft /11 Motion Wasserfallen, Hinterkappelen (SP) Sauberer und sicherer Strom: Leistungsauftrag für eine nachhaltige Strategie der BKW AG Geschäft /11 Motion Brönnimann, Mittelhäusern (glp) Neue Eigentümerstrategie BKW Geschäft /11 Dringliche Interpellation Schärer, Bern (Grüne) AKW Mühleberg für das Unternehmen BKW unverzichtbar? Geschäft /10 Interpellation Hofmann, Bern (SP) Will die BKW keinen weiteren Ausbau der Windenergie in der Schweiz? Geschäft /11 Dringliche Interpellation Hofmann, Bern (SP) Widersprüchliches Investitionsverhalten der schweizerischen Stromversorger, wie zum Beispiel der BKW: Ist der Schaden grösser als der Nutzen? Gemeinsame Beratung Block 3: Vorstösse zur Unternehmensstrategie BKW (Beginn der Diskussion S. 627 hiervor) Fortsetzung Präsident. Gestern gaben bereits die Motionärinnen und Motionäre, die Interpellanten und einige Fraktionssprechende ihre Voten ab. Nun kommen weitere Fraktionssprechende zu Wort. Blaise Kropf, Bern (Grüne). Gestern blieben wir mit unserer Beratung also mitten in diesem wichtigen Block 3 stecken. Es ist wohl selbstverständlich, doch weise ich trotzdem nochmals darauf hin, dass wir damit bei einem ganz wichtigen, zentralen Teil dieser Sondersession angelangt sind. Bereits in der Eintretensdebatte wiesen wir auf die grosse Bedeutung der BKW hin, ihre Bedeutung als Stromlieferantin, als Arbeitgeberin, aber auch als volkswirtschaftlicher Faktor in unserem Kanton. Vor diesem Hintergrund erwähnte ich, dass wir die massiven Kursverluste der BKW an der Börse als Folge der Katastrophe in Fukushima mit grosser Sorge zur Kenntnis genommen hatten. Richtig scheint mir aber auch, darauf hinzuweisen, dass die tieferen Ursachen dafür eigentlich auf der Hand liegen. Die BKW ist dermassen stark auf die Atomenergie fokussiert und als Pendant dazu für den Markt der erneuerbaren Energien dementsprechend ungenügend gerüstet, dass allein schon eine erwartete damals war es noch eine erwartete Weichenstellung weg von der Atomenergie hin zu den erneuerbaren Energien an den Finanzmärkten zu den besagten besorgniserregenden Kursausschlägen und Kursverlusten führte. Deshalb ist es selbstverständlich und wichtig, dass wir uns vertieft mit der Frage beschäftigen, was das Unternehmen BKW dafür tut, das problematische Image, ihre problematische Positionierung zu korrigieren. Uns muss klar sein, dass eine gute Positionierung im Markt der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz, für den mittel- und längerfristigen Erfolg der BKW ganz entscheidend sein wird. In Anbetracht der grossen Bedeutung dieses Unternehmens hier im Kanton Bern gilt dies natürlich in gewissem Mass auch für den Kanton als Ganzes. Deshalb die Frage: Welche Politik verfolgt diesbezüglich die BKW? Dazu liefere ich Ihnen einige Fakten der letzten Monate. Erstens gab die BKE mitten in der Kampagne zur Abstimmung zum Rahmenbewilligungsgesuch für das neue AKW Mühleberg bekannt, sie werde ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien in der Schweiz, im Inland, um 40 Prozent verringern. Das ausgesandte Signal war eindeutig, ganz offensichtlich waren die erneuerbaren Energien für die BKW keine grosse Zukunftsoption. Zweitens drohte der operative Chef der BKW, Kurt Rohrbach, in den letzten Monaten mehrfach mit rechtlichen Schritten respektive Entschädigungsforderungen für den Fall, dass das AKW Mühleberg aus «politischen Gründen» vom Netz genommen werden sollte. Dies in Kenntnis der Haltung des Regierungsrats. Ein solches Verhalten finde ich ziemlich selbstherrlich und inakzeptabel; jedenfalls bestätigt es wieder einmal die im Volksmund geläufigen Bezeichnungen wie «Strombarone». Drittens publizierte die BKW am 25. Mai nach dem wegweisenden Ausstiegsentscheid des Bundesrats eine ziemlich weinerliche Medienmitteilung, bedauerte den bundesrätlichen Entscheid, brandmarkte ihn als grosse Hürde für eine CO 2-freie Stromversorgung. Auch hier war das ausgesandte Signal klar ein Rückenschuss auf den Mehrheitsaktionär Kanton Bern. Es zeigte sich, dass die Zeichen der Zeit nicht erkannt wurden und die BKW weiterhin auf Atomenergie zu setzen gedachte. Für uns Grüne ist dieses Verhalten nicht nur antiquiert, sondern wesentlich gravierender; nämlich schädigend ein schädigendes Verhalten für die BKW als Unternehmen selbst, aber in Anbetracht ihrer Bedeutung für den Kanton Bern eben auch schädigend ihm gegenüber. Aus dieser Sicht ist unsere Haltung klar: Findet die BKW nicht selbst zum Glück, muss man sie halt auch einmal darauf stossen, sie dazu zwingen. In der letzten Zeit erwuchsen mir ernsthafte Zweifel daran, dass der Prozess des Wechsels auf erneuerbare Energien mit dem jetzigen operativen Chef der BKW, Kurt Rohrbach, möglich sein wird. Dann liegt es in der Verantwortung der Führung, dass die Politik die Weichen entsprechend stellt. Kann man strategische Ziele mit einem operativen Chef nicht erreichen, wird es Zeit, ihn auszuwechseln. Kurz gesagt: Darum geht es in den vorliegenden Vorstössen noch nicht, das war ein etwas weiterer Blick in die Zukunft. Die beiden Motionen wollen einen bescheidenen, aber wichtigen Beitrag an die Anpassung der Unternehmensstrategie leisten. Es ist ein wichtiges Zeichen; der vorgeschlagene Weg ist richtig, deshalb werden wir Grünen die beiden Vorstösse unterstützen. Markus Grossen, Reichenbach (EVP). Mit diesen Vorstössen will sich die Politik in die Unternehmensstrategie der BKW einmischen. Grundsätzlich ist die Unternehmensstrategie Sache des Verwaltungsrats. Der Kanton als Mehrheitsaktionär hat zwei Regierungsräte in den zehnköpfigen Verwaltungsrat delegiert, um die politischen Anliegen ins Unternehmen einbringen zu können. Sollten wir direkten politischen Einfluss wünschen, müssten wir das Unternehmen verstaatlichen. Da der Regierungsrat bei Richtlinienmotionen relativ grossen Spielraum hat, bleibt die Entscheidverantwortung ohnehin bei ihm. Aufgrund einer Aussprache mit der BKW bezüglich der Forderungen der Motionäre erwartet der Regierungsrat bis Ende 2011 von der BKW Antwort zu folgenden Themen: Abschaltung AKW Mühleberg und deren Auswirkung, Überprüfung der Unternehmensstrategie mit Schwerpunkt auf der Forderung nach erneuerbaren Energien und Anreizen zur Energieeffizienz sowie Prüfung des Rückzugs für das Rahmenbewilligungsgesuch Ersatzkraftwerk Mühleberg. Die Politik braucht hier keine neuen Interventionen zu deponieren, weil der Verwaltungsrat bereits an der Arbeit ist. Anstelle eines sofortigen Ausstiegs aus der Kernkraft hat für

213 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik die EVP-Fraktion die Überprüfung der Sicherheit erste Priorität. In nächster Priorität fordern wir einen wirtschaftlich erträglichen Ausstieg aus der Kernkraft mit dem Ziel, Förderung der Energieeffizienz und Förderabgaben für Investitionen in erneuerbare Energien im Rahmen der Wirtschaftsverträglichkeit. Wir wollen langfristig keinen Stromersatz aus Kohlekraftwerken und Kernkraftwerken aus dem Ausland. Die Motion Wasserfallen provoziert noch die wesentliche Frage, welche Kostenfolgen es hat, wenn der Kanton der BKW einen Leistungsauftrag für eine Investitionsstrategie erteilt. Die BKW als börsenkotiertes Unternehmen nimmt den Auftrag der Bevölkerung wahr, das Gewerbe, die Industrie, den Tourismus sowie den öffentlichen Verkehr mit Energie zu versorgen. Eine Mehrheit der EVP-Fraktion wird die Motion Wasserfallen nur als Postulat annehmen, doch werden wir je nach Antwort der Regierung noch erwägen, ihr zuzustimmen. Bezüglich der Motion Brönnimann ist unsere Fraktion noch gespalten. Eine Mehrheit wird ihr zustimmen, während eine Minderheit Ziffer 3 und 4 ablehnen wird. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Die EDU tut sich mit diesen Vorstössen schwer. Blicken wir nochmals zurück in der Geschichte, war im Jahr 1984 der Kanton Bern schuldenfrei. Dann kam eine Zeit, da der Regierungsrat und auch Grossrätinnen und Grossräte vermehrt in die Politik der Berner Kantonalbank eingriffen. Das trug unter anderem zu einem Schuldenberg von 3 Mrd. Franken bei, an dem wir heute noch zu tragen haben. Wie konnte das geschehen? Werner K. Rey zog in den Kanton Bern, eröffnete Firmen und knüpfte gute Kontakte zur Berner Regierung. Letztendlich floss entgegen der Prüfung der Bank auf Druck der Regierung enorm viel Geld. Grossrätinnen und Grossräte aus den ländlichen Regionen, auch aus dem Oberland, lobbyierten dafür, dass die Berner Kantonalbank Bahnprojekte im Interesse volkswirtschaftlicher Entwicklung unterstützen sollte. Das Geld floss, die Krise trat Anfang der Neunzigerjahre ein. Die Berner Kantonalbank hatte eine Menge Geld ausstehend bei Schuldnern, die nicht mehr zahlen konnten, und das Debakel war perfekt. Wir von der EDU befürchten, dass wir uns heute auf dem genau gleichen Stand befinden. Wir greifen in die BKW ein auf eine Weise, die uns nicht zusteht. Diesen Weg erachten wir als falsch. Ich vergleiche es mit einem Koch, der in einem grossen Topf eine Suppe kocht. Davor steht die Regierung in der ersten Reihe. Die einen streuen Salz, die anderen Zucker hinein, während aus der zweiten Reihe Grossrätinnen und Grossräte die Suppe je nach Gusto nachwürzen in der Gewissheit, so müsse sie gelingen. Die Erfahrung zeigte, dass das nicht gut endet. Irgendwann ist die Suppe versalzen, und niemand begehrt sie mehr zu essen. Schuld daran werden die Verantwortlichen der BKW sein, obwohl sie vielleicht gar nicht viel dafür können. Der Wert des Unternehmens wird abnehmen, nur noch bescheiden oder nichtig sein. Die EDU möchte Änderungen erreichen, indem die Möglichkeiten nicht nur der BKW, sondern auch der übrigen Stromplayer auf dem Markt auf gesetzlichem Weg eingegrenzt werden. Die BKW muss Koch bleiben, und wir Politiker müssen bekannt geben, welches Gemüse und welche Gewürze zu verwenden sind. Damit kann die BKW in gesetzlichem Rahmen arbeiten. Dann hängt alles davon ab, ob sie eine gute oder schlechte Suppe kocht. Ich hoffe, dass sie in diesem Umfeld und mit diesen Zutaten eine geniessbare, schmackhafte Suppe auch für den Kanton Bern zubereiten kann und letztendlich dem Kanton Bern wieder einen Ertrag erwirtschaftet, den er in erneuerbare Energien investieren und mit denen er den Schutz der Bevölkerung gewährleisten kann. In diesem Sinn müssen wir von der EDU die Vorstösse tel quel ablehnen, weil sie einen Weg in die falsche Richtung weisen. Das heisst jedoch nicht, dass auch die Vorstösse selbst tel quel falsch sind. An sich könnten wir sie zum Teil auch unterstützen. Ruedi Sutter, Grosshöchstetten (SVP). Seit jeher setzte sich die FDP im Grossen Rat gegen jegliche politisch motivierten Vorstösse ein, die darauf abzielten, in die Unternehmensstrategie oder Geschäftspolitik der BKW einzugreifen. Die BKW es kann nicht genug betont werden ist ein privatrechtliches, gewinnorientiertes Unternehmen, das an der Börse kotiert ist. Der Kanton Bern entschied sich in der Vergangenheit, nahezu die Hälfte des Unternehmens gegen gutes Geld zu veräussern. Heute halten die Publikumsaktionäre, Privatpersonen, Sparer und Pensionskassen rund 50 Prozent am Unternehmen. Zweck der BKW ist, elektrische Energie zu produzieren und zu vertreiben. Sie ist ausdrücklich nicht staatliches Vollzugsorgan der kantonalen Energiepolitik. Weil sie aber stets als solches missbraucht zu werden droht, überwies der Grosse Rat im April 2009 ein Postulat der FDP-Fraktion, mit dem wir die Weiterführung der Arbeiten am sistierten BKW- Beteiligungsgesetz forderten. Ein BKW-Beteiligungsgesetz bildet die rechtliche Voraussetzung für eine allfällige Aufgabe der gegenwärtigen Mehrheitsbeteiligung des Kantons an der BKW. Diese Beteiligung es wurde bereits von vorangehenden Votanten erwähnt ist nicht unproblematisch, droht der BKW doch ständig Einmischung durch die Politik. Davon zeugt auch die heutige Debatte. Aus unternehmerischer Sicht, aber auch aus Sicht der freien Aktionäre gilt es aber den operativen Spielraum sowie die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu wahren. Gestützt auf die einleitenden Ausführungen lehnt die FDP-Fraktion sämtliche Punkte der beiden vorliegenden Richtlinienmotionen ab, die unmittelbar auf eine politische Einflussnahme auf die Strategie und Geschäftspolitik der BKW abzielen. Einen Leistungsauftrag zwischen Staat und börsenkotiertem privatwirtschaftlichem Unternehmen, wie es die Motion Wasserfallen fordert, erachten wir als nicht opportun. Ein solcher hätte nebst der unseres Erachtens unerwünschten Einflussnahme auch unbekannte Kosten und direkte negative Auswirkungen auf den Vermögenswert der Minderheitsaktionäre zur Folge. Zudem erachten wir die Durchführung der geforderten Sensibilisierungskampagnen zur Förderung der Energieeffizienz, wenn überhaupt, als Sache des Staates. Darüber werden wir bei der Behandlung des Blocks 5 noch diskutieren. Ganz sicher sind sie nicht Sache eines Stromversorgers. Als Sohn eines Schuhmachers erlaube ich mir die Bemerkung, dass es keinem Menschen in den Sinn käme, vom Schuhhändler zu verlangen, sich dafür einzusetzen, möglichst wenig Schuhe zu verkaufen. Die Ziffern 1, 2 und 4 der Motion Brönnimann lehnt die FDP- Fraktion aus den eingangs erwähnten Grundsatzüberlegungen ebenfalls ab, unterstützt jedoch Ziffer 3, die die Überarbeitung der Eignerstrategie bis spätestens 2013 verlangt. Zwar ist sie überflüssig, weil Frau Energiedirektorin Egger bereits letzten September in der Fragestunde darlegte, was in Überarbeitung sei und dass die überarbeitete Eignerstrategie im laufenden Jahr vorgelegt werde. Da wir aber bereits zwei Jahre auf die Umsetzung unseres im April 2009 überwiesenen Postulats zum Beteiligungsgesetz warten, erhoffen wir uns, durch das Setzen einer Frist bis Ende 2013, spätestens bis dann Klarheit zu erhalten, was der Kanton diesbezüglich zu machen gedenkt. Fazit: Die FDP-Fraktion wird sich auch in Zukunft gegen jegliche politisch motivierte Einmischung in die Belange der privatwirtschaftlichen BKW einsetzen. Unser Ziel bleibt, mittelfristig das real existierende Dilemma zwischen den Vermö-

214 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 653 gensrechten der Drittaktionäre und den politischen Zielsetzungen der kantonalen Energiestrategie zu eliminieren. Die Politik soll sich auf die Definition allgemein gültiger Rahmenbedingungen beschränken und der BKW die freie unternehmerische Entfaltungsmöglichkeit im Rahmen der definierten Rahmenbedingungen belassen. Präsident. Es möchten sich keine Einzelsprecher mehr dazu äussern. Ich erteile das Wort Frau Motionärin Wasserfallen. Flavia Wasserfallen, Bern (SP). Ich war bereits gestern Abend sehr enttäuscht über unsere Energiedebatte. Ich staunte, wie die BDP und FDP in der allgemeinen Debatte doch klare Aussagen für einen Ausstieg aus der Atomenergie abgegeben hatten, sich hingegen an den Formulierungen störten, als es darum ging, Entscheide zu fällen. Adjektive waren nicht genehm, irgendein Zeitplan stimmte nicht, und stets fand man einen Vorwand, nicht Farbe bekennen zu müssen. Macht man die politische Analyse und respektiert die Entscheide von Bundes- und Nationalrat, die einen geordneten Ausstieg aus der Kernkraft wollen, ist es nichts als die logische Folge, dass sich die BKW jetzt unmissverständlich dazu bekennt, ihre Unternehmensstrategie darauf ausrichten zu wollen. Das liegt auch im Interesse ihres eigenen langfristigen Überlebens. Zu meinem Vorstoss: Wir als Grosser Rat setzen damit doch nichts anderes als ein sehr allgemeines Zeichen. Lesen Sie die einzelnen Punkte der Motion; Sie finden weder eine Jahrzahl noch irgendeine andere quantitative Vorgabe darin. Wir geben mit grossen Pinselstrichen vor, in welche Richtung es gehen sollte. Die Strategie arbeitet jedoch immer noch der Verwaltungsrat aus. Ist das nicht möglich, müssen wir uns schon fragen, ob dort die richtigen Leute am Drücker sind. Zum Wort Leistungsauftrag: Auch dazu bekommen wir wieder eine kreative Argumentation vorgesetzt, weshalb der Vorstoss abzulehnen sei. Es ist doch nicht denkbar, dass der Regierungsrat, der sich bei jeder Gelegenheit finanzpolitisch sehr streng verhielt, hier einen Auftrag erteilen würde, wofür er noch bezahlen müsste. Legt man Leistungsvertrag in diesem strikten, formellen Sinn aus, könnte man das vielleicht meinen, darauf zielt er aber hier sicher nicht ab. Ich hoffe, dass Frau Regierungsrätin Egger sich dazu auch noch äussern wird. Es ist eine Richtlinienmotion, die dem Regierungsrat die Freiheit belässt, wie er das Zeichen aus dem Grossen Rat in das Unternehmen BKW hineintragen will. Ich bitte Sie also, hier das Zeichen zu setzen und sich in diesem Sinn nochmals die Chance zu geben, den Worten, die Sie gestern über das Mikrofon an uns richteten, auch Taten folgen zu lassen. Es würde mich freuen. Ich bitte Sie, die Motionen Wasserfallen und auch Brönnimann deutlich anzunehmen. Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Auf die Frage 23 der heutigen Fragestunde antwortete Frau Regierungsrätin Egger, im Zug der neuen Holding-Struktur werde es Tochtergesellschaften geben, die ihrerseits allianzfähig würden. Das kann man auch direkter sagen: Die Tochtergesellschaften wird man verkaufen können. Ich wäre der Letzte, der dafür plädieren würde, es mit einer BKW Atom AG zu versuchen und abzuwarten, ob jemand sie kauft. Damit würde der Markt auch noch gerade die Frage beantworten, ob diese Technologie Zukunft hat. Bisher versuchte es in der Wirtschaftsgeschichte nur eine, AKW zu verkaufen. Die Älteren unter Ihnen wissen noch, wer, nämlich Margaret Thatcher. Sie konnte alles verkaufen: Trinkwasser, Bahnen alles. Nur die AKW wollte niemand; dafür liess sich kein privater Investor finden, der das Risiko übernehmen wollte. Nach den abgegebenen Stellungnahmen realisiere ich, dass ich möglicherweise zu Ziffer 3 meiner Motion eine Mehrheit finde, zu den andern nicht leider. Nun muss ich überlegen, ob ich wie gestern Josef Jenni einen Schritt zurück machen und gewissen Ratsmitgliedern ermöglichen will, zumindest mit einem Postulat ein Zeichen zu setzen, oder ob ich bei der Motion bleiben soll. Bei Josef Jenni funktionierte es nicht; die Unterstützung reichte nicht einmal dafür aus, ein Postulat zu überweisen. Ich entscheide mich für die Umwandlung der Motion in ein Postulat und verlange Abstimmung nach Ziffern. Präsident. Ich wiederhole: Der Motionär hat seine Motion in ein Postulat umgewandelt, über dessen Ziffern er einzeln abstimmen lassen will. Barbara Egger-Jenzer, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin. Bevor ich mich zu den beiden Motionen äussere, habe ich noch etwas zu sagen zu einem gestrigen Votum von Herrn Hofmann. Ich staunte ziemlich und staune heute wieder, wie die Geschichtsschreibung umgeschrieben wird. Als Verwaltungsrätin der BKW halte ich klar fest, dass, was gestern Herr Hofmann mit Bezug auf seine Interpellation machte, nichts anderes ist als «BKW-bashing». Das muss man auch einmal unterbinden. Nachdem der Verwaltungsrat der BKW beschlossen hatte, eine CO 2-freie Produktionsstrategie festzulegen dazu gehören nun einmal leider AKW, aber keine Kohle- und keine Gaskraftwerke, investierte die BKW in kein einziges Kohle- und kein einziges Gaskraftwerk mehr. Das möchte ich hier festgehalten haben. Zu den beiden Motionen, wovon die eine vorhin in ein Postulat umgewandelt worden ist: Ich betone nochmals, dass für die Unternehmensstrategie eindeutig der Verwaltungsrat der BKW zuständig ist nicht der Regierungsrat! Die BKW ist eine börsenkotierte privatrechtliche AG. Für die Eigentümerstrategie ist der Regierungsrat zuständig. Ich weise darauf hin, dass die Eigentümerstrategie ein absolut vertrauliches Papier ist, das in diesem Rat nicht diskutiert wird, liebe Grossrätinnen und Grossräte. Nicht, dass Sie sich jetzt vorstellen, wir würden es vorlegen! Welcher Hauptaktionär eines börsenkotierten Unternehmens würde schon seine Eigentümerstrategie in der Öffentlichkeit ausbreiten? Hegen Sie keine solchen Erwartungen, die Eigentümerstrategie wird Ihnen nicht vorgelegt werden. Beide Motionen betreffen die Eigentümerstrategie und sind Richtlinienmotionen. Bei deren Umsetzung hat der Regierungsrat sehr grossen Spielraum, weil die Verantwortung für den Entscheid beim ihm bleibt. Die Motion Wasserfallen fordert einen Leistungsauftrag für eine Investitionsstrategie. Ich sagte und es wurde bereits mehrmals erwähnt, dass wir gegenwärtig im Begriff sind, eine neue Eignerstrategie zu erarbeiten. Da fragt sich, welche Anforderungen wir an die BKW stellen wollen. Was wollen wir mit ihr, wo soll sie investieren? Dort sollen für mich klar auch die Fragen, die Frau Wasserfallen in ihrer Motion aufwarf, gestellt und beantwortet werden. Bei dieser Motion mit der Forderung nach einem Leistungsauftrag hat der Regierungsrat grossen Spielraum bei der Umsetzung. Gerade deshalb ist es kein Leistungsauftrag im eigentlichen engen, formellen Sinn. Was Frau Wasserfallen in ihrer Motion fordert, wird also ohnehin in der Eigentümerstrategie bearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund kann man diese Motion ohne weiteres annehmen. Es wurde gefragt, wie viel das kosten würde. Das kann ich jetzt natürlich nicht beantworten, weil das Ganze erst in Bearbeitung ist. Der Verwaltungsrat ist im Begriff, sich auch eine neue Unternehmensstrategie zu geben. Dort wer-

215 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik den diese Fragen beantwortet werden müssen. Daher lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen, wie viel die ganze Investitionsstrategie der BKW schliesslich kosten wird. Zum Postulat Brönnimann: Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht weiss, was ich Ihnen dazu raten soll, wie sie abstimmen sollten. Lese ich den Vorstoss jetzt als Postulat, soll der Regierungsrat prüfen, ob der Verwaltungsrat der BKW möglichst bis Ende 2012 eine Konzern- und Energiestrategie vorzulegen habe. Weder weiss ich jetzt genau, was wir prüfen sollen, noch, wie jetzt der Auftrag lautet. Darum überlasse ich den Entscheid Ihnen. Der Regierungsrat hätte die Motion angenommen, weil wir aus den genau gleichen Überlegungen der Meinung sind, dass wir das jetzt in die Eignerstrategie einfliessen lassen müssen. Ich sagte vorhin, der Grosse Rat habe zur Eignerstrategie nichts zu sagen; hingegen zu einem Beteiligungsgesetz schon. Bereits letztes Jahr sagte ich in einer Fragestunde, wir seien im Begriff, eine Eignerstrategie zu entwickeln, und wir würden prüfen, ob wir das Beteiligungsgesetz wieder aufnehmen und vorbringen wollten. Das Beteiligungsgesetz braucht es zwar wurde es schon gesagt, aber ich wiederhole es gerne nochmals, wenn wir weniger als 50 Prozent des Aktienanteils an der BKW halten wollen. Dann werden auch die Parteien, der Grosse Rat, allenfalls sogar die Bevölkerung wieder Stellung nehmen können. Ich vernahm auch das Argument, wenn die BKW verkauft werden könnte, wäre man für die Motionen. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass es nicht so einfach ist, 52 Prozent eines Unternehmens an der Börse zu platzieren. Geben Sie sich diesbezüglich ebenfalls keinen Illusionen hin. Sollte es je dazu kommen, dass wir die BKW-Aktien verkaufen könnten bis zu einer Beteiligung von weniger als 50 Prozent, müssten der Regierungsrat und der Verwaltungsrat mit ganz grosser Sorgfalt vorgehen; sind wir doch auch der Werthaltigkeit dieses Unternehmens verpflichtet. Erstens wird man den Zeitpunkt genau abwägen müssen, und zweitens, ob überhaupt und wie viel man verkaufen soll. Dies nur, damit nicht der Eindruck entsteht, es sei so einfach, ein Paket von fünf, zehn, fünfzehn Prozent der Aktien zu verkaufen. Schliesslich wollen wir sie ja nicht verscherbeln, sondern sollte es überhaupt je so weit kommen uns dafür einsetzen, dass dabei für den Kanton etwas herausspringt. Ich bitte Sie, die Motion anzunehmen und auch das Postulat Brönnimann zu überweisen. Präsident. Ich hatte die Diskussion der Fraktionen vorhin geschlossen, jedoch signalisierte mir der Sprecher der BDP, dass er zu seinem gestrigen Votum noch eine Anschlussfrage stellen möchte. Mathias Tromp, Bern (BDP). Nein, ich möchte etwas zusätzlich bemerken. Wir lernten, hier Motionen eins zu eins zu überweisen oder eben nicht. Das Wort Leistungsauftrag ist in unserer Gesetzgebung anders definiert, nämlich so, dass irgendeine Leistung entsprechend abgegolten wird. Das können Sie auch im Energiegesetz nachlesen. Es enthält beispielsweise einen Artikel dazu, wie für die Netze und so weiter ein Leistungsauftrag zu erteilen ist. Das ist dann abgeltungspflichtig, abgeltungsberechtigt oder wie auch immer das heissen mag. Einen solchen Auftrag will die BDP nicht erteilen. Deshalb lehnen wir den Vorstoss Wasserfallen ab, obwohl ich sagte es bereits gestern wir an sich mit den aufgeführten Punkten nicht so schlecht leben können. Als Motion hingegen wollen wir den Vorstoss nicht überwiesen haben. Zum Postulat Brönnimann halte ich fest, dass wir den Antrag in Ziffer 1 und 2 annehmen und gleichzeitig abschreiben wollen; das Ganze ist eingefädelt, wie Frau Regierungsrätin Egger sagte. Und zu Ziffer 3 erteilte Herr Brönnimann gestern eine Antwort. Wir meinen, das Postulat könne so überwiesen werden. Flavia Wasserfallen, Bern (SP). Entschuldigung, lieber Matthias Tromp, darauf muss ich doch noch antworten. In meiner Motion steht, «im Sinne eines Leistungsauftrags». Wie Frau Regierungsrätin Egger deutlich ausführte, gibt es eben auch noch die rechtlich verbindliche Form einer Richtlinienmotion, bei deren Umsetzung der Regierungsrat frei ist. Ich finde, hier wird wirklich Haarspalterei, Wortklauberei betrieben, wenn jetzt auf dem Wort Leistungsauftrag herumgeritten wird. Es ist einfach wieder ein Vorwand mehr, um nicht klar Position beziehen zu müssen. Präsident. Wir kommen zu den Abstimmungen, zuerst über die Motion Wasserfallen insgesamt. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 60 Stimmen 86 Stimmen 2 Enthaltungen Präsident. Herr Brönnimann hat seine Motion in ein Postulat umgewandelt. Wir stimmen nach Ziffern ab, weil dies meines Wissens in der Diskussion so verlangt worden ist. Ist das richtig? Ja. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 3 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 4 als Postulat Dagegen 80 Stimmen 65 Stimmen 1 Enthaltung 73 Stimmen 75 Stimmen 1 Enthaltung 89 Stimmen 55 Stimmen 2 Enthaltungen 60 Stimmen 86 Stimmen 2 Enthaltungen Präsident. Wir befinden noch über die Abschreibung von Ziffer 1. Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 1 als Postulat Dagegen 88 Stimmen 61 Stimmen 0 Enthaltungen

216 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 655 Geschäft /11 Dringliche Motion Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) / Jenni, Oberburg (EVP) Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Geschäft /11 Dringliche Motion Bauen, Münsingen (Grüne) Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Geschäft /11 Dringliche Motion Masshardt, Langenthal (SP) Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Geschäft /11 Dringliche Motion Nadine Masshardt, Langenthal (SP) Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Masshardt, Langenthal) Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Geschäft /11 Motion Aebersold, Bern (SP) Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt- Gesellschaft Geschäft /11 Dringliche Motion Linder, Bern (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Informationskampagne Energie Sensibilisierung Geschäft /11 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Geschäft /10 Motion Burn, Adelboden (EDU) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Frutiger, Oberhofen (BDP) Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 659 ) Gemeinsame Beratung Block 4: Vorstösse zur Energieeffizienz Präsident. Sie wissen, der Ratspräsident darf sich politisch nicht äussern. Somit sage ich nicht viel, obschon ich dazu etwas zu sagen hätte. Sie erfuhren ja am Montag vor einer Woche bei meiner Feier vom Direktor des Bundesamts für Energie, dass die Gemeinde Ittigen bezüglich Energieeffizienz gewisse Modelle umsetzt. Das möchte ich hier aber nicht weiter kommentieren, sondern mehr das Wort Effizienz in den Vordergrund stellen. Und reden wir schon von Energieeffizienz, hoffe ich, dass wir jetzt effizient die neun Motionen dieses Blocks behandeln können. Zuerst kommen, wie bei Block 3, sämtliche Antragsteller zu Wort, dann die Fraktionen. Als erster Motionär redet Herr Löffel zum Vorstoss M 072/11 «Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen». Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee (EVP). Bei unserem Vorstoss geht es nicht nur um Effizienz, sondern auch ums Sparen, wie Sie dem Titel entnehmen können. Sagte gestern die Ratsmehrheit auch Nein zur schnellstmöglichen Stilllegung des AKW Mühleberg, ist klar und wurde in der Eintretensdebatte von allen Fraktionssprechenden mit einer Ausnahme gesagt, dass wir von der Atomenergie wegkommen müssen. Je früher wir den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen schaffen, desto eher können die nicht verantwortbaren Risiken gesenkt werden, und das unlösbare Abfallproblem wird nicht endlos grösser. Die grosse Frage ist nun, wie wir den Umstieg schaffen. Niklaus Gfeller sagte es in der Grundsatzdebatte klar und deutlich: Wir alle verbrauchen viel zu viel Energie. Unser Verhalten ist ein wichtiger Teil des Problems, das wir hier behandeln müssen. Nur mit Energieeffizienzsteigerung und der Förderung alternativer Energiequellen schaffen wir den Ausstieg aus der Atomenergie nicht. Es braucht zusätzlich einschneidende Sparmassnahmen. Wir müssen uns einschränken und unser Verhalten verändern. Ohne Tatbeweise ist jede AKW- Ausstiegsforderung unglaubwürdig und nicht zu Ende gedacht. Der Import von schmutziger Energie das sagte ich bereits gestern und damit der Export unserer Probleme ist keine glaubwürdige Alternative, kein Weg, den die EVP gehen möchte. Deshalb fordert die EVP vom Regierungsrat Massnahmen, die dazu beitragen, den gesamten Energieverbrauch im Kanton Bern massiv senken zu können. In unserer Begründung stellten wir drei Beispiele vor: Lenkungsmassnahmen, Kontingentierung, oder am liebsten wäre uns eine ökologische Steuerreform. Diese Massnahmen sind denkbar, aber sicher gibt es deren noch mehr. Irgendwie muss der Energiehunger eingedämmt werden. Nach mehr als zwanzig Jahren Politik habe ich keine Zweifel daran, dass eine Verhaltensänderung bezüglich Energieverschleiss vor allem über das Portemonnaie erreicht werden muss. Eine ökologische Steuerreform, wie sie sich die EVP vorstellt, würde einerseits den Energieverbrauch spürbar verteuern und anderseits zum Beispiel die Lohnnebenkosten entsprechend entlasten. Das wäre für alle Beteiligten ein Ansporn zum Energiesparen. Sicher findet der Regierungsrat aber auch noch andere Massnahmen, um das Ziel, bezüglich dessen man sich gestern einig war, nämlich den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie, zu erreichen. Ich bitte Sie und bin Ihnen dankbar, wenn Sie mithelfen, diesen Auftrag dem Regierungsrat so zu erteilen. Präsident. Wir kommen zur Motion M 099/11 «Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild». Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Sparen, sparen, sparen, sparen, sparen, sparen überall sparen. Hier, beim Energieverbrauch, bin auch ich voll dafür. Hier geht es tatsächlich ums Sparen. Wollen wir darin erfolgreich sein, können wir es nur gemeinsam tun. Soll der Ausstieg aus der Atomenergie dereinst gelingen, sind die Steigerung der Produktion erneuerbarer Energien, die Energieeffizienz, aber auch die Energiesuffizienz bei der Energienutzung wesentliche Schlüsselfaktoren. Der Kanton soll hier auch Vorbild sein. Ich weiss und möchte ausdrücklich anerkennen, dass der Regierungsrat und die Verwaltung, insbesondere auch das AGG, bereits einiges unternommen haben, um in diesem Bereich voranzukommen. Das ist super, und das anerkennen wir sehr. Vieles bleibt jedoch noch zu tun in Gebäuden und Anlagen, bei Geräten, die im Tätigkeitsbereich des Kantons täglich im Einsatz stehen. Meine Motion beauftragt den Regierungsrat, dem Grossen Rat einen Massnahmenplan Energieeffizienz vorzulegen. Dieser beinhaltet vier Ziffern. Zuerst eine Grobanalyse zum Ersatz von Elektroheizungen und Elektroboilern in der Warmwasseraufbereitung; anhand einer Grobanalyse soll ermittelt werden, in welchen Gebäuden bestehende Elektroheizungen und Elektro-Warmwasseraufbereitungsanlagen

217 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik ersetzt werden könnten. Ziffer 2: Ebenfalls in einer Grobanalyse soll festgestellt werden, welche ineffizienten Geräte ausgetauscht werden könnten. Weiter ist zu ermitteln, bei welchen Geräten und Anlagen der Verbrauch elektrischer Energie reduziert werden kann. Es gibt sehr viele Pumpen, Lüftungsanlagen, aber auch Beleuchtungskörper, bei denen noch sehr viel Sparpotenzial vorhanden ist. Der Grundsatz «best practice» ist anzuwenden, und unnötige Anlagen sind abzuschalten. Ziffer 3: Auch im Ersatz ineffizienter mobiler elektrischer Geräte Drucker, Computer, Kopierapparate und so weiter liegt noch sehr viel Sparpotenzial. Hier ist ebenfalls der Grundsatz «best practice» anzuwenden. Ziffer 4: Der Regierungsrat soll die drei Grobanalysen zusammenfassen in einen Massnahmenplan, das Potenzial zur Einsparung ermitteln, eine Kostenschätzung für die Umsetzung vorlegen und die Massnahmen bezüglich Wirtschaftlichkeit priorisieren. Die Massnahmen sollen in einem Mehrjahresfinanzplan aufgeführt werden, woraus ersichtlich ist, wann was realisiert werden kann, und dieser soll dem Grossen Rat vorgelegt werden. Natürlich werden wir die nötigen Finanzen dazu sprechen können. Unabhängig von der Art der künftigen Stromproduktion ist die Steigerung der Energieeffizienz von zentraler Bedeutung. Das grosse Potenzial wird in verschiedenen Studien nachgewiesen. Dies gilt es je eher desto besser zu nutzen. Dass der Regierungsrat meine Motion nur als Postulat annehmen will, begründet er hauptsächlich damit, dass das Geld für die Umsetzung der Massnahmen fehle, dass die Budgets auch beim AGG zu klein seien. Gerade das soll aber der Massnahmenplan aufzeigen; nämlich, wo gespart werden kann und was es kostet. Natürlich wollen wir in diesem Rat dann die entsprechenden Finanzen sprechen. Ich halte also zumindest vorläufig an der Motion fest und danke für die Unterstützung. Vizepräsidentin Therese Rufer-Wüthrich übernimmt den Vorsitz. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Frau Motionärin Masshardt ist bereit, zu ihren drei Vorstössen, M 106/11, M 107/11 und M 108/11, gleichzeitig zu reden. Ihr stehen also zwölf Minuten Redezeit zu. Nadine Masshardt, Bern (SP). In der gestrigen Debatte wurden konkrete Forderungen gewünscht, die wir in unserem Kanton umsetzen könnten. Meine Vorstösse enthalten deren drei. Unser Ziel ist klar: Auch nach der gestrigen Debatte wollen und brauchen wir keine neuen AKW. Umso wichtiger sind jetzt Massnahmen im Bereich Energieeffizienz und Energiesparen. Wir wissen, dass ein grosser Teil des aktuellen Energieverbrauchs heute schlicht unnötig ist und eingespart werden kann. Zuerst zur Anforderung an alle öffentlichen Bauten: Kanton, Bund und Gemeinden haben eine wichtige Vorbildfunktion für Private. Kann am Beispiel öffentlicher Bauten aufgezeigt werden, dass sich Investitionen in energieeffiziente Gebäude lohnen, ist die Chance gross, dass die nötigen freiwilligen Sanierungen durch Private folgen. So kann ein noch grösserer Beitrag gegen den unnötigen Energieverbrauch geleistet werden. Deshalb freut mich, dass der Regierungsrat grundsätzlich eine erweiterte Anwendung der Richtlinien Energie und Haustechnik auf alle öffentlichen Bauten im Kanton befürwortet. Ziel dieser Ausweitung ist nicht zuletzt, für die gesamte öffentliche Hand die gleiche Ausgangslage zu schaffen. Es ist also sowohl energiepolitisch als auch standortpolitisch wichtig, dass sich der ganze öffentliche Sektor am gleichen energiepolitischen Standard orientiert. Wir konnten es lesen: Gemäss dem neuen Energiegesetz müssen die öffentlichen Bauten des Kantons Bern und massgeblich vom Kanton subventionierte Bauten bei der Energienutzung schon heute erhöhte Anforderungen erfüllen. Wichtig wäre nun, dass diese Anforderungen eine Ausweitung erführen auf alle öffentlichen Gebäude. Was heute sinnvoll saniert oder neu gebaut wird, hat positive Folgen für die kommenden Jahrzehnte: niedrigere Betriebskosten, hohen Komfort und lange Nutzungsdauer. Die Allgemeinheit, respektive die ganze bernische öffentliche Hand, hat also Interesse an nachhaltigem Bauen, das die natürlichen Ressourcen schont. Deshalb bitte ich Sie um Akzeptanz und Annahme meiner ersten Motion. Zu meiner zweiten Motion betreffend die laufende Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED: Viele Massnahmen im Bereich Energieeffizienz tun niemandem weh, bewirken aber viel. Dazu gehört die laufende Umrüstung der Strassenbeleuchtung auf LED. Dadurch lassen sich gemäss der Aussage des Regierungsrats durchschnittlich 55 Prozent Energie einsparen. Meine Motion fordert, bei notwendigem Ersatz oder bei der Neuinstallation einer Strassenlampe künftig LED- Leuchten einzusetzen. Diese Forderung ist auch ein Punkt der Kommissionsmotion zur Unterstützung der Initiative «Bern erneuerbar», die in dieser Session noch nicht behandelt wurde. LED-Leuchten sind wartungsarm und haben eine längere Lebensdauer als konventionelle Lampen. Zudem sind sie besser steuer- und regulierbar. Beispielsweise könnte man in verkehrsarmen Zeiten nachts die Intensität der Strassenbeleuchtung auf gewissen Strecken einfacher reduzieren. Oder man könnte sogar auf Bewegungsmelder umrüsten, wie ein letzte Woche eingereichter Vorstoss der BDP im Berner Stadtrat vorschlägt. Erste Umstellungen auf LED wurden bereits realisiert starteten die Elektrizitätswerke im Kanton Zürich einen Versuch, bei dem eine Strassenstrecke in Rüschlikon mit LED-Leuchten ausgestattet wurde. Auch im Kanton Bern laufen verschiedene Tests. So wurden kürzlich in Laupen in einer Strasse die Lampen durch LED-Leuchten ersetzt. Dadurch kann gemäss BKW der Stromverbrauch für diese Strassenstrecke um zirka 60 Prozent gesenkt werden. Der Langenthaler Gemeinderat beschloss per Ende 2010, zwei Versuchsstrecken mit LED auszurüsten, und auch in der Stadt Bern wurden bereits einzelne Strecken umgerüstet, beispielsweise in Brünnen beim Einkaufszentrum Westside. Bereits 2007 forderte eine Motion aus den Reihen der CVP und der FDP im Berner Stadtrat LED-Strassenleuchten in Bern. Was die Motion sicher nicht will: Mit der Überweisung sollen nicht per sofort alle Strassenlampen auf LED umgerüstet werden, sondern sukzessive, wenn eine Lampe ohnehin ersetzt werden muss oder eben bei Neuinstallationen. So ist die Umstellung nicht nur energiepolitisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Im Gegensatz zur Kommissionsmotion «Bern erneuerbar» sieht meine Motion dafür keine Fristen vor. Doch zeigte der Regierungsrat in seiner Antwort auf die Kommissionsmotion «Bern erneuerbar» auf, dass für diese Umstellung eine Frist von fünfzehn Jahren sinnvoll wäre. Das leuchtet mir grundsätzlich ein. Mit der Überweisung der vorliegenden Motion können wir also einen konkreten Beitrag an mehr Energieeffizienz leisten. Zu meinem letzten Vorstoss zur Energieeffizienz im Bereich Förderprogramme: Wir haben es gehört, wir alle können und sollten uns in unserem Alltag für mehr Energieeffizienz einsetzen und Energie sparen. Speziell gefordert sind hier aber die Energieversorger. Denn bisher wollten sie möglichst viel Strom verkaufen und dadurch natürlich auch einen möglichst hohen Gewinn erwirtschaften. Diese Logik gilt es heute zu ändern. Wir müssen die nötigen Leitplanken setzen, damit sich Energiesparen tatsächlich lohnt. Ein zentrales Element dafür ist der Einsatz energieeffizienter Geräte. Dadurch kann

218 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 657 der Energieverbrauch entscheidend gesenkt werden. Schon heute gibt es positive Beispiele unter den Energieversorgern. Erwähnenswert ist Energie Wasser Bern, er schüttet den Jahresgewinn an die Stadt Bern als Eignerin aus. 10 Prozent davon fliessen in einen Ökofonds, mit welchem erneuerbare Energien und Massnahmen im Bereich Energieeffizienz in der Region gefördert werden. Das Förderprogramm umfasst nebst der Unterstützung von solarthermischen Anlagen, Fotovoltaikanlagen, Wärmepumpen und so weiter, beispielsweise auch den Kauf energieeffizienter Kaffeemaschinen, Kühlschränke und Beleuchtungen. Zum Beispiel Kühlschrank: Fast 20 Prozent des Stroms verbrauchen Schweizer Haushalte fürs Kühlen und Gefrieren. Deshalb ist gerade hier das Sparpotenzial besonders gross und darum sinnvoll, den Kauf energieeffizienterer Geräte zu fördern. EWB ist gemäss Leistungsauftrag zur Förderung der Energieeffizienz verpflichtet. Laut Jahresbericht 2010 konnten durch die aus dem Ökofonds gesponserten oder geförderten Projekte Tonnen CO 2 eingespart werden. Solche Förderprogramme, die von geeigneter Kommunikation und Sensibilisierungsmassnahmen begleitet werden, sind also sehr wirkungsvoll. Ich bin bereit, diesen Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln, damit möglichst alle Prüfungsoptionen und die Handlungsfreiheit des Regierungsrats gewährt sind. Der Regierungsrat schreibt in seiner Antwort zudem richtig, dass an der Energieversorgung nebst den Energieversorgern auch die Stromnetzbetreiber beteiligt sind. Das neue kantonale Energiegesetz sieht deshalb vor, dass den Stromnetzbetreibern Leistungsaufträge erteilt werden können. Sie können auch die Steigerung der Energieeffizienz beinhalten. Damit sollen spezielle Leistungen gefördert werden, die durch rein profitorientierte Netzbetreiber nicht erbracht werden also auch dies eine sehr wichtige und sinnvolle Änderung im revidierten Energiegesetz. Als Leistungsauftrag zur Steigerung der Energieeffizienz kommt beispielsweise die Verpflichtung zum Einsatz energieeffizienter Transformatoren, aber auch die Verpflichtung zur Mitentwicklung energieeffizienter Geräte in Frage. Auch das sind sehr wichtige Massnahmen. Zusammengefasst können wir also sagen, dass wir mit diesen drei Vorstössen konkrete Forderungen, die gestern gestellt wurden, umsetzen und somit als Parlament im Kanton konkrete Massnahmen ergreifen können. Ich bitte Sie um Unterstützung der beiden Motionen zu LED und hohen Anforderungen an alle öffentlichen Bauten des Kantons sowie um die Überweisung des Postulats zu den Förderprogrammen. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Ich habe richtig verstanden, Frau Masshardt: Sie haben ihre letzte Motion, M 108/11, zum Förderprogramm für effizientere Geräte in ein Postulat gewandelt. Merci. Herr Aebersold erhält zu seiner Motion M 117/11 «Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft» das Wort. Michael Aebersold, Bern (SP). Ich bin insofern effizient, als dies meine erste Motion ist, die jetzt zur Diskussion steht. Sie ist knapp gehalten, folglich verliert man nicht viel Zeit beim Lesen. Und auch die Antwort ist knapp und positiv. Es würde mich natürlich ausserordentlich freuen, wenn die Motion so überwiesen würde. Ich mache darauf aufmerksam, dass im Titel zwar die 2000-Watt-Gesellschaft proklamiert ist, Sie deswegen nun aber nicht gleich «Bibeli u Chruseli» bekommen müssen. Nimmt sie doch Bezug auf die Energiestrategie des Kantons, die ja erst im Jahr 2035 die 4000-Watt- Gesellschaft erreichen will. Die 2000-Watt-Gesellschaft ist also noch in weiter Ferne, und doch sollten wir einen Schritt auf sie zu machen. Die Motivation dafür ist, dass die Strategie sehr gut ist; man könnte sie wieder einmal hervorholen und lesen. Doch sind darin für viele Bereiche wie Wärmeerzeugung, Stromerzeugung, Energieeffizienz, Raumentwicklung und Versorgungssicherheit Ziele per 2035 aufgeführt. Da ist es doch wichtig, einen Zwischenschritt zu machen, 2020 über verbindliche Massnahmen zu verfügen und evaluieren zu können, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Diese Motivation liegt meiner Motion zugrunde, und aufgrund der bisherigen Diskussion gehe ich davon aus, dass Sie das unterstützen. Ich habe gelesen, dass wir Ende Jahr einen Bericht über die Umsetzung der Legislaturziele erhalten werden. Doch ist das nur eine Berichterstattung zum gegenwärtigen Stand und nicht zu einer etwas längerfristigen Planung. Darum wäre ich froh und danke Ihnen, wenn Sie meinen Vorstoss unterstützen. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Frau Linder hat das Wort zu ihrer Motion M 118/11 «Informationskampagne Energie Sensibilisierung». Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). In unserem Vorstoss verlangen wir von der Berner Regierung eine Informationskampagne zum Energiesparen für die Berner Bevölkerung. Hauptziel der Kampagne sollte sein, die Bevölkerung des Kantons Bern auf möglichst einfache Art über das Energiesparen zu informieren. Zweifellos gibt es heute zum Thema Energie- und Stromsparen schon eine Menge Broschüren und Internetseiten vieler verschiedener Anbieter. Gibt man beispielsweise auf Google Energiesparen ein, werden innert 0,14 Sekunden exakt Seiten angezeigt. Heute ist es also gar nicht so einfach, sich im Dschungel der Informationen zurechtzufinden. Zudem ist es nicht selbstverständlich, dass alle Leute im Kanton Bern die Möglichkeit haben, über das Internet zu Informationen zu kommen. Viele Gemeinden sind bereits aktiv und bieten Tipps und Tricks zum Energiesparen an. Jetzt sollte unter der Federführung des Kantons eine einheitliche Informationskampagne gestartet werden, in der der Kanton aktiv seinen Bürgerinnen und Bürgern einfach und verständlich verbindliche Informationen zum Thema Energie- und Stromsparen zukommen lässt. Wir danken dem Regierungsrat für die positive, gute Antwort, und ich bitte Sie mitzuhelfen, diese Motion zu überweisen. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Herr Mitmotionär Grimm verzichtet auf das Wort. Zur nächsten Motion M 125/11 «Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien» hat Herr Amstutz das Wort. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Au niveau de l efficacité, je vais apporter de l aide. Je remercie le Conseilexécutif pour sa réponse. De nombreuses installations, minicentrales hydro-électriques, éoliennes, capteurs solaires photovoltaïques, etc. sont déjà en fonction dans le canton. Afin de permettre un réel pilotage et un suivi de ces projets, je souhaite qu une statistique cantonale soit établie. Dans sa réponse à ma motion, le Conseil-exécutif précise que de très nombreuses données sont relevées, notamment sur les sources d énergies renouvelables dans le cadre de la libéralisation du marché d électricité, Cependant, l accès des pouvoirs publics à ces données est toutefois très limité, ces dernières étant parfois aussi bien protégées que les secrets commerciaux, cela est regrettable. Il serait très indiqué que les entreprises électriques publient ces chiffres en toute transparence, car connaître le nombre exact d installations par types d énergie, la puissance installée, la production générée, la localisation des installations, l évolution du développement des nouvelles énergies renouvelables, etc. pourrait faciliter le

219 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik pilotage. Le Conseil-exécutif précise que les données actuelles disponibles permettent de réaliser les évaluations sommaires nécessaires à la mise en œuvre de la stratégie énergétique. Il ajoute que l élaboration d une telle statistique cantonale générerait des dépenses non justifiées. Rassuré par ces arguments et soucieux de l état des finances cantonales, je retire la motion et vous remercie de votre attention. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Herr Amstutz hat seine Motion zurückgezogen. Das nächste Votum zur Motion M 258/10 «Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz» gibt Herr Burn ab. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Die Motion entstand aus der Kommissionsarbeit zum Volksvorschlag heraus. Dort merkte man, dass wahrscheinlich etwas untergehen könnte. Kurz zur Geschichte: In der letzten Legislaturperiode verabschiedeten wir das Energiegesetz mit dem GEAK und einer Förderabgabe von 0,5 bis 1 Rappen pro Kilowattstunde. Es wurde ein Volksvorschlag eingereicht, der den obligatorischen GEAK und die Energiesteuer eliminierte, und es wurde darüber abgestimmt. Während der Kommissionsarbeit zum Volksvorschlag stellte sich heraus, dass er nach meinem Empfinden schon in der Kommission in erster Linie durchkam, weil man die Energiesteuer nicht wollte. Wohl attestierte man einen gewissen Bedarf, dieses oder jenes im Energiebereich noch zu fördern, aber man wollte es nicht via Energiesteuer oder irgendwelchem anderen fixen Betrag, der hätte eingezogen werden müssen. Damals fanden viele Kommissionsmitglieder, wenn man schon Geld sparen wolle, sollte es bei einem Budget von 10 Mrd. Franken doch möglich sein, 15 Mio. Franken für Fördermassnahmen damals legten wir keinen Betrag fest, also einen Teil, der durch die eliminierte Energiesteuer entfiel, einfach über das Budget zu finanzieren. Daraus erwuchs dieser Vorstoss. Nach all den bereits geführten Debatten zum Bereich Energie sind wir uns nun alle bewusst, dass wir gerade auch im Bereich der Gebäude Massnahmen ergreifen müssen, wenn wir Energie sparen wollen. Solche Massnahmen machen einen erheblichen Teil der im Kanton Bern möglichen Einsparungen aus. Ist man sich der Möglichkeit und der Dringlichkeit bewusst, scheint mir persönlich und wahrscheinlich auch den anderen Motionären sinnvoll, dies zu unterstützen. Daraus resultiert nicht lediglich eine staatliche Ausgabe von 15 Mio. Franken, sondern mit diesem Förderbeitrag lösen wir auch ein gewisses Volumen aus, wovon ebenfalls die Wirtschaft profitieren kann. In diesem Sinn bitte ich Sie, die Motion zu unterstützen. Präsident Beat Giauque übernimmt wieder den Vorsitz. Präsident. Die Fraktionssprecherinnen und -sprecher haben nun das Wort. Samuel Leuenberger, Trubschachen (BDP). In der Grundsatzdebatte legte ich Ihnen die Haltung meiner Fraktion zu dieser Energiedebatte dar. Dort sagte ich, wer A sage, müsse auch B sagen. Wer den Ausstieg aus der Atomenergie will, muss auch bereit sein, erstens zu sparen und zweitens in neue Energien zu investieren. Die BDP ist deshalb bereit, die aus unserer Sicht zielgerichteten und machbaren Vorstösse des Blocks 4 zu unterstützen. Als Motion nehmen wir folgende Vorstösse an: Ruedi Löffel, «Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen»; Nadine Masshardt, «Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED» das finden wir ausserordentlich sinnvoll ; Michael Aebersold «Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft»; Anna-Magdalena Linder «Informationskampagne Energie Sensibilisierung». Den Vorstoss Bauen werden wir als Postulat überweisen. Diesbezüglich verweise ich auf die Begründung des Regierungsrats. Der Vorstoss Masshardt, «Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte», wurde in ein Postulat umgewandelt, das wir unterstützen werden. Etwas mehr Mühe haben wir mit dem Vorstoss Masshardt, «Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten». Grundsätzlich stehen wir diesem Anliegen der Motionärin nicht ablehnend gegenüber. Wir erachten es aber als nicht machbar, alle öffentlichen Bauten im Kanton Bern mit Hilfe einer Ausdehnung des Geltungsbereichs einer kantonalen Richtlinie mit solchen Vorschriften zu belegen. Sehr viele öffentliche Bauten liegen nicht im Kompetenzbereich des Kantons Bern, so die Räumlichkeiten des Bundes, insbesondere auch diejenigen für das Militär, der SBB und unserer Gemeinden. Ihnen steht in ihrem Kompetenzbereich grundsätzlich frei, zu bauen und investieren, wie sie wollen. Das Anliegen der Motionärin müsste im Rahmen einer Änderung einer Baugesetzgebung oder einer Änderung des Energiegesetzes eingebracht werden. Die Ausdehnung dieser Richtlinien, wie es der Motionstext explizit fordert, ist aus unserer Optik auch aus rechtlicher Sicht nicht ganz opportun. Deshalb wird eine Mehrheit meiner Fraktion diesen Vorstoss ablehnen. Zum Vorstoss Burn, «Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz»: Meine Partei sagte im Rahmen der Diskussion zum Energiegesetz immer wieder, wir seien bereit, die Massnahmen aus dem allgemeinen Staatstopf mitzufinanzieren, wenn der Volksvorschlag angenommen werde. Wir halten Leih, darum werden wir den Vorstoss als Motion unterstützen. Flavia Wasserfallen, Bern (SP). Die Steigerung der Energieeffizienz ist der wichtigste Pfeiler in der Neuausrichtung der Energiepolitik in Richtung Ausstieg aus der Atomkraft. Energieeffizienz ist unsere kostbarste Ressource, und jede Kilowattstunde, die wir nicht verbrauchen, ist die günstigste und umweltfreundlichste. Kalifornien oder auch Schweden zeigen uns längst, dass eine Entkoppelung der wirtschaftlichen Entwicklung vom Energiekonsum möglich ist. Hier bietet sich der Schweiz eine Chance, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Die Studie von McKinsey zeigte unlängst, wie viele Tausende Arbeitsplätze geschaffen werden können und welches Investitionsvolumen ausgelöst werden kann, wenn wir konsequent auf Energieeffizienz und Greentech setzen. Das erkannte teilweise auch die Wirtschaft; vor allem Firmen im Greentech-Bereich packten die Chance. Ich finde es schwierig, wenn Economiesuisse sich anmasst, für die ganze Wirtschaft zu reden, angesichts des Ausstiegs aus der Atomkraft auf Panik zu machen und diesen Entscheid zu torpedieren. Zurück zur Effizienz: In diesem Bereich gibt es nicht nur eine einzige Lösung, sondern wir müssen jetzt einen Strauss von Massnahmen binden, die sich ergänzen. Wichtig ist die öffentliche Hand, die beispielhaft vorangeht. Zweitens müssen Konsumentinnen und Konsumenten ihren Energieverbrauch kennen und wissen, wo sie ihn senken können; sie müssen ihr Verhalten ändern. Beim Kauf von Geräten, Autos und anderem müssen sie informiert sein, wie viel Energie diese verbrauchen. Es braucht Anreize für Sanierungen im Gebäudebereich, Handelsverbote für Stromfresser natürlich in Koordination mit der EU und so weiter. Wir müssen über «Decoupling» reden, über Effizienzboni für Elektrizitätsunternehmen, über neue Tarifmodelle und so weiter. Klar ist das in einem liberalisierten Markt eine Herausforderung, aber es ist möglich. Ich könnte Ihnen viele Beispiele dafür aufzeigen, was wirklich möglich ist, wenn wir die Strategie «best practi-

220 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 659 ce» fahren. Ein einziges Beispiel möchte ich anführen: Unlängst entwickelten Schweizer Forscher ein neues Verfahren, um bei bereits sehr effizienten Kühlschränken der Kategorie A++ den Energieverbrauch nochmals um zwei Drittel zu senken. Würde man also in der ganzen Schweiz die effizientesten Geräte dieser Schweizer Forscher einsetzen, könnte man den Energieverbrauch der ganzen Stadt Basel einsparen. Wir behandeln hier in Block 4 einen ganzen Strauss von Vorstössen. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion nimmt sie alle wie vorliegend oder durch die Motionäre umgewandelt an. Ich sage noch kurz etwas zur Motion Burn, die natürlich auch bei uns noch zu reden gab. Bereits in der Abstimmung zum Energiegesetz wiesen wir darauf hin, dass es aufgrund der finanziellen Lage des Kantons schwierig ist, einfach rasch mehrere Mio. Franken einzustellen für Massnahmen bei Gebäuden, die so wichtig wären. Nun fordert diese Motion, quasi in einem laufenden Budgetprozess noch schnell 15 Mio. Franken einzustellen, und dies vor allem nur für Wir fragen uns, was denn in den Folgejahren passieren soll. Warum steht darüber nichts? Der Argumentation des Regierungsrats in seiner Antwort können wir jedoch folgen und allenfalls einem Postulat zustimmen. Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Rosmarie Wiedmer-Pfund (d) Catherine Graf Lutz (f) Anhang Block 4: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 655 hiervor. Geschäft /11 Dringliche Motion Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) / Jenni, Oberburg (EVP) Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Wortlaut der Motion vom 21. März 2011 Der Regierungsrat leitet angemessene Massnahmen in die Wege, um den Gesamtenergieverbrauch im Kanton Bern massiv zu reduzieren. Begründung: Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Japan und dem daraus folgenden riesigen menschlichen Elend ertönt der Ruf nach dem sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie verständlicherweise lauter als je zuvor. Bei der ganzen Diskussion geht aber gerne vergessen, dass das Gelingen massgeblich von der Bereitschaft zu einer grundlegenden Verhaltensänderung abhängig ist. Wenn die Abschaltung des AKW Mühleberg gefordert wird, ist es unerlässlich, der Bevölkerung klar zu machen, dass unser Gesamtenergieverbrauch ganz massiv gesenkt werden muss. Es wäre in höchstem Mass unethisch und verwerflich, die durch die Stilllegung von Mühleberg entstehende Minderproduktion mit Importen aus dem Ausland oder durch die Nutzung fossiler Energie zu kompensieren. Die Regierung soll deshalb verpflichtet werden, Massnahmen in die Wege zu leiten, die dazu geeignet sind, den Gesamtenergieverbrauch im Kanton Bern massiv zu senken. Dies kann beispielsweise mit Lenkungsmassnahmen, über Kontingentierung oder durch eine Steuerreform geschehen. (Weitere Unterschriften: 7) Geschäft /11 Dringliche Motion Bauen, Münsingen (Grüne) Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat einen «Massnahmenplan Energieeffizienz» zum Beschluss vorzulegen. Der Massnahmenplan soll mindestens folgende Inhalte aufweisen: 1. Ersatz von Elektroheizungen und Elektroboilern zur Warmwasseraufbereitung Anhand einer Grobanalyse soll ermittelt werden, in welchen kantonalen Gebäuden bestehende Elektroheizungen oder Warmwasseraufbereitungsanlagen mit Elektroboiler sinnvollerweise durch Einsatz erneuerbarer Energien (thermische Solaranlage, Anschluss an Fernwärme usw.) ersetzt werden könnten. Anlagen, die nur selten benutzt werden oder einen geringen Verbrauch aufweisen, sind davon auszunehmen. 2. Ersatz von ineffizienten elektrischen Anlagen Anhand einer Grobanalyse soll ermittelt werden, wie der Verbrauch an elektrischer Antriebsenergie für Pumpen, Lüftungs- und Kühlanlagen, Beleuchtungen usw. in kantonalen Gebäuden und Anlagen reduziert werden könnte. Es soll der Grundsatz der «Best Practice» angewendet werden. Es soll auch ermittelt werden, wo solche Installationen bedarfsgerechter geregelt (z. B. Beleuchtung), ersatzlos entfernt oder stillgelegt werden könnten. 3. Ersatz von ineffizienten elektrischen Geräten und Beleuchtungen

221 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik Anhand einer Grobanalyse soll ermittelt werden, wie der Verbrauch an elektrischer Energie bei Geräten (EDV, Drucker, Kopierer, Küchengeräten, Kaffeemaschinen usw.) und Beleuchtungen in der kantonalen Verwaltung reduziert werden könnte. Es soll der Grundsatz der «Best Practice» angewendet werden. Es soll auch ermittelt werden, wo solche Installationen bedarfsgerechter geregelt, ersatzlos entfernt oder stillgelegt werden könnten. 4. Massnahmenplan Für die drei oben stehenden Punkte ist je ein Massnahmenplan auszuarbeiten, der das Potential zur Einsparung elektrischer Energie sowie eine Kostenschätzung für die Umsetzung aufweist. Die Massnahmen sind anhand des Einsparpotentials und der Wirtschaftlichkeit zu priorisieren und zur Umsetzung in einen Mehrjahresplan aufzunehmen. Begründung: Verschiedene wissenschaftliche Studien, aber auch die technische Entwicklung der letzten Jahre in vielen Bereichen zeigen auf, dass nach wie vor ein grosses Potential bei der Effizienzsteigerung im Bereich Strom vorhanden ist. Unabhängig von der Art der zukünftigen Stromproduktion ist die Steigerung der Energieeffizienz heute und in Zukunft von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig wird dadurch auch die Handlungsfreiheit des Kantons und der BKW erhöht. Vom Wissen, das dabei aufgebaut wird, können auch Private und das Gewerbe profitieren. Um systematisch vorgehen zu können, ist es wichtig, eine grobe Situationsanalyse zu erstellen, aufgrund derer dann Massnahmenpläne erarbeitet und die Umsetzung nach Prioritäten und finanziellen Möglichkeiten gegliedert angegangen werden können. (Weitere Unterschriften: 13) Geschäft /11 Dringliche Motion Masshardt, Langenthal (SP) Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, Massnahmen vorzuschlagen, damit die «Richtlinie Energie und Haustechnik» des Amtes für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern auf alle öffentlichen Bauten ausgeweitet werden kann. Begründung: Die «Richtlinie Energie und Haustechnik» des Amtes für Gebäude und Grundstücke des Kantons Bern (AGG) definiert einheitliche Standards in den Bereichen Energie und Haustechnik. Ziel ist, die Qualität von Gebäuden, Anlagen und Geräten hinsichtlich nachhaltiger Aspekte wie Schonung der Umwelt und Ressourcen, Kosten und technischer Funktionalität optimal zu halten. Ein weiteres Ziel ist die Vereinheitlichung der Gebäude- und Anlagesubstanz auf wirtschaftlich tragbarem und ökologisch zukunftsgerichtetem Niveau. Das AGG orientiert sich dabei an der SIA-Empfehlung 112/1 «Nachhaltiges Bauen Hochbau». Diese Richtlinie gilt aktuell für die kantonalen und die vom Kanton subventionierten Bauten. Es wäre jedoch wünschenswert, dass dieser Geltungsbereich auf alle öffentlichen Bauten im Kanton Bern ausgeweitet wird. Denn: Kanton und Gemeinden nehmen eine wichtige Vorbildfunktion für Private ein. Wenn durch die öffentlichen Bauten aufgezeigt werden kann, dass sich Investitionen in energieeffizientere Gebäude lohnen, ist die Chance gross, dass die nötigen freiwilligen Sanierungen von Privaten folgen und damit ein wichtiger Beitrag gegen unnötigen Energieverbrauch geleistet werden kann. (Weitere Unterschriften: 23) Geschäft /11 Dringliche Motion Nadine Masshardt, Langenthal (SP) Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit die Strassenbeleuchtung im Kanton Bern vorzu auf LED-Technologie umgerüstet wird. Bei Ersatz und Neu-Installationen von Strassenlampen sollen nur noch stromsparende LED-Leuchten eingesetzt werden. Begründung: Energieeffizienz ist ein wichtiger Pfeiler einer verantwortungsvollen Energiezukunft. Der grösste Teil des Ersatzes der AKW liegt im Bereich Effizienz. So ist ein Drittel des aktuellen Energieverbrauchs schlicht unnötig und kann mit heutigen Technologien (Geräte, Maschinen etc.) bereits eingespart werden. Im Gebäudebereich ist das revidierte kantonale Energiegesetz wegweisend. Es gibt jedoch auch weitere Bereiche, wo sich ein Einsatz für mehr Energieeffizienz lohnt ein solcher ist die Beleuchtung im öffentlichen Raum. LED-Strassenlampen verbrauchen einen Bruchteil des Stroms bisheriger Lampen, sind wartungsarm und haben eine massiv längere Lebensdauer als andere Technologien. Zudem sind Objekte und Farben mit LED besser wahrnehmbar als bei konventionellen Leuchtmitteln. Es kann also auch ein Beitrag an mehr Verkehrssicherheit geleistet werden. Da LED-Leuchten zudem besser steuerbar sind, kann beispielsweise in der verkehrsschwachen Zeit während der Nacht die Intensität der Strassenbeleuchtung reduziert werden, z. B. zwischen Mitternacht und 6 Uhr. Ende 2009 wurden in einer Strasse in Lugano beispielsweise die alten Leuchten auf dimmbare LED umgerüstet. Dadurch reduzierte sich der Energieverbrauch um 55 Prozent. Als grosse Vorteile haben sich zudem die gute Lichtqualität und die gleichmässigere Beleuchtung der Strasse erwiesen. 1 Auch im Kanton Bern laufen derzeit verschiedene Tests mit LED, so beispielsweise in Langenthal und Laupen. Laut BKW kann der Ersatz der Quecksilberdampf-Lampen durch LED- Leuchten an einem Strassenabschnitt in Laupen den Stromverbrauch um ca. 60 Prozent reduzieren. 2 LED-Lampen wurden in den letzten Jahren immer effizienter, und ihre Kosten sinken kontinuierlich. Sie sind somit auf dem besten Weg, auch für grosse Strassenbeleuchtungen wirtschaftlich zu werden. Die öffentliche Beleuchtung soll neue Technologien nutzen, um damit den Energieverbrauch möglichst tief zu halten. Kanton und Gemeinden nehmen so auch eine Vorbildfunktion ein. Der vorliegende Vorstoss will deshalb, dass alle Strassenlampen, die ersetzt oder neu installiert werden, auf LED um- bzw. mit LED ausgerüstet werden. (Weitere Unterschriften: 23) Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Masshardt, Langenthal) Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, sich bei den bernischen Energieversorgern dafür einzusetzen, dass beispielsweise 1 Vgl nmitteilungen/2011/februar/laupen.html

222 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 661 analog zu Energie Wasser Bern (ewb) ein Teil des Jahresgewinns in einen Ökofonds fliesst, der erneuerbare Energien und energieeffiziente Technologien im Kanton fördert. Begründung: Mit dem Einsatz energieeffizienterer Geräte kann ein grosser Teil des Energieverbrauchs gesenkt werden. Energie Wasser Bern beispielsweise setzt auf verschiedene Förderprogramme für ihre Kundinnen und Kunden in der Stadt Bern, etwa für Kaffeemaschinen, Raumluft-Wäschetrockner, die Beleuchtung (vgl. Damit möglichst viele Bürgerinnen und Bürger im ganzen Kanton auf energieeffizientere Geräte umstellen, sind solche Förderprogramme, die mit geeigneten Kommunikations- und Sensibilisierungsmassnahmen begleitet werden müssen, wichtig. (Weitere Unterschriften: 22) Geschäft /11 Motion Aebersold, Bern (SP) Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt- Gesellschaft Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, verbindliche quantitative Zwischenziele für das Jahr 2020 festzulegen, sodass die 4000-Watt-Gesellschaft bis 2035 im Kanton Bern umgesetzt ist. Begründung: Der Kanton Bern hat sich mit der Energiestrategie 2006 eine Vision gesetzt: die 2000-Watt-Gesellschaft. Als Zwischenziel soll bis ins Jahr 2035 die 4000-Watt-Gesellschaft angestrebt werden. Dazu werden in der Energiestrategie 2006 des Kantons Bern strategische Ziele definiert. Diese gilt es nun umzusetzen. Die aktuellen Diskussionen um die weitere Nutzung der Kernenergie, die Verbesserung der Energieeffizienz sowie die Förderung erneuerbarer Energien zeigen, dass die Weichen für die Zukunft jetzt gestellt werden müssen. Absichtserklärungen und langfristige Ziele bringen wenig, wenn nicht rasch konkrete Massnahmen umgesetzt werden. Nur so wird die Vision zur Wirklichkeit. Deshalb müssen ergänzend zu den strategischen Zielen 2035 aus der Energiestrategie als Zwischenschritt quantitative Ziele für das Jahr 2020 festgelegt und erreicht werden. (Weitere Unterschriften: 19) Geschäft /11 Dringliche Motion Linder, Bern (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Informationskampagne Energie Sensibilisierung Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Die Atom-Gau-Katastrophe in Fukushima bewegt die ganze Welt. Wir sind gefordert, für unsere Zukunft Lösungen zu finden, die unseren Energiebedarf so abdecken, dass wir auf Atomstrom verzichten können. Einerseits sind die Ressourcen der erneuerbaren Energie gefragt, anderseits braucht es einen bewussten Umgang mit Strom in unserem Alltag. Dafür braucht es eine Sensibilisierung der Bevölkerung. Der Regierungsrat wird aufgefordert, eine Informationskampagne zum Thema Energiesparen zu lancieren, die zuhanden der Bevölkerung des Kantons Bern geht; die Inhalte sollten dahingehend sein, dass für die Bevölkerung transparent wird, wie in Alltag / Haushalt / Berufswelt / Freizeit sinnvoll mit Energie umgegangen werden kann Anreizsysteme zu schaffen, welche die Bevölkerung zum Energiesparen motivieren Begründung: Nicht nur Energieeffizienz ist gefragt, sondern auch ein bewusster Umgang mit Energie im Alltag. Dabei ist es sinnvoll, der Bevölkerung aufzuzeigen, wo sie im Alltag Energie sparen kann. Nicht alle Menschen haben heute selbstverständlich Zugang zu Informationen. Bezüglich des sinnvollen Umgangs mit Energie ist es wichtig, dass ein niederschwelliges Angebot für die Bevölkerung besteht, das nicht zuletzt auch vom Kanton gestützt und getragen wird. (Weitere Unterschriften: 10) Geschäft /11 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Wortlaut der Motion vom 30. März 2011 In den Regierungsrichtlinien für die Jahre spricht sich der Regierungsrat für eine Stärkung der Klima- und Energiepolitik aus. Er will, dass der Kanton Bern einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet, indem er seinen Energiekonsum pro Kopf senkt und den Anteil der erneuerbaren Energien erhöht. Um eine echte Steuerung und Begleitung von Projekten für Produktionsanlagen von Strom aus erneuerbaren Energien zu ermöglichen, wird der Regierungsrat beauftragt, eine kantonale Statistik zu erstellen. Begründung: Das Bundesparlament, das im Rahmen seiner Energiestrategie am 23. März 2007 das Stromversorgungsgesetz (StromVG) verabschiedet hat, setzt unter anderem auf erneuerbare Energien. Ziel ist es, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 um mindestens 5400 GWh zu erhöhen (Basis: 2000). Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen ist die kostendeckende Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien (KEV). Die Produzenten erhalten dabei während 20 bis 25 Jahren je nach Produktionstechnologie (Windenergie, Sonnenenergie, Wasserkraft bis 10 Megawatt, Geothermie, Biomasse und Abfälle aus Biomasse) einen fixen Betrag pro erzeugte Kilowattstunde (kwh). Um diese staatliche Massnahme zu finanzieren, entrichten die Konsumenten seit dem 1. Januar ,45 Rappen pro entnommene kwh (ab 2013: 0,9 Rappen pro kwh). Im Gegensatz zu einer staatlichen Förderungsmassnahme, bei welcher der Verteilschlüssel der Finanzmittel durch Gesetze und Richtlinien festgelegt wird, wird der Ökostrommarkt durch den Kunden bestimmt, der selbst darüber entscheidet, welche Anlage, Technologie und Anzahl Kilowattstunden er fördern will. Im Kanton Bern sind bereits viele Anlagen in Betrieb (Kleinstwasserwerke, Wind- und Sonnenenergieanlagen). Der Kanton verfügt aber über keine entsprechende Statistik (Antwort auf meine Interpellation 035/2010 vom 9. März 2010), die Auskunft gibt über: die genaue Anzahl Anlagen pro Energietyp die installierte Leistung die erzeugte Produktion den Standort die Entwicklung des Ausbaus neuer erneuerbarer Energien usw.

223 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik Ein solches Dokument wäre jedoch ein informatives und geschätztes Instrument, das im Rahmen der Massnahmen zur Förderung neuer erneuerbarer Energien zudem Anreize schaffen würde. (Weitere Unterschriften: 23) Gemeinsame schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 In Folge der Ereignisse in Fukushima wurden folgende Vorstösse zur Energieeffizienz eingereicht: Motion 072/11 Löffel-Wenger: «Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen» Motion 099/11 Bauen: «Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild» Motion 106/11 Masshardt: «Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten» Motion 107/11 Masshardt: «Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED» Motion 108/11 SP-JUSO-PSA: «Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte» Motion 117/11 Aebersold: «Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft» Motion 118/11 Linder: «Informationskampagne Energie Sensibilisierung» Motion 125/211 Amstutz: «Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien» Da diese Vorstösse Massnahmen für mehr Energieeffizienz betreffen, werden sie gemeinsam beantwortet. Der Regierungsrat geht mit den Motionären einig, dass der Ausstieg aus der Atomenergie zwingend mit einer massiven Senkung des Strom- und Gesamtenergieverbrauchs sowie einem signifikanten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien verbunden sein muss. Deshalb ist die Senkung des Energieverbrauchs ein wichtiges Ziel der regierungsrätlichen Energiestrategie Konsequenterweise ist der Regierungsrat bereit, sich im Sinne der eingereichten Motionen dafür einzusetzen, dass der Strom- und Gesamtenergieverbrauch im Kanton Bern wesentlich gesenkt wird. Allerdings benötigen gewisse Forderungen zusätzliche personelle oder finanzielle Ressourcen, weshalb der Regierungsrat nicht allen Motionen vorbehaltlos zustimmen kann. Dem Regierungsrat ist bewusst, dass er eine Senkung des Energieverbrauchs nicht im Alleingang erzielen kann. Es braucht die Unterstützung des Bundes, der politischen Gremien und der Bevölkerung. Die Kompetenz für Verbrauchssenkungen bei den Geräten, Maschinen und vor allem im Verkehr liegt beim Bund. Die Akzeptanz gegenüber wirkungsvollen Massnahmen, insbesondere auch Lenkungsabgaben, ist noch ungenügend. Hier ist ein Umdenken nötig. Zu den Vorstössen im Einzelnen: Motion 072/11, Löffel Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Der Regierungsrat unterstützt die Forderung nach angemessenen Massnahmen zur massiven Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs im Kanton Bern. Die Energiesparanstrengungen müssen erweitert werden. Bisher konzentrierten sich die kantonalen Aktivitäten vor allem auf die Energieeffizienz im Gebäudebereich, wozu das neue kantonale Energiegesetz und die teilrevidierte Energieverordnung griffige Bestimmungen enthalten. Zur Senkung des gesamten Energieverbrauchs braucht es weitere griffige Effizienz- und Sparmassnahmen in allen Bereichen der Energienutzung, sei dies nun stationär in Gebäuden, in Haushalten, in Industrie und Gewerbe oder im Verkehr. Nicht in allen Bereichen ist der Kanton direkt zuständig. Indirekt kann er aber auch auf den Energieverbrauch Einfluss nehmen, zum Beispiel über die Raumplanung. Der Regierungsrat befürwortet eine Annahme der Motion, im Sinne eines Dauerauftrags im Bereich seiner Zuständigkeiten. Antrag: Annahme. Motion 099/11, Bauen Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Der von der Motion geforderte Massnahmenplan Energieeffizienz betrifft die kantonalen Gebäude. Das zuständige Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) plant und realisiert nach der heutigen Praxis bereits standardmässig verschiedene Massnahmen zur Förderung der Energieeffizienz. Zu den einzelnen Forderungen der Motion ist Folgendes festzuhalten: Kantonale Neubauten werden heute bereits nach dem Minergie -P-ECO Standard erstellt. Die Warmwasseraufbereitung wird dabei zu einem bedeutenden Teil mit erneuerbaren Energien sicher gestellt. In den bestehenden rund 900 beheizten Gebäuden sind jedoch noch viele, teilweise ältere Warmwasseraufbereitungsanlagen mit Elektroboilern oder -heizungen in Betrieb. Die Umrüstung auf erneuerbare Energiequellen wird jeweils bei einem altersbedingten Ersatz der Anlagen geprüft. Eine gezielte Inventarisierung und der konsequente Ersatz energetisch veralteter Anlagen sind wünschenswert. Aus finanziellen Gründen waren die dafür erforderlichen Mittel jedoch bisher nicht im ordentlichen Unterhaltsbudget des AGG eingerechnet. Zur Förderung der Energieeffizienz bestehender kantonaler Anlagen wurde im Jahr 2010 das Programm «Betriebsoptimierungen bei Grossverbrauchern» gestartet. Während fünf Jahren werden bei den 30 grössten kantonalen Energieverbrauchern laufend die vorhandenen Einsparpotenziale identifiziert. Gestützt darauf werden energetische Optimierungsmassnahmen mit kleinem Investitionsbedarf umgesetzt. Dazu gehören beispielsweise die Verbesserungen an Steuerungsanlagen, das Nachrüsten von Thermostatventilen oder der Ersatz ineffizienter Leuchtmittel. Mit solchen oder ähnlichen Massnahmen kann unnötiger Energieverbrauch eliminiert und insgesamt können rund 10 Prozent Energie eingespart werden. Die Wirkung des Programms liesse sich mit zusätzlichen finanziellen Mitteln noch erheblich steigern. Die Beleuchtung kann Prozent des Stromverbrauchs eines Gebäudes ausmachen. Bei kantonalen Gebäuden werden seit Jahren im Rahmen des normalen Unterhalts ältere Beleuchtungen durch neue, energieeffiziente Leuchtmittel ersetzt. Eine gezielte Inventarisierung und der konsequente Ersatz veralteter Beleuchtungen wären wünschenswert, konnten aber bisher nicht aus dem normalen Unterhaltsbudget des AGG finanziert werden. Elektrische Bürogeräte haben in der Regel eine kurze Lebensdauer (weniger als 5 Jahre). Der vorzeitige Ersatz ist meist weder wirtschaftlich noch ökologisch oder energetisch sinnvoll (vorzeitige Vernichtung von Ressourcen). Bei der Beschaffung werden bereits heute konsequent Best- Practice-Kriterien angewendet. Um den Strombedarf wirksam zu senken, müssen allerdings auch die Benutzer zwingend für den richtigen Umgang mit den Geräten und der Raumbeleuchtung sensibilisiert und instruiert werden. Mit der Energiesparkampagne des AGG «Stromspare mir gä pfuus» konnten innerhalb der kantonalen Verwaltung bereits positive Erfahrungen gesammelt werden, mit einer Senkung des Stromverbrauchs um bis zu 25 Prozent. Der Regierungsrat befürwortet die Erarbeitung einer Massnahmenplanung zur Energieeffizienz. Die Planung ist allerdings nur dann zweckmässig, wenn sie anschliessend auch umgesetzt werden kann. Dazu sind erhebliche zusätzliche

224 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Morgen 663 finanzielle Mittel im Unterhaltsbudget des AGG notwendig. Um die finanziellen Möglichkeiten vorerst abzuklären, beantragt der Regierungsrat eine Annahme als Postulat. Antrag: Annahme als Postulat. Motion 106/11, Masshardt Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Die Motion verlangt, es seien Massnahmen vorzuschlagen, um die Richtlinie «Energie und Haustechnik» des Amts für Grundstücke und Gebäude auf alle öffentlichen Bauten ausweiten zu können. Neue oder sanierte Objekte des kantonalen Gebäudebestandes haben heute hohe Anforderungen an ein energie-, gesundheits- und umweltschonendes Bauen zu erfüllen. Die Richtlinie «Energie und Haustechnik» legt vorbildliche, technisch ausgereifte und wirtschaftliche Massnahmen für ein energiebewusstes Bauen fest. Nebst den einzuhaltenden Minergiestandards enthält die Richtlinie weitere Vorgaben, zum Beispiel zu maximalen Raumtemperaturen, zur Systemtrennung, zu Kommunikationsanlagen oder zu effizienten Beleuchtungen. Der Regierungsrat befürwortet grundsätzlich eine Erweiterung der Anwendung der Richtlinie «Energie und Haustechnik» auf alle öffentlichen Bauten im Kanton. Im Einzelfall könnten die Vorgaben allerdings unverhältnismässig sein. Deshalb ist es zweckmässiger einen einheitlichen Mindeststandard für öffentliche Bauten auf der Basis der Richtlinie festzulegen. Einen solchen Standard sieht das revidierte kantonale Energiegesetz zumindest teilweise vor: kantonale Bauten und massgeblich subventionierte Bauten müssen erhöhte Anforderungen bei der Energienutzung erfüllen. In der kantonalen Energieverordnung ist in diesen Fällen für Neubauten der Minergie -P Standard und für Gesamterneuerungen der Minergie -Standard vorgesehen. Mit einer gesetzlichen Ausweitung des Standards auf alle öffentlichen Gebäude liesse sich zusätzlich erheblich Strom einsparen. Allerdings bedingt dies eine Änderung des Energiegesetzes. Antrag: Annahme. Motion 107/11, Masshardt Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Die Motion verlangt Massnahmen, um die Strassenbeleuchtung im Kanton Bern sukzessiv auf LED-Technologie umzurüsten. Bei Ersatz und Neuinstallationen von Strassenlampen sollen konsequent nur noch stromsparende LED-Leuchten eingesetzt werden. Die LED-Technologie gilt als sehr energieeffiziente Beleuchtungsalternative im Innenbereich. Auch als Strassenbeleuchtung steht sie kurz vor dem Durchbruch als Lichtquelle der Zukunft. In den letzten 15 Jahren hat sich die Licht emittierende Diode von der preiswerten Hintergrundbeleuchtung für Anzeigen zur veritablen energiesparenden Alternative für Glüh- und Halogenlampen entwickelt. Erste Anwendungen in der städtischen Strassen- und Gebäudebeleuchtung sind bereits mit Erfolg realisiert worden und zeigen, dass durch den Ersatz von herkömmlichen Strassenbeleuchtungen durch LED-Leuchten bis zu 55 Prozent Energie gespart werden kann. Bei Neuerungen wird heute bei den Kantonsstrassen eine Kombination aus Natriumhochdruckleuchtmitteln, Reflektoren und Streulinsen neuester Generation eingesetzt, die ebenfalls sehr stromsparend ist. Mit dieser Kombination hat das Tiefbauamt des Kantons Bern soeben eine weitere Sanierungsetappe mit 518 Leuchtpunkten abgeschlossen und kann damit alljährlich über kw/h und 75 Tonnen CO 2 einsparen. Vorausgesetzt, dass die LED-Technologie auch in der Strassenbeleuchtung technisch und finanziell eine breite Anwendung erlauben wird, befürwortet der Regierungsrat eine adäquate, künftige Umrüstung erneuerungsbedürftiger Strassenbeleuchtungen auf LED-Lichtquellen. Für neue Strassenbeleuchtungen oder für den Ersatz bestehender Beleuchtungen durch neue kann auf Verordnungsstufe (kantonale Energieverordnung) die Verwendung von LED- Leuchten bei Kantons- und Gemeindestrassen verlangt werden. Grundlage dafür ist das neue Energiegesetz, das eine Regelung enthält, wonach die Beleuchtung energieeffizient zu betreiben ist (Artikel 52 Absatz 1 KEnG). Antrag: Annahme. Motion 108/11, SP-JUSO-PSA Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Die Motion verlangt, dass sich der Regierungsrat bei den bernischen Energieversorgern dafür einsetzt, dass ein Teil des Jahresgewinns in einen Ökofonds zur Förderung von energieeffizienten Technologien und erneuerbarer Energie fliesst. An der Energieversorgung sind nebst den Energieproduzenten auch die Stromnetzbetreiber beteiligt. Die Einführungsverordnung zum Stromversorgungsgesetz und das neue kantonale Energiegesetz sehen vor, dass den Stromnetzbetreibern Leistungsaufträge erteilt werden können. Die Aufträge können die Stärkung der Grundversorgung, die Sicherstellung der Versorgungssicherheit oder die Steigerung der Energieeffizienz betreffen. Im Rahmen solcher Leistungsaufträge können die bernischen Stromnetzbetreiber grundsätzlich beauftragt werden, einen Ökofonds zur Förderung der Energieeffizienz einzurichten. Dabei könnte es den Netzbetreibern überlassen bleiben, welche Effizienzmassnahmen sie fördern wollen. Es gilt allerdings zu beachten, dass es im Kanton Bern gegen 100, zum Teil sehr kleine Stromnetzbetreiber gibt, deren Möglichkeiten, einen Ökofonds zu speisen, sehr unterschiedlich sind. Diesen Unterschieden ist Rechnung zu tragen. Zudem ist zu prüfen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen auch die Energieproduzenten zur Speisung eines Fonds im Sinne der Motion verpflichtet werden könnten. Antrag: Annahme als Postulat. Motion 117/11, Aebersold Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft Die Motion verlangt, es seien verbindliche quantitative Zwischenziele für das Jahr 2020 festzulegen, damit die 4000-Watt-Gesellschaft bis 2035 erreicht werden kann. Welche Potenziale genutzt werden können und welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um die Ziele der Energiestrategie 2006 zu erreichen, legt der Regierungsrat für jede Legislaturperiode neu fest. Gemäss Steuerungskonzept zur Energiestrategie berichtet der Regierungsrat im ersten Jahr einer neuen Legislaturperiode über den Stand der Umsetzung der Energiestrategie und die vorgesehenen Massnahmen in der laufenden Legislatur. Die aktuelle Massnahmenplanung hat der Regierungsrat im Dezember 2010 verabschiedet (RRB 1757/2010). Über den Stand der Umsetzung der Energiestrategie wird der Regierungsrat voraussichtlich in der Novembersession 2011 zuhanden des Grossen Rates Bericht erstatten. Mit dieser Vorgehensweise werden die Massnahmen optimal dem jeweiligen verbleibenden Handlungsbedarf, dem Stand der Technik und den aktuellen Rahmenbedingungen angepasst. Dabei können auch quantitative Zwischenziele definiert werden. Antrag: Annahme. Motion 118/11, Linder Informationskampagne Energie Sensibilisierung Die Motion verlangt eine Informationskampagne und ein Anreizsystem, um die Bevölkerung zum Energiesparen und einem sorgfältigen Umgang mit Strom zu motivieren. Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Energiefragen ist sehr wichtig. Gut informierte Akteure sind die entscheidende Voraussetzung für eine Ausschöpfung der Energieeffizienz-

225 Juni 2011 Morgen Sondersession Energiepolitik potenziale und für Investitionen in erneuerbare Energien. Trotz jahrelanger Kampagnen bestehen auch heute noch wesentliche Sensibilisierungs- und Informationsdefizite. Allerdings reichen Informationsmassnahmen allein erfahrungsgemäss nicht aus. Sie wirken vor allem dann, wenn sie mit anderen Massnahmen kombiniert werden, wie Anreizsystemen (Förderprogramme oder marktwirtschaftliche Instrumente) oder lenkenden Vorschriften. Die Information über Energieeffizienz und erneuerbare Energien ist gemäss eidgenössischem Energiegesetz eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Der Bund konzentriert sich vor allem auf die sogenannte Dach- Kommunikation, d. h. die Information der breiten Bevölkerung. Informations- und Kommunikationskampagnen sind seit vielen Jahren ein zentraler Eckpfeiler der energiepolitischen Aktionsprogramme (Energie2000, EnergieSchweiz). Demgegenüber setzt der Kanton Bern primär auf die konkrete Beratung der Bürger und Bürgerinnen. Er fördert und unterstützt deshalb seit rund 30 Jahren neutrale, regionale öffentliche Energieberatungsstellen für Energiefragen. Mit den jährlichen Energieapéros fördert er den Know-how-Transfer von der Wissenschaft und Forschung in die Praxis. Zudem beteiligt er sich aktiv an Weiterbildungskursen für die Fachleute im Bereich Haus- und Gebäudetechnik. Über diese Aktivitäten hinaus kann die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der verfügbaren Mittel noch weiter ausgebaut und intensiviert werden. Antrag: Annahme. Motion 125/11, Amstutz Erneuerbare Energie: für eine kantonale Statistik Die Motion verlangt die Schaffung einer kantonalen Statistik zur Steuerung und Überwachung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Im Rahmen der Liberalisierung des Strommarktes werden zwar sehr viele Daten auch zu den erneuerbaren Energieträgern erhoben. Der Zugriff der öffentlichen Hand auf diese Daten ist allerdings sehr beschränkt. Teilweise werden sie gar fast wie Geschäftsgeheimnisse behandelt. Damit sind die Voraussetzungen nicht gegeben, um eine kantonale Statistik zur Steuerung und Überwachung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im gewünschten Umfang und mit genügender Aussagekraft zu erstellen. Die heute verfügbaren Daten erlauben grundsätzlich die erforderlichen Grobeinschätzungen zur Umsetzungssteuerung der Energiestrategie. Die Schaffung einer kantonalen Statistik wäre demgegenüber mit nicht vertretbarem Aufwand verbunden, was der Regierungsrat angesichts des schlechten Kosten-/Nutzenverhältnisses einer solchen Statistik und in Anbetracht der Finanzsituation des Kantons ablehnt. Antrag: Ablehnung. Geschäft /10 Motion Burn, Adelboden (EDU) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Frutiger, Oberhofen (BDP) Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz Obwohl eine Parlamentsmehrheit eine neue Energiesteuer abgelehnt hat, wurde die Zweckmässigkeit von Fördermassnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in den Gebäudepark nicht grundsätzlich bestritten. Deshalb beantragen wir im Hinblick auf den Voranschlag 2012 die Einstellung eines zusätzlichen Betrags für Fördermassnahmen in der Höhe von 15 Mio. Franken. Dringlichkeit abgelehnt am 31. Januar 2011 Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die Revisionsvorlage zum kantonalen Energiegesetz umfasst auch Fördermassnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudepark. Diese Massnahmen waren im Grossen Rat unbestritten und sind nun auch Teil des Energiegesetzes, wie es das Berner Stimmvolk am 15. Mai 2011 gutgeheissen hat. Zur Finanzierung dieser Massnahmen hat der Grosse Rat am 17. März 2010 eine Förderabgabe auf Strom beschlossen. Gegen die Förderabgabe (und gegen das Obligatorium für den Gebäudeenergieausweis der Kantone) wurde in der Folge ein Volksvorschlag eingereicht. Das Stimmvolk hat in der Abstimmung vom 15. Mai 2011 den Volksvorschlag sehr deutlich angenommen und sich somit gegen die Förderabgabe auf Strom ausgesprochen. Die Motion will, dass der Regierungsrat nun trotz fehlender Förderabgabe im Voranschlag 2012 einen Betrag von 15 Mio. Franken für Fördermassnahmen gemäss dem kantonalen Energiegesetz einstellt. Der Regierungsrat hat grundsätzlich Verständnis für das Anliegen der Motion. Denn auch der Regierungsrat erachtet die Förderung von Gebäudesanierungen aus energiepolitischer Sicht als wichtig und notwendig. Angesichts der dramatischen Finanzlage des Kantons, welche insbesondere ab dem Jahr 2012 von einer drastischen Verschlechterung ausgeht und ein entsprechendes Entlastungsprogramm im dreistelligen Millionenbereich notwendig macht, erachtet der Regierungsrat es aber als nicht möglich, kurzfristig neue Mittel für Fördermassnahmen im Voranschlag einzustellen. Der Regierungsrat und der Grosse Rat haben in Kenntnis der schwierigen Finanzlage die Finanzierung dieser Fördergelder mittels der Förderabgabe beabsichtigt. Nach der Ablehnung der Förderabgabe ist aus Sicht der Regierung dieser Entscheid zu respektieren. Für die Prüfung, ob und wie künftig Fördermassnahmen gemäss dem Energiegesetz finanziert werden sollen, muss nach Ansicht der Regierung nun zuerst eine sorgfältige Analyse unter Berücksichtigung der finanzpolitischen Möglichkeiten und Auswirkungen erfolgen. Antrag: Ablehnung. Wortlaut der Motion vom 1. Dezember 2010 Für den Fall, dass das Stimmvolk den Volksvorschlag «Für eine Energiepolitik ohne Bürokratie und neue Stromsteuer» annehmen sollte, wird der Regierungsrat beauftragt, im Voranschlag 2012 einen zusätzlichen Betrag von 15 Mio. Franken für Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz vorzusehen. Begründung: Wird der Volksvorschlag angenommen, entfällt die im KEnG vorgesehene neue Stromsteuer zur Finanzierung von Fördermassnahmen.

226 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 665 Elfte Sitzung Mittwoch, 15. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 150 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Erich Feller, Thomas Fuchs, Jan Gnägi, Pierre- Yves Grivel, Lorenz Hess, Natalie Imboden, Jürg Iseli, Sabine Kronenberg, Corrado Pardini, Maxime Zuber. Geschäft /11 Dringliche Motion Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) / Jenni, Oberburg (EVP) Der notwendige Ausstieg aus der Atomenergie bedingt rigoroses Sparen Geschäft /11 Dringliche Motion Bauen, Münsingen (Grüne) Massnahmenplan Energieeffizienz, der Kanton als Vorbild Geschäft /11 Dringliche Motion Masshardt, Langenthal (SP) Mehr Energieeffizienz bei allen öffentlichen Bauten Geschäft /11 Dringliche Motion Nadine Masshardt, Langenthal (SP) Für mehr Energieeffizienz: Umstellung der Strassenbeleuchtung auf LED Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Masshardt, Langenthal) Für mehr Energieeffizienz: Förderprogramm für energieeffizientere Geräte Geschäft /11 Motion Aebersold, Bern (SP) Verbindliche quantitative Zwischenziele zur Erreichung der 2000-Watt- Gesellschaft Geschäft /11 Dringliche Motion Linder, Bern (Grüne) / Grimm, Burgdorf (Grüne) Informationskampagne Energie Sensibilisierung Geschäft /11 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) Kantonale Statistik der erneuerbaren Energien Geschäft /10 Motion Burn, Adelboden (EDU) / Sutter, Grosshöchstetten (FDP) / Frutiger, Oberhofen (BDP) Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz Gemeinsame Beratung Block 4: Vorstösse zur Energieeffizienz Fortsetzung Rita Haudenschild, Spiegel (Grüne). Effizienz, Suffizienz und erneuerbare Energien: Das sind die drei wichtigen Standbeine beim Ausstieg aus der Atomkraft und beim Einstieg in die neue Energiezukunft. Bei allen dreien braucht es die Anstrengungen der Politik. Aber gerade die Energieeffizienz ist auch derjenige Bereich, in dem jeder und jede Einzelne etwas tun kann. Wir können Lampen, Fernseher und Autos kaufen, die bei der Energieeffizienz mit A, A+ oder sogar A++ klassiert sind, oder eben schlechtere Geräte. Dieser Entscheid liegt bei uns. Das Potenzial der Effizienz wird zwar unterschiedlich, jedoch von allen Seiten als ganz erheblich eingeschätzt. Frau Bundesrätin Leuthard sagt, man könne eines von fünf Schweizer AKW einsparen; andere Energiefachleute und auch gewisse Ökonomen gehen sogar von einem Potenzial von mehr als 80 Prozent aus. Die Grünen möchten aber nicht nur auf das Potenzial der Effizienz setzen; vielmehr möchte ich kurz auf das Pendant hinweisen. Und das heisst eben Suffizienz. Oder, ganz einfach, auf gut Deutsch: sparen, verzichten. Ich will das nicht unerwähnt lassen. Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn wir nicht jeden Tag waschen könnten? Wenn wir die Weihnachtsbeleuchtung am Ende der Adventszeit auch wieder ausschalten würden? Oder wenn wir ab und zu das Velo benützen würden anstatt immer das Auto? Könnte das nicht, wenn nicht zu mehr, doch vielleicht zu einer andern Lebensqualität führen? Hier ist das Potenzial unbekannt. Vielleicht wird sich aber ein Teil der Gesellschaft für einen bewussten ich betone: bewussten Verzicht entscheiden. Für uns ist eines ganz wichtig: Wir sollten heute beginnen, etwas zu machen und zu handeln. Ich habe den Eindruck, es werde bei der Umsetzung noch genügend Stolpersteine geben. Fantasie wird gefragt sein, Flexibilität und eine gewisse Kompromissbereitschaft von uns allen. Deshalb möchten wir uns heute auf den Weg machen. Der Nationalrat hat letzte Woche bekanntlich wichtige Eckpfeiler gesetzt; er will bei Geräten, Neubauten, Elektroheizungen und Strassenbeleuchtung effizienter werden, also in ganz wichtigen Bereichen. Steuern wir doch auch vom Kanton her etwas bei, überweisen wir die vorliegenden Vorstösse. Es geht auch dabei um die öffentliche Beleuchtung, um Gebäudetechnik, Information, Sensibilisierung und Schaffung von Anreizen. All das ist nötig. Darum ist für die Grünen klar, dass wir das zwar nicht gratis haben können, dass wir aber auch von der Politik her Mittel bereitstellen müssen, wenn wir die Weichen in die neue Richtung stellen wollen. Die grüne Fraktion unterstützt deshalb alle Motionen, wie sie eingereicht wurden. Wir würden alle in Motionsform unterstützen. Ich verzichte darauf, auf jeden Vorstoss einzeln einzugehen. Die Motion Amstutz wurde zwar zurückgezogen, ich möchte dennoch etwas dazu sagen. Die Grünen sind davon überzeugt, dass wir dringend mehr darüber wissen müssen, wo wir mit den erneuerbaren Energien stehen; wie viel produziert wird und welchen Anteil die einzelnen erneuerbaren Energien an der Produktion haben. Ohne diese Grundlagen können wir nicht kontrollieren, wo wir stehen, und können nicht steuern, wohin wir gehen wollen. Es kann nicht sein, dass die Energieversorger diese Daten «fast wie ein Geschäftsgeheimnis» behandeln, wie in der Antwort des Regierungsrats steht. Die Motion wurde zurückgezogen; trotzdem erwarten wir, dass die Regierung dafür sorgt, dass sie die nötigen Grundlagen für ein Controlling in der Energiepolitik einfordern kann. Bei der Motion zur Finanzierung von Fördermassnahmen sind wir zwar etwas erstaunt, dass ausgerechnet diejenigen Parteien, die zweckgebundene Förderabgaben im Energiegesetz vehement bekämpften, das nun aus dem Steuerhaushalt finanzieren wollen. Ich habe jedoch einleitend gesagt, dass wir anfangen müssen; deshalb unterstützen die Grünen auch diese Motion. Ich hoffe, die andern Fraktionen werden es auch so machen und den Schritt vom Reden zum Handeln wagen. Daniel Kast, Bern (CVP). Das Potenzial zum Energiesparen und für die effiziente Nutzung der Energie ist riesig. Energieeffizienz ist der Schlüssel zum erfolgreichen Umstieg auf erneuerbare Energien und zur Reduktion des Verbrauchs

227 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik fossiler Energieträger. Für die Parteien, die sich grundsätzlich für den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen haben und den CO 2-Verbrauch senken wollen, ist Block 4 eine Nagelprobe. Die glp-cvp-fraktion stimmt hier den meisten Vorstössen zu. Zu den einzelnen Vorstössen: Die Motion Löffel ist extrem offen formuliert. Sie geht in die richtige Richtung. Wir geben dem Motionär recht, dass allein der Ausstieg nicht reicht, es braucht vielmehr griffige Sparmassnahmen. Deshalb stimmen wir dieser Motion zu. Die Motion Bauen überweisen wir in Ziffer 1 und 4 als Motion. Die Antwort der Regierung ist uns bei Ziffer 1 etwas zu vage. Elektroheizungen und Elektroboiler sind überholt und müssen sukzessive ersetzt werden. Zu Ziffer 2 und 3: Energieeffiziente Geräte sollen erst dann ersetzt werden, wenn sie das Ende ihres Gebrauchsalters erreicht haben. Ein früherer Ersatz braucht viel graue Energie und kostet zu viel. Deshalb unterstützen wir diese Ziffern als Postulat. Der Motion Masshardt zu den öffentlichen Bauten stimmen wir zu. Wir finden, dass auch in den Gemeinden und bei den Regiebetrieben höhere Standards gelten sollen. Auch der Motion Masshardt zu den Strassenbeleuchtungen stimmen wir zu. Das Sparpotenzial ist hier sehr gross. Die dritte Motion Masshardt, zu den Ökofonds, wurde in ein Postulat gewandelt. Wir hätten sie auch als Motion angenommen. Sie ist sehr offen formuliert und verlangt lediglich, dass sich der Regierungsrat bei den Elektrizitätswerken für die Errichtung solcher Ökofonds einsetzt. Das würde sich vor allem bei den grösseren Elektrizitätswerken lohnen, beispielsweise bei der BKW. Dass es bei ganz kleinen Anbietern nicht viel Sinn macht, finden wir logisch; das wird jedoch gar nicht verlangt. Die Motionen Aebersold und Linder nehmen wir im Sinn der Regierung an. Zur Motion Burn: Weil im Hausbereich ein grosses Sparpotenzial besteht, nehmen wir diese Motion ebenfalls an. Es handelt sich aber um ein gewisses «Schlaumeier-Trickli»: Unsere Fraktion ist zwar auch der Meinung, dass in den bisherigen Budgets noch Luft vorhanden war und dass ein Sparen möglich ist. Diese zusätzlichen 15 Mio. Franken zu finden, wird aber ohne Leistungsabbau bei durchaus wesentlichen Sachen kaum möglich sein. Strombezüger zu entlasten, gleichzeitig aber andern etwas wegzunehmen, finden wir etwas schwierig. Da das Anliegen so wichtig ist, stimmen wir dennoch zu. Marc Jost, Thun (EVP). Es wird langsam schwierig, neue Worte zu finden für etwas, das wiederholt betont wurde. Vielleicht hören Sie dennoch einige neue Aspekte in meinem Votum für die EVP-Fraktion. Wer weniger Strom respektive weniger Energie verbrauchen will, hat, wie gehört, zwei Möglichkeiten. Er verwendet herkömmliche Geräte und Quellen weniger häufig als bisher und schränkt seinen Konsum ein. Der Weg der Genügsamkeit, um einmal ein anderes Wort zu verwenden, benötigt Motivation. Wenn diese beim Einzelnen nicht vorhanden ist, kann der Staat versuchen, sie zu fördern. Wenn das nicht ideell geschieht und das ist sehr häufig der Fall, muss es über das Portemonnaie erfolgen. Das ist auch die Überzeugung der EVP-Fraktion. Die zweite Möglichkeit: Wer weniger Strom verbrauchen und weniger Energie einsetzen will, erfüllt dieselbe Aufgabe mit anderen, effizienteren Mitteln. Er investiert in neue Geräte, die weniger Strom verbrauchen. Aber auch das läuft letztlich über persönliche Überzeugungen, die nicht zuletzt über die Finanzen gesteuert werden sollen. Der erste Vorstoss aus den Reihen der EVP ist sehr umfassend formuliert und meint beide Möglichkeiten: weniger und effizienter. Die Regierung wird aufgefordert, Massnahmen zu treffen und dem Grossen Rat zu präsentieren. Für die EVP ist es sonnenklar, dass AKW nicht einfach ersetzt werden können, sondern dass grosse, mutige Schritte notwendig sind, um den Einzelnen, aber auch die Gesellschaft als Ganzes dazu zu bringen, genügsamer und effizienter zu leben und zu handeln. Allerdings ist es nicht nur diese Tatsache, welche die EVP zu dieser Überzeugung führt. Vielmehr leben wir als Berner, als Schweizerinnen, als Industrienation ganz grundsätzlich über unsere Verhältnisse, was den Ressourcenverbrauch betrifft. Wenn jeder Mensch auf dem Globus so leben würde wie wir, brauchten wir drei bis vier Planeten. Das ist unverantwortlich und steht uns nicht zu. Es ist unfair gegenüber unseren Nachkommen und ungerecht. gegenüber jenen Menschen, die heute schon keinen Zugang zu diesen Ressourcen haben. So viel zur Predigt. Die EVP-Fraktion hat keine Differenzen zur Haltung der Regierung gegenüber den Vorstössen dieses Blocks. Aus EVP- Sicht ist es wichtig, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Dafür ist die Informationskampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung sehr wichtig. Es darf nicht sein, dass wir ineffizient oder verschwenderisch sind, weil wir nicht gewusst haben, wie es geht. Deshalb legen wir grossen Wert darauf, dass der entsprechende Vorstoss wirklich als Motion überwiesen wird. Sensibilisierung mag nach einer bescheidenen Forderung klingen, ihre Wirkung bei einer guten Umsetzung darf, was unsere Gesellschaft anbelangt, jedoch nicht unterschätzt werden. Es braucht Mut. Dieser Mut ist wohl auch bei einem Umstieg auf LED-Beleuchtung in der Öffentlichkeit nötig. Auch diesen Vorstoss unterstützen wir als Motion. Hier müsste man sich gleichzeitig fragen, ob es wirklich nötig ist, die Strassen überall in dieser Menge die ganze Nacht zu beleuchten. Wie gesagt, unterstützen wir die Vorstösse im Sinne der Regierung. Bei der Motion Burn ist die Mehrheit der Fraktion bereit, ein Postulat zu unterstützen, auch wenn bürgerliche Politiker hier selber plötzlich Steuergelder einsetzen wollen etwas, was sie bisher nie machen wollten. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Ich muss den Kollegen Kast enttäuschen. Die SVP wird die Nagelprobe wohl nicht bestehen. Es war viel von «Nägel mit Köpfen» die Rede, und genau das fehlt in den meisten dieser Vorstösse. Ich werde nachher noch darauf zurückkommen. Ich habe bereits gestern gesagt, es handle sich um relativ viel Augenwischerei, ohne dass man konkret wird. Es wird viel davon gesprochen, was möglich ist und was wünschbar wäre. Konkretes habe ich jedoch wenig bis nichts gehört. Man müsste sagen, wie man diese Ziele angehen will: Will man sie über Verbote erreichen, will man Zwang ausüben? Und wo nehmen die Privaten, die alles ersetzen und Neues und Energiesparenderes kaufen sollten, das Geld her? Wer gibt ihnen dieses Geld? Alle diese Fragen werden nicht beantwortet. In einigen Bereichen müssen wir zudem Bundeslösungen haben. Es kann nicht sein, dass der Kanton Bern beispielsweise im Alleingang den Strom verteuert. So etwas wird nicht möglich sein; das wissen wohl alle Beteiligten. Ich komme zur Haltung der SVP zu den einzelnen Vorstössen. Die Motion Löffel klingt zwar gut, nach Beurteilung der SVP enthält sie jedoch keine angemessenen Massnahmen, die praktikabel oder realistisch wären, um den Verbrauch massiv zu senken. Ich habe bisher jedenfalls noch nichts gehört. Wir lehnen diese Motion ab. Die Motion Bauen lehnen wir ebenfalls ab. Das kann der Regierungsrat selber machen; dafür brauchen wir keinen speziellen Massnahmenplan, wenn auch die Grundidee richtig ist. Bezüglich der Motion Masshardt für mehr Energieeffizienz bei öffentlichen Bauten hat der BDP-Sprecher, Samuel Leuenberger, eindrücklich begründet, weshalb man sie ablehnen muss. Auch wir lehnen sie ab. Die Motion für mehr Energieeffizienz würden wir als Postulat unterstützen, weil wir die Grundrichtung an sich befürworten. Es gibt jedoch noch einige Punkte, die nicht klar sind; beispielsweise, welche Kosten das für die Gemeinden

228 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 667 zur Folge hätte. Zudem enthalten die LED-Lampen Quecksilber; das Entsorgungsproblem bei einer solchen Menge an Lampen ist daher auch noch nicht zu Ende erörtert. Die Motion Förderprogramm lehnen wir auch als Postulat ab. Wir halten sie nicht für umsetzbar. Wir verweisen diesbezüglich auch auf die Abstimmung zum Energiegesetz beziehungsweise zum Volksvorschlag. Ebenfalls lehnen wir die Zwischenziele ab. Diese Zwischenziele kann man zwar wunderbar setzen, man kann auch die Motion annehmen sie wird wahrscheinlich sowieso angenommen, das nützt uns jedoch nichts. Wenn die Ziele nicht erreicht werden, werden sie eben nicht erreicht. Wie gesagt, fehlen die konkreten Massnahmen auch hier. Die Motion Linder würden wir als Postulat annehmen. Wir begrüssen ihre Stossrichtung, sind aber der Meinung, es sei nicht sinnvoll, wenn jeder Kanton seine eigene Strategie und seine eigene Informationskampagne fährt. Vielmehr sollte das überregional oder sogar auf Bundesebene geschehen. Die Motion Amstutz wurde zurückgezogen, und bei der Motion Burn ist eine Mehrheit der SVP-Fraktion für Annahme. Die Begründungen haben wir bereits gehört. Es gibt einzig einige Finanzpolitiker, die den Eindruck haben, dass wir uns das nicht leisten könnten. Grossmehrheitlich unterstützen wir den Vorstoss jedoch. Peter Flück, Brienz (FDP). Ich möchte einleitend folgende Bemerkung anbringen: Gestern habe ich in meinem Eintretensvotum klar definiert und begründet, weshalb die FDP einen geordneten Ausstieg unterstützt. Das habe ich ganz klar gesagt. Ich habe in meinem Eintretensvotum ebenfalls die Vorbehalte der FDP gegenüber verschiedenen Vorstössen und Themenbereichen angebracht. Ich möchte beliebt machen, dass man das zur Kenntnis nimmt und nicht einfach sagt, wir würden nicht Wort halten. Wir halten Wort bei dem, was wir zu halten versprochen haben. Dass man der Erhöhung der Energieeffizienz besonderes Augenmerk schenken muss, darüber sind wir uns einig, das habe ich gestern schon gesagt. Das unterstützen wir grundsätzlich. Wir können aber nicht alle Vorstösse von Block 4 vorbehaltlos unterstützen. Zur Motion Löffel: Die FDP-Fraktion wird den Vorstoss grossmehrheitlich als Motion unterstützen. Erlauben Sie mir jedoch die Bemerkung, dass zwar der Titel und der Text gut sind; über die Begründung und die Beispiele, die der Motionär aufgezeigt hat, werden wir bei der Gesetzesberatung vermutlich noch intensiv diskutieren. Bei der Motion Bauen akzeptieren wir die Haltung der Regierung; wir begrüssen, dass die Regierung die finanziellen Möglichkeiten prüfen will. Wir unterstützen die Motion Bauen als Postulat. Bei der Motion Masshardt 106/11 erachten wir es als schwierig, wenn der Kanton den Gemeinden Auflagen machen will, die er selber zum Teil nicht erfüllen kann. Wir würden den Vorstoss als Postulat unterstützen. Das Anliegen der Motion Masshardt 107/11 ist absolut berechtigt; wir unterstützen es im Grundsatz, sind jedoch der Meinung, man solle es nicht auf eine Technologie beschränken. Wenn die Regierungsrätin in ihrem Votum aufzeigen wird, dass auch andere Technologien zugelassen sind, die diesen Zweck erfüllen, sind wir bereit, den Vorstoss als Motion zu unterstützen. Zum Vorstoss Nummer 108/11 von Nadine Masshardt: Die Förderung ist grundsätzlich im Energiegesetz, das vorliegt und in Kraft gesetzt werden kann, vorgesehen. Wir sind bezüglich eines Fonds skeptisch; ich glaube, dass das Volk im Moment dafür kein Verständnis hätte. Selbstverständlich unterstützen wir die Anforderungen, die an die elektrischen Geräte gestellt werden sollen; das wird jedoch auf Bundesebene umgesetzt. Damit wird es in der Schweiz als Standard eingeführt; wir sind der Meinung, dass man den Kauf solcher Geräte nicht vonseiten des Staats finanziell unterstützen sollte. Die FDP lehnt deshalb die Motion 108/11 ab. Die Motionen Aebersold und Grimm werden von der FDP-Fraktion unterstützt; ebenso die Motion Burn. Dort geht es darum, den Versprechungen, welche die bürgerliche Seite im Abstimmungskampf gemacht hat, Leih zu halten: Die Fördergelder sollen aus dem ordentlichen Haushalt bereitgestellt werden. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Ich staune nur noch ob den Voten der SVP: Wahrscheinlich haben sie es wirklich noch nicht begriffen. Ich möchte kurz zur Motion Burn Stellung nehmen betreffend die 15 Mio. Franken. Am 15. Mai stimmte das Berner Stimmvolk einem Gesetz in einer Form zu, in der es gar nicht umsetzbar ist. Dem Gesetz wurde nämlich der letzte Zahn, das Geld, gezogen. Es kann also so nicht umgesetzt werden. Dafür tragen viele Ratsmitglieder eine Mitverantwortung. Wir benötigen das Geld aber trotzdem. Das haben wir gehört. Ich verstehe, dass die Regierung diese Motion ablehnt. Was heisst das? Alle Direktionen werden irgendwo 15 Mio. Franken einsparen müssen. Die Grünen sind da sehr skeptisch. Wir können folgendes Fazit ziehen: Wir haben es zustande gebracht, das Volk so zu verwirren, dass es eine Notwendigkeit abgelehnt hat. Werte Kolleginnen und Kollegen: Fördern können wir nur mit Steuergeldern, sei es mit der Stromsteuer, der Handänderungssteuer oder der ordentliche Steuer. Etwas haben wir sicher zustande gebracht, nämlich dass der Sparanreiz verschwunden ist. Es zahlen nun einfach alle dafür. Trotzdem werden wir den Vorstoss als Motion annehmen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass wir die Fördermassnahmen umsetzen und die 3000 Häuser pro Jahr sanieren müssen. Ich bitte den Rat um Annahme der Motion Burn. Daniel Kast, Bern (CVP). Ich bin nicht enttäuscht von Ihrem Votum, Grossrat Blank. Mit den Parteien, die Nägel mit Köpfen machen sollen, habe ich keineswegs die SVP gemeint. Mir ist klar, dass die SVP zur Lösung der Probleme, die wir im Umweltschutz- und Klimabereich sowie bei den Ressourcen haben, nichts beitragen will. Dennoch möchte ich noch etwas dazu sagen. Schauen wir uns einmal an, wer wegen Fukushima am meisten gelitten hat: Es sind die Fischer, die ihre Fischgründe verloren haben; es sind die Bauern, denen nun das Land fehlt, weil es nicht mehr bebaubar ist; es sind die Gewerbler, die ihre Standorte und ihre Kunden verloren haben; es sind die Hauseigentümer, deren Häuser ihren Wert verloren haben, weil sie für die nächsten hundert Jahre nicht mehr bewohnbar sind. Es handelt sich tout juste um die Klientel, welche von der SVP vertreten wird. Beim Klimaeffekt kann man gleich weiterfahren: Von der Trockenheit werden in erster Linie die Bauern betroffen sein. Als Lehrer habe ich es relativ einfach: Ich kann auch an einem andern Ort unterrichten. Lehrer braucht es überall. Die Bauern sind jedoch in einem ganz besondern Mass von Umwälzungen wie atomaren Unfällen oder Klimaauswirkungen betroffen. Von daher mein Fazit: Die SVP vertritt ihre Klientel gar nicht gut. Andreas Blank, Aarberg (SVP). Irgendwie fehlte der Zusammenhang, aber ich bin überrascht, dass Grossrat Kast nicht noch mehr Unglück in der Welt aufzählen konnte, für das die SVP verantwortlich sein soll. Ich habe es nicht begriffen. Ich habe lediglich gesagt, dass keine konkreten Lösungsvorschläge vorliegen, um diese Probleme zu bewältigen. Es wird viel Wind produziert, Handfestes, Konkretes ist aber nicht vorhanden. Sie werden noch erleben, wie schwierig es ist, wenn Sie wirklich etwas umsetzen wollen. Wenn Mühleberg wirklich so gefährlich ist, müssen wir nicht zwanzig

229 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik oder dreissig Jahre warten, dann müssen wir es morgen schon abstellen. (Heiterkeit) Dann müssen Sie aber auch die Konsequenzen auf der Stromversorgungsseite tragen. Und genau Ihre Klientel wird das nicht wollen. Wenn der Strom viermal so teuer ist, möchte ich Ihre Wähler fragen, wie zufrieden sie damit sind. Ruedi Löffel, Münchenbuchsee (EVP). Ich wandle nicht in ein Postulat; es sieht bekanntlich nach Zustimmung aus. Ich danke denen, die rigorose Sparmassnahmen unterstützen. Wir haben hier im Rat ein eigenartiges Völkchen: Gestern, als es nach meinem Dafürhalten fast mehr um Symbolik ging, konnte niemand über den Fraktionsschatten springen. Und jetzt, da ich in Anspruch nehme, dass zumindest in der Begründung zu unserer Motion, Andreas Blank, drei ganz konkrete Aussagen stehen, wie solche Massnahmen aussehen könnten, sieht es nach einer Zustimmung aus. Es geht uns um eine massive Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs. In der Begründung haben wir, wie gesagt, drei Beispiele aufgeführt. Es geht uns nicht um Lippenbekenntnisse oder um unverbindliche Absichtserklärungen. Stimmen Sie der Motion lieber nicht zu, wenn Sie nicht gewillt sind, ihren Wortlaut zu lesen. Ich musste mir gestern bei der ersten Motion sagen lassen, es komme auf den Text an. Im Text steht, dass wir den Regierungsrat verpflichten wollen, eine massive Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs zu erreichen. Letztlich ist hier wohl allen klar: Es wird vor allem über das Portemonnaie laufen. Ich wäre bereit, das Vier- oder Fünffache des Strompreises zu zahlen. Dann würde es richtig einschenken und man müsste wirklich anfangen, sein Verhalten zu ändern, auch in meiner eigenen Familie. Ich danke für die Unterstützung der Motion, aber auch für Ihre Mithilfe bei Gesetzesänderungen oder andern Folgen, wenn die Regierung diese Massnahmen vorschlägt. Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Von der BDP habe ich gehört, wer A wie Atomausstieg sage, müsse auch B für mich B wie bezahlen sagen. Kollege Blank sagte, es sei nichts Konkretes vorhanden. Was ist denn konkreter als meine Motion, die klar den Ersatz von Elektroheizungen und ineffizienten Geräten fordert!? Nichts destoweniger danke ich für die Diskussion und dafür, dass man sich auch mit meiner Motion beschäftigt hat. Ich erkenne, dass man das Anliegen im Grundsatz unterstützen will. Ich bin mir bewusst, dass meine Forderungen wohl etwas weit gehen. Ich bin deshalb bereit, die Motion in ein Postulat zu wandeln, und würde mich sehr freuen, wenn das Postulat unterstützt würde. Nadine Masshardt, Bern (SP). Auch ich danke für die grundsätzlich sehr gute Diskussion. Ich habe die Hoffnung, dass wir tatsächlich ein paar Nägel mit Köpfen machen können. Ich danke denjenigen ganz herzlich, die unsere Vorstösse unterstützen. Ich habe das Votum der SVP nicht wirklich verstanden. Wenn es um konkrete Massnahmen geht, dann hier, und zwar bei allen drei Vorstössen, die ich eingereicht habe, insbesondere aber beim Vorstoss zu den LED- Leuchten. Die SVP sagte auch, es gebe da keinen Bereich, in dem der Energieverbrauch massiv gesenkt werden könne. Sie können es aber in der Antwort des Regierungsrats lesen: Bei LED kann man mit der laufenden Umrüstung mehr als 50 Prozent Strom einsparen. Das stimmt also nicht. Und noch ein dritter Punkt: LED-Leuchten enthalten kein Quecksilber. Auch das möchte ich hier festhalten. Ich bitte Sie um Unterstützung meiner Vorstösse. Die Motion zum Förderprogramm habe ich bereits in ein Postulat gewandelt; ich bitte Sie, dort das Postulat zu unterstützen. Wir haben es heute in der Hand, aufzuzeigen, in welche Richtung wir gehen wollen. Den Atomausstieg beziehungsweise keine neuen AKW haben wir gestern beschlossen; da sind wir uns einig. Der Energieverbrauch und die Energieeffizienz sowie die Förderung erneuerbarer Energien, die im nachfolgenden Block diskutiert werden wird, sind die weiteren wichtigen Pfeiler. Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). Ich fasse mich kurz: Vielen Dank für die breite Unterstützung dieses Vorstosses. Es handelt sich wirklich um etwas Sinnvolles. Und an die Adresse der SVP: Ich kann nicht ganz verstehen, dass man eine solche Informationskampagne nur als Postulat unterstützen will. Ihnen wie auch uns allen sind bekanntlich die Bürgerinnen und Bürger dieses Kantons sehr wichtig. Nicht alle Leute haben Zugang zu Informationen, das ist eine Tatsache. Deshalb bitte ich Sie, es sich noch einmal zu überlegen und eventuell doch den grünen Knopf zu drücken. Ich wandle meinen Vorstoss nicht. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ich stelle aus folgendem Grund noch zwei Fragen: Wir haben in der Fraktion die Vorstösse vorbereitet. Im Lauf der Diskussion hat sich herausgestellt, dass es die Motionärinnen zum Teil anders verstehen. Die Frage zu LED wurde bereits gestellt. Ich bin gespannt auf die Antwort. Zur Energieeffizienz bei öffentlichen Bauten in den Gemeinden: Im Text steht ganz klar, dass es eine Änderung des Energiegesetzes braucht. Wir möchten von der Energiedirektorin wissen, ob man den Gemeinden ebenfalls einen finanzpolitischen Vorbehalt gewähren würde, wie das beim Kanton gemacht wird, oder ob man dort «auf tutti gehen» und sie anders behandeln würde als den Kanton. Bei der Motion Masshardt bezüglich Förderungsbeitrag an energieeffiziente Geräte, die in ein Postulat gewandelt wurde, bin ich etwas im Clinch. Wir hatten eigentlich gesagt, dass wir neue Ökofonds ablehnen wollen. Handelt es sich um eine reine Aufforderung an die Regierung, sich bei den EW zu erkundigen, ob man das auf freiwilliger Basis umsetzen will oder nicht? Oder ist es eine Verpflichtung zur Einführung eines Ökofonds? Ich wäre froh um eine Klärung durch Frau Egger. Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Ich möchte zunächst die Fragen klären, da bis auf die Motion Burn keine Differenz zu den Regierungsanträgen mehr besteht. Zur LED-Technologie: Wie wir bereits in der Antwort ausgeführt haben, sind auch andere sparsamere Technologien möglich, sofern sie vorhanden sind. Im Moment sind bekanntlich LED-Beleuchtungen für Strassen noch nicht geeignet. Ich betone: noch nicht geeignet. Deshalb macht das Tiefbauamt mit anderen Technologien gute Erfahrungen und grosse Einsparungen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die LED-Leuchten erstens billiger werden und sich zweitens ebenfalls für die Strassenbeleuchtung eignen werden. Wenn es andere Leuchttechnologien gibt, mit denen wir dieselben Einsparungen erzielen können und die genauso günstig sind, wie wir es uns von den LED-Beleuchtungen erhoffen, gelten jene selbstverständlich auch. Man kann uns nicht zwingen, eine Technologie zu verwenden, wenn andere zur Verfügung stehen, die den Zweck ebenso erfüllen. Das ist für mich ganz klar. Zur zweiten Frage, öffentliche Bauten in den Gemeinden: Es ist tatsächlich so, dass wir für so etwas eine gesetzliche Grundlage brauchen. Wir haben zurzeit keine gesetzliche Grundlage, um das zu verfügen. Wie das ausgestaltet würde, auch finanziell, kann ich im Moment nicht sagen. Wir haben geschrieben, es brauche eine Änderung des Energiegesetzes, allenfalls würde es sogar eine Änderung des Gemeindegesetzes erfordern und eventuell auch des Baugesetzes. Ganz sicher wäre jedoch eine Änderung des Energiegesetzes notwendig; und da müsste der Grosse Rat auch über die

230 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 669 Ausgestaltung der finanziellen Auswirkungen befinden. Die dritte Frage, zum Ökofonds: Über dessen Ausgestaltung können wir auch noch nicht mehr sagen. Ich bin froh, dass Grossrätin Masshardt in ein Postulat gewandelt hat. Auf diese Weise können wir die Fragen, die sich dabei stellen, alle noch prüfen. Damit komme ich zu den grundsätzlichen Bemerkungen zu den Motionen zur Energieeffizienz. In der Energiestrategie 2006 sagte der Regierungsrat klar, dass die Energiezukunft Energieeffizienz und Förderung erneuerbarer Energien beinhaltet. Sie haben gestern nicht den raschen Atomausstieg beschlossen, Sie haben aber zumindest entschieden, eine Standesinitiative einzureichen, wonach sich der Regierungsrat dafür einsetzen soll, dass keine neuen AKW gebaut werden. In dem Sinn haben Sie den Weg des Bundesparlaments eingeschlagen. Das heisst aber, dass irgendwann in absehbarer, überschaubarer Zeit alle AKW vom Netz gehen werden, ob man das will oder nicht. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Für diese Vorbereitung braucht es ein rigoroses Sparen, das heisst: Energieeffizienz. Dort müssen wir alle Massnahmen prüfen, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist. Der zweite Punkt das wird der nächste Block sein ist die Förderung erneuerbarer Energien. Von daher finde ich die Vorstösse sehr wichtig und auch richtig. Ich bin froh, dass Sie den Antworten der Regierung gefolgt sind, und ich bitte Sie, diese Vorstösse gemäss den Regierungsanträgen zu überweisen. Zur Motion Burn: Dieses Anliegen würde eigentlich in die Sondersession Finanzpolitik gehören. Von daher fände ich es nicht schlecht, wenn Herr Burn seinen Vorstoss in ein Postulat wandeln würde. Ich weiss, dass er es wohl nicht machen wird, wenn ich ihn darum bitte. Ich finde es jedoch nicht in Ordnung, wenn der Grosse Rat jetzt über zusätzliche Ausgaben von 15 Mio. Franken beschliessen muss, ohne zu wissen, wie die Finanzsituation des Kantons und das Sparpaket der Regierung konkret aussehen, und ohne zu wissen, wie viel in den einzelnen Direktionen eingespart wird. Es gibt zwei Gründe, weshalb ich Sie dringend bitte, diese Motion abzulehnen, sofern Herr Burn nicht bereit ist, in ein Postulat zu wandeln. Erstens: Er will, dass im Budget 2012 diese 15 Mio. Franken eingestellt werden. In dem Fall hätten wir, wenn es nach Herrn Burn ginge, 15 Mio. Franken für das kommende Jahr falls wir es überhaupt umsetzen können. Es gibt, liebe Grossrätinnen und Grossräte, auch Fälle, in denen die Regierung Unvernünftiges nicht umsetzen muss. Vielleicht werden Sie im November, wenn Sie die Details des Ganzen kennen, an meine Worte denken. Gehen wir einmal davon aus, wir würden diese 15 Mio. Franekn einstellen: Damit hätten wir für ein einziges Jahr 15 Mio. Franken mehr an Fördergeldern. Was passiert aber mit all denen, die erst 2013 mit einer Sanierung beginnen? Die erhalten nichts mehr, weil das Geld nur für das Jahr 2012 vorhanden ist. Diese Motion geht also gar nicht auf; sie ist nicht umsetzbar und schadet den Bürgerinnen und Bürgern sowie einem Förderprogramm mehr, als sie nützt. Zweitens: Ich komme noch einmal auf das Entlastungsprogramm zurück. Sie werden dem Entlastungsprogramm entnehmen, dass wir in allen Direktionen rigoros sparen müssen, und zwar in der Laufenden Rechnung und bei den Investitionen. Die BVE hat ein sehr kleines Budget Laufende Rechnung, mit Ausnahme der Abgeltungen für den öffentlichen Verkehr. Dabei handelt es sich um einen grossen Betrag. Ich gehe davon aus, dass ich diese 15 Mio. Franken irgendwie einsparen muss, wenn ich sie in der Laufenden Rechnung neu ausgebe. Ich kann mir kaum vorstellen, dass beispielsweise der Erziehungsdirektor bereit wäre, noch einmal 15 Mio. Franken einzusparen. Nun, liebe Grossrätinnen und Grossräte, vielleicht erinnern Sie sich an die letzte Session. Da ging es um die Kompensation von 5 Mio. Franken beim ÖV. Ich fing an, die Linien aufzuzählen, die gestrichen werden müssten und war noch nicht fertig, als es bereits Interventionen von ihrer Seite gab. Dabei wäre es um 5 Mio. Franken gegangen, und schon das hätte einen relativ grossflächigen Abbau von ÖV-Leistungen im ganzen Kanton bedeutet. 15 Millionen sind dreimal so viel! Ich sage es noch einmal, ich hatte damals noch nicht alle Linien aufgezählt wollen Sie das? Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe. Und das für ein Jahr Fördergelder, die wir einfach denen auszahlen können, die 2012 zufälligerweise etwas sanieren, und nachher ist wieder Schluss. Das sind die Überlegungen, die der Regierungsrat bei der Ablehnung der Motion angestellt hat. Es ist finanzpolitisch wirklich nicht in Ordnung, wenn Sie dieser Motion nun zustimmen. Sollte sie nicht gewandelt werden, würden Sie im November selber sehen, dass sie nicht umsetzbar ist. Ich bitte Sie deshalb, die Motion abzulehnen. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Nach dem Votum der Regierungsrätin wird die FDP die LED-Motion annehmen. Die Motion Masshardt zur Ausdehnung der Vorbildfunktion des Staats auf Gemeindebauten werden wir ebenfalls annehmen, allerdings unter dem ganz klaren Vorbehalt, dass wir bei einer allfälligen Gesetzesrevision aus finanzpolitischen Gründen Ausnahmen vorsehen müssen: gleiches Recht für den Kanton wie für die Gemeinden. Alles andere wäre merkwürdig. Wir hätten eigentlich ein Postulat als sachrichtig erachtet. Das Postulat Masshardt bezüglich Förderprogramm werden wir ebenfalls mehrheitlich annehmen. Ich habe zu spät gemerkt, dass ich in diesem Fall schlecht Nein sagen kann, weil nämlich der Gemeinderat von Nidau unter freisinniger Führung demnächst dem Parlament genau ein solches Reglement zur Genehmigung vorlegen wird. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Ich habe intensive Gespräche mit meinen Mitmotionären geführt. Aber auch da ist die Meinung nicht einhellig. Ich muss vielleicht noch einmal auf den Grund zurückkommen. Wir wurden von der linken Seite in jener Debatte etwas angeschwärzt, insbesondere von Flavia Wasserfallen. Es ist nicht glaubwürdig, wenn man sagt, man wolle Geld beiseitelegen, jedoch nicht mithelfen will, die Energiesteuer zu machen. Damit sollte sie einfach «bodiget» werden, sonst nichts. Ich fand damals, sie habe recht. Ich musste das so entgegennehmen. Deshalb reichte ich diese Motion ein, in dem Sinne, dass man ein Tor öffnet und aufeinander zugeht, so wie es zu Beginn der Sondersessionsdebatte gesagt wurde. Aus dieser Überlegung heraus belasse ich es bei der Motion. Wir haben bekanntlich ein Budget von 10 Mrd. Franken, und verlangt wird hier die Einstellung von 15 Mio. Franken im Jahr Allenfalls wird es weitergezogen in die Jahre 2013 und folgende. Das ist auch ein wenig die Sache der Regierung. Deshalb sollte das machbar sein. Andernfalls verstehe ich auch nicht, wie ernst es uns mit der Debatte ist, die wir hier führen. Wenn wir nichts fördern und kein Geld bereitstellen wollen, brauchen wir keine stundenlangen Energiedebatten zu führen und brauchen nicht zu sagen, was wir anders und besser machen könnten. In dem Sinn bitte ich den Rat, die Motion zu unterstützen. Letztlich ist die Sache dem Budget und der Schuldenbremse unterstellt. Wenn der Kanton Bern kein Geld hätte, würde er das auch nicht unterstützen. Adrian Wüthrich, Huttwil (SP). Ich glaubte, es gebe für mich zwei ruhigere Tage und ich könne mich bei der Diskussion zur Energiepolitik etwas zurücklehnen. Wenn es jedoch dem ÖV im Kanton Bern an den Nerv geht mit Ihrer Motion, lieber Grossrat Burn, komme ich nicht darum herum, davor zu war-

231 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik nen, jetzt 15 Millionen zu sprechen. Das Anliegen ist sinnvoll und die Gründe von Grossrat Burn sind sicher hehr, wenn er den Versprechen des Wahlkampfs Taten folgen lassen will. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich warne davor, jetzt 15 Millionen zu sprechen, welche die BVE anschliessend einsparen muss, und zwar beim ÖV. Bis gestern konnte man sich zum Fahrplanentwurf des nächsten Jahres äussern. Es ist gar nicht möglich, so viel einzusparen. Lehnen Sie diese Motion deshalb bitte ab. Es ist eine Kahlschlagmotion, die sicher nicht das Ziel trifft, das sie erreichen wollte. Ich finde es seltsam, dass man nun die Regierung mit einer solchen Motion in den Schwitzkasten nimmt. Ich danke für die Ablehnung. Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Grossrat Burn hat bereits heute Morgen die Geschichte etwas anders erzählt, als sie ist; als es um die BEKB ging, und jetzt wieder. Herr Grossrat Burn, Sie sind doch lange genug Mitglied des Grossen Rats, um zu wissen, dass die Regierung über diesen 10-Mrd.-Haushalt nicht frei verfügen kann. Bei sehr vielen Haushaltsposten sind wir zur Zahlung verpflichtet, ohne dass wir etwas dazu zu sagen haben. Frei verfügbar ist nicht besonders viel. Es ist zwar nett, dass der ÖV nun so stark in Schutz genommen wird. Das Problem ist aber, dass Sie, werte Grossrätinnen und Grossräte, nicht wissen, wie das Entlastungspaket aussieht. Sie sollten jetzt abwarten und zuerst sehen, wo überall eingespart wird. Ich wiederhole: Die BVE hat, was die Laufende Rechnung betrifft, ein sehr kleines Budget. Dort mussten wir relativ viel einsparen; das tut bereits ziemlich weh. Mehr können wir nicht verantworten. Ich habe noch einen grossen Posten, den ÖV. Dort sind 15 Millionen jedoch wahninnig viel. Ich sage es noch einmal: Herr Grossrat Burn sagte, die Regierung könne in den Jahren 2013, 2014 und 2015 selber weiterschauen. Das ist aber nicht der Fall: Die Budgethoheit liegt beim Grossen Rat. Er müsste nachher jedes Jahr, im Wissen darum, wie viel Defizit wir verursachen, zusätzliche 15 Millionen sprechen. Das steht einfach in den Sternen. Die Verantwortung nun einfach der Regierung zuzuschieben, grenzt an Zwängerei, Herr Grossrat Burn. Ich bitte den Rat noch einmal dringend, den Vorstoss abzulehnen. Präsident. Nun stimmen wir über die Motion 107/11 ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 107 Stimmen 41 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Der nächste Vorstoss, M 108/11 wurde ebenfalls ins Postulat gewandelt. Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen 104 Stimmen 42 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Die nächste Abstimmung erfolgt über M 117/11. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 96 Stimmen 51 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Nun stimmen wir über die Motion M 118/11 ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 97 Stimmen 49 Stimmen 2 Enthaltungen Präsident. Die Motion 125/11 von Herrn Amstutz wurde zurückgezogen. Es folgt die letzte Abstimmung diese Blocks, über den Vorstoss M 258/10. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 73 Stimmen 51 Stimmen 23 Enthaltungen Präsident. Wir stimmen als erstes über die Motion M 072/11 ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 96 Stimmen 48 Stimmen 3 Enthaltungen Präsident. Es folgt die Abstimmung über den Vorstoss M 099/11, der ins Postulat gewandelt wurde. Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen 100 Stimmen 48 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Als nächstes folgt die Abstimmung über die Motion M 106/11. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 80 Stimmen 65 Stimmen 3 Enthaltungen Präsident. Bezüglich des Zeitpunkts der beiden Sondersessionen hat die Präsidentenkonferenz, die gemäss GO den Zeitpunkt wie auch die Traktandenliste festlegt, an einer ausserordentlichen Sitzung heute Mittag wie folgt entschieden: Die Sondersession Finanzen findet gemäss dem Antrag der FIKO in der Novembersession statt. Die Novembersession wird deshalb um einen Tag verlängert. Der Donnerstag, 1. Dezember, wird dieser zusätzliche Tag sein. Die Plenarsitzung der Kommission für Parlamentsrechtsrevision, die am 1. Dezember angesetzt war, wird auf den 2. Dezember verschoben. Die Sondersession Gesundheit findet in der Septembersession statt. Über den Inhalt der beiden Sondersessionen wird erst zu einem späteren Zeitpunkt beraten werden. Das hat jedoch Auswirkungen auf die Geschäfte der GEF von morgen. Da wir ziemlich im Verzug sind, werden wir morgen zu Beginn der GEF-Geschäfte festlegen, welche noch in dieser Session behandelt und welche in die Septembersession verschoben und im Rahmen der Sondersession behandelt werden. Damit werden in diesem Jahr drei Sondersessionen stattfinden: Mein Präsidialjahr besteht also mehrheitlich aus Sondersessionen. Falls Sie möchten, dass es vollständig aus Sondersessionen besteht, können Sie für die zwei weiteren Sessionen noch entsprechenden Vorschläge einbringen.

232 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 671 Geschäft /11 Motion Haudenschild, Spiegel (Grüne) Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen Geschäft /11 Dringliche Motion Haudenschild, Spiegel (Grüne) Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri) Solarkollektoren statt Atombunker Geschäft /11 Dringliche Motion Bauen, Münsingen (Grüne) Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild Geschäft /11 Dringliche Interpellation Aebersold, Bern (SP) Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt! Geschäft /11 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) BKW unterstützt erneuerbare Energien Geschäft /10 Motion glp-cvp (Flückiger, Bern / Schöni-Affolter, Bremgarten) Mehr erneuerbare Energie für die Pumpspeicherung verwenden Geschäft /10 Interpellation Hofmann, Bern (SP) Wird mit dem Investitionsprogramm KWO plus per Saldo wirklich mehr Strom produziert? Geschäft /11 Postulat Imboden, Bern (Grüne) Bern erneuerbar: Erneuerbare Energien und Arbeitsplätze in der Region fördern statt behindern Geschäft /11 Motion Müller, Bowil (SVP) / Reber, Schangnau (SVP) / Moser, Landiswil (SVP) / Messerli, Kirchdorf, (SVP) / Augstburger, Gerzensee (SVP) Energie aus Aarewasser Geschäft /11 Motion Scheuss, Biel (Grüne) Wirbelkraftwerke Geschäft /11 Interpellation Ruchti, Seewil (SVP) Förderung von landwirtschaftlichen Biogasanlagen durch den Kanton Bern Geschäft /10 Motion FDP (Flück, Brienz / Moser, Biel) Kantonaler Windrichtplan (Wortlaut der Vorstösse sowie Antworten der Regierung im Anschluss an diese Sitzung auf Seite 684 ) Gemeinsame Beratung Block 5: Vorstösse zu Erneuerbaren Energien Rita Haudenschild, Spiegel (Grüne). Zur Motion M 083/11 Das ist nicht die erste Standesinitiative, welche zur KEV eingereicht wird, ich weiss. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass wir nach wie vor Druck machen müssen. Die Kostendeckende Einspeisevergütung ist das Förderinstrument für erneuerbare Energien, wenn sie gut funktioniert. Wir haben es gestern an der Mittagsveranstaltung gehört: Es gibt kein effizienteres Mittel, keine effizienteren Fördermassnahmen, auch in andern Ländern nicht. Wenn sie dagegen nicht so richtig funktioniert, behindert sie leider den Ausbau etwas. Die heutige KEV begrenzt den Solarstrom unnötig. Seit diesem Jahr ist zwar der Anteil von Solarstrom am Gesamttopf von 5 auf 10 Prozent erhöht worden. In diesem Topf liegen ungefähr 250 Mio. Franken pro Jahr. Aber bereits 2009 lagen 100 Mio. brach, während auf der andern Seite eine lange Warteliste bei Solaranlagen besteht, welche nicht gefördert werden können. Im Kanton Bern betraf das im letzten Jahr mehr als 1000 Anlagen. Ich möchte deshalb, dass die interne Begrenzung aufgehoben wird. Ich weiss: Es ist sehr viel im Fluss, vor allem auch auf nationaler Ebene. Der Nationalrat beschloss letzte Woche, den Deckel der KEV anzuheben. Beim Ständerat ist es noch nicht ganz klar, ebenso wenig ist klar, wie es mit der internen Aufteilung aussieht. Darum bitte ich den Rat, der Regierung trotz der ganzen Bewegung in diesem Bereich den Auftrag zu erteilen, sich beim Bundesrat für die Aufhebung der internen Begrenzung und noch einmal für die Erhöhung der KEV-Abgabe einzusetzen. In der Kommissionsmotion zu «Bern erneuerbar» war das auch ein Anliegen. Es war ein Teil der Kommissionsmotion, die uns vorlag. Umso mehr hoffe ich, dass es auch heute noch Bestand hat. Ich bitte Sie, die Standesinitiative zu unterstützen. Zur zweiten Motion: Diese Motion liegt mir sehr am Herzen. Ich habe vorhin ausgeführt, dass die KEV das massgebende Instrument für die Förderung erneuerbarer Energien ist, vor allem auch von Solarstrom. Ebenso legte ich dar, dass es Wartelisten gibt. Wie sieht es nun aus, wenn man selber als Privatperson oder als Gemeinde auf dieser Warteliste ist, weil man eine Anlage gebaut hat oder bauen will? Die Gemeinde Köniz ist beispielsweise dabei, auf dem Dach eines der Schulhäuser eine Solaranlage zu errichten. Für unser Schulhausdach werden wir wahrscheinlich in zwei, drei Jahren eine Einspeisevergütung erhalten. Es ist ein grosses, gut ausgerichtetes Dach. Bei kleinen Anlagen zu Hause auf den eigenen Hausdächern ist das nicht ganz sicher. Was geschieht also mit dem Strom, den ich produziere? Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen. Zuerst muss ich vorausschicken, dass ich mit der Strommarktliberalisierung meinen Zähler nicht mehr einfach zurücklaufen lassen kann. Ich muss den Strom einspeisen und anschliessend zurückkaufen. Zu den entsprechenden Zahlen kann ich Interessierten nachher Unterlagen abgeben. Im BKW-Gebiet erhalte ich für die Einspeisung von Solarstrom 9,8 Rappen, muss jedoch den Strom für 25,5 Rappen zurückkaufen. Ich habe eine Zusammenstellung des Kassensturzes vor mir, welche zeigt, dass die BKW leider absolut auf dem Schlussrang ist. Es wird also Geld herausgeholt, und ich werde gewissermassen zweimal gelinkt. Die BKW schöpft 15,7 Rappen ab. Wenn ich hier einspeisen könnte, wo wie heute alle sitzen, sähe es anders aus: Energie Wasser Bern (EWB) macht es ungefähr eins zu eins. Sie kassiert etwas Weniges für die Netznutzung: 19,8 Rappen kostet der Strom, und 19 Rappen werden vergütet. Gehen wir Richtung Zürich, sehen wir, dass es dort Werke gibt, die genau auf der andern Seite des Spektrums sind; zum Beispiel das Stadtwerk Winterthur, das sage und schreibe 61 Rappen für die Einspeisung vergütet, während die Konsumentin oder der Konsument 20,6 Rappen für den Strom bezahlen muss. Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist ein sehr grosses Hemmnis. Deshalb bitte ich

233 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Sie, dieser Motion zuzustimmen, damit der Kanton mithelfen und zum Beispiel subsidiär unterstützen würde. Die «Winwin-win-Situation» für die BKW «win» für die Entlastung des Netzes, «win» für den tiefen Preis, den sie zahlt, und «win» für den hohen Preis, den sie selber verlangen kann ist ein Hemmnis für alle, die etwas machen möchten. Ich habe zwar nicht gerade dreimal eine «Lose-Situation», aber doch eine «Win-lose-lose-Situation» ; «win»: Ich mache etwas für mein Herz; «lose»: Ich zahle viel, und «lose»: Ich bekomme fast nichts, nicht einmal eins zu eins, was an sich reichen würde. Ist das die Offenheit, die wir von unserem Stromunternehmen verlangen oder erwarten, damit erneuerbare Energien, vor allem auch Solarenergie, gefördert werden? Ich denke nicht. Da müsste ein Schritt getan werden. Es wäre ein Vorteil, wenn der Kanton subsidiär etwas tun würde, wenigstens eine Zwischenüberbrückung. Ich bitte Sie deshalb, die Motion zu unterstützen. Zu den beiden Ziffern zur Finanzierung: Ich kann mir gut vorstellen, die Finanzierung von Energiemassnahmen in der Sondersession im November debattieren zu lassen. Die Langfristigkeit ist mir ebenfalls ein sehr wichtiges Anliegen. Ich danke schon jetzt für die Unterstützung der Motion. Roland Näf-Piera, Muri (SP). Ich werde die Motion in ein Postulat wandeln. Wie man lesen konnte, wollte der Nationalrat zuerst die Schutzraumpflicht bei kleineren Gebäuden von Privateigentümerinnen und -eigentümern aufheben. Der Ständerat hat anders entschieden. Das Verfahren ist noch offen. Da wir noch nicht mit Sicherheit sagen können, ob es weiterhin Schutzräume geben wird und diese Pflicht weiterhin bestehen bleibt, werde ich den Vorstoss in ein Postulat wandeln. Ich denke, in Zukunft wird für unsere Sicherheit wesentlich wichtiger sein, dass wir in Sachen Energie vorwärtsmachen und die Leute dazu verpflichten, ihre Dächer sinnvoll einzusetzen. Das wird sehr viel wichtiger sein als die Schutzräume. Im Grunde genommen geht diese Motion viel zu wenig weit. Es sollte schlicht und einfach nicht mehr möglich sein, dass ein gut positioniertes Dach nicht eingesetzt wird, sei es für Solarkollektoren zur Wärmegewinnung und Warmwasseraufbereitung oder für Photovoltaik. Ich halte die Motion deshalb als Postulat aufrecht. Präsident. Der Motionär hat seinen Vorstoss in ein Postulat gewandelt. Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom: Wieso diese Motion? Soll der Weg aus der Atomenergie erfolgreich sein, muss die Sonnenenergie vermehrt genutzt werden. Der Kanton soll meines Erachtens dabei eine Vorbildrolle übernehmen. Er soll die geeigneten Flächen entweder selber nutzen oder Dritten zur Verfügung stellen. Die Motion zielt bewusst auf die Photovoltaik ab. Thermische Anlagen erfordern eine weitgehende Integration in die bestehende Haustechnik und sollen daher weiterhin vom Kanton selber erstellt werden. Es geht also um die Flächen für die Nutzung zur Solarstromerzeugung. Die Flächen sollen möglichst unkompliziert für die Produktion von Solarstrom genutzt oder zur Verfügung gestellt werden können. Der Kanton soll jedoch nicht gezwungen werden, die Anlagen selber zu bauen und allein zu finanzieren und zu betreiben. Viel besser wäre es, solche Flächen Dritten zur Verfügung stellen zu können. Damit würden wir das Ziel eines grossen Solaranteils an unserer Stromversorgung viel schneller erreichen. Ich bin sicher, dass der Kanton auch aufgrund der Beschlüsse des Nationalrats von letzter Woche schon bald mit Anfragen zur Realisierung von Solaranlagen auf seinen Gebäuden und Anlagen überhäuft werden wird. Es ist demnach dringend nötig, die Grundlagen, die dazu notwendig sind, zu erarbeiten. Die Motion beinhaltet deshalb folgende Aufträge: Erstens das Erstellen einer Liste der geeigneten Flächen und ihrer relevanten technischen Daten. In die Liste sollen nur Flächen aufgenommen werden, deren solare Nutzung sinnvoll ist und bei denen mehr als 10 Kilowatt produziert werden können; es sollen Flächen genutzt werden, die nicht in einem Nutzungskonflikt stehen, die nicht unter Denkmalschutz stehen oder einem anderen Problem unterstellt sind. Das Motto wäre: Realisieren statt «Schtürme und Chääre»! Der zweite Punkt sind die Richtlinien und Kriterien. Um bei der Vergabe an Dritte einen fairen Wettbewerb zu garantieren, sollen das Vorgehen für die Vergabe und die Kriterien für die Bestimmungen zur Nutzung dieser Flächen einheitlich definiert werden. Drittens: die öffentliche Zugänglichkeit. Das Inventar ist in geeigneter Weise der Öffentlichkeit und interessierten Firmen zugänglich zu machen und dem Grossen Rat zur Kenntnisnahme vorzulegen. Erst dann wird es seine Wirkung erzielen. Viertens: Es wäre wichtig und notwendig, keine Chancen zu vergeben. Bei Gebäuden und Anlagen, die zurzeit in der Realisierung sind, soll die Möglichkeit zur Integration von Solaranlagen möglichst schnell noch einmal geprüft werden, damit die notwendigen Vorkehrungen allenfalls noch getroffen werden oder die Anlagen direkt eingebaut werden können. Ich danke dem Regierungsrat, dass er das Inventar und die Grundlagenpapiere erstellen will. Ich danke auch dem AGG, welches das bereits macht, für sein Engagement. Ich verstehe nicht ganz, weshalb Ziffer 4 vom Regierungsrat abgelehnt wird. Aus meiner Sicht wäre es einfach, das zu machen. Ein Beispiel wäre das Institutsgebäude im von-roll-areal. Dort wäre eine 400-Kilowatt-Anlage realisierbar. Ich danke für die Unterstützung meiner Motion in allen Punkten. Präsident. Zur Interpellation Aebersold: Der Interpellant ist teilweise befriedigt. Er gibt eine Erklärung ab. Michael Aebersold, Bern (SP). Auch als Vorstandsmitglied von Pro Natura Bern muss ich ein wenig Gas geben. Es findet ein richtiges Umweltorganisationen-Bashing statt. Es wird suggeriert, dass sie sämtliche Fortschritte erneuerbarer Energien verhindern. Insbesondere vonseiten SVP wurde gesagt, wir sollten doch dafür sorgen, dass die Beschwerden zurückgezogen werden. Das Bild ist aber ein völlig anderes. Ich gebe Ihnen drei Beispiele. Das wollte ich eigentlich mit der Interpellation aufzeigen, das kommt jedoch dort nicht zum Ausdruck, obwohl sie spannende Zahlen bietet. Deswegen bin ich nur teilweise befriedigt. Zu den Zahlen Folgendes: 2009, 75 abgeschlossene Beschwerden, genau 3 davon betrafen erneuerbare Energien. 2010, 6 Projekte, bei 4 davon ging es um Restwasser und Ausgleichsbecken, die man in einem Wald bauen wollte. Ausserdem ging es um eine Solaranlage, die man auf 2 Hektaren Landwirtschaftsland bauen wollte. Daran kann man auch kein Interesse haben. Schliesslich fand man ein Gebäude dafür. In La-Chaux-de-Fonds ging es um eine Holzfeuerungsanlage, die man im Wald bauen wollte. Dafür fand man letztlich in der Industriezone eine Lösung. Das sind die Fakten, meine Damen und Herren: im Kanton Bern in den letzten Jahren sage und schreibe zwei Beschwerden und zwei Einsprachen. Bei diesen sechs Beispielen, die ich vorhin erwähnte, erhielten übrigens die Umweltorganisationen stets Recht. Sie sorgen dafür, dass das Gesetz eingehalten wird. Es ist wichtig, dass man das auch einmal zur Kenntnis nimmt und mit dem Bashing aufhört. Etwas hat mich richtig geärgert, jetzt müssen Sie sehr gut

234 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 673 zuhören: Letzten Donnerstag sagte Martin Pfisterer von der BKW, der Chefförderer der erneuerbaren Energien, wortwörtlich in der die «Tagesschau»: «Zahlenmässig sind die Einsprachen der Privaten überwiegend. Die Verbände sprechen aber sehr fundiert ein und beschäftigen uns stark.» Also kompetent und das will man ihnen nun verbieten. Das ist doch absurd. Das wollte ich aufzeigen. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Je remercie le Conseil-exécutif pour la réponse qu il apporte à ma motion. Si nous voulons contribuer activement à la protection du climat et diminuer notre dépendance de l étranger, nous devons non seulement réduire la consommation d énergie par tête d habitant, mais aussi augmenter la part des énergies renouvelables, c est une évidence. Je ne reviendrai pas sur le potentiel énorme que celles-ci représentent, tant du point de vue de la production de courant que sur le plan de la création d emplois. L intérêt des privés et des collectivités publiques pour le renouvelable est manifeste. Ils sont prêts à investir, ceci est fort réjouissant. Pour s en convaincre, il suffit de considérer la longue liste d attente de Swissgrid pour la rétribution au prix coûtant. Dans le canton de Berne, 1304 projets y figurent toujours, mais les moyens financiers manquent. Précisons au passage que ces installations pourraient produire par année 728 gigawattheures, soit le quart de la production annuelle de Mühleberg. Notre canton est l actionnaire majoritaire des Forces motrices bernoises. Cette entreprise, au travers de ses déclarations, de ses publications, et certains de ses investissements, a démontré qu elle était disposée à soutenir le développement des énergies renouvelables. Au cours de cette session extraordinaire, plusieurs interventions sont consacrées à la stratégie d entreprise des Forces motrices bernoises. Dans sa réponse aux motions Wasserfallen et Brönnimann, le Conseil-exécutif affirme avoir demandé au conseil d administration de clarifier par exemple le point suivant: réorientation de la stratégie d entreprise vers la promotion des énergies renouvelables. Il est toutefois à noter que différentes contraintes imposées aux producteurs privés découragent ceux-ci d investir dans les nouvelles énergies renouvelables et rendent ainsi plus difficile la réalisation des objectifs fixés par le Conseil-exécutif dans son programme de législature On peut par exemple se demander pourquoi un propriétaire ayant installé des capteurs photovoltaïques sur le toit de son immeuble paie deux fois l utilisation du réseau. Une fois pour le courant qu il consomme et une deuxième fois pour le courant qu il injecte. On s interroge également lorsque les Forces motrices bernoises prennent en charge les frais de raccordement au réseau pour un rural assez isolé, mais changent d avis lorsque l agriculteur les informe qu il a l intention d installer une surface importante de capteurs photovoltaïques. On s interroge encore lorsqu un privé puis une commune, décidés à investir dans le même domaine, sont contactés par les services des Forces motrices bernoises et encouragés à renoncer à leur projet. Il semblerait que la centrale de Mühleberg pourrait être encore exploitée jusqu aux environs de Le moment me paraît donc opportun pour prélever trois centimes par kilowattheure de courant d origine nucléaire produit à Mühleberg ou importé. Une telle taxe d encouragement sur l électricité d origine nucléaire permettrait d accélérer le remplacement du courant produit dans cette centrale par du courant produit à partir d énergies renouvelables, et ceci jusqu à l abandon complet du nucléaire. La centrale produit en moyenne 3000 gigawattheures d électricité par année. Si ces trois centimes étaient prélevés, le fonds s élèverait à environ 90 millions de francs par an. Les déclarations d intention ne suffisent plus. Le moment est venu de faire preuve de courage politique; le moment est venu de dépasser les clivages partisans; le moment est venu de se donner les moyens financiers pour promouvoir une politique énergétique d avenir, en constituant un fonds qui permettra de réaliser des installations produisant une énergie renouvelable. Saisissons cette opportunité. Ce n est pas parce que les choses sont difficiles que l on n ose pas, mais parce que l on n ose pas qu elles sont difficiles. Je vous invite à soutenir ma motion et vous remercie de votre attention. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Ich vertrete Jan Flückiger, der weggezogen und deshalb nicht mehr bei uns in der glp ist. Wir hatten die Motion gemeinsam eingereicht. Die Pumpspeicherwerke sind keine Erfindung von heute. Schon vor 45 Jahren, als ich ein kleines Kind war, gab es in Ruppoldingen, in der Nähe von Olten, das Flusskraftwerk der Aare. In der Nacht, wenn in Olten weniger Strom gebraucht wurde, wurde die Energie, welche als Bandenergie vorhanden war, benützt. Das Wasser der Aare wurde in ein Reservoir hinaufgepumpt. Wenn in Olten tagsüber das Leben wieder losging, liess man es bergab fliessen, es wurde turbiniert und zur Stromerzeugung verwendet. Das war also vor fast fünfzig Jahren eines der ersten Pumpspeicherwerke. Auch heute noch funktionieren die Pumpspeicherwerke grundsätzlich nicht anders. Sie speichern Strom, wenn zu viel vorhanden ist, und produzieren ihn bei Bedarf, beispielsweise wenn zur halben oder zur vollen Stunde viele Züge gleichzeitig abfahren oder wenn wir alle kochen wollen. Die Pumpspeicherwerke kamen aber bei den Umweltorganisationen in Verruf, weil sie AKW und Kohlekraftwerke ideal ergänzen. Pumpspeicherwerke sind flink, man kann sie ein- und ausschalten, sie können schnell Spitzenstrom liefern, der auf dem Markt teuer verkauft werden kann, während AKW und Kohlekraftwerke nur träge Bandenergie liefern. Wenn Strom im Überfluss vorhanden ist, werden die Pumpspeicherwerke eingeschaltet und sie pumpen Wasser hoch. Wenn Strom gebraucht wird, lässt man das Wasser wieder hinunterfliessen, und sie produzieren Strom. Das ist, wie gesagt, heute ein lukratives Geschäft. Wollen wir jedoch, wie beschlossen, von der Atomenergie wegkommen, ohne die eminenten Vorteile der Pumpspeicherwerke zu verlieren, müssen wir das Tandem zwischen den Pumpspeicherwerken und dem Atomstrom entkoppeln. Die Richtung ist klar: Die Pumpspeicherwerke sollten in ferner Zukunft nur noch erneuerbare Energie verpumpen. Das wäre der Idealzustand. Wir benötigen sie jedoch immer noch für die Netzregulierung. Wir können heute, wie Sie wissen, keinen Strom speichern, ausser in Form von Wasser, das hochgepumpt wird. Die Pumpspeicherwerke wären also mit erneuerbarer Energie ein ideales Instrument. Die erneuerbaren Energien sind launisch; einmal fallen sie an, dann wieder nicht. Die Pumpspeicherwerke könnten sich agil anpassen und könnten sie ergänzen. Damit komme ich zum eigentlichen Anliegen unserer Motion. In Ziffer 1 der Motion möchten wir das Wassernutzungsgesetz anpassen. Eine Konzession für Pumpspeicherung soll bezüglich des Anteils verschiedener Stromproduktionsarten, die dazu verwendet werden, an Bedingungen geknüpft werden. Damit soll erreicht werden, dass ein gewisser Anteil der Energie, die für das Pumpen verwendet wird, aus erneuerbarer Energie besteht. Uns ist klar, dass das nicht von heute auf morgen geschehen kann. Wie haben schon verschiedentlich gehört, dass der Ausstieg langsam erfolgen soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünliberalen möchten eine Lösung bieten, und diese geht Richtung erneuerbare Energie. Dazu brauchen wir die Speicherseen, kombiniert mit Pumpspeicherwerken. Wir möchten jedoch, dass letztlich nur noch erneuerbarer Strom für diese Pumpspeicherwerke verwendet wird. Es sollte so sein wie in Ruppoldingen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute können Sie zeigen, dass Sie tat-

235 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik sächlich Richtung erneuerbare Energie gehen wollen, und zwar, indem Sie diese Motion unterstützen. Präsident. Zur Interpellation Hofmann: Der Interpellant ist teilweise befriedigt. Er gibt eine Erklärung ab. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich möchte wie folgt Stellung zur Beantwortung der Fragen nehmen: Die erste Antwort ist befriedigend. Das habe ich auch erwartet. Handeck 1 und 2 sowie Innertkirchen 1 werden zusätzlich 70 Gigawattstunden elektrischen Strom produzieren. Das Werk ist im Übrigen von niemandem bestritten. Die Antwort auf die Frage 2 sieht etwas schlechter aus. Da ist einfach keine Antwort. Weshalb? Wohl deshalb, weil die Bilanz negativ ist. Das Werk wird mehr Strom zum Pumpen brauchen, als nachher, wenn das Wasser wieder abfliesst, abgegeben werden kann. Möglicherweise sind die 70 Gigawattstunden bei Frage 1 bei Frage 2 wieder weg, sodass vielleicht per Saldo bei Frage 1 und 2 gar nichts mehr herausschaut. Das sähe nicht besonders gut aus. Das Wichtigste scheint mir Frage 3 zu sein. Deshalb habe ich die Interpellation eingereicht. Ich würde es als die «Stammtischfrage» bezeichnen. Ich stelle fest, dass an vielen Stammtischen in diesem Kanton die Meinung vorhanden ist, mit der Erhöhung der Grimselstaumauer könne man zum Beispiel Mühleberg ersetzen. Und nun kommt die Antwort der Regierung. Ich halte es da wie Gerhard Fischer, der gerne Tatsachen hat. Auch ich habe gerne Tatsachen. Hören Sie gut zu: Tatsache ist, dass mit der Staumauererhöhung keine einzige müde Kilowattstunde zusätzlich herausschaut. Das ist nun einfach eine Tatsache. Zu den 3000 Kilowattstunden, welche Mühleberg pro Jahr produziert, gibt es keine einzige Kilowattstunde mehr. Es geht, übers Jahr gesehen, gerade auf. Der ganze Mythos, der da aufgebaut wird, erinnert mich ein wenig an den Gotthard. Nun kommt der Grimselmythos. Es besteht die Vorstellung, man könne mit solchen Anlagen irgendwie die Atomenergie kompensieren. Das stimmt hinten und vorne nicht. Peter Brand kann den Kopf schütteln, aber es ist so. Er muss nur die Antwort der Regierung lesen. Letzte Woche konnte man es auch in der «BZ» lesen. Die «BZ» stellte den Nationalrätinnen und Nationalräten vier Fragen, eine davon betraf den Ausstieg, war also eine relevante energiepolitische Frage. Eine der vier Fragen war jedoch die energiepolitisch irrelevanteste Frage, die man sich vorstellen kann, nämlich die Frage, ob man für oder gegen die Staumauererhöhung sei. Selbstverständlich sagten die meisten, sie seien dafür. Sie sind jedoch nicht wegen der Tatsachen dafür, sondern wegen der Meinung der Leute darüber. Dieser mehrheitsfähige Irrtum, dieser Mythos Grimsel, ist derart wirksam, dass auch die meisten linken NationalrätInnen sagten, sie seien für die Staumauererhöhung. Präsident. Da Frau Imboden während der ganzen Session abwesend ist, äussert sich Frau Haudenschild zum folgenden Postulat. Rita Haudenschild, Spiegel (Grüne). Ich möchte auf die Ziffern 3 und 4 des Postulats kurz eingehen. Bei der Antwort zu Ziffer 3 hatten wir den Eindruck, es wäre unter «Partner» auch noch etwas anderes zu verstehen als einfach alle Beteiligten. Es sind wichtige Partner und auch mögliche Partner, wenn man die Städte betrachtet. Die meisten Städte im Kanton Bern haben eigene Energieversorgungsunternehmen. Ich denke an das EWB der Stadt Bern, an die Stadtwerke von Biel, an die Elektrizitätswerke von Thun und von Interlaken. Die meisten von ihnen sind auch in der Organisation Swisspower. Die Grünen fragen sich, ob es nicht möglich wäre, auch dort mit Swisspower oder mit einzelnen EW Partnerschaften zu suchen. Ziffer 4, Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region durch erneuerbare Energien, ist einigermassen klar, wenn wir sehen, wer für uns arbeitet, wenn wir energetische Massnahmen ergreifen: Es ist das kommunale Gewerbe. Die Schätzungen gehen bis zu 1000 und mehr Arbeitsplätzen in der Region Bern in den nächsten 15 Jahren. Darum bitte ich den Rat, das Postulat zu unterstützen. Moritz Müller, Bowil (SVP). Was wir mit unserer Motion ganz sicher nicht wollen, ist das Verhindern von Hochwasserschutzmassnahmen, wo sie punktuell nötig sind. Unter dem Deckmantel Hochwasserschutz soll die ganze Aare zwischen Bern und Thun renaturiert werden. Auf grossen Teilen der Aare zwischen Thun und Bern bestehen jedoch gemäss Aussage der Rechtsamegemeinde Kiesen keine Probleme mit Hochwasser. Die Rechtsamegemeinde Kiesen ist eine Holzkooperation von 14 Eigentümern; sie existiert schon seit dem 18. Jahrhundert. Sie informierte uns mit einer Begehung vor Ort über die aktuelle Situation und die vorgesehene Renaturierung. Im oberen Teil der Antwort des Regierungsrats steht, dass es nur in wenigen Fällen zu Nutzungskonflikten kommen soll, die eine sorgfältige Abwägung der einzelnen Interessen notwendig machen. Im unteren Teil der Antwort steht einschränkend, Einschränkungen könnten sich insbesondere bei Gewässerabschnitten ergeben, die als Fischgewässer von grosser Bedeutung sind, sowie bei Inventarflächen von nationaler Bedeutung bei Gewässerabschnitten, bei Gewässerräumen von mittlerem bis hohem landschaftlichem und touristischem Wert und in Abschnitten, die für die Trinkwasserversorgung bedeutsam sind. Im oberen Teil der Antwort werden unsere Sorgen abgeschwächt, im unteren Teil aber wieder massiv bestätigt. Es kann doch nicht sein, dass von links-grüner Seite mit einer Vielzahl von Vorstössen ein sofortiges Abschalten von AKW gefordert wird und parallel dazu der Schutz der Gewässer immer noch dem Nutzen vorgezogen wird. Zum unteren Teil der Antwort des Regierungsrats, wonach kontinuierlich eine Sohlenabsenkung verhindert werden soll: Die Ingenieure des Kantons Bern behaupten, dass die Sohle jährlich um 1 bis 3 Zentimeter erodiert. Würde das stimmen, wäre die Aare im Laufe der letzten 200 Jahre bei einem Durchschnitt von 2 Zentimeter 6 Meter tiefer geworden. Das Problem des Hochwassers würde sich in dem Fall gar nicht stellen. Im Zusammenhang mit unserer Motion zur Energiegewinnung aus Aarewasser zitiere ich aus einem Artikel, der letzte Woche in der «BZ» erschienen ist und dessen Quelle das Bundesamt für Energie ist: «Nachteile des Baus eines Flusskraftwerkes: Die natürliche Flussdynamik kann verloren gehen. Der Transport des Schotters im Flussbett verringert sich und ökologisch wichtige Überflutungen nehmen ab.» Das ist genau das, was mit der Renaturierung erreicht werden soll: Dadurch, dass der Schottertransport verringert wird, nehmen die Überschwemmungen ab. Also könnte man mit dem Bau eines Flusskraftwerks genau dasselbe erreichen. Ich finde, dass die Nachteile damit plötzlich zu Vorteilen werden. Deshalb noch einmal: Nein zu flächendeckenden Renaturierungen, und damit kein Verhindern von Projekten zur Gewinnung von Energie aus Aarewasser. Punktuelle Hochwasserschutzmassnahmen sollen gewiss nicht verhindert werden. Der Regierungsrat sagte mehrmals, alle Massnahmen sollen geprüft werden, auch wenn ihr Beitrag klein ist. Auch die Regierungsrätin sagte es vorhin wieder. Deshalb bitte ich den Rat, unsere Motion zu unterstützen, und bin gespannt auf die Diskussion. Präsident. Den Vorstoss von Herrn Scheuss vertritt seine Nachfolgerin, Frau Rüfenacht.

236 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 675 Daphné Rüfenacht, Biel (Grüne). Wirbelkraftwerke sind Klein-, ja sogar fast Kleinstkraftwerke. Doch auch Kleinvieh macht Mist. Zudem können Wirbelkraftwerke einen Beitrag zu einer dezentralen Energieversorgung leisten. Dafür setzen sich die Grünen seit je ein. In seiner Antwort schreibt der Regierungsrat, es gebe in der Schweiz erst eine Pilotablage in Aarau. Zudem befinde sich diese Technologie in der Schweiz noch in der Optimierungsphase. Der Energieservice der Stadt Biel ist zurzeit in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau aber dabei, ein weiteres Projekt umzusetzen. Aufgrund einer sehr erfreulichen Machbarkeitsstudie bewilligte die Stadt Biel bereits den Rahmenkredit dafür. Die Eingabe für die Konzession soll demnächst beim AUE eintreffen. Es soll das erste Wirbelkraftwerk aus Holz entstehen, das vollkommen fischgängig sein wird. Der Energieservice Biel rechnet mit einer jährlichen Produktion von knapp Kilowattstunden. Das entspricht immerhin dem Strombedarf von zirka 100 Haushaltungen. Aufgrund des vorliegenden Projekts in Biel bin ich überzeugt, dass Wirbelkraftwerke Potenzial haben. Kleinkraftwerke, deren Umweltbelastung gering ist, leisten einen sinnvollen Beitrag zu einer klimaschonenden Energieproduktion vor Ort. Eine Solaranlage auf einem Dach produziert auch nicht wirklich viel Strom, ist aber dennoch sehr sinnvoll. Es gilt, eine gute Mischung von verschiedenen Technologien, von kleinen und grossen Produktionsanlagen zu finden. Bei Wirbelkraftwerken gib es aus ökologischer Sicht die folgenden zwei Punkte zu berücksichtigen: die Fischgängigkeit der Anlage sowie die Eignung des Standorts. Darauf werden die Grünen ein Auge haben. Das Bieler Projekt erfüllt beide Forderungen. Ich bin überzeugt, dass es im Kanton noch eine Vielzahl von ebenfalls geeigneten Standorten, vor allem an bereits verbauten Gewässern, gibt. In Biel steht schon die nächste Planung vor der Tür. Bei der Wasserkraft ist die Zitrone bald ausgepresst. Wirbelkraftwerke bieten jedoch eine Möglichkeit, das Potenzial zu vergrössern. Dafür müssen die geltenden Schutzbedingungen nicht einmal aufgeweicht zu werden. Ich danke dem Regierungsrat für seine Bereitschaft, das Anliegen zu prüfen. Ich bin daher einverstanden mit der Wandlung in ein Postulat und hoffe, der Rat könne unserem Anliegen folgen. Präsident. Die Motion wurde in ein Postulat gewandelt. Zum folgenden Vorstoss: Der Interpellant ist teilweise befriedigt. Er gibt eine Erklärung ab. Fritz Ruchti, Seewil (SVP). Wir haben schon bald mehr als einen ganzen Tag über Energie debattiert. Ich finde, bei mir sei die Energie langsam draussen. Ich sollte mich wohl an eine Stromaufladestation begeben, um mich aufzuladen. Wenn ich die Antwort auf meine Interpellation lese, habe ich überhaupt keine Energie mehr. Dies nicht, weil ich von der Antwort nicht befriedigt wäre, sondern weil sie zeigt, wie die Realität aussieht. In meiner Interpellation habe ich mich erkundigt, wie viele Biogasanlagen dank dem Förderprogramm seit 2008 in der Landwirtschaft gebaut worden seien. In der die Antwort, liebe Grossrätinnen und Grossräte, steht: «Nach Angaben der kantonalen Anlaufstelle beim Inforama gingen seit 15. Mai 2008 keine neuen landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Betrieb.» Vorgesehen waren 10 oder 11 seit Also war das Ziel viel zu hoch gesteckt. Ich frage mich, wie hoch wir denn mit all den Motionen und Interpellationen gestern oder heute das Ziel gesteckt haben. Vielleicht kommen wir auch noch herunter und müssen der Wahrheit und den Tatsachen ins Auge schauen. Das ist mein Eindruck. Nichtsdestoweniger möchte ich noch einige mögliche Gründe darlegen, weshalb keine Anlagen gebaut wurden. Betrachten Sie einmal das ganze Baubewilligungsverfahren. Wenn ein Landwirt in der Landwirtschaftszone eine Biogasanlage bauen will, braucht er eine Ausnahmebewilligung, weil es sich um Bauen ausserhalb der Bauzone handelt. Bis das bewilligt wird, dauert es sehr lange. Wenn beispielsweise ein Peter Wyss in Ittigen, ein Berufskollege von mir, die Abwärme dazu verwenden möchte, um die neue landwirtschaftliche Hochschule in der Länggasse in Zollikofen zu heizen, darf er das nicht einmal. Das sind heute die Facts, meine Damen und Herren auch von den Grünen! Sie wollen den sofortigen Ausstieg aus dem Atomkraftwerk Mühleberg. Wenn wir aber das nicht sofort ändern, sind wir in zehn Jahren noch nicht weiter. Peter Flück, Brienz (FDP). Mit unserem Vorstoss geht es darum, eine bessere Koordination nicht kantonsintern, sondern kantonsextern zu erreichen. Wir sind klar der Ansicht, dass dort, wo mit Windprojekten die Kantonsgrenzen überschritten werden, eigentlich der Kanton die Federführung übernehmen müsste, damit eine bessere Koordination auf Augenhöhe mit den andern Kantonen sichergestellt werden kann. Deshalb fordern wir einen kantonalen Windrichtplan. Ich stelle weiter fest, dass in Artikel 9 des Energiegesetzes der Kanton in andern Themenbereichen selber kantonale Richtpläne fordert. Ich sehe nicht ein, warum man das bei der Windenergie nicht auch so machen will. Wir haben uns entschieden, Ziffer 3 zurückzuziehen. Das Moratorium heben wir auf. Ich bitte den Rat jedoch, den Ziffern 1 und 2 zuzustimmen und unsere Motion in dem Sinn zu unterstützen. Präsident. Ziffer 3 der Motion wurde zurückgezogen. Mathias Kohler, Uetendorf (BDP). Die BDP-Fraktion hat die Motionen genau geprüft und differenziert beurteilt. Wir sind ganz klar für die erneuerbaren Energien und für einen geordneten Ausstieg aus der Kernenergie. Weiter wollen wir keine Berner Insellösung. Zudem werden wir alles ablehnen, was auf irgendeine Weise operativ in ein Geschäft eingreift. Wir hätten gern eine breitere Diskussion über alle Punkte geführt, ohne nun rasch etwas durchzuackern, nur weil im Herbst Wahlen stattfinden. Ich komme zu den Empfehlungen der BDP; auf die Interpellationen gehe ich nicht ein. Motion Haudenschild, Standesinitiative: Annahme der Motion. Motion Haudenschild, Förderung Photovoltaik: Die BDP hat ebenfalls eine Motion am Laufen, welche in dieselbe Richtung geht, nämlich zusätzliche Mittel für erneuerbare Energien zur Verfügung zu stellen. Das darf jedoch nicht ohne zusätzliche Einnahmen erfolgen. Darum lehnen wir die Ziffern 1, 2 und 4 als Motion und als Postulat ab. Ziffer 3 nehmen wir als Postulat an. Motion Näf, Solarkollektoren statt Atombunker: Die Motion ist aus den bekannten Gründen hinfällig; sie wurde in ein Postulat gewandelt, das wir aber ebenfalls ablehnen. Motion Bauen, Inventar Dachund Fassadenflächen: Ohne finanziellen und personellen Aufwand würde die BDP diese Forderung unterstützen. So werden wir aber die Ziffern 1 bis 3 grossmehrheitlich ablehnen, Ziffer 4 lehnen wir einstimmig ab. Das Inventar könnte allenfalls auch durch Dritte erstellt werden, wenn ein derart grosses Interesse daran besteht. Motion Amstutz, die BKW unterstützt erneuerbare Energien: Die BDP engagiert sich auf nationaler Ebene für diese Anliegen. Wie eingangs erwähnt, wollen wir keine Berner Insellösung und keine Behinderung von Unternehmen, die in Konkurrenz zu andern Stromproduzenten stehen. Deshalb einstimmige Ablehnung in allen Punkten. Motion Flückiger, erneuerbare Energie für Pumpspeicherung: Aus denselben Gründen wie bei der Motion Amstutz lehnen wir sowohl ein Motion wie auch ein Postulat ab. Postulat Imboden, Bern erneuerbar, lehnen wir grossmehrheitlich in allen Punkten ab.

237 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Motion Müller, Energie ais Aarewasser: Ziffer 1 unterstützen wir mehrheitlich als Postulat. Auch wir möchten eine Überprüfung, ob im oberen Teil der Aare nicht doch ein Kraftwerk gebaut werden könnte. Eine Motion würden wir aber ablehnen, weil wir keine Verzögerung von Renaturierung und Hochwasserschutz riskieren wollen. Vielmehr wollen wir das so schnell wie möglich abschliessen. Im Übrigen würden erhebliche Kosten entstehen. Ziffer 2 lehnen wir mehrheitlich als Postulat ab, weil eine Sistierung die laufenden Projekte unnötig verzögern würde. Bei der Motion Scheuss, Wirbelkraftwerke, unterstützen wir das Postulat. Es ist jedoch zu bedenken, dass bei Kleinwasserkraftwerken die ökologischen Überlegungen stark gewichtet werden sollten. Von allen Produktionsanlagen sind 80 Prozent Kleinstwasserkraftwerke; sie erzeugen genau 1 Prozent der Jahresproduktion. Da muss man sich gut überlegen, welche man unterstützen will. Motion Flück, kantonaler Windrichtplan: Ziffer 1, Annahme als Motion; Ziffer 2 Annahme und Abschreibung. Christoph Grimm, Burgdorf (Grüne). Heute ist wohl auch allen Befürwortern klar, dass atomare Stromerzeugung keine sichere Energieform sein kann. Auch bei der Ölförderung ist man immer stärker weniger beherrschbaren Risiken ausgesetzt, wie letzthin der Fall von Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zeigte. Die Fortsetzung der Kohleverstromung schliesslich macht die Klimaerwärmung unumkehrbar. Bei allen diesen primären Energiequellen übersteigen die ökologischen und finanziellen Langzeitkosten inzwischen ihren ökonomischen Nutzen. Die Industrieländer und damit die Schweiz und auch der Kanton Bern müssen so, wie sie mit der Energieverschwendung begonnen haben, auch wieder zurückfahren. Alle oder zumindest die meisten sprechen vom Ausstieg. Die Grünen wollen geordnet einsteigen. Das heisst: nicht lange darüber reden, sondern endlich handeln. Die Grünen wollen ins erneuerbare Zeitalter einsteigen. Sie haben, wie Sie wohl alle wissen, Anfang Mai eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie wir in das erneuerbare Zeitalter einsteigen können. Sie enthält drei Szenarien: AKW-Laufzeit 40 Jahre, AKW-Laufzeit 45 Jahre ähnlich wie die Bundesrats- und Nationalratslösung und eines mit 50 Jahren. An der Nachhaltigkeit orientieren sich die Szenarien 1 und 2, weil dabei zugleich verstärkte Effizienzmassnahmen ergriffen werden. Der Stromverbrauch des Jahres 2010 wird dadurch von 2011 bis 2030 konstant gehalten. Ab 2031 gibt es eine leichte Zunahme, und zwar, weil man von den fossilen Brennstoffen, zum Beispiel im Verkehr, auf Elektro umstellt. Die Stromkosten wachsen ohnehin, auch mit dem AKW-Szenario. Der Wirkungsgrad der Photovoltaik wird von heute rund 13 Prozent bis ins Jahr 2050 auf 20 Prozent erhöht werden. Durch die Beseitigung des KEV-Deckels, welcher der Nationalrat letzte Woche zustimmte und zu dem wir heute auch einen Vorstoss haben, kann der Zuwachs von Photovoltaikanlagen sogar höher ausfallen, als die Berechnungen vermuten lassen. Durch den vermehrten Einsatz von solarthermischen Anlagen könnte der Strombedarf um weitere rund 2 Prozent oder eine Terawattstunde gesenkt werden. Wenn wir voll auf erneuerbare Energien setzen, hauptsächlich auf die Sonne, können wir in der Schweiz die AKW nach 45 Jahren abschalten. Das heisst, dass wir in den 2020er-Jahren in das erneuerbare Zeitalter einsteigen können. Langfristig kann man davon ausgehen, dass allfällige Stromimporte mit CO 2-armem Wind- und Solarstrom getätigt werden können. Die Gaspreise werden ebenfalls steigen. Das bedeutet, dass Gaskraftwerke nicht rentabel sein werden. Würde also Mühleberg sofort ausser Betrieb genommen, würde sich das Resultat unmerklich ändern. Das würde aber sehr viel bewirken: Die Gefahren würden verringert. Man könnte zum Beispiel Lawinenverbauungen oder Parkplätze, sogenannte Freiflächen, mit Sonnekollektoren decken. Damit könnte man 18 Quadratkilometer oder 100 Bauernbetriebe brauchen, um die Effizienz zu steigern und vor allem den Umbau zu fördern. Damit könnte man sogar dem Bauernsterben entgegenwirken; weniger Bauern müssten ihren Betrieb aufgeben. Mit 45 Jahren wäre das eine Möglichkeit; der Umbau auf erneuerbare Energien kostet den Haushalt rund 4 Rappen. Fazit aus der Sicht der Grünen: Zukunftsfähig ist einzig der beschleunigte Systemwechsel, hin zu den erneuerbaren Energien. Er kann in absehbarer Zeit mit den heute prognostizierten Steigerungen des Weltenergiebedarfs jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn zugleich die Energieeffizienz nach Kräften und zwar gemeinsamen Kräften, werte Kolleginnen und Kollegen forciert wird. Noch kurz die Stellungnahme der Grünen zu den Vorstössen: Wir nehmen grundsätzlich alle Vorstösse so an, wie es die Motionärinnen und Motionäre beantragen, mit Ausnahme der Motion Müller, die wir ablehnen. Corinne Schmidhauser, Bremgarten (FDP). Die erneuerbaren Energien sind die Zukunft. Darüber sind sich in diesem Saal wohl fast alle einig. Damit es funktionieren kann, braucht es jedoch einige Eckpfeiler. Die FDP sieht vor allem drei wichtige Eckpfeiler: Es braucht möglicht wenige formelle Hindernisse; dazu zählen wir auch eine übertriebene Denkmalpflege. Bürokratie muss möglichst vermieden werden. Zweitens brauchen wir ein gutes Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen. Dazu gehört auch ein Blick über die Grenzen. Alleingänge, auch Alleingänge im Kanton Bern, sind nicht sinnvoll. Genau deshalb brauchen wir, drittens, Wettbewerbsmöglichkeiten. Letztlich sind weder Förderabgaben noch Subventionen ein so guter Motor für die erneuerbare Energien wie marktkonforme Instrumente, also gleich lange Spiesse unter den Energieanbietern. Das führt zu Wettbewerb und wird die erneuerbaren Energien viel mehr fördern als alles andere. Davon bin ich überzeugt. Angesichts dieser Vorgaben kommen wir bezüglich der Vorstösse zu folgenden Schlüssen: Wir nehmen die Motion Bauen zu den Dach- und Fassadenflächen an; die Motion Scheuss hätten wir als Motion unterstützt, nehmen sie aber auch als Postulat an. Selbstverständlich stimmen wir der Motion Flück zum Windrichtplan zu. Wir unterstützen die Ziffer 1 der Motion Müller, Energie aus Aarewasser. Wir nehmen das Postulat Imboden zu «Bern erneuerbar» an und ebenfalls als Postulat den Vorstoss Flückiger und Schöni zur Pumpspeicherung: Die Richtung stimmt, es wäre aber ein kantonaler Alleingang, deshalb nur als Postulat. Die Motion Haudenschild im Zusammenhang mit der KEV lehnen wir ab. Das ist Sache der eidgenössischen Räte, da müssen wir uns nicht einmischen. Auch die Motion Amstutz lehnen wir ab; sie ist wettbewerbsfeindlich. Sondersteuern müssten wenn schon alle Stromkonzerne treffen, nicht nur einen. Auch das Postulat Näf lehnen wir ab. Da werden Sachen vermischt, die man nicht vermischen kann. Das Erstellen von Schutzräumen hat mit Sonnenkollektoren relativ wenig zu tun; dieser Vergleich ist, anständig formuliert, ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Und zu guter Letzt: Ziffer 1 der Motion Haudenschild 084/11 lehnen wir ab; man kann nicht in das laufende Jahr eingreifen. Zu Ziffer 2: Wir unterstützten vorhin die Motion Burn. Wenn der Rat weitergehen will, soll er das in der Sondersession im November bestimmen. Ein Teil der Fraktion stimmt einem Postulat zu, ein Teil lehnt es ab. Ziffer 3 lehnen wir ab; das gehört zur KEV und damit wieder zum Bund. Ziffer 4 unterstützen wir. Nadine Masshardt, Bern (SP). Wir haben nun schon verschiedentlich gehört, dass es neben Massnahmen im Bereich

238 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 677 Energieeffizienz, zu dem wir heute wichtige Unterstützung bewiesen haben, auch die Förderung der erneuerbaren Energien braucht. Darum geht es in diesem Block. Interessante Zahlen zum grossen Potenzial der erneuerbaren Energien haben wir ebenfalls gehört. Ich will sie nicht wiederholen. Ich erlaube mir jedoch einen kurzen Rückblick, der aufzeigt, wie lange es manchmal leider dauert, bis ein Entscheid reif ist. In diesem Fall waren wir Bernerinnen und Berner sogar schneller als das Bundesparlament nahm der Grosse Rat eine Vorreiterrolle ein und stimmte einer Standesinitiative der SP zu, die eine Entdeckelung der KEV forderte. In den Wochen nach Fukushima war diese Standesinitiative im Nationalrat endlich traktandiert. Leider hat dieser das bernische Anliegen abgelehnt. Letzte Woche stimmte dasselbe Parlament einem Vorstoss zu, der ebenfalls der Aufhebung des KEV-Deckels will; dieser Vorstoss kam von der CVP und fand eine Mehrheit. Das ist ein sehr erfreulicher Entscheid, doch brauchte es bis dahin ein paar Jahre. Der bernische Grosse Rat wollte das bereits Dank dieser Entdeckelung schafft der Nationalrat und hoffentlich bald auch der Ständerat Planungssicherheit bei Investitionen in erneuerbare Energien. Das ist sehr wichtig, weil nur so in diesem Bereich wirklich vorwärtsgemacht werden kann. Es freut mich natürlich, dass der Grosse Rat diese Notwendigkeit bereits vor drei Jahren erkannt hat, und hoffe, dass weitere sinnvolle Massnahmen nicht so lange auf sich warten lassen. Investitionen in neue erneuerbare Energien sind zukunftsträchtig. Sie leisten einen wichtigen Beitrag an eine verantwortungsvolle Energiezukunft, schaffen Arbeitsplätze und machen uns dank der dezentralen Produktion unabhängiger von grossen, zentralisierten Stromkonzernen und endlichen Ressourcen. Deshalb unterstützt die SP-JUSO-PSA-Fraktion alle Vorstösse, die einen Beitrag an eine sinnvolle Förderung erneuerbarer Energien leisten. Wir nehmen auch dieses Mal die Standesinitiative zur KEV an und hoffen auf eine Mehrheit, wie Ebenso unterstützen wir den zweiten Vorstoss von Rita Haudenschild zur Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik. Finanzpolitisch teilen wir jedoch die Auffassung der Regierung, wonach eine kurzfristige Erhöhung im laufenden Jahr nicht zweckmässig ist. Da stellt sich dasselbe Problem wie beim Vorstoss Burn. Wir nehmen daher die Ziffern 1 und 2 als Postulat an. Weiter unterstützen wir den Vorstoss von Pierre Amstutz. Zudem sind wir der Meinung, man müsse nun alle Möglichkeiten prüfen, bei denen der Einsatz von erneuerbaren Energien sinnvoll ist, deshalb unterstützen wir auch den Vorstoss, der ein Inventar von Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom fordert. Ebenfalls unterstützen wir die Motion der Grünliberalen; die Interpellation Hofmann zeigte dazu wichtige Hintergrundinformationen auf. Wir stimmen ausserdem dem Postulat Imboden zu; das Arbeitsplatzpotenzial in den neuen Technologien ist riesig. Wichtig ist jedoch, dass auch die entsprechenden Ausbildungen gefördert werden und dass genügend Fachleute eingesetzt werden können. Den Vorstoss «Energie aus Aarewasser» lehnen wir im Sinn der Regierungsantwort hingegen ab. Wir sind grundsätzlich offen für das Prüfen von neuen Technologien im Bereich erneuerbarer Energien, daher nehmen wir den Vorstoss zu den Wirbelkraftwerken an. Insbesondere sind aber die Effizienz, die Wirtschaftlichkeit und die Auswirkungen auf die Gewässerökologie und die Fischerei zu prüfen. Beim Vorstoss für einen kantonalen Windrichtplan könnten wir die Ziffern 1 und 2 als Postulat annehmen. Carlo Kilchherr, Thun (SVP). (Der Votant stellt neben dem Rednerpult ein Armeefunkgerät auf.) Als Fraktionssprecher der SVP erlaube ich mir einige persönliche Gedanken. Ganz genau drei Punkte. Erstens: An der ganzen Diskussion stört mich sehr, dass es offenbar nur zwei Lager gibt. Das eine ist für einen sofortigen Ausstieg, und dann gibt es noch die andern. Was mich besonders stört: Die andern sind offenbar die Schlechten. Zweitens: In meinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis, auch in unserer Firma kenne ich niemanden, der nicht Respekt oder Angst vor der Kernenergie hat, wenn sie ausser Kontrolle gerät. In vielen Gesprächen vernehme ich, dass wir von der Kernenergie weg wollen. Ich höre aber auch, dass wir nur dann aus der Kernenergie aussteigen sollen, wenn wir es uns leisten können, das heisst, wenn wir Alternativen haben. Drittens: Die Politikerinnen und Politiker versprechen unseren Bürgerinnen und Bürgern Dinge, die sie gar nicht halten können im Kanton, aber auch in der Schweiz. Ich kann mir das nur so erklären, dass einfach im Wahljahr solche Versprechungen gemacht werden. Dieselben Politikerinnen und Politiker versprechen Dinge, für die sie in zehn, zwanzig Jahren nicht mehr geradestehen müssen, weil sie gar nicht mehr da sind. Ich habe dieses Funkgerät der Schweizer Armee für diese Debatte mitgebracht. Für mich ist es ein wenig ein Symbol für das Verhalten vieler Leute in der Politik. Beim Funken gilt sowohl in der Armee wie auch in der Polizei, bei der Feuerwehr, im Zivilschutz, bei Sportveranstaltungen wie Tour de Suisse oder Lauberhornrennen der gleiche Grundsatz. Als junger Rekrut lernte ich folgende Funkregel (Der Redner nimmt den Hörer des Funkgeräts in die Hand): Man nimmt zuerst den Hörer ab, und dann überlegt man. Anschliessend drückt man auf den Knopf und schluckt noch einmal, und erst danach spricht man. Wenn man es umgekehrt macht, hat man etwas gesagt, ohne nachzudenken und ohne noch einmal zu schlucken. Das ist für mich ein Grundsatz. Ich wünsche Ihnen allen weiterhin ein gute Debatte sowie gute und richtige Entscheidungen für unseren wunderschönen Kanton. Zu den Vorstössen Folgendes: Motion 083/11 lehnen wir einstimmig ab; dem Anliegen, einer Erhöhung des KEV- Deckels, wurde bereits Rechnung getragen. Die Ziffern 1, 2 und 4 von Motion 084/11 lehnen wir ab. Bei Ziffer 3 Annahme und gleichzeitige Abschreibung, weil zusätzliche Investitionshilfen nicht angebracht sind. Die Betreiber von Photovoltaikanlagen haben mit der KEV eine auf 25 Jahre gesicherte Abnahme mit einem sicheren Preis und einer sicheren Rendite. Sollte die Abschreibung bestritten werden, lehnen wir Ziffer 3 ab. Motion 090/11 lehnen wir auch als Postulat ab. Beim Vorstoss 100/11, Ziffer 1: mehrheitliche Anlehnung; Ziffer 2 Annahme; Ziffer 3: mehrheitliche Ablehnung; Ziffer 4: einstimmige Ablehnung. Motion 126/11: einstimmige Ablehnung. Das Berner Volk will keine neue Stromsteuer. Das hat es mit der Abstimmung am 15. Mai 2011 gezeigt. Demokratische Entscheide muss auch der Regierungsrat akzeptieren. Ich will nicht schulmeistern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielen Politikern würde es jedoch gut tun, zunächst zu denken, dann den Knopf zu drücken, noch einmal zu schlucken und erst anschliessend zu reden. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Ich hoffe, dass Carlo Kilchherr bei einem Atomunfall ebenfalls den Hörer abnimmt, nachdenkt, schluckt und dann erst redet, sofern er nicht sprachlos bleibt. Dies als Bemerkung zu seiner Vorführung. Ich möchte noch einmal betonen: Die Zukunft ist erneuerbar. Sie ist machbar, meine Damen und Herren. Der Energiewandel ist nicht einfach ein Wort, sondern ein neues Lebensgefühl. Wir werden mit dem Energiewandel von der zentralen Stromproduktion wegkommen und zu einer dezentralen übergehen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das bereits praktisch erfahren. Sie konnten Erfahrungen mit solaren Warmwasseraufbereitungsanlagen oder solarer Stromproduktion auf ihren Dächern sammeln, mit Wärmepumpen im Keller oder mit dezentraler Stromproduktion. Ich möchte

239 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik noch ein Wort an die Bauern richten, die vor mir sitzen. Die Bauern haben Holz, Mist sowie Dachflächen und damit beste Voraussetzungen, um wichtige Akteure im Energiemarkt zu werden. Sie können in diesem dezentralen Markt zu den Energiewirten der Zukunft werden. Führen Sie sich das einmal ein bisschen vor Augen. Unsere Fraktion nimmt zu den Vorstössen wie folgt Stellung: Die Motion von Rita Haudenschild zur Hebung des KEV- Deckels nehmen wir an, obwohl im Nationalrat der halbe Schritt bereits gemacht wurde. Die Ziffern 1 bis 3 der zweiten Motion Haudenschild, Photovoltaik, lehnen wir aus finanzpolitischen Überlegungen ab. Ziffer 4 nehmen wir als Motion an. Zum Postulat Näf: Obwohl wir die strengen Gebäudevorschriften begrüssen, haben wir Mühe, das mit Atombunkern zu koppeln. Es bleibt etwas der fade Beigeschmack der Effekthascherei, die auf Biegen und Brechen eine reisserische Aufbereitung machen will. Wir werden das Postulat aber unterstützen. Die Ziffern 1 bis 3 der Motion Bauen nehmen wir an; Ziffer 4 lehnen wir aus praktischen Gründen ab. Was die Motion Amstutz betrifft, sind wir der Ansicht, dass ein solcher Vorstoss national koordiniert erfolgen sollte. Wir würden deshalb lieber einem Postulat zustimmen. Das Postulat Imboden nehmen wir an. Die Motion Müller lehnen wir ab, weil für uns der Hochwasserschutz, die Renaturierung und der Grundwasserschutz höhere Priorität haben. Die Motion zu den Wirbelkraftwerken, die in ein Postulat gewandelt wurde, hätten wir auch als Motion unterstützt; deshalb nehmen wir sie als Postulat natürlich an. Das ist ein neuer Weg für Kleinkraftwerke, die in Zukunft grosse Chancen haben werden. Selbstverständlich nehmen wir auch die Ziffern 1 und 2 des Vorstosses von Peter Flück zum Windrichtplan als Motion an. Josef Jenni, Oberburg (EVP). Ich nehme es gleich vorweg: Die EVP unterstützt die Mehrheit der Vorstösse analog zur Regierung. Der EVP geht es jedoch darum, dass allfällige öffentliche Mittel dort eingesetzt werden, wo tatsächlich etwas Substanzielles herausschaut. Darum haben wir Mühe mit den beiden Vorstössen von Rita Haudenschild. Dort geht es darum, dass eigentlich die teuerste Technologie zur Stromerzeugung letztlich mit über 100 Prozent gefördert werden soll. Das könnte zur Folge haben, dass man mit dieser 100- Prozent-Förderung andere Technologien, die für weniger Geld ein deutlich grösseres Sparpotenzial haben, verdrängt Technologien, die sich zu einem grösseren Teil selber finanzieren. Mit der kostendeckenden Einspeisevergütung bei Photovoltaik wird eine Technologie mit 100 Prozent gefördert, die mit sehr viel Geld vor allem im Winter sehr wenig Energie erzeugt. Ich nenne ein Beispiel aus Deutschland: Mit Investitionen von mehr als 100 Mrd. Euro wurde im Winter, im vergangenen Dezember, eine Energiemenge erzeugt, die einem Viertel des alten Kernkraftwerks Mühleberg entspricht. Das finde ich persönlich wenig. Es wird auch viel davon gesprochen, dass die Photovoltaik in letzter Zeit günstiger geworden sei. Das stimmt. Der Hauptgrund dafür ist: Immer mehr Komponenten werden in China produziert; mit schmutzigstem Kohlenstrom, ohne die geringste Rücksicht auf die Umwelt. Bereits 80 Prozent der Solarzellen, die in Deutschland montiert werden, stammen derzeit aus China, mit der Folge, dass die einheimische Photovoltaikindustrie ums Überleben kämpft. Bereits heute versprechen Photovoltaikfirmen ihren Interessenten Renditen von 10 bis 11 Prozent. Die EVP würde es nicht begreifen, wenn nun der Kanton die Gewinne der Investoren noch einmal steigern sollte. Beispielsweise in Spanien wurde die KEV inzwischen wieder abgeschafft; in Deutschland ist sie zunehmend umstritten. Dort wird sie aber vor allem deshalb nicht abgeschafft, weil das im Bereich Photovoltaik zu bis Arbeitslosen führen würde. Für mich als Unternehmer, der auch wirtschaftlich denkt, wäre es äusserst schlimm, wenn eine ganze Branche zu 100 Prozent von der öffentlichen Förderung abhängig wäre. Das würde mir grosse Angst machen. Deshalb haben wir da gewisse Bedenken. Erwin Burn, Adelboden (EDU). Ich gebe nur kurz bekannt, wie die EDU abstimmen wird. Die Motion Haudenschild 083/11 unterstützen wir, wie wir das seinerzeit schon bei Frau Masshardt gemacht hatten. Für die Motion 084/11 haben wir eine gewisse Sympathie. Ziffer 1 würden wir sogar als Motion unterstützen, die Ziffern 2 und 4 als Postulat; und Ziffer 3 möchten wir annehmen und abschreiben. Dem Vorstoss Näf könnten wir zustimmen, obwohl er eigentlich keine Wirkung hat, da es nur noch ein Postulat ist. Wir sind jedoch auch der Meinung, es gebe genügend Luftschutzkeller und man könnte das Geld anders und besser einsetzen. Die Motion Bauen unterstützen wir. Die Motion Amstutz lehnen wir ab. Die Motion Flückiger und Schöni ist für uns nicht umsetzbar; dem Postulat Imboden stimmen wir zu. Der Motion Scheuss könnten wir als Postulat zustimmen, wie es die Regierung beantragt. Wir finden das prüfenswert. Auch die Motion Flück wird von der EDU unterstützt. Ziffer 1 der Motion Müller nehmen wir an; Ziffer 2 lehnen wir ab. Gerhard Fischer, Meiringen (SVP). Ich spreche nicht zur Grimsel, sondern zur Photovoltaik. Ich hoffe, Sie haben Grossrat Jenni vorhin gut zugehört. Er hat sehr kluge Gedanken geäussert. Das Potenzial der erneuerbaren Energien wird, wie ich bereits gestern ausführte, überschätzt. Bisher ging das Bundesamt für Energie in seinen Szenarien davon aus, dass bis ins Jahr ,4 Terawattstunden mit erneuerbaren Energien möglich sind. Nach Fukushima wurde diese Zahl auf 22,6 Terawattstunden erhöht, das heisst viermal mehr, und das innerhalb von 75 Tagen. Das entspricht siebenmal der Produktion des KKW Mühleberg. Ich habe es gestern gesagt: Die KWO kann mit 1,3 Mrd. Franken etwa 3 Prozent von Mühleberg ersetzen. Rechnet man das hoch, ergibt sich ein Investitionsvolumen von sage und schreibe 300 Mrd. Franken. Die Kostendeckende Einspeisevergütung betrug bisher 0,9 Rappen pro Kilowattstunde; das ergab zirka 500 Mio. Franken; neu, ohne Deckelung, wird das mehrere Milliarden pro Jahr ausmachen, die vor allem in Photovoltaikund Solaranlagen investiert werden. Solaranlagen für Warmwasser sind sinnvoll und gut. Die Photovoltaik ist eine teure und unzuverlässige Stromerzeugungsart. Die Schweiz hat rund 800 bis 1000 Sonnestunden pro Jahr, Spanien dagegen mehr als 2000 und Nordafrika Das zeigt, dass die Schweiz bei der Photovoltaik nicht sehr effizient ist. Im Sommer haben wir heute einen Wasserkraftüberschuss, der in den Export fliesst. Die Photovoltaik würde diesen Überschuss noch vergrössern. Mit unseren 100 Speicherseen können wir rund 30 Tage versorgen. Deshalb trägt die Photovoltaik zur Stromversorgung der Schweiz im kritischen Winterhalbjahr nur sehr wenig bei. Andreas Hofmann, Bern (SP). Ich will mich nur zur Motion Müller äussern, zum Geschäft M 134/11. Die SP-Fraktion lehnt diese Motion auch als allfälliges Postulat ab. Ziffer 1: Die Antwort der Regierung ist nachvollziehbar. Die Nutzung der Aare zwischen Bern und Thun zur Energieproduktion ist unwahrscheinlich. Dort, wo das Gefälle der Aare recht stark ist, in der Gegend von Uttigen, in der ich aufgewachsen bin, befindet sich ausgerechnet auch eine wichtige Trinkwasserversorgung der Stadt Bern. Würde man dort Stromnutzung betreiben, könnte das die Trinkwasserversorgung gefährden. Ich erinnere mich daran, dass irgendwann in den 50er-Jahren die BKW dort ein Kraftwerk errichten wollte. Das ist glückli-

240 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 679 cherweise nicht passiert. Sogar wenn man einmal eine Energienutzung der Aare zwischen Bern und Thun vornehmen würde, wäre die Realisierung des Projekts Aarewasser kein Hindernis, wie auch die Regierung schreibt. Bei Ziffer 2 ist die Argumentation ähnlich. Dazu kommt ein verstärkter Konflikt mit Bundesrecht. Bei dieser Motion hat man den Eindruck, dass unter dem Deckmantel der Förderung erneuerbarer Energie noch eine andere Rechnung steht: eine offene Rechung mit dem Renaturierungsfonds, mit dem Projekt Aarewasser, bei welchem dem Fluss ein kleiner Teil der Fläche, die man ihm früher weggenommen hat, in Zukunft zurückgegeben werden muss. Diese Fläche wird von den Grundeigentümern natürlich bestritten. Diese Motion scheint mir, wenn es um Energie geht, nicht ganz am richtigen Ort zu stehen. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Je m exprime au sujet de la motion 170 concernant le plan directeur éolien cantonal de M. Flück. Comme le souligne avec justesse les motionnaires, le développement en douceur de l énergie éolienne, que l on avait connu jusqu au début de l année 2009, a fait sa place au lancement de nombreux projets. Dans l Arc jurassien, les investisseurs se sont précipités pour occuper le plus rapidement possible les meilleurs sites et bénéficier de la rétribution au prix coûtant. Certains, s adressant directement aux propriétaires fonciers, allaient jusqu à leur proposer des contrats sans aucune coordination avec les communes concernées et en ne tenant parfois pas compte des plans directeurs cantonaux. Dans le canton de Berne, il appartient aux régions et aux Conférences régionales de définir le développement territorial en collaboration avec les communes, dans le cadre de l élaboration du plan directeur cantonal. Les parcs éoliens étant parfois situés à cheval sur plusieurs communes, il est nécessaire de concilier les intérêts parfois divergents des collectivités publiques concernées. Notons que la procédure d élaboration des plans directeurs régionaux garantit la coordination des plans directeurs éoliens entre régions voisines et avec les cantons voisins. Le plan directeur «Parcs éoliens dans le Jura bernois» et le plan directeur coordonné des régions de l Emmental, de la Haute-Argovie et de Berne ont déjà été approuvés. Ainsi, en plus du parc éolien de Mont Crosin, déjà existant, sept autres emplacements destinés à des parcs éoliens ont été désignés. Les cantons du Jura, de Neuchâtel et de Soleure ont désigné les sites de production d énergie éolienne dans leur planification directrice. L ensemble des cantons romands et le canton de Berne coordonnent actuellement sur le fond leur planification dans ce domaine. Chargée de la planification des parcs éoliens dans le Jura bernois, l Association régionale Jura-Bienne a tiré un certain nombre de constats liés au développement de cette énergie dans l arc jurassien. Compte tenu de toutes ces considérations, à l unanimité, le groupe des Verts va accepter les points 1 et 2. Il rejette par contre le point 3 qui a d ailleurs été retiré parce qu il pense justement qu il n est pas nécessaire de déclarer un embargo sur le montage de turbines éoliennes. Je vous remercie de votre attention. Je me permets en mon nom personnel, parce que j ai la parole à la tribune, de parler de ma motion afin de lui donner davantage de chances (Hier unterbricht der Präsident den Redner mit der Begründung, zu diesem Geschäft werde er sich später äussern können.). Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Ich möchte noch etwas zur Motion «Energie aus Aarewasser» ergänzen. Das Projekt Aarewasser wurde nach massiven Schäden und Zerstörungen durch das Hochwasser 2005 als Gemeinschaftsprojekt der betroffenen Gemeinden zwischen Bern und Thun in akribischer Kleinarbeit und unter Einbezug aller Interessenvertreter erarbeitet. Im Mitwirkungsverfahren erfuhr es eine grosse Mitwirkung. Als Vertreter einer der Gemeinden war ich Mitglied des Projektteams. Ich weiss also, wovon ich spreche. Die Motionäre haben das Projekt offenbar noch nie richtig angeschaut und sich mit dem Aarewasser und seinen äusserst wichtigen Funktionen zum Schutz der Aaretaler Bevölkerung vor Hochwasser und zur Sicherstellung der lebenswichtigen Trinkwasservorkommen in diesem Bereich nie auseinandergesetzt. Sonst hätten sie erkannt, dass das Projekt Aarewasser in keiner Art und Weise eine allfällige Wassernutzung beeinträchtigt und auch keine Fruchtfolgeflächen im grossen Stil beansprucht. Weder die Wassermengen noch das Gefälle werden beeinflusst. Und das sind die beiden einzigen Parameter, die für eine Wasserkraftnutzung technisch relevant sind. Es riecht sehr danach, als ob es hier darum ginge, Einzelinteressen zu vertreten. Und wenn es ein Deckmäntelchen gibt, so geht es womöglich darum, die Holznutzung, die etwas umstritten ist, dennoch durchzusetzen. Die Grünen sind nicht bereit, durch eine Verzögerung des Projekts die Aaretaler Bevölkerung weiterhin zu gefährden. Wir lehnen deshalb die energiepolitisch motivierte, von Einzelinteressen getriebene Motion ab. Wir halten sie für einen Schnellschuss. Ich bitte den Rat, dasselbe zu tun. Hans Rudolf Feller, Steffisburg (FDP). Herr Bauen und Herr Hofmann sind wohl nicht an derselben Aare zu Hause wie ich. Der Vorstoss will das Projekt Aarewasser in keiner Art und Weise verhindern. Ich bin nur ans Rednerpult getreten, um über die Motion Müller, M 134/11, zu sprechen. Corinne Schmidhauser sagte, dass die FDP Ziffer 1 als Motion annehmen will und Ziffer 2 als Postulat. Mir ist das Projekt sehr gut bekannt, und ich bin bekennender Fan des Projekts Aarewasser. Ich bin selber sogar Fischer. Das Problem des Geschiebehaushalts und der Sohlenerosion ist mir hinlänglich bekannt. In ihrem Eingangsvotum sagte die Regierungsrätin, nach Fukushima seien alle gefordert, man müsse nun Hand bieten und müsse zusammenhalten. Allein, mir fehlt der Glaube. Ich glaubte, der gute Wille sei in diesem Saal vorhanden. Ich war schon über die Antwort der Regierung erstaunt, bin nun aber noch erstaunter, dass die Grünen und die SP diesen Vorstoss, der nichts verhindern will, sondern die Nutzung und den Schutz koordinieren will, ablehnen wollen. Nach Fukushima ist alles anders, jedoch eines ändert sich nie: Frau Eggers Wasserstrategie. In der Wasserstrategie ist dieser Abschnitt orange eingefärbt. Das heisst: Es ist realisierbar mit Auflagen. Frauen und Männer, wir schaffen es doch sicher, das mindestens zu prüfen! Es kommt darauf an, wie man das macht. Mit etwas gutem Willen sollte es doch möglich und lösbar sein. Der ökologische respektive hydrogeologische Sündenfall ereignete sich vor 300 Jahren, als die Kander in den See geleitet wurde. Seither sind wir ständig am Korrigieren. Und wir tun immer so, als ob das für 100 Jahre wäre. Frauen und Männer, tun wir doch etwas! Und wenn es sich in 100 Jahren als falsch erweist, reissen wir es wieder ab. (Heiterkeit) Hans Rösti, Kandersteg (SVP). Hans Rudolf Feller hat das Wichtigste gesagt. Die Grünen sind mit ihren Aussagen nicht ganz auf der Höhe in Sachen Aareprojekt. Es handelt sich um ein Projekt, das unter der Bezeichnung Hochwasserschutz verkauft wird. Die Aare hat bei den letzten Hochwasserereignissen zwischen Thun und Rubigen keine Schäden angerichtet. Der einzige Schaden, den es gab, erfolgte bei der Brücke, die nach Jaberg führt. Dort hatte der Kanton einen grossen Fehler gemacht, indem er die Brückenlager zu nahe beieinander baute. Daraufhin kam es zu einer Unterspülung, die das Ufer anriss. Ich empfehle denen, die nun berichtet haben, wie gut sie das Gebiet kennen, einmal der Aare entlangzugehen. Es wurde gesagt, mit dem Aarewasserprojekt solle die

241 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Wasserversorgung von Bern geschützt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Man will das Grundwasser verändern; man will das Projekt auf eine Weise machen, dass die Versorgung von Bern nicht mehr gesichert ist. Geschätzte Frauen und Männer, die Motion Müller will absolut nichts anderes als die Möglichkeit erhalten, dort ein Projekt zu machen. Es wird ständig gesagt, an der Aare könne man kein Projekt machen. Die Aare ist jedoch der grösste Fluss des Kantons Bern; er hat ein gewisses Gefälle. Es stellt sich lediglich die Frage, wie lang man es machen muss, bis man dieses Gefälle hat, aber man soll nicht sagen, man könne nichts machen. Sie haben nun prognostiziert, was man alles machen könne, und dieselben Leute behaupten anschliessend, am grössten Fluss des Kantons könne man nichts produzieren. Das ist mir unverständlich. Zur Landwirtschaft: Ausserdem sagte Frau Schöni, die Landwirtschaft könne profitieren. Das ist zwar richtig, aber dass hier viel Wald und landwirtschaftliche Nutzfläche verloren geht, hat sie nicht bedacht. Rita Haudenschild, Spiegel (Grüne). Ich danke herzlich für die wohlwollende Aufnahme der Motion. Es gab ganz unterschiedliche Zustimmungen und Ablehnungen. Mein Fazit aus dem Ganzen, das Sie auch schwarz auf weiss vor sich haben: Ich lehne mich an den Antrag der Regierung an. Das bedeutet, dass ich die Ziffern 1 und 2 zurückziehe. Ich würde es begrüssen, wenn wir in der Sondersession tatsächlich die Massnahmen diskutieren könnten. Ich wäre an einer längerfristigen Lösung interessiert und nicht nur an einer ein- oder zweijährigen. Ziffer 3 wandle ich in ein Postulat, wie die Regierung beantragt. Ziffer 4 lasse ich als Motion stehen, ebenfalls mit Unterstützung der Regierung. Antonio Bauen, Münsingen (Grüne). Ich danke für die Diskussion zu meiner Motion. Ich habe herausgespürt, dass es ein Anliegen ist, das man aufnehmen will. Ich finde es sehr wichtig, eine Liste der Flächen zu haben, die dem Kanton für eine Solarnutzung zur Verfügung stehen. Das ist etwas, das die Unternehmen wirklich brauchen können, und sie bietet einen Anreiz, die Flächen zur Verfügung zu stellen. Ziffer 4 ist umstritten, deshalb ziehe ich sie zurück. Die übrigen drei Ziffern lasse ich als Motion stehen. Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts). Je serai bref. Je vous remercie pour la discussion qui a été menée au sujet de ma motion. Afin de faciliter éventuellement la naissance, je la transforme en postulat et je rejoins ainsi la proposition du Conseil-exécutif. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Ich danke der Regierung für die wohlwollende Prüfung unserer Motion. In Ziffer 2 wollten wir, wie Sie nachlesen können, absichtlich Etappenziele festlegen, um auch denjenigen, die eine etwas langsamere Gangart einschlagen möchten, entgegenzukommen. Wir sehen, dass das nicht von heute auf morgen möglich ist. Deshalb haben wir eine langsamere Gangart gewählt. Ich weiss allerdings nicht, was man beispielsweise gerade der BDP noch an Lösungsvorschlägen bieten müsste, damit sie sich auch langsam auf den Weg in die erneuerbare Zukunft machen würde. Explizit möchte ich der FDP dafür danken, dass sie unsere Motion als Postulat unterstützt. Ich wandle meine Motion daher in ein Postulat und hoffe, dass sich noch der eine oder andere dafür erwärmen könnte, wenigstens einem Postulat zuzustimmen. Für diese Unterstützung danke ich. Ich möchte noch eine Bemerkung zum Votum von Grossrat Rösti anbringen: Es ist nicht so, dass unsere Aare nicht genutzt wird. Sie wird vielmehr an diversen Orten genutzt. Es ist aber auch so, dass man den Ast, auf dem man sitzt, nicht absägen darf. Sprich: das Grundwasser könnte eventuell versiegen, wenn man die Aare in jenem Abschnitt, in dem die Motion Müller eine Nutzung möchte, tatsächlich nutzt. Die Stadt Bern hätte dann kein Wasser mehr. Denken Sie auch daran. Ueli Augstburger, Gerzensee (SVP). Ich danke der Regierung für die Antwort zur Motion «Energie aus Aarewasser», insbesondere für die Äusserung, Wasserkraft solle, wo immer möglich, genutzt werden, und auch für den Hinweis, die schutzwürdigen Interessen seien zu berücksichtigen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, genau in diesem Punkt haben sich jedoch die Kriterien mit der Notwendigkeit von erneuerbaren Energien verändert. Man versteckt sich hier hinter Gesetzen, die ohne Berücksichtigung eines massiv höheren alternativen Strombedarfs geschaffen worden sind und bezüglich der Fliessgewässer und ihrer unmittelbaren Umgebung Anpassungen erfahren werden. Wir verlangen, wie das jeder vernünftige Bauherr ebenfalls machen würde, beim Auftauchen weiterer Nutzungsmöglichkeiten einen Marschhalt. Zudem sollen nicht unnötig Mittel, die ohnehin nicht vorhanden sind, verschwendet werden. Antonio Bauen möchte ich dahin gehend antworten, dass ich ebenfalls aus einer betroffenen Gemeinde komme und bei der Ausarbeitung dabei war. Ich bitte ihn, beim Pauschalurteil bezüglich Kenntnis dieses Projekts etwas zurückhaltender zu sein. Bei der Motion Burn, «Förderungsmassnahmen» hat uns die Regierungsrätin heute bezüglich Einsatz nichtvorhandener Finanzmittel die Leviten gelesen. Ich bin ihr gefolgt und habe nicht zugestimmt. Ich hoffe, dass man die Bedenken, die dort angemeldet wurden, auch hier einsetzt und nicht unnötig Mittel verschwendet, die man wieder korrigieren muss, wenn Massnahmen getroffen werden sollen. Moritz Müller, Bowil (SVP). Ich möchte nur kurz auf die verschiedenen Aussagen antworten. Ich bin recht erstaunt über die Aussage der SP, wonach sie die Motion Scheuss zu den Wirbelkraftwerken annehmen will, während sie unsere Motion ablehnt, obschon wir sagten, wir wollten das prüfen. Es wäre eine Möglichkeit, dort ein solches Kraftwerk zu bauen. Zu Grossrat Bauen: Wir wissen, dass Münsingen ein Problem mit dem Hochwasser hat, wenn man dort nichts unternimmt. Das wollen wir nicht verhindern. Wir wollen auch notwendige Reparaturen an der Aare nicht verhindern. Uns geht es darum, eine Nutzung zu prüfen und sie nicht mit der Renaturierung zu verhindern. Wie Ueli Augstburger gesagt hat, kommen zwei unserer Motionäre aus Anstössergemeinden der Aare. Zum Holznutzungsvorwurf: Die Rechtsamegemeinde Kiesen hat 2003 für den Auenwald einen fünfzigjährigen Nutzungsverzicht unterschrieben. Man kann also nicht unterstellen, dass es unter diesem Deckmantel um Holznutzung gehen soll. Zu Grossrat Hofmann: Das Trinkwasser muss auch bei der Renaturierung verlegt werden. Die Verschiebung der Trinkwasserfassung ist eingeplant. Unter diesem Aspekt kann es gar nicht sein, dass es durch das Hochwasser geschädigt wird, wenn wir etwas machen. Das kann ich auch nicht gelten lassen. Wir wandeln beide Ziffern der Motion in ein Postulat und verlangen punktweise Abstimmung. Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Es wurde zu diesem Block nun viel gesagt. Die Förderung erneuerbarer Energien ist ein wichtiger Block. Ich glaube, wir als Kanton können einfach versuchen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmungen, welche in diesen Bereichen tätig sind, gute Voraussetzungen vorfinden, um Anlagen für erneuerbare Energien erstellen zu können. In diesem Sinn bitte ich Sie, die Motionen und gewandelten Postulate gemäss den Anträgen der Regierung zu überwei-

242 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 681 sen. Noch ein Wort zum Projekt Aarewasser: Es wurde viel Richtiges, aber auch viel Falsches dazu gesagt. Ich bin sehr froh, dass beide Ziffern des Vorstosses in ein Postulat gewandelt wurden. Bei Ziffer 1 können wir mit einem Postulat leben, weil im Projekt Aarewasser, das schon sehr weit fortgeschritten ist, keine Massnahmen vorgesehen sind, welche ein späteres Wasserkraftwerk verhindern würden. Diese Forderung ist also bereits erfüllt. Bei Ziffer 2 bin ich hingegen nicht ganz einverstanden mit dem, was insbesondere von Grossrat Feller gesagt wurde. Ziffer 2 verlangt nämlich, man müsse alle Planungen und darunter verstehe ich nicht nur das Projekt Aarewasser von Renaturierungen im Bereich von Seen und Fliessgewässern sistieren. Renaturierungsprojekte sind häufig auch Hochwasserschutz-Projekte. Dabei handelt es sich an diesen Seen und Fliessgewässern nicht um kantonale Projekte. Die meisten laufenden Projekte sind Gemeindeprojekte, die vom Kanton finanziell unterstützt werden. Damit würde man direkt die Gemeinden strafen, welche dabei sind, an ihren Flüssen, Bächen und Uferbereichen Massnahmen zu planen und umzusetzen. Das kann wohl kaum der Sinn sein. Ich bin, wie gesagt, froh, dass in ein Postulat gewandelt wurde, bitte den Grossen Rat jedoch, gestützt auf meine Aussage, wonach bei all diesen Projekten nicht der Kanton Bauherr ist, sondern Gemeinden oder Gemeindeverbände, Ziffer 2 auch als Postulat abzulehnen. Es liegt nicht in unserer Hoheit, dort zu prüfen, ob man die Projekte sistieren will oder nicht. Präsident. Wir stimmen ab über die Motion M 083/11. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 78 Stimmen 61 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Als nächstes befinden wir über den Vorstoss M 084/11. Ziffern 1 und 2 sind zurückgezogen. Ziffer 3 wurde ins Postulat gewandelt, für welches Abschreibung beantragt wurde. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 3 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 3 Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 4 der Motion Dagegen 110 Stimmen 30 Stimmen 6 Enthaltungen 84 Stimmen 53 Stimmen 2 Enthaltungen 65 Stimmen 73 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. M 090/11 wurde in ein Postulat gewandelt, über das wir nun abstimmen. Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen 63 Stimmen 74 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Es folgt die ziffernweise Abstimmung über M100/11. Ziffer 4 wurde zurückgezogen. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme Ziff. 3 der Motion Dagegen 82 Stimmen 57 Stimmen 1 Enthaltung 101 Stimmen 37 Stimmen 0 Enthaltungen 98 Stimmen 42 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Die beiden nächsten Geschäfte, M 126/11 und M 166/10, über die wir nun abstimmen, wurden beide ins Postulat gewandelt. Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen 62 Stimmen 78 Stimmen 0 Enthaltungen 73 Stimmen 65 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Nun stimmen wir ziffernweise über das Postulat P 022/11 ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 76 Stimmen 59 Stimmen 3 Enthaltungen Präsident. Der Vorstoss M 134/11 wurde ebenfalls ins Postulat gewandelt, wir stimmen ziffernweise darüber ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 als Postulat Dagegen 109 Stimmen 23 Stimmen 5 Enthaltungen 64 Stimmen 70 Stimmen 4 Enthaltungen Präsident. Auch der nächste Vorstoss über den wir befinden, M 142/11, wurde ins Postulat gewandelt. Abstimmung Geschäft Für Annahme als Postulat Dagegen 137 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Bei der Motion 170/10 wurde Ziffer 3 zurückgezogen. Wir stimmen über die verbleibenden Ziffern ab sowie über die Abschreibung von Ziffer 2. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 der Motion Dagegen 83 Stimmen 53 Stimmen 0 Enthaltungen

243 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 2 der Motion Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 2 Dagegen 88 Stimmen 50 Stimmen 0 Enthaltungen 98 Stimmen 35 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /10 Interpellation Andreas Hofmann, Bern (SP) Trägt die BKW mit ihrem Engagement bei einem Kohlekraftwerk eine Mitverantwortung an Menschenrechtsverletzungen? Wortlaut der Interpellation vom 1. Dezember 2010 Die BKW hält einen 1/3-Anteil am 830-MW- Steinkohlekraftwerk in Wilhelmshaven, das voraussichtlich 2012 in Betrieb gehen soll. Dieser Anteil an der Stromproduktion führt dazu, dass die BKW ab 2012 jährlich ca. 0,6 Millionen Tonnen verbrauchen wird. Bereits jetzt ist Kolumbien für Deutschland der wichtigste Steinkohlelieferant. Zwischen Januar und Juli 2010 lieferte Kolumbien ca. 4,4 Mio. Tonnen Steinkohle an Deutschland (Anteil am Import ca. 55 %). Die kolumbianische Exportkohle stammt grösstenteils von drei Bergbaukonzernen in den nordöstlichen Departementen Cesar und Guajira (Cerrejón, Drummond und Glencore). Die Menschenrechtssituation in diesen kolumbianischen Kohlenminen ist z. T. jedoch bedenklich. In den Minen arbeiten in zunehmendem Masse Temporärarbeiter von Subunternehmen mit sehr schlechter Entlöhnung und mangelhaften Sicherheitsstandards. Die Gewerkschaftsrechte, darunter die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Verhandlungen, werden in mehreren Minen nicht eingehalten. Gewerkschaftsführer wurden in der Vergangenheit immer wieder mit dem Tod bedroht, es wurden Anschläge auf sie verübt, und mehrere wurden ermordet, der letzte vor gut einem Monat. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Dörfer zwangsumgesiedelt oder die Bewohner vertrieben, und auch bei den rund acht Dörfern, die aktuell umgesiedelt werden müssen, sind die internationalen Standards nicht garantiert. Zudem führen die Kohleminen im Tagbau zu massiver Landschaftszerstörung, Zerstörung und Verschmutzung von Landwirtschaftsland, Wasserverschmutzung, Staubbelastung und damit einhergehend Krankheiten der lokalen Bevölkerung. Die indigene Bevölkerung wurde in Verletzung internationaler Normen nie bezüglich dieser Minen konsultiert und ist grossmehrheitlich gegen diese Minen und deren Ausdehnung. Der Kanton Bern, als Mehrheitsaktionär der BKW FMB Energie AG, trägt direkte Verantwortung an den ökologischen und sozialen Auswirkungen des Kohlehandels, an dem die BKW nach 2012 beteiligt sein wird. Die BKW FMB Energie AG verweigerte im November 2010 mehreren Nichtregierungsorganisationen ein Gespräch zu den oben erwähnten Themen. Diese Ausgangslage veranlasst mich, der Regierung folgende Fragen zu stellen: 1. In welcher Weise kann der Kanton Bern Einfluss auf die BKW FMB Energie AG und auf die in Wilhelmshaven federführende GDF Suez nehmen, um sozial- und umweltverträgliche Bedingungen zum Kohleabbau einzufordern? 2. Ist sich der Kanton Bern als Mehrheitsaktionär der BKW FMB Energie AG bewusst, dass die Investition in ein Steinkohlekraftwerk nebst den Klimaschäden (BKW-Anteil führt zu ca. 1,6 Mio. t CO 2) auch soziale Probleme beim Kohleabbau einschliessen kann? 3. Ist der Kanton Bern bereit, sich dafür einzusetzen, dass vor Ort genaue Abklärungen über die Umwelt- und Menschenrechtssituation getätigt werden und dabei insbesondere auch mit Vertretern lokaler Sozialbewegungen und Gewerkschaften gesprochen wird? 4. Ist der Kanton Bern bereit, sich dafür einzusetzen, dass die grundlegenden Gewerkschafts- und Menschenrechte in den Minen, aus denen Kohle für Wilhelmshaven stammt, einzusetzen? Dazu gehören Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Verhandlungen, grösstmögliche Verhinderung von Umsiedlungen und wenn nötig nur unter Einhaltung der Weltbankstandards, die vorgängige Anhörung der indigenen Bevölkerung nach ILO-Konvention 169 sowie eine umfassende Menschenrechtspolitik, da sich die Minen in Konfliktgebieten mit massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen befinden. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Regierungsrat hat sich bereits in Antworten zu mehreren Vorstössen zur Produktion von Kohlestrom geäussert (Interpellation 0186/07 Grimm «Kohlestrom für Deutschland», Motion 012/08 Wasserfallen «Kein Kohlekraft mit staatlicher Beteiligung» und Motion 323/08 Iannino «Moratorium Kohlekraftwerke»). Dabei bekräftigte er, dass Kohlekraftwerke wegen ihres hohen CO 2-Ausstosses problematisch sind. Anderseits wies er aber auch darauf hin, dass unternehmensstrategische Fragen vom Verwaltungsrat der BKW zu entscheiden sind. Die BKW-Produktionsstrategie von 2009 sieht eine CO 2-freie Produktion vor. Zu den Fragen 1 und 2: Der Regierungsrat teilt die Haltung des Interpellanten, dass die geschilderten Missstände im Kohleabbau in Kolumbien inakzeptabel sind. Es ist daher wesentlich, dass sich die am Kohlehandel Beteiligten für die Einhaltung von sozial- und umweltverträglichen Bedingungen beim Kohleabbau einsetzen. Die BKW ist in Wilhelmshaven Minderheitsaktionärin. Laut BKW erfolgt die Kohlebeschaffung und -Beistellung durch die Mehrheitsaktionärin GDF Suez. Im Rahmen der geltenden Verträge zwischen der BKW und der GDF Suez sind die Möglichkeiten der BKW zur Einflussnahme auf die Beschaffung der Kohle eng begrenzt. Die BKW hat jedoch das wichtige Thema mit dem GDF-Management aufgenommen und wird für die Kohlebeschaffung die Einhaltung der im GDF- Verhaltenskodex festgehaltenen Standards verlangen. Der Regierungsrat begrüsst und unterstützt das Vorgehen der BKW. Zu den Fragen 3 und 4: Der Regierungsrat hat keine direkten Möglichkeiten, sich für eine Verbesserung der Umwelt- und Menschenrechtssituation in Kolumbien einzusetzen. Er teilt aber die Sorge des Interpellanten und ist ebenso der Ansicht, dass die Umstände des Kohleabbaus im Falle eines anhaltenden Engagements der BKW in der Kohlestromproduktion zwingend zu berücksichtigen sind. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten soll die Unternehmung die Abklärung der Umwelt- und Menschenrechtssituation vor Ort unterstützen. Präsident. Der Interpellant ist befriedigt und gibt keine Erklärung ab.

244 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 683 Geschäft /11 Interpellation Näf-Piera, Muri (SP) AKW: Sachliche und objektive Information der Regierung Wortlaut der Interpellation vom31. März 2011 Im Januar 2011 äusserte die Berner Regierung ihre Bedenken über Atomkraft, sie sei veraltet, gefährlich, teuer und unnötig. Anders als die bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament lehne die Regierung ein neues Atomkraftwerk im Kanton Bern ab. Dies unter anderem auch deshalb, weil sie das Risiko eines grossen Störfalls der Bevölkerung nicht unnötig zumuten wolle. Darauf reagierte der Grossratspräsident Gerhard Fischer mit einem offenen Brief im Namen des Grossen Rates und warf der Berner Regierung politisch schlechten Stil vor. Sie lasse in ihrer Kommunikation Sachlichkeit und Zurückhaltung vermissen. Die SVP des Kantons Bern hielt fest, Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer habe ihre «Pflicht zur objektiven Information klar verletzt». Durch die Ereignisse in Japan wird die Sicherheit der Atomkraft nur wenige Monate später völlig anders beurteilt. Es stellen sich zum Brief des Grossratspräsidenten und zur Haltung der Regierung folgende Fragen: 1. Hat die Berner Regierung nach den Ereignissen in Japan einen weiteren Brief des Grossratspräsidenten erhalten, in dem er auf seinen Brief vom Januar zurückkommt? 2. Wie beurteilt der Regierungsrat seine Aussagen zu den Risiken der Atomkraft vom Januar 2011, insbesondere was die Objektivität und die Sachlichkeit anbelangt? (Weitere Unterschriften: 0) ganz einfach war, den Willen des Parlaments zu eruieren. Ich glaube, dass wir das bei der Analyse noch herausfinden werden. Vielen Dank für die guten Diskussionen, danke für die guten Beschlüsse. Damit ist die Sondersession Energiepolitik beendet. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Priska Vogt (d) Catherine Graf Lutz (f) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Zu Ziffer 1: Der Regierungsrat hat vom Grossratspräsidenten keinen weiteren offenen Brief erhalten. Zu Ziffer 2: Der Regierungsrat hat es im Vorfeld der Abstimmung vom Februar 2011 als seine Pflicht erachtet, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Risiken und Gefahren der Atomenergie zu informieren. 25 Jahre nach Tschernobyl haben die Ereignisse im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima der ganzen Welt erneut gezeigt, dass der Atom- GAU nicht nur theoretisch möglich ist, sondern sich auch in der Realität ereignet und zwar mit dramatischen Folgen. Der Regierungsrat bedauert es sehr, dass zuerst ein derart schlimmes Ereignis eintreten muss, bevor sich weite Kreise unserer Gesellschaft dieser Gefahren wieder bewusst werden. Er ist nach wie vor der Ansicht, dass seine Kommunikation vor der Abstimmung vom Februar 2011 korrekt und angemessen war. Präsident. Der Interpellant ist befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Barbara Egger-Jenzer, Bau- Verkehrs- und Energiedirektorin. Wir haben nun während zweier Tage gemeinsam diese Energiedebatte bestritten. Der Grosse Rat hat eine grosse Zahl von Vorstössen überwiesen. Damit haben wir sehr viele Aufträge erhalten, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Die Umsetzung von all dem wird sehr viel zu tun geben und wird nicht einfach sein. Wahrscheinlich wird sie auch Geld kosten. Ich freue mich, mit Ihnen zusammen diesen Weg weiterzugehen. Ich habe es als zwei gute Tage empfunden, auch wenn es manchmal nicht

245 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Anhang Block 5: Wortlaut der Vorstösse und Antwort der Regierung. Diskussion ab S. 671 hiervor. Geschäft /11 Motion Haudenschild, Spiegel (Grüne) Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen Wortlaut der Motion vom 25. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, sich beim Bundesrat für die sofortige Erhöhung der internen Begrenzung des Solarstroms bei der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) und für die Erhöhung der KEV-Abgabe auf dem Strompreis einzusetzen. Begründung: Wir müssen dringend von unserer gefährlichen und schädlichen Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Brennstoffen loskommen. Schon im ersten Jahr der KEV 2009 lagen 100 Mio. Franken Liquidität ungenutzt im Fonds der KEV. Gleichzeitig standen Photovoltaikanlagen mit insgesamt der doppelten Leistung des AKW Mühleberg auf der Warteliste. Wegen der künstlichen Begrenzung der Photovoltaik auf 5 Prozent des Fonds konnte das vorhandene Geld nicht ausgegeben werden, die Solaranlagen konnten nicht gebaut werden. Mit einer Verdoppelung der KEV Abgabe auf den ab 2013 erlaubten Wert von 0,9 Rp/kWh und mit der Erhöhung des Solaranteils am KEV-Fonds von 10 Prozent auf beispielsweise 40 Prozent könnten achtmal mehr Solaranlagen gebaut werden als heute. Diese Verachtfachung ist Voraussetzung dafür, die Stromproduktion unserer AKW innert nützlicher Frist durch erneuerbare Energie zu ersetzen. Zugleich wird die Schweizer Solarindustrie stark gefördert. (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Motion Haudenschild, Spiegel (Grüne) Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik Wortlaut der Motion vom 25. März 2011 Der Regierungsrat wird aufgefordert, 1. die Mittel zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien noch in diesem Jahr von 12 Mio. Franken auf 24 Mio. Franken zu verdoppeln 2. diese Mittel in den Jahren 2012 und 2013 nochmals jährlich zu verdoppeln, d. h. auf 48 Mio. Franken im Jahr 2012 und auf 96 Mio. Franken im Jahr ab sofort Anlagen zur Produktion von Solarstrom finanziell zu unterstützen 4. sich im Verwaltungsrat der BKW für eine angemessene Einspeisevergütung von Strom aus Photovoltaikanlagen einzusetzen Begründung: Die aktuellen Ereignisse in Japan zeigen, dass die Atomenergie nicht mehr länger eine tragende Rolle in der Stromversorgung der Schweiz und im Kanton Bern spielen kann. Daher muss die Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik, massiv ausgebaut werden. Der Kanton Bern hat gegenwärtig ca. 21 Mio. Franken für die Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien zur Verfügung. Etwa 9 Mio. Franken davon stammen vom Bund, 12 Mio. Franken werden aus der laufenden Rechnung des Kantons finanziert. Zudem beteiligt sich der Kanton am nationalen Gebäudeprogramm. Diese Fördersummen sind im Verhältnis zur Dringlichkeit des Energieproblems zu tief. Besonders im Bereich des Solarstroms wird der Handlungsbedarf sichtbar: Der Bau von Photovoltaikanlagen wird im Kanton Bern im Gegensatz zu anderen Kantonen wie Basel-Stadt, Solothurn oder Luzern finanziell nicht gefördert. Viele Private würden gerne Solaranlagen bauen, es fehlt ihnen aber das nötige Eigenkapital. Mit einem Beitrag von z. B Franken pro kwp, was rund Prozent der Gesamtkosten einer Photovoltaikanlage entspricht, wird eine wirksame Förderung des Baus solcher Anlagen möglich. Die lange Warteliste der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) führt dazu, dass Hunderte Solaranlagen auf ihre Realisierung warten. Mit einer kantonalen Förderung von Photovoltaikanlagen könnte diesem Missstand entgegengetreten werden. Zudem wäre eine angemessene Einspeisevergütung für Solarstrom ausserhalb der KEV von mindestens 20 Rp/kWh notwendig, um den Bau von Photovoltaikanlagen voranzutreiben. Gegenwärtig zahlt die BKW lediglich 8 Rp./kWh für Solarstrom. (Weitere Unterschriften: 13) Geschäft /11 Dringliche Motion SP-JUSO-PSA (Näf-Piera, Muri) Solarkollektoren statt Atombunker Wortlaut der Motion vom 28. Mai 2011 Neubauten, die keine Schutzräume mehr benötigen, müssen mit Solarkollektoren oder anderen Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie ausgestattet werden. Begründung: Durch einen Nationalratsentscheid könnte in Zukunft die Baupflicht von Schutzräumen für private Eigentümer grösstenteils wegfallen. Damit werden Mittel frei für sinnvolle Investitionen in eine nachhaltige Energiezukunft. Mit dem Verzicht auf Atomkraftwerke in der Folge der Ereignisse in Japan fallen Risiken weg, durch welche Schutzräume bisher teilweise gerechtfertigt wurden. Anderseits macht der Ausstieg aus AKW die entschiedene Förderung erneuerbarer Energie nötig. Als eine der wirtschaftlichsten Lösungen erweist sich der Bau von Solarkollektoren zur Warmwasseraufbereitung. Mit Solarkollektoren können im Vergleich zu Elektroboilern bis zu einem Drittel des gesamten Stromverbrauchs eines Haushalts eingespart werden. Mit der Verpflichtung zur Installation von Kollektoren oder anderen Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie bei Neubauten erhöhen wir im Kanton Bern sowohl die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern als auch von AKW-Strom. (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Dringliche Motion Bauen, Münsingen (Grüne) Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Auf vielen kantonseigenen Gebäuden und Anlagen sind Flächen vorhanden, die sich zur Installation von Solarstromanlagen eignen. Dort, wo der Kanton nicht selbst eine Solaranlage bauen will, sollen diese Dritten zur Realisierung von Solaranlagen zur Verfügung gestellt werden. Der Regierungsrat wird beauftragt, ein «Inventar Dach- und Fassadenflächen für

246 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 685 Solarstrom» auszuarbeiten. Das Inventar soll mindestens folgende Inhalte aufweisen: 1. Potential Solarstrom auf kantonalen Gebäuden und Anlagen: Anhand einer Grobanalyse ist zu ermitteln, welche Flächen auf kantonalen Gebäuden (Dächer und Fassaden) und Anlagen (z. B. Lärmschutzwände, Stützmauern, Brückenpfeiler usw.) sich für die Installation von Photovoltaikanlagen eignen, und wie gross das Potential zur Produktion von Solarstrom daraus wäre. Als geeignet können Flächen bezeichnet werden, auf denen Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mindestens 10 kw erstellt werden können. Flächen auf historischen und denkmalgeschützten Gebäuden und Anlagen oder solche, die in Ortsbildschutzgebieten liegen oder bei denen andere wichtige Nutzungskonflikte bestehen, sind davon auszunehmen. Von den geeigneten Flächen ist eine Liste mit den relevanten technischen Angaben zu erstellen. 2. Richtlinien und Kriterien: Damit die Übertragung von Nutzungsrechten an Dritte nach einheitlichen Regeln und in einem fairen Wettbewerb geschehen kann, sind das Vorgehen für die Vergabe und die Kriterien und Bestimmungen zur Benutzung der Flächen zu definieren. 3. Das Inventar ist in geeigneter Weise der Öffentlichkeit und interessierten Firmen zugänglich zu machen und dem Grossen Rat zur Kenntnisnahme vorzulegen. 4. Bei Gebäuden und Anlagen, die im Moment in der Realisierung sind, ist die Möglichkeit der Integration von Solaranlagen sofort zu prüfen und wo möglich die Installation von Solaranlagen allenfalls durch Dritte zu ermöglichen. Begründung: Der Kanton Bern ist Besitzer zahlreicher Gebäude und Anlagen, die Dach-, Fassaden- oder andere Flächen aufweisen, die sich sehr gut für die Erstellung von Solarstromanlagen eignen. In der Bevölkerung, aber auch in den meisten politischen Parteien herrscht Konsens darüber, dass in Zukunft vermehrt auf die Produktion erneuerbarer Energien und insbesondere die Solarenergie gesetzt werden soll. Der Kanton soll dabei vorbildlich handeln. Um den technischen und wirtschaftlichen Wettbewerb spielen zu lassen und grössere Investitionen durch den Kanton zu vermeiden, soll der Kanton die geeigneten Flächen in einer Liste erfassen, beschreiben und nach einheitlichen Nutzungsbestimmungen und einheitlichen Vergabekriterien im Wettbewerb Dritten zur Realisierung von Anlagen zur Verfügung stellen. (Weitere Unterschriften: 12) Geschäft /11 Dringliche Interpellation Aebersold, Bern, (SP) Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt! Wortlaut der Interpellation vom 28. März 2011 Die Energiestrategie des Bundes setzt auf die vier Säulen «Energieeffizienz», «Erneuerbare Energien», «Grosskraftwerke» und «Energieaussenpolitik». Der Kanton Bern strebt die 2000-Watt-Gesellschaft an. Als Zwischenziel soll gemäss Energiestrategie bis ins Jahr 2035 die 4000-Watt- Gesellschaft angestrebt werden. Doch der Weg hin zu einer nachhaltigen Energie- und Mobilitätsnutzung ist lang und beschwerlich. Eine moderne Gesetzgebung hat es meist schon in den Parlamenten von Gemeinden, Kantonen und der Eidgenossenschaft schwer. In Volksabstimmungen steht den Menschen sodann das eigene Hemd näher als die Umwelt. Beim individuellen Verhalten deckt sich oft nicht «was gut wäre» und «was zu tun ist». Entsprechend steigen der Energie-, Land- und Ressourcenverbrauch, und die Mobilität nimmt weiter zu. Bei der heutigen und zukünftigen Stromversorgung bilden die meist staatlichen oder zu einem grossen Teil staatlichen Elektrizitätsgesellschaften eine zentrale Rolle. Während «kleinere» Unternehmungen wie Energie Wasser Bern ewb und Industrielle Werke Basel IWB auf erneuerbare Energien setzen und bereits heute ohne Atomstrom auskommen resp. der Ausstieg beschlossen ist, setzen die Grossen weiterhin auf Atomstrom. Neu wird als Begründung der Widerstand von links-grünen Kreisen und Umweltorganisationen gegen Projekte zur Produktion erneuerbarer Energien ins Feld geführt. Aufgrund der Ereignisse in Japan haben sich die energiepolitischen Rahmenbedingungen dramatisch und drastisch geändert. Erdbeben, Tsunami und drohende Nuklearkatastrophen beschäftigen die ganze Welt. Das Undenkbare ist nicht nur denkbar, sondern traurige Realität geworden. Die Konsequenzen müssen nun von der Politik gezogen werden. Nachhaltigkeit darf nicht zur Floskel verkommen, sondern muss zur Philosophie menschlichen Handels erhoben werden. Wir stellen dem Regierungsrat deshalb folgende Fragen: 1. Wie sieht das machbare Ausbaupotenzial für die Wasserkraft und die erneuerbaren Energien (aufgeteilt nach Windenergie, Sonnenenergie, Biomasse, Kehrichtverbrennung) für die Jahre 2020, 2035 und 2050 im Kanton Bern aus (Angaben in kwh)? 2. Welches Potenzial besteht im Kanton Bern für die Reduktion des Stromverbrauchs (Energieeffizienz), und welches sind die wichtigsten Bereiche (Gebäudebereich, effiziente Geräte, Beleuchtung usw.)? 3. Für wie viele und welche Projekte zur Produktion von erneuerbaren Energien mit welchen Leistungen wurden in den Jahren 2009 und 2010 Gesuche für den Neubau oder Ausbau von Wasserkraft (aufgeteilt nach Pumpspeicherwerken und Lauf-/ Speicherkraftwerken) und von erneuerbaren Energien (aufgeteilt nach Windenergie, Sonnenenergie, Biomasse, Kehrichtverbrennung) eingereicht? 4. Bei wie vielen Projekten zur Produktion von erneuerbaren Energien wurden Beschwerden eingereicht, wie viele Beschwerden wurden gutgeheissen resp. abgewiesen, und wie viele Projekte konnten bewilligt werden? 5. Welches Potenzial gemäss Fragen 1 und 2 muss per 2020 und 2035 genutzt werden können, und welche weiteren Massnahmen müssen ergriffen werden, damit die Ziele gemäss kantonaler Energiestrategie 2006 erreicht werden? (Weitere Unterschriften: 0) Geschäft /11 Motion Amstutz, Corgémont (Les Verts) BKW unterstützt erneuerbare Energien Wortlaut der Motion vom 30. März 2011 In den Regierungsrichtlinien für die Jahre spricht sich der Regierungsrat für eine Stärkung der Klima- und Energiepolitik aus. Er will, dass der Kanton Bern einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet, indem er seinen Energiekonsum pro Kopf senkt und den Anteil der erneuerbaren Energien erhöht. Um über genügend Mittel zu verfügen, um die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz von Bauten unverzüglich und massiv zu fördern, den Energieverbrauch zu reduzieren, möglichst rasch die Energieunabhängigkeit zu erlangen und nicht mehr von fossilen Energieträgern abhängig zu sein, wird der Regierungsrat beauftragt,

247 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik 1. 3 Rappen pro Kilowattstunde aus Atomstrom zu erheben, der vom AKW Mühleberg produziert oder importiert wird 2. einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien zu schaffen 3. die erhobenen Gelder diesem Fonds zuzuweisen Begründung: Die fortschreitende Klimaerwärmung erfordert auch in den nächsten Jahren geeignete Massnahmen. Neu müssen insbesondere auch Massnahmen zur Anpassung an die Klimaerwärmung vorbereitet werden. Zwischen der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der Reduktion von Klimagasemissionen bestehen erhebliche Synergieeffekte, die genutzt werden müssen. Die kantonale Energiestrategie 2006 sieht vor, den Energieverbrauch bis 2035 pro Kopf von heute 6000 Watt auf 4000 Watt zu senken. Gleichzeitig ist der Anteil der erneuerbaren Energien erheblich zu erhöhen, z. B. im Wärmebereich von 10 Prozent auf über 70 Prozent. Unser Kanton ist Hauptaktionär der BKW, die mittels ihrer abgegebenen Erklärungen, ihrer Publikationen und einiger ihrer Investitionen bereits gezeigt hat, dass sie bereit ist, den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen. Angesichts der zahlreichen bestehenden Hürden werden aber private Produzenten entmutigt, in neue erneuerbare Energien zu investieren, was die Realisierung der Ziele, die der Regierungsrat in seinen Regierungsrichtlinien festgelegt hat, schwieriger macht. Seit Beginn des Anmeldeverfahrens zur KEV am 1. Mai 2008 gingen über Anmeldungen bei der Swissgrid ein. Realisierte Projekte* Schweiz 1947 (729 MWh) Kanton 356 (118 Bern MWh) * Stand: 1. Januar 2011 Projekte mit positivem Entscheid* 871 (3402 MWh) 217 (709 MWh) Projekte auf Warteliste* 8248 (3789 MWh) 1304 (728 MWh) Das Bundesamt für Energie (BfE) hat im Rahmen der zweiten Stufe des Stabilisierungsprogramms am 23. März 2009 mehrere Programme lanciert (insgesamt 60 Millionen gehen an drei Energieprogramme). Gesuche um Unterstützung konnten bis zum 30. Juni 2009 bzw. bis zur vollständigen Ausschöpfung der Kredite eingereicht werden. Die Programme stiessen auf grosse Begeisterung: Aufgrund des massiven Eingangs an Projekten waren die Mittel nach nur zehn Wochen bereits ausgeschöpft. So kam es, dass viele Gesuche schon ab Anfang Juni nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Im Kanton Bern stehen 1304 genehmigte Projekte auf einer Warteliste. Es wird somit deutlich, dass sehr viele Private und öffentlich-rechtliche Körperschaften investitionsbereit sind, dass aber auch die nötigen Finanzmittel fehlen. Eine von der welschen Sonntagszeitung «Matin Dimanche» durchgeführte Umfrage ergab, dass 87 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen Ausstieg aus der Atomenergie wollen. Das AKW Mühleberg könnte allerdings noch bis 2020 betrieben werden. Der Moment scheint gekommen, um 3 Rappen pro kwh Atomstrom (aus Mühleberg oder aus Importstrom) zu erheben. (Weitere Unterschriften: 21) Gemeinsame Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 In Folge der Ereignisse in Fukushima wurden folgende Vorstösse zur Förderung erneuerbarer Energien eingereicht: Motion 083/11 Haudenschild: «Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen» Motion 084/11 Haudenschild: «Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik» Motion 090/11 SP-JUSO-PSA: «Solarkollektoren statt Atombunker» Motion 100/11 Bauen: «Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild» Motion 126/11 Amstutz: «BKW unterstützt erneuerbare Energien» Interpellation 104/11 Aebersold: «Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt!» Da diese Vorstösse denselben Themenbereich behandeln, werden sie gemeinsam beantwortet. Die Vorstösse betreffen die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien im Kanton Bern. Der Regierungsrat hat bereits mit der Energiestrategie 2006 wichtige strategische Ziele vorgegeben, die den Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung im Kanton Bern erheblich steigern sollen. Eines dieser Ziele gibt vor, dass prioritär inländische Energieträger genutzt werden. Ein anderes, dass der Energiebedarf zu einem wesentlichen Teil mit erneuerbaren Ressourcen gedeckt wird. Das Ziel, bis zum Jahr Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken, hat aufgrund der Erfahrungen mit dem tragischen Störfall im Kernkraftwerk Fukushima eine zentrale Bedeutung erlangt. Die Energiewende «weg vom Atomstrom» ist in den Augen des Regierungsrates unabdingbar, erfordert aber grosse Anstrengungen bei der Förderung der erneuerbaren Energien. Zu den Vorstössen im Einzelnen: Motion 083/11 Haudenschild: «Standesinitiative: KEV und interne Begrenzung für Solarstrom erhöhen» Die Motion verlangt die Einreichung einer Standesinitiative beim Bund mit zwei Forderungen: Erstens soll bei der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) die interne Begrenzung der Mittel für Solarstrom mit sofortiger Wirkung angehoben werden und zweitens soll zu deren Finanzierung der Zuschlag auf den Übertragungskosten der Hochspannungsnetze erhöht werden. Der Regierungsrat unterstützt beide Forderungen. Bereits am 3. Dezember 2008 hat der Kanton Bern eine Standesinitiative beim Bund mit folgendem Wortlaut eingereicht: «Die Begrenzung der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien ist auf Bundesebene aufzuheben und die Vergütungen für alle angemeldeten Projekte, welche die Rahmenbedingungen erfüllen, sind kostendeckend zu gestalten.» Der Nationalrat hat am 15. März 2011 beschlossen, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Begründet hat er diesen Entscheid damit, dass das eidgenössische Energiegesetz (EnG) im Juni 2010 bereits angepasst worden sei. Damit seien die Forderungen der Standesinitiative weitgehend erfüllt. Tatsächlich sind mit der Änderung des EnG im Jahr 2010 die Zuschläge auf den Übertragungskosten der Hochspannungsnetze von 0,6 Rappen/kWh auf 0,9 Rappen/kWh angehoben worden. Zudem stehen aus dem Ertrag der Zuschläge auf die Übertragungskosten ab 2011 für Photovoltaikanlagen 10 Prozent statt wie bis anhin 5 Prozent zur Verfügung. Allerdings wird gleichzeitig ab 2011 für den Solarstrom eine geringere Vergütung bezahlt. Begründet wird diese Reduktion damit, dass die Anlagekosten stärker gesunken seien als angenommen, was zu einer zu grossen Rendite von Photo-

248 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 687 voltaikanlagen führen würde. Das Bundesamt für Energie (BFE) geht davon aus, mit diesen Massnahmen würde die Warteliste für Photovoltaikanlagen bis 2013 abgebaut sein. Ende 2010 umfasste die Warteliste der Solarstromanlagen insgesamt 7319 Anlagen mit einem Gesamtproduktionspotenzial von 175 GWh pro Jahr. Davon befinden sich 1122 Anlagen im Kanton Bern, mit einem Gesamtproduktionspotenzial von rund 22 GWh pro Jahr. Trotz der Anpassungen des EnG sind die Anliegen nur teilweise erfüllt, die der Kanton Bern 2008 mit seiner Standesinitiative verfolgt hatte. Nach den jüngsten Ereignissen in Japan ist zu erwarten, dass sich in den nächsten Jahren wesentlich mehr Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer für den Bau einer Photovoltaikanlage entscheiden werden, als dies bisher der Fall war. Damit dürften die Prognosen des BFE zum Abbau der Wartelisten kaum mehr zutreffen. Um den begrüssenswerten Trend bei den Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern nicht durch Wartelisten zu bremsen, müssen die KEV-Mittel für die Photovoltaikanlagen erhöht werden. Von der gleichzeitig zu fordernden Erhöhung der Übertragungskosten der Hochspannungsnetze darf zudem, zumindest tendenziell, eine dämpfende Wirkung auf den Stromkonsum erwartet werden. Antrag: Annahme der Motion. Motion 084/11 Haudenschild: «Förderung neuer erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik» Gemäss den Ziffern 1 und 2 sollen die kantonalen Mittel zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im laufenden Jahr von 12 auf 24 Mio. Franken erhöht und in den beiden folgenden Jahren nochmals jährlich verdoppelt werden, auf insgesamt 96 Mio. Franken im Jahr Im revidierten kantonalen Energiegesetz sind Fördermassnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudepark und zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehen. Die Massnahmen waren im Grossen Rat nicht bestritten und zu ihrer Finanzierung hat der Grosse Rat am 17. März 2010 eine Förderabgabe auf Strom beschlossen. Gegen die Förderabgabe wurde das konstruktive Referendum in Form eines Volksvorschlags ergriffen. Der Volksvorschlag und damit der Verzicht auf die Förderabgabe werden vom Grossen Rat in seiner heutigen Zusammensetzung unterstützt. Die Motion will sicherstellen, dass die notwendigen finanziellen Mittel sofort und unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung zum kantonalen Energiegesetz beschafft werden können. Grundsätzlich begrüsst der Regierungsrat die Erhöhung der Mittel zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Eine kurzfristige Erhöhung im laufenden Jahr, wie sie die Motion fordert, ist allerdings nicht zweckmässig, weil die notwendige Anpassung und Einführung eines adaptierten Förderprogramms nicht in so kurzer Zeit praktisch umgesetzt werden kann. Angesichts der angespannten Situation der kantonalen Finanzen beurteilt der Regierungsrat auch die jeweilige Verdoppelung der Fördersumme in den kommenden beiden Jahren als unrealistisch. Es gibt andere, besser geeignete Möglichkeiten, um die Produktion von Solarstrom substanziell zu fördern (vgl. nachfolgende Antworten zu den Motionen M 090/11, M 100/11 und M 126/11). Ziffer 3 verlangt, Anlagen zur Produktion von Solarstrom seien sofort finanziell zu unterstützen. Dies unter Verweis auf die Praxis in anderen Kantonen. Der Bau von Photovoltaikanlagen selbst wird auch in den anderen Kantonen nicht finanziell unterstützt. Einige Kantone unterstützen den Bau allerdings indirekt, indem sie die Vergütung für den produzierten Solarstrom solange übernehmen, bis die Anlagen in das System der KEV aufgenommen werden. Diese Praxis ist aus Sicht des Regierungsrates zweckmässig, um die Solarstromproduktion verstärkt zu fördern. Projekte auf der Warteliste könnten damit sofort angeschoben werden. Offen ist zurzeit, wie eine solche Überbrückungsvergütung durch den Kanton finanziert werden kann. Dazu sind konkretere Abklärungen nötig. Ziffer 4 verlangt, dass sich der Regierungsrat beim Verwaltungsrat der BKW für eine angemessene Einspeisevergütung von Strom aus Photovoltaikanlagen einsetzt. Der Regierungsrat teilt die Ansicht, dass die Solarstromproduktion nur mit einer angemessenen Einspeisevergütung ausreichend stark gefördert werden kann. Er befürwortet daher, dass sich die Kantonsvertreterinnen im Verwaltungsrat der BKW für eine angemessene freiwillige Einspeisevergütung von Strom aus Photovoltaikanlagen einsetzen. Anträge: Ziffern 1 und 2 Ablehnung, Ziffer 3 Annahme als Postulat, Ziffer 4 Annahme. Motion 090/11 SP-JUSO-PSA: «Solarkollektoren statt Atombunker» Die Motion verlangt, dass Neubauten, die keine Schutzräume mehr benötigen, mit Solarkollektoren oder anderen Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie ausgestattet werden. Im Rahmen der laufenden Teilrevision des Bevölkerungsund Zivilschutzgesetzes (BZG) will der Bundesrat künftig auf die Pflicht zur Erstellung von kleinen Schutzräumen verzichten und den Ersatzbeitrag, der heute bis maximal 1325 Franken beträgt, auf rund 400 Franken pro Schutzplatz reduzieren. Die Revisionsvorlage wird zurzeit in den eidgenössischen Räten behandelt und ist nicht unbestritten. Unabhängig von der Regelung für Schutzräume unterstützt der Regierungsrat grundsätzlich den Vorschlag, eine angemessene Verpflichtung zur Ausstattung von Neubauten mit Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie einzuführen. Damit könnte die Verbreitung solcher Anlagen sehr effektiv vorangetrieben werden. Ob ein Obligatorium auf Bundesebene oder kantonal einzuführen und wie es rechtlich zu regeln wäre, muss allerdings noch im Detail geklärt werden. In dem Sinne kann die Motion im jetzigen Zeitpunkt nur als Postulat entgegen genommen werden. Antrag: Annahme der Motion als Postulat. Motion 100/11 Bauen: «Inventar Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom, der Kanton als Vorbild» Das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) hat basierend auf der kantonalen Energiestrategie 2006 bereits verschiedene Massnahmen bei kantonalen Gebäuden zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien getroffen. Daneben prüft das AGG zurzeit die umfassende Beschaffung von Strom aus Wasser-, Sonnen- und Windkraft. Der Regierungsrat befürwortet die Produktion von Solarstrom auf kantonseigenen Gebäuden, unter der Voraussetzung, dass die Nutzung des Gebäudes, die rechtlichen und städtebaulichen Auflagen sowie die Dach- und Fassadenflächen eine solche auch zulassen. Das revidierte Energiegesetz sieht deshalb die Nutzung der Solarenergie für neue sowie bei der Erneuerung bestehender kantonaler Gebäude vor, soweit diese dafür geeignet sind. Der Regierungsrat ist bereit, das mit der Motion geforderte Inventar «Dach- und Fassadenflächen für Solarstrom» zur Feststellung des vorhandenen Potenzials erstellen zu lassen. Ob dies allerdings lediglich aufgrund einer Grobanalyse erfolgen kann, wird vorgängig zu klären sein. Fest steht, dass ein solches Inventar öffentlich zugänglich sein muss, wie in Ziffer 3 der Motion gefordert. Ebenso erforderlich sind die in Ziffer 2 genannten Richtlinien und Kriterien, damit allfällige Nutzungsübertragungen an Dritte nach einheitlichen Regeln vorgenommen werden. Dabei kommen Nutzungsübertragungen an Dritte nur in Frage, wenn und so weit das AGG keine energetische Eigenproduktion realisiert. Die notwendigen Entscheidungsgrundlagen

249 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik für die Übertragung von Nutzungsrechten wird das AGG im Rahmen der zu erarbeitenden Analyse definieren und danach öffentlich zugänglich machen. Bei den Gebäuden und Anlagen, die zurzeit in der Realisierung sind, wäre es indessen nicht wirtschaftlich und terminlich sowie vertrags- und finanzrechtlich mit unverhältnismässigen Schwierigkeiten verbunden, generell eine Überprüfung oder Nachrüstung zu verlangen. Die Forderung von Ziffer 4 ist daher aus wirtschaftlichen, terminlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen. Anträge: Ziffern 1 3 Annahme, Ziffer 4 Ablehnung. Motion 126/11 Amstutz: «BKW unterstützt erneuerbare Energien» Die Motion verlangt, auf dem im AKW Mühleberg produzierten oder importierten Atomstrom sei eine Förderabgabe von 3 Rappen pro Kilowattstunde zu erheben und damit ein Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien zu äufnen. Das AKW Mühleberg produziert durchschnittlich 3000 GWh Strom pro Jahr. Mit 3 Rappen/kWh könnte der Fonds allein aus dieser Quelle jährlich mit ca. 90 Mio. Franken gespiesen werden. Bei Swissgrid sind per Ende 2010 insgesamt 1304 Anlagen aus dem Kanton Bern auf der Warteliste, die aufgrund der KEV-Begrenzungen nicht gefördert werden können. Sie könnten insgesamt 728 GWh pro Jahr erneuerbaren Strom produzieren. Dies entspricht rund einem Viertel der Jahresproduktion des AKW Mühleberg. Der Fonds könnte die Realisierung dieses Potenzials unterstützen. Mit der Förderabgabe auf Atomstrom, den die BKW produziert oder importiert, könnte der Ersatz der Produktion des AKW Mühlebergs durch die erneuerbaren Energien bis zum vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie beschleunigt werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung darf allerdings eine solche Förderabgabe nicht nur auf dem Atomstrom der BKW erhoben werden, sondern sie müsste alle Stromunternehmen umfassen, die Atomstrom produzieren oder importieren. Dies wiederum macht eine Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem auch derjenigen des Bundes, erforderlich. Zu den Möglichkeiten und Ausgestaltungen einer Förderabgabe sind entsprechend noch verschiedene Aspekte vertieft auszuleuchten. Der Regierungsrat befürwortet daher eine Annahme als Postulat. Antrag: Annahme als Postulat. Interpellation 104/11 Aebersold: «Erneuerbare Energien und rationelle Energienutzung: Das Potenzial ist da, allein der (politische) Wille fehlt!» Die Interpellation stellt fünf detaillierte Fragen zu den Potenzialen und Projekten für Strom aus erneuerbaren Energien im Kanton Bern. Sie können nur beschränkt beantwortet werden, weil die Datenlage unvollständig und lückenhaft ist. Die Antworten beruhen auf Daten und Aussagen in verschiedenen Studien. Sie geben Grössenordnungen wieder und erheben keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit. Zudem sind die Zeithorizonte in den verwendeten Studien teilweise unterschiedlich. Weil das Umsetzungstempo bei den einzelnen Technologien zur Produktion von erneuerbarem Strom nicht präzise vorauszusehen ist, können auch keine verlässlichen Angaben zu den verschiedenen Zeitschnitten gemacht werden. Alle Angaben zu den verschiedenen Potenzialen beziehen sich deshalb auf das Jahr 2035, dem Zeithorizont der Energiestrategie 2006 des Regierungsrates. Zu Frage 1: Das geschätzte Ausbaupotenzial im Kanton Bern für das Jahr 2035 ist abhängig vom Energieträger. Es beträgt: 2035 Quelle Wasserkraft 0.3 TWh/a Wasserstrategie Windenergie TWh/a ETS , BFE , Be Sonnenenergie TWh/a ETS 2009, BFE 2009, Be2010 Biomasse TWh/a ETS 2009, BFE 2009, Be2010 Kehrichtverbrennung 0.25 TWh/a Be Energie Trialog Schweiz 2009: Energie-Strategie 2050 Impulse für die schweizerische Energiepolitik. 2 Bundesamt für Energie BFE 2009 "Die Energieperspektiven 2035" 3 Rudolf Rechsteiner 2008, Studie "Bern erneuerbar!" April 2009

250 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 689 Zu Frage 2: Das Potenzial zur Reduktion des Stromverbrauchs liegt im Kanton Bern bei Prozent. Das grösste Reduktionspotenzial liegt in der Haustechnik, inklusive Raumheizung und -kühlung sowie Beleuchtung und Klimatisierung (Basis bilden die Angaben der IEA 4 ): Reduktionspotenziale Energieverbrauch 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Raumheizung Wohnen Gebäudekühlung Beleuchtung Wohnen kommerz. Klimatisierung kommerz. Beleuchtung max. Einsparung min. Einsparung Energiesparpotenziale gemäss IEA Zu Frage 3: Die Anzahl Gesuche für Projekte zur Nutzung der neuen erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Biomasse) kennt der Kanton nur über den Projekteingang zur Anmeldung der KEV. Gemäss KEV-Liste, Stand 1. Januar 2011, sind bisher insgesamt 323 Anlagen realisiert worden, rund 140 Anlagen haben eine positiven Bescheid erhalten, sind aber noch nicht gebaut worden und 1240 Anlagen sind noch auf der Warteliste: Realisiert Positive Bescheide Warteliste Anzahl Leistung [kw] Produktion/a [kwh] Anzahl Leistung [kw] Produktion/a [kwh] Anzahl Leistung [kw] Produktion/a [kwh] Photovoltaik 302 3'580 3'372'328 <4 1'261 1'210' '066 22'114'990 Windenergie 8 16'000 28'000' ' '081' ' '043'000 Biomasse 13 2'589 16'619' '739 41'110' '967 89'463'992 Die Projekte im Bereich Wasserkraft sind hingegen genau bekannt, weil der Kanton die entsprechenden Konzessionen und Baubewilligungen erteilt: Anzahl Produktion/a [GWh] Anzahl Produktion/a [GWh] Anzahl Produktion/a [GWh] Wasserkraft Die Internationale Energieagentur IEA leitet für ihre 26 Mitgliedsländer (inkl. CH) ein ausgedehntes und objektives Programm für Energieforschung, Datenkompilation und Publikationen der neuesten Energiepolitikanalysen und Empfehlungen.

251 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Zu Frage 4: Die Zahlen zu den eingereichten Beschwerden und zu deren Behandlung werden im Kanton nicht erfasst und konnten in der verfügbaren Zeit nicht erhoben werden. Zu Frage 5: Welche Potenziale genutzt werden können und welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um die Ziele der Energiestrategie 2006 zu erreichen, legt der Regierungsrat für jede Legislaturperiode neu fest. Gemäss Steuerungskonzept zur Energiestrategie berichtet der Regierungsrat im ersten Jahr einer neuen Legislaturperiode über den Stand der Umsetzung der Energiestrategie und die vorgesehenen Massnahmen in der laufenden Legislatur. Die aktuelle Massnahmenplanung hat der Regierungsrat im Dezember 2010 verabschiedet (RRB 1757/2010). Über den Stand der Umsetzung der Energiestrategie wird der Regierungsrat voraussichtlich in der Novembersession 2011 zuhanden des Grossen Rates Bericht erstatten. Geschäft /10 Motion glp-cvp (Flückiger, Bern / Schöni-Affolter, Bremgarten) Mehr erneuerbare Energie für die Pumpspeicherung verwenden Wortlaut der Motion vom 13. September Das Wassernutzungsgesetz ist dahingehend anzupassen, dass eine Konzession für die Pumpspeicherung an Bedingungen geknüpft werden kann, was den Anteil verschiedener Stromproduktionsarten anbelangt, die für die Pumpspeicherung verwendet werden. 2. Bei der Erarbeitung der Konzession für das Projekt KWO plus, das die Erhöhung der Grimsel-Staumauer vorsieht, ist folgende Bedingung einzufügen: Ein gewisser Anteil der Energie, die fürs Pumpen verwendet wird, muss (im Jahresmittel) aus erneuerbaren Energiequellen (Wind, Sonne, Biomasse, Holz, Geothermie etc.) bestehen. Es können dabei Etappenziele festgelegt werden. Die Anteile werden via Zertifikate ausgewiesen. Begründung: Pumpspeicherwerke sind ein perfekter Speicher für unregelmässig anfallende, erneuerbare Energiequellen. Unsere Speicherwerke können deshalb einen grossen Beitrag zu einer nachhaltigeren Energieversorgung leisten, wenn sie vermehrt auf erneuerbare Energie setzen. Gleichzeitig kann mit der Pumpspeicherung viel Geld gemacht werden. Da Pumpspeicherwerke günstige Bandenergie einkaufen, wenn die Nachfrage gerade relativ klein ist (und der Preis entsprechend tief), schaffen sie eine Nachfrage für überflüssige Bandenergie aus Kernkraftwerken oder Kohle- und Gaskraftwerken. Damit ein tatsächlicher Umbau in Richtung erneuerbarer Energieversorgung stattfinden kann, braucht es eine höhere Nachfrage nach Strom aus erneuerbarer Produktion. Durch eine höhere Nachfrage werden Anreize geschaffen, solchen Strom auch zu produzieren und sie werden langfristig günstiger (mehr Investition = mehr Innovation). Bei der Konzessionserteilung soll der Grosse Rat einen der grössten Einkäufer von Strom dazu verpflichten können, erneuerbare Energien einzukaufen. Etwas, was viele Normalbürger schon freiwillig tun. Durch Pumpspeicherwerke und im speziellen Fall durch die Erhöhung der Staumauer geschieht ein Eingriff in die Natur. Da ist es nachvollziehbar, dass die Kraftwerkbetreiber (die damit viel Geld verdienen) zu einer Gegenleistung verpflichtet werden, die wiederum der Natur zu Gute kommt: nämlich den Einkauf von erneuerbaren Energien. Da wir nicht vorschreiben können, woher der Strom fürs Pumpen bezogen wird, und da der zu den Speicherwerken transportierte Strom immer ein Mix aus verschiedenen Quellen ist, bietet sich ein System mit Zertifikaten an. Die Zertifikate erbringen den Nachweis, wie viel Energie aus erneuerbaren Quellen tatsächlich eingekauft wurde. Der konkrete Anteil erneuerbarer Energie kann bei der Vergabe von Konzessionen an den Stand der Technik angepasst und zwischen den Parteien im Grossen Rat ausgehandelt werden. Idealerweise wird ein Zielwert mit Zwischenetappen festgelegt, damit eine Steigerung des Anteils im Verlauf der Zeit erreicht werden kann. Ziel dieses Vorgehens ist es auch, die Umweltverbände hinter den Ausbau der Staumauer zu bringen. (Weitere Unterschriften: 9) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 30. März 2011 Die gravierenden Störfälle in Japan im Zusammenhang mit dem schwerst havarierten Atomkraftwerk Fukushima 1 bestärken den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet werden muss. Dabei sind insbesondere auch zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien inkl. der Wasserkraft notwendig. Der Regierungsrat geht mit den Motionären einig, dass Pumpspeicherwerke ein idealer Speicher für unregelmässig anfallende, erneuerbare Energiequellen sind. Mit der Energie aus Wind, Sonne, Biomasse, Holz und Geothermie kann Wasser in einen Speichersee gepumpt und so gelagert werden. Diese Energie steht anschliessend in Phasen von hohem Bedarf wieder zur Verfügung. Die Pumpspeicherwerke können auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag zu einer umweltschonenderen Energieversorgung leisten. In der Schweiz beträgt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion rund ein Prozent (ohne Wasserkraft). Dies entspricht noch nicht der erforderlichen Grössenordnung, um mit einheimischer erneuerbarer Energie wirkungsvoll Pumpspeicherung betreiben zu können. Anders sieht es im umliegenden Ausland aus, wo die Anteile der neuen erneuerbaren Energieformen an der Stromproduktion höher sind. Ein bekanntes Beispiel sind die Windenergieanlagen in Norddeutschland. Um Pumpspeicherwerke heute mit dieser erneuerbaren Energie betreiben zu können, müsste Strom aus dem Ausland importiert werden. Zu Punkt 1: Der Motionär schlägt vor, im Wassernutzungsgesetz (WNG) als Bedingung für Pumpspeicherwerk-Konzessionen aufzunehmen, dass zum Pumpen ein gewisser Anteil erneuerbare Energien verwendet werden muss. Der Regierungsrat erachtet den Vorschlag als prüfenswert. Zu Punkt 2: Das Investitionsprogramm KWO plus besteht aus den folgenden drei Teilprojekten: Erweiterung der beiden Kraftwerkszentralen Innertkirchen 1 und Handeck 2 mit je einer Maschine. Diese Erweiterung ist eine betriebliche Massnahme zur Produktionserhöhung und hat nichts mit der Pumpspeicherung zu tun. Pumpspeicherwerk Grimsel 3: Mit dem Pumpspeicherwerk Grimsel 3 soll bei geringem Energiebedarf Wasser vom Räterichsbodensee in den Oberaarsee gepumpt werden. Das Wasser kann in Zeiten einer hohen Nachfrage zur Energieerzeugung verwendet werden. Vergrösserung des Grimselstausees: Die Staumauererhöhung am Grimselsee schafft unabhängig vom Pumpspeicherwerk Grimsel 3 zusätzliches Volumen, damit

252 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 691 mehr natürlich anfallendes Wasser gespeichert und für die Produktion von Spitzenenergie verwendet werden kann. Beim Projekt KWO plus kann demnach grundsätzlich nur für die Konzession des Teilprojekts Pumpspeicherwerk Grimsel 3 eine Verpflichtung zur Verwendung erneuerbarer Energien infrage kommen. Eine Wassernutzungskonzession begründet ein Nutzungsrecht und kann entsprechende Bedingungen enthalten. Dazu gehören insbesondere auch Umweltmassnahmen zur Kompensation möglicher Umweltbeeinträchtigungen durch die Wassernutzung. Das WNG definiert die wesentlichen Inhalte einer Konzession. Vorschriften zur Beachtung betrieblicher oder energiepolitischer Grundsätze, wie etwa die Verwendung erneuerbarer Energien bei der Pumpspeicherung, sieht das Gesetz nicht explizit vor. Der Regierungsrat unterstützt die Verwendung erneuerbarer Energien für die Pumpspeicherung. Bezüglich des Konzessionsverfahrens für das Projekt KWO plus ist jedoch vorweg zu klären, ob es mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen möglich ist, für den Pumpbetrieb die Verwendung von Strom aus bestimmten Energiequellen vorzuschreiben, wenn damit ein Beitrag an den Klima- und damit den Umweltschutz geleistet wird. Der Regierungsrat beantragt entsprechend, den Vorstoss in beiden Punkten als Postulat anzunehmen. Antrag: Annahme als Postulat. Geschäft /10 Interpellation Hofmann, Bern (SP) Wird mit dem Investitionsprogramm KWO plus per Saldo wirklich mehr Strom produziert? Wortlaut der Interpellation vom 1. Dezember 2010 Im vergangenen Jahr nahm die Öffentlichkeit zur Kenntnis, dass die KWO grosse Neuinvestitionen plant und um die entsprechenden Konzessionen nachsucht. Es handelt sich gemäss Website um folgende Projekte: 1. Aufwertung Kraftwerke Handeck 2 und Innertkirchen 1 2. Neues Pumpspeicherwerk Grimsel 3 3. Vergrösserung Grimselsee In der Presse wurden diese Projekte intensiv diskutiert. Die Angaben über massive Leistungserhöhungen haben bei vielen Leuten den Eindruck verstärkt, dass die KWO in Zukunft pro Jahr wesentlich mehr Strom produzieren wird als heute. Leider stimmt das wohl kaum. Es ist das Ziel dieser Interpellation, diese Frage genau zu klären. Die Investitionen sehen stark nach einem massiven Ausbau der Pumpspeicherung und damit dem Stromhandel aus. Leider wird bei der Pumpspeicherung nicht mehr Strom produziert, sondern weniger. Finanziell ist das trotzdem sehr interessant. Wenn dies aus Umweltgründen vertretbar ist, ist auch nichts dagegen einzuwenden. Allerdings hat der Stromhandel auch Wirkungen, die nicht besonders angenehm sind. Es werden grosse Mengen Pumpstrom aus problematischen Quellen eingekauft: Aus ausländischen Kohlekraftwerken, Atomkraftwerken, Gaskraftwerken usw. Zum Teil ist auf dem Strommarkt nicht einmal bekannt, wie der eingekaufte Strom produziert wurde. Die Folge des Stromhandels ist die, dass der nach dem Handel in der Schweiz verbrauchte Strom keineswegs derart CO 2-arm ist wie das die schweizerische Produktion glauben macht. Eine Studie hat gezeigt, dass in der Schweiz nach gehabtem Stromhandel Strom verkauft wird, bei dem 100 bis 130 g CO 2 pro kwh anfallen. Der durch die erwähnten Neuinvestitionen verstärkte Stromhandel wird demnach die CO 2-Belastung des von der KWO schlussendlich an die Kundinnen und Kunden gelieferten Stroms leider erhöhen. Die Regierung wird deshalb um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: Wie gross ist die prognostizierte Mehr- oder Minderproduktion von elektrischer Energie (in kwh pro Jahr) gegenüber dem Durchschnitt 2006 bis 2009 nach Vollendung 1. des Projekts «Aufwertung Kraftwerke Handeck 2 und Innertkirchen 1»? 2. des Projekts «Neues Pumpspeicherwerk Grimsel 3»? 3. des Projekts «Vergrösserung Grimselsee»? 4. aller in den Fragen 1 bis 3 genannten Projekte (Summe 1 bis 3) Bei den Fragen 1 bis 3 ist die Mehr- bzw. die Minderproduktion zu begründen. Unter Stromproduktion ist die Energie in kwh zu verstehen, die die KWO am Schluss der Produktionskette, also beispielsweise nach allfälliger Pumpspeicherung in das Netz einspeist. Die Fragen 1 bis 4 könnten evtl. auch in Form einer Tabelle beantwortet werden. 5. Wie gross ist die CO 2-Belastung in Gramm CO 2 pro kwh (nach dem Stromhandel) des im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2009 von der KWO gelieferten Stroms? 6. Wie lauten die Prognosen für die CO 2-Belastung in Gramm CO 2 pro kwh (nach dem Stromhandel) nach dem Bau der Projekte gemäss den obigen Punkten 1 bis 3 für den dannzumal von der KWO gelieferten Strom? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Seit Wochen geben die Auswirkungen der sehr gravierenden Beschädigungen des japanischen Atomkraftwerks Fukushima 1 auf der ganzen Welt Anlass zu grösster Sorge. Die Ereignisse bestärken den Regierungsrat in seiner atomkritischen Haltung. Der Regierungsrat ist überzeugt, dass jetzt ohne Verzug der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet werden muss. Dafür sind wesentliche zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien notwendig. Insbesondere betrifft dies auch die Wasserkraft. Pumpspeicherwerke werden eine sehr wichtige Rolle bei der Stromproduktion der Zukunft spielen, weil sie die Regulierung der neuen erneuerbaren Energien CO 2 frei bewerkstelligen können. Vor diesem Hintergrund ist das Projekt KWOplus zu sehen, bei dem es nicht nur (wie früher) um eine reine Steigerung der Stromproduktion geht, sondern auch um die gezieltere und damit effizientere Nutzung des produzierten Stroms. Namentlich thermische Kraftwerke und solche zur Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie sind vom Wetter und der Tageszeit abhängig und weisen Produktionsschwankungen auf, die von so genannten Regelkraftwerken ausgeglichen werden müssen. Deshalb sind Pumpspeicherwerke und Stauseen mit ausreichenden Fassungsvolumen als flankierende Massnahmen für die Netzstabilität zwingend erforderlich. Wie der Interpellant richtig feststellt, ist die massive Leistungserhöhung beim gesamten Investitionsprogramm KWOplus nicht mit einer gleich grossen Produktionssteigerung gleichzusetzen. Das schmälert jedoch die Bedeutung der drei Projekte von KWOplus in keiner Weise. Im Gegenteil: KWOplus ist zukunftorientiert und trägt den spezifischen Erfordernissen der künftigen Stromproduktion Rechnung. Der Regierungsrat unterstützt daher die Projekte von KWOplus und erwartet, dass sie auch von den ökologischen Parteien und Schutzverbänden vorurteilslos und zielorientiert gewür-

253 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik digt werden. Solche Grossprojekte sind unverzichtbar, wenn der Ausstieg aus der Atomkraft gelingen soll. Zu Frage 1 Die Produktionssteigerung des Projekts «Aufwertung Handeck 2 und Innertkirchen 1» (Projekt Tandem) beträgt rund 70 GWh pro Jahr. Zu Frage 2 Das Pumpspeicherwerk produziert selber keine Energie. Es gleicht lediglich die Produktionsschwankungen anderer Kraftwerke aus, die nicht oder nur schwer regulierbar sind. Der Energieverbrauch für den Pumpspeicherzyklus lässt sich nicht voraussagen, weil er davon abhängt, wie häufig und wie lange das Pumpspeicherwerk jeweils in Betrieb sein wird. Zu Frage 3 Mit der Vergrösserung des Grimselsees können rund 75 Mio. m 3 natürlich zufliessendes Wasser zusätzlich gespeichert werden. Dieses Wasser wird heute laufend abturbiniert, um ein Überlaufen der Stauseen zu verhindern. Mit der geplanten Vergrösserung des Speichers steht dieses Wasser für eine flexiblere Nutzung zur Verfügung. Somit resultiert auch aus der Vergrösserung des Speichers keine Mehrproduktion, sondern die Energie kann gezielter und damit bedarfsgerechter gewonnen werden. Zu Frage 4 Zusammenfassend ist von einer Mehrproduktion von 70 GWh pro Jahr auszugehen. Der durch den Pumpspeicherzyklus verursachte Energieverbrauch lässt sich demgegenüber nicht exakt quantifizieren (siehe Antwort zu Frage 2). Zu den Fragen 5 und 6 Heute geht man von einer CO 2-Belastung des Euro-Mix- Stroms von 500 Gramm pro kwh aus. Die CO 2-Belastung des von der KWO gelieferten Stroms der Jahre 2006 bis 2009 ist deutlich tiefer, kann aber nicht in Gramm genau angegeben werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die CO 2- Produktion bei der Energieerzeugung aus Wasserkraft naturgemäss annähernd Null ist. Mit den gesamten KWOplus- Investitionen (bereits getätigte 5 und geplante Investitionen) können ohne Pumpspeicherung zusätzlich 150 GWh Strom aus Wasserkraft produziert werden. Wird die zusätzliche Produktion im Stromhandel anstelle von Strom aus CO 2 belasteten Quellen eingesetzt, lassen sich rund Tonnen CO 2 pro Jahr vermeiden. Hinzu kommen die CO 2- Emissionen, die dadurch eingespart werden, dass für die Regelung der Spannungsverhältnisse im Netz Energie aus Wasserkraft und nicht aus fossilen Kraftstoffen verwendet wird. Geschäft /11 Postulat Imboden, Bern (Grüne) Bern erneuerbar: Erneuerbare Energien und Arbeitsplätze in der Region fördern statt behindern Wortlaut des Postulats vom 24. Januar Der Regierungsrat soll in einem Bericht aufzeigen, wie die Ziele der kantonalen Energiestrategie 2006 umgesetzt werden, nachdem die BKW ihre Ausbauziele für erneuerbare Energien drastisch reduziert hat. 2. Der Regierungsrat soll zusammen mit der BKW aufzeigen, mit welchen Massnahmen die notwendigen Ausbauziele dennoch erreicht werden können (unter Berücksichtigung der ordentlichen Verfahren wie Einsprachen etc). 5 Bereits getätigte Investitionen betreffen die im Rahmen von KWOplus schon vorgenommenen Optimierungen der bestehenden Anlagen. 3. Der Regierungsrat soll gegebenenfalls aufzeigen, ob die Ziele mit anderen Partnern als der BKW erreicht werden können. 4. Der Regierungsrat hat aufzuzeigen, wie die Arbeitsplätze im Kanton Bern im dynamischen Bereich der erneuerbaren Energien gefördert werden können. Begründung: Gemäss kantonaler Energiestrategie 2006 (Substitutionsziel, S. 30) stammen mindestens 80 Prozent des im Jahr 2035 im Kanton Bern benötigten Stroms aus erneuerbaren Quellen inkl. Wasserkraft (heute rund 60 % aus Wasserkraft und 1,5 % aus Abfall und neuen erneuerbaren Energien). Mittelfristig soll im Kanton Bern Strom ohne Kernenergie produziert werden. Der Anfang Januar 2011 kommunizierte Entscheid der BKW, ihre Ausbauziele 2030 im Inland um 40 Prozent nach unten zu korrigieren, ist daher unverständlich. Die Ausbauziele für 2030 wurden von 1000 GWh auf 600 GWh reduziert. Die Kritik der BWK an den Bewilligungsverfahren erstaunt, sind doch die gesetzlichen Vorgaben klar. Es gehört zur Aufgabe der Verantwortlichen, bei derartigen Infrastrukturprojekten diese in die Planung einzubeziehen und nach vertretbaren Lösungen zu suchen. Interessanterweise machen regionale Unternehmen Vorschläge, wie die erneuerbaren Energien z. B. mit einem massiven Ausbau an Solaranlagen erhöht werden. Die Megasol Energie AG offeriert der BKW ein dezentral installiertes Solarsystem mit einer Gesamtleistung von 8906 MWp. Das Solarsystem würde in den kommenden 15 Jahren schrittweise und mit einer progressiven Zubaurate installiert und wäre im Jahr 2025 fertig gestellt. Ab 2025 würde die gesamte Installation gut 8 TWh elektrischen Strom jährlich produzieren. Somit würde es einen von der BKW geplanten Atom-Meiler in Mühleberg komplett und rechtzeitig ersetzen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer Studie von Energiewerken, Kantonen und Umweltverbänden, die aufzeigen, dass erneuerbare Energien in der Schweiz realisiert und nachhaltig einheimische Wertschöpfung und Arbeitsplätze geschaffen werden können. 6 (Weitere Unterschriften: 11) Dringlichkeit abgelehnt am 31. Januar 2011 Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 11. Mai 2011 Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem schweren Atomunfall von Fukushima in Japan zeigen mit erschreckender Deutlichkeit, wie aktuell die Ziele der bernischen Energiestrategie sind. Umso wichtiger werden nun insbesondere auch zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der erneuerbaren Energien. Die Energiestrategie 2006 sieht eine regelmässige Berichterstattung des Regierungsrates an den Grossen Rat zum Stand der Umsetzung vor. Im laufenden Jahr wird die Berichterstattung erstmals fällig und soll dem Grossen Rat voraussichtlich in der Novembersession unterbreitet werden. Der Regierungsrat befürwortet eine Berichterstattung im Sinne des 6 Bei Wertschöpfung und Arbeitsplätzen schneiden Investitionen in Stromeffizienz und erneuerbare Energien deutlich besser ab als das Investitionsszenario von Swisselectric. So schafft ein nachhaltiges Szenario dauerhaft 5300 Arbeitsplätze. Die einheimische, dezentrale Produktion stärkt die Versorgungssicherheit und macht uns zusammen mit den Investitionen in die Energieeffizienz unabhängiger vom Ausland. STROMEFFIZIENZ UND ERNEUERBARE ENERGIEN WIRTSCHAFTLICHE ALTERNATIVE ZU GROSSKRAFTWERKEN, Schlussbericht, Zürich, 7. Mai 2010.

254 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 693 Postulats. Dabei ist es zweckmässig, diese in den Bericht zur Energiestrategie einzubauen. Zu den einzelnen Punkten kann einstweilen Folgendes festgehalten werden: Zu den Ziffern 1 und 2: In den Jahren 2007 bis 2010 wurden bereits wesentliche Massnahmen zur Förderung Erneuerbarer Energien umgesetzt. Kernstück bildet dabei das total revidierte kantonale Energiegesetz. Am 8. Dezember 2010 hat der Regierungsrat den Massnahmenplan 2011 bis 2014 beschlossen (RRB 1757/2010). Die Produktion von Strom mit erneuerbaren Energieträgern wird auf nationaler Ebene durch die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) gefördert. Diese Förderung ist allen Interessierten zugänglich. Eine wichtige Massnahme zum Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Kanton Bern ist die Wasserstrategie, die mehr Planungssicherheit bringen wird. Sie hat zum Ziel, zusätzlich mindestens 300 GWh Strom aus Wasserkraft pro Jahr zu erzeugen. Konkret sind die verschiedenen Ausbauprojekte der KWO aktuell, die der Regierungsrat alle unterstützt. Der Regierungsrat hat nach den schlimmen Ereignissen im japanischen Fukushima die BKW unverzüglich aufgefordert, ihre aktuelle Unternehmensstrategie zu überprüfen. Aus Sicht der Regierung soll die BKW insbesondere eine stärkere Förderung von erneuerbarer Energie und Anreize zur Energieeffizienz prüfen. Der Regierungsrat erwartet von der BKW konkrete Ergebnisse bis spätestens Ende Zu Ziffer 3: Die Energiestrategie geht davon aus, dass die Ziele unter Mithilfe aller Beteiligten erreicht werden sollen. Die zugehörigen Massnahmenplanungen werden jeweils entsprechend ausgestaltet. Der Regierungsrat schliesst nicht aus dass für einen geordneten Ausstieg aus der Atomkraft weitere Massnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz notwendig sind. Er wird, falls erforderlich, entsprechende Schritte planen und dem Grossen Rat vorlegen. Dabei muss beachtet werden, dass ein Ausbau der staatlichen Förderung mit Kostenfolgen verbunden sein wird. Zu Ziffer 4: Das beco Berner Wirtschaft hat am 3. August 2010 der Firma Rütter + Partner in Rüschlikon/ZH eine Studie zum Thema «Volkswirtschaftliche Bedeutung erneuerbarer Energien im Kanton Bern» in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden eine wichtige Grundlage bilden, um die ökonomischen Wirkungen politischer Massnahmen im Bereich der erneuerbarer Energien abzuschätzen. Sie werden insbesondere Aufschluss geben über die Bedeutung der Berner Unternehmen im Energiesektor und Grundlagen liefern für eine gezielte Standort- und Innovationspolitik. Auch die Frage nach der gezielten Förderung von Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien wird anhand der Studienergebnisse zu beantworten sein. Antrag: Annahme des Postulats. Geschäft /11 Motion Müller, Bowil (SVP) / Reber, Schangnau (SVP) / Moser, Landiswil (SVP) / Messerli, Kirchdorf, (SVP) / Augstburger, Gerzensee (SVP) Energie aus Aarewasser Wortlaut der Motion vom 31. März Der Regierungsrat wird beauftragt, das Projekt «Aarewasser» zwischen Thun und Bern, so zu gestalten, dass die Möglichkeit besteht, durch Wasserkraftwerke Energie zu gewinnen. 2. Planungen von Renaturierungen, die im Bereich von Seen und Fliessgewässer stattfinden, sind zu sistieren oder auf die Nutzbarmachung von erneuerbarer Energie auszuweiten. Begründung: Beim Projekt «Aarewasser» ist vorgesehen, die Aare zwischen Thun und Bern zu renaturieren. Durch dieses Projekt wird es unmöglich gemacht, in Zukunft die Aare in diesem Bereich für die Energiegewinnung durch Wasserkraft zu nutzen. Es wird in Zukunft unumgänglich sein, alle Möglichkeiten der Wasserkraftnutzung auszuschöpfen. Im Zusammenhang mit der stetigen Verknappung der Fruchtfolgeflächen muss in Zukunft noch sorgsamer mit dem Faktor Boden umgegangen werden. Mit zunehmender Nachfrage nach nachhaltiger Energiegewinnung, werden vermehrt auch die Möglichkeiten einer natürlichen Ressourcennutzung entlang der Aare zwischen Thun und Bern notwendig sein. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die zwei Hochwasser vom Mai 1999 und August 2005 haben drastisch vor Augen geführt, dass der Hochwasserschutz entlang der Aare von Thun bis Bern völlig ungenügend ist. Bei beiden Ereignissen wurden sehr grosse Schäden an Gebäuden, Verkehrsinfrastrukturen und in der Landwirtschaft verursacht. Deshalb wurde das Projekt «aarewasser» gestartet, das den dringend erforderlichen Hochwasserschutz und den Bestand der bedeutenden Trinkwasserfassungen langfristig sicherstellen wird. Das Projekt «aarewasser» hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Möglichkeiten zur Energiegewinnung aus dem Aarewasser. Ebenso wenig tangieren in aller Regel Renaturierungsprojekte die Nutzbarmachung von Wasserkraft, denn die entscheidenden Faktoren für die Wasserkraftnutzung die Wassermenge und die nutzbare Höhendifferenz werden weder durch Hochwasserschutzprojekte wie «aarewasser» noch Renaturierungen verändert. Nur in ganz wenigen Fällen kann es zu Nutzungskonflikten kommen, die eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Energiegewinnungspotenzial und den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Interessen erforderlich machen. Der Regierungsrat geht mit den Motionären einig, dass die nachhaltige Energiegewinnung aus Wasserkraft gefördert werden soll. Dazu zeigt die Wasserstrategie auf, wo eine Wasserkraftnutzung grundsätzlich in Frage kommt, oder wo schutzwürdige Interessen (Fischerei, Tourismus und Naherholung, Ökologie) überwiegen. Zu Ziffer 1 Wie in der kantonalen Wasserstrategie festgehalten, ist in einzelnen Gewässerabschnitten zwischen Thun und Münsingen eine Energiegewinnung durch Wasserkraft in der Nutzungskategorie «mit erschwerten Auflagen» möglich. Dabei hat das Projekt «aarewasser» keinen Einfluss auf das bestehende Potenzial für allfällige Wasserkraftnutzungen, denn es verändert das Gefälle der Aare nicht. Einschränkungen können sich insbesondere bei Gewässerabschnitten ergeben, die als Fischgewässer von sehr hoher Bedeutung sind, bei Inventarflächen von nationaler Bedeutung, bei Gewässerräumen von mittlerem bis hohem landschaftlichem und touristischem Wert und in Abschnitten, die für die Trinkwasserversorgung bedeutsam sind. Anpassungen des Projekts «aarewasser» sind daher nicht erforderlich. Auch ohne das Projekt «aarewasser» würde sich an der Zuteilung der Aare zwischen Thun und Münsingen in die verschiedenen Nutzungskategorien für Wasserkraftnutzungen nichts ändern.

255 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Auch in baulicher Hinsicht schafft das Projekt keine Hindernisse für eine künftige Wasserkraftnutzung. Die für die Sicherstellung eines nachhaltigen Hochwasserschutzes notwendigen Gewässeraufweitungen verunmöglichen als solche keine Erstellung eines Wasserkraftwerks. Ein Verzicht auf die geplanten Aufweitungen würde hingegen die Projektziele von «aarewasser» (Hochwasserschutz, Sohlenstabilisierung, langfristige Sicherung der Trinkwasservorkommen) wesentlich gefährden. Unabhängig vom Projekt «aarewasser» bleibt somit an der Aare zwischen Thun und Münsingen eine Energienutzung durch Wasserkraft in einzelnen Abschnitten grundsätzlich möglich. Dabei ist allerdings auf Folgendes hinzuweisen: Der neue Artikel 43a des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes (in Kraft seit dem 1. Januar 2011) verbietet, dass der Geschiebehaushalt im Gewässer durch Anlagen so verändert wird, «dass die einheimischen Tiere und Pflanzen, deren Lebensräume, der Grundwasserhaushalt und der Hochwasserschutz wesentlich beeinträchtigt werden». Mit gutem Grund, denn eines der gravierendsten Probleme an der Aare zwischen Thun und Bern ist neben dem mangelhaften Hochwasserschutz der beeinträchtigte Geschiebehaushalt, der zu einer kontinuierlichen Sohlenabsenkung führt. Diese Entwicklung stellt eine Bedrohung für die Funktionsfähigkeit des gesamten Gewässersystems dar, was sich mittelfristig negativ auf die Qualität und die Quantität der Trinkwassergewinnung auswirkt. Eines der Projektziele von «aarewasser» ist deshalb die Stabilisierung des Geschiebehaushalts. Damit wäre die Realisierung eines Wasserkraftwerks schlecht vereinbar, denn die Längsvernetzung und der Geschiebetrieb würden komplett unterbunden: Oberhalb des Wasserkraftwerks käme es zu massiven Auflandungen und unterhalb zu einer beschleunigten Erosion. Zu Ziffer 2 Revitalisierungen von Gewässern und ökologische Massnahmen im Rahmen von Hochwasserschutzprojekten sind keine fakultativen Zusatzprojekte, auf die nach Belieben verzichtet werden kann. Zeitgemässe Wasserbauvorhaben müssen zwingend auch ökologische Massnahmen enthalten, damit sie bewilligungsfähig sind. Die neuen Gewässerschutzbestimmungen des Bundes nehmen zudem die Kantone konkret und verbindlich in die Pflicht, für die Revitalisierung von Gewässern zu sorgen (insbesondere neuer Artikel 38a des Gewässerschutzgesetzes, in Kraft sei dem 1. Januar 2011). Eine umfassende Sistierung aller laufenden Planungen von Renaturierungen im Bereich von Seen und Flussgewässern wäre demnach mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar. Im Übrigen tangieren wie eingangs erwähnt Renaturierungsmassnahmen bei Gewässern in aller Regel die Nutzbarmachung von Wasserkraft nicht. Die zurzeit im Kanton Bern laufenden Planungen zu Revitalisierungen von Seen und Fliessgewässern betreffen grösstenteils Gewässerbereiche, bei denen aus bereits bestehenden Gründen keine oder nur erschwert realisierbare Wasserkraftnutzungen möglich sind. Die nachfolgende Tabelle zeigt die konkreten Wasserkraftnutzungspotenziale, die unabhängig von den Renaturierungsprojekten vorhanden sind: Mögliche Nutzung gemäss Wasserstrategie Anzahl Planungen Hochwasserschutz und Revitalisierung Reine Revitalisierung Wasserkraftnutzung realisierbar 4 0 Wasserkraftnutzung erschwert realisierbar 1 2 Wasserkraftnutzung nicht realisierbar 3 2 Gebiete mit bestehender Wasserkraftnutzung 1 2 Wasserkraftnutzung nicht möglich (zu geringe Wassermenge und / oder zu geringe nutzbare Höhe) Die Zusammenstellung zeigt, dass es sich bei den kombinierten Hochwasserschutz- und den Revitalisierungsprojekten nur bei fünf von 19 Projekten um Gewässerbereiche handelt, bei denen eine Wasserkraftnutzung grundsätzlich realisierbar ist. Bei den reinen Revitalisierungsprojekten ist sogar nur bei zwei von 22 Standorten eine erschwerte Realisierung von Wasserkraftnutzung im Prinzip denkbar. Eine Sistierung oder Überprüfung sämtlicher Hochwasserschutz- und Revitalisierungsprojekte, wie sie die Motion verlangt, wäre demnach unverhältnismässig und nicht zielführend. Zudem gilt es zu bedenken, dass dadurch wichtige und dringende Hochwasserschutzprojekte verzögert und Gefahrensituationen unnötig verlängert würden. Antrag: Ablehnung. Geschäft /11 Motion Scheuss, Biel (Grüne) Wirbelkraftwerke Wortlaut der Motion vom 5. April 2011 Der Regierungsrat wird ausgefordert, das Potential der Energieproduktion mittels Wirbelkraftwerken im ganzen Kanton Bern aufzuzeigen. Begründung und Zusatzinformationen: Das Wasserwirbelkraftwerk ist ein kleines Flusskraftwerk, das schon bei einem minimalen Gefälle ab 0,7 m und einer Wassermenge ab rund 1000 Litern pro Sekunde saubersten Naturstrom liefert. Die Technik beruht auf einem Becken mit einem zentralen Abfluss. Darüber bildet sich ein Wasserwirbel, der mit Hilfe der Schwerkraft bzw. der Höhendifferenz einen langsam drehenden Rotor mit ca. 20 Umdrehungen pro Minute bewegt. Der Rotor treibt den Generator an, der den Strom produziert und ins Netz einspeist. Die Energieversorgung kann innert nützlicher Frist nur nachhaltig und sicher erfolgen, wenn die Produktion von erneuerbaren Energien, Massnahmen für mehr Energieeffizienz und Energiesparmassahmen konsequent gefördert werden. Wirbelwasserkraftwerke können dazu einen Beitrag leisten. Dies ist die Voraussetzung für den Atomausstieg und eine CO 2- neutrale Energieproduktion. Der Kanton Bern soll die nötigen Grundlagen liefern, damit das Potential erneuerbarer Energien maximal ausgeschöpft wird. (Weitere Unterschriften: 0)

256 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 695 Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die Nutzung der Wasserwirbelkraft ist eine neue Technologie im Bereich der Wasserkraftnutzung. Soweit bekannt, ist in der Schweiz erst eine Pilotanlage im Kanton Aargau in Betrieb; in Österreich und in Deutschland wird ebenfalls je ein solches Kraftwerk betrieben. Die Technologie befindet sich noch in der Optimierungsphase. Wasserwirbelkraftwerke verfügen in der Regel über eine installierte Leistung im Bereich von Kilowatt und gehören damit zu den Kleinstwasserkraftwerken (0 300 Kilowatt installierte Leistung). Im Kanton Bern werden heute rund 260 Kleinstwasserkraftwerke betrieben, was rund 80 Prozent aller Anlagen entspricht. Sie erzeugen jedoch nur 1 Prozent der Jahresproduktion. Entsprechend ist die Umweltbelastung gemessen am Energieertrag relativ hoch. Deshalb hat der Regierungsrat beschlossen, künftig grundsätzlich auf neue Kleinstwasserkraftwerke zu verzichten. Gemäss der vom Regierungsrat am 15. Dezember 2010 genehmigten und vom Grossen Rat am 31. März 2011 zur Kenntnis genommenen Wassernutzungsstrategie werden Konzessionen für neue Wasserkraftanlagen mit einer Leistung unter 300 Kilowatt im Kanton Bern nur noch in begründeten Fällen (zum Beispiel für Alpanlagen, Trinkwasserkraftwerke, Erneuerung bestehender Anlagen, usw.) erteilt. Wasserwirbelkraftwerke sollen demnach grundsätzlich nicht bewilligt werden. Zeigt sich aber, dass ein bestimmter Kraftwerkstyp die Anforderungen der Fischerei, des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Wasserbaus wesentlich besser erfüllt als die herkömmlichen Kleinstwasserkraftwerke, sind Konzessionserteilungen ausnahmsweise durchaus möglich. Der Regierungsrat ist deshalb bereit, von den zuständigen kantonalen Fachstellen überprüfen zu lassen, ob Wasserwirbelkraftwerke hinsichtlich der Fischerei, des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Wasserbaus wesentlich bessere Voraussetzungen bieten als herkömmliche Kleinstwasserkraftwerke. Eine Abklärung des Potenzials der Wasserwirbelkraft im ganzen Kanton ist allerdings zurzeit verfrüht. Die Technologie ist noch nicht ausgereift, die Effizienz noch ungenügend und die Auswirkungen auf den Hochwasserschutz, die Gewässerökologie und die Fischerei sind vorerst zu klären. Der Regierungsrat beantragt deshalb die Annahme der Motion als Postulat. Antrag: Annahme als Postulat Geschäft /11 Interpellation Ruchti, Seewil (SVP) Förderung von landwirtschaftlichen Biogasanlagen durch den Kanton Bern Wortlaut der Interpellation vom 24. März 2011 Gemäss Medienmitteilung vom sollten dank einem vom Regierungsrat verabschiedeten Förderprogramm bis 2011 mindestens zehn neue landwirtschaftliche Biogasanlagen entstehen. Zudem wollte sich der Kanton Bern auf Bundesebene für förderliche raumplanerische Rahmenbedingungen einsetzen. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: 1. Wie viele landwirtschaftliche Biogasanlagen sind seit dank dem Förderprogramm bis heute in Betrieb gegangen? Entspricht die Zunahme der Energiestrategie des Kantons Bern? 2. Welchen Anteil an der gesamten Stromproduktion im Kanton Bern erreichen diese neuen landwirtschaftlichen Biogasanlagen? 3. Wie viele landwirtschaftliche Biogasanlagen werden gemäss Schätzung des Regierungsrates noch bis Ende 2011 in Betrieb gehen? 4. Hält der Regierungsrat Fördermodelle für erfolgreich? 5. Gedenkt der Regierungsrat das bestehende Fördermodell nach 2011 weiterzuführen? 6. Welche konkreten Massnahmen hat der Kanton Bern hinsichtlich eines effizienten Bewilligungsverfahrens für landwirtschaftliche Biogasanlagen getroffen? 7. Wie hat sich der Kanton Bern auf Bundesebene für förderliche raumplanerische Rahmenbedingungen eingesetzt? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Der Regierungsrat hat in seiner Energiestrategie 2006 als Fernziel die 2000-Watt-Gesellschaft definiert. Dieses Ziel will er insbesondere mit der Förderung der Energieeffizienz und von erneuerbaren Energien erreichen. Eine wichtige erneuerbare Energiequelle ist die Biomasse. Dazu zählen neben Holz aus dem Wald auch organische Abfälle aus Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe und Haushalten sowie aus den Abwassereinigungsanlagen. Heute wird dieses Potenzial erst zu rund einem Drittel genutzt. Dabei handelt es sich zum grössten Teil um Waldholz zum Heizen und um Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlagen. Nur ein kleiner Teil der Biomasse wird heute zur Stromerzeugung genutzt. Vor diesem Hintergrund hat der Regierungsrat als Element zur Umsetzung der Energiestrategie und der entsprechenden Massnahmenplanung am 14. Mai 2008 das Kantonale Förderprogramm Vergärungsanlagen für die Zeitspanne beschlossen [RRB 861]. 7 Dieses enthält zehn Grundsätze und acht Massnahmen für eine verstärkte Förderung von landwirtschaftlichen und gewerblich-industriellen Vergärungsanlagen. Zudem wurde darin gestützt auf Potenzialeinschätzungen das quantitative Ziel verankert, dass bis Ende 2011 zehn neue Vergärungsanlagen realisiert werden. Der Vollzug des Förderprogramms wurde den zuständigen Direktionen und Ämtern übertragen. Die Volkswirtschaftsdirektion (VOL) wurde mit der Koordination der Umsetzung beauftragt. Als Steuerungsorgan wurde ein Beirat eingesetzt mit verwaltungsinternen und externen Fachleuten. Im März 2009 genehmigte die VOL ein Controllingkonzept zur periodischen Überprüfung der Zielerreichung des Förderprogramms. Im Dezember 2009 nahm die VOL vom ersten Reporting Kenntnis. Dannzumal liess sich insbesondere feststellen, dass sich die quantitative Zielerreichnung als hohe Hürde erweisen dürfte. Als Hauptgründe für das verhaltene Vorwärtskommen wurden rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheiten potenzieller Investoren aufgeführt. Seither hat sich die Umsetzung des Förderprogramms weiterentwickelt: Der raumplanerische Handlungsspielraum wurde mittels eines Rechtsgutachtens geklärt und in einer Wegleitung des Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR) umgesetzt; eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe hat die Möglichkeiten zur Substratlenkung evaluiert und dem Beirat zur Beurteilung vorgelegt; die massgebenden wirtschaftlichen Parameter (Einspeisevergütung, öffentliche und private Investitionshilfen, CO 2-Zertifikate) sind bekannt; Unsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung des Substratmarktes (Mengen, Preise) und die damit einhergehenden Investitionsrisiken sind aber geblieben. Zu Frage 1: Nach Angaben der kantonalen Anlaufstelle beim Inforama gingen seit 15. Mai 2008 keine neuen landwirtschaftlichen 7

257 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Biogasanlagen in Betrieb. Eine Anlage hätte eigentlich letztes Jahr den Betrieb aufnehmen sollen; Verzögerungen in den Bauarbeiten verschieben die Inbetriebnahme aber voraussichtlich auf den Sommer Drei landwirtschaftliche Biogasanlagen wurden im betrachteten Zeitraum ausgebaut, und schätzungsweise neun Anlagen sind gegenwärtig in Vorabklärung/Planung mit noch ungewisser Realisierung. Diese quantitativen Entwicklungen sind nicht allein auf das Kantonale Förderprogramm Vergärungsanlagen zurückzuführen. Grundsätzlich leistet jede zusätzliche Vergärungsanlage einen wichtigen Beitrag an die Umsetzung der regierungsrätlichen Energiestrategie. Aus energiepolitischer Sicht wäre sicher eine grössere Dynamik in der Realisierung neuer Anlagen wünschbar. Allerdings ist sich der Regierungsrat bewusst, dass der Beitrag der Vergärungsanlagen an die Deckung des Gesamtenergieverbrauchs auch in Zukunft klein bleiben wird. Zu Frage 2: Mit den seit 15. Mai 2008 erfolgten Kapazitätserweiterungen bei den landwirtschaftlichen Biogasanlagen (vgl. Antwort zu Frage 1) kann weniger als ein Promille des Gesamtstromverbrauchs im Kanton Bern abgedeckt werden. Gemessen an der gesamten Stromproduktion im Kanton Bern ist der Anteil noch kleiner, da im Kanton Bern mehr Strom produziert als verbraucht wird. Zu Frage 3: Abgesehen von der landwirtschaftlichen Biogasanlage, die voraussichtlich in den nächsten Monaten in Betrieb geht (vgl. Antwort zu Frage 1), wird in diesem Jahr vermutlich noch eine weitere Anlage realisiert werden. Es gibt weitere Projekte im Kanton Bern. Deren Projektstände sind jedoch zu wenig fortgeschritten, um eine bauliche Realisierung und Inbetriebnahme bis Ende 2011 erwarten zu können. Zu Frage 4: Grundsätzlich ja. Fördermodelle sind nicht nur als energiepolitische Instrumente weit verbreitet; sie nehmen in der Wirtschaftspolitik als komplementäre oder alternative Ansätze zum Erlass allgemein verbindlicher Vorschriften generell eine wichtige Rolle ein. Wirkungen und Erfolg von Fördermodellen sind jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig (z. B. Akzeptanz und Restrisiko bei den Betroffenen, Marktentwicklungen, Ressourcenalimentierung), die nicht alle im staatlichen Einflussbereich liegen. Nach heutigem Wissensstand ist zu erwarten, dass die im Förderprogramm Vergärungsanlagen verankerten qualitativen Ziele grossmehrheitlich erreicht werden können. Die auf Potenzialeinschätzungen abgestützte quantitative Zielsetzung, nämlich die Realisierung von zehn neuen Vergärungsanlagen bis Ende 2011, dürfte hingegen verfehlt werden (vgl. Antworten zu Fragen 1 3). Dafür dürften verschiedene Gründe verantwortlich sein: anfängliche Unsicherheiten hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen; restriktive raumplanerische, boden- und umweltrechtliche Bestimmungen; geringe Verfügbarkeit an energiereichen Substraten (Konkurrenzverhältnisse); moderate wirtschaftliche Anreize und Investitionshilfen; hohe Investitionskosten und -risiken; relativ komplexe und arbeitsintensive Technologie mit entsprechenden Anforderungen. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind dabei in einem hohen Masse durch verbindliche Vorgaben des Bundes geprägt. Zu Frage 5: Nach Ablauf des Kantonalen Förderprogramms Vergärungsanlagen Ende 2011 werden die als zweckmässig eingestuften Massnahmen im Rahmen der ordentlichen Aufgaben der zuständigen Stellen weitergeführt. Von den acht im Förderprogramm definierten Massnahmen sind dies alle mit Ausnahme der Leistungsvereinbarung mit Ökostrom Schweiz. Ein neues, spezifisches Förderprogramm für Vergärungsanlagen ist nicht vorgesehen. Dieses Vorgehen entspricht den Empfehlungen, welche der Beirat im Dezember 2010 der VOL abgegeben hat. Zu Frage 6: Mit einer Teilrevision des Raumplanungsrechtes (in Kraft seit 1. Sept. 2007) hat der Bund mit Art. 16a Abs. 1 bis des Raumplanungsgesetzes (RPG; SR 700) festgelegt, dass Bauten und Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Biomasse in der Landwirtschaftszone zonenkonform sind. Die einzuhaltenden Voraussetzungen sind in Art. 34 Abs. 4 und Art. 34a der Raumplanungsverordnung (RPV; SR 700.1) formuliert. Die RPV setzt der Bewilligungsfähigkeit von Biogasanlagen in der Landwirtschaftszone relativ enge Grenzen. Das bedeutet, dass Vergärungsanlagen nicht in jedem Fall und überall in der Landwirtschaftszone bewilligungsfähig sind. Anlagen, die ein oder mehrere Kriterien gemäss Art. 34a RPV nicht erfüllen, sind grundsätzlich in einer ordentlichen Bauzone zu errichten. Das AGR hat mit der Wegleitung «Biogasanlagen» 8 eine Praxishilfe erarbeitet, welche für die Gesuchstellenden und die Beurteilungsbehörden aufzeigt, wie Bauten und Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Biomasse im Rahmen der geltenden Gesetzgebung beurteilt und bewilligt werden können. Um sicherzustellen, dass der rechtliche Handlungsspielraum vor dem Hintergrund der kantonalen Energiestrategie und des Förderprogramms Vergärungsanlagen ausgenutzt wird, ist zudem ein Gutachten in Auftrag gegeben worden. Die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP- ASPAN hat in ihrem Gutachten 9 die wichtigsten offenen Fragen geklärt. Mit diesen Hilfsmitteln liegen die Grundlagen für effiziente Bewilligungsverfahren vor. Zu Frage 7: Der Kanton Bern hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten beim Bund stets für sachgerechte Regelungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen eingesetzt. So unterstützt er im angesprochenen Bereich z. B. ausdrücklich den Vorstoss von Ständerat Luginbühl für eine Änderung der Vorschrift zum Wärmetransport aus der Landwirtschaftszone. Der Kanton Bern ist zudem in der Arbeitsgruppe des Bundes für die Revision des RPG im Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzonen vertreten. Er hat in diesem Gremium die Energiegewinnung in der Landwirtschaftszone bereits thematisiert. Geschäft /10 Motion FDP (Flück, Brienz / Moser, Biel) Kantonaler Windrichtplan Wortlaut der Motion vom 15. September 2010 Der Regierungsrat wird aufgefordert, 1. einen zusammen mit den Nachbarkantonen (insbesondere mit den Kantonen Jura, Neuenburg und Solothurn) abgestimmten kantonalen Windrichtplan zu erarbeiten; 2. diesen so auszugestalten, dass er diejenigen für die Windnutzung geeigneten, mit den Anliegen von Natur- und Landschaftsschutz vereinbaren sowie strassen- und leitungsmässig erschlossenen Gebiete bezeichnet, in denen die Errichtung von Windturbinen zulässig ist; 3. zu prüfen, ob bis zur Inkraftsetzung dieses Kantonalen Windrichtplanes keine Baubewilligungen für Windturbinen mehr zu erteilen sind. Begründung: Im Kanton Bern hat die Windenergie mit dem seit 1995 sukzessiv entwickelten Windpark auf den Jurahöhen eine geord publiziert in Raum & Umwelt, Juli Nr. 4/10

258 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 697 nete, mit den Anwohnern, Landwirten, Behörden und Umweltund Landschaftsschutzorganisationen einvernehmlich abgestimmte Entwicklung genommen. In fünf Etappen ist dieses Windkraftwerk ohne Opposition von drei auf sechzehn Windturbinen ausgebaut worden. Grundlagen dafür sind eine jahrelange, auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Zusammenarbeit zwischen der Betreiberin und all ihren Partnern, die als schweizerische Neuheit erarbeitete regionale Windrichtplanung im Vallon de St-Imier, das eigens entwickelte Wind- und Landschaftsschutzkonzept für das Gebiet von Mont-Crosin und Mont-Soleil sowie die schlank genehmigten Anpassungen der Zonenpläne der vier Gemeinden Cormoret, Courtelary, St-Imier und Villeret. Von Anbeginn an waren die Betreiber darauf bedacht, dass die Windturbinen nicht nur optimal in die schöne Juralandschaft integriert werden, sondern dass sie in der Region auch auf Akzeptanz stossen. Das mit «Jura Bernois Tourisme» erarbeitete Konzept des «Sentier Découverte» bringt mit sanftem naturnahem Tourismus und den jährlich rund Besuchern nicht nur den Grundeigentümern und Pächtern, sondern auch zahlreichen weiteren Personen in der Region willkommene Zusatzbeschäftigungen im Gesamtwert von jährlich rund einer Mio. Franken. Mit dem Inkrafttreten der Subventionsbestimmungen des Bundes (KEV Kostendeckende Einspeisevergütung) Anfang 2009 änderte sich die Situation schlagartig. An die Stelle der bisherigen sukzessiven, von der Bevölkerung und den Behörden mitgetragenen Entwicklung trat ein eigentliches «Wildwest» mit Windturbinen. Investoren aus der ganzen Schweiz und sogar aus dem Ausland traten auf den Plan und überboten sich mit finanziellen Direktangeboten an Grundeigentümer. Landschaftsintegration und Akzeptanz mussten diesem Run auf schnelle Vertragsabschlüsse weichen. Ziel war die möglichst schnelle Besetzung von Standorten bzw. die möglichst schnelle Sicherung von Bundessubventionen. Das Ergebnis dieses Wind-Wildwests ist eine für alle unbefriedigende Situation. Die Grundeigentümer sind verunsichert, die Bewohner der Regionen äussern sich vermehrt skeptisch bis ablehnend, die Umwelt- und Landschaftsschützer machen immer mehr Opposition und die Projekte der Investoren sind vielerorts blockiert. Es fehlt die klare raumplanerische Vorgabe. Es braucht eine von den Behörden im breiten Dialog mit allen Interessierten erarbeitete räumliche Vorstellung, die klar macht, in welchen Gebieten Windturbinen geplant werden können und in welchen nicht. Der Kanton Bern verfügt über die grösste Erfahrung mit Windenergie in der Schweiz. Er muss deshalb in die Offensive gehen und die im ganzen Jurabogen weitgehend blockierte Situation mit konstruktiven, breit abgestimmten Planungsvorstellungen angehen. Er muss einen kantonalen Windrichtplan erarbeiten, diesen mit den interessierten Nachbarkantonen abstimmen und im demokratischen Verfahren mit dem Grossen Rat festlegen. Es ist zu prüfen, ob bis zur Inkraftsetzung dieses Kantonalen Windrichtplans keine Baubewilligungen mehr zu erteilen sind. (Weitere Unterschriften: 13) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 23. Februar 2011 Der Regierungsrat hat in der Energiestrategie dargelegt, dass er den Ausbau der Windenergieproduktion im Kanton befürwortet und es ebenso wie die Motionäre als zwingend erachtet, dass die dafür erforderlichen planerischen Grundlagen vorhanden sind. Der Regierungsrat und der Grosse Rat haben sich in den letzten Jahren bereits mit mehreren parlamentarischen Vorstössen zur Planung von Windenergiestandorten befasst (Motion M 130/07 Häsler, Förderung der Windenergie im Kanton Bern; Motion M 188/08 Häsler, Förderung von erneuerbaren Energien; Motion M 259/09 Früh, Aktualisierung des Windenergiekonzepts; Interpellation I 357/09 Vaquin, Interkantonale Koordination beim Bau von Windturbinen im Jurabogen). Gestützt auf die Motion 130/07 (Häsler, Förderung der Windenergie im Kanton Bern) hat das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) zusammen mit anderen kantonalen Fachstellen eine Wegleitung erarbeitet, welche die Verfahren und Bewilligungskriterien für Windenergieanlagen aufzeigt. Die Wegleitung wurde Anfang April 2008 in der Bernischen systematischen Information der Gemeinden (BSIG) und auf der Internetseite des AGR veröffentlicht. Windenergieanlagen sind aufgrund ihrer Grösse und ihrer Auswirkungen auf Raum und Umwelt raumrelevante Anlagen und müssen sich als solche an den geltenden Grundsätzen der Raumplanung orientieren: Die Standorte von Windparks sind im Rahmen der übergeordneten Richtplanung festzulegen und anschliessend in der Ortsplanung der Gemeinden grundeigentümerverbindlich zu sichern. Im Kanton Bern sind es die Regionen bzw. Regionalkonferenzen, die gemäss Art. 98 Baugesetz zusammen mit den Regionsgemeinden im Rahmen der regionalen Richtplanung bestimmen, wie sich ihr Gebiet räumlich entwickeln soll. Weil Windparks oft mehrere Gemeinden betreffen, ist die Abstimmung der möglicherweise divergierenden kommunalen Interessen im Rahmen der Regionalplanung vorzunehmen. Das Erlassverfahren der Regionalen Richtpläne gewährleistet zudem, dass die Windenergierichtpläne von benachbarten Regionen untereinander und mit den Nachbarkantonen abgestimmt werden. Gestützt auf diese Vorgaben haben bereits mehrere Planungsregionen ihre Windenergierichtpläne erlassen. Bereits genehmigt sind die Windenergierichtpläne der Regionen des Berner Jura sowie der gemeinsam von den Regionen Emmental, Oberaargau, Bern (Teil Ost) erarbeitete Richtplan. Damit sind neben dem bereits bestehenden Windpark Mont Crosin sieben weitere Standorte für Windpärke auf Richtplanstufe festgesetzt (siehe nebenstehende Karte). Der bestehende Windpark Mont Crosin produziert jährlich etwa 40 GWh Strom, was dem Strombedarf von etwa Privathaushalten entspricht. Würden sämtliche in den regionalen Richtplänen per Januar 2011 festgesetzten Windparkstandorte realisiert, könnte die (Wind-)Stromproduktion im Kanton Bern etwa verdreifacht werden. Der Regierungsrat sieht überdies vor, das Vorgehen und die zu berücksichtigenden Grundsätze für die Festlegung von Windenergiestandorten neu im kantonalen Richtplan zu regeln (siehe Entwurf des Massnahmenblattes C_21 Anlagen zur Windenergieproduktion fördern, welches im Rahmen der Richtplananpassungen '10 der öffentlichen Mitwirkung unterbreitet wurde). Demgemäss sollen grössere Anlagen zur Nutzung der Windenergie (d. h. Windturbinen mit einer Gesamthöhe von über 25 m) an wenigen, gut geeigneten Standorten mit hohen Potenzialen und geringen negativen Auswirkungen zusammengefasst werden (Windpärke).

259 Juni 2011 Nachmittag Sondersession Energiepolitik Karte: Regionale Teilrichtpläne Windenergie (Stand Februar 2011) Die Kantone Jura, Neuenburg und Solothurn haben in ihrer Richtplanung die Windenergiestandorte bezeichnet. Der Kanton Neuenburg überarbeitet seinen Richtplan diesbezüglich zurzeit. Sämtliche Westschweizer Kantone und der Kanton Bern sind überdies daran, ihre Windenergieplanungen inhaltlich zu koordinieren. Zu diesem Zweck wurden in einem ersten Schritt die Grundlagen analysiert, und es wird versucht, die Kriterien für die Standortplanung von Windenergieanlagen zu harmonisieren. Dieses Unterfangen erweist sich als sehr anspruchsvoll, weil jeder Kanton eine eigene Planungs- und Baugesetzgebung und auch eigene politische Prioritäten hat. Die Motionäre stellen zu Recht fest, dass mit dem Inkrafttreten der kostendeckenden Einspeisevergütung des Bundes (KEV) eine neue Situation eingetreten ist, welche eine gewisse Verunsicherung der geordneten Planung von Standorten für Produktionsanlagen von erneuerbaren Energien bewirkt. Die finanziellen Anreize des Bundes haben dazu geführt, dass sich die am Windenergiemarkt interessierten Investoren vorsorglich Standorte mit gutem Windenergiepotenzial gesichert haben. Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil auch für Standorte, an welchen gemäss der regionalen Richtplanung keine Windenergieanlagen vorgesehen sind, Verträge abgeschlossen wurden, und weil sich an anderen Standorten verschiedene Investoren und Gemeinden nicht auf ein gemeinsames Projekt einigen können. Zu den Forderungen der Motion im Einzelnen: Zu den Punkten 1 und 2: Erarbeitung eines kantonalen Windenergierichtplans zusammen mit den Nachbarkantonen (insbesondere mit den Kantonen Jura, Neuenburg und Solothurn) mit Bezeichnung der Gebiete, in denen die Errichtung von Windturbinen zulässig sein soll Der Regierungsrat vertritt die Ansicht, dass im Kanton Bern die notwendigen Vorkehrungen getroffen bzw. eingeleitet wurden, um eine koordinierte Entwicklung der Windenergie zu gewährleisten. Die strategische Richtung wurde gestützt auf die Motion Häsler M130/07 festgelegt. Die Verfahren und Bewilligungskriterien für Windenergieanlagen wurden bereits 2008 in einem ersten Schritt mit einer Wegleitung kommuniziert, um rasch für alle Partner Klarheit zu schaffen. Diese Regelungen haben sich bewährt. Die Aufgabenteilung zwischen Kanton, Regionen und Gemeinden sowie die Grundsätze für die Festlegung von Windenergiestandorten sollen deshalb in stufengerechter Weise im Rahmen der Richtplananpassungen '10 mit einem neuen Massnahmenblatt in den kantonalen Richtplan aufgenommen werden. Verschiedene Regionen haben bereits einen regionalen Windenergierichtplan erarbeitet. Mit diesem Vorgehen wird auch die Abstimmung mit den Nachbarkantonen gewährleistet. Wenn Richtplan- Festlegungen Auswirkungen haben, welche die Kantonsgrenzen überschreiten, informiert die planende Behörde die betroffenen Stellen des Nachbarkantons (je nachdem Gemeinden, Region, Kanton), damit diese ihre Anliegen in die Planung einbringen können. Das geschieht spätestens im Mitwirkungsverfahren oder im Vorprüfungsverfahren. Wenn sich die Kantone nicht einig werden, müssen räumliche Festlegungen im kantonalen Richtplan getroffen und nötigenfalls ein Bereinigungsverfahren unter Leitung des Bundes durchgeführt werden. Ein solches Bereinigungsverfahren war bisher nicht notwendig. Mit dem neuen Massnahmenblatt C_21 wird für den Kanton Bern aber ein Gefäss geschaffen, in welchem bei Bedarf eine interkantonale Bereinigung formell durchgeführt werden kann.

260 Sondersession Energiepolitik 15. Juni 2011 Nachmittag 699 Mit dem neuen Massnahmenblatt C_21 im kantonalen Richtplan werden die kantonalen Grundsätze und Standortanforderungen für Windenergieanlagen behördenverbindlich festgelegt. Der Kanton nimmt damit seine Aufgabe wahr, die Grundzüge der räumlichen Entwicklung festzulegen. Alle in Punkt 2 der Motion erwähnten Kriterien sind darin enthalten. Der Kanton Bern verfügt mit dem neuen Massnahmenblatt C_21 im kantonalen Richtplan und den Standortfestlegungen in den regionalen Richtplänen über klare planerische Vorgaben im Bereich der Windenergie. Eine weitergehende kantonale Richtplanung, welche die Windenergiestandorte neu festlegen würde, könnte hier nicht mehr Klarheit schaffen. Sie würde im Gegenteil das Vertrauen in den Kanton massgeblich stören, hat er doch vor wenigen Jahren die Standortplanung der Windenergieanlagen der Regionalplanung zugewiesen. Der Regierungsrat stellt fest, dass mit dem Instrument der Regionalen Richtpläne die Windenergiestandorte im Kanton Bern festgelegt werden können und auch die Abstimmung mit den Nachbarkantonen soweit nötig erfolgt. Eine umfassende kantonale Windenergierichtplanung ist deshalb nicht nötig. Der Regierungsrat lehnt deshalb die Punkte 1 und 2 der Motion ab. Zu Punkt 3: Moratorium für die Baubewilligung von Windturbinen Ein Moratorium für die Baubewilligung von Windturbinen erscheint dem Regierungsrat zurzeit nicht notwendig. Grosse Windenergieanlagen können heute nur dann baubewilligt werden, wenn der Standort in einer genehmigten regionalen Richtplanung vorgesehen ist und auch eine kommunale Nutzungsplanung vorliegt. Damit wird auch gewährleistet, dass grössere Anlagen zur Nutzung der Windenergie an wenigen, gut geeigneten Standorten mit geringen negativen Auswirkungen zusammengefasst werden. Auch dieser Punkt der Motion ist deshalb abzulehnen. Antrag: Ablehnung der Motion.

261 Justiz, Gemeinde und Kirchen 16. Juni 2011 Morgen 699 Bitte umblättern!

262 Juni 2011 Morgen Justiz, Gemeinde und Kirchen Zwölfte Sitzung Donnerstag, 16. Juni 2011, 9.00 Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 150 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Christoph Amman, Andreas Blank, Thomas Brönnimann, Peter Flück, Thomas Fuchs, Christian Hadorn, Lorenz Hess, Natalie Imboden, Irène Marti Anliker, Corrado Pardini. Geschäft Einführung des neuen Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts: Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB) (Änderung) Beilage Nr. 17 Erste Lesung Präsident. Guten Morgen. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir wollen die Zeit nutzen. Wir werden heute verschiedene Direktionen zu Gast bei uns haben, deren Geschäfte wir behandeln werden. Es ist in der Schule manchmal auch so. Am letzten Tag will noch alles aufgeräumt werden. Aber wir wissen so denke ich dass wir es nicht schaffen werden alles aufzuräumen. Aber dennoch wollen wir zügig vorangehen, um so viel wie möglich noch zu erledigen. Zuerst ist nun die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion mit ihren Geschäften an der Reihe. Wir hatten beschlossen, dass die Geschäfte mit den Laufnummern 94, 95 und 102 an die Reihe kommen werden. Falls es zeitlich dann noch reicht, würden wir am Ende des Tages hier noch fortfahren. Gegen Mittag werden wir situativ eine Beurteilung der Zeitverhältnisse vornehmen. Anschliessend kommt die Polizei- und Militärdirektion an die Reihe und danach die Gesundheits- und Fürsorgedirektion. Dazwischen wird noch ein Geschäft der Juradelegation, eine Interpellation, zu behandeln sein. Darf ich Sie bitten, den Lärmpegel noch ein wenig hinunterzufahren? Christoph Stalder, Bern (FDP) Präsident der Kommission. Wir haben nun eine erste Lesung, und ich hoffe es sei auch die letzte. Ich werde auf den Antrag noch zu sprechen kommen. Dem Lärmpegel entnehme ich mit Befriedigung, dass in den letzten anderthalb Tagen nicht alle Energie verpufft wurde und wir auch noch den letzten Tag gut durchhalten werden. Nun geht es aber um ein bisschen trockenere Materie als in den letzten Tagen. Es geht in dieser Vorlage um Folgendes: Kantonales Recht soll, respektive muss an die Bundesgesetzgebung angepasst werden; und zwar auf dem Gebiet des Sachenrechts, des Grundstücksachenrechts und des Grundbuchrechts. Deshalb müssen wir das Einführungsgesetz zum ZGB und die entsprechenden Dekrete anpassen. Die Anpassungen sind auf den 1. Januar 2012 in Kraft zu setzen. Im Unterschied zur Problematik der Atomenergie, sprechen wir hier also über etwas, das schnell geschehen muss. Die Anpassungen werden also per zusammen mit der total revidierten Grundbuchverordnung in Kraft gesetzt. Die Gesetzesanpassung beinhaltet zwei Schwerpunkte. Auf der einen Seite soll es möglich sein, das Grundbuch öffentlich zu bereinigen, wenn sich in einem bestimmten Gebiet die Verhältnisse tatsächlich oder rechtlich verändert haben und deshalb viele Dienstbarkeiten, Vormerkungen und Anmerkungen nicht mehr aktuell sind oder wenn man nicht mehr genau weiss, worum es geht. In der Kommissionssitzung erzählte der Justizdirektor ein wunderschönes Beispiel. Er informierte uns, dass hier in Bern an der Neuengasse, etwa dort wo der Ryfflihof liegt, im Grundbuch noch ein Mistplatzrecht vermerkt ist. Falls also jemand wider Erwarten mit Ross und Wagen an die Sitzungen kommen möchte, könnten dort die Pferdeäpfel abgelegt werden. Auf der anderen Seite müssen die Vorschriften über die gesetzlichen Grundpfandrechte angepasst werden. Gesetzliche Grundpfandrechte entstehen zwar unmittelbar ohne Eintrag ins Grundbuch, aber sie erlöschen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist ins Grundbuch eingetragen werden. Es gibt noch einige andere, rein formelle Änderungen in dieser Teilrevision. Erwähnen möchte ich nur den Punkt, dass Notare in Zukunft das Recht haben sollen, öffentliche Urkunden elektronisch auszufertigen. Die Kommission wurde von der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion umfassend informiert. Einziger Diskussionspunkt war die Frage, ob für die Bereinigung des Grundbuches zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen nötig seien. Diesbezüglich hätte man Bedenken gehabt. Die Antwort war, dass dies nur im Rahmen der vorhandenen personellen Ressourcen geschehen solle und nur dort, wo ein offensichtlicher Bedarf bestehe. Normalerweise wird es das Grundbuchamt selbst sein, welches feststellt, dass in einem bestimmten Gebiet, das was im Grundbuch steht, nicht mehr mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt. Es kann aber auch ein Notar oder eine Notarin das Grundbuchamt auf so etwas aufmerksam machen. Die Justizkommission stimmte dieser Vorlage ohne Gegenstimme mit einer Enthaltung zu und empfiehlt dem Rat, ebenfalls zuzustimmen und das Ganze in einer Lesung zu beraten. Präsident. Ich danke dem Kommissionspräsidenten und frage den Rat, ob Eintreten bestritten wird. Das ist nicht der Fall. Damit ist Eintreten beschlossen. Die Kommission beantragt die Behandlung in nur einer Lesung. Ich frage den Rat, ob er einverstanden ist, bei diesem Gesetz nur eine Lesung zu machen. Es gibt keine Wortmeldungen. Ich schliesse daraus, dass Sie stillschweigend zugestimmt haben, nur eine Lesung durchzuführen. Wir kommen also zur Detailberatung. Detailberatung I., II., III. Angenommen Titel und Ingress Angenommen Kein Rückkommen Abstimmung Geschäft Annahme des Gesetzes in erster und einziger Lesung Dagegen 109 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft Dekret über die Anpassung von Dekreten an das neue Immobiliarsachenrecht des Bundes Beilage Nr. 17 Präsident. Wir kommen nun zum Geschäft mit der Laufnummer 95. Es liegen keine Wortmeldungen vor.

263 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 701 Detailberatung I., II. Angenommen Titel und Ingress Angenommen Kein Rückkommen Präsident. Damit kommen wir auch hier bereits zur Schlussabstimmung. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Dekrets Dagegen 117 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft Leistungen des Kantons an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der Raumplanung; Staatsbeiträge; Rahmenkredit Beilage Nr. 13, RRB 0491/2011 Präsident. Wir machen nun einen Sprung zum Geschäft mit der Laufnummer 102. Hier hat die Sprecherin der FIKO, Frau Grossrätin Struchen das Wort. Sie wünscht es nicht. Gibt es Wortbegehren aus dem Rat? Es verlangt niemand das Wort. Wir stimmen über das Kreditgeschäft ab. Es untersteht dem fakultativen Referendum. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Kreditgeschäfts Dagegen 123 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Damit sind wir am Ende der Geschäfte der JGK angelangt, jedenfalls für heute Morgen. Es war ein Frühturnen. Und Sie bemerkten, es gab bei jeder Abstimmung mehr Stimmen, was auch bedeutet, dass der Rat immer vollzähliger wurde. Wir verabschieden den Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor, ohne dass er je das Wort ergriffen hätte. Wir danken auch dem Kommissionspräsidenten und der Kommission für die Arbeit. Nun fahren wir mit den Geschäften der Polizei- und Militärdirektion. Geschäft Gesetz über freiheitsbeschränkende Massnahmen im Vollzug von Jugendstrafen und -massnahmen und in der stationären Jugendhilfe (FMJG) Beilage Nr. 16 Erste Lesung Adrian Kneubühler, Nidau (FDP), Präsident der Kommission. Dieser Gesetzesentwurf wird Ihnen vorgelegt, weil die Heimstruktur der Kinder- und Jugendheime im Kanton Bern sehr vielfältig ist. Es gibt zahlreiche Kinder- und Jugendheime mit unterschiedlichen Aufträgen und Strukturen. Das spiegelt sich dementsprechend in der Aufsicht. Es gibt zum Beispiel Jugendheime, die dem Vollzug des Jugendstrafrechts dienen, also eine strafrechtliche Komponente haben. Weiter gibt es Jugendheime, die dem Vollzug des Kinderschutzes dienen, wo der Jugendliche selbst keine strafrechtlich relevanten Taten beging, sondern zu seinem Schutz in eine Anstalt eingewiesen werden muss. Weiter gibt es Heime, die insbesondere der Betreuung von Behinderten dienen oder auch Kliniken für psychiatrisch bedingte Einweisungen, die also eher einen gesundheitsrechtlichen Hintergrund haben. Die Aufsichtsstruktur ist ebenfalls sehr vielfältig. Einige Heime werden direkt durch den Kanton Bern geführt, beispielsweise die Jugendheime Prêles und Lory. Diese Heime unterstehen der Aufsicht der Polizeidirektion. Weiter existiert die so genannte Beobachtungsstation in Bolligen, welche durch die JGK geführt wird. Die Schulheime Landorf Köniz und Schlössli Kehrsatz werden durch die GEF geführt. Nebst den staatlichen Heimen existieren auch noch zahlreiche private Einrichtungen, die teilweise mit Betriebsbeiträgen subventioniert und durch die GEF beaufsichtigt werden. Falls sie ohne Subventionen auskommen, werden sie, gestützt auf die Pflegekinderverordnung, durch das kantonale Jugendamt beaufsichtigt. Sie sehen, das Ganze ist sehr kompliziert und ich kann es Ihnen nicht einfacher sagen. Vorweg kann ich deshalb festhalten, dass dieser Strukturen-Dschungel, der zwar häufig einen historisch begründeten Hintergrund hat, die Kommission dazu bewogen hat, eine Motion vorzubereiten, welche die Regierung auffordert, Vereinfachungen zu prüfen. Allerdings ist es keine Aufforderung zur Vereinheitlichung und Zentralisierung, sondern es geht darum, zu prüfen, den betroffenen Direktionen und Amtsstellen einheitliche Kriterien zuzuführen. Diese Motion wird bald eingereicht werden. Die in der Kommission vertretenen Fraktionen stimmten zu, sie dem Rat vorzulegen. Warum kommt nun das Gesetz? Jede Einweisung in ein solches Heim stellt grundsätzlich einen starken Grundrechtseingriff für den Jugendlichen dar. Je nach Einweisungszweck müssen disziplinarische Sanktionen, Zwangsmittel oder auch Schutz- und Sicherungsmassnahmen geprüft werden. Das Gesetz ist in diesem Sinn kein Rahmengesetz, das die Organisation der einzelnen Heime regelt, sondern es liefert die gesetzlichen Grundlagen, damit die starken Grundrechtseingriffe zukünftig auf einer sauberen Grundlage durchgeführt werden können. Aktuell bestehen für die Heime Prêles und Lory nur sehr dürftige Rechtsgrundlagen. Für privatrechtliche Institutionen existieren heute eigentlich keine gesetzlichen Grundlagen für Grundrechtseingriffe. Die Grundzüge der neuen Regelung sehen drei Arten von Sanktionen vor. Erstens die so genannten disziplinarischen Sanktionen für nicht regelkonformes Verhalten in den einzelnen Institutionen. Als Beispiel werden hier Verweise, Beschränkungen im Freizeitverhalten, im Besuchs- und Urlaubsrecht und in der Nutzung elektronischer Geräte wie Natel oder Radio erwähnt. Weiter sind auch Einschluss und so genannter Zimmerarrest möglich Eine zweite Gruppe sind die so genannten Sicherungsmassnahmen. Dazu sind nicht unbedingt ein Verschulden oder nicht regelkonformes Verhalten des Jugendlichen notwendig, sondern sie werden dann durchgeführt, wenn schwere Gefahren für den Jugendlichen drohen oder von ihm ausgehen. Als Beispiele werden hier erwähnt: Kontrollen persönlicher Gegenstände, Anrufkontrollen und Urinproben. Weiter braucht es eine gesetzliche Grundlage für so genannte Zwangsmittel; also physischer Zwang, wenn man jemanden ein bisschen packen muss, Fesselungen oder den Gebrauch so genannter chemischer Reizstoffe. Wichtig ist, dass das Gesetz einen differenzierten Anwendungsbereich vorschlägt. Das bedeutet, dass man nicht alle Massnahmen und Institutionen über einen Kamm scheren darf, sondern je nach Ausrichtung der Institutionen geprüft werden muss, welche Grundlagen und Massnahmen notwendig sind. So soll insbesondere der so genannte Schwerst-Grundrechtseingriff,

264 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär so genannte Disziplinarsanktionen, nur in Heimen möglich sein, wo «schwere» Fälle mit einem engen Betreuungsrahmen behandelt werden; das heisst also in den Heimen Prêles und Lory. Zusätzlich soll der Regierung die Möglichkeit erteilt werden, auch anderen Institutionen Bewilligung erteilen zu können, solche Disziplinarsanktionen vorzusehen. Wichtig ist hier zu sagen, dass das Gesetz nicht auf alle Heime anwendbar ist, die dem Gesundheitsgesetz unterstehen. In Heimen, die dem Gesundheitsgesetz unterstehen, regelt das Gesundheitsgesetz abschliessend, welche Massnahmen für kranke oder behinderte Personen möglich sind. In der Kommission wurde Eintreten nicht bestritten. In der Schlussabstimmung wurde das Gesetz einstimmig angenommen, und wir stellen Ihnen auch einstimmig den Antrag auf Behandlung in nur einer Lesung. Präsident. Wird Eintreten bestritten? Das ist nicht der Fall; Eintreten ist damit stillschweigend beschlossen. Der Kommissionspräsident beantragt die Behandlung in nur einer Lesung. Gemäss Art. 65b Abs. 2 ist das möglich. Ist der Rat damit einverstanden, nur eine Lesung durchzuführen? Auch das ist nicht bestritten. Detailberatung Art. 2 13, Art. 14 Abs. 1 und 2 Angenommen Art. 14 Abs. 3 Antrag Grüne (Linder, Bern) Die intime Leibesvisitation wird durch eine Ärztin oder einen Arzt durchgeführt. Dabei ist die Gleichgeschlechtlichkeit des medizinischen Fachpersonals in der Regel mit dem zu untersuchenden Jugendlichen zu gewährleisten. Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). Wir möchten in den Artikel 14 Abs. 2 aufnehmen, dass bei der intimen Leibesvisitation der Gleichgeschlechtlichkeit Rechnung getragen werden muss. In Verdachtsfällen ist die intime Leibesvisitation nötig, das ist klar. Dass die intime Leibesvisitation ein Eingriff in die höchste Privatsphäre eines Menschen bedeutet, ist ebenso klar. Gerade Jugendliche reagieren auf solche Eingriffe höchst sensibel. Viele der Jugendlichen haben in einem solchen Moment primär einen Mann oder eine Frau vor sich, und da ist es für sie dann egal, ob dieser Arzt oder diese Ärztin über eine Berufsqualifikation verfügt. Die Jugendlichen haben nicht selten eine schwierige Vergangenheit hinter sich, in der zum Beispiel auch Missbrauch ein Thema ist. Dieser Antrag ist nicht zuletzt aus der Perspektive der Jugendlichen wichtig. Nicht zu vergessen ist auch, dass in vielen anderen Lebensbereichen die Gleichgeschlechtlichkeit gegeben ist. Im Heim Lory sind junge Frauen und im Heim Prêles junge Männer untergebracht. Dort im Vorfeld darauf zu achten, dass entsprechend nur Ärztinnen respektive Ärzte für die Jugendlichen zuständig sind, sollte doch möglich sein. Die Formulierung «in der Regel» lässt schon sehr viel Spielraum für die Umsetzung offen, und wird vor allem auch der Viktoria- Stiftung gerecht, wo sich junge Frauen und Männer aufhalten. So kann im Falle einer Notfallsituation auch sofort gehandelt werden. Es ist wichtig, dass der Heimablauf nicht behindert wird. Mit diesem Antrag wollen wir dem Vollzug des Gesetzes keine Steine in den Weg legen, sondern es soll den Vollzug sicher machen und die Spielregeln dazu klar definieren. Darum bitten wir Sie, den Antrag zu unterstützen. Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). Die SVP ist klar für den Antrag des Regierungsrats und der Kommission und lehnt den Antrag Grüne von Frau Linder ab. Die Begründung ist die Folgende. Wie sieht es in der Realität in diesen Heimen aus? Die Jugendlichen kommen beispielsweise aus dem Urlaub zurück, und dann wird vermutet, jemand versuche etwas Verbotenes hereinzuschmuggeln oder er hatte Besuch. Dann sollte sofort jemand die Leibesvisitation durchführen können. In der Realität ist es nicht möglich, jedes Mal jeweils entsprechend einen Arzt oder eine Ärztin zu rufen. Gemäss der Formulierung hat es in der Regel für männliche Insassen der Heime einen Arzt und für weibliche Insassen in der Regel eine Ärztin. Manchmal aber muss es sehr schnell gehen, handelt sich um Notfallsituationen oder kann auch mitten in der Nacht sein. Dann kann es nicht sein, dass der Heimleiter für eine Person entsprechend eine Ärztin oder einen Arzt herholen muss. Stellen wir uns doch einmal vor, was das für Kosten auslösen würde. Die SVP möchte Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Émilie Moeschler, Bienne (PS). Le groupe PS-JS-PSA soutient la proposition d amendement des Verts et ceci pour plusieurs raisons. Contrairement au groupe UDC, nous pensons qu il est possible et envisageable d organiser un médecin ou une médecin femme si cela concerne une jeune femme, et si ce n est pas possible effectivement l amendement des Verts n est pas contraignant et que la fouille doit absolument se faire dans la tombée de la nuit, s il y a une rentrée de vacances comme vous le disiez Mme Geissbühler, à ce moment-là, cela peut être fait par un homme ou une femme. Il s agit ici finalement de préciser cet article comme à l alinéa 2, qui s adresse à ce moment-là à d autres corps de métiers; l alinéa 2 n est pas contesté et il s agit là d élargir cela aux médecins. Il ne s agit pas d attaquer les médecins, ils sont professionnels, ceci est complètement évident. Il s agit, comme l a dit Mme Linder, de garantir aux jeunes de pouvoir être fouillés par des personnes du même sexe. Cela peut aussi être un droit fondamental, d autant plus qu il s agit de mesures contraignantes; si l on a le droit de choisir un ou une gynécologue, on peut aussi choisir un ou une médecin quand il s agit d une fouille corporelle. Si des jeunes, et d autant plus mineurs, sont soupçonnés de faute ou de possession de substances illégales, il n empêche pas qu ils ont des droits et que nous devons tenter de les garantir. Pour ces raisons-là, le groupe PS-JS- PSA vous propose de soutenir cet amendement. Katrin Zumstein, Bützberg (FDP). Auch die FDP ist für die Variante der Kommission und des Regierungsrats. Für einmal können wir den Ausführungen von Frau Geissbühler mehr oder weniger folgen. Mit dem Antrag wird nämlich die Grundsatzidee, das Gesetz solle möglichst einfach und für die Mitarbeitenden klar und bedienungsfreundlich gestaltet werden, durchbrochen. Mit dem Einschub «in der Regel» müssen die Mitarbeitenden der Institution zuerst abzuklären, ob sie das «in der Regel» erfüllen können, und dies in einer Situation, in der sofort gehandelt werden muss. Wir befinden uns hier in einem Bereich, wo nicht allen Bedürfnissen nachgelebt werden kann, die nicht unbedingt notwendig sind. Bei einem Arzt oder einer Ärztin kann von einer hohen beruflichen Qualifikation ausgegangen werden. Die Bedenken der Antragsstellerin erachten wir deshalb als unbegründet. Darum lehnt die FDP den Antrag von Frau Linder ab. Jan Gnägi, Jens (BDP). Vorab: Der vorliegende Gesetzesentwurf stösst bei der BDP auf grosse Zustimmung. Das vorliegende Gesetz schafft Klarheit und Transparenz; nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die ausführenden

265 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 703 Personen. Nun komme ich zum Antrag zu Artikel 14. Wir gehen davon aus, eine Ärztin oder ein Arzt kenne die Grenzen rein aufgrund ihrer Berufsauffassung und halten eine Sicherstellung für unnötig. Auch in der Praxis führt nicht immer eine gleichgeschlechtliche Person Untersuchungen durch. Wir sehen nicht ein, wieso es hier anders sein sollte. Für uns reicht die vorgesehene Formulierung im vorliegenden Entwurf aus. Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP). Für die EVP ist klar, dass in der Praxis bei intimen Leibesvisitationen nach Möglichkeit die Gleichgeschlechtlichkeit der Ärztin oder des Arztes gewährt sein sollte. Ebenso klar ist, dass dies in der Praxis nicht immer möglich ist. Das wurde bereits ausgeführt. Ob nun «in der Regel» im Gesetz steht oder nicht, ändert vermutlich nicht viel daran, dass es in der Praxis nicht immer möglich ist, aber angestrebt wird. Für die EVP spielt es keine grosse Rolle, ob es nun so im Gesetz steht oder nicht, denn die Praxis wird über die Ausführung entscheiden. Ein Teil der EVP-Fraktion wird dem Antrag zustimmen, ein anderer Teil wird ihn ablehnen. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP), Präsident der Kommission. Die Kommission behandelte das Anliegen nicht ganz im selben Wortlaut bereits. Ein ähnlich lautender Antrag wurde in der Kommission mit 3 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Lustigerweise steht im Kommissionsprotokoll, eine Person sei abwesend gewesen; also wohl auf dem WC oder am Telefonieren. Die meisten Argumente der Kommissionsmehrheit wurden bereits erwähnt. Es geht hier, im Gegensatz zu einer oberflächlichen Leibesvisitation, um eine so genannte Intim-Leibesvisitation, die gemäss Kommissionswortlaut nur von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden darf. Ich glaube, die Antragsstellerin hat den Antrag hier noch einmal aufgenommen, damit auch in den Materialien klar steht, dass es eigentlich der Wunsch des Gesetzgebers ist, die Gleichgeschlechtlichkeit in aller Regel zu gewährleisten. Aber bei Ärztinnen und Ärzten ist es manchmal schwierig zu gewährleisten, dass in einem Notfallpikettdienst wirklich immer zwei Personen verschiedenen Geschlechts Dienst haben. Deshalb will man hier zwar signalisieren, es solle die Regel sein, die Gleichgeschlechtlichkeit möglichst zu gewährleisten, aber man will daraus keine Rechtsgrundlage machen, dass es immer so sein solle. Denn, falls es der Praxis einmal nicht möglich sein sollte, die Gleichgeschlechtlichkeit zu gewährleisten, will man damit einen Beschwerde- und Disziplinarfall verhindern. Diesbezüglich hat Ruedi Löffel ein bisschen zu locker argumentiert. Aber mit dem Vorschlag von Regierung und Kommission sollte das Ziel im Sinn der Antragsstellerin in aller Regel erreicht werden. Etwas möchte ich auch noch sagen: Der vorliegende Antrag wurde möglicherweise nicht ganz präzise formuliert. Denn so wie ich das Gesetz verstanden habe umfasst der Begriff «medizinisches Fachpersonal» nicht nur Ärzte, sondern ist vor allem auf Pflegepersonal gemünzt. Der Kommissionswortlaut sieht vor, nur Ärztinnen oder Ärzte sollten die Intim- Leibesvisitationen durchführen. Dies sollte wohl nicht plötzlich eine Stufe nach unten auf Stufe medizinisches Fachpersonal delegiert werden können. In diesem Sinn und im Sinn der Kommission beantrage ich Ihnen, den Antrag abzulehnen. Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor. Ich habe den Ausführungen des Kommissionspräsidenten an sich nichts anzufügen. Ausser in Ausnahmefällen, in denen aus bestimmten guten Gründen keine Ärztin oder kein Arzt desselben Geschlechts die intime Leibesvisitation durchführen kann, ist für uns entscheidend, dass wir diesbezüglich keine Beschwerde wollen. Wir machten ausdrücklich das wurde in der Kommission auch breit diskutiert den Unterschied zwischen Arzt und Ärztin einerseits und medizinischem Fachpersonal beispielsweise Krankenschwestern anderseits. In diesem Sinn gehe ich an sich mit dem Kommissionspräsidenten einig. Präsident. Wir stimmen nun über den Antrag Grüne von Frau Linder zu Artikel 14 Abs. 3 ab. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Antrags Grüne Dagegen Art. 14 Abs. 4, Art , Art. 18 Abs. 1 5 Angenommen Art. 18 Abs Stimmen 87 Stimmen 0 Enthaltungen Antrag Grüne (Linder, Bern) Die oder der Jugendliche kann unmittelbar nach Anordnung einer freiheitsbeschränkenden Massnahme sowohl die gesetzliche Vertretung als auch eine nahe stehende mündige Person darüber informieren. Anna-Magdalena Linder, Bern (Grüne). Es geht hier nicht um eine Abänderung, sondern um eine sprachliche Präzisierung. Der Gesetzgeber meint klar mit der Formulierung «oder», dass es möglich sei, einen gesetzlichen Vertreter und eine nahestehende Person zu informieren. In der Formulierung aber lässt das Wort sprachlich implizit nur eine Möglichkeit offen, nämlich dass die Jugendlichen im Falle einer Anordnung einer freiheitsbeschränkenden Massnahme nur eine Person informieren können. Wenn man das Wort «oder» durch «sowohl als auch» ersetzt, bestehen zwei Möglichkeiten. Im Vortrag zum Gesetz wird mehrmals darauf verwiesen, das Gesetz müsse möglichst einfach lesbar und verständlich sein. Hier geht es also rein um die sprachliche Verständlichkeit und eine Präzisierung. Deswegen stellten wir den vorliegenden Antrag. Ich bitte Sie, ihn zu unterstützen. Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). Gerade der Artikel 18 Absatz 6 wurde in der Kommission sehr im Interesse der Jugendliche formuliert. Wenn der Jugendliche mit einer Sicherungsmassnahme nicht einverstanden ist, kann er sofort verlangen, dass sein gesetzlicher Vertreter informiert wird. Der gesetzliche Vertreter kann dann für ihn Beschwerde einreichen und für ihn eintreten. Im Gesetz steht, man könne den gesetzlichen Vertreter oder eine mündige, nahe stehende Person informieren. In erster Priorität wird der gesetzliche Vertreter genannt. Das finde ich sehr gut. Die Jugendlichen haben teilweise schwierige Familienverhältnisse Stellen Sie sich vor, man müsste auf die Suche gehen nach irgendeinem Familienmitglied oder einer Person, die dann vielleicht gerade nicht auffindbar ist. Es ist sehr zeitintensiv und auch wieder eine Kostenfrage für die Heime, wenn sie jeweils noch zusätzliche Leute informieren müssen. Es geht ja um die Beschwerdemöglichkeit und der gesetzliche Vertreter muss informiert werden. Wir von der SVP bitten Sie, den Antrag abzulehnen und den Antrag von Kommission und Regierung anzunehmen. Katrin Zumstein, Bützberg (FDP). Das beantragte «sowohl als auch» macht das Gesetz unnötig schwerfällig und tut Juristinnen und Juristen sogar ein wenig in den Ohren weh.

266 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär Die Meinung im Gesetz ist klar. Als erstes soll die gesetzliche Vertretung informiert werden. Zusätzlich können, wenn die oder der Jugendliche das Bedürfnis hat, auch weitere ihr oder ihm nahestehende Personen informiert werden. Für die FDP besteht deshalb kein Grund, das «sowohl als auch» künstlich einzufügen. Die FDP lehnt deshalb den Antrag ab und unterstützt die Variante von Kommission und Regierungsrat. Jan Gnägi, Jens (BDP). Den Antrag zu Artikel 18 Abs. 6 der Grünen kann die BDP unterstützen. Sollte seitens der Jugendlichen nach Anordnung einer freiheitsbeschränkenden Massnahme der Wunsch bestehen, nebst der gesetzlichen Vertretung noch eine nahe stehende Person zu informieren, soll dies möglich sein; so, wie es auch im bestehenden Entwurf vorgesehen ist. Im Sinn der Einfachheit und Klarheit des Gesetzes können wir dem Antrag zustimmen. Adrian Wüthrich, Huttwil (SP). Auch im Namen der SP- JUSO-PSA-Fraktion bitte ich Sie, den Antrag zu unterstützen. Unserer Meinung nach wird der Antrag keine Mehrkosten zur Folge haben. Ebenso wird der Artikel deswegen nicht schwerfälliger. Katrin Zumstein, in den Ohren einer Juristin oder eines Juristen muss es ja auch weh tun, wenn wie in diesem Gesetz die Grundrechte einschränkt werden. Auch das kann kein Argument gegen eine sprachliche Präzisierung sein. Jugendliche sollen nicht nur ihre gesetzliche Vertretung informieren dürfen, sondern auch einen Freund oder eine Kollegin, welche ihnen näher stehen und manchmal die Situation, in der sich die Jugendlichen befinden, besser kennen. Es ist auch inhaltlich ein sinnvoller Antrag. Ich bitte Sie, im Namen der SP-JUSO-PSA-Fraktion, dies zu unterstützen. Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp). Ich habe nur kurz etwas zu sagen. Die glp-cvp-fraktion lehnt den Antrag ab und zwar aus folgendem Grund. «Oder» ist nicht ausschliesslich «oder». «Oder» bedeutet, man kann das eine wählen, man kann das andere wählen oder man kann beides wählen. Es ist gar nicht nötig, explizit ein «sowohl als auch» einzufügen. Damit zieht man sich bloss einen Hemmschuh an und sagt, «sowohl als auch» bedeute, man müsse beide informieren. Aus Gründen der Einfachheit lehnen wir den Antrag ab Präsident. Wünscht die Antragsstellerin das Wort? Sie verzichtet. Der Kommissionspräsident hat das Wort. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP), Präsident der Kommission. Der Antrag wurde in der Kommission diskutiert und mit 5 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt. Ich finde, die Gründe für den Kommissionsbeschluss am besten zusammengefasst hat Frau Grossrätin Franziska Schöni. Sie erklärte sehr gut, dass «oder» hier nicht ausschliesslich in dem Sinne, dass man nur ein einziges Telefonat führen dürfe gemeint sei. Das inhaltliche Anliegen der Antragssteller wird in diesem Sinn erfüllt. Man kann sich fragen wie dies der BDP-Sprecher machte ob der Antrag eine Vereinfachung darstellt. Da stimme ich persönlich eher Franziska Schöni und der glp zu. Denn mit «sowohl als auch» entsteht wieder eine ähnliche Grundproblematik wie wir sie bereits vorhin hatten. In aller Regel soll der Jugendliche auswählen dürfen, wen er anrufen will. Die gesetzliche Vertretung muss informiert werden, diesbezüglich hat Frau Sabina Geissbühler recht. Wenn der Jugendliche aber eine schlechte Beziehung zu seinem gesetzlichen Vertreter und schon längere Zeit ein besseres Verhältnis zu ihm nahe stehenden Personen hat, soll er diese auch anrufen dürfen. Der Grund, der die Kommissionsmehrheit dazu bewogen hat, nicht die Formulierung «sowohl als auch» zu wählen, ist folgender: Man muss immer ein wenig den Ausnahmefall im Blick haben. So kann eine schwierige Jugendliche oder ein schwieriger Jugendlicher nicht plötzlich verlangen, sie oder er wolle fünf oder sechs nahe stehende Personen anrufen. Aber auch hier wird die Praxis Augenmass beweisen und grundsätzlich das «oder» nicht ausschliesslich verstehen; wenn der Jugendliche berechtige Gründe hat. «Sowohl als auch» kreiert einen Rechtsanspruch, der in diesen Fällen in der Praxis Schwierigkeiten verursachen kann. Ich gebe es aber zu: Im Vergleich zum vorherigen Antrag bei dem ich sehr froh bin, dass er abgelehnt wurde sind hier die praktischen Schwierigkeiten allenfalls einfacher handhabbar. Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor. Ich spreche nur ganz kurz, ich glaube, man muss daraus keine grosse Sache machen. Es ging nicht darum, dies verbieten zu wollen, sondern man entschied sich in der Kommissionssitzung nach langer Diskussion für die Fassung, wie sie jetzt in der Vorlage steht. Aber wir können auch mit der Fassung leben, wie sie jetzt diskutiert wurde. Da lasse ich Ihnen volle Freiheit. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Antrags Grüne Dagegen Art Angenommen Titel und Ingress Angenommen. Kein Rückkommen Schlussabstimmung Geschäft 9386 Für Annahme des Gesetzes in Erster und einziger Lesung Dagegen 65 Stimmen 69 Stimmen 1 Enthaltung 129 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Präsident. Ich danke an dieser Stelle dem Kommissionspräsidenten und der Kommission für ihre Arbeit. Wir fahren mit dem nächsten Geschäft weiter. Geschäft Tätigkeitsbericht der Rekurskommission für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern für das Jahr 2010 Stillschweigende Genehmigung Geschäft Bericht Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung Präsident. Herr Grossrat Hadorn hat das Wort als Sprecher der OAK. Er ist nicht anwesend; Herr Grossrat Müller spricht an seiner Stelle. Moritz Müller, Bowil (SVP). Ich vertrete Christian Hadorn für den Bericht zur Untersuchung im Amt für Freiheitsentzug und Betreuung, welchen die OAK prüfte. Anlass des Berichts

267 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 705 waren die dringliche Motion M 312/09 Blank, Geissbühler- Strupler, Ruchti und Struchen «Vorwürfe gegen Witzwil untersuchen» sowie M 335/09 der SP-JUSO-PSA (Ammann, Meiringen) «Hat der Kanton seinen Straf- und Massnahmenvollzug im Griff?». Gegenstand des Untersuchungsauftrags an den unabhängigen Experten, Herrn lic. jur. Andreas Werren, war es, die Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrags, die Sicherheit der Bevölkerung und allfällige Missstände in Witzwil, St. Johannsen oder Thorberg zu untersuchen und aufzudecken. Lassen Sie mich dazu einige Bemerkungen machen. Das Kostendach wurde um 7768 Franken leicht überschritten. Das rührt daher, dass keine Statistik existierte und die Erhebungen, welche durchgeführt werden mussten, zu Mehrkosten führten. Die Resultate des Berichts zeigten Folgendes: In den letzten Jahren wurden markante Entwicklungsschritte eingeleitet und durchgeführt. Grosse Probleme entstehen wegen denkmalgeschützter Gebäude, welche grosse Herausforderungen an die Planung mit sich bringen. Ein sinnvolles Instrument ist das amtsübergreifende Risk Management. Die finanziellen Ressourcen für den Sanktionsvollzug werden weder zu hoch, noch am falschen Ort eingesetzt. Die personellen Ressourcen werden grundsätzlich am richtigen Ort eingesetzt, können aber manchmal nicht ausreichend eingesetzt werden. Zu Führung und Organisation ist Folgendes zu sagen: Die Direktion POM führt und steuert das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung direkt und gut strukturiert. Statistiken wurden keine geführt. Die im Bericht ausgewerteten letzten zehn Jahre ergeben mit 62 von Insassen verübten Delikten eine eher hohe Zahl, auf die Gesamtbeurteilung bezogen macht dies aber prozentual nur 1,3 Prozent aus, was eher tief ist. Die Fehlerquote bei der Einschätzung des Rückfallrisikos liegt mit einer Fehleinschätzung auf zirka 800 Entscheide sehr tief. Betreffend Sicherheitsdienste ergab die Untersuchung, dass in allen Konkordatsstellen die Sicherheitsdienste eher unterdotiert sind. Das eher unterentwickelte Sicherheitssystem in Witzwil wurde rigoros umgestellt und den neusten Normen angepasst. Es ist aber auch auf die kooperierenden Mitarbeiter und das Zusammenspiel mit allen Justizorganen angewiesen. Das Massnahmezentrum St. Johannsen verfügt über sehr hohe fachliche Kompetenz und ist, trotz seiner anspruchsvollen Klientel, über die Kantonsgrenzen hinaus anerkannt. Zu den Empfehlungen des Experten gibt es abschliessend Folgendes zu sagen: Hundertprozentige Sicherheit gibt es auch im Sanktionsvollzug nicht. Das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung bewegt sich statistisch gesehen zumeist nahe an den absoluten Werten. Zu den einzelnen Anstalten: In Thorberg wurden fünf Sicherheitsleute für eine neue Therapieabteilung und in St. Johannsen 0,5 Stellenprozente gesprochen. Für die Anstalt Witzwil beschloss der Regierungsrat am einen Kredit von 2,3 Mio. Franken für bauliche Sicherheitsmassnahmen, Kameras und eine bessere Umzäunung. Die OAK nahm den Bericht genau unter die Lupe und klärte die Fragen mit Herrn Regierungsrat Käser und dem Amtschef des Amts für Freiheitsentzug und Betreuung. Deshalb empfiehlt Ihnen die OAK, den Bericht zur Kenntnis zu nahmen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Sie bemerkten es: Es ist schwierig, so kurzfristig einen Bericht zu übernehmen und ihn zu vermitteln. Präsident. Herzlichen Dank, ich glaube die Botschaft ist dennoch angekommen. Es haben sich bereits Einzelsprecher gemeldet. Ich möchte aber zuerst fragen gibt es Fraktionssprecherinnen oder -sprecher? Das ist nicht der Fall. Dann hat der erste Einzelsprecher, Herr Grossrat Burkhalter, das Wort und anschliessend Frau Grossrätin Geissbühler. Matthias Burkhalter, Rümligen (SP). Ich las den Bericht mit Interesse aus personalpolitischer Sicht und anerkenne, dass auf gewisse Unzulänglichkeiten offen hingewiesen wird. Ob der Regierungsrat aber effektiv die Absicht hegt, die Mängel zu beheben, ist mir noch sehr unklar. Ich gehe auf zwei Punkte ein. Zuerst sage ich etwas zum Personalbestand. Mit Interesse las ich auf Seite sechs, der Personalbestand der Sicherheitsdienste in allen vier Konkordatsanstalten sei eher zu tief. Auf Seite elf wird nachgedoppelt, dort steht explizit: «Problematisch ist aus der Sicht des Regierungsrats insbesondere, dass im einzelnen Einrichtungen des Amtes FB, zum Beispiel der Nachtdienst an Wochenenden, nach wie vor nicht genügend besetzt ist oder dass Gefangenentransporte in der Regel nach wie vor nur durch eine Person durchgeführt werden». Auch weitere Mankos werden an anderen Stellen explizit erwähnt. Als Reaktion wurden aber nur zehn Stellen in Thorberg und eine halbe in St. Johannsen geschaffen. In Hindelbank und Huttwil wird der zu tiefe Stellenbestand offensichtlich nicht oder noch nicht aufgestockt. Das verlangt eigentlich eine Erklärung. Ich möchte von Herrn Regierungsrat Käser dazu eine Antwort hören. Immerhin steht in den Schlussfolgerungen des Berichts: «Im personellen Bereich besteht trotz erster Massnahmen noch Nachholbedarf bei den Sicherheitsdiensten und in der medizinischen und therapeutischen Versorgung». In Zeiten von anstehenden Sparpaketen wird es wohl nicht einfach werden, berechtigte und sinnvolle Verbesserungen durchzuführen. Die Steuersenker haben uns auch in diesem Bereich einen Bärendienst erwiesen. Noch ein Wort zu den Anstalten Witzwil, die auch explizit erwähnt werden. Im Bericht steht: «Es ist aber auch richtig, dass einige Mitarbeitende Mühe mit den durchgeführten Veränderungen hatten, sei es inhaltlich, sei es wegen dem Tempo oder der Methodik und es deswegen zu Unstimmigkeiten mit der Anstaltsleitung gekommen war und diese Unstimmigkeiten auch nach aussen getragen wurden». Auf gut Deutsch könnte man auch sagen, das Projekt sei «top down» und nicht «bottom up» umgesetzt worden. Aus lauter Lust an der Projektumsetzung wurde das Personal zu wenig einbezogen und teilweise überfahren. Es gab zum Teil «Räbu». Das führte dazu, dass einige gute Leute kündigten. Dies ist leider eine Tatsache. Anerkennenswert ist aber allerdings, dass der Polizeidirektor im Prinzip bereit war, zu intervenieren oder die Leute anzuhören. Auch der Amtsleiter hatte immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen. Anerkennenswert ist auch, dass die Reorganisation «nach einer Zeit der Konsolidierung» überprüft werden soll und auch, ob «das Commitment der Mitarbeitenden zu den Neuausrichtung von Witzwil gegeben ist». Das wird schon gut herauskommen, denn diejenigen, die reklamierten und nicht zufrieden waren, sind ja inzwischen gegangen. Ob das neue Schichtmodell, welches die fixe Zuteilung von Tag- und Nachtschichten durch ein flexibles Dreischichtenmodell ersetzt, besser ist, wird sich zeigen. Das betroffene Personal wollte es auf jeden Fall nicht und lehnte es grossmehrheitlich ab. Ich danke für die Ausführung des Berichts und bin überzeugt, dass noch einige Nachbesserungen nötig sind. Und wie gesagt, ich möchte noch gerne hören, was Herr Regierungsrat Käser wegen der Personalknappheit zu unternehmen gedenkt. Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP). Als Mit-Auslöserin des umfangreichen Berichts fühlte ich mich natürlich verpflichtet, ihn genau zu studieren. Ich muss sagen, in kurzer Zeit ist sehr viel geschehen, was die Sicherheit anbelangt. Sicherheitsprobleme wurden erkannt und man ist daran, sie zu beheben. Das ist einmal das Erfreuliche. Ein Fragezeichen setzte ich bezüglich der Mitarbeitenden in

268 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär Witzwil. Im Bericht steht, sie hätten Mühe mit den Veränderungen und der neuen Kultur. Ich stellte die Arbeitsagogik in Frage und denke, das könnte ein Auslöser sein. Ich bin ein wenig enttäuscht, dass die versprochene Evaluation der Universität Fribourg betreffend Kosten und Nutzen der Arbeitsagogik nicht im Bericht enthalten ist. ich hörte, der Bericht würde existieren und ich wäre froh, wenn er möglichst schnell auch publik gemacht würde. Eine andere Frage stellt sich noch betreffend der Arbeitsbedingungen der Leute in Witzwil. Haben sie wirklich Gehör erhalten und wie geht das nun weiter? Ebenso möchte ich wissen, ob die kulturelle Veränderung mit der Arbeitsagogik zu tun hat und ob der Bericht bald publik gemacht wird. Präsident. Ich stelle fest, das Wort wird nicht mehr verlangt. Pardon, Herr Regierungsrat Käser möchte sich noch äussern. Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor. Ich weiss, dass wir ein wenig unter Zeitdruck stehen, aber das muss jetzt noch drin liegen. Mehrere Fragen wurden gestellt. Ich möchte Ihnen für die insgesamt wohlwollende Aufnahme danken. Für uns war es wertvoll, gestützt auf die beiden Vorstösse, einen externen Expertenbericht anfertigen zu lassen. Denn er zeigte auf, wo Schwachstellen und Probleme bestehen und wie wir sie optimieren können. Wir haben nicht den Eindruck, fehlerfrei zu sein. Auf Seite 14 und 15 des Vortrags werden die Schlussfolgerungen der Regierung aufgeführt. Es ist mir sehr wichtig, dass der Straf- und Massnahmenvollzug im Kanton Bern dem gesetzlichen Auftrag entspricht und ein hohes Niveau aufweist. Das wird ihm in diesem Bericht attestiert. Ebenso ist die Sicherheit gewährleistet. Es existiert aber keine 100-prozentige Garantie, dass nie etwas geschehen wird. Auch das kam im Bericht zum Ausdruck. Selbstverständlich tauchten auch Fragezeichen auf. Zuerst möchte ich etwas zum personellen Bereich sagen. Die Votantin und der Votant wiesen ja beide darauf hin. Ich muss Ihnen nicht erzählen, dass der Mensch, wenn er in einem System arbeitet und sich in seinem Trott befindet, immer skeptisch ist, wenn das System verändert werden soll. Wenn Änderungen im Raum stehen, sind alle Leute zunächst einmal vorsichtig und schauen, was kommt. Wir wussten, dass nach der sehr langen Ära des vorherigen Direktors in Witzwil zuerst einmal eine Projektorganisation auf die Beine gestellt werden musste, die eine Neuausrichtung beinhaltet. Und ich muss mich in aller Form gegen den Eindruck verwahren, das Projekt sei «top down» durchgeführt worden. Selbstverständlich wurde es geführt, aber für die Mitarbeitenden bestanden zu jeder Zeit, systematisch und geplant, Mitsprachemöglichkeiten. Es stimmt, dass mehrere Mitarbeiter sich entschieden, Witzwil zu verlassen. Auf den Gesamtbestand bezogen aber sind es noch immer nur einzelne Mitarbeiter. Aber Personalknappheit herrscht nicht deswegen. Das Projekt befindet sich auf Kurs und wird umgesetzt. Der Direktor von Witzwil ist sich bewusst, dass nun eine Konsolidierungsphase nötig ist. Alles muss sich einspielen und die neue Organisation und die entsprechenden Strukturen müssen greifen können. Wir sind sehr zuversichtlich, dem werde Rechnung getragen und es werde so funktionieren. Die kulturellen Veränderungen, welche Frau Grossrätin Geissbühler angesprochen hatte, habe ich damit nun erläutert. Die andere Frage war, ob das etwas mit der Arbeitsagogik zu tun habe. Die Arbeitsagogik ist sehr wichtig für Witzwil. Mit einem gewissen Stolz bezeichnen wir Witzwil als Zentrum der Arbeitsagogik im Strafvollzug. Den Menschen im Strafvollzug während ihrem Aufenthalt in der Anstalt die Gelegenheit zu geben, durch ihre Arbeit bessere Qualifikationen erlangen zu können und somit auch profitieren zu können, ist wahrscheinlich nicht falsch. Wen sie entlassen werden, sollen sie eine Chance haben, sich wieder einzugliedern und die meisten kommen wieder raus. Heutzutage ist dies im Strafvollzug weitgehend anerkannt. Auch muss dies als Neuerung zuerst Fuss fassen können. Wir sind aber überzeugt, mit der Eintrittsabteilung, in der alle neu eintretenden Gefangenen zuerst «gescreent» werden und man versucht, sie ihren Schwächen und Stärken entsprechend einsetzen zu können, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Arbeitsagogik der zentrale Grund für die einzelnen Abgänge in Witzwil sein könnte. Nun komme ich auf die Frage von Herrn Grossrat Burkhalter betreffend Personalknappheit und personeller Situation zu sprechen. Ich muss es Ihnen noch einmal sagen: Der Strafund Massnahmenvollzug besitzt keine Lobby auch nicht in der Öffentlichkeit. Für die Bürgerinnen und Bürger sind Gefängnisse und Anstalten ein notwendiges Übel, mit denen sie lieber nichts zu tun haben. Ob der Straf- und Massnahmenvollzug im Parlament eine Lobby hat, werden wir dann bei den Budgetberatungen merken. Jedes Mal wenn wir äussern, wir benötigten zusätzliches Personal, muss ich bereits in der Regierung kämpfen. Auch sie hat nicht eitel Freude an den Kosten, welche dadurch entstehen. Und ich bestätige es ausdrücklich: Nach wie vor besteht in unserem Transportdienst keine Doppelbesetzung. Wir transportieren mit unseren Transportfahrzeugen den Vans, in welche Zellen eingebaut sind Gefangene von A nach B. Dies geschieht mit einem Mann also dem Chauffeur. Wenn diesem unterwegs etwas geschieht, befindet sich in seinem Van ein eingesperrter Gefangener. Dass dies ist nicht optimal ist, predigen wir seit Jahren. Eine Doppelbesetzung aber verlangt zusätzliches Personal, und das kostet Geld. Und wir können das Personal nicht ohne weiteres innerhalb der POM einsparen. Das ist also ganz klar ein Thema. Wir sind aber zuversichtlich, die Bedürfnisse, welche sich aus dem Bericht Werren ergaben, zu einem sehr grossen Teil im Budget welches Sie hier intensiv beraten werden eingebracht zu haben. Die Regierung hatte dafür Verständnis. Die Schlussfolgerungen der Regierung im Vortrag sind nicht einfach Lippenbekenntnisse. Sie werden auch getragen und darüber bin ich sehr glücklich. Denn für die Sicherheit in diesem Kanton spielt das eine wesentlich Rolle. Ich danke Ihnen für die Kenntnisnahme dieses Berichts. Präsident. Nachdem der Bericht diskutiert wurde und wir auch von den Äusserungen des Regierungsrats gehört haben, kann ich das Geschäft verabschieden. Der Rat hat damit vom Bericht Kenntnis genommen. Geschäft Lotteriefonds: Genehmigung der Jahresrechnung 2010 Beilage Nr. 13, 0417/2011 Präsident. Der Sprecher der FIKO, Herr Grossrat Löffel, verzichtet auf das Wort. Gibt es Wortmeldungen zum Geschäft? Das ist nicht der Fall. Somit können wir darüber abstimmen. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 110 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen

269 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 707 Geschäft Sportfonds: Genehmigung der Jahresrechnung 2010 Beilage Nr. 13, 0418/2011 Präsident. Auch hier gibt es keine Wortmeldungen und wir können über das Geschäft abstimmen. Abstimmung Geschäft Für Genehmigung des Kreditgeschäfts Dagegen 114 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Geschäft /10 Motion Müller, Bern (FDP) Praxisnahe Handhabung der Videoüberwachung Wortlaut der Motion vom 29. November 2010 Der Regierungsrat schafft die gesetzlichen Grundlagen, dass die «zuständige Behörde» gemäss Artikel 51, 51a und 51f Polizeigesetz und gemäss Videoverordnung die Exekutive oder eine Delegation der Exekutive ist. Begründung: Im September 2008 hat der Grosse Rat die Bestimmungen zur Videoüberwachung ins Polizeigesetz eingefügt; der Regierungsrat hat daraufhin die Videoverordnung erlassen. Die «zuständige Behörde» in den Gemeinden stellt das Gesuch an die KAPO ordnet den Einsatz an trifft die technischen Anordnungen für den Schutz von Personendaten vor unbefugtem Zugriff kann Echtzeitüberwachung durchführen kann Bildaufzeichnungen sichten etc. Wer diese «zuständige Behörde» ist, hat der Grosse Rat nicht definiert. Verschiedene Votanten in der grossrätlichen Beratung haben indes von der «Exekutive» resp. vom «Gemeinderat» gesprochen. Offenbar ging man allgemein davon aus, dass der Gemeinderat oder eine Delegation desselben (z. B. das zuständige Mitglied) die «zuständige Behörde» sei. Zu Recht, denn anders lassen sich die genannten Aufgaben sinnvollerweise gar nicht bewältigen. Dies soll nun sichergestellt werden; daher wird auch die Gemeindeautonomie dadurch nicht berührt. (Weitere Unterschriften: 19) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 13. April 2011 Die gesetzlichen Bestimmungen zur dissuasiven Videoüberwachung sind am 1. Juli 2009 in Kraft getreten. Sie finden sich in den Artikeln 51a bis 51f des Polizeigesetzes vom 8. Juni 1997 (PolG; BSG 551.1) und der Videoverordnung vom 29. April 2009 (VidV; BSG ). Demnach können die Gemeinden die Videoüberwachung einsetzen zur Verhinderung und Ahndung von Straftaten an öffentlichen Orten (Art. 51a PolG) und zum Schutz der kommunalen Gebäude und deren Benutzerinnen und Benutzer (Art. 51b Abs. 1 und 3). Es trifft zu, dass weder das Polizeigesetz noch die Videoverordnung vorschreiben, welches Organ oder welche Verwaltungsstelle der Gemeinden für den Videoüberwachungseinsatz zuständig ist. Die Gemeinden haben ihre Zuständigkeiten somit selbst zu regeln. Dieser Grundsatz war weder im Vernehmlassungsverfahren, in der vorberatenden Kommission des Grossen Rates noch in der Debatte im Grossen Rat selbst umstritten. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) hatte den Gemeinden mit der BSIG Mitteilung Nr. 5/551.1/9.1 vom 24. April 2009 aufgezeigt, inwieweit für sie noch Regelungsbedarf besteht. Hauptpunkt stellte die Frage der Zuständigkeitsregelung dar. Art. 109 Abs. 1 der Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1) garantiert die Gemeindeautonomie. Das kantonale Recht gewährt den Gemeinden einen möglichst weiten Handlungsspielraum (Art. 109 Abs. 2 KV). Diese Grundsätze werden in Art. 3 des Gemeindegesetzes vom 16. März 1998 (GG; BSG ) wiederholt. Die Gemeindeautonomie umfasst das Recht der Gemeinde zur Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung. Vereinzelt sieht das kantonale Recht vor, dass der Gemeinderat eine bestimmte Materie direkt durch Verordnung regelt, so beispielsweise Zuständigkeiten im Zusammenhang mit zweckbestimmten Zuwendungen Dritter (vgl. Art. 92 Abs. 2 der Gemeindeverordnung vom 16. Dezember 1998 [GV; BSG ]; Ueli Friederich in: Markus Müller/Reto Feller, Bernisches Verwaltungsrecht, 2008, 4. Kapitel Rz. 113). Der Regierungsrat geht mit dem Motionär überein, dass die Anordnung der Videoüberwachung grundsätzlich eine klassische Aufgabe der Exekutive ist. Auch einzelne Votantinnen und Votanten im Grossen Rat haben die Zuständigkeit für die Videoüberwachung bei der Exekutive geortet. 1 Diejenigen Gemeinden, die zum heutigen Zeitpunkt Videoüberwachungen betreiben oder bei der Kantonspolizei um Zustimmung zur Videoüberwachung ersucht haben, haben die Zuständigkeiten denn auch in diesem Sinne festgelegt. Einen anderen Weg hat die Stadt Bern eingeschlagen: Sie hat den Grundsatzentscheid, ob, wo und wann Videoüberwachungen gemäss Art. 51a und 51b PolG durchgeführt werden sollen, dem Stadtrat, mithin der Legislative zugeschrieben. 2 Die Stadt Bern ist damit von ihrer eigenen Gemeindeordnung abgewichen, gemäss welcher der Gemeinderat die Ziele und Mittel des öffentlichen Handelns bestimmt. 3 Die Videoüberwachung wird in der Stadt Bern offenbar sehr kontrovers diskutiert, sodass das städtische Parlament letztlich selbst über allfällige Videoüberwachungseinsätze befinden wollte. Die Exekutive bleibt gemäss Videoreglement der Stadt Bern jedenfalls zuständig für die weiteren Aufgaben, die mit der Anordnung der Videoüberwachung entstehen (Informationspflichten, Erstellen eines Evaluationsberichts, Gewährleistung des Datenschutzes, etc.). Damit dürfte ein ordnungsgemässer Videoüberwachungseinsatz letztendlich gewährleistet bleiben. Auch wenn für den Regierungsrat mit Blick auf die grundsätzliche Kompetenzaufteilung unter den Staatsgewalten vieles dafür spricht, dass der Einsatzbeschluss für die Videoüberwachung bei der Exekutive liegen sollte, rechtfertigt es sich seines Erachtens nicht, hier in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Er beantragt deshalb, die Motion abzulehnen. Antrag: Ablehnung. Präsident. Der Motionär hat das Wort. Philippe Müller, Bern (FDP). Worum geht es bei diesem Vorstoss? Es geht um Sicherheit und nicht um Gemeindeautonomie. Interessant ist Folgendes: In seiner Antwort gibt mir der Regierungsrat auf rund einer Seite an sich recht, bringt 1 Tagblatt des Grossen Rates vom 4. September 2008, S vgl. Art. 2 Abs. 1 des Reglements vom 4. November 2010 über die Videoüberwachung auf öffentlichem Grund sowie zum Schutz öffentlicher Gebäude (Videoreglement; VR) 3 vgl. Art. 86 und 94 Abs. 1 der Gemeindeordnung der Stadt Bern vom 3. Dezember 1998 (GO; SSSB 101.1)

270 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär dann in den letzten vier Zeilen das Argument der Gemeindeautonomie ein und lehnt deshalb den Vorstoss ab. Was ist geschehen? Der Grosse Rat änderte vor zwei Jahren das Polizeigesetz und ermöglichte die Videoüberwachung. Das war richtig und gut. Wieso machte er das? Er tat es, weil ein Bedürfnis nach Videoüberwachung besteht. Wo, in welchen Gemeinden, existiert das Bedürfnis? Besteht das Bedürfnis in Rüti bei Büren, weil es dort so viele Überfälle gibt, oder in Krattigen, weil dort so viel überwacht werden muss? Braucht es eine Kamera in Schangnau, Tavannes, Lotzwil, oder Guttannen? Nein, wir brauchen sie vor allem in Bern. In Bern gibt es die meisten Überfälle. Das können Sie beinahe täglich in den Zeitungen lesen. Was machte nun Bern? Der Gemeinderat unterstützte die Videoüberwachung. Der Stadtrat mit rot-grüner Mehrheit merkte, dass er nicht dagegen sein kann, weil das Volk es will. Das Volk stimmte letztes Jahr auch einer Verstärkung der Polizeipräsenz zu. Also wurde gegen aussen hin vertreten, man sei für die Videoüberwachung. Gleichzeitig aber bauten ein paar Schlaumeier im Stadtrat einen Passus ein, welcher besagt, der Standort, die Höhe und der Einstellwinkel jeder einzelnen Kamera könne nicht etwa durch den Gemeinderat gemeinsam mit der Polizei, sondern müsse durch das Stadtparlament bestimmt werden. Das ist jetzt der springende Punkt. Der Stadtrat ist ein 80-köpfiges Gremium. Sie werden sich fragen, wie das möglich sei, mit 80 Leuten unter den Lauben die Höhe und den Einstellwinkel einer Kamera zu bestimmen. Selbstverständlich funktioniert das nicht. Es geschah auch nichts. Diese Regelung wurde vor beinahe einem Jahr ein in Bern eingeführt es gab seither keine einzige Kamera. Der Stadtrat lacht sich «ä Schranz i Buuch». Darum geht es in diesem Vorstoss. Die Kameradetails sollen durch die Exekutive und die Verwaltung gemeinsam mit der Polizei bestimmt werden. Um nichts anderes geht es hier. Der Gemeinde Bern und jeder anderen Gemeinde bleibt es auch bei Überweisung der Motion völlig überlassen, zu entscheiden, ob sie Videokameras einführen will oder nicht. Ich hörte bereits die Kritik, es sei wieder so ein Vorstoss, der nur die Gemeinde Bern betreffen würde. Das stimmt, es betrifft nur die Gemeinde Bern. Eine andere Frage ist aber, ob es nur die Einwohner der Gemeinde Bern betrifft oder vielleicht ihre Besucher so wie Sie, die ab und zu nach Bern kommen. Denn ich muss Ihnen dazu Folgendes sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie hier im Saal einmal davon betroffen sein könnten und dann froh sind, dass es die Kameras gibt, ist wesentlich höher, als dass Sie hier alle zusammen froh sind, dass wir dem Lebensmittelinspektor im Obersimmental eine halbe Stelle gekürzt haben. Noch etwas kommt hinzu. Der Grosse Rat als Gesetzgeber machte in anderen Bereichen zum Beispiel im Schulbereich den Gemeinden auch Vorschriften über die Zuständigkeiten. Er bestimmte, wofür der Gemeinderat und wofür die Schulkommissionen zuständig seien. Das betrifft dann jede Gemeinde nicht nur Bern. Trotzdem werden wir nun natürlich hören, wie schlimm das sei und wie die Gemeindeautonomie angeblich davon betroffen sei dies vor allem von denjenigen, die der Videoüberwachung gegenüber sowieso kritisch eingestellt sind. Sie liebe Grossräte haben das Polizeigesetz nicht geändert, um eine Spielweise für akademische Diskussionen über die Gemeindeautonomie zu bieten. Eines kann ich Ihnen auch sagen. Die Frage der Gemeindeautonomie interessiert in Bern nicht wirklich stark. Wäre von Beginn weg geregelt worden, der Exekutive diese Kompetenz zu geben, hätte es überhaupt niemanden interessiert. Es geht hier um Sicherheit und dafür ist primär der Kanton mit der Kantonspolizei zuständig. Der Vorstoss hilft der Polizei und unterstützt sie in ihrer Arbeit. Wird die Motion abgelehnt, besteht bezüglich Videoüberwachung genau dort ein weisser Fleck, wo sie am nötigsten wäre. So würde der Hauptzweck des Gesetzes verfehlt. Der Grosse Rat erliess das Gesetz ja nicht für die Galerie. Deshalb geht es hier auch ein wenig um Redlichkeit. Wer keine Videoüberwachung will, soll es ehrlich sagen. Das ist kein Problem dann wird sie in einer Gemeinde nicht eingeführt. Es ist aber nicht in Ordnung, gegen aussen zu sagen, man sei dafür und sie dann mit einem Trick zu verhindern, der von aussen von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern nicht gesehen wird. Dadurch wird der Zweck des Gesetzes, das der Grosse Rat erlassen hat, unterlaufen. Der Grosse Rat ist dafür zuständig, also tun Sie es bitte auch. Dave von Kaenel, Villeret (PLR). Nous avons ici affaire en réalité à un problème de sécurité publique. Lorsque le Grand Conseil en septembre 2008 a introduit les dispositions sur la vidéosurveillance dans la loi sur la police, celui-ci partait du principe que l autorité compétente était de fait l exécutif communal. Or, il n en est rien: dans une commune réticente quant à l application de l ordonnance du 29 avril 2009, la ville de Berne, un artifice a été trouvé, bien qu il semble que l exécutif soit officiellement pour la vidéosurveillance, la mise en application a été déléguée au Conseil de Ville, ce qui bloque tout le processus depuis quelques années. Cette manière de faire provoque actuellement un trou de sécurité dans l agglomération bernoise. Et, au vu de l importance des diverses activités sensibles ayant eu lieu, telles que manifestations sportives avec leurs débordements récurrents et répétés, nombre de manifestations non-autorisées, etc., cet état de fait n est plus acceptable pour le groupe PLR. Quant au soi-disant problème d ingérence dans l autonomie communale en cas d acceptation de cette motion invoquée par le gouvernement, il convient de préciser qu en fait celle-ci n est pas du tout entamée. En finalité, la commune garde en main la décision finale d appliquer ou non les dispositions de la vidéosurveillance, avec l avantage de clarifier et de fixer, une fois pour toutes, les mêmes règles de compétences pour toutes les communes. C est pourquoi, au vu des arguments présentés ci-dessus, le groupe PLR vous propose d adopter cette motion. Samuel Leuenberger, Trubschachen (BDP). Nennen wir das Kind beim Namen: Der Motionär will wieder einmal mit einer Änderung des kantonalen Rechts ein Problem in der Stadt Bern lösen. In der Regel kommt das nicht wahnsinnig gut an, wurde aber bereits des Öfteren versucht. Trotzdem handelt es sich um eine Unsitte. Im vorliegenden Falle lohnt sich aber eine differenzierte Betrachtung. Als wir im Grossen Rat die Gesetzesänderungen zur Videoüberwachung berieten, dachten wir wohl nicht primär an Burgistein oder Trub, sondern vor allem an die Städte im Kanton Bern, insbesondere an die Stadt Bern. Es ist der Wille des Gesetzgebers durch die Videoüberwachung mehr Sicherheit im ganzen Kanton Bern zu erwirken. Es ist auch der Wille des Gesetzgebers, im ganzen Kanton sicherheitsrelevante Gebiete zu überwachen. Dazu gehören insbesondere auch Gebiete in der Stadt Bern. Bern ist nun einmal die grösste Stadt im Kanton, Hauptstadt und gleichzeitig Bundeshauptstadt. Zu einer solchen Stadt gehören auch Kriminalität und Sachbeschädigungen. Bern hat eine enorme Ausstrahlung auf den ganzen Kanton. In der Diskussion um Mühleberg hörten wir, wie wichtig die Hauptstadtregion für den ganzen Kanton sei. Deshalb wirken sich Sicherheit und das Sicherheitsempfinden in der Stadt Bern auf das Sicherheitsempfinden und Image des ganzen Kantons Bern aus. Die rot-grüne Stadtregierung und das Parlament entdeckten nun aber ein «Super-Trickli», damit die Videoüberwachung wie sie vom Grossen Rat beschlossen wurde nicht, oder nicht effizient genug, eingesetzt werden

271 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 709 kann. Das Parlament soll jeweils darüber befinden, wo und wie die Kameras aufgestellt werden. Es wäre etwa dasselbe, wenn wir im Grossen Rat die örtliche Lage der Radarfallen im Kanton Bern bestimmen würden. Dann würden mit Sicherheit keine Radarfallen aufgestellt und die Idee der Geschwindigkeitsmessungen könnte somit vereitelt werden. Mit der Motion soll nun sicher gestellt werden, dass die Exekutive der Gemeinden insbesondere der Stadt Bern die Verantwortung für die Sicherheit auf dem Gemeindegebiet wahrnimmt. Bei den Einbürgerungen verwiesen wir richtigerweise den Einbürgerungsentscheid ebenfalls an die Exekutive mit dem hauptsächlichen Argument, entscheidend zu politisieren. Das gleiche gilt nun auch für die Überwachung, die im Sicherheitsinteresse des ganzen Kantons Bern ist. So oder so: Im Sinne einer nützlichen Videoüberwachung, der Sicherheit der Stadt Bern und somit im Sinne des Ansehens der Hauptstadtregion und des ganzen Kantons empfiehlt Ihnen meine Fraktion die Annahme des Vorstosses. Barbara Mühlheim, Bern (Grüne). Für die Grünen geht es bei dieser Motion um eine grundsätzliche Frage. Wir sind überzeugt, dass ein Kantonsparlament nur dort die Gemeindeautonomie einschränken sollte, wo es unabdingbar ist und darum geht, eine Rechtsgleichheit herzustellen. Der Kollege vorhin sprach von den Einbürgerungen. Dort ging es darum, dass unabhängig, ob in Trubschachen oder Bern nach den gleichen Rechten und Pflichten eingebürgert wird. Unabhängig von der Fragestellung soll die Autonomie aber sicher nicht dort eingeschränkt werden, wo die Rechtssicherheit nicht oberstes Gut ist und wo es nicht wichtig ist, dass in Gemeinden im Kanton Bern auf dieselbe Art und Weise regiert wird. Die Sicherheitsfrage ist per Definition immer noch eine Frage der Gemeinden. Dies wird in der kantonalen Verfassung klar definiert. Jede Gemeinde ist gehalten, selbst ihr Sicherheitsdispositiv zu definieren und umzusetzen. Ob die Art und Weise wie es in diesem Fall die Stadt Bern mit dem Reglement gelöst hatte die sinnvollste sei, ist auch für einen Teil der Grünen mit gewissen Fragezeichen verbunden. Das berechtigt aber noch nicht dazu, die Motion als sinnvoll zu erklären, da die Autonomie viel wichtiger ist. Und es ist ja auch nicht so wie hier oftmals beschwört wurde, dass mit dem neuen Reglement in der Stadt Bern überhaupt keine Sicherheit herrscht. Bis jetzt wurde nirgends definiert, ob die Art und Weise, wie das Parlament die Sicherheit mit dem Videoreglement ausgestaltete, nicht auch attraktiv sei. Viel wichtiger ist was hier im Rat auch immer wieder ein Heiligtum ist dass ein Parlament, oder diejenigen, welche in einer Gemeinde legiferieren, grossmehrheitlich hinter einem Reglement stehen. Dies unabhängig davon, was wir hier denken. Aus diesen zentralen Gründen werden die Grünen die Motion ablehnen; egal, ob es nun um Videofragen oder anderes geht. Denn es ist nicht an uns, solche zusätzliche und einschränkende Bedingung zu schaffen. Ich bitte Sie aus grundsätzlichen Überlegungen und weil es das nächste Mal auch Sie betreffen könnte die Motion abzulehnen. Sie ist nicht notwendig und dem Kanton Bern gebührt nicht, so stark und operativ in die Gemeindeautonomie einzugreifen. Markus Meyer, Roggwil (SP). Ich war damals Präsident der Kommission, welche das Geschäft Videogesetz vorbereitete. Tatsächlich ist es so: Wir gingen damals in der Kommission und auch hier im Rat davon aus, es handle sich um exekutive Aufgaben, wie es Philip Müller hier beschreibt. Es trifft aber auch zu, dass weder das Polizeigesetz noch die Videoverordnung dies klar vorschreiben. Wenn die Stadt Bern den Spielraum nutzt und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften handelt, müssen wir es hier einfach zur Kenntnis nehmen. Wenn man dann wie Philippe Müller sagt die Stadt Bern habe einen faulen Trick angewendet oder wie das Herr von Kaenel machte sogar von einem «trou de sécurité» spricht, muss ich mich schon fragen, ob der bernische Stadtrat, der von einer Mehrheit der Stadt Berner gewählt wurde, wirklich derart verantwortungslos ist. Ich denke, das ist nicht der Fall. Er hat sich für diese Regelung entschieden. Ich wäre gerne bereit, diese Regelung bei einer Anpassung des Polizeigesetzes nochmals zu diskutieren. Aber nun hier ganz bewusst nur weil man im Stadtrat mit seiner Haltung unterlag, den Grossen Rat zu missbrauchen, um dort zu übersteuern, das halte ich für einen faulen Trick. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist auch nicht das erste Mal, das so etwas geschieht. Es traf die Gemeinden bereits einige Male. Ich kann mich noch an die Situation erinnern, als der Freisinn zusammen mit der SVP die Billettsteuer abschaffte. Das einzige Mittel, über welches wir heute verfügen könnten, um die Sportvereine zu disziplinieren und im Bereich der Grosseinsätze Kosten zu überwälzen, wurde damals abgeschafft. Das war genau dasselbe und es traf uns Gemeinden gerade auch meine eigene. Ich bitte die Stadtberner, die Stadtpolitik im Stadtrat zu machen und sich hier um kantonale Fragen zu kümmern. Vor diesem Hintergrund macht Ihnen die SP beliebt, diesen Vorstoss abzulehnen. Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV). Le groupe évangélique s est aussi posé la question de savoir pourquoi cette discussion avait lieu au parlement cantonal. C est une affaire purement berno-bernoise de la ville, s entend. Nous avons retenu ici qu il s agit d une compétence communale, les communes étant appelées elles-mêmes à attribuer les compétences. Cela n a jamais été contesté dans la commission, nous l avons entendu ce matin, cela n a jamais été contesté non plus au parlement lors de la préparation de la loi. Donc nous ne voulons pas nous ingérer dans l autonomie communale et nous proposons de rejeter cette motion qui nous paraît inutile. Moritz Müller, Bowil (SVP). Wir geben es auch zu: Die Motion betrifft vor allem die Stadt Bern, aber auch die Sicherheit unserer Hauptstadt. Wir von der SVP können die Beweggründe des Motionärs klar nachvollziehen und sehen auch die aktuellen Probleme. Wir sind auch immer für mehr Sicherheit und für eine grössere Unterstützung der Polizei im Kanton Bern und auch in der Stadt Bern. Bern ist unsere Hauptstadt und liegt nun einmal in unserem Kanton. Darüber sind wir froh. Aus diesen Gründen wird die SVP grossmehrheitlich der Motion zustimmen. Präsident. Frau Grossrätin Wasserfallen hat nun das Wort. Gibt es noch weitere Wortmeldungen aus dem Rat? Nein, damit ist nach Frau Wasserfallen die Rednerliste bereits geschlossen. Flavia Wasserfallen, Hinterkappelen (SP). Ich bin für einen massvollen Einsatz von Videokameras und befürwortete auch, dass der Stadtrat in der Stadt Bern das Videoreglement verabschiedete. Dennoch muss ich hier Folgendes sagen: Demokratiepolitisch halte ich es für einen sehr schlechten Stil, nach einer Niederlage im Stadtrat an dieses Parlament zu gelangen wo die politischen Mehrheiten anders gelagert sind, um den Entscheid wieder zu wenden. Dann wird uns auch noch verkauft, im Vorstoss ginge es um «für oder gegen Sicherheit» und «für oder gegen Videokameras». Es ist doch davon auszugehen, dass derselbe Stadtrat, der ein Videoreglement verabschiedete, welches den Einsatz von Videokameras vorsieht, dann auch einzelnen Standorten zustimmen würde. Es ist doch absurd anzunehmen, der Stadtrat würde über Winkel, Höhe und genaue Platzierung entscheiden. Der

272 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär Stadtrat betrachtete es als politischen und nicht operativen Entscheid, über die Standorte zu bestimmen. Die Bestimmung der genauen Ausführung, der Höhe und des Winkels liegt nicht in der Kompetenz des Stadtrats. Er wollte über den Standort mitentscheiden. Dies als Trick oder Schlaumeierei zu bezeichnen, finde ich ziemlich bedenklich. Das sollte doch als politischer Entscheid akzeptiert werden können. Ich möchte noch ein anderes Argument ins Feld führen. Es könnte auch dazu führen, den Entscheid, welcher der Stadtrat fällte, als sinnvoll zu erachten. Der Stadtrat hat grundsätzlich eine kritische Haltung und möchte nicht überall an jeder Ecke eine Kamera installieren. Das ist bekannt. Beispielsweise plant nun der Gemeinderat eine Kamera, arbeitet dazu eine Vorlage aus und investiert bereits Kosten. Wenn nun im Stadtrat die Kreditvorlage vorgelegt wird, lehnt der Stadtrat sie allenfalls ab. Bezieht man ihn allerdings bereits vorzeitig und bevor die Planung beginnt bei der Standortfrage ein, kann davon ausgegangen werden, auch über Unterstützung zu verfügen, wenn es darum geht, Geld zu sprechen. Es ist also ein finanzpolitisches Argument, welches klar dafür spricht. Es ist sicher der effizientere Weg. Gemeindeautonomie ist ein Begriff, der je nachdem, ob der Entscheid, der sie betrifft im eigenen Sinn ist oder nicht auf die eine oder die andere Art interpretiert wird. Darauf möchte ich nicht näher eingehen. Natürlich hätte ich befürwortet, wenn Alt- Stadtrat Philippe Müller wenn ihm der Entscheid im Stadtrat schon nicht passte mit seiner Partei das Referendum ergriffen hätte, besonders wenn er davon ausgeht, dieser Entscheid des Stadtrats sei der Todesstoss für jegliche Kameras in der Stadt Bern. Ich möchte Sie also bitten, den Vorstoss abzulehnen. Philippe Müller, Bern (FDP). Es wurde gesagt, der Grosse Rat werde missbraucht. Der Grosse Rat ist zuständig für den Erlass dieses Gesetzes; sonst niemand. Der Grosse Rat wird nicht missbraucht, sondern nimmt seine Aufgabe wahr. Auch wurde gesagt, es sei demokratiepolitisch schlechter Stil, wenn man im einen Gremium verliere, ins nächste zu gehen. Auch hier kann ich dasselbe entgegnen: Der Grosse Rat ist dafür zuständig. Es wurde erwähnt, man sei hier davon ausgegangen, dass die Exekutive zuständig sei. Die Redner, welche sich damals in der Debatte äusserten, sprachen alle von der Exekutive; das habe ich nachgelesen. Niemand sprach davon, dass das Parlament dies übernehmen würde. Hätte man damals daran gedacht, jemand könnte auf die Idee kommen, diese Kompetenz einem 80-köpfigen Gremium zu übertragen, wäre es wahrscheinlich schon damals geregelt worden und es hätte gar nie eine Diskussion über diese Frage gegeben. Frau Wasserfallen sagte, es sei absurd, zu sagen, das Parlament würde über Winkel und Höhe bestimmen. Ich bin froh um diese Aussage: Ja, es ist absurd, aber genau so lautet die Regelung. Es wird nicht nur der Standort bestimmt, sondern das Reglement sagt klar, das 80-köpfige Gremium bestimme die Höhe, den Einstellwinkel und andere Details. Als Ergebnis geschieht nichts. Demokratiepolitisch finde ich es auch fragwürdig, auf der einen Seite zu sagen, man sei selbstverständlich für Videoüberwachung und dann zu einem Trick zu greifen. Da spreche ich nun vor allem die Leute von der SVP an. Es ist nichts anderes als ein Trick, der von aussen praktisch nicht erkennbar ist. Ich stellte auch in den Vorgesprächen hier fest, dass die Leute meinten, ich verlange, die Gemeinden dürften gar nicht mehr selbst bestimmen, ob sie eine Videoüberwachung einführen wollen. Das ist überhaupt nicht so. Schon für uns ist es extrem schwierig nachzuvollziehen; wie ist es dann erst für die Leute ausserhalb? Die Videoüberwachung wird in der Stadt Bern so verhindert. Ich bitte gerade die Leute der SVP, die vielleicht noch unsicher sind, die Sicherheit hier höher zu gewichten als die Frage der Autonomie. Das betrifft nur die Gemeinde Bern und zwar nur in einer absoluten Detailfrage, welche sonst überall der Verwaltung überlassen wird. Das sollte auch in der Gemeinde Bern so sein. Hans-Jürg Käser, Polizei- und Militärdirektor. Es handelt sich hier tatsächlich um einen Spagat. Ich werde auf einige Voten eingehen, die jetzt gefallen sind. Der damalige Kommissionspräsident, Herr Grossrat Markus Meyer, sagte mit Recht, die Kommission und anschliessend der Rat seien natürlich davon ausgegangen, die Exekutive in den Gemeinden verfügten über diese Kompetenz. Das ist völlig unbestritten. Nun kann man natürlich mit der Rechtssicherheit argumentieren, die zentral sei. Frau Grossrätin Mühlheim präsentierte eine für mich nachvollziehbare Grundhaltung, indem sie sagt, an sich müsste es geregelt werden, aber grundsätzlich solle auch nicht in die Gemeindeautonomie eingegriffen werden. Das entspricht dem letzten Teil der Antwort der Regierung. Der staatspolitische Aspekt wurde höher gewichtet als der inhaltliche Aspekt, in dem es um die Sicherheit an sich geht. Deswegen empfiehlt die Regierung die Ablehnung der Motion. Interessant fand ich die Aussage von Herrn Grossrat Meyer, man könne ja noch in einem anderen Zusammenhang diskutieren, wie gewisse Sachen geregelt werden sollen. Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Als man gestützt auf einen Vorstoss und eine Volksabstimmung im Kanton Bern die Gemeindepolizei kantonalisierte und Police Bern realisierte, wurde die Kompetenz zur Kapo delegiert, die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit aber überliess man den Gemeinden. Deshalb besteht die Situation, dass die Stadt Bern für die öffentliche Sicherheit verantwortlich ist und mit YB und SCB Vereinbarungen treffen muss. In anderen Kantonen ist dies anders. Im Kanton Baselstadt muss der FCB dem Kanton pro Ticket einen 1 Franken 80 Rappen bezahlen weil der Kanton zuständig ist. Aber hier überliess man bei der Änderung des Polizeigesetzes die Verantwortung den Gemeinden; wegen der Gemeindeautonomie. Nur über Mittel verfügen die Gemeinden nicht mehr, diese liegen beim Kanton. Deswegen besteht die relativ komplizierte Lösung mit den Ressourcen- und Leistungsverträgen mit den grossen oder grösseren Gemeinden. Ich sage Ihnen dies, damit sie das Ganze ein bisschen in die Zusammenhänge eingebettet sehen. Man hätte die Verantwortung auch grundsätzlich dem Kanton übergeben können. Das hat man aber nicht getan. Vielleicht wäre das Paket auch zu überladen gewesen; das mag sein. Vor diesem Hintergrund ist auch die Antwort der Regierung zu sehen. Ich gebe zu, Herr Grossrat Müller hat es richtig erkannt. Eigentlich ist die Regierung auf der ersten Seite der Antwort der Meinung, der Vorstoss gehe in die richtige Richtung. Aber wegen der grundsätzlichen Problematik der Gemeindeautonomie haben wir schlussendlich die Motion zur Ablehnung empfohlen. Abstimmung Geschäft Für Annahme der Motion Dagegen 79 Stimmen 59 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /11 Interpellation Hess, Bern (SVP) Nach dem Ja zur Ausschaffungsinitiative Wie weiter im Kanton Bern? Wortlaut der Interpellation vom 1. Februar 2011 Am 28. November 2010 wurde die Ausschaffungsinitiative der SVP mit einem Ja-Anteil von 53 Prozent angenommen. Von

273 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 711 den 23 Ständen nahmen 17 1 / 2 die Initiative an, darunter auch der Kanton Bern. Ich bitte den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie viele Ausschaffungen hat der Kanton Bern in den letzten fünf Jahren vorgenommen (aufgeschlüsselt nach Jahr)? 2. Wo sieht der Regierungsrat Probleme in der heutigen Ausschaffungspraxis im Kanton Bern? 3. Was unternimmt der Regierungsrat, um diese Probleme zu beheben? 4. Welche Bestimmungen der angenommenen Ausschaffungsinitiative kann der Regierungsrat bzw. das Migrationsamt als (neben den Strafbehörden) «zuständige Behörde» im Sinne von Artikel 121 Abs. 5 BV direkt anwenden, ohne auf den Erlass eines Bundesgesetzes zu warten? 5. Ergreift der Regierungsrat Sofortmassnahmen, um dem Volkswillen Nachachtung zu verschaffen und die aktuelle Ausschaffungspraxis im Kanton Bern zu verschärfen? 6. Wenn ja, welche? 7. Wenn nein: Sieht der Regierungsrat das deutliche Volksverdikt vom 28. November 2010 nicht als klaren Auftrag, die Ausschaffungspraxis im Sinne der nun geltenden Bestimmungen in der Bundesverfassung zu verschärfen? (Weitere Unterschriften: 2) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 13. April 2011 Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung: Zu Frage 1: Die Ausschaffungsstatistik des Kantons Bern präsentiert sich wie folgt: Jahr Anzahl Ausschaffungen Quelle: Amt für Migration und Personenstand Zu Frage 2: Die grössten Probleme liegen bei der Ausschaffung abgewiesener Asylsuchender, da diese meistens nicht selbständig ausreisen. Eine zwangsweise Ausschaffung ist nur möglich, wenn mit dem Herkunftsland ein Rückübernahmeabkommen besteht. Ein solches fehlt zum Beispiel bei Algerien, Jordanien, Libyen, Irak, Iran, Marokko, Syrien und den Palästinensischen Autonomiegebieten. Die Vereinbarung von Rückübernahmeabkommen ist Aufgabe des Bundes. Zu Frage 3: Der Regierungsrat nimmt über die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) Einfluss auf die zuständigen Bundesbehörden. Zu Frage 4: In der Abstimmung vom 28. November 2010 haben Volk und Stände die Ausschaffungsinitiative angenommen. Die Bestimmungen der Ausschaffungsinitiative gemäss Artikel 121 Absätze 3 6 der Schweizerischen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) sind nicht direkt anwendbar. Der Initiativtext selbst sieht vor, dass der Gesetzgeber innert einer Übergangsfrist von fünf Jahren die Tatbestände nach Artikel 121 Absatz 3 zu definieren und zu ergänzen sowie die Strafbestimmungen bezüglich illegaler Einreise nach Artikel 121 Absatz 6 zu erlassen hat (BV; BBl f.). Die Gesetzgebungsarbeiten beim Bund sind bekanntlich im Gange. Die Kantone haben hierbei keinerlei Gesetzgebungskompetenzen. Aktuell ist nach wie vor das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR ) massgebend. Das AuG bestimmt die Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen, bis die neue Bundesgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative in Kraft gesetzt wird. Bereits heute sind Entfernungsmassnahmen bei Straffälligkeit oder Sozialhilfebezug möglich. Sie werden von den bernischen Migrationsbehörden konsequent angewendet. Zu den Fragen 5, 6 und 7: Wie bereits erwähnt, sind die Bestimmungen der Ausschaffungsinitiative nicht direkt anwendbar. Bis zur Umsetzung der Bestimmungen in einem Gesetz bleiben die Bestimmungen des AuG verbindlich. Der Regierungsrat sieht im Moment rechtlich keine Möglichkeit, die kantonale Ausschaffungspraxis zusätzlich zu verschärfen. Die gesetzlichen Möglichkeiten werden vom Kanton Bern bereits heute vollumfänglich ausgeschöpft zusätzliche Verschärfungen sind ohne gesetzliche Grundlagen nicht möglich. Präsident. Der Interpellant ist von der Antwort befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Geschäft /10 Interpellation Bühler, Cortébert (UDC) Ausschaffungen nach Nigeria Situation im Kanton Bern Wortlaut der Interpellation vom 30. November 2010 Im «Journal du Jura» vom 6. November 2010 wurde berichtet, dass die Sonderflüge für Zwangsausschaffungen nach Nigeria am 1. Januar 2011 wieder aufgenommen werden. In der Zwischenzeit soll die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten nach und nach wieder aufgenommen werden, und Nigerianer werden über Europaflüge in ihre Heimat zurückgeführt. Die Zeitung erinnert in ihrem Artikel daran, dass die Sonderflüge eingestellt wurden, als ein junger Nigerianer im März 2010 kurz vor seinem Abflug in Zürich verstarb. Der Chef des Bundesamts für Migration erklärte Mitte April 2010 in der NZZ am Sonntag, dass «99,5 Prozent der nigerianischen Asylbewerber nicht als Flüchtlinge hierher kommen, sondern um illegale Geschäfte wie Drogenhandel zu machen». Dass Volk und Stände am 28. November 2010 die Volksinitiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer angenommen haben, wird zweifellos dazu führen, dass die Zahl der auszuschaffenden Nigerianer zunehmen wird. Eine Verurteilung wegen Drogenhandels wird nämlich automatisch zu einer Ausschaffung führen. Und es ist allgemein bekannt, dass insbesondere der Kokainhandel in fester Hand der Nigerianer ist. Der Regierungsrat wird um die Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Ist der Regierungsrat nicht erstaunt über die hohe Kriminalitätsrate bei den Nigerianern, insbesondere was den Kokainhandel angeht? 2. Was unternimmt der Regierungsrat, um gegen den Drogenhandel durch Nigerianer, die sich in der Schweiz aufhalten, zu kämpfen? 3. Wie viele dem Kanton Bern zugeteilte Nigerianer befinden sich derzeit in Ausschaffungshaft? 4. Musste der Kanton Bern kriminelle Nigerianer aus der Ausschaffungshaft entlassen, nachdem die Rückführungsflüge nach dem Tod eines Nigerianers in Zürich im März 2010 eingestellt worden waren? Wenn ja, wie viele? Wer-

274 Juni 2011 Morgen Polizei und Militär den sie ausgeschafft, sobald die Flüge Richtung Nigeria im Januar 2011 wieder aufgenommen werden? 5. Sind dem Kanton Bern seit der Einstellung der Rückschaffungsflüge durch den Bund zusätzliche Ausschaffungshaftskosten entstanden? 6. Hat die Ausschaffung krimineller Nigerianer, die sich ohne gültige Papiere im Kanton Bern aufhalten, für den Regierungsrat Priorität? Wenn ja: Hat der Regierungsrat Schritte beim Bund unternommen, damit dieser die Verhandlungen mit Nigeria beschleunigt? Welche? 7. Die Rückflüge sollen ab Januar 2011 wieder aufgenommen werden. Wie viele Nigerianer aus dem Kanton Bern werden im ersten Flieger nach Nigeria sein? Hat der Kanton Bern schon eine genaue Zahl der auszuschaffenden kriminellen Nigerianer angegeben? Wenn ja, wie hoch ist diese Zahl? 8. Konnte der Kanton Bern Nigerianer über europäische Flüge ausschaffen, wie dies der Bund als Übergangsmassnahme bis zur Wiederaufnahme der Sonderflüge im Januar 2011 vorgesehen hat? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 13. April 2011 Gestützt auf ein Memorandum of Understanding zwischen der Schweiz und Nigeria will das Bundesamt für Migration die zwangsweisen Rückführungen nach Nigeria mittels nationalen Sonderflügen wieder aufnehmen. Mit einem FRONTEX- Flug (europäischer Flug für Ausschaffungen) konnten die ersten drei abgewiesenen Asylsuchenden im Januar 2011 nach Nigeria ausgeschafft werden. Rückführungen werden durch unkooperatives Verhalten einiger ausreisepflichtigen Personen bei der Beschaffung von Reisedokumenten massiv erschwert. Sonderflüge kommen nicht nur bei der Ausschaffung von straffälligen, sondern auch von unkooperativen ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern zum Zug. Bei den nigerianischen Asylsuchenden handelt es sich in der Regel um junge, alleinstehende Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Seit dem Jahr 2000 wurden dem Kanton Bern rund 800 Personen aus Nigeria zugewiesen. Davon sind heute rund 200 Personen in bernischen Zentren untergebracht. Die übrigen sind untergetaucht oder ausgereist. Die Kantonspolizei Bern stellt fest, dass Gruppen aus Westafrika im Kokainhandel eine wesentliche Rolle einnehmen und nigerianische Staatsangehörige in diverse Ermittlungsverfahren gegen den Kokainhandel involviert sind. Die sich in der Schweiz aufhaltenden Nigerianerinnen und Nigerianer dürfen jedoch nicht unter den Generalverdacht des Drogenhandels gestellt werden. Eine ausländerrechtliche Strategie, die sich gezielt gegen eine bestimmte Ethnie richtet, wäre unverhältnismässig und rechtlich unhaltbar. Die Kantonspolizei Bern ahndet alle strafrechtlich relevanten Handlungen, egal, von wem sie verübt werden. Der Migrationsdienst des Kantons Bern bemüht sich, dass alle ausreisepflichtigen Personen in ihr Heimatland zurückkehren; auch hier spielt das Herkunftsland keine Rolle. Zu Frage 1 Dem Regierungsrat ist die relativ hohe Drogenkriminalitätsrate unter nigerianischen Asylsuchenden bekannt. Die Entwicklung wird bereits seit längerer Zeit beobachtet. Zu Frage 2 Die Kantonspolizei Bern setzt einen erheblichen Teil ihrer Ressourcen zur Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels ein. Es ist eine Tatsache, dass gerade im Kokainhandel Gruppen aus Westafrika, darunter Nigeria, eine wesentliche Rolle einnehmen und deshalb in diversen Ermittlungsverfahren gegen den Kokainhandel nigerianische Staatsangehörige auftauchen. Diese Feststellungen werden auch im Rahmen eines Projekts bestätigt, in welchem diverse Kantone zusammen mit der Bundeskriminalpolizei koordiniert gegen den Kokainhandel vorgehen. Die Kantonspolizei Bern ist in dieses Projekt eingebunden. Zu den ergriffenen Massnahmen gehören Kontrollen in den Durchgangs- und Sachabgabezentren im Kanton Bern. Zu Frage 3 Per 15. Januar 2011 waren im Kanton Bern total 32 Nigerianerinnen und Nigerianer in fremdenpolizeilicher Haft. Von diesen befanden sich: 25 in Ausschaffungshaft (darunter 4 Dublin-Fälle) 6 in Durchsetzungshaft 1 in Vorbereitungshaft Per 7. April 2011 befanden sich: 7 Nigerianer/innen in Ausschaffungshaft (darunter 2 Dublin-Fälle) 1 in Durchsetzungshaft 2 Dublin-Fälle in Vorbereitungshaft Zu Frage 4 Nein. Der Kanton Bern musste wegen der Streichung der Sonderflüge keine kriminellen Nigerianerinnen und Nigerianer aus der Ausschaffungshaft entlassen. Sobald Plätze in einem Sonderflug frei sind, werden diese Personen ausgeschafft. Zu Frage 5 Ja. Der Unterbruch der Sonderflüge hat im Kanton Bern zu einer Erhöhung der Ausschaffungskosten geführt. Normalerweise finden rund alle drei Monate Sonderflüge statt. Während neun Monaten fielen ca. drei Sonderflüge aus. Das bedeutet, dass im Kanton Bern rund 20 Personen nicht ausgeschafft werden konnten und in Haft verblieben. Die durch die Ausschaffungshaft verursachten Kosten belaufen sich auf 250 Franken pro Tag und inhaftierter Person. Zusätzlich stiegen die Kosten für die Nothilfe. Dies ist insbesondere auf zwei Gründe zurückzuführen: 1. Mit der Sistierung der Sonderflüge entfiel der Druck, nach der Verweigerung der selbständigen Ausreise mittels Sonderflug zurückgeführt zu werden. Dies führte dazu, dass es zu weniger selbständigen Ausreisen nach Nigeria kam und somit mehr Personen in der Nothilfe verblieben. 2. Während des temporären Wegfalls der Sonderflüge reisten keine nigerianischen Delegationen mehr in die Schweiz, um Ausländerinnen und Ausländer anzuhören. Diese Delegationen kommen normalerweise alle drei Monate in die Schweiz und begutachten pro Aufenthalt rund 20 dem Kanton Bern zugeteilte Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Herkunft nicht offenlegen. Von diesen 20 Personen werden jeweils durchschnittlich 17 als nigerianische Staatsangehörige anerkannt. Diese Anerkennung führt zu einer Ausstellung eines «Laissez-Passer», das auch für eine unbegleitete Ausreise notwendig ist. Mit der Wiederaufnahme der Sonderflüge müssen nun zuerst wieder die «Laissez-Passer» besorgt werden. Da den Delegationen aus Nigeria jeweils nur eine beschränkte Anzahl von Ausländerinnen und Ausländern vorgeführt werden können, wird der Abbau des entstandenen Rückstaus noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Zu Frage 6 Der Kanton Bern richtet seine Ausländerpraxis nicht gezielt gegen bestimmte Nationen und Staaten. Die Ausschaffung von kriminellen, ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern wird unabhängig von deren Nationalität prioritär behandelt. Zu Frage 7 Mit dem zeitlich noch nicht festgelegten ersten Schweizer Sonderflug werden nur Personen nach Nigeria zurückgeführt, welche vorgängig einen unbegleiteten Flug verweigert haben. Allerdings kann noch nicht gesagt werden, für wie viele dieser Personen ein Platz auf dem ersten nationalen Sonderflug

275 Polizei und Militär 16. Juni 2011 Morgen 713 gebucht werden kann. Das hängt davon ab, wie viele Plätze für den Kanton Bern zur Verfügung gestellt werden. Anfangs Februar 2011 warteten im Kanton Bern fünf Nigerianer auf die Ausschaffung mittels eines Sonderfluges. Von diesen fünf Personen wurden bis am 7. April 2011 drei zurückgeführt, zwei mittels Linienflug und eine per FRONTEX- Flug. Anfangs April 2011 warteten sechs Nigerianer auf die Ausschaffung mittels Sonderflug. Zu Frage 8 Ja, es fanden FRONTEX-Flüge nach Nigeria statt. Mit dem Flug vom 19. Januar 2011 konnten drei Nigerianer ausgeflogen werden, von denen jedoch keiner aus dem Kanton Bern kam. Im März 2011 wurde ein dem Kanton Bern zugewiesener Nigerianer mit einem FRONTEX-Flug nach Nigeria ausgeschafft. Präsident. L interpellateur est partiellement satisfait de la réponse. Geschäft /10 Interpellation Grimm, Burgdorf (Grüne) Werden im Kanton Bern Unschuldige kriminalisiert? Wortlaut der Interpellation vom 30. November 2010 Im Kanton Bern werden jährlich mehrere Zehntausend Menschen wegen leichteren oder schwereren Delikten bei oder von der Kantonspolizei angezeigt. Einige der Delinquentinnen und Delinquenten werden in der Folge für leichtere Tatbestände gebüsst, für schwerere Tatbestände zu bedingten oder unbedingten Strafen verurteilt. Die Kantonspolizei übergibt die Dossiers der Justiz, diese bearbeitet in der Folge die Fälle und spricht anschliessend die Urteile aus. Immer wieder kommt es vor, dass Delinquentinnen und Delinquenten, die von der Justiz freigesprochen werden, in der Kartei der Kantonspolizei nicht gelöscht werden, da die entsprechenden Informationen der Kantonspolizei nicht zurückgemeldet werden. Die Daten werden erst mit der für den Einzelfall geltenden Verjährungsfrist aus der Datenbank der Kantonspolizei gelöscht. So kann es vorkommen, dass einzelne Personen mehrere Jahre bei der Kantonspolizei als potenziell kriminell eingetragen sind. Dies wiederum kann zu grossen Nachteilen für die Betroffenen führen. Vor diesem Hintergrund wird der Regierungsrat gebeten, die nachfolgenden Fragen zu beantworten: 1. Entsprechen die oben erwähnten Einschätzungen der Realität? Wenn ja: 2. Wie sind die Abläufe innerhalb der Kantonspolizei? 3. Wie erfolgt die Übergabe an die Justiz? 4. Warum erfolgt nach der Urteilssprechung keine automatische Rückmeldung an die Kantonspolizei? 5. Wer ist zuständig, dass die Daten bei der Kantonspolizei fristgerecht gelöscht werden? 6. Mit welchem personellen und finanziellen Aufwand müsste gerechnet werden, damit dieser Missstand beseitigt werden könnte? (Weitere Unterschriften: 3) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Zwischen der Justiz und der Kantonspolizei existiert kein automatisierter Informationsaustausch. Art. 307 Abs. 3 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO, SR 312.0) regelt lediglich den Datenfluss von der Polizei hin zur Staatsanwaltschaft. Die erwähnte Bestimmung hält fest, dass die Polizei ihre Feststellungen und getroffenen Massnahmen in schriftlichen Berichten festhält und diese zusammen mit den Anzeigen, Protokollen und den sichergestellten Gegenständen der Staatsanwaltschaft überreicht. Weder die Strafprozessordnung noch das frühere kantonale Strafverfahren sehen jedoch vor, dass die Justiz die Kantonspolizei grundsätzlich über den Verfahrensausgang informiert. Eine solche Informationsübermittlung bedürfte einer Grundlage in einem formellen Gesetz. Was die Bearbeitung der Akten nach Ende des Strafverfahrens angeht, hält Art. 99 StPO fest, dass das Datenschutzrecht von Bund und Kanton massgebend ist. Es wird zwischen erkennungsdienstlichen und nicht erkennungsdienstlichen Akten unterschieden. Was die Aufhebung der nicht erkennungsdienstlichen Akten bei der Kantonspolizei angeht, sind die gesetzlichen Fristen zur Aktenlöschung gemäss Art. 103 StPO sowie Art. 4 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ; BSG 271.1) massgebend. Von Amtes wegen sind demnach die Daten bei der Kantonspolizei im erforderlichen Umfang zu vernichten, wenn die betroffene Person nicht verurteilt worden ist und seit der letzten Ermittlungshandlung 15 Jahre vergangen sind. Bei einem Freispruch werden die Daten auf Gesuch der betroffenen Person hin gelöscht, ebenso bei Eintritt der Vollstreckungsverjährung. Unterbleibt die Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft oder wird das Strafverfahren nicht eröffnet oder aufgehoben, werden die Daten zudem, auf Gesuch der betroffenen Person hin, spätestens fünf Jahre nach ihrer Erhebung vernichtet. Den Anwältinnen und Anwälten sowie der Justiz steht es frei, die Angeschuldigten auf diese Umstände aufmerksam zu machen. Für die sensiblen erkennungsdienstlichen Daten sieht der Bundesgesetzgeber eine spezielle Vorschrift vor. Gemäss Art. 261 StPO werden erkennungsdienstliche Daten bei einem Freispruch aus anderen Gründen als wegen Schuldunfähigkeit sowie bei Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens grundsätzlich nur bis zur Rechtskraft des Entscheids in den Datensammlungen aufbewahrt und anschliessend von Amtes wegen vernichtet. Für DNA-Analysen sind die Bestimmungen des DNA-Profil-Gesetzes vom 20. Juni 2003 (SR 363) massgebend. Die Kantonspolizei löscht DNA- Profile in der Bundesdatenbank auf Anweisung der Justiz hin. Bei Jugendlichen unter vollendetem 18. Lebensjahr gelten für die polizeilichen Daten gemäss Art. 4 EG ZSJ die gleichen Voraussetzungen zur Löschung. Die Vollstreckungsverjährungsfristen gemäss Art. 37 des Bundesgesetzes zum Jugendstrafrecht vom 20. Juni 2003 (JStG; SR 311.1) sind jedoch deutlich kürzer ist als bei Delikten von Erwachsenen, nämlich vier Jahre oder zwei Jahre. Bereits im Vorfeld der Verabschiedung des EG ZSJ durch den Grossen Rat war fraglich, ob es aus datenschutzrechtlicher Sicht befriedigend ist, dass die Löschung von polizeilichen Ermittlungsakten in gewissen Fällen nur auf Gesuch hin erfolgt. An dieser Vorgehensweise wurde jedoch festgehalten. Die Löschung von Amtes wegen hätte einen systematischen Datenmeldefluss zwischen der Justiz und der Kantonspolizei bedingt, für den die organisatorischen und technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Der Regierungsrat wies damals darauf hin, dass die Umsetzung eines effizienten Datenmeldeflusssystems umfassend zu prüfen sei. Bedingt durch die Arbeiten im Zuge der Justizreform sowie zur Einführung der StPO konnte die Kantonspolizei der Generalstaatsanwaltschaft erst in diesem Jahr einen Projektvorschlag zur Prüfung dieser wichtigen Schnittstelle unterbreiten. Zu Frage 1 Es trifft zu, dass die Justiz der Kantonspolizei keine Verfahrensentscheidungen übermittelt. Wie oben aufgeführt, ist eine solche Informationsübermittlung gesetzlich nicht vorgesehen.

276 Juni 2011 Morgen Gesundheit und Fürsorge Zu Frage 2 Die Datenlöschungen erfolgen entweder nach Ablauf der massgebenden gesetzlichen Fristen oder im Auftrag der Justiz oder auf Gesuche hin bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Zu Frage 3 Die Kantonspolizei teilt der Justiz die Personen- und Ereignisdaten in schriftlicher Form mit. Zu Frage 4 Wie eingangs erwähnt, bestehen keine automatischen Meldungen aus der elektronischen Geschäftskontrolle der Strafjustiz zur Nachführung der Systeme der Kantonspolizei Bern, da hierfür keine gesetzliche Grundlage existiert. Wie oben erwähnt, sollen die Schnittstellen jetzt überprüft werden. Gemäss dem Regierungsratsbeschluss 196 vom 18. Januar 2006 überprüfte auf Antrag der Datenschutzaufsichtsstelle eine externe Kontrollstelle die Informationsanwendung ABI der Kantonspolizei im Jahr 2007 hinsichtlich der Umsetzung der Datenlöschung. Der Prüfbericht hält fest, dass die Löschungsvorgaben durch das Polizeikommando soweit dies rechtlich, organisatorisch und technisch überhaupt möglich ist in jeder Beziehung korrekt umgesetzt worden sind. Zu Frage 5 Die Verantwortung für die Löschung von Daten liegt bei den jeweiligen systemverantwortlichen Stellen innerhalb der Kantonspolizei. Zu Frage 6 Eine systematische Übermittlung der Entscheide der Justiz an die Kantonspolizei und die Vornahme der daraus resultierenden Löschungen durch die Kantonspolizei wären mit einem gewissen Mehraufwand verbunden. Ohne vorgängige, vertiefte Abklärungen zu möglichen Umsetzungsvarianten sind genaue Aussagen zum finanziellen und personellen Aufwand nicht möglich. Präsident. Der Interpellant ist befriedigt und gibt keine Erklärung ab. Damit sind wir am Ende der Geschäfte der Polizeiund Militärdirektion angelangt. Ich wünsche Herrn Regierungsrat Käser einen guten Tag und eine gute Zeit und begrüsse gleichzeitig Herrn Regierungsrat Perrenoud. Geschäft /11 Interpellation Hirschi, Moutier (PSA) Freier Personenverkehr für Politikerinnen und Politiker Wortlaut der Motion vom 24. Januar 2011 An der letzten Sitzung der regierungsrätlichen Juradelegation vom 6. Dezember 2010 in Bern sagte Regierungsrat Pulver, die Anwesenheit von Frau Baume-Schneider in Moutier (am Abend der Gemeindewahlen) sei ein Verhalten, das sich für ein Regierungsmitglied nicht zieme, und dass eine entsprechende Reaktion gerechtfertigt sei. Diese Äusserung eines freiheitsliebenden Regierungsrats erstaunt. Um meine politischen Rechte zu kennen und ein diplomatisches Vergehen zu vermeiden, bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen. Diese sollen zur Klärung meiner Rechte und Pflichten als Grossrätin beitragen. 1. Hätte Frau Baume-Schneider beim Berner Regierungsrat oder gar beim Bundesrat um einen diplomatischen Passierschein ersuchen müssen, bevor sie die Grenze in La Roche-Saint-Jean überquert, um ihrem Parteikollegen in Moutier zur Stadtpräsidentenwahl zu gratulieren? 2. In ganz Europa gilt der freie Personenverkehr. Ist er für Politikerinnen und Politiker eingeschränkt, wenn es darum geht, die kantonalbernischen Grenzen zu passieren? 3. Müssen Frau Baume-Schneider sowie der gewählte Staatsrat Michel Thentz und der Stadtpräsident von Delsberg, Pierre Kohler, die dasselbe politische Vergehen begangen haben, mit Sanktionen seitens der bernischen Regierung rechnen? 4. Hätte Herr Pulver gleich reagiert, wenn Frau Baume- Schneider nach Moutier gefahren wäre, um ihrer Parteikollegin Marcelle Forster zu gratulieren, falls diese zur Stadtpräsidentin gewählt worden wäre? 5. Hätten die südjurassischen Politikerinnen und Politiker, die nach Delsberg gereist sind, um am Abend der jurassischen Kantonswahlen den Gewählten zu gratulieren, vorgängig bei den jurassischen Behörden und auf Antrag des bernischen Regierungsrates ein Visum beantragen müssen? (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Antwort des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Regierungsrat nimmt zu den Fragen der Interpellantin zusammenfassend wie folgt Stellung: Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage. Der freie Personenverkehr ist nicht betroffen. Politikerinnen und Politiker entscheiden frei über die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Ein Mitglied des Regierungsrates hat im Rahmen einer internen Sitzung die persönliche Auffassung geäussert, dass es in bestimmten Konstellationen Regeln der interkantonalen Courtoisie gebe, deren Einhaltung bedenkenswert sei. Wer die Regeln der interkantonalen Courtoisie nicht einhält, hat nicht mit rechtlichen Sanktionen zu rechnen. Es ist nicht falsch, wenn sich Mitglieder von Kantonsregierungen eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, wenn sie darüber entscheiden müssen, ob sie an einer kommunalen Wahlfeier in einem anderen Kanton teilnehmen wollen. Dies gilt insbesondere im jurapolitischen Kontext. Präsident. L interpellatrice est partiellement satisfaite de la réponse. Wir kommen nun zu den Geschäften der Gesundheits- und Fürsorgedirektion. Ich teilte Ihnen gestern in Absprache mit der Direktion mit, welche Geschäfte wir noch behandeln können. Zuerst werden wir die Motion, die nicht auf der Traktandenliste steht «Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: Untauglich!» behandeln. Anschliessend kommen die Motion M 042/11 «Kontrolliertes Notrecht» und danach die Motion M 051/11 «Missbrauchsfälle in Behindertenheimen» an die Reihe. Danach werden wir je nach Zeitverhältnissen die Geschäfte mit den Laufnummern 85 bis 90 behandeln. Die anderen Geschäfte, insbesondere Laufnummer 79, sowie die Laufnummern 80 bis 83 und 91 bis 93 werden in der Sondersession behandelt. Ordnungsantrag Danielle Lemann, Langnau (SP). Ich möchte gerne den Ordnungsantrag stellen, die Motion mit der Laufnummer 79 noch in dieser Session zu behandeln. Es handelt sich um die Motion M 109/11 «DRG Riesige Kosten und lauter ungelöste Fragen». Der erste Teil der Überschrift «Riesige Kosten» ist für den Kanton Bern tatsächlich nicht so aktuell, dafür umso mehr der zweite Teil. Die Begründung ist folgendermassen: Dem Bundesrat soll nach der Session mitgeteilt werden, der Kanton mache sich Sorgen. Nach der aktuellen Session der eidgenössischen Räte wird die Einführung von DRG definitiv konkretisiert. Vor allem diejenigen, die in Spitälern arbeiten, machen sich Sorgen wenn Swiss DRG «volle

277 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Morgen 715 Pulle» eingeführt wird: ohne dass auf die sensiblen Patientengruppen Rücksicht genommen würde, ohne dass eine gute Ausbildung des Gesundheitspersonals garantiert wäre, ohne dass Pflegeleistungen gebührend berücksichtigt würden und ohne Schutz des Patientengeheimnisses. Wie ein Tsunami wird DRG auf unser Schweizerisches Gesundheitswesen losgelassen. Das hat nicht mit links oder rechts zu tun höchstens damit, dass ich über eigene Erfahrungen im Spital mit Patienten unter DRG verfüge. Es hat damit zu tun, dass Spitäler keine Autofabriken sind, wie Professor Leu uns gestern zu erklären versuchte. Ich möchte auch gerne, dass sie nicht zu Autofabriken werden. Im September können wir noch weniger Einfluss auf den Bundesrat nehmen als jetzt. Jetzt haben wir noch ein halbes Jahr Zeit, DRG noch ein bisschen menschlich anzupassen. Es ist mir ein Anliegen, dass alle Grossräte wissen, dass DRG eingeführt wird. Niemand soll nach dem sagen, er habe das nicht gewusst. Ich bitte Sie deshalb, den Ordnungsantrag anzunehmen und die Motion noch heute zu behandeln. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Wir unterstützen den Ordnungsantrag. Es handelt sich um eine Terminfrage, denn es ist witzlos im September über ein Moratorium zu befinden, wenn das Ganze praktisch schon eingeführt wird. Darüber muss vorher gesprochen werden. Heute ist der richtige Zeitpunkt dafür so, wie es ursprünglich vorgesehen war damit sich die Regierung gegenüber dem Bund und dem Bundesparlament noch äussern kann. Ich befürworte es, wenn wir heute noch darüber reden können. Präsident. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen zum Ordnungsantrag. Wir stimmen also darüber ab, ob das Geschäft heute, als drittes Geschäft, an die Reihe kommt, oder ob es in die Sondersession verschoben wird. Abstimmung Für Annahme des Ordnungsantrags Dagegen 70 Stimmen 50 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Dem Ordnungsantrag wird entsprochen. Damit lautet die Traktandenliste neu wie folgt: Zuerst wird die Motion zum Gegenentwurf zur Volksinitiative besprochen. Anschliessend kommen die Geschäfte mit den Laufnummern 78, 79 und 84 an die Reihe. Geschäft /11 Dringliche Motion Meyer, Roggwil (SP) / Heuberger, Oberhofen (Grüne) Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: Untauglich! Wortlaut der Motion vom 1. Juni 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, im Vernehmlassungsverfahren zum direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» dahingehend zu wirken, dass konkrete Massnahmen zur Besserstellung der Grundversorger erfolgen die Aus- und Weiterbildung der Hausärzte verbessert wird die Berufsausübung der Hausärzte erleichtert wird Massnahmen zur Unterstützung des ärztlichen Notfalldienstes erfolgen das Tarifsystem in hausarztfreundlichem Sinn verändert wird konkrete Massnahmen zur Linderung des Hausärztemangels erfolgen Hausärzte bei der Nachfolgeregelung für ihre Praxis unterstützt werden Begründung: Grundsätzlich ist der Regierungsrat für die Verabschiedung von Vernehmlassungen an die Bundesbehörden zuständig. Der Grosse Rat kann allerdings eine Stellungnahme abgeben, an welche die Regierung gebunden ist (Art. 79 Abs. 1 Bst. c und Art. 90 Bst. e KV). Dies ist hier angezeigt. Am 1. April 2010 haben Hausärzte die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» eingereicht. Diese will die Stellung des Hausarztes durch eine Verbesserung der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen aufwerten. Eine solche Aufwertung ist dringend geboten, der Hausärztemangel, das Problem, zur Sicherung, Erhaltung und Förderung der medizinischen Grundversorgung genügend Hausärztinnen und -ärzte zu haben, ist auch vom Grossen Rat anerkannt und bereits mehrfach thematisiert worden. Die Situation droht sich dramatisch zu verschärfen: In den nächsten fünf Jahren geht die Hälfte der heute praktizierenden Grundversorger in Pension die meisten ohne Nachfolger (Politik & Patient 2/11)! Um die populäre Initiative der Hausärzte zu bekämpfen, hat der Bundesrat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser umgeht die Hauptforderung der Hausärzte, nämlich die Verbesserung der Situation in der Hausarztmedizin in der Schweiz. Der Bundesrat verwässert die Bemühungen um eine adäquate medizinische Grundversorgung. Hier braucht es dringend konkrete Massnahmen, um mehr Grundversorger zu rekrutieren. Massnahmen, die im Gegenvorschlag des Bundesrates (noch) fehlen. Das Gesundheitswesen ist kantonal organisiert. Es rechtfertigt sich deshalb, wenn der Grosse Rat des Kantons Bern hier einen entsprechenden Fingerzeig nach Bundesbern schickt. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 6. Juni 2011 Der Bundesrat hat am 7. April 2011 die Vernehmlassung über seinen direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» eröffnet. Der Gegenentwurf beabsichtigt, die Hausarztmedizin in ein koordiniertes und interdisziplinäres Netzwerk der medizinischen Grundversorgung zu integrieren. Die Hausarztmedizin erachtet der Bundesrat dabei als ein wesentliches Element der medizinischen Grundversorgung, die zum Ziel hat, eine für die ganze Bevölkerung zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität sicherzustellen. Die Motionäre beurteilen den Gegenentwurf des Bundesrats dagegen als untauglich und verlangen, dass der Regierungsrat seine Vernehmlassungsantwort dahin gehend formuliert, als er konkrete Massnahmen zur Besserstellung der Grundversorger und zur Linderung des Hausärztemangels verlangt. Ebenso soll die Aus- und Weiterbildung der Hausärzte verbessert, die Berufsausübung der Hausärzte erleichtert und das Tarifsystem in hausarztfreundlichem Sinn verändert werden. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Gefährdung der flächendeckenden hausärztlichen Grund- und Notfallversorgung unterstützt der Regierungsrat grundsätzlich die Forderung der Motionäre nach konkreten Massnahmen zur Förderung der Hausarztmedizin. Nach Ansicht des Regierungsrats sind jedoch die geforderten konkreten Massnahmen nicht im Rahmen einer Teilrevision der Bundesverfassung ins Verfassungsrecht aufzunehmen. Die Bundesverfassung legt die Grundzüge der staatlichen Ordnung fest, sie nennt die wesentlichen Ziele, weist Aufgaben zu, regelt die Organisati-

278 Juni 2011 Morgen Gesundheit und Fürsorge on und das Verfahren der Staatsorgane, bestimmt die Rechtsstellung der Menschen in diesem Staat und begrenzt dadurch zugleich die staatliche Macht. Bei den von den Motionären geforderten konkreten Massnahmen handelt es sich um Regelungen, die nicht Gegenstand des materiellen Verfassungsrechts sind, sondern auf Gesetzes- oder Verordnungsebene zu lösen sind. Der Regierungsrat hat den Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» geprüft. Noch nicht alle Regierungsmitglieder haben sich mit dem Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» hinreichend befassen können. Ein Entwurf der Gesundheits- und Fürsorgedirektion für eine Vernehmlassungsantwort ist derzeit aber im Mitbericht bei mehreren Direktionen. Insgesamt kann in Aussicht genommen werden, dass der Regierungsrat grundsätzlich beabsichtigt, eine Vernehmlassung basierend auf den nachfolgenden Überlegungen zu verabschieden: Zunächst begrüsst der Regierungsrat, dass der Volksinitiative ein Gegenentwurf gegenübergestellt wird. Zum einen erachtet der Regierungsrat die Stossrichtung der Volksinitiative als fragwürdig, welche eine einzelne Berufsgruppe gegenüber den anderen Berufsgruppen der medizinischen Grundversorgung privilegiert. Zum anderen erscheinen ihm die Interessen der medizinischen Grundversorgung im Gegenentwurf besser berücksichtigt. Allerdings stimmt der Regierungsrat mit den Motionären überein, dass dem bundesrätlichen Entwurf nicht vorbehaltlos zugestimmt werden kann. Bereits die Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) hat in ihrer Vernehmlassung vom 31. Mai 2011 die Vorlage kritisiert. Es wird beabsichtigt, dass sich der RR dieser Vernehmlassung grundsätzlich anschliesst. Zu kritisieren ist insbesondere, dass der Gegenvorschlag sich auf die gesamte stationäre und ambulante Grundversorgung erstreckt. Damit geht der Gegenvorschlag weit über den ursprünglichen Gegenstand des Initiativbegehrens hinaus. Der Regierungsrat fordert daher, dass sich der Gegenvorschlag auf die ambulante Grundversorgung zu beschränken hat. Ausserdem führt der Gegenvorschlag zu einer Kompetenzverschiebung von den Kantonen hin zum Bund, ohne dass dabei die Interventionsvoraussetzungen des Bundes definiert werden und der Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz beachtet wird. Dagegen ist explizit die vorgesehene Koordination der Massnahmen zwischen Bund und Kantonen zu begrüssen. Dies erscheint insbesondere in Anbetracht der komplexen und voneinander abhängigen Kompetenzbereiche wichtig. Ebenso erscheint dem Regierungsrat die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Versorgungsmodelle als wichtig und für den Kanton Bern mit seinen Randregionen besonders relevant. Insgesamt erachtet der Regierungsrat, dass die anvisierten Probleme nicht allein mit einem Verfassungsartikel gelöst werden können. Wirksamer sind konkrete Massnahmen im Bereich der Tarifpolitik, der ärztlichen Ausbildung und begleitender Massnahmen. Antrag: Annahme als Postulat. Markus Meyer, Roggwil (SP). Ich wurde von einigen Leuten gefragt, warum wir jetzt diese Motion noch so schnell und kurzfristig ins Programm aufnehmen mussten. Es ist nun einmal eine Tatsache: Wir haben das Recht, der Regierung Leitplanken zu setzen, wie sie in einer Vernehmlassung an die Bundesbehörden Stellung nehmen soll. Von diesem Recht machen wir sehr zurückhaltend Gebrauch. Wir tun dies nur, wenn wir den Eindruck haben, es laufe nicht in die richtige Richtung. Diesen Eindruck hatte ich bei diesem Geschäft. Zudem war die Situation folgendermassen: Erst im Mai wurden wir mit den Unterlagen bedient. Also mussten wir mit der dringlichen Motion arbeiten. Dies zum formellen Vorgehen. Ich denke, das Thema rechtfertigt das Vorgehen. Am 1. April 2010 das ist kein Scherz reichten die Hausärzte die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» ein. Sie taten dies nicht aus «zum Plousch», sondern wegen dem enormen Druck auf ihren Berufsstand. In diesem Saal war dies ja bereits einige Male Thema. Der Bundesrat machte von seinem Recht Gebrauch und erarbeitete einen Gegenentwurf, welcher Gegenstand der aktuellen Vernehmlassung ist. Dieser Gegenentwurf ist untauglich. Er nimmt die Volksinitiative zum Anlass, in der Bundesverfassung einen Grundlagenartikel über die so genannte medizinische Grundversorgung zu verankern, trägt aber überhaupt nichts dazu bei, die aktuellen anstehenden Probleme in der Hausarztmedizin zu lösen. Ich werde bei meiner Forderung konkret auf diese zu sprechen kommen. Es handelt sich um eine unreflektierte Regelung der Grundversorgung. Mit dem Gegenentwurf wird der Versuch lanciert, die medizinische Grundversorgung ohne Rücksicht auf die Anliegen und Bedürfnisse der Patienten und der aktuellen Probleme festzuschreiben. Als grosser Kanton in diesem Land sind wir verpflichtet, uns dagegen zu wehren. Der Antwort der Regierung entnehme ich, dass sie das nicht so sieht. Sie sagt zwar, der Kanton müsse gewisse Punkte aufnehmen und sich darauf konzentrieren. Sie stellt aber die Frage, ob die Punkte überhaupt in die Verfassung gehörten. Nachdem wir im Kanton bereits verschiedene Male dieses Thema behandelt hatten ich möchte auf meine Motion «Mangel an Hausärzten» hinweisen, die seinerzeit überwiesen wurde hätte ich von der Regierung erwartet, dass sie die Gelegenheit ergreift und die Punkte aufnimmt. Ich hätte von der Regierung erwartet, dass sie Motion angenommen, die Punkte so aufgenommen und ihrerseits Inhalt angefügt hätte. Das ist absolut legitim, es handelt sich um keinen abschliessenden Text und wir schreiben unsere zusätzlichen Punkte auch hinein. Aber ich habe den Eindruck, dass man hier den Puck nicht sieht oder ihn nicht sehen wollte und es ähnlich läuft, wie beim anderen Geschäft zum selben Thema, dem Bericht zur Hausarztmedizin. Den verlangten wir bereits vor etlichen Jahren und nun wurde uns erst einmal auf Ende dieses Jahres eine Kommission in Aussicht gestellt. Der Bericht selber liegt nach wie vor nicht vor. Ich erwarte von der Regierung, sich hier jetzt entsprechend zu bemühen. Nun sage ich noch etwas zu den einzelnen, aufgenommen Punkten. Was die Massnahmen zur Besserstellung der Grundversorger betrifft, führte ich hier keine konkreten Massnahmen auf. Aber es braucht Massnahmen, um den Beruf wieder attraktiver machen. Auch im Bereich Aus- und Weiterbildung müssen wir etwas unternehmen. Ich denke da an einen Lehrstuhl in Hausarztmedizin, was Danielle Lemann und auch andere hier schon mehrfach einbrachten. Auf Bundesstufe kann ganz bestimmt das eine oder andere dafür getan werden, gerade wenn wir uns vor Augen halten, dass das Gesundheitswesen lokal geregelt ist und der Bund den Rahmen dafür bestimmt. Die Berufsausübung soll für Hausärzte erleichtert werden und es sollen Massnahmen zur Unterstützung des ärztlichen Notfalldienstes erfolgen. Heute ist der Hausarzt nicht mehr derjenige, der 70 bis 80 Stunden arbeitet und dann noch Notfalldienst leistet. Die Zukunft der Hausarztmedizin ist jung, weiblich, hat Kinder und arbeitet Teilzeit. Auf diese Herausforderung müssen wir reagieren. Dann müssen wir das Kind beim Namen nennen. Es bestehen SVP-Forderungen, welche die Chefarzt-Einkommen bei einer halben Million Franken begrenzen wollen. Aber auch unten muss etwas geschehen. Die Hausärzte sind ein ganz zentrales Element unserer medizinischen Grundversorgung und verdienen erheblich schlechter als viele Spezialisten. Da

279 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Morgen 717 braucht es eine Änderung. Der Bund ist diesbezüglich gefordert. Hausärzte sollen auch bei der Nachfolgeregelung für ihre Praxis unterstützt werden. Deswegen wurde ich auch von Mitgliedern der Freisinnigen Fraktion angegangen. Es ist natürlich nicht die Meinung, dass jetzt Bundesrat Burkhalter eine Börse für Hausarztpraxen eröffnen soll. Aber gerade die freisinnige Bundeshausfraktion hat sich im Bereich der Unternehmenssteuerreform II entsprechend eingebracht, dort gäbe es vielleicht noch Möglichkeiten, die auszuleuchten sind. Ich möchte Ihnen beliebt machen, die Motion anzunehmen und damit dem Regierungsrat klar zu sagen, in welche Richtung er zu marschieren hat. Vizepräsidentin Therese Rufer-Wüthrich übernimmt den Vorsitz. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Es wird niemanden erstaunen, dass ich mich als Mitmotionär hier vorne äussere. Der Gegenvorschlag wurde in die Vernehmlassung geschickt und die Regierung muss bis am 7. Juli antworten. Deshalb muss das Geschäft so rasch beraten werden. Es ist nicht üblich, aber ein Recht des Grossen Rats, sich zu Vernehmlassungen des Bundes zu äussern. Der Antwort des Regierungsrats entnehme ich, er schliesse sich generell der Stossrichtung des Bundesrats an, finde aber gewisse Dinge nicht zu 100 Prozent gut oder teilweise knapp am Ziel vorbei. Knapp vorbei ist auch daneben, finde ich. Wenn das so daneben ist, muss der Kanton dies auch übermitteln, sogar wenn man dem Bundesrat bzw. dem Bundesamt für Gesundheit «echli a Chare fahrt». Wer die Absicht realisiert, könnte beim Lesen des Gegenvorschlags allenfalls verstimmt sein. Denn man kann mindestens den Eindruck gewinnen, der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit, welches den Entwurf geschrieben hat, verfolgten eine eigene politische Agenda, die ein staatliches Gesundheitswesen anstrebt, in dem der Bund alles bestimmen kann und das Bundesamt für Gesundheit alles kontrolliert. Der Kanton wird an den Rand gedrängt und damit die verfassungsmässige Trennung der Aufgaben im Gesundheitswesen zwischen Bund und Kantonen ausgehebelt, weil man auf Bundesebene mehr Kompetenzen will. So deutlich sagt dies natürlich niemand, das muss man zwischen den Zeilen lesen. Die Ideen der Hausarztmedizin sollen in Artikel 118 unter Hausarztmedizin eingereiht werden. Der Bundesrat schlägt vor, sie in Artikel 117 der Verfassung einzureihen. Da besteht die Differenz. Wer nachliest, sieht Folgendes: Artikel 117 heisst: «Kranken- und Unfallversicherungen», Artikel 118, worunter wir sie dies einreihen möchten, heisst «Schutz der Gesundheit». Wohin gehört die Hausarztmedizin? Unter die Versicherungen oder unter den Schutz der Gesundheit? Damit geht in unseren Augen der Gegenvorschlag in Richtung einer verfassungsmässig verankerten Staatsmedizin, die dem Bund die Hoheit gibt, über Aus- und Weiterbildung, die Gesundheitsberufe, die Festsetzung von Tarifen, den elektronischen Datenaustausch und mehr zu bestimmen. Das sollte in meinen Augen nicht sein. Die Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Kantone wie sie heute besteht, ist gut. In der Hausarztmedizin steht der Hausarzt, koordiniert mit allen anderen Leistungserbringern, im Zentrum der Grundversorgung. Es ist sinnvoll, dies so zu schreiben. Diese Anliegen aber werden im Gegenvorschlag nicht mehr abgebildet. Es entsteht der Eindruck, es handle sich um Eigeninteressen des Bundesamts für Gesundheit. Nach unserer Meinung sollte die verfassungsmässige Verankerung der Hausarztmedizin mit den fünf Vorstössen der SP Schweiz im Bundesparlament in Einklang gebracht werden. Dort stehen die wichtigen Sachen drin. Zum einen Teil sind es Dinge, wie sie hier in unseren Punkten zu lesen sind, zum anderen Teil diskutierten Sie hier über genau diese Themen schon etliche Male und stimmten immer zu. Diese Punkte werden zu einem grossen Teil auch im Bericht der Hausarztmedizin aufgenommen. Wollte das Bundesamt für Gesundheit die Initiative für die Staatsmedizin instrumentalisieren? Ich stelle diese Frage Sie müssen sie selbst beantworten. Ich meine, Ja. Die Regierung sah das nicht ganz so eng. Unsere Motion sagt, der Gegenvorschlag sei unbrauchbar. Ich möchte die Regierung dazu auffordern, dies auch zu sagen. Ob die Anliegen dann schlussendlich in der Verfassung oder im Gesetz verankert werden, muss die Bundesverwaltung selber vorschlagen. Das ist ihre Arbeit und diese soll sie auch tun. Ich möchte Sie darum bitten, die Motion so zu überweisen, damit die Regierung über eine Leitplanke verfügt, wie sie dem Bundesrat in der Vernehmlassung zu diesem Gegenvorschlag folgen möchte. Enea Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP). Zuerst gebe ich Ihnen meine Interessenbindung bekannt. Ich bin Sohn eines Hausarztes, mein Bruder ist Arzt, ich selber bin Apotheker und dennoch stehe ich hier. Ich sage dies ganz bewusst, denn wie Sie wissen, haben die Ärzte und Apotheker das Heu manchmal nicht auf derselben Bühne, hier in dieser Frage aber sehr wohl. Die BDP unterstützte die Stossrichtung der Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» von Beginn an, weil wir überzeugt sind, dass die Hausärzte gerade in ländlichen Gebieten, wie sie im Kanton Bern häufig vorkommen, eine sehr wichtige Funktion übernehmen. Es wird auch immer wieder von einer «Gatekeeper-Funktion» gesprochen. Die BDP begrüsst im Grundsatz auch, dass der Bundesrat in seinem Gegenvorschlag die Hausarztmedizin in die medizinische Grundversorgung integriert und ebenfalls andere Gesundheitsberufe, wie die Pflege oder meinen Beruf integriert. Die medizinische Grundversorgung muss sich weiterentwickeln und die neuen Lebensformen müssen abgebildet werden. Markus Meyer sprach davon, wie das heute aussieht. Ich teile seine Ansicht, Gruppenpraxen und Teilzeitarbeit sind gefragter denn je auch auf dem Land. Der Vorschlag des Bundesrats ist in vielen Teilen zwar effizient, er ist aber ein wenig ein Streuschuss, der am eigentlichen Problem vorbeizielt. Der Gegenvorschlag wertet im Gegenteil den Hausarzt zum Teil sogar ab. Mehr und andere Massnahmen werden benötigt. Darum unterstützt die BDP die Motion, die im Wesentlichen die Initiative zur Hausarztmedizin stützt. In ihrer Antwort sagt die Regierung, die Probleme, die mit der Initiative anvisiert werden, würden nicht alleine durch einen Verfassungsartikel gelöst. Das stimmt, dieser Ansicht sind wir auch. Aber gerade deshalb ist es wichtig, einen Gegenvorschlag zu erarbeiten, der den Anliegen der Initiative auch etwas Griffiges entgegenstellt. Sonst können wir einfach über die Hausarztinitiative abstimmen, dann braucht es auch keinen Gegenvorschlag. Damit nicht falsche Schlüsse aus unserer Unterstützung gezogen werden, ist es mir wichtig, noch Folgendes zu sagen: Die Stärkung der Position des Hausarztes muss vor allem über gezielte Anreize geschehen und überall dort greifen, wo Hausärzte fehlen, und ihre Leistung kaum durch alternative Modelle aufgefangen werden kann. Auf dem Land Managed-Care-Modelle einzuführen, ist beinahe ein wenig utopisch, denn wenn überhaupt gibt es nur einen Hausarzt oder eine Hausärztin. Beispielsweise in Mürren oder Grindelwald stellen sich im Moment diese Probleme akut. Allzu starke Regulierungen, wie eine Einführung einer Staatsmedizin, lehnen wir ab. Als Apotheker stehe ich hier mit voller Überzeugung für den Hausarzt ein. Ich bitte Sie, dies auch zur Kenntnis zu nehmen. Wir brauchen die Hausärzte, ihre eigenständige Verantwortung und ihre Zusam-

280 Juni 2011 Morgen Gesundheit und Fürsorge menarbeit mit anderen Leistungserbringern. Diesbezüglich können sich die Hausärzte auch ein wenig bei der Nase nehmen und diesen Punkt ein wenig verbessern, denn das klappt nicht immer. Wir wollen eine funktionierende Grundversorgung. So, wie sie im Gegenvorschlag des Bundesrats dargestellt wird, habe ich meine Zweifel, ob das wirklich funktioniert. Ich bitte Sie, die Motion zu unterstützen. Melanie Beutler-Hohenberger, Mühlethurnen (EVP). Ich schliesse mich Enea Messerli an und gebe Ihnen gleich meine Interessenbindung bekannt: Ich bin Frau eines Hausarztes und lebe also sozusagen in einem Hausarzt-Haushalt. Mein Mann praktiziert im unteren Stock und wir wohnen im oberen. Ich erlebe mehrmals in der Woche, wenn er Notfalldienst hat, live mit, welche Arbeit die Hausärzte insbesondere auf dem Land schon jetzt leisten. Nun komme ich auf die Motion zu sprechen. Die Motionäre stossen hier in ein Horn, das in unseren EVP-Fraktionsohren wohlklingende Musik macht. Das meine ich natürlich nur im Sinne des Inhalts und des Anliegens der Motion, nicht im Sinn des ausgearbeiteten Gegenentwurfs des Bundesrats zur Initiative. Ich zitiere, was die Schweizer Hausärzte auf ihrer Homepage publizieren: «Die Hausarztmedizin ist die kostengünstigste Medizin (Mit rund 7 Prozent des Gesamtaufwands lösen die Haus- und Kinderärzte in ihren Praxen rund 90 Prozent der Gesundheitsprobleme ihrer Patientinnen und Patienten selbst). Studien weltweit belegen: Ein hausarztbasiertes Gesundheitswesen ist das kostengünstigste Gesundheitswesen! Ohne Qualitätseinbusse.». Wenn es stimmt, was ich Ihnen vorgelesen habe, ist es in unseren Augen ein gefährliches Ansinnen, ausgerechnet bei der Hausarztmedizin Kosten sparen zu wollen. Man schwächt sie dadurch. Dies lässt auch der Gegenentwurf ein wenig durchblicken, beispielsweise die Ausund Weiterbildung, die eventuell unter dem heutigen Niveau zu liegen käme. Unsere Fraktion hegt grosse Bedenken gegenüber der Stossrichtung der Gegeninitiative wie auch dem Ansinnen des Regierungsrats, seine Vernehmlassungsantwort in der von ihm skizzierten Richtung abzugeben. Nemen wir das Stichwort Nichtbevorzugung einer Berufsgruppe gegenüber anderen in der medizinischen Grundversorgung: Das geht in unseren Augen völlig am Problem vorbei. Es muss vielmehr auf verschiedenen Ebenen dahingehend gewirkt werden, dass die Profession des Hausarztes und der Hausärztin unter den angehenden Ärztinnen und Ärzten überhaupt wieder attraktiv wird. Besonders im Hinblick auf die bevorstehende Pensionierungswelle in der kommenden Dekade, möchten wir uns nochmals dezidiert für die Idee der Professur der Hausarztmedizin aussprechen. Wir hörten es bereits vom Motionär und letzte Woche auch von Frau Lemann. Die Professur für Hausarztmedizin ist eine ganz konkrete Forderung und Massnahme, die zumindest für die Punkte eins und zwei des Vorstosses einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten würde. Fazit: Die EVP-Fraktion erachtet es als äusserst wichtig, dass die von den Motionären geforderten Punkte in der Vernehmlassungsantwort des Regierungsrats enthalten sind und unterstützt diesen Vorstoss einstimmig. Donat Schneider, Ostermundigen (SVP). Die SVP wurde von der Dringlichkeit her zwar ein wenig überrascht immerhin wurde der Gegenvorschlag des Bundesrats am 7. April veröffentlicht das ändert aber nichts daran, dass wir die Motion inhaltlich vollumfänglich unterstützen. Wir sind der Überzeugung, es brauche dringend eine Besserstellung des Hausarztes gegenüber den Spezialisten, um die Misere auf dem Hausarzt-Markt lindern zu können. In diesem Sinn unterstützen wir die Motion. Die beiden Motionäre und meine Vorrednerin erwähnten bereits viele gute Argumente. In der Fraktion kamen wir zur Überzeugung, der Initiativtext löse letztendlich das Problem besser als der Gegenvorschlag. Deshalb unterstützen wir die Motion. Danielle Lemann, Langnau (SP). Ich habe natürlich auch eine Interessenbindung bekannt zu geben. Ich bin selber Hausärztin in einer Gruppenpraxis mit vier Hausärzten deshalb kann ich überhaupt hier vorne stehen. Der Grosse Rat nahm die Anliegen der Hausarztmedizin immer sehr ernst. Und auch die Schweizer Bevölkerung setzte mit dieser Initiative ein Zeichen, dass sie das ärztliche Grundversorgungssystem will, welches eine kostengünstige und gute Gesundheitsversorgung garantiert. Ich verstehe einerseits das Argument des Bundesrats, der Initiativtext sei ein bisschen lang und würde dadurch einen Gegenvorschlag provozieren. Anderseits hätte der Bundesrat auch einen kürzeren Gegenvorschlag ausarbeiten können. Er bräuchte auch das ganze medizinische Grundversorgungssystem nicht so zu überreglementieren, wie er es geplant hat. Es ist wichtig, dass der Kanton Bern eine klare Antwort zur Vernehmlassung zur Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» schreibt. Es braucht weniger eine Reglementierung, sondern vor allem die Punkte, welche die Motionäre aufgelistet haben. Ich muss eigentlich nicht alles zu wiederholen, was meine Vorredner bereits sagten, will es aber dennoch tun. Das Tarifsystem in einem hausarztfreundlichen Sinn zu verändern, ist wohl der Kernpunkt, der in der Kompetenz des Bundes liegt. Das wäre ein Beitrag zum Punkt Massnahmen zur Besserstellung der Hausärzte. Für die Punkte Aus- und Weiterbildung der Hausärzte und konkrete Massnahmen zur Linderung des Hausärztemangels bräuchte es an jeder Universität einen Professor oder eine Professorin für Hausarztmedizin. Wichtig ist zu erwähnen, dass der Kanton mit der Förderung der Praxisassistenz, was die Aus- und Weiterbildung angeht, bereits einen wichtigen Impuls gab. Ich habe im Moment auch gerade einen Praxisassistenten in der Praxis, der mich in der Zeit vertritt, in der ich hier bin. Wichtig wären Massnahmen zur Unterstützung des ärztlichen Notfalldienstes, ein Problem, welches wir hier schon mehrmals besprachen und leider noch nicht lösen konnten. Der letzte Punkt, derjenige der Unterstützung der Nachfolgeregelung für die Praxis, ist wahrscheinlich eher eine kantonale Aufgabe. Wir werden dann sehen, wie das im Hausarztbericht gelöst werden wird. Der Regierungsrat hätte von mir und der ganzen SP-JUSO- PSA-Fraktion aus gesehen die Motion durchwinken können, anstatt eine Antwort mit so vielen Wenn und Aber zu schreiben. Denn in den letzten Jahren gab es dazu eigentlich eine klare Haltung des ganzen Grossen Rats. Es ist eine Tatsache, dass seit Einführung von TARMED und seit dem Regime Couchepin die Hausarztmedizin ökonomisch, organisatorisch und akademisch ins Abseits manövriert wurde. Seit Jahren wartet man auf die versprochene Korrektur des TARMED- Tarifs, welche die Hausärzte ein bisschen besser stellen würde. Der Bundesrat müsste nur ein Wort sagen und der Tarif wäre korrigiert. Die Erfahrungen mit diesem Tarif sind nicht gerade vertrauenerweckend für die Einführung des nächsten schweizweiten Tarifs, des DRG. Natürlich müssen die zukünftigen Player des Gesundheitswesens gut zusammenarbeiten. Die meisten Hausärzte und Hausärzte sind auch bereits in Netzwerken tätig und die Zusammenarbeit zwischen Spitex, den Lokalspitälern, Beratungsstellen und Therapeuten wurde in den letzten Jahren sehr gut. Es bringt von mir aus gesehen nicht viel, solche Versorgungsnetze von oben nach unten zu institutionalisieren; ausser in den Regionen, wo eine medizinische Grundversorgung nicht mehr möglich ist. Dann würde es sich klar um eine kantonale Angelegenheit handeln. Dass die Initiative eine einzelne Berufsgruppe bevorzugt, stimmt nicht. Die Hausarztmedizin ist ein

281 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Morgen 719 ganzes System zu dem verschiedene Ärztegruppen, medizinische Praxisassistentinnen, Sekretärinnen, Therapeuten und Pflegfachfrauen in den Praxen gehören. Die Fraktion SP- JUSO-PSA ist für ein klares Votum des Regierungsrats zu den Punkten des Motionärs und bittet Sie, die Motion anzunehmen. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Für die Grünen hat Herr Grossrat Heuberger das Wort, diesmal als Fraktionssprecher, und anschliessend für die FDP Frau Grossrätin Zumstein. Als letzter Fraktionssprecher steht Herr Grossrat Schneider für die EDU auf meiner Liste. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Ich spreche nun als Fraktionssprecher und spare Ihnen mindesten 7 Minuten Redezeit ein: Die Fraktion der Grünen ist mit der Überweisung der Motion, wie sie vorliegt, einverstanden. Einen Gedanken möchte ich noch anfügen: Denken Sie daran, die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen ist wichtig und muss erhalten bleiben. Man darf sie nicht aushebeln, weil es gerade so «gäbig» ginge. Katrin Zumstein, Bützberg (FDP). Die FDP unterstützt die Anliegen der Motionäre. Die Hausarztmedizin ist einer der wichtigsten Grundpfeiler in unserem Gesundheitssystem. Das ist auch für uns unbestritten. In der Vergangenheit wurden auch vor allem auch von der FDP entsprechende Vorstösse zur Förderung der Hausarztmedizin eingereicht. Die Aufnahme der Forderungen der Motionäre im Vernehmlassungsverfahren können wir deshalb unterstützen. Den letzten Punkt der Forderungsliste Markus Meyer erwähnte es bereits stösst bei uns aufgrund unseres liberalen Gedankenguts allerdings nicht gerade auf grosse Begeisterung. Es geht nicht nur um das Unternehmenssteuerrecht, sondern wirkt darüber hinaus. Es ist uns wichtig, die Hausarztmedizin abstrakt und nicht auf eine Person bezogen zu betrachten. Strukturen mit Hausärzten die 24 Stunden verfügbar sind so wie es vorhin die EVP-Sprecherin ausführte, wird es vermutlich immer weniger geben. Eine staatlich verordnete Nachfolgeregelung ist deshalb ein bisschen fragwürdig. Wir können aber über unseren Schatten springen, die Motion als Ganzes unterstützen und sind dafür, dass sämtliche Punkte in die Vernehmlassungsantwort aufgenommen werden. Alfred Schneiter, Thierachern (EDU). Auch die EDU- Fraktion unterstützt die Anliegen der Motion. Auch an verschiedenen Mittagsveranstaltungen war zu hören, das Tarifsystem müsse neu angepasst werden. Das ist sicher ein wichtiger Punkt; Frau Lemann erwähnte es vorhin. Das betrifft uns als Patienten, und wir bezahlen das auch direkt. Aber das Meiste hat mit den Strukturen zu tun. Und wir müssen uns Folgendes bewusst sein: Wenn wir die Motion jetzt überweisen, wird sie irgendwann wieder beim Kanton landen. Das bedeutet, irgendwann werden wir auch über die Kosten sprechen müssen, welche die Strukturen nach sich ziehen. Ich möchte erwähnen, dass wir in der EDU-Fraktion solche Überlegungen anstellten. Nichtsdestotrotz ist uns diese Thematik wichtig. Auch etwas Emotionales spielt da mit; zu einem guten Hausarzt hat man auch Vertrauen. Wir möchten das System unbedingt erhalten und auch fördern. Markus Meyer, Roggwil (SP). Herzlichen Dank! Es war ein bisschen knapp, das alles noch hineinzubringen. Donat ich habe deine Kritik gehört, es ging sehr zackig. Aber ich erfuhr erst kurz vor der Session von diesem Problem und konnte mich dann erst informieren lassen. Ich stelle fest, dass alle Fraktionen das Anliegen unterstützen, darüber bin ich wirklich froh. Ich hörte, die BDP und ein bisschen auch die SVP seien für die Initiative. Ich persönlich finde die Idee des Gegenvorschlags gut. Es muss aber ein guter Gegenvorschlag sein, einer, der diesen Namen verdient und kein untauglicher in der Art, wie er jetzt vorliegt. Ich bin froh, wenn der Grosse Rat für einen grossen Kanton ein starkes Signal aussendet. Ich bitte Herrn Regierungsrat Perrenoud und den Regierungsrat als Gesamtes inständig, das aufzunehmen und nach Bundesbern zu tragen. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Keine Angst, ich werde es wieder kurz machen. Ich möchte nur kurz etwas zu Punkt sieben sagen Unterstützung der Hausärzte bei der Nachfolgeregelung für ihre Praxis, der vorhin angesprochen wurde. Wir werden diesen Punkt im Dezember im Bericht zur Hausarztmedizin in der Kommission behandeln, welcher anschliessend auch im Grossen Rat behandelt wird. Dazu wird es sehr viele unterstützende Massnahmen geben, Randbedingungen und viele andere Punkte werden aufgezählt werden. Man muss nicht befürchten, dass nun bloss Gelder fliessen sollen. Es kann zwar durchaus einmal Geld fliessen, im Bericht aber wird klar ein ganzes Paket von möglichen Unterstützungspunkten aufgeführt werden. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. J aimerais me joindre au député Heuberger pour vous remercier pour les diverses interventions que vous avez faites en faveur de la médecine générale. Pour ma part, en tant que directeur de la santé, je suis intervenu à plusieurs reprises au sein de la Conférence des directeurs sanitaires, pas toujours avec succès, dans l intérêt de la médecine générale. Je vous rappelle l histoire avec le conseiller fédéral Couchepin concernant les tarifs de laboratoire: j étais à l époque le seul à la CDS à proposer une diminution des tarifs de laboratoire avec l argument que cela allait pénaliser les généralistes et M. Couchepin m avait garanti que cela n allait pas être le cas. On a vu récemment que ce sont justement les généralistes qui ont été pénalisés dans ce cadre-là. Je suis depuis 18 mois aussi le président de la commission d application de la LaMal et, dans le cadre de cette commission, je me suis également inquiété de l avenir de la médecine générale, étant donné que la révision de la LaMal, telle qu elle est conçue, est plutôt prévue pour le plat pays qui est le nôtre entre le lac de Constance et le lac Léman. En effet, lorsqu il s agira de régions à topographie difficile ou à faible densité de population, nous aurons certainement des difficultés concernant la médecine générale et, là aussi, un groupe de travail au niveau suisse s est mis à l œuvre. Ce sont là mes intérêts pour la médecine générale. Revenons au texte de l initiative. J aimerais d abord souligner ici, par rapport aux propos relativement durs que j ai entendus de la part de certains et en particulier M. Meyer concernant l Office fédéral de la santé publique, que nous ne sommes plus sous l ère Couchepin, nous sommes sous l ère de M. Burkhalter. M. Burkhalter est nettement plus attentif à la médecine générale et il est faux de dire ici que l initiative résout tous les problèmes et que le contre-projet est tout faux. La discussion avec le Conseil fédéral consiste à dire qu on met un texte dans la Constitution et à partir de là que se passe-t-il? Le Conseil fédéral a clairement dit que l intention du contre-projet était de proposer des mesures pour l ensemble de la Suisse, y compris des mesures financières. On arrive là sur la question du dialogue national sur la santé et que nous discutons actuellement avec M. Burkhalter de savoir qui paie quoi, c est aussi un principe d équivalence fiscale. Ceci signifie que dans le contre-projet tout n est pas à jeter et dans l initiative tout n est pas bon. Si

282 Juni 2011 Morgen Gesundheit und Fürsorge on laisse l initiative telle quelle, il ne va rien se passer pendant des années au niveau fédéral et on n aura résolu aucun problème. Le contre-projet amène certaines réponses, elles sont insuffisantes, la Conférence des directeurs sanitaires met en particulier en question la définition de la notion de la médecine de base qui n est pas précise, les critères d intervention de la Confédération qui ne sont pas clairs, de même que le principe d équivalence, qui veut que la compétence en matière de pilotage coïncide avec l obligation de financement, qui n est pas non plus clair. Ce contre-projet doit certainement être amélioré, il peut contenir les points qui ont été mentionnés ici par les motionnaires. La difficulté pour le gouvernement, c est simplement que nous n avons pas fini la phase de corapport entre les différentes Directions, d où la décision prise par le gouvernement de proposer ceci comme postulat et de voir quel signal sera donné par le parlement. Je n ai aucune difficulté de vivre avec la motion, mais encore une fois, le contre-projet, s il vient en avant, doit être nettement amélioré. Je suis fier de vivre dans un canton où on soutient la médecine générale. Abstimmung Für Annahme der Motion Dagegen 133 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /11 Dringliche Motion Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP) / Zumstein, Langenthal (FDP) Kontrolliertes Notrecht Wortlaut der Motion vom 31. Januar 2011 Aus der Medienmitteilung vom 14. Dezember 2010 geht hervor, dass der Regierungsrat im Hinblick auf die Einführung der neuen Spitalfinanzierung gemäss KVG ab 1. Januar 2012 per Verordnung die dringlichsten Massnahmen regeln will, da er dem Grossen Rat die Revision des Spitalversorgungsgesetzes nicht zeitgerecht zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen kann. Als Zieltermin für die Inkraftsetzung des revidierten Spitalversorgungsgesetzes sieht der Regierungsrat erst den 1. Januar 2014 vor. Er kündigt in der Medienmitteilung eine erste dringliche Verordnung per Ende März 2011 und eine zweite dringliche Verordnung auf den 1. Januar 2012 an. Leider ist es auf Grund der im KVG gesetzten Fristen nicht möglich, dass eine Kommission des Grossen Rates zur ersten dringlichen Verordnung Stellung nehmen kann. Wir bitten aber den Regierungsrat, deren Inhalt in der Antwort zur Motion darzulegen. 1. Die zweite dringliche Verordnung soll der vorberatenden Besonderen Kommission des Grossen Rats zum Bericht «Versorgungsplanung gemäss Spitalversorgungsgesetz» zur Genehmigung vorgelegt werden. 2. Der vorberatenden Besonderen Kommission zum Bericht «Versorgungsplanung gemäss Spitalversorgungsgesetz» wird der aktualisierte Bericht mit den neusten Zahlen 2009 und den angepassten Strategien und Massnahmen zur Verfügung gestellt. Begründung: In der Antwort des Regierungsrates zur Motion 183/09 BDP (Haldimann, Burgdorf), «Gleich lange Spiesse für alle Spitäler ab 2012», führte er auf, dass der Grosse Rat «voraussichtlich 2010 diese Revision beraten» wird. Gemäss der Rollenden Vorlageplanung, Stand 22. Dezember 2010, beabsichtigt er aber, erst 2013 dem Grossen Rat die Revision des Spitalversorgungsgesetzes zur Beratung vorzulegen. Es ist daher wichtig, dass eine Spezialkommission zumindest zur zweiten dringlichen Verordnung Stellung nehmen kann. Die Umsetzung der KVG-Teilrevision vom 21. Dezember 2007 kann nicht allein über dringliche Verordnungen bis 2014 erfolgen, ohne dass der Grosse Rat die Stossrichtung unterstützt. Über den Bericht zur Versorgungsplanung muss der Grosse Rat mit Planungserklärungen die Möglichkeit haben, auf die zweite dringliche Verordnung einzuwirken. Punkt 2 der Motion wird erforderlich, damit die vorberatende Besondere Kommission ebenfalls den gleichen Wissensstand wie der Regierungsrat hat. Die Konsultationsfassung des Berichts «Versorgungsplanung gemäss Spitalversorgungsgesetz» basiert auf den Zahlen von Auf Seite erwähnt der Regierungsrat, dass er ab Winter 2011 die neusten Zahlen in den Bericht einarbeiten will. Eine Aktualisierung ist dringend, da der Grosse Rat gemäss derzeitiger Rollender Vorlageplanung im November 2011 zum Bericht Stellung nehmen kann, d. h. einerseits am Ende des ersten Jahres seiner Gültigkeit und anderseits weil das den zu beschliessenden Massnahmen hinterlegte Datenmaterial bereits 4-jährig ist. (Weitere Unterschriften: 0) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine Motion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates (Richtlinienmotion). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages, und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat. 1. Zur Anpassung kantonalen Rechts an die KVG-Revision (Spitalfinanzierung) Der Regierungsrat hat im Dezember 2010 beschlossen, das kantonale Recht paketweise an die KVG-Revision anzupassen. 1. Paket: Am 23. März 2011 beschloss der Regierungsrat die Einführungsverordnung 1 zur Änderung vom 21. Dezember 2007 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (EV1 KVG; = 1. dringliche Verordnung). Sie wurde in der Bernischen Amtlichen Gesetzessammlung unter BAG und in der Bernischen Systematischen Gesetzessammlung unter BSG veröffentlicht. Sie trat am 30. März 2011 in Kraft. Auf die Wiedergabe von deren Inhalt kann deshalb an dieser Stelle verzichtet werden. 2. Paket: Die im Entwurf vorliegende Einführungsverordnung zur Änderung vom 21. Dezember 2007 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (EV KVG) stellt die 2. dringliche Verordnung dar. Sie integriert die Elemente der EV1 KVG, sodass diese aufgehoben werden kann. Der Entwurf der EV KVG befindet sich zwischen Mitte Mai und Mitte Juni in Konsultation. Begrüsst werden insbesondere die politischen Parteien, die Oberaufsichtskommission und die Verbände und Leistungserbringer im Spitalversorgungsbereich. Der Regierungsrat wird die EV KVG voraussichtlich auf 1. Januar 2012 in Kraft setzen. 3. Paket: Das Dringlichkeitsrecht wird ins ordentliche Recht, das heisst ins Spitalversorgungsgesetz überführt. Vorgesehen ist, dass das revidierte Spitalversorgungsgesetz am 1. Januar 2014 in Kraft tritt. Das Anliegen der Motionärinnen, den Grossen Rat möglichst früh in die Erarbeitung des Einführungsrechts zur KVG- Revision einzubeziehen, ist legitim. Würde man der Motion entsprechend eine besondere Kommission einsetzen, ergäbe sich folgendes Szenario: Grundsätzliche Aspekte: Der Einbezug des Grossen Rats ist im Rahmen des Dringlichkeitsrechts nicht vorgesehen.

283 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Morgen 721 Deshalb kann eine grossrätliche Kommission auch keine Verordnungen des Regierungsrates genehmigen. Aufgrund der ausserordentlichen Umstände wäre es jedoch durchaus möglich, dass eine grossrätliche Kommission durch die Gesundheits- und Fürsorgedirektion über den Entwurf zur EV KVG informiert würde und die Kommission Stellung nehmen könnte. Ablauf: Der Terminplan für die EV KVG sieht für die Phase nach der Konsultation wie folgt aus: August 2011: Beginn Mitberichtsverfahren September 2011: Auswertung der Mitberichte, Überarbeiten der Vorlage Oktober 2011: Verabschiedung durch den Regierungsrat - 1. Januar 2012: Inkrafttreten Mit dem Einbezug einer besonderen grossrätlichen Kommission würde sich der Terminplan wie folgt verändern: - Septembersession 2011: Voraussichtliche Bestellung der vorberatenden Kommission für den Bericht «Versorgungsplanung gemäss Spitalversorgungsgesetz» - Oktober 2011: Stellungnahme der Kommission zum Entwurf EV KVG - November 2011 bis?: Überarbeitung des Entwurfs durch die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (Zeitdauer ist abhängig vom Überarbeitungsbedarf) - Danach: Erneutes Mitberichtsverfahren (Dauer: 3 Wochen) - Danach: Überarbeitung des Entwurfs durch die Gesundheits- und Fürsorgedirektion - Danach: Verabschiedung durch den Regierungsrat - Danach: Je nach Zeitpunkt der Verabschiedung: Evtl. ausserordentliche Publikation, evtl. rückwirkende Inkraftsetzung, evtl. spätere Inkraftsetzung Der ursprüngliche Zeitplan könnte nicht eingehalten werden, und das Risiko ist sehr gross, dass die EV KVG nicht auf 1. Januar 2012 in Kraft treten kann. Konsequenzen des verspäteten Inkrafttretens der EV KVG: - Die Leistungserbringer im Spitalversorgungsbereich sind darauf angewiesen, dass sie frühzeitig wissen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für sie gelten. Sie sind bereits mit dem engen Fahrplan des Dringlichkeitsrechts einer gewissen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Eine Verschiebung des Zeitpunktes für das Inkrafttreten würde diese Rechtsunsicherheit in unzumutbarer Weise verstärken. - Die einheitlichen Finanzierungsregeln des KVG gelten ab 1. Januar 2012, ohne dass im Kanton Bern einheitliche Spielregeln für die Leistungserbringer gelten würden. Insbesondere würden nicht von Anbeginn an gleich lange Spiesse für alle Listenspitäler gelten. - Der Gesundheits- und Fürsorgedirektion würde die Datenbasis für ihre Steuerungsfunktion partiell fehlen. Insbesondere ein Vergleich der Listenspitäler würde erschwert. Aus all diesen Gründen gelangt der Regierungsrat zum Schluss, dass ein verspätetes Inkrafttreten der EV KVG aufgrund der Einsetzung einer besonderen Kommission des Grossen Rates nicht verantwortbar ist. Das berechtigte Anliegen der Motionärinnen wurde jedoch auf andere Weise erfüllt: Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion führte trotz engem Zeitrahmen eine relativ breite Konsultation durch. Begrüsst wurden insbesondere die politischen Parteien und die Oberaufsichtskommission. Die Oberaufsichtskommission konnte im Rahmen der Konsultation auf ähnliche Weise Stellung nehmen wie dies eine besondere Kommission im Rahmen der Beratung über die Versorgungsplanung tun würde. Der Grosse Rat wird bei der Überführung des Dringlichkeitsrechts in das Spitalversorgungsgesetz all seine Mitwirkungsund Entscheidrechte zur Verfügung haben. 2. Zur Versorgungsplanung Wie auf den Seiten 38 bis 39 der Konsultationsfassung der Versorgungsplanung festgehalten, ist die Gesundheits- und Fürsorgedirektion daran, die Daten zu aktualisieren. Der vorberatenden Kommission des Grossen Rats wird die Versorgungsplanung mit den aktuellsten Daten vorgelegt. Antrag: Ziff. 1 Annahme als Postulat und Abschreibung, Ziff. 2 Annahme und Abschreibung. Eva Desarzens-Wunderlin, FDP, Boll. Es handelt sich hier um ein Geschäft, das keine Freude macht, aber unserer Ansicht nach nötig war. Der Bund revidierte das KVG Ende des Jahres Ende März gab es eine dringliche Verordnung, und nun gibt es wieder eine, die auf den eingeführt werden soll. Und unser Spitalversorgungsgesetz ist noch nicht revidiert. Ich erachte das als ein bisschen schwierig, weil zwischen dem Entscheid des Bunds und dem heutigen Zeitpunkt dreieinhalb Jahre liegen. Das ist eine lange Zeit. Man wusste ja, was im KVG steht und in welche Richtung es gehen wird. Es wäre genug Zeit gewesen, um uns Grossräten das Spitalversorgungsgesetz ordentlich vorzulegen wie es auch in anderen Kantonen möglich war und anschliessend eine Spitaleinführungsverordnung im Regierungsrat zu verabschieden. Der Grosse Rat hätte sich aus der Verordnung herausgehalten, und es wäre kein Problem gewesen. Weil wir im Dezember letzten Jahres von diesem Zeitplan erfuhren, wollten wir ein bisschen mehr wissen und nicht dem Regierungsrat das alleinige Sagen überlassen. Natürlich ist es bei Punkt 1 relativ schwierig, eine Verordnung durch den Grossen Rat genehmigen zu lassen. Selbstverständlich liegt es nicht in der Kompetenz des Grossen Rats, eine Verordnung genehmigen zu lassen. Aber wir möchten zumindest angehört werden und uns dazu äussern können, in welche Richtung anschliessend auch das Spitalversorgungsgesetz gehen solle. Denn die Verordnung basiert normalerweise auf dem Gesetz. Hier müsste es das revidierte Gesetz sein. Werden in der Einführungsverordnung Dinge aufgeführt, die wir im Spitalversorgungsgesetz nicht drin haben möchten, wird es für die diejenigen, die durch das Spitalversorgungsgesetz betroffen sind zum Beispiel die Spitäler und das Rettungswesen relativ schwierig. In relativ kurzer Zeit muss viel geschehen. Ich danke dem Regierungsrat, dass er in seiner Antwort Stellung zur Notrechtsverordnung vom März nahm. Diese ist damit abgehandelt. Er zeigt auch auf, wie es mit der Einführungsverordnung für den weitergehen soll. Auch hier hätte der Zeitplan anders gestaltet werden können. Wieso wurde sie erst im Mai in die Vernehmlassung bzw. Konsultation gegeben? So erhält man schlussendlich wieder ein Zeitproblem. Hier setzen wir ein grosses Fragezeichen. Unseres Erachtens wäre das nicht nötig gewesen. Wir halten an Punkt 1 fest, da wir als Grosser Rat aber Verordnungen nicht genehmigen können in Postulatsform. Die Kommission zur Spitalversorgungsplanung soll mitreden und einbringen können, was sie richtig findet und was nicht. Denn sich noch nach dreieinhalb Jahren auf Notrecht zu berufen, ist schon ein bisschen schwierig. Punkt 2 ist kein Problem. Wir folgen hier dem Antrag des Regierungsrats auf Annahme und Abschreibung, weil er in seiner Antwort ankündigte, er werde uns den neuen Bericht mit aktualisierten Zahlen vorlegen. Hierzu habe ich ein dringendes Anliegen: Ich bitte darum, den Bericht für die Grossräte in einer markierten Version abzugeben. Wir müssen schon genug «Zahle bigele». Es wäre ideal, wenn wir mindestens wüssten, welche Stellen auch im Text aktualisiert wurden. Es ist schwierig genug, das Ganze noch ein zweites Mal zu lesen und sich auf dieser Grundlage wieder zu positionieren. Bitte stimmen Sie Punkt 1

284 Juni 2011 Morgen Gesundheit und Fürsorge als Postulat zu, bei Punkt 2 sind wir mit Annahme und Abschreibung einverstanden. Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Wir haben folgende Ausgangslage: Die Motionärin hat Ziffer 1 in ein Postulat gewandelt und bestreitet dessen Abschreibung. Wird Ziffer 1 als Postulat im Rat bestritten? Das ist nicht der Fall. Dann können wir über das Postulat abstimmen und anschliessend über dessen Abschreibung. Bei Ziffer 2 besteht keine Differenz zum Regierungsrat. Die Motionärin ist einverstanden. Ist der Rat ebenfalls einverstanden mit Annahme und Abschreibung von Ziffer 2? Das ist der Fall. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Ziff. 1 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Ziff. 1 Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme und Abschreibung von Ziff. 2 der Motion Dagegen 113 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung 2 Stimmen 113 Stimmen 2 Enthaltungen 113 Stimmen 0 Stimmen 0 Enthaltungen Therese Rufer-Wüthrich, Zuzwil (BDP), Vizepräsidentin. Ich habe es vor lauter Konzentration beinahe vergessen: Es ist jetzt selbstverständlich Mittagspause. Ich wünsche Ihnen allen «e Guete»! Hier werden die Beratungen unterbrochen. Schluss der Sitzung um Uhr Die Redaktorinnen: Andrea Trachsel (d) Catherine Graf Lutz (f)

285 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 723 Dreizehnte Sitzung Donnerstag, 16. Juni 2011, Uhr Vorsitz: Beat Giauque, Ittigen (FDP), Präsident Präsenz: Anwesend sind 142 Mitglieder. Entschuldigt abwesend sind: Eva Baltensperger, Roberto Bernasconi, Eva Desarzens-Wunderlin, Peter Flück, Thomas Fuchs, Lorenz Hess, Natalie Imboden, Josef Jenni, Irène Marti Anliker, Nadine Masshardt, Luc Mentha, Markus Meyer, Corrado Pardini, Bernhard Riem, Corinne Schmidhauser, Franziska Schöni- Affolter, Fritz Wyss, Maxime Zuber. Präsident. Wir kommen zum letzten Nachmittag der Juni- Session. Wir werden heute um vier Uhr abschliessen. Die Zeit wird sicher nicht für alle Geschäfte reichen. Wie die Wetterfrösche versuchen wir vorauszusehen, wie lange wir für die einzelnen Vorstösse brauchen. Wenn etwas in ein Postulat gewandelt wird, geht es jeweils natürlich etwas schneller, wenn diskutiert wird, etwas länger. Es ist fraglich, ob wir mit den Geschäften der GEF fertig werden und diejenigen der JGK noch drannehmen können. Bei der JGK wissen Sie ja, dass mit den Notariatsgeschäften ein grosses Thema ansteht, dessen Behandlung wir sicher nicht kurz vor vier Uhr noch beginnen würden. Wenn wir überhaupt mit den Geschäften der GEF fertig werden, nehmen wir noch die Berichte aus der JGK-Liste dran, soweit die Zeit reicht. Wir werden die Lage etwa in einer Stunde nochmals beurteilen. Wir haben auch noch die Verabschiedung von zwei Ratsmitgliedern, die wir entweder zwischen den Beratungen oder aber gegen Schluss der Sitzung vornehmen werden; jedenfalls nicht dann, wenn Sie schon dabei sind, Ihre Mappen zu packen. Geschäft /11 Dringliche Motion Lemann, Langnau (SP) DRG Riesige Kosten und lauter ungelöste Fragen Wortlaut der Motion vom 28. März 2011 Das Krankenversicherungsgesetz vom 21. Dezember 2007 (Spitalfinanzierung) sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2012 die Vergütung aller stationären Behandlungen über Fallpauschalen erfolgen muss, und zwar mit Swiss DRG (Diagnose Related Groups). Das Parlament war 2007 wenig überzeugt: Gegenstimmen (52) und Enthaltungen(56) überwogen die Ja- Stimmen (90) bei weitem. Heute, neun Monate vor der Einführung, sind die Auswirkungen einer einheitlichen Fallpauschale für Spitalbehandlungen höchst ungewiss. Die Erfahrungen in Deutschland und einigen Kantonen zeigen, dass mit den DRG die erhofften Ziele, wie Kosteneinsparungen, Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen, nicht erreicht werden können. Der Regierungsrat wird deshalb aufgefordert, sich im Rahmen der Gesundheitsdirektorenkonferenz beim Bundesrat für einen Marschhalt in der Einführung von DRG einzusetzen, bis die wichtigsten Fragen gelöst sind. Begründung: Die Auswirkungen von Swiss DRG auf die Kosten des Gesundheitswesens (siehe Kassensturz vom 15.3.: Neue Spitalfinanzierung kostet Milliarden!) auf die Versorgungssicherheit auf die Arbeitsbedingungen und die Aus- und Weiterbildung des gesamten Gesundheitspersonals auf den Datenschutz auf die Versorgung der Patienten und Patientinnen in der Kinderheilkunde, Psychiatrie, Palliativen Pflege, Geriatrie, und in der hochspezialisierten Medizin sowie die fehlende Begleitforschung müssen vorgängig geklärt werden. Bevor diese Fragen nicht beantwortet sind, ist ein Moratorium dringend notwendig. Die versprochenen flankierenden Massnahmen können in so kurzer Zeit nicht durchgeführt werden. Der Kanton Bern hat ein sehr gutes, breit gefächertes Gesundheitssystem, das über Jahrzehnte gewachsen ist. Eine voreilige Einführung des rigiden neuen Fallpauschalsystems, das an Radikalität die Abrechnungssysteme anderer Länder und des jetzigen DRG übertrifft, würde zu irreversiblen Kollateralschäden führen. Eine so tiefgreifende Systemänderung darf nicht unter Zeitnot eingeführt werden. In den Kantonen Zürich und Graubünden wurden in den Parlamenten ähnliche Vorstösse überwiesen. (Weitere Unterschriften: 28) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die eidgenössischen Räte beschlossen am 21. Dezember 2007 mit der Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung, dass spätestens ab 2012 sämtliche stationäre Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) dual-fix von den Krankenversicherern und den Kantonen zu finanzieren sind. Ebenfalls beschlossen sie, dass zur Abgeltung diagnosebezogene Fallpauschalen einzuführen sind. Dabei haben sie ihren Willen zum schweizweiten Einführungszeitpunkt klar ausgedrückt und direkt im Revisionserlass verankert. Wie u. a. auch der Kassensturz berichtete, führt die neue dual-fixe Finanzierung zu einer Verschiebung der Kosten zwischen Kanton und Krankenversicherer. Der Kanton Bern rechnet mit einer Mehrbelastung des öffentlichen Haushalts von rund 260 Mio. Franken und im Gegenzug mit einer Entlastung der OKP von rund 200 Mio. Franken sowie der Zusatzversicherungen von rund 60 Mio. Franken. Aufgrund des sogenannten OKP-Vertrags zwischen den Privatspitälern und den Krankenversicherern werden im Kanton Bern die Kosten mehrheitlich von der OKP zur öffentlichen Hand verschoben und nicht wie in den meisten anderen Kantonen vom Zusatzversicherungsbereich zur OKP und zur öffentlichen Hand. Der Regierungsrat erwartet von den Krankenversicherern, dass sie die Entlastung an die Versicherten weitergeben. In der Folge sollten sich die Krankenkassenprämien im Kanton Bern ab 2012 stabilisieren und dann sogar sinken. Bei den im Kassensturz erwähnten Kosten in Milliardenhöhe handelt sich somit nicht um Mehrkosten, die aufgrund der Einführung von SwissDRG entstehen, sondern um eine Verschiebung der Kosten zwischen den verschiedenen Finanzierern. In der Akutsomatik wird das eigens für die Schweiz entwickelte diagnosebezogene Fallpauschalensystem SwissDRG wie gesetzlich gefordert per 2012 eingeführt. Abgeltungssysteme mit Diagnosis Related Groups (DRG), d. h. mit kostenmässig und medizinisch homogenen Diagnosegruppen, ermöglichen es, stationäre Spitalleistungen untereinander so vergleichbar zu machen, dass sie mit einer Pauschale pro Fall abgegolten werden können. Die Fallpauschalen sollen Anreize für eine qualitativ hochwertige und zugleich kosteneffiziente Spitalversorgung setzen. Das System ist nicht neu, sondern wird seit zahlreichen Jahren in vielen Ländern angewendet und laufend verbessert und angepasst. Der Kanton Bern entschädigt die öffentlich subventionierten Akutspitäler bereits seit 2007 über das DRG-System APDRG (All Patient Diagnosis Related Groups). Ebenfalls erfolgt die Abgeltung durch die Krankenversicherer in einigen öffentlich subventionierten

286 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Akutspitälern seit 2005 und in sämtlichen öffentlich subventionierten und privaten Spitälern seit 2010 über APDRG. Der Wechsel zu SwissDRG wird daher zu keiner grossen Veränderung der Finanzierung im Kanton Bern, weder bei der öffentlichen Hand noch bei den Krankenversicherern, führen. Vielmehr stellt die Einführung von SwissDRG eine Weiterentwicklung der heutigen diagnosebezogenen Leistungsfinanzierung dar. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre sind somit insbesondere die öffentlich subventionierten Spitäler bestens vorbereitet. Zu den weiteren von der Motionärin aufgeführten Punkten nimmt der Regierungsrat zudem wie folgt Stellung: Die Einführung von SwissDRG gefährdet die Versorgungssicherheit nicht, da sämtliche versorgungsnotwendigen Leistungen und die damit verbundenen Kosten über die diagnosebezogenen Fallpauschalen abzugelten sind. Für die Organisation und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung des gesamten Gesundheitspersonals sind grundsätzlich die Kantone zuständig. Auch wenn die neue Spitalfinanzierung für die Aus- und Weiterbildung der nichtuniversitären Gesundheitsberufe eine Finanzierung über die Tarife vorsieht, ändert sich nichts an dieser Zuständigkeit. Im Rahmen der Einführungsverordnung zur Änderung vom 21. Dezember 2007 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung beabsichtigt der Kanton Bern deshalb für alle Listenspitäler (unabhängig ihrer Trägerschaft) u. a. eine Verpflichtung zu Aus- und Weiterbildung und zur Sicherstellung der Arbeitsbedingungen eine Verpflichtung zu Gesamtarbeitsverträgen einzuführen. Damit sollen gleich lange Spiesse geschaffen werden. Die Finanzierung der universitären Lehre bleibt weiterhin bei der öffentlichen Hand. Auf nationaler Ebene gibt es zudem Plattformen und Arbeitsgruppen die sich u. a. mit der Finanzierung und der Sicherstellung einer hohen Qualität der ärztlichen Weiterbildung beschäftigen. Die Einführung von SwissDRG hat auch keine Auswirkungen auf den Datenschutz. Unabhängig vom Abgeltungssystem haben alle Beteiligten die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Dies gilt auch für die Rechnungsstellung. Gemäss KVG muss das Spital dem Krankenversicherer eine detaillierte Rechnung zustellen. Hierbei sind alle Angaben zu machen, die notwendig sind, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen überprüfen zu können. Gemäss Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2009 (BVGE 2009/24) und unter Berücksichtigung der Datenschutzgesetzgebung haben die Krankenversicherer und Leistungserbringer hierzu Regelungen in den Tarifverträgen zu vereinbaren. Bei SwissDRG handelt es sich um ein lernendes System. Erst die Anwendung des Modells ermöglicht allfällige Schwachstellen aufzudecken und das System laufend weiterzuentwickeln sowie zu verbessern. So kann gewährleistet werden, dass z. B. die Versorgung der Patienten und Patientinnen in der Kinderheilkunde, Psychiatrie, palliativen Pflege, Geriatrie und in HSM sichergestellt und leistungsbezogen abgegolten werden kann. Die wesentlichen Gesichtspunkte einer Begleitforschung sind abgedeckt. Unter Begleitforschung werden grundsätzlich etwa allgemeine Monitoringaktivitäten mittels Kennzahlen, Qualitätsmessungen oder Versorgungsforschung an Universitäten und Fachhochschulen verstanden. Die Durchführung gesamtschweizerischer Programme zum Systemmonitoring oder für eine eigentliche Versorgungsforschung ist Aufgabe der nationalen Organisationen, die für die Einführung der Fallpauschalen zuständig sind, oder Hochschulen, die in entsprechenden Forschungsbereichen tätig sind. Einzelne dieser Institutionen haben bereits Vorschläge für Begleitforschungen gemacht. Zudem führen seit 2003 sämtliche Berner Spitäler im Rahmen von QABE bereits Ergebnismessungen durch. Mit diesen Messungen sind Vergleiche der Ergebnisqualität vor und nach der Einführung von SwissDRG möglich. Auf nationaler Ebene sind ausserdem im Rahmen des im 2009 gegründeten Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) Qualitätsmessungen im Aufbau. Der ANQ ist derzeit daran, verbindliche Vorgaben für die Qualitätsmessungen ab 2012 zu erstellen. Aufgrund der obigen Ausführungen ist der Regierungsrat der Ansicht, dass der Einführung von SwissDRG per 1. Januar 2012 nichts entgegen steht. Antrag: Der Regierungsrat beantragt die Ablehnung der Motion. Präsident. Aufgrund des Ordnungsantrags beschlossen wir heute Morgen, dass nun die Motion Lemann behandelt wird. Danielle Lemann, Langnau (SP). Wie Sie alle mitbekommen haben, habe ich noch Unterstützung für mein Anliegen bekommen vor dem Rathaus (Ärzte und Ärztinnen demonstrieren vor dem Rathaus und verteilen Samentüten von Vergissmeinnicht mit der aufgedruckten Bitte «Vergissunsnicht»). Oft sagt man mir, es sei zu spät, die DRG komme so oder so; Fertig, Schluss. Am wird es noch viel «zu später» sein. DRG, die Fallpauschale nach Diagnose, ist etwas, das sehr schwierig zu verstehen ist. Deshalb wurde sie in den eidgenössischen Räten im Jahr 2007 auch nur knapp angenommen und deshalb ergriff damals auch niemand das Referendum. Erst nach einer gewissen Zeit erfuhr vor allem das Gesundheitspersonal, wie demotivierend und manchmal unmenschlich sich dieses DRG-System in den Spitälern auswirkt. Auch ich erlebe dies in meiner Arbeit mit Patienten im Spital konkret, und ich reichte bereits im Jahre 2008 unter dem Titel «Menschliches Sterben in Berns Spitälern» eine Motion ein. An der Mittagsveranstaltung letzte Woche und vorher mehrmals durch Frau Müller von der GEF bekamen wir bereits gute Erklärungen, was DRG ist. Meistens versteht man trotzdem nur «Bahnhof». Die DRG-Systeme wurden aus der Chirurgie heraus entwickelt. Es geht ja nicht an, dass eine Blinddarmoperation in einem Spital doppelt so viel kostet wie in einem anderen. Das ist logisch. Immer aber zieht man das Beispiel des Blinddarms heran. Hier stimmt DRG, das ist ganz klar. Chirurgische und standardisierte medizinische Prozeduren lassen sich mit DRG einigermassen erfassen und kodieren. Das DRG-System wird nun aber für die gesamte Akut-Medizin gebraucht, und da wird es sehr komplex mit Tausenden von Codes zur Erfassung von Haupt- und Nebendiagnosen und von diagnostischen und therapeutischen Prozeduren. Computerprogramme hören Sie gut zu: es sind Computerprogramme, die dann für diese Diagnosen durch ein ausgeklügeltes Kostenberechnungssystem die Kosten gewichten. Sie ordnen ihnen so genannte Case Weights dies ist auch eine der Bezeichnungen, die man immer wieder hört zu. Die Krankenkassen brauchen dann diese Angaben, basierend auf einem Basispreis einer Base Rate um die Abgeltung zu definieren. Dieses Computerprogramm läuft schon fast wie in der Autofabrik, die Professor Leu gestern als Beispiel zitierte, wie ein Spital funktionieren sollte. Es ordnet jedem Patienten eine definierte Liegedauer zu, die nicht überschritten werden darf, wenn das Spital keine Verluste einfahren soll. Der Bundesrat könnte tatsächlich ohne grossen Schaden für gut standardisierte häufige Diagnosen die DRG einführen. So ist es übrigens in Australien, dem Land, das immer erwähnt wird, wenn es um DRG geht. Weil aber nur häufige und standardisierbare Diagnosen gut erfasst werden können, kommen Patienten mit seltenen Di-

287 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 725 agnosen dabei ist vor allem das Inselspital betroffen, Patienten mit vielen Diagnosen, solche mit chronischen Krankheiten, Kinder, also die ganze Pädiatrie, sowie schwerkranke und sterbende Patienten der Palliativmedizin im neuen System zu kurz und ebenso die Spitäler, die diese Patienten behandeln. Diese Patientengruppen müssen also unbedingt aus dem DRG-System herausgenommen werden, und zwar nicht erst nach einer Übergangsphase von drei Jahren. Ich erlebte selber, wie unmenschlich und für das Spitalpersonal und die Angehörigen manchmal unerträglich es ist, wenn Patienten in ihren letzten Stunden oder Tagen wegen DRG noch verlegt werden müssen. Gerade kürzlich starb ein Patient auf einem Transport. Die Kantone könnten für die Palliativpatienten selber eine Lösung einführen. Leider ist im Kanton Bern keine Lösung in Sicht. Ein menschliches Sterben in Berns Spitälern ist in Bern ausser im Salem-Spital nicht möglich. Wir können aber nicht alle ins Salem-Spital gehen, um zu sterben! Ein Hauptproblem dieser Ökonomisierung der Medizin liegt in der Korrumpierung. Tatsächlich ist es erschütternd, wie wir Ärztinnen und Ärzte uns durch das DRG-System korrumpieren lassen müssen, vor allem, wenn uns das Spital oder die Institution am Herzen liegt. Wir müssen unser medizinisches Handeln unter das Primat einer kurzfristigen Rendite stellen. Da sind wir wieder bei der Autofabrik. Ein Beispiel für die Korrumpierung, die bis am nicht gelöst werden kann, ist der Datenschutz. Ich arbeite in einem Spital, in dem die Krankenkassen mindestens zweimal pro Woche einen ganzen Austrittsbericht verlangen und diesen auch bekommen. In einem solchen Bericht steht alles über den Patienten, auch die Krankheiten seiner Eltern. Die Spitäler müssen den Krankenkassen diesen Bericht geben, sonst wird nicht bezahlt. Unterdessen lernten die Spitalärzte, spezielle DRG- Austrittsberichte zu schreiben: nur noch unpersönliche Angaben, und nur diejenige Diagnose, die nach dem DRG-System am meisten bringt und nicht jene, die für den Patienten am wichtigsten ist. Die Assistenzärzte müssen in diesem Sinne geschult oder eben besser: korrumpiert werden. Es stimmt, dass wir im Kanton Bern seit vier Jahren Erfahrungen mit DRG haben, und auch, dass Prämienerhöhungen wegen der vielen Privatspitäler im Moment noch kein Problem sind. Der erste Teil des Titels der Motion ist deshalb tatsächlich nicht richtig, der zweite Teil «lauter ungelöste Fragen» hingegen schon. Da muss man einfach sehen, dass das bisherige DRG-System harmlos ist gegenüber dem neuen SwissDRG. Aus den Erfahrungen von Deutschland können wir lernen, dass unter DRG keine Kostenersparnis stattfindet; es gibt höchstens Kostenverschiebungen. Die Pflegenden müssen durch KodiererInnen ersetzt werden. Aus Spargründen wurden in Deutschland seit der Einführung von DRG Pflegende entlassen. Es ist klar, dass dies die Versorgungssicherheit gefährdet. Wenigstens setzten National- und Ständerat nun nicht noch einen Kostendeckel auf die Prämienerhöhungen; dies wäre eine zusätzliche Kostendämpfung, die vor allem unser Personal betreffen würde. 70 Prozent der Spitalkosten sind Personalkosten, was auch in der Schweiz zu massivem Personalabbau führen wird. Das Gesundheitspersonal wird unter noch grösseren Zeitdruck kommen. Zum Pflegen wird keine Zeit mehr bleiben, es wird nur noch Administration und möglichst schnelle Entlassung der Patienten geben. Die Situation der Pflegenden könnte etwas entschärft werden, wenn die Pflegeleistungen im DRG berücksichtigt würden. Dies ist leider bisher nicht der Fall, und es ist nicht möglich, dies bis am ins DRG-System aufzunehmen. Es ist also weiterhin unklar, wie das ärztliche und nicht ärztliche Personal in dieser Stressatmosphäre in unseren Spitälern ausgebildet werden und wer die Kosten tragen soll. Ich komme zum Schluss: Entgegen der Antwort des Regierungsrats gibt es eigentlich nichts, das für eine menschliche Einführung des vollen DRG in sechs Monaten klar ist. Für die meisten Kantone ist auch das ökonomische Problem da, die Steigerung der Kosten der Krankenkassen. Eine richtige Begleitforschung kommt zu spät, um diese Probleme aufzeigen zu können. Man sagt, das DRG sei ein «lernendes» System dies wurde beim ambulanten Tarmed-Tarif auch gesagt. Dieser ist seit Jahren zum Leidwesen der medizinischen Grundversorgung eingefroren. Man kann sagen, dass Tarmed die ärztliche ambulante Medizin kaputtmachte; die Frage ist nun, ob DRG auch die Spitalmedizin kaputtmachen wird. Ich möchte deshalb den Regierungsrat bitten, bei Bundesrat Burkhalter, der nach der laufenden Session der eidgenössischen Räte wichtige Entscheide fassen wird, vorzusprechen und ihm von unseren Sorgen zu berichten, und dass wir nicht möchten, dass SwissDRG ungebremst eingeführt wird. Er hat noch sechs Monate Zeit für ein menschliches DRG. Ich bitte Sie, diese Motion es ist keine Standesinitiative anzunehmen. Dieter Widmer, Wanzwil (BDP). Danielle Lemann verlangt mit ihrer Motion einen Auftrag an die Regierung. Sie soll über die Gesundheitsdirektoren-Konferenz beim Bundesrat einen Marschhalt in Bezug auf die Einführung des DRG-Systems verlangen, damit offenbar hängige Fragen geklärt werden können. Aus dem Votum ging klar hervor, dass eine fundamentale Opposition gegen das System besteht, ja, dass sie es grundsätzlich ablehnt. Wenn Sie den Spitälern Probleme verschaffen wollen, so müsste im September / Oktober das System gestoppt werden. Sie würden dann wirklich nicht wissen, was ab dem 1. Januar 2012 gilt. Es ist unbestritten, dass SwissDRG Probleme bieten wird. Es ist sehr anspruchsvoll, aber es ist der Wille der eidgenössischen Politik, über das DRG- Abgeltungssystem eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Ich denke, dass dies für die Spitalmedizin der richtige Weg ist. Die meisten Spitäler im Kanton Bern sind am Üben mit diesem System, und es wird nun verfeinert. Wir erwarten, dass es sich in ein bis zwei Jahren mit Nachkorrekturen einpendeln wird. Deshalb finde ich es falsch, vom Kanton Bern aus ein solches Zeichen setzen zu wollen, indem wir die Motion überweisen. Ich empfahl Danielle Lemann, diese Motion zurückzuziehen, da ich überzeugt bin, dass sie abgelehnt würde. Damit hätte Danielle Lemann nämlich eine Meinungsäusserung des Grossen Rats, aber eine komplett andere als sie anstrebte. Die BDP-Fraktion ist einstimmig für Ablehnung. Béatrice Stucki, Bern (SP). Die Fallkostenpauschale, also die Einführung von gleichen Tarifen für gleiche Behandlungen in allen Spitälern der Schweiz wäre eine gute Sache. Es stimmt nicht, dass Frau Lemann sie grundsätzlich ablehnt. Die DRG funktioniert aber eben nur für Krankheitsfälle, die eher «technischer» Natur sind, also für Operationen und Behandlungen, wie sie vor allem im chirurgischen Bereich vorkommen. Wenn die Körper aller Menschen wie Maschinen gebaut wären, würden sie im Störfall auch alle gleich reagieren. Dies mag in einem gewissen Alter im Durchschnitt auch so sein. Sobald irgendein Element im Körper aber nicht nach Schema X mitspielt, wird das DRG-System störanfällig. Genau deshalb zeigt die Motion auf einen wunden Punkt des geplanten Abrechnungssystems. DRG ist kein Allerweltsheilmittel zur Kostensenkung und birgt tatsächlich grosse Gefahren. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion unterstützt die Motion zu einem grossen Teil, würde aber ein Postulat bevorzugen. Warum dies? Auf nationaler Ebene braucht es dringend einen Marschhalt, damit die allzu vielen offenen Fragen geklärt

288 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge werden können. Der Kanton Bern machte zwar seine Erfahrungen mit DRG bereits, und unsere Spitäler sind darin eigentlich auch ganz gut aufgestellt. Um aber einen nationalen Vergleich herstellen zu können, müssen noch Massnahmen ergriffen werden, damit es nicht zu einem Leistungsabbau oder zu einer massiven Verschlechterung der Arbeitsbedingungen kommt. Es macht also sehr wohl Sinn, mindestens ein Postulat zu überweisen. Es braucht zwingend Kontrollmechanismen, um die Einführung und vor allem auch die Umsetzung des DRG regelmässig zu überprüfen. Beispielsweise müssen die Kostenvergleiche des Preisüberwachers überprüft werden. Diese berücksichtigen das regionale Lohnniveau nicht. Wenn der Preisüberwacher wie dies kürzlich geschah feststellt, dass die Kosten im Tessin viel tiefer sind als im Kanton Bern, so hat dies primär mit den regionalen Gegebenheiten zu tun, wie etwa mit einem tieferen Lohnniveau. Die Versorgungssicherheit muss gewährt bleiben. Es darf auch nicht sein, dass Behandlungen, bei denen es aufgrund einer Komplexität öfters zu Überschreitungen der Fallkosten kommt, in einem Spital nicht mehr angeboten werden oder dass es zu frühzeitigen Austritten kommt. Sonst landen wir in einem Zweiklassensystem, wie es in den Vereinigten Staaten, wo DRG ja herkommt, leider Tatsache ist. Wer bezahlen kann, bekommt seine Leistung. Wer nicht auf der Sonnenseite steht, muss warten, egal, wie dringend die Operation ist. Eine meiner Freundinnen arbeitete in den Vereinigten Staaten als Pflegefachfrau. Sie gab den Beruf auf, weil sie das System nicht mittragen konnte und wollte. Es braucht dringend Vorschriften für die Ausbildung des Personals und verbindliche Personalschlüssel. Die Qualität der Pflege darf nicht auf Kosten der Anstellungsbedingungen gehen. Es darf nicht zu Lasten des Personals sein, wenn die Fallkosten aus dem Ruder laufen oder sonst irgendwo im Betrieb kompensiert werden müssten. Insbesondere im Bereich von Kindern und alten Menschen sind viel zu viele Fragen bezüglich der Berechnung der Kosten offen. Kinder brauchen viel mehr Betreuung und alte Leute ebenso. Es können, besonders bei älteren Leuten, nach Operationen Schwierigkeiten auftreten, die wiederum zu Verlängerungen des Aufenthalts oder zusätzlichen Operationen führen können. Auch bei Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung sind die Pauschalen, so wie sie jetzt angelegt sind, nicht zweckmässig. Die Fachleute verschliessen seit Jahren ihre Augen und Ohren vor den Tatsachen, ja negieren sie und wollen die Einführung des DRG als Mittel zur Gleichbehandlung aller Patientinnen und Patienten in der Schweiz verkaufen. Wir bitten Sie, Ihre Augen nicht zu schliessen und die Motion zu unterstützen, wenigstens als Postulat, falls gewandelt werden sollte. Es geht auch um Ihre Gesundheit, die Ihrer Eltern und auch die Ihrer Kinder. Katrin Zumstein, Langenthal (FDP). Die Motionärin sieht in der Einführung des SwissDRG am 1. Januar 2012 schwerwiegende Probleme nicht nur in Bezug auf die Kosten, sondern auch in Bezug auf die Versorgungssicherheit auf uns zukommen. Die FDP steht aber voll und ganz hinter der Antwort des Regierungsrats. Wir sind nämlich der Auffassung, dass gerade DRG ein Element der neuen Spitalfinanzierung ist, das einigermassen klar ist. Es wurde seit dem 1. Januar 2011 in den Spitälern eingeführt und es läuft. Es ist ein Element, das wir brauchen werden, damit wir die Wirtschaftlichkeit und die Qualität in den Spitälern messen können. Es wird auch eine Grundlage für die Gestaltung der Spitalliste sein. Gemäss der Mittagsveranstaltung von letzter Woche und der gestrigen Morgenveranstaltung kommen wir um das DRG nicht herum. Auch wenn sicher noch Korrekturen gemacht werden müssen es wird klar gesagt, dass noch nicht alles optimal laufen wird, gerade in der Pädiatrie, zu der Danielle Lemann schon gestern eine Frage stellte. Meiner Ansicht nach wurde dazu von Professor Leu eine klare Antwort gegeben, dass bezüglich der Aufenthaltsdauer von Kindern der DRG entsprechend angepasst werden muss. Da müssen wir uns keine Sorgen machen. Die FDP sieht deshalb keinen Grund, die Einführung wieder rückgängig zu machen und lehnt den Vorstoss auch gemäss dem Antrag der Regierung ab. Ein Postulat, wie von Béatrice Stucki erwähnt, macht keinen Sinn. Donat Schneider, Ostermundigen (SVP). Die SVP-Fraktion lehnt die Motion ebenfalls ab. Im Wesentlichen deshalb, weil es vom Zeitpunkt her völlig falsch wäre, wenn man jetzt einen Marschhalt einlegen würde, wie ihn die Motion fordert. Wir sprechen hier über eine Abrechnungsmethode, die seit 2007 auf eidgenössischer Ebene bekannt ist, davor sicher während zwei Jahren diskutiert wurde, und auf die sich nun die Spitäler und übrigen Gesundheitsversorger im Kanton engestellt haben und mehrheitlich auch so abrechnen. Wenn sie dies bis jetzt nicht taten, so ist es wahrscheinlich auch auf ihr eigenes Verschulden zurückzuführen. Wir anerkennen, dass das DRG gewisse Unsicherheiten mit sich bringt es ist auch möglich oder vielleicht sogar wahrscheinlich, dass es in gewissen Bereichen auch Mehrkosten mit sich bringen wird. Wir muten uns aber nicht zu, jetzt schon zu wissen, welches die Folgen sein werden. Das System ist nun so lange bekannt und muss eingeführt werden. Danach kann man vergleichen und analysieren. Eine Ablehnung im Vornherein entspricht nicht unserer Haltung. Wir haben ebenfalls Mühe mit der eher verzögernden Haltung der Regierung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Spitalversorgungsgesetzes, das ja auf 2014 angekündigt ist, und das man nun mit einer dringlichen Verordnung regeln will. Schon dies ist unserer Ansicht nach der falsche Weg, und deshalb wäre jetzt ein Bremsen sicher nicht richtig. Wir haben auch etwas den Eindruck, dass man hier dem DRG die ganze Breite von Missständen im Gesundheitswesen zuschreiben will. Versorgungssicherheit, Arbeitsbedingungen, Datenschutz; dies alles hat vielleicht einen gewissen Einfluss. Dass man nun aber gerade alle Missstände darauf abschieben will, notabene auf eine Abrechnungsmethode, bei der man die nötige Erfahrung noch nicht hat, finden wir falsch. Deshalb wird die SVP-Fraktion die Motion ablehnen. Alfred Schneiter, Thierachern (EDU). Ich kann mich dem Vorredner nahtlos anschliessen. Im Namen besteht ausser dem D und dem T kein grosser Unterschied. Auch in der Argumentation ergänzen wir uns eigentlich gut. Die Motion verlangt ja, dass sich der Regierungsrat beim Bundesrat für einen Marschhalt einsetzt. Wir sind in der EDU keine Gesundheitsspezialisten, müssen uns aber gleichwohl mit diesen Fragen auseinandersetzen. Wir kamen bei den Beratungen in der Fraktion zum Schluss, dass es wahrscheinlich nichts bringt, wieder einen Aufschub zu machen. Nach den abgegebenen Voten habe ich den Eindruck, dass wir noch stundenlang diskutieren könnten, aber nicht weiterkommen würden. Wir sind deshalb der Meinung, dass man nun starten sollte. Die Regierung sagt in ihrer Antwort ja auch, dass das DRG auch noch angepasst werden müsse, weil man nicht alle Komponenten von Anfang an einbeziehen könne. Ich hatte an der gestrigen Veranstaltung mit Professor Leu ein Aha-Erlebnis, als er auf eine Frage wegen des Hinausschiebens ganz klar sagte, man solle nun starten und am Ganzen lernen und es dann verändern und verbessern. Ein Hinausschieben bringt nichts. Wir sind deshalb gegen die Motion.

289 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 727 Auch für ein Postulat haben wir keine grosse Sympathie. Vielleicht würde der eine oder andere in der Fraktion zustimmen, aber es wurde schon gesagt, dass ein Postulat in dieser Sache nichts bringen würde. Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne). Man muss sich vielleicht einmal die Begriffe überlegen. Moratorium bedeutet Hinausschieben und Abwarten. Es ist natürlich nicht der Sinn einer Motion, nichts zu tun und abzuwarten. Die Einführung des DRG wurde vom Parlament beschlossen, sie wird nicht zurückgenommen werden. Der Bundesrat kann sie gar nicht zurücknehmen, denn es ist ein Gesetzesauftrag; Punkt. Aber wenn genügend Druck aus verschiedenen Kantonen, aus Institutionen, von vielen Leistungserbringern usw. kommt, der verlangt, dass ein Moratorium durchgeführt werden solle, so ist es durchaus möglich und das wäre eigentlich die Hoffnung bei einer solchen Motion, dass Veränderungen und Korrekturen eingeführt werden können, wie sie Kollege Schneiter vorhin antönte und die auch Dieter Widmer genannt hat. Man darf eines nicht vergessen die meisten realisierten es wahrscheinlich nicht, weil sie die Gesetzestexte nicht kennen: DRG wird als neues System eingeführt. Ein neues System im Gesundheitswesen birgt immer die Gefahr einer Katastrophe in sich; Tarmed lässt grüssen. Tarmed hat einen Geburtsfehler, ja, mehr als einen. Tarmed brachte es nicht fertig, Korrekturmöglichkeiten einzubauen. Tarmed hat keine Übergangsfristen und keine Anpassungen an die Teuerung. Tarmed verhinderte, dass man betriebswirtschaftlich denken und berechnen kann. All dies existiert in diesem System nicht. Genau denselben Fehler machte man nun beim DRG. Es wurde nicht gezeigt, dass man Korrekturen machen muss, dass es Übergangsfristen braucht. Es wurde nicht gezeigt, bzw. es ist nicht vorgesehen, dass man Schattenrechnungen macht, dass man Möglichkeiten hat, neue grosse Leistungen, die einmal tarifiert werden müssen, einzubauen. Ganze zwei wurden eingebaut, die völlig daneben sind. Solche Möglichkeiten sind nicht vorhanden. Dies führt unter Umständen zur nicht ganz unerheblichen Gefahr, dass die DRG zum Schiffbruch eines neuen Systems führen, das heisst, dass dieses genauso in die Wand gefahren wird, wie es bei Tarmed passierte. Von dort her gesehen wäre es sinnvoll, wenn der Kanton ein Zeichen setzen würde, dass der Bundesrat allenfalls eine Übergangsfrist ansetzen könnte. Damit bestünden gewisse Möglichkeiten, Schattenrechnungen zu machen, und man könnte sehen, in welchen Spitälern es zu Katastrophen kommen könnte. Wenn solche Zeichen von einzelnen Kantonen gesetzt werden, so kann dies etwas bewirken und der Schaden wird vielleicht weniger gross sein; nach dem Motto von Churchill «Ich lasse lieber die anderen die Fehler machen». Die Deutschen machten diesen Fehler nämlich bereits, und dies führte zu sehr vielen grossen Schwierigkeiten. Dies ist meine Argumentation. Die grüne Fraktion stimmt der Motion teilweise zu; wir sind etwas gespalten. Wie gesagt, werden aus anderen Kantonen ähnliche Wünsche kommen. Wenn wir es fertigbringen, mit solchen Überweisungen im eidgenössischen Parlament genügend politischen Druck zu erzeugen, so werden dort auch einige Leute endlich zu denken anfangen, die sich Gesundheitspolitiker nennen, aber häufig nicht wissen, wovon sie sprechen. Davon bin ich überzeugt. Tanja Sollberger, Bern (glp). Wir verstehen das Anliegen der Motionärin, werden den Vorstoss aber trotzdem nicht unterstützen. Die Einführung des DRG steht vor der Türe, der Beschluss zur Änderung des KVG wurde schon lange vorher gefällt. Man hätte also genügend Zeit gehabt. Die Ziele der neuen Spitalfinanzierung sind höhere Transparenz, bessere Qualität und Effizienzsteigerung im Spitalbereich, damit die Kosten im Gesundheitsbereich eingedämmt werden können. Wie die Motion festhält, vernachlässigten die Bundesbehörden ein grosses Problem, nämlich eine gute Begleitforschung zu den Themen Qualität und Effizienz zu starten. Was werden die Auswirkungen der Umstrukturierung auf das Leistungsangebot, auf die Qualität im Gesundheitswesen, auf die Aus- und Weiterbildung sein? Wir bedauern sehr, dass dies versäumt wurde. Nichtsdestotrotz denken wir aber, dass eine Verschiebung der Einführung diesbezüglich keine Vorteile bringen wird. Im Gegensatz zu meinem Vorredner denken wir, dass man das System trotzdem einführen kann, aber bereit sein muss, es anzupassen. Wir müssen uns alle bewusst sein, dass die neue Spitalfinanzierung mit der Fallpauschale ein System ist, das sich mit der Zeit anpassen muss. Nicht so, wie Tarmed, wo eine ganze Tarifstruktur ein Berufsbild für uns, den Nachwuchs, völlig unattraktiv machte. Die neue Spitalfinanzierung steht und fällt also mit der Tarifstruktur, und diese muss sich anpassen. SwissDRG verabschiedete nun die erste Version, die aber zuwenig detailliert ist, und die zu wenig Zusatzentgelt hat. Es ist für Leistungserbringer aus ökonomischer Sicht unattraktiv, Assistenten und Assistentinnen auszubilden und unattraktiv, Innovationen zu leisten, das heisst, die Medizin weiter zu entwickeln. Ebenso wird es aus ökonomischer Sicht unattraktiv sein, Chronischkranke oder Patienten mit komplexen Krankheitsbildern zu betreuen. Es darf aber nicht sein, dass ökonomische Argumente bei der Betreuung von Patienten und Patientinnen wichtiger werden als medizinische. Diese Gefahr besteht, und wir müssen uns ihrer bewusst sein. Ein weiteres Thema ist auch der Datenschutz. Aus der Sicht der glp ist eine systematische Lieferung aller diagnostischen und therapeutischen Daten an die Versicherer nicht legitim. Auf all die Probleme, die da auf uns zukommen, müssen wir vorbereitet sein. Wir müssen bereit sein, die negativen Folgen, welche die neue Spitalfinanzierung mit sich bringen könnte, aufzufangen, um der Bevölkerung des Kantons eine gute Gesundheitsversorgung bieten zu können. Es werden Übergangsregelungen nötig sein, mit denen Zusatzentgelte bewilligt und die Kosten für die Weiterbildung der Ärzte und Ärztinnen sowie anderer Personen im Gesundheitswesen übernommen werden. Die Datenschutzbestimmungen müssen eingehalten werden, und es muss eine glaubwürdige Begleit- und Versorgungsforschung vorhanden sein. Wir als Parlament sollten ein wachsames Auge darauf haben, welche Folgen die neue Spitalfinanzierung für das Gesundheitswesen des Kantons Bern haben wird, und wir müssen auch bereit sein, die negativen Folgen aufzufangen. In diesem Sinne werden wir die Motion ablehnen, werden aber wachsam bleiben. Melanie Beutler-Hohenberger, Mühlethurnen (EVP). Es gibt Bevölkerungskreise, bei denen man im Moment mit der blossen Erwähnung der drei Buchstaben DRG eine Reaktion auslöst, die eine Mischung von Abscheu und Schmerz ist. Es ist also beileibe kein attraktives Thema für Diskussionen. Aber was die Motionärin hier fordert, können wir trotz gewisser Bedenken zur Umsetzung nicht unterstützen. Nach Meinung der EVP-Fraktion ist es zum jetzigen Zeitpunkt, also knapp sieben Monate vor der geplanten Einführung, schlicht nicht mehr sinnvoll, ein Moratorium zu fordern. Die Vorbereitungen bei den Spitälern sind zum Beispiel schon so weit fortgeschritten, ja schon zu weit, als dass es ihnen oder ihren Patienten eine Hilfe wäre, wenn nun ein Marschhalt eingelegt würde. Im Gegenteil, es käme fast einem Knüppel gleich, der ihnen jetzt zwischen die Beine geworfen würde. Ohne Zweifel gibt es noch ungelöste Probleme. Die Motionärin nennt nach unserer Meinung auch einige der wichtigsten offenen Fragen. Wir verschliessen uns diesen Problemen nicht; wir denken

290 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge aber, dass gewisse Anpassungen des Systems auch und gerade während dessen Laufzeit gemacht werden können, ganz nach dem Modell «learning by doing» oder, wie wir es auch schon hörten, nach dem «lernenden» System. Fazit: Die EVP-Fraktion erkennt die angesprochenen Probleme, unterstützt die Motionärin in ihrer Forderung nach einem Marschhalt aber nicht, sondern will die Probleme auf andere Art lösen. Ein Postulat diskutierten wir nicht. Meiner Ansicht nach hätte ein solches nicht viel Sinn, aber eine gewisse Unterstützung wäre vielleicht vorhanden. dort nicht ganz, was Frau Stucki sagte, denn die Psychiatrie fängt am 1. Januar 2012 nicht mit DRG an. Nicht zuletzt sagt man auch dort, man fange abgestuft an. Weil es eigentlich unsinnig ist, einen Regierungsrat mit etwas zu beauftragen, das er seit langem sowieso schon tut, bitte ich Sie, die Motion abzulehnen; sie ist überflüssig. Präsident. Wir hören noch Grossrat Martinelli. Kann ich die Rednerliste schliessen? Das ist der Fall. Präsident. Wir kommen zu den Einzelsprechern. Michèle Morier-Genoud, Bienne (PS). J aimerais revenir sur un point de la réponse du directeur de la santé publique, qui concerne particulièrement la sécurité des soins et des soins infirmiers en particulier. Dans la réponse, vous ne mentionnez qu il n y aura aucune incidence sur la sécurité et que toutes les prestations seront assurées d être prises en compte dans le calcul des forfaits. Je sais par ailleurs que ce calcul pour l avoir étudié aussi avec d autres spécialistes ne tient pas compte de la quantité de travail de soins infirmiers d une manière claire. Je souhaiterais, ainsi que je l ai déjà déposé dans un postulat précédemment, avoir une réponse sur la manière dont cela pourra être introduit dans le système DRG. Dans une équipe de soins à l hôpital, il y a des médecins, des infirmières, des aides-infirmières, c est toute une équipe multidisciplinaire et pour les personnes qui ont plusieurs diagnostics ou qui ont des maladies chroniques, on sait pertinemment qu il faudra plus de temps, notamment en accompagnement et en soins infirmiers, pour pouvoir aboutir à un résultat dans le traitement: cela a déjà été soulevé par Mme Lehmann et d autres. Je me réjouis d entendre une réponse claire sur cette question et non pas seulement une généralité, car je pense aussi que si nous ne faisons pas attention à ce point-là, nous risquons fort de voir une partie du temps attribué aux soins disparaître de ce calcul et en conséquence on pourra justifier des licenciements, des réductions de personnel: cela a aussi déjà été dit. Merci de votre attention et surtout merci de votre réponse. Barbara Mülheim, Bern (Grüne). Ich spreche für die Minderheit der Grünen, weil es mir wichtig ist, auf einen Aspekt hinzuweisen (Die Rednerin wendet sich an einige ganz vorne sitzende Ratsmitglieder und bittet darum, dass etwas leiser gesprochen wird.) Die Motion verlangt einen Auftrag an einen Regierungsrat, mit den anderen Gesundheitsdirektoren, also mit Regierungsräten, zu überlegen, einen Marschhalt zu machen. Wir können hier im Rat alles fordern; aber, Kolleginnen und Kollegen, derselbe Regierungsrat ist Präsident der Vollzugskommission, die man einsetzte, um die ganze KVG-Revision aufzugleisen und umzusetzen. Er hat schon das Präsidium der Kommission, die aufgestellt wurde, um die ganze DRG-Problematik aufzusetzen, umzusetzen und anzupassen! Nimmt die SP an, er und seine Crew hätten sich während vier Jahren nichts gedacht, er sei nicht selber auf die Idee gekommen, die problematischen Punkte anzugehen und zu diskutieren? Das kann ich nicht glauben. Es ist allen klar, dass in der Motion kritische Fragen aufgeworfen werden. Aber man ist regelmässig daran, genau diese Probleme zu lösen. Ob alle gelöst werden können, wissen wir nicht. Wir wissen aber auch, und wir haben es mehrfach gehört, dass die DRG-Modelle lernende Modelle sind. Man kann also von Annahmen wieder abkommen und neue Annahmen setzen. Dies ist ein wichtiger Aspekt. Auch stimmt Enea Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP). Die Punkte, die Danielle Lemann fordert, sind durchaus berechtigt, aber sie sind wahrscheinlich nicht ganz am richtigen Ort. Über die Versorgungssicherheit sprechen wir ja im Rahmen der Versorgungsplanung. Es gibt im KVG speziell noch einen Passus; wenn man den braucht, so kann man ihn auch noch einsetzen. Es handelt sich um Zuschläge aus regionalpolitischen Gründen. Die gesetzlichen Grundlagen sind da, es fehlt zum Teil an der Umsetzung. Zu den Arbeitsbedingungen: In der Einführungsverordnung zur jetzigen Spitalfinanzierung ist sehr viel vorgesehen. Es gibt zwei, drei Punkte, die fehlen, die wir aber noch besprechen können. Für den Datenschutz haben wir ein Gesetz. Auch dort laufen Diskussionen. Dann zur Kinderheilkunde, Psychiatrie, palliativen Pflege, Geriatrie: Die Psychiatrie ist noch nicht ab 1. Januar 2012 im DRG-System. Die Kinderheilkunde ist ein Problem, dieses ist aber in den relevanten Kommissionen bekannt. Die Palliativpflege und die Geriatrie sind zum Teil andiskutiert. Es läuft also einiges. Ein Marschhalt im jetzigen Zeitpunkt würde bedeuten, dass all die getätigten Investitionen, sei es in der EDV oder beim Personal wir stellten Codierer an; es sind also nicht nur EDV-Programme, die codieren, sondern auch Menschen verloren wären. All diese Systeme haben wir nicht erst seit dem ersten Januar, sondern schon länger. Wir arbeiten mit dem APDRG; zwar nicht mit dem neuen SwissDRG, aber wir arbeiten schon damit. Die Auswirkungen kennen wir schon, und ich würde keinen Marschhalt fordern. Wenn Du anders formuliert und zum Beispiel genauere Abklärung der erwähnten Punkte verlangt hättest, so hätten wir mitgeholfen. Aber die Forderung nach einem Marschhalt können wir nicht unterstützen. Präsident. Die Motionärin hat nochmals das Wort. Danielle Lemann, Langnau (SP). Das neue KVG wurde 2007 angenommen, weil man den Politikern versprach, dass Kosten eingespart werden könnten und dass alles transparenter würde. Auf diese Versprechungen fielen die Politiker also wir; wir sind ja auch Politiker herein. Beides wird nicht stattfinden. Das weiss man aus Deutschland und das weiss man aus Australien. Australien war das erste Land mit DRG, und es reduzierte unterdessen die DRG, sodass nur noch etwa 40 Prozent der Diagnosen so abgerechnet werden. Dies wäre ein Modell, das man auch in der Schweiz anwenden könnte. Von den Veränderungen spricht man seit Jahren, aber passiert ist eigentlich noch nichts. Die Frage ist nun, ob man dies «volle Pulle» einführen und erst nach drei Jahren sehen will, was es noch gibt und was es nicht mehr gibt. Meiner Ansicht nach ist diese Frist zu lang. Es wird auf alle Fälle Sparübungen geben, und gespart wird auf dem Rücken des Personals. Ich denke da an die vielen Entlassungen in Deutschland. Die Zeit für die Ausbildung des nicht ärztlichen und ärztlichen Personals wird es auch nicht mehr geben, und es wird eindeutig eine Qualitätsverschlechterung geben. Wie die ärztli-

291 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 729 chen Mitarbeiter ausgebildet werden, ist ja weder auf kantonaler noch auf eidgenössischer Ebene irgendwie geregelt. Gespart wird auch durch Schliessungen von Spitälern; vor allem haben periphere und kleine Spitäler unter SwissDRG keine Chance. Dies wurde durch Herrn Regierungsrat Perrenoud letzte Woche bestätigt. Auch die hoch spezialisierten Diagnosen werden noch nicht richtig vergütet; unser stolzes Inselspital wird also auch Schaden nehmen. Die anderen Argumente wurden hier alle besprochen. Eine menschliche Einführung von DRG würde einfach noch etwas mehr Zeit brauchen und eine klare Übergangsphase. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zunehmen. Es ist wichtig, dass man die Einführung des DRG bewusst verfolgt. Dies gerade auch wenn Sie in den folgenden Monaten Diskussionen über DRG hören; damit Sie wissen, worum es geht und mit welchen Konsequenzen gerechnet werden muss. Ich beabsichtige, die Motion zurückzuziehen. Ich sehe, dass ich bei den grossen Blöcken, bei denen man Einzelne jeweils nicht überzeugen kann, keine Chance habe. Ein Postulat bringt nicht viel. Aber vielleicht konnte der Herr Regierungsrat unsere Sorgen, die vorhanden sind und die auch von vielen Rednern bestätigt wurden, zur Kenntnis nehmen, damit er in seinem Amt entsprechend wirken kann. Ich danke für die Diskussion. Präsident. Die Motion wurde zurückgezogen. Damit ist Geschäft 79 behandelt. Nun gehen wir zu Geschäft 84 über, dem Vorstoss, den wir unbedingt noch behandeln wollten. Nach dem Vorstoss werden wir kurz die Verabschiedungen vornehmen und dann mit den restlichen Vorstössen der GEF fortfahren. Geschäft /11 Dringliche Motion Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP) / Studer, Niederscherli (SVP) Missbrauchsfälle in Behindertenheimen Wortlaut der Motion vom 2. Februar 2011 Der Regierungsrat wird beauftragt, 1. dem Grossen Rat einen Bericht über die Organisation der Aufsicht vom Kanton und von Gemeinden bewilligter Heime zu erstatten 2. im Bericht an den Grossen Rat darzulegen, welche Aufgaben die bewilligten Heime für wie viele Personen erfüllen und welche Kontrollergebnisse resultiert haben 3. dem Grossen Rat aufgrund des entstandenen Gesamtbildes sich als notwendig erweisende Massnahmen aufzuzeigen Begründung: Zwei aktuelle Missbrauchsfälle in Berner Behindertenheimen lassen die kantonale Aufsichtsbehörde in einem schlechten Licht dastehen: 1. «Haus Tobias» in Niederbipp Aufgrund einer Anzeige aus der Mitarbeiterschaft und einer Meldung aus Köniz verfügte das kantonale Altersund Behindertenamt per Ende 2010 die Schliessung des «Hauses Tobias» in Niederbipp. Die sechs schwerbehinderten Bewohner des Heimes sollen misshandelt worden sein, was vermutlich auf eine Überforderung des Betriebsleiters und dessen Sohnes zurückzuführen ist. Signale, dass im «Haus Tobias» nicht alles rund läuft, gab es schon früher: Bereits vor Jahren ist der Betriebsleiter angezeigt worden allerdings ohne Konsequenzen. Im April 2010 hatte das «Haus Tobias» auf seiner Homepage Andeutungen gemacht, dass Mitarbeiter überfordert seien. Schliesslich sagen mehrere involvierte Personen, sie hätten schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolglos bei der Gesundheits- und Fürsorgedirektion interveniert. 2. Sozialtherapeut vergeht sich an Dutzenden von behinderten Kindern Ein 54-jähriger Sozialtherapeut aus dem Kanton Bern hat gestanden, in den vergangenen 29 Jahren in neun Heimen in der Schweiz und Süddeutschland 114 Pflegebefohlene und Kinder sexuell missbraucht zu haben. Betroffen von den Missbrauchsfällen sind mehrheitlich Heime im Kanton Bern. Die meisten Opfer des Verdächtigten sind geistig und körperlich behindert. Die sexuellen Übergriffe fanden mehrheitlich in den Heimen statt, aber auch zu Hause und in Hallenbädern. Gegen den Verdächtigten wurde schon 2003 einmal ermittelt. Trotz umfangreicher Ermittlungen konnte der Verdacht gegen den Mann damals nicht erhärtet werden. 3. Wo liegen die Ursachen, und welche Massnahmen sind angezeigt? Wir setzen aufgrund der oben beschriebenen aktuellen Missbrauchsfälle voraus, dass der Regierungsrat Sofortmassnahmen trifft. Weil Missbrauchsfälle von Zeit zu Zeit immer wieder zur Kenntnis genommen werden müssen und Herr Regierungsrat Perrenoud auf entsprechende Fragen nicht zu erkennen gab, dass Veränderungen bei der Aufsicht der Heime geprüft werden, sind eine umfassende Sicht und eine politische Beurteilung der Gesamtsituation durch den Grossen Rat angezeigt. Hierfür sind Kenntnisse darüber notwendig, wie viele und welche Heime eine Bewilligung des Kantons (alle betroffenen Direktionen) und der Gemeinden erhalten haben, welche Aufgaben diese Heime für wie viele Personen erfüllen, wie die Aufsichtspflicht geregelt ist, wie diese Aufsicht wahrgenommen wird, welche Kontrollergebnisse vorliegen, welches Gesamtbild daraus entsteht und welche Massnahmen der Regierungsrat für notwendig hält. (Weitere Unterschriften: 1) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 18. Mai 2011 Die Motionäre nehmen die Schliessung des «Haus Tobias» in Niederbipp und den Fall eines 54-jährigen Sozialtherapeuten, der in verschiedenen Institutionen über Jahre hinweg Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung sexuell ausgebeutet hat, zum Anlass für ihre Forderungen. Der Regierungsrat erachtet es als wichtig, trotz zeitlicher Nähe und beachtlichem medialen Interesse an beiden Fällen, die Vorkommnisse getrennt zu betrachten. Bei der Schliessung des «Haus Tobias» hat es sich um eine Sofortmassnahme gehandelt, die aufgrund der erhärteten Vermutung einer Gefährdung der Bewohnerinnen und Bewohner eingeleitet wurde. Die Vorwürfe im Bezug auf die Heimleitung des «Haus Tobias» beziehen sich insbesondere auf körperliche Misshandlung der Bewohner/innen. Bei den bekannt gewordenen Delikten, die der 54- jährige Sozialtherapeut im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland zugegeben hat, handelt es sich um sexuelle Ausbeutung. Dieser Fall ist von weitaus grösserer Tragweite. Die in der Motion gestellten Forderungen zielen auf die Organisation der Aufsicht über die im Kanton Bern bewilligten Heime ab. Dem Regierungsrat ist es ein Anliegen, die Organisation und Zuständigkeiten im Bereich kantonal bewilligter Heime möglichst offen und transparent zu machen. Die Organisation der Aufsicht ist in drei Ebenen gegliedert. Die erste Ebene besteht aus den Heimleitungen, die für den operativen Betrieb und somit auch für interne Prozesse der Aufsicht und

292 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Kontrolle des Heimalltags in der Verantwortung stehen. Die zweite Ebene besteht in der Regel aus den Organen der Trägerschaft der Institutionen als Verantwortliche für die strategische Betriebsführung nach den gesetzlichen Vorschriften. Die dritte Ebene besteht aus den kantonalen Direktionen mit den jeweils zuständigen Ämtern. Mit dem Altersund Behindertenamt (ALBA) und dem Sozialamt (SOA) sind zwei Ämter der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) als Instanzen der Aufsicht verantwortlich, die bei Erfüllung sämtlicher Vorgaben der Verordnung vom 18. September 1996 über die Betreuung und Pflege von Personen in Heimen und privaten Haushalten (Heimverordnung) 1, eine Betriebsbewilligung erteilen können. Innerhalb der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) steht das Kinder- und Jugendamt (KJA) als Instanz der Aufsicht nach Artikel 13 der Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation und die Aufgaben der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (Organisationsverordnung JGK) 2 und der Pflegekinderverordnung 3 vom 4. Juli 1979, dem Pflegekinderund Heimbetriebswesen vor. Die Aufsichtspflicht umfasst sehr unterschiedliche Aspekte. Beim ALBA reicht sie beispielweise von der Überprüfung der Finanzen der Institutionen, über die Einhaltung räumlicher und infrastruktureller Vorgaben bis hin zu den Betriebskonzepten und internen Leitlinien. Zu den Forderungen: Ein Untersuchungsbericht, wie er von den Motionären gefordert wird, ist am 18. Februar 2011 gemeinsam von der GEF und der JGK in Auftrag gegeben worden. Das gemeinsame Vorgehen beruht auf der Zuständigkeit der GEF für die Heime im Alters- und Behindertenbereich, für subventionierte Kinder- und Jugendheime sowie für Heime im Suchtbereich und der Zuständigkeit der JGK für das Pflegekinder- und Heimbetriebswesen sowie für die Führung und den Betrieb der Kantonalen Beobachtungsstation Bolligen. Der in Auftrag gegebene Bericht wird von externen Expert/innen erstellt und verfolgt das grundsätzliche Ziel, die Prävention in stationären Einrichtungen des Kantons Bern zum Schutz der sexuellen Integrität der Bewohnerinnen und Bewohner weiter zu optimieren. Dabei werden zwei Schwerpunkte gesetzt: Einerseits wird die behördliche Aufsicht analysiert und anderseits die internen Prozesse der leistungserbringenden Institutionen überprüft. Im Bereich der behördlichen Aufsichtspflicht soll der Expertenbericht aufzeigen, in wie weit die heute zuständigen Stellen für die Heimaufsicht im Kanton Bern in quantitativer und qualitativer Weise ihre Aufsichtsaufgaben erfüllen; er soll eine Beurteilung der Zweckmässigkeit der Organisation, der zum Einsatz gelangten Aufsichtsinstrumente und der Kompetenzen ermöglichen. Im Bereich der internen Prozesse der leistungserbringenden Institutionen zielt der Expertenbericht auf die Analyse der Prozesse und Abläufe der Heime «vor Ort», um sexuelle Übergriffe gegenüber Heimbewohnerinnen und -bewohnern zu verhindern. Zudem umfasst der Auftrag zum Expertenbericht das Aufzeigen allfälliger möglicher Massnahmen zur Verbesserung der Aufsicht. Aufgrund der oben gemachten Ausführungen kann die Forderung der Motionäre nach einem Bericht zur Aufsichtssituation über die Heime im Kanton Bern zuhanden des Grossen Rats als bereits erfüllt betrachtet werden. Der verlangte Bericht ist in gemeinsamer Vorgehensweise von der GEF und der JGK in Auftrag gegeben worden und wird voraussichtlich bis im Herbst 2011 vorliegen. Die Forderungen der Motionäre zum 1 HEV; BSG OrV JGK; BSG Pflegekinderverordnung; BSG Inhalt dieses Berichts sind im Auftrag weitestgehend berücksichtigt. Der Regierungsrat ist mit der Stossrichtung der Motion einverstanden benötigt jedoch für die Ausgestaltung des Expertenberichts einen gewissen Spielraum. Daher beantragt der Regierungsrat die Annahme als Postulat. Antrag: Annahme als Postulat Daniel Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP). Ich möchte das Umfeld dieser Motion diskutieren, und mein Kollege, Ueli Studer wird nachher noch detailliert auf den Motionstext eingehen. Auslöser der Motion sind wie uns allen bekannt ist zwei mutmassliche Vorfälle, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen. Anfang Jahr wurden zwei Fälle von Missbrauch bekannt, die zum Nachdenken anregen. Unterdessen ist einige Zeit verstrichen, und die Motion ist bereits ein Stück weit überholt. Am 18. Februar gaben nämlich die GEF und die JGK einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der die Prävention von Übergriffen, insbesondere sexueller Art, in Heimen und stationären Einrichtungen optimieren. Dabei sollen die Rolle des Kantons als Aufsichtsorgan und die internen Prozesse der Institutionen untersucht werden. In diesem Zusammenhang danke ich der JGK und der GEF herzlich für ihre rasche Reaktion auf diese Vorfälle. Zur Rolle des Kantons als Aufsichtsorgan: Ich gehe mit dem Regierungsrat einig, dass es sich bei diesen mutmasslichen Missbrauchsfällen in Niederbipp und den mutmasslichen sexuellen Übergriffen eines Sozialtherapeuten um zwei verschiedene Kontexte handelt, die getrennt betrachtet werden müssen. Trotzdem wurden sie nun, per Zufall, innert kurzer Zeit bekannt. Die grundsätzliche Frage bleibt aber in beiden Fällen dieselbe: Wird die Aufsichtspflicht durch den Kanton in genügendem Masse wahrgenommen? Müsste hier eine Verschärfung ins Auge gefasst werden? Wären zusätzliche Standards oder Richtlinien von Seiten des Kantons angebracht? Wir erhoffen uns natürlich vom angekündigten Untersuchungsbericht eine gewisse Klärung. Zu den internen Prozessen in den Institutionen: Ich sprach mit dem Heimleiter über diese Missbrauchsfälle. Es kamen interessante Punkte zum Vorschein. Er brachte klar zum Ausdruck, dass solche Missbrauchsfälle früher ans Licht kämen, oder sogar verhindert werden könnten, wenn insbesondere die Heimleitungen verstärkt sensibilisiert würden. Dies können regelmässige Fallbesprechungen sein, Gespräche und Kontakt mit den Heimbewohnern. Solche Sachen könnten präventiv wirken. Aber auch standardmässige Superund -Intervisionen für Heimteams könnten hier wirksam sein. Auch hier stellt sich die grundsätzliche Frage, inwiefern der Kanton ich tönte es bereits an mit zusätzlichen Richtlinien oder Standards die Prävention solcher Übergriffe verstärken könnte. Kurz gefasst: Der Kanton ist in der Pflicht, das Möglichste zu unternehmen, um Missbrauchsfälle, in diesem Fall in Behindertenheimen, zu verhindern. Wir sprechen hier von den Schwächsten unserer Gesellschaft. Dabei ist seine Rolle als Aufsichtsorgan, aber auch seine Rolle in der Qualitätssicherung kritisch zu beleuchten. Ueli Studer, Niederscherli (SVP). Der Fall «Haus Tobias» in Niederbipp und der Fall des Sozialtherapeuten, der über 29 Jahre lang sexuelle Übergriffe an Kindern tätigte, riefen einen Aufschrei, Verunsicherung und Wut bei den Angehörigen der Betroffenen, bei der Bevölkerung und auch in den Medien hervor. Die erste Frage bei solchen Vorfällen gilt immer der Aufsicht und der Verantwortung. Diese zwei Fälle zeigen auf, dass die in den Heimen praktizierte Aufsicht hinterfragt werden muss. Wie funktioniert sie? Es ist nötig, zu erfahren, wie die kantonale Aufsicht über die Heime organisiert ist. Wir wollen wissen, wie bisherige Kontrollen verliefen. Konkrete Antworten sind hier gefragt. Die Antwort auf die

293 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 731 Motion ist für mich nicht befriedigend, viele Fragen bleiben offen. Erstens ist die Antwort betreffend die Organisation der Aufsicht völlig ungenügend. Sie zeigt nur rudimentär die drei Ebenen auf, und sie nimmt zu den Fragen der Motionäre keine Stellung. Zweitens: Der in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht verfolgt das Ziel, in den stationären Einrichtungen die Prävention zum Schutz der sexuellen Integrität der Bewohnerinnen und Bewohner weiter zu optimieren. Es wird nur ein Segment der Aufsicht näher untersucht, nämlich der Schutz zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen. Der Fokus muss meiner Ansicht nach generell der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner sein. Es geht auch um ihre körperliche und psychische Integrität. Ich gehe davon aus, dass wir einen hundertseitigen Bericht bekommen werden. Der Regierungsrat sagt in seiner Antwort, dass die Forderungen der Motionäre weitgehend erfüllt sind. Für mich sind sie erst dann erfüllt, wenn der Untersuchungsbericht Antworten in Bezug auf die gestellten Fragen gibt. Wie nimmt der Kanton seine Aufsichts- und Kontrollfunktion wahr. Nicht die Überprüfung von Konzepten, sondern die Wahrnehmung von tatsächlichen Aufsichtsfunktionen in den Heimen. Unangemeldete Besuche, stichprobenweise Befragungen von Heimbewohnerinnen und -bewohnern, von Angehörigen, von Pflegepersonal und Einblick in die Dossiers der Bewohner. Wie wurden die Kontrollen bisher ausgeführt, und gibt es darüber auch Statistiken oder allenfalls Verbesserungsvorschläge für die Zukunft? Fazit: Untersuchungsbericht ja, aber in Bezug auf die gestellten Fragen. Wir Motionäre besprachen dies, und wir sind in diesem Zusammenhang bereit, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. Präsident. Beide Motionäre wandelten in ein Postulat, daher frage ich den Rat an, ob das Postulat bestritten wird. Dies ist nicht der Fall. Wir können darüber abstimmen. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 110 Stimmen 0 Stimmen 1 Enthaltung Verabschiedung zweier Mitglieder des Grossen Rats Präsident. Ich habe die Pflicht, zwei Mitglieder des Grossen Rats zu verabschieden. Eines der Mitglieder ist zwar noch jung, nämlich 54 Jahre, kommt aus Adelboden, ist auch Bürger von Adelboden, diplomierter Baumeister, und dementsprechend wurde er im Wahlkreis Oberland gewählt. Er war, notabene, 17 Jahre im Grossen Rat. Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen! Es gibt einige wenige solcher Mitglieder, nämlich noch zwei welscher Zunge, die länger als er und zwei, die gleich lang wie er im Rat sind, und auch noch zwei Mitglieder, die mittlerweile wieder in den Rat zurückkehrten. Erwin Burn von der EDU kann sicher auf eine lange Zeit zurückschauen, und er lernte das Ratsgeschehen aus verschiedenen Optiken kennen. Er hatte aber sicher auch viel Reisezeit, wenn ich hochrechne: Fünf Legislaturen mit der jetzt begonnenen. Er konnte nicht ganz in allen Legislaturen in einer Kommission mitarbeiten, weil die EDU nicht immer Fraktionsstärke hatte. Er fing mit wenigen Kommissionssitzen an; in der ersten Legislatur mit einem. Danach kam eine Auszeit von zwei Legislaturen, in denen es keine Einsitzmöglichkeiten gab. In der zweitletzten Legislatur waren es sieben Mal, und in dieser, die nun etwas mehr als ein Jahr alt ist, war er gleich fünfmal in einer Kommission. Wenn man dies aufs Jahr umrechnet, ist es sehr rekordverdächtig: Dreizehn Mal in einer Kommission, also im Schnitt etwa eineinhalb Mal pro Jahr, meistens bei den Geschäften der BVE, fünfmal bei Energiegeschäften, aber auch im Volkswirtschaftsbereich und insbesondere dort, wo es um die Pensionskassen ging. Einmal warst du Präsident der Kommission «Referendum mit Volksvorschlag zum Kantonalen Energiegesetz», und einmal Vizepräsident der Energiestrategie. Damit sahen wir gleich auch, wo die Schwerpunkte lagen. Der Endspurt bei den Kommissionen kam vor allem am Schluss noch, in dieser doch recht kurzen Legislatur. 27 Vorstösse, 18 Motionen, 8 Interpellationen und ein Postulat. Bei den Motionen waren etwas weniger als die Hälfte selber eingereichte, bei den anderen war er meist Mitunterzeichner. Auch hier kann ein Schwergewicht ausgemacht werden; die Themen lagen vor allem im Bereich der Energie, wie etwa Mühleberg, aber auch, sicher auch bei der eigenen Heimat, wenn es um den Verkehr ging, um den öffentlichen Verkehr oder um Strassenprojekte im Kandertal oder im Engstligental. Aber auch Wolf und Luchs waren ein Thema. Damit sehen wir, dass gewisse Themen in 17 Jahren mehrmals behandelt werden können, nämlich ganz am Anfang mit Vorstössen wie der Interpellation «Der Luchs und seine Schäden», oder «Der Wolf im Kanton Bern», in den Jahren 1998 und 1999 für gewisse Leute ist fast unvorstellbar, wann dies war; wenn man noch jung oder noch nicht lange im Rat ist. Wir wissen aber auch, dass er gestern noch eine Motion einbrachte, die den Durchbruch schaffte mit der Finanzierung von Fördermassnahmen gemäss kantonalem Energiegesetz. Ich zitiere kurz einiges aus dem Austrittschreiben von Erwin Burn: Erstens, dass er den offenen und konstruktiven Umgang mit uns allen sehr schätzte, vor allem auch dass der Rat von verschiedenen Meinungen geprägt ist, die eben alle auch eine Herkunft haben wir haben alle eine andere Heimat, kommen von verschiedenen Orten im Kanton her, sind verschieden aufgewachsen und dass er in all den 17 Jahren sehr beeindruckt war, wie alle, trotz unterschiedlichster Ansichten, immer an den Kanton Bern dachten. Diese Erfahrung sei für ihn sehr wertvoll, und er nehme sie mit, auch wenn die Bevölkerung dies nicht immer so sehe, wenn sie in den Medien nur lesen, was die einen oder anderen sagten, aber nicht, dass man eben auch versuchte, miteinander Lösungen zu finden. Für ihn war es eine sehr gute Zeit. Er sagt, man könne die Arbeit, die hier von uns allen geleistet werde, eigentlich gar nicht genug loben. Schön, wenn ein Mitglied uns Blumen gibt und sagt, wir sollten in diesem Sinne weitermachen. Das nehmen wir gerne mit. Er will die Politik nicht ganz an den Nagel hängen; er konzentriert sich nun voll auf die Nationalratswahlen und hofft natürlich, möglichst gut abzuschneiden. Wir wünschen ihm viel Glück und Gottes Segen für die Zukunft. Danke für die Zeit, die du hier im Rat eingesetzt hast. Alles Gute, Erwin Burn! (Anhaltender Applaus) Sie sehen, wo er in dieser Legislatur sass, oder gerade stand; direkt gegenüber dem Präsidenten und den Rednern; er hatte alle im Visier oder mindestens in der Optik, ohne den Kopf drehen zu müssen. Der nächste, den ich verabschieden darf, sitzt etwas am Rand, aber positiv am Rand; man ist auf dem Sprung, und man ist auch schnell vorne, diagonal, aber auch in der Nähe der Grünen: Paul Messerli von der SVP. Er ist 46 Jahre alt, von Längenbühl, wohnhaft in Kirchdorf, wo er nach wie vor auch als Gemeindepräsident aktiv ist. Er war 13 Jahre im Grossen Rat wurde er gewählt und hat vier Legislaturen hinter sich. Er hatte nie ein Kommissionspräsidium inne, aber er war immerhin in 15 Kommissionen Mitglied. Dies bedeutet auch pro Kalenderjahr mindestens eine Kommission. Am Anfang, 1998 bis 2002 warst du gleich in vier Kommissionen, dann nahm es fortlaufend etwas ab; vier, zwei und

294 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge eins, aber die jetzige Legislatur ist ja auch noch nicht so alt. Auch hier kamen die Schwerpunkte vom Beruf her, nicht primär als Landwirt, sondern auch etwas über den Zaun hinaus, vor allem als Gemeindepolitiker. Sieben Kommissionen waren allein in der JGK, wo es um Gemeindeanliegen wie Gemeindereformen, Gemeindegesetze, die dezentrale kantonale Verwaltungs- und die Justizreform ging. Der zweite Teil war etwas naheliegender auch bei der Volkswirtschaftsdirektion, aber du arbeitetest auch in Kommissionen dreier weiterer Direktionen mit. Gemeindepolitiker schreiben etwas weniger Vorstösse. Nicht, weil sie zuwenig Zeit haben, sondern weil sie auch ein wenig abwägen. Du hast in dieser Zeit 12 Vorstösse eingereicht, pro Jahr plus-minus einen. Zehn waren Motionen, davon zwei eigene; eine als Erstunterzeichnender, und in der Mehrheit als Mitunterzeichnender, sowie auch zwei Interpellationen. Hier fing etwas an, das dich wieder einholt: «Sturmschäden, verursacht durch den Orkan Lothar» war deine erste Interpellation, eingereicht zusammen mit den Grossräten Aebischer und Bichsel. Seit kurzem bist du auch Mitglied des Stiftungsrats «Einsatzkostenversicherung», deren Präsident ich bin und bei der wir hoffen, möglichst nie Geld ausgeben zu müssen; dass heisst, dass es keine Schäden gibt und die Gemeinden kein Geld brauchen. Aber wenn doch, sind wir dann da. Du hast auch die Überflutungskatastrophe, den Hochwasserschutz, die Wasserstrategie und das Aarewasser thematisiert. Auf der anderen Seite warst du auch jemand, der an der Zentralisierung keine allzu grosse Freude hatte, und du versuchtest, gegen sie anzukämpfen. Nun musst du halt mit dieser neuen Form von Verwaltungskreisen und Regionen leben. Du achtetest aber auch immer darauf, welche Auswirkungen sich für kleinere Gemeinden ergeben. In deinem Austrittschreiben legst du dar, dass du eine Betriebserweiterung planst und deine Zeit etwas anders einsetzen möchtest, dass du eine schöne Zeit im Rat hattest, mit vielen guten Begegnungen dies deckt sich mit Erwin Burn, dass du aber auch manchmal nicht verstandest, welche unbegreiflichen Abstimmungen und Entscheide wir fällten. Wenn man in der Exekutive ist und dann wieder in der Legislative, so ist dies nicht immer einfach nachzuvollziehen. Das ging mir früher auch manchmal so. Wie viele andere, bekamst auch du hier Veränderungen mit. Erst zweihundert Grossräte, dann 160 dies gilt natürlich auch bei Erwin Burn und drei verschiedene Wahlkreise, was dich auch etwas durchrüttelte. Du sagst, dass du Vertreter des ländlichen Raums seiest und es auch bleibst, und dass du hoffst, dass Gemeindevertreter aus den Regionen nach wie vor auch hier vertreten sein werden. Warum willst du kürzertreten? Du kannst deinen Betrieb erweitern, vor allem im Obstbau. Du möchtest dich weiterentwickeln, den Betrieb vergrössern. Dies wird arbeitsintensiv sein, denn die Natur wartet nicht, die Pflanzen wachsen, die Bäume wachsen, und alles will ordentlich gepflegt sein. In diesem Sinne wünsche ich dir eine gute Hand bei der Pflege der Natur, der Pflanzen und Bäume, viel «Gfreuts», gute Gesundheit und viel Glück. Danke für deinen Einsatz in diesen 13 Jahren. Alles Gute, Paul Messerli! (Anhaltender Applaus) Ich gebe das Wort nun dem Präsidenten der Finanzkommission, denn er hat auch noch jemanden zu verabschieden. Verabschiedung von Frau Alexandra Heeb, Sekretariatsleiterin der FIKO Heinz Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP). Der Grosse Rat hat verschiedene Ständige Kommissionen. Die Mitglieder dieser Kommissionen sind alles Milizler, und wir wären völlig überfordert, wenn wir nicht sehr gut betreut würden. Die guten Seelen in den Sekretariaten der FIKO, JUKO und der OAK sind Leute, die man sehr gut kennt, wenn man Mitglied dieser Ständigen Kommissionen ist, aber sonst nicht. In meinen Anfängen im Grossen Rat waren immer Damen und Herren da, von denen ich nicht wusste, wer sie waren. Vielleicht geht es vielen von Ihnen auch so. Eine dieser guten Seelen verlässt uns leider. Die Sekretariatsleiterin der FIKO, Frau Sandra Heeb, die im August 2009 ihre Arbeit bei uns begann, musste sich in kurzer Zeit einarbeiten, was sie hervorragend machte. Die FIKO-Mitglieder können bestätigen, dass sie ihre kompetente und grosse Arbeit sehr schätzten. Ich hoffe einfach, es sei nicht der fehlende Charme von uns Bernern, dass es sie wieder zurück in ihre Heimat zog. Es wurde ihr eine neue Arbeit in der Stadt Zürich angeboten, und es ist selbstverständlich, dass man Leute unterstützt, die eine Chance haben, beruflich vorwärts zu kommen. In diesem Sinne möchte ich ihr im Namen der FIKO ganz herzlich für ihre grosse und sehr kompetente Arbeit danken. Ich wünsche ihr für ihren beruflichen Werdegang und ihre Zukunft in Zürich alles Gute. Liebe Alexandra, danke vielmals! (Anhaltender Applaus). Präsident. Dem Dank und den guten Wünschen schliessen sich natürlich auch das Präsidium und alle Mitglieder des Grossen Rats an. Wir wünschen Frau Heeb alles Gute. Besten Dank für Ihren Einsatz für den Kanton Bern. Damit sind wir am Ende der Verabschiedungen. Zuhören ist auch eine Gabe der Politiker, und Herr Regierungsrat Perrenoud musste heute Nachmittag schon etwas lange zuhören. Wir haben nun noch fünfviertel Stunden zur Verfügung, und fahren weiter mit der Beratung der Geschäfte. Geschäft /10 Motion Gfeller, Worb (EVP) Sozialhilfe und Auto Wortlaut der Motion vom 22. November 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, im Rahmen der laufenden Revision Artikel 27 des Sozialhilfegesetzes (SHG) so anzupassen, dass die gemäss den SKOS-Richtlinien zweckmässige Verwendung der materiellen Hilfe mit Auflagen, Bedingungen und Weisungen gesichert werden kann. Begründung: Die Sozialdienste sind regelmässig mit Problemen von Sozialhilfebezügern konfrontiert, die ein Auto besitzen und/oder fahren. Leider besteht hier bisher keine genügende gesetzliche Grundlage zur Steuerung. Eine Berner Gemeinde kürzte einem erwerbslosen, aber gesunden Sozialhilfeempfänger die Sozialhilfe, nachdem dieser entgegen der Weisung zur Hinterlegung der Nummernschilder sein Auto weiterhin regelmässig benutzte, um seinem Hobby nachgehen zu können. Der Sozialhilfeempfänger beschwerte sich daraufhin erfolgreich beim Regierungsstatthalter. Dieser wies in seinem Entscheid daraufhin, dass keine zweckwidrige Verwendung von Sozialhilfegeldern vorliege, wenn das Auto aus dem Grundbedarf finanziert werde und der Sozialdienst nicht nachweise, dass er den Betrieb des Fahrzeugs nicht aus dem Grundbedarf finanzieren könne. Tatsache ist jedoch, dass die Sozialhilfe knapp bemessen ist und die monatlichen Kosten für den Betrieb und Unterhalt eines Autos nicht mit Sozialhilfegeldern finanziert werden können. Gemäss den SKOS-Richtlinien setzen sich Sozialhilfeleistungen zusammen aus dem Grundbedarf für den Lebensunter-

295 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 733 halt (Nahrungsmittel, Kleider, Verkehrsauslagen, Ausgaben für die laufende Haushaltsführung), den Wohnkosten, der medizinischen Grundversorgung und in bestimmten Fällen situationsbedingten Leistungen. Je nach Situation kommen Leistungen mit Anreizcharakter wie Einkommensfreibeträge und Integrationszulagen hinzu. Die Sozialhilfe bezahlt aber wiederum gemäss den SKOS-Richtlinien grundsätzlich keine Autos oder Kosten, die durch deren Unterhalt anfallen. Nur wenn eine unterstützte Person berufstätig ist und ihren Arbeitsort nicht auf zumutbare Weise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, werden die Kosten für die Benützung eines Autos im Rahmen von Erwerbsunkosten im Sozialhilfebudget berücksichtigt. Weitere Ausnahmen für die Bewilligung zum Betrieb eines Autos sind das Vorliegen erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen. Die Sozialdienste sollen die Möglichkeit erhalten, Sozialhilfebezügern die Weisung zur Hinterlegung der Nummernschilder zu erteilen und bei Nichtbefolgung der Weisung die Sozialhilfeleistungen entsprechend zu kürzen, wenn keine Gründe für eine Ausnahmebewilligung vorliegen. Wird ein Auto von verwandten oder bekannten Personen zur Verfügung gestellt, soll der Wert dieser Naturalleistung als Einnahme berechnet werden können. (Weitere Unterschriften: 8) Dringlichkeit abgelehnt am 25. November 2010 Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 13. April 2011 Der Motionär beauftragt den Regierungsrat, im Rahmen der laufenden Revision des Gesetzes vom 11.Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1) Artikel 27 so anzupassen, dass die gemäss den SKOS- Richtlinien zweckmässige Verwendung der materiellen Hilfe mit Auflagen, Bedingungen und Weisungen gesichert werden kann. Insbesondere fordert der Motionär eine explizite Regelung hinsichtlich der Übernahme von Betriebs- und Unterhaltskosten für Autos. Sozialdienste sollen die Möglichkeit erhalten, Sozialhilfebeziehenden die Weisung zur Hinterlegung der Nummernschilder zu erteilen und bei Nichtbefolgung der Weisung die Sozialhilfeleistungen entsprechend zu kürzen. Der Besitz eines Autos ist bezüglich des Bezugs von Sozialhilfe in verschiedener Hinsicht relevant. Zunächst setzt der Anspruch auf Sozialhilfe voraus, dass jemand nicht oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann (Art. 23 SHG). Eigenes Vermögen muss somit bis zu einem bestimmten Freibetrag verwertet werden, soweit die Verwertung zumutbar erscheint. Da ein Auto einen Vermögenswert darstellt, muss deshalb sofern das Vermögen über dem Freibetrag liegt primär geprüft werden, ob dieser verwertet werden muss oder nicht. Auf eine Verwertung ist dann zu verzichten, wenn die betreffende Person insbesondere aus gesundheitlichen Gründen, zu Erwerbszwecken oder aufgrund einer stark abgelegenen Wohnsituation ein Auto benötigt. Liegen keine Gründe für einen Verzicht vor, so kann von den Antragstellenden verlangt werden, das Auto innerhalb einer zumutbaren Frist zu verkaufen. Ist das Auto nicht zu verwerten, so stellt sich als nächstes die Frage der Finanzierung. Die Kosten eines privaten Motorfahrzeugs werden im Sozialhilfebudget grundsätzlich nicht berücksichtigt. Sozialdienste berücksichtigen die Kosten der Benützung eines privaten Motorfahrzeugs nur ausnahmsweise, wenn jemand aus den obgenannten Gründen auf ein Auto angewiesen ist. Nach Prüfung des Einzelfalles können die Kosten in solchen Fällen über situationsbedingte Leistungen finanziert werden. Heikel sind nun diejenigen Situationen, in welchen jemand eigentlich kein Auto benötigt, ein Verkauf aber mangels Vermögenswert nicht angeordnet werden kann. Da in diesen Fällen keine situationsbedingten Leistungen ausgerichtet werden, müssen die anfallenden Kosten aus dem Grundbedarf finanziert werden. Der Grundbedarf ist ein Pauschalbetrag. Er umfasst alle in einem Haushalt notwendigen Ausgabenpositionen wie beispielsweise Nahrungsmittel, Bekleidung, Energie, Verkehrsauslagen und Körperpflege. Dieser Pauschalbetrag ermöglicht es den unterstützten Personen, ihr verfügbares Geld selber einzuteilen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Es besteht also eine grundsätzliche Dispositionsfreiheit. Die Gewährung der Sozialhilfe kann aber mit Weisungen verbunden werden, soweit dadurch die Bedürftigkeit vermieden, behoben oder vermindert oder eigenverantwortliches Handeln gefördert wird (Art. 27 Abs. 2 SHG). Der Motionär verweist mit seiner Forderung auf einen Regierungsstatthalterentscheid, in welchem im konkreten Fall die Weisung zur Hinterlegung der Nummernschilder als unzulässig erachtet wurde. Der Entscheid zeigt auf, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob die Unkosten ohne zusätzliche Verschuldung aus dem Grundbedarf getragen werden können oder nicht. Unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips kann dabei nach geltendem Recht auch eine Weisung zur Hinterlegung der Nummernschilder gerechtfertigt sein. Dem Motionär wird dahingehend recht gegeben, dass die Sozialhilfe knapp bemessen ist und damit weder die monatlichen Kosten für den Betrieb und den Unterhalt eines Autos noch die anfallenden Fixkosten (Steuern, Versicherungsprämien) über längere Zeit mit dem Grundbedarf finanziert werden können. Die Gefahr, dass durch den Besitz und die Benutzung eines Privatautos längerfristig ein finanzieller Engpass entsteht, ist jedenfalls gross. Dies kann dazu führen, dass beispielsweise weniger Geld für die Nahrung oder für Kleider für die Kinder zur Verfügung steht. Im Fall einer Familie sind dabei ausserdem noch weitere Familienmitglieder betroffen, wenn die Kosten für ein Auto bei den täglichen Unterhaltskosten eingespart werden müssen. Wie erwähnt, besteht die Möglichkeit, in bestimmten Fällen die Hinterlegung der Nummernschilder zu verlangen, bereits nach geltendem Recht. Aus Sicht des Regierungsrats ist daher zunächst zu prüfen, welche weitergehenden Vorschriften erforderlich sind und anschliessend zu beurteilen, auf welcher Regelungsstufe (Gesetz oder Verordnung) diese zu verankern sind. Der Regierungsrat beantragt deshalb, den Vorstoss als Postulat zu überweisen. Antrag: Annahme als Postulat. Niklaus Gfeller, Worb (EVP). Ich bin bereit, die Motion in ein Postulat zu wandeln, da ich hörte, dass dieses von keiner Seite bestritten wird. Ich denke, ein Postulat könnte meinem Anliegen gerecht werden. Präsident. Die Motion wurde gewandelt. Wird das Postulat bestritten? Das ist nicht der Fall. Abstimmung Geschäft Für Annahme des Postulats Dagegen 113 Stimmen 2 Stimmen 3 Enthaltungen

296 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Geschäft /10 Motion Kipfer, Thun, (EVP) Berücksichtigung der beitragsberechtigten Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes beim Bezug von Dienstleistungen durch den Kanton Wortlaut der Motion vom 24. November 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, Regeln festzulegen, damit die staatlich unterstützten Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes durch den Kanton bei der Erbringung von Dienstleistungen berücksichtigt werden. Begründung: Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes aus den Bereichen AVIG und BIAS, aber auch aus dem IV Bereich, bieten ein breites Sortiment an Dienstleistungen an: von der Gastronomie über Unterhaltsarbeiten bis hin zu administrativer Unterstützung. Damit stellen diese Organisationen sicher, dass ihre Teilnehmenden eine sinnvolle Arbeit und Aufgabe ausführen können und gleichzeitig an die reale Berufswelt herangeführt werden. Für diese Qualifizierungsprogramme (berufliche und soziale Integrationsangebote und Beschäftigungsprogramme) leistet der Kanton einen nicht unwesentlichen Teil an die Finanzierung. Damit die Dienstleistungen möglichst nahe an der Realität erbracht werden können, braucht es entsprechende Abnehmer der angebotenen Dienstleistungen und Produkte. Eine konstante Auftragslage sichert zudem die Qualität der Angebote. Es ist also durchaus im Interesse des Kantons, wenn er selbst die subventionierten Angebote unterstützt, indem er nach Möglichkeit Leistungen von diesen bezieht. Im Sinn von Rahmenverträgen oder Einzelbestellungen können diese Organisationen unter anderem berücksichtigt werden beim Bezug von gastronomischen Leistungen wie Apéros, Empfängen etc. Gleiches gilt für den Bezug von Arbeitsleistungen im Bereich von Unterhalt, Gartenpflege etc. Diverse Programme bieten auch Produkte zum Kauf oder administrative Dienstleistungen an. Für den Bezug dieser Dienstleistungen sollen Regeln festgelegt werden, damit bei marktüblichen Konditionen und gleichwertiger Qualität diese Anbieter durch die Verwaltung vorrangig beauftragt werden. Es könnte auch sinnvoll sein, die Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes zu beauftragen, eine Anlaufstelle für «staatliche Bestellungen» zu schaffen, damit ein einfaches Auftragsverfahren gewährleistet werden kann. Zusammenfassend: Der Kanton kann einen wesentlichen Beitrag an die sinnvolle Auftragserfüllung der Organisationen des zweiten Arbeitsmarktes leisten, indem er mögliche Aufträge an diese Institutionen vergibt. Diese Unterstützung soll für die Zukunft so geregelt werden, dass die Verwaltung eine gewisse Pflicht einer vorrangigen Berücksichtigung erhält. (Weitere Unterschriften: 9) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 4. Mai 2011 Der Motionär beauftragt den Regierungsrat, verpflichtende Regeln festzulegen, mit welchen die staatlich unterstützten Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts bei der Erbringung von Dienstleistungen zu marktüblichen Konditionen und bei vergleichbarer Qualität durch den Kanton bevorzugt werden. Der Regierungsrat erachtet die Unterstützung der Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts als sinnvoll und notwendig. Er subventioniert heute zahlreiche Organisationen und Institutionen, die im Rahmen der Bundesgesetze über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) und über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) sowie des Kantonalen Sozialhilfegesetzes (SHG) Leistungen im Bereich der beruflichen und sozialen Integration erbringen. Die Subventionen erfolgen über die Finanzierung von Betriebs-, Betreuungs- und Lohnkostenbeiträgen. Ziel der Subventionen ist es, den Organisationen die Marktbenachteiligung auszugleichen, welche sich durch die Beschäftigung von leistungsbeeinträchtigten Personen bzw. durch erhöhten Betreuungsaufwand ergibt. Damit leistet der Kanton bereits einen wesentlichen Beitrag zu ausgeglichenen Marktvoraussetzungen von Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts und Betrieben des ersten Arbeitsmarkts. Die verpflichtende Bevorzugung der Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts bei der Beschaffung von Dienstleistungen und Produkten durch den Kanton würde einer zusätzlichen indirekten und verdeckten Subventionierung dieser Organisationen gleichkommen. Der Regierungsrat steht diesem Vorgehen kritisch gegenüber, weil diese Art von Subventionierung dem Grundsatz der Kostenwahrheit und Transparenz in der Haushaltsführung (vgl. Art. 3 Abs. 5 Bst. a Gesetz über die Steuerung von Finanzen und Leistungen [FLG]) widerspricht, und weil sie wenig steuerbar ist. Die politisch gewollte Unterstützung von Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts soll durch steuerbare, transparente und direkte Staatsbeiträge erfolgen. Eine verpflichtende Bevorzugung der Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts bedeutet zudem einen regulierenden Eingriff in den marktwirtschaftlichen Wettbewerb und stört das durch Subventionen hergestellte Gleichgewicht zwischen den Marktteilnehmenden des ersten und zweiten Arbeitsmarkts. Der Kanton Bern subventioniert die Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts nicht nur, sondern kauft auch regelmässig Dienstleistungen und Produkte dieser Organisationen ein. Gemäss dem Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen des Kantons (ÖBG, vgl. Anhang 2) können bei der Vergabe von Aufträgen Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts berücksichtigt und bei Bedarf bevorzugt werden: Aufträge bis zu einem Betrag von Franken können nach freier Wahl vergeben werden; Aufträge von bis Franken werden im Einladungsverfahren vergeben, wobei mehrere dieser Organisationen um eine Offerte angefragt werden können. Auch beim offenen Verfahren mittels Ausschreibung, welches bei Aufträgen von über Franken zur Anwendung kommt, können je nach Definition der Vergabekriterien Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist auch wichtig anzuerkennen, dass sich Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts nicht in jedem Fall für die Erbringung von spezifischen Produkten und Dienstleistungen qualifizieren. Eine verpflichtende Berücksichtigung widerspräche in diesen Fällen dem Grundsatz der bürgernahen und wirtschaftlichen Erbringung von Leistungen mit hoher Qualität (vgl. Art. 3 Abs. 4 Bst. b FLG). Auf Grund der heute bestehenden Möglichkeiten der Berücksichtigung von Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts und der Gefahren der Wahlbeschränkung erachtet es der Regierungsrat als nicht wünschenswert, eine Verpflichtung für den Kanton einzuführen, Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts in jedem Fall zu bevorzugen. Der Kanton Bern hat dennoch ein Interesse daran, die Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts massgebend bei der Vergabe von Aufträgen zu berücksichtigen. Er ist bereit, im Rahmen der nächsten Revision des Gesetzes über das Öffentliche Beschaffungswesen des Kantons (ÖBG) die Aufnahme einer dem Bundesrecht ähnlichen Regelung zu prüfen, wonach Aufträge an Organisationen des zweiten Arbeitsmarkts aus dem oben beschrie-

297 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 735 benen Beschaffungsrecht explizit ausgeschlossen werden. Damit wäre die rechtliche Grundlage für die allerdings freiwillige Bevorzugung dieser Organisationen gegeben. Antrag: Ablehnung der Motion. Hans Kipfer, Thun (EVP). Wieder eine dieser schwierigen Motionen von Kipfer diese Aussage hörte ich dieser Tage von Kollegen. Ja, das Thema mag schwierig sein. Es ist schwierig, weil wir uns im Spannungsfeld zwischen praktischer wirtschaftlicher Tätigkeit und sozialem Engagement bewegen. Mein Engagement und mein berufliches Umfeld umfassen beide Teile, und ich versuche, aus der Praxis heraus Schwachstellen aufzuzeigen und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Was will ich mit dieser Motion? Ich möchte, dass im Beschäftigungsprogramm Integrations- und Qualifizierungsangebote möglichst reale, wirtschaftsnahe Bedingungen herrschen. Die Teilnehmer dieser Angebote sollen sehr praxisnah an den Berufsalltag herangeführt werden. Dazu braucht es Aufträge. Ohne Aufträge bewegen sich die Angebote in einem realitätsfernen Biotop. Wer kann den Programmen am ehesten zu Aufträgen verhelfen? Es ist der Kanton. In der realen Wirtschaft gibt es keinen Markt für Angebote aus dem zweiten Arbeitsmarkt. Ich danke der Regierung für die schlüssige Antwort. Sie bestätigt die Notwendigkeit der Unterstützung dieser Organisationen, zeigt aber auch auf, wo die Grenzen dieser Unterstützung liegen. Zudem zeigt der Regierungsrat auf, dass im Gesetz über die öffentliche Beschaffung noch Handlungsspielraum besteht. Wie wir auch einer anderen, schon behandelten Motion entnehmen konnten, wurde im Februar ein Projekt zur Optimierung des Beschaffungswesens gestartet. Der Regierungsrat äussert in der Antwort auf die Motion den Willen, hier positiv einzuwirken. Ich anerkenne den Willen des Regierungsrats, diese Thematik ernsthaft aufzunehmen, und ziehe somit meine Motion zurück. Präsident. Die Motion wurde zurückgezogen. Geschäft /10 Motion Müller, Bern (FDP) Wirksame Massnahmen bei nicht kooperierenden Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern Wortlaut der Motion vom 30. November 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, Massnahmen zu erlassen, wonach Nicht- oder ungenügendes Kooperieren von Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern zu abgestuften, spürbaren Konsequenzen führt, die nötigen Grundsätze zu erlassen, damit ein bestimmtes Fehlverhalten überall vergleichbare Folgen hat (Sanktionskatalog). Begründung: Wenn Sozialhilfebezüger heute nicht mit dem Sozialdienst kooperieren, dann hat letzterer nur sehr begrenzte Möglichkeiten, renitente «Klienten» zur Räson zu bringen. Die Sozialhilfe kann lediglich um maximal 15 Prozent gekürzt werden und zwar nur auf dem Grundbetrag. Diese geringfügige Kürzung hat sich oftmals als wirkungslos erwiesen. Nicht selten wird sie sogar bewusst in Kauf genommen gewissen Leuten tut ein Abzug von z. B. 70 Franken im Monat schlicht nicht «weh» (erst recht, wenn sie dafür «in Ruhe» gelassen werden). Gemäss Artikel 36 Absatz 2 des Sozialhilfegesetzes dürfen Leistungskürzungen den ( )«Existenzbedarf nicht berühren». Mit der besagten 15-Prozent-Kürzung des Grundbedarfs (und allfälliger Zulagen) ist man offenbar bereits auf dem besagten Existenzbedarf angelangt, was weitergehende Kürzungen verunmöglicht. Anderseits hat dieser Existenzbedarf aber keine absolute Geltung: Gemäss Kapitel A.8.5 der SKOS-Richtlinien ist sogar eine Einstellung der Leistungen zulässig, allerdings nur aus zwei Gründen: wenn die unterstützte Person sich weigert, eine ( ) zur Verfügung stehende Arbeit anzunehmen oder ( ) Ersatzeinkommen geltend zu machen. Wenn also eine Einstellung (= Kürzung um 100 %) möglich ist, dann sollte eine weniger weit gehende, aber wirksame Sanktion auch bei anderen schwerwiegenden Verfehlungen möglich sein. Dies gilt umso mehr, als der gleiche Artikel 36 Absatz 2 SHG ja auch sagt, dass die Leistungskürzung «dem Fehlverhalten angemessen sein muss». Und das ist sie heute eben vielfach nicht. Heute gibt es nur entweder eine bis 15- Prozent- oder dann eine 100-Prozent-Kürzung, nichts dazwischen. Nicht-Kooperieren von Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern soll daher neu zu Konsequenzen führen, die nicht (mehr) leichthin in Kauf genommen werden. Der Regierungsrat soll Massnahmen vorschlagen, die diesen Anforderungen gerecht werden. Darüber hinaus hat das gleiche (vergleichbare) Fehlverhalten von Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern nicht immer die gleichen (vergleichbaren) Konsequenzen. Es gibt Unterschiede von Sozialdienst zu Sozialdienst. Manchmal hat das gleiche Fehlverhalten selbst innerhalb desselben (grösseren) Sozialdienstes unterschiedliche Konsequenzen. Der Regierungsrat soll daher im Sinne der Berechenbarkeit Grundsätze erlassen, die namentlich sicherstellen, dass bei allen Sozialdiensten und auch innerhalb desselben Sozialdienstes für das gleiche Fehlverhalten in etwa die gleiche Sanktion zu gewärtigen ist. Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger, die kooperieren, sind von dieser Regelung nicht betroffen. (Weitere Unterschriften: 9) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 13. April 2011 Mit der eingereichten Motion wird der Regierungsrat beauftragt, wirksame Massnahmen bei nicht kooperierenden Sozialhilfebeziehenden einzuführen. Die vorliegende Motion liegt im abschliessenden Zuständigkeitsbereich des Regierungsrats (Richtlinienmotion) und fordert folgende zwei Massnahmen: 1) Mehrfach abgestuftes Sanktionsmodell (d. h. nicht nur Kürzung des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt [GBL] um 15 Prozent oder Sozialhilfe ganz einstellen, sondern weitere Kürzungsstufen dazwischen). 2) Einführung eines Sanktionskatalogs (welches Fehlverhalten hat welche Folgen) Zu Ziffer 1: Der Motionär kritisiert, dass eine Kürzung des GBL um maximal 15 Prozent eine zu geringfügige Sanktion sei, sich oftmals als wirkungslos erweise und nicht selten von den Klientinnen und Klienten bewusst in Kauf genommen werde. Die nächstmögliche Massnahme sei die Einstellung resp. Kürzung der Sozialhilfeleistungen um 100 Prozent. Aus der Sicht des Motionärs müssen zwischen der Kürzung des GBL um höchstens 15 Prozent und der Einstellung (Kürzung um 100 %) weitere Kürzungsstufen eingeführt werden.

298 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Der Regierungsrat möchte zunächst festhalten, dass es sich bei einer Einstellung der Sozialhilfe nicht um eine Kürzung gemäss Artikel 36 SHG 4 um 100 Prozent, sondern um eine Verneinung der Bedürftigkeit und damit der grundsätzlichen Anspruchsberechtigung nach Artikel 23 SHG handelt. Die Voraussetzungen für eine Sanktion im Sinne einer Kürzung sind dementsprechend nicht dieselben wie für eine vollständige Einstellung der Sozialhilfe. Der verfassungsrechtliche Schutz durch staatliche Hilfe in Notlagen und der damit einhergehende Anspruch auf Existenzsicherung (Art. 12 BV, Art. 29 KV) sind insbesondere an die Voraussetzung gebunden, dass eine Person nicht in der Lage ist, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Wenn sich eine Person beispielsweise weigert, eine zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit anzunehmen oder einen Anspruch auf ein Ersatzeinkommen geltend macht, ist diese Voraussetzung nicht gegeben. 5 In solchen Fällen wird davon ausgegangen, dass die betreffende Person das Subsidiaritätsprinzip verletzt, da sie objektiv in der Lage wäre, für den Lebensunterhalt selber aufzukommen. Sie sind deshalb im Sinne des Gesetzes gar nicht bedürftig, weshalb der grundsätzliche Anspruch auf Sozialhilfe verneint wird. 6 Die Sozialdienste können Klientinnen und Klienten eine zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit zuweisen. Dabei handelt es sich in der Praxis meist um Arbeitsstellen in den Beschäftigungs- und Integrationsangeboten (BIAS) der Gesundheits- und Fürsorgedirektion. Die Sozialarbeitenden treffen mit den entsprechenden Anbietern Abmachungen, damit die betreffenden Stellen während einer gewissen Zeitspanne zur Verfügung stehen. Sind die Bedürftigkeit und damit der verfassungsrechtliche Anspruch auf Existenzsicherung gegeben, können die Sozialhilfeleistungen bei Pflichtverletzungen 7 (z. B. ungenügende Kooperation im Zusammenhang mit der beruflichen und sozialen Integration oder Missachtung von Weisungen des Sozialdienstes) oder bei einer selbstverschuldeten Bedürftigkeit (z. B. provozierte Kündigung) zwar bis auf die Höhe des absoluten Existenzminimums gekürzt werden, nicht aber darunter. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 12 BV (vgl. etwa BGE 130 I 71), wonach der Schutzgehalt von Art. 12 BV zwar auf das absolut Lebensnotwendige begrenzt wird, eine weitere Beschränkung der Leistung dafür aber verfassungswidrig ist. Eine Kürzung der Sozialhilfeleistung unter das absolute Existenzminimum ist der Disposition sowohl der rechtsanwendenden wie der rechtssetzenden Instanzen entzogen. Diese Rechtsprechung widerspiegelt sich auch im Sozialhilfegesetz: Eine Kürzung gemäss Artikel 36 SHG muss verhältnismässig sein, nur die fehlbare Person betreffen, zeitlich befristet sein und darf den absolut nötigen Existenzbedarf nicht unterschreiten. 8 Eine Kürzung darf damit maximal bis zum absoluten Existenzminimum gehen. Die SKOS- Richtlinien definieren in Kapitel A.8.3 eine 15-Prozent- Kürzung des GBL (und allfälliger Zulagen) als zulässig, wogegen weitergehende Kürzungen einen Eingriff in das verfassungsmässige Recht auf das absolute Existenzminimum bedeutet. Bei einer solchen Kürzung hat ein Ein-Personenhaushalt monatlich Franken oder durchschnittlich Franken pro Tag zur Verfügung, insbesondere für Nahrungsmittel, Getränke, Bekleidung und Schuhe, Körperpflege oder öffent- 4 Gesetz vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1) 5 Vgl. auch SKOS-Richtlinien Kapitel A Art. 23 SHG. 7 Vgl. Art. 28 SHG. 8 Vgl. Art. 36 Abs. 2 SHG lichen Verkehr. Die Höhe des GBL ist eine Pauschale zur Finanzierung der variablen Kosten des Lebensunterhaltes. Die Zusammensetzung und Gewichtung der Ausgabepositionen orientieren sich am Konsumverhalten der einkommensschwächsten 10 Prozent der Schweizer Haushaltungen. Die Ansätze des GBL liegen auch unter Einbezug der leistungsbezogenen Zulagen deutlich unter den entsprechenden Ansätzen der Ergänzungsleistungen (EL), und ebenfalls unterhalb der Ansätze zur Bemessung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Der Regierungsrat ist demzufolge der Ansicht, dass das absolute Existenzminimum gemäss SKOS im Einklang mit der kantonalen Gesetzgebung steht und für die Wahrung des verfassungsmässigen Anspruchs auf Hilfe in Notlagen zwingend erforderlich ist. Diese Grenze wird auch von den meisten anderen kantonalen Sozialhilfesystemen angewendet, womit ein grundsätzlicher schweizweiter Konsens besteht. Ergänzend besteht aus Sicht des Regierungsrats auch kein praktisches Bedürfnis für weitergehende Kürzungen. Zwar trifft es vereinzelt zu, dass eine Kürzung bei einzelnen Klientinnen und Klienten nicht zur vom Sozialdienst geforderten Kooperation führt. Gemäss der Einschätzung von Sozialdiensten ist es äusserst fragwürdig, ob gerade bei dieser Klientinnen- und Klienten-Gruppe eine weitergehende Kürzung die gewünschte Kooperationsbereitschaft mit sich bringen würde. Auch diverse Studien zeigen, dass verstärkte Sanktionen und Druckmittel kaum zu einer besseren Kooperation und Mitwirkung der betroffenen Personen bei der beruflichen und sozialen Integration führen. Wenn sich eine Kürzung um maximal 15 Prozent des GBL bei einer Person als wirkungslos erweist, liegt der Verdacht nahe, dass diese anderweitig Einkommen generiert. Um solchem gesetzeswidrigem Verhalten entgegen zu treten, sind in letzter Zeit die bereits bestehenden Kontrollinstrumente ergänzt und verfeinert worden: die Sozialdienste im Kanton Bern haben seit Februar 2010 die Möglichkeit, Sozialinspektorinnen und Sozialinspektoren einzusetzen. Sie können in begründeten Verdachtsfällen mit Sozialinspektorinnen und Sozialinspektoren zusammenarbeiten, um Klarheit der Situation zu erhalten und um im Erhärtungsfall schnellstmöglich Massnahmen einzuleiten. Zudem werden die Sozialhilfebeziehenden bei Antragstellung über das Vorgehen des Sozialdienstes bei Verdacht auf unrechtmässigen Sozialhilfebezug informiert (Präventivwirkung). wie mit nicht oder ungenügend kooperierenden Sozialhilfebeziehenden umzugehen ist, wird zudem im laufenden Pilotprojekt «Testarbeitsplätze» (TAP) mit den Städten Bern und Biel getestet. Klientinnen und Klienten wird dabei eine Arbeitsstelle angeboten, wenn z. B. Unklarheiten bestehen betreffend Arbeitsfähigkeit und/oder -motivation, oder wenn Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch besteht. Aufgrund dieser zur Verfügung stehenden Arbeitsstelle hat die betreffende Person die Möglichkeit, selber für ihren Unterhalt zu sorgen und gilt dementsprechend nicht mehr als bedürftig. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, die Leistungen nicht bloss zu kürzen, sondern gänzlich zu verweigern oder einzustellen. um die Kooperationsbereitschaft derjenigen Klientinnen und Klienten zu erhöhen, die nicht in gewünschtem Masse Mitwirkung zeigen, können des weiteren per 2012 neu vertrauensärztliche Abklärungen zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit über den Lastenausgleich abgerechnet werden. Mit der Teilrevision des SHG per 2012 werden die Datenflüsse im Sozialhilfebereich klarer geregelt. Wenn Klientinnen und Klienten nicht alle erforderlichen Daten zur Subsidiaritätsabklärung liefern, können die Sozialdienste neu gewisse Informationen ohne Einverständnis der Klientin-

299 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 737 nen oder Klienten beschaffen (bspw. bei der Steuerbehörde). Aus Sicht des Regierungsrats sind damit zentrale Massnahmen zur Förderung der Kooperationsbereitschaft der Klientinnen und Klienten bereits umgesetzt oder eingeleitet. Eine grundsätzliche Ausweitung der Sanktionsmassnahmen hält der Regierungsrat für verfassungsrechtlich unzulässig und auch für nicht erforderlich; insbesondere zu einem Zeitpunkt, in dem die genannten Instrumente ihre Wirkung noch nicht voll entfaltet haben. Zu Ziffer 2: Gemäss dem Motionär hat das gleiche (vergleichbare) Fehlverhalten von Sozialhilfebeziehenden nicht überall die gleichen (vergleichbaren) Konsequenzen; es gibt aus seiner Sicht Unterschiede zwischen den Sozialdiensten wie auch innerhalb eines einzelnen Sozialdienstes. Der Regierungsrat soll nun Grundsätze erlassen, damit ein bestimmtes Fehlverhalten in allen Sozialdiensten des Kantons Bern vergleichbare Sanktionen nach sich zieht. Die Grundsätze für Sanktionen in der individuellen Sozialhilfe sind im Sozialhilfegesetz verankert. 9 Für den Regierungsrat ist die Forderung des Motionärs aber nachvollziehbar. Ein «Sanktionskatalog» im Sinne einer Hilfestellung schafft mehr Klarheit für die Sozialdienste und trägt dazu bei, dass alle Sozialdienste des Kantons Bern ein bestimmtes Fehlverhalten auf vergleichbare Weise sanktionieren. Antrag: Ziffer 1 Ablehnung, Ziffer 2 Annahme als Motion. auf Null gesetzt werden auch da wird die Verfassung nicht verletzt. Heute ist dies allerdings nur in zwei Ausnahmefällen möglich: Erstens, wenn ein Sozialhilfebeziehender eine zumutbare Arbeit nicht annimmt und zweitens, ganz ähnlich, wenn er oder sie ein mögliches Einkommen nicht realisiert. Nur in diesen zwei Fällen ist es möglich, auf Null herunterzufahren. Der Schluss, den man daraus zieht, ist der, dass die Leute auch keine Sozialhilfe brauchen. Genau diese Schlussfolgerung kann man problemlos auch hier ziehen, wenn eine Person nicht kooperiert. Mit der vorgeschlagenen Lösung gibt man den Sozialarbeitenden sogar eine gewisse Flexibilität, um auf besondere Umstände im Einzelfall eingehen zu können. Dass es solche Fälle gibt, ist mir auch klar. Daran sollten eigentlich gerade jene interessiert sein, die sich hier querstellen. Der Vorstoss will nur jene hart anfassen, die unser gut gemeintes System ausnutzen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man sich dagegen wehrt, jene härter anzufassen, die diesem System schaden. Bezeichnenderweise sagte mir eine SP-Politikerin diese Woche, es sei doch klar, dass man schon jetzt stärker sanktionieren könne, wenn jemand nicht kooperiere. Es ist eben nicht so, es geht eben wirklich nur in den zwei erwähnten Fällen, aber offenbar schaut man dies auch bei der SP als selbstverständlich an. Beheben Sie hier deshalb bitte einen Mangel, der in breiten Bevölkerungsschichten zu grossem Unmut und zu Protesten führt, was nachher dem ganzen System schadet, und stimmen Sie der Motion zu. Philippe Müller, Bern (FDP). Was will die Motion? Sozialhilfebezüger, die nicht mit dem Sozialdienst kooperieren, sollen stärker als bisher sanktioniert werden. Bis anhin war es so, dass maximal 15 Prozent abgezogen werden können, und dies nur auf den Grundbedarf, nicht auf der gesamten Sozialhilfe. Wer ist von dieser Forderung betroffen? Es sind diejenigen, die nicht kooperieren. Die ehrlichen, normalen Sozialhilfe Beziehenden sind nicht betroffen. Ganz konkret zielt die Motion ich sage es ganz offen auf diejenigen, die schwarz arbeiten und sich daneben bei der Sozialhilfe anmelden. Die 15 Prozent Abzug auf dem Grundbedarf nehmen sie von Anfang an in Kauf; das tut ihnen überhaupt nicht weh. Den ganzen Rest des Sozialhilfegeldes nehmen sie zusätzlich zum Lohn aus der Schwarzarbeit. Man sieht diese Leute nie an einem Besprechungstermin mit der Sozialarbeiterin oder dem Sozialarbeiter. Sie kommen ihren Pflichten nicht nach, machen nicht mit, arbeiten schwarz. Sogar der Regierungsrat sagt in seiner Antwort, dass diese Leute wahrscheinlich schwarz arbeiten. Genau hier setzt diese Motion an. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem soll auch die Unterstützung gekürzt werden; nicht erst, wenn man die Schwarzarbeit mühsam via Sozialinspektoren nachweisen konnte, so wie es der Regierungsrat offenbar will. Hier ist eine Umkehr der Beweislast nötig. Sozialarbeiter schilderten mir Fälle von Leuten, die Sozialhilfe beziehen, die topfit sind und bei denen man beim Sozialdienst klar davon ausgeht, dass sie schwarz arbeiten. Dort sagt man, man könne nichts machen, ausser ihnen die 15 Prozent vom Grundbedarf abziehen, obwohl klar ist, dass dieser Abzug nicht weh tut. Dies ist ein Mangel, der für grosses Unbehagen in der Bevölkerung sorgt und der korrigiert werden muss. Etwas will ich klar sagen: Die Verfassung steht diesem Vorstoss nicht im Weg. Er ist problemlos verfassungskonform umsetzbar. Wohlweislich behauptet der Regierungsrat dies in seiner Antwort auch nicht; er sagt es nur etwas missverständlich. Die Bestimmungen über den Notbedarf werden durch den Vorstoss nicht berührt. Bereits heute kann die Sozialhilfe 9 Art. 36 SHG Christine Schnegg-Affolter, Lyss (EVP). Aus der Antwort des Regierungsrats auf die vorliegenden Forderungen geht für die Mehrheit der EVP klar hervor, dass Punkt 1 abgelehnt werden muss. Wer nicht in der Lage ist, selber für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Sozialhilfe, und diese kann nicht beliebig gekürzt werden, wenn die Leute nicht kooperieren. Aus der Praxis ist bekannt, dass die meisten anspruchsberechtigten Sozialhilfebezüger kooperieren und lieber selber wieder für ihren Lebensunterhalt sorgen würden; also auch Anstrengungen unternehmen und wenn es möglich ist, die Selbständigkeit anstreben. Wir finden aber auch stossend, dass es eine Minderheit gibt, die nicht kooperiert und mit dem gekürzten Grundbedarf noch ganz gut leben kann. Für solche Fälle unterstützen wir aber ganz klar das Projekt «Testarbeitsplätze». Das Ziel muss die Reintegration und der Weg dazu die Motivation sein und nicht Sanktionen, die erwiesenermassen nicht den gewünschten Effekt bringen. Wenn auch noch ganze Familien unter den Sanktionen leiden müssten, so käme dies einer Kollektivstrafe gleich und wäre sicher nicht zu befürworten. Auf eine überwiesene Forderung der EVP hin wurden die beiden Pilotprojekte «Testarbeitsplätze» in Biel und Bern gestartet. Mit diesen Testarbeitsplätzen werden seit ihrer Einführung sehr gute Erfahrungen gemacht. Biel schickt alle sich neu anmeldenden Jugendlichen an einen Test- Arbeitsplatz, und in Bern werden alle zugewiesen, welche die Kooperation verweigern oder wenn Unklarheiten betreffend die Arbeitsfähigkeit oder der Verdacht auf Missbrauch besteht. Das ist für uns der richtige Weg, und wir setzen uns für einen gezielten Ausbau dieser Plätze ein. Aus diesem Grund sagt die Mehrheit der EVP Nein zu Punkt 1. Bei Punkt 2 sind wir mit dem Motionär einig, dass wenn sanktioniert wird, im Rahmen der heutigen Möglichkeiten, gleiches Nichtkooperieren mit gleichen Massnahmen zu rechnen hat. Wir verstehen dies aber nur im Sinne einer Hilfestellung und warnen vor all zu vielen Vorschriften. Sozialhilfebezüger sind Individuen, und der Sozialarbeiter sollte in der persönlichen Betreuung einen gewissen Freiraum bei den Kürzungen haben. Wir stimmen Punkt 2 der Motion in diesem Sinne zu.

300 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Blaise Kropf, Bern (Grüne). Vorerst einmal eine Feststellung: Mit dem vorliegenden Vorstoss, und insbesondere mit Ziffer 1 «outet» sich Grossrat Müller nicht wirklich als profunder Kenner des schweizerischen Sozialhilfesystems. In der Begründung des Vorstosses wird salopp erwähnt, dass das Existenzminimum keine absolute Gültigkeit habe und gemäss den SKOS-Richtlinien sei eine Einstellung der Leistungen zulässig. Dies ist schlicht und einfach falsch oder wenn man noch etwas guten Willen attestieren will sehr, sehr tendenziös. Ich weiss auch nicht, ob der Motionär die Antwort des Regierungsrats las. Nachdem ich vorhin seine Begründung des Vorstosses hörte, hatte ich jedenfalls nicht diesen Eindruck. Es ist klar, die SKOS-Richtlinien halten in aller Deutlichkeit fest und hier möchte ich kurz zitieren: «Die teilweise oder gänzliche Einstellung von Unterstützungsleistungen für die Grundsicherung stellt eine einschneidende Massnahme dar. Sie ist nur bei Verletzung der Subsidiarität zulässig und kann nicht als Sanktion verfügt werden». So einfach ist es, und so klar ist es. Der Regierungsrat weist übrigens in seiner Antwort auch darauf hin, dass der Schutz des absoluten Existenzminimums der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts entspricht. Eine Kürzung unter das absolute Existenzminimum ist verfassungswidrig. Daran ändert letztlich auch ein Vorstoss aus dem Kanton Bern nichts, da kann Philippe Müller noch lange sagen, der Vorstoss sei verfassungsmässig umsetzbar. Eine Kürzung unter das absolute Existenzminimum widerspricht der Verfassung. Allein aus diesem Grund aber ich unterstreiche, dass es ein wichtiger Grund ist ist Ziffer 1 des Vorstosses abzulehnen. Über diesen Grund hinaus widerspiegelt die Motion von Philippe Müller auch nicht gerade ein liberales Politik- und Gesellschaftsverständnis. Auf diesen Aspekt möchte ich noch kurz eingehen: Weshalb kein liberales Politik- und Gesellschaftsverständnis? Erstens gab es in der Geschichte der Sozialhilfe wahrscheinlich noch kaum je eine Phase, in der in einem dermassen hohen Rhythmus neue Verschärfungen, neue Einschränkungen und neue Bestimmungen eingeführt wurden. Allein im Kanton Bern wurde im letzten halben Jahr eine Vielzahl von zusätzlichen Bestimmungen und Verschärfungen eingebaut, die und das muss man zusätzlich noch sagen mehrheitlich noch nicht einmal in Kraft sind. Dazu einige Beispiele: Das Bonus- Malus-System, das im Rahmen der FILAG-Revision vor rund einem halben Jahr hier als sinnvolles und effizientes Instrument zum Kostenmanagement in den Sozialdiensten angepriesen wurde, ist eine der Massnahmen, die nun umgesetzt werden muss. Zu den Massnahmen sind aber auch jene zu zählen, die wir bei der Revision des Sozialhilfegesetzes hier beschlossen und die ja nun bekanntlich auch noch vor Bundesgericht angefochten werden. Wir werden sehen, was dort herauskommt. Zu diesen Massnahmen zählt insbesondere die Vollmacht zur Informationsbeschaffung, die künftig bei der Einreichung des Unterstützungsgesuches abgegeben werden muss. Dazu gehört auch die Anzeigepflicht der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die künftig auch geringfügige Übertretungen ihrer Klienten der Staatsanwaltschaft melden müssen. Dazu zählt auch, dass Personen, die mit unterstützten Personen im gleichen Haushalt, zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft, leben, zur Auskunftserteilung gegenüber den Sozialbehörden verpflichtet werden. Schliesslich auch darauf wird in der Antwort des Regierungsrats hingewiesen besteht seit einem guten Jahr die Möglichkeit, Sozialinspektorinnen und Sozialinspektoren einzusetzen. Angesichts dieses ganzen Rattenschwanzes an zusätzlichen Massnahmen und Möglichkeiten, die geschaffen wurden, stellt sich nun schon die Frage, wieso wir um Gottes Willen nicht erst einmal abwarten und sehen, was diese Massnahmen bringen. Wieso sollen zu einem Zeitpunkt, da die meisten der erwähnten Massnahmen noch nicht einmal in Kraft getreten sind, schon die nächsten Verschärfungen beschlossen werden? Ganz einfach gesagt, dieses Vorgehen bezeichnet man gemeinhin als Übersteuerung. Hier wäre erst einmal eine ruhige Hand angemessen, und man sollte abwarten und sehen, was die beschlossenen Massnahmen bringen. Mit diesem Vorstoss fordert ausgerechnet eine Partei einen ganzen Katalog an zusätzlichen Bestimmungen, die gleichzeitig Unterschriften für eine Initiative für weniger Bürokratie sammelt. Dieas ist ja wohl die Ironie des Schicksals. Auf jeden Fall bittet Sie die grüne Fraktion, Ziffer 1 des Vorstosses klar abzulehnen. Zu Ziffer 2 möchten wir zu bedenken geben, dass wohl das wichtigste Instrument für eine sowohl hochwertige wie auch effiziente Sozialhilfe aus qualifizierten, mit einer erträglichen Fallzahl belasteten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern besteht. Nur in einem System, das der individuellen Situation der betroffenen Menschen auch gebührend Rechnung trägt, in dem Sozialarbeitende gestärkt werden und in dem auch der gesunde Menschenverstand noch zum Zuge kommen kann, können die Ziele der Sozialhilfe und zwar auf beide Seiten erreicht werden. Unter der Voraussetzung, dass ein Katalog von Sanktionen nicht sklavisch, gewissermassen als fixe Regelbindung verstanden wird, sondern als Hilfsmittel mit einem minimalen Spielraum für die Sozialarbeitenden, kann ein solcher Katalog bei der Umsetzung einer einheitlichen Sozialhilfe im ganzen Kanton unter Umständen hilfreich sein. Dies ist der Grund, wieso eine Mehrheit der grünen Fraktion Ziffer 2 dieses Vorstosses unterstützen wird. Ueli Jost, Thun (SVP). Auch wenn ich riskiere, mich der Schelte von Blaise Kropf auszusetzen, ich würde im Sozialhilfegesetz nicht durchblicken: Es ist der SVP-Fraktion ebenfalls ein Anliegen, dass man renitente Sozialhilfebezüger angemessen sanktionieren kann. Der Motionär verlangt, dass gegen nicht oder ungenügend kooperierende Leistungsbezüger weitergehend als heute möglich vorgegangen werden kann. Es geht also um die Möglichkeiten von Sanktionen gegen renitente Leistungsbezüger alle anderen sind hier nicht betroffen, die sich in den meisten Fällen bewusst nicht an die Spielregeln halten. Die heutige Regelung mit einer Leistungskürzung von 15 Prozent bewirkt offensichtlich nicht die gewünschte Verhaltensänderung, sprich Kooperation. Auch wenn dies zugegebenerweise nicht für alle Sozialdienste zutrifft, so ist es doch eine Tatsache, dass die heute ebenfalls mögliche und bereits erwähnte Sanktion der gänzlichen Streichung der Leistungen vielerorts eben nur zögerlich, kaum oder gar nicht angewendet wird. Weil die Motion in Punkt 1 offen formuliert ist und es der Regierung überlässt, wie sie die Möglichkeit ausschöpfen will, wird eine Mehrheit der SVP-Fraktion diesem Punkt zustimmen. Bei Punkt 2 verlangt die Motion von der Regierung einen Katalog an Sanktionen. Die SVP will aber keine weitere Einflussnahme der Regierung auf die kommunalen Sozialdienste. Mit dem heute geltenden Bonus-Malus-System besteht aus unserer Sicht der nötige Anreiz und Handlungsspielraum für die einzelnen Sozialdienste, effizient und kostenorientiert zu handeln. Die SVP-Fraktion unterstützt also mehrheitlich Punkt 1; Punkt 2 lehnt sie ab. Wir verlangen punktweise Abstimmung. Margreth Schär, Lyss (SP). Was sind wirksame Massnahmen? Welche Wirkung soll erzielt werden? In den meisten Fällen wird mit Sanktionen das Ziel erreicht. Die Sozialdienste arbeiten in der Regel sehr professionell und setzen bei Verstössen Sanktionen durch, auch wenn hier vorhin ein

301 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 739 etwas anderes Bild gezeichnet wurde. Es stimmt aber schon, dass es auch renitente und sanktionsresistente Bezüger gibt. Es stimmt auch, dass solche Klientinnen und Klienten «nerven» können, und dass sie den Sozialdiensten auch häufig viel Umtriebe und zusätzliche Arbeit verursachen. Es nützt aber wenig, wenn man in Hysterie verfällt und die Repression auf die Spitze treibt. Erfahrene Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen können mit geschicktem Vorgehen sehr oft gute Resultate erzielen. Eine Kürzung von 15 Prozent der Sozialhilfe ist happig. Bei 812 Franken pro Monat sind 15 Prozent nach meiner Rechnung auch nicht nur 70 Franken, wie der Motionär schreibt, sondern 120 Franken. Dies mag für Philippe Müller zwar ein Klacks sein, aber bei 812 Franken fällt eine Kürzung um 120 Franken stark ins Gewicht. 700 Franken pro Monat für Nahrungsmittel, Körperpflege, Kleider, Schuhe und öffentlichen Verkehr ist wenig Geld. Wenn mit dieser massiven Kürzung beim Klienten keine Reaktion erzielt werden kann, dann muss man wirklich in Betracht ziehen, dass allenfalls noch andere Einkünfte vorhanden sind. Wie die Regierung zu Recht schreibt, haben die Sozialdienste hier zusätzliche Instrumente in der Hand. Mit der Revision des Sozialhilfegesetzes wurden neue Instrumente eingeführt, um Missbräuche zu bekämpfen. Diese Instrumente dienen ebenfalls dazu, Sanktionen wirksamer durchsetzen zu können. Blaise Kropf sagte vorhin zu Recht, dass wir nun erst einmal mit diesen Instrumenten Erfahrungen sammeln sollten und sehen, ob man damit nicht weiter kommt als mit zusätzlicher Repression. Wie gesagt, ist eine Kürzung um 15 Prozent einschneidend. Eine noch grössere Kürzung wird die Situation nicht verbessern; mit professioneller Sozialarbeit werden bessere Resultate erzielt. Die SP-JUSO-PSA-Fraktion lehnt deshalb diesen Punkt ab. Zu Punkt 2: Es ist gängige Praxis, dass die Sozialdienste sich austauschen und abstimmen im Umgang mit Fehlverhalten. Schon damals, als ich noch im Sozialdienst war, arbeitete man mit Handbüchern, die gemeinsam mit der GEF ausgearbeitet worden waren. Hier rennen wir offene Türen ein. Die SP nimmt diesen Punkt an und beantragt gleichzeitig Abschreibung, weil dies der gängigen Praxis entspricht. Peter Eberhart, Erlenbach (BDP). Punkt 2 der Motion unterstützen wir vollständig, denn es scheint uns logisch, dass Sanktionen im ganzen Kanton gleich gehandhabt werden sollten. Zu Punkt 1: Grundsätzlich haben wir Verständnis für das Anliegen des Motionärs und wir verurteilen Missbräuche auch klar. Die Frage ist aber für uns nur die, auf welchem Wege die Missbräuche bekämpft werden sollen. Dort ziehen wir einen anderen Weg vor, und dies aus zwei Gründen: Vor kurzer Zeit wurde das Sozialhilfegesetz mit griffigen Massnahmen verabschiedet. Damit haben wir neu die Möglichkeit der Sozialinspektoren; wir können auch die Datenflüsse im Sozialhilfebereich besser steuern. Wir möchten also zuerst einmal sehen, wie das verabschiedete Gesetz überhaupt wirkt, und danach schauen, ob noch Veränderungen nötig sind oder nicht. Es gibt noch eine zweite Befürchtung: Es ist schwierig, ein derart abgestuftes System gerecht zu handhaben. Was muss man getan haben, damit eine Kürzung um 20 Prozent erfolgt, was für 40 oder 60 Prozent? Hier gerecht zu sein, scheint uns sehr schwierig und es wird auch viele Möglichkeiten geben, gerichtlich gegen eine Kürzung vorzugehen. Im Endeffekt wird dies einen Papierkrieg geben, der auch nicht zielführend ist. Aus diesem Grund lehnen wir Punkt 1 mehrheitlich ab. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Je nachdem, welches Thema man hier behandelt, spricht man von ruhiger Hand oder eben nicht von ruhiger Hand. Blaise Kropf, beim Thema Energie hätten wir uns auch eine Politik der ruhigen Hand gewünscht. Was hier abging, war alles andere als ruhig. Bei der Sozialhilfe wird vielleicht der Saft auch bald einmal ausgehen, ähnlich wie es vielleicht bei der Energie geht; dies ist unsere Sorge. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass die FDP im Rahmen der Teilrevision des Sozialhilfegesetzes ganz klar die Frage, die der Motionär nun aufwirft, eins zu eins vorgebracht hatte. Die Frage wurde in der Kommission gestellt, und wir merkten, dass wir die Frage der Sanktionen im erwiesenen Missbrauchsfall es geht nur um diesen herausnehmen mussten, weil das Fuder damit allenfalls überladen würde. Es ging damals ganz klar darum, die Massnahmen bezüglich Sozialinspektoren und Datenfluss zu überweisen, damit dies auf eine saubere Grundlage kommt. Hier kommt nun der zweite Schritt. Ich begreife insbesondere die BDP nicht. Ich denke, sie hat nicht ganz begriffen, worum es hier geht. Die erfolgte Teilrevision bringt in der Frage, die der Motionär aufwirft, überhaupt nichts. In der vorgenommenen Revision ging es darum, eine Grundlage zu schaffen, wie die Fälle untersucht und abgeklärt werden sollen. Was aber passieren soll, wenn die Resultate da sind, wird von der Gesetzesrevision gar nicht behandelt. In der Kommission stellten wir ganz klar die Frage, was bei Missbrauch denn passieren würde. Die Antworten in der Kommission zumindest sehr schwammig. Man stellte fest, dass bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht eben die 15-Prozent-Regel zum Zuge komme. Ich gebe zu, dass ein Abzug von 15 Prozent für einen Sozialhilfeempfänger, der sich korrekt benimmt, schmerzhaft ist. Aber dort, wo wir eben eine Verletzung der Mitwirkungspflicht haben, gehen wir davon aus, dass noch andere Mittel da sind, und dass ein Abzug in Kauf genommen wird. Wir fanden, das sei zu wenig. Die Motion ist in diesem Punkt eine Kritik an den SKOS- Richtlinien, das deklarieren wir ganz offen. Die besten Sozialinspektoren, die besten Datenaustausch-Regeln nützen nichts, wenn keine Sanktionen da sind. Ebenfalls etwas paradox ist die Aussage des Sprechers der BDP, es sei schwierig, 20, 40 oder 60 Prozent festzulegen. Meine Damen und Herren, dies ist tägliche Praxis, wenn man Entscheide fällen muss, tägliche Praxis einer Recht anwendenden Behörde, dass man dort ein Kriterium findet und Entscheide fällen muss. Dies kann doch nicht das Argument sein, um die Motion in Punkt 1 abzulehnen. Damit habe ich Mühe. Uns geht es in der ganzen Diskussion darum, dass die Grauzone, der Spielraum zwischen den 15 Prozent und der totalen Einstellung der Leistungen bei schweren Fällen genauer definiert wird und man schärfere Massnahmen treffen kann. wenn man hier von Bürokratie spricht, Blaise Kropf, so finde ich es schon effizienter, mit einer Kürzung allenfalls einmal etwas zu erreichen, was über die 15 Prozent hinausgeht, als in jedem Fall Strafverfahren einzuleiten, was eine Riesen- Bürokratie auslöst. Ich habe die Hoffnung, dass der Strafrichter weniger gebraucht wird, wenn man einmal mit den Kürzungen arbeiten kann. Die FDP ist der Meinung, dass Punkt 1 unbedingt als Motion überwiesen werden sollte. Bei Ziffer 2 gibt es keine Differenz zur Regierung. Präsident. Gibt es noch Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Die Diskussion ist damit geschlossen. J aimerais interrompre brièvement le débat et saisir l occasion pour saluer une délégation française qui nous fait l honneur d une visite de courtoisie. Mesdames et Messieurs, je vous souhaite la plus cordiale bienvenue au Grand Conseil du canton de Berne. La délégation est composée de 12 conseillers auprès de membres du pouvoir législatif français. Ils passent quelques jours en Suisse afin de s informer sur le système politique de notre pays et de la politique d immigration. Ce voyage d étude est organisé par Présence suisse et c est

302 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge dans le cadre de ce voyage que nous avons pu recevoir, la semaine dernière déjà, une autre délégation française. La délégation vient en ligne droite de la session des Chambres fédérales, mais les cantons font partie du système politique suisse qui fait l objet du voyage d étude. C est donc comme représentant du niveau cantonal que, au nom du Grand Conseil du canton de Berne, j ai le plaisir de saluer les membres de la délégation. Au nom du Grand Conseil, je souhaite à toute la délégation un séjour intéressant dans notre canton. (Applaus) Philippe Müller, Bern (FDP). Ich möchte kurz zu den Aussagen von Blaise Kropf etwas erwidern. Ich werde dies tun, ohne ihn persönlich anzugreifen und auch ohne ihm zu unterstellen, er habe keine Ahnung. Ich teile seine Meinung zwar nicht, aber ich respektiere sie trotzdem. Der Vorstoss ist kein Verstoss gegen die Verfassung. Wie bereits gesagt, gibt es zwei Möglichkeiten, auf Null zu gehen. Dies stellt den Notbedarf genau gleich in Frage, man spricht einfach nicht von Sanktion, das ist der ganze Trick. Man muss es einfach nicht als Sanktion bezeichnen, und dann funktioniert es plötzlich auf wunderbare Weise. Das ist ein rein politischer Zirkelschluss, keine juristische Frage, und diesen Schluss könnte man hier genauso ziehen. Blaise Kropf wies auf Verbesserungen hin, die gemacht wurden. Er sprach zwar nicht von Verbesserungen, sondern von Massnahmen. Es stimmt, dass einige Verbesserungen gemacht wurden. Man kann sich auch fragen, wieso diese eingefügt wurden. Es lag nämlich einiges im Argen. Aber die Verbesserungen korrigieren den Punkt, dass jemand Sozialhilfe bezieht, obwohl er nebenbei schwarz arbeitet, und man ihn trotzdem fast nicht sanktionieren kann, eben nicht. Dies ist der grosse Unterschied. Nur ganz nebenbei halte ich fest, dass die Partei von Blaise Kropf alle diese Verbesserungen, zumindest die wichtigsten, ablehnte. Ich möchte, dass das Geschäft in der Diskussion bleibt. Ich hörte, dass die BDP den ersten Punkt mehrheitlich ablehnt. Ich wandle den ersten Punkt deshalb in ein Postulat und bitte Sie, den Vorstoss so zu überweisen. Präsident. Punkt 1 wurde in ein Postulat gewandelt. Der Sprecher der BDP wünscht dazu nochmals das Wort. Peter Eberhart, Erlenbach (BDP). Wir behandelten in der Fraktionssitzung die Motion zweimal, weil wir davon ausgingen, dass er nicht wandeln wird. Es gab auch Hinweise in dieser Richtung. Weil er aber nun in ein Postulat wandelte, werden wir dieses unterstützen. Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. Je suis un peu étonné de la discussion aujourd hui concernant cette motion, je suis même inquiet. J ai l impression, M. Kneubühler, que toute la discussion que nous avons eue en commission concernant la lutte contre les abus, ce que nous allions mettre dans la loi, n a pas suffi. Tout à l heure, vous avez dit, M. le député, qu en commission on n avait pas donné de réponse précise sur les possibilités de sanction. Bon, ma mémoire, votre mémoire, chacun a sa mémoire, on pourrait reprendre les dossiers en avant. J ai le souvenir que c était en effet assez imprécis dans une première phase, mais que, dans une deuxième phase, on avait amené des éléments pour montrer que les éléments de sanction étaient là. J ai un peu de peine à dire maintenant qu on va lutter contre les abus alors qu on a une nouvelle loi qui va déjà très loin, qui prévoit beaucoup d instruments qui ne sont même pas encore en route, qui sont prévus à partir du 1 er janvier On veut déjà intervenir une fois de plus! J ai un peu de peine avec les arguments de M. Müller, lorsque qu il dit que si quelqu un ne collabore pas, il faut presser le citron jusqu à ce que cela n aille plus. M. Müller, de quoi a- t-on discuté lors de la révision de la LASoc? On n a discuté que de cela: comment lutter contre les abus. On a aussi discuté de la manière de faire pour ne pas punir ceux qui ne commettent pas d abus et qui ont besoin de l aide sociale. On a aussi discuté des situations de victimes, aussi par rapport aux transferts des données. On a discuté de tout cela. Il me semblait qu on avait déjà quelque chose de bien. L argument est assez linéaire chez M. Müller, il consiste à dire que si quelqu un ne collabore pas, il abuse. M. Müller, vous ne vous posez jamais la question de savoir pourquoi quelqu un n est pas en mesure de collaborer? Vous avez une vision très linéaire à ce niveau-là. J ai entendu récemment un discours d un collègue psychiatre qui a dit quelque chose de très précis certes, vous allez dire: «les psychiatres, au secours». Il a dit qu il y avait maintenant aussi beaucoup plus de gens qui sont déstabilisés au niveau psychique, qui arrivent à l aide sociale parce qu ils sont refusés à l AI; ces gens-là ne sont pas en mesure de collaborer, parce que la notion et la perception du temps par exemple n est pas la même que pour vous qui savez que la session commence ce matin à 9h00 et va finir à 16h00. Moi aussi j ai cette perception-là, je suis très précis dans mes affaires. Pour quelqu un qui est un peu déstabilisé au niveau psychique, cela ne va plus. Sur la notion du temps, vous pouvez encore enlever 30 pour cent des besoins. Ils ne vont jamais rouspéter, ils vont se laisser crever de faim à domicile, ces patients-là. C est bien de cela qu il faut se rendre compte, qu en se focalisant maintenant sur la non-collaboration des gens et en concluant que ce n est que de l abus, attention, on touche quelque chose qui est dangereux. Laissons les instruments qu on a décidé de mettre en place au 1 er janvier 2012 devenir effectifs et après on pourra discuter de savoir s il faut encore réfléchir à autre chose. Cela a été évoqué tout à l heure, les places de travail qu on met maintenant en place à Bienne et à Berne montrent des résultats absolument intéressants. C est ce genre de choses qu il faut poursuivre, la lutte contre les abus est donnée et je ne vois pas en quoi le point 1 de la motion apporte quelque chose de plus, si ce n est de la sanctionitis voire de la sanctionose que je trouve extrêmement dangereuse dans un état démocratique. Je vous prie, avec le gouvernement, de rejeter le point 1 et d accepter le point 2, comme le gouvernement vous l a proposé. Philippe Müller, Bern (FDP). Lieber Herr Regierungsrat, ich sehe, dass Sie sich etwas aufregen. Das ist ein gutes Zeichen. Offenbar wurde ein wunder Punkt berührt. Ich möchte eines klar festhalten. In meinem ersten Votum sagte ich klar sonst können wir nachschauen die vorgeschlagene Lösung lasse eine gewisse Flexibilität für Einzelfälle unter besonderen Umständen zu. Das sind genau die Einzelfälle, die Sie nun erwähnten und mir vorwarfen, sie nicht zu berücksichtigen und es gehe zudem nur nach Schema F. Genau dies sagte ich es war halt auf Berndeutsch aber ich bitte Sie schon, zuzuhören. Genau auf dies spielte ich an, weil ich weiss, dass dort Probleme bestehen, und dass es Leute gibt, die Mühe haben, und dass man diese nicht einfach in eine Schublade tun kann. Ich bitte Sie aber schon, mir nicht Aussagen zu unterschieben, während ich genau das Gegenteil sagte. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Eine Präzisierung zur Aussage: Die Informationen in der Kommission waren richtig

303 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 741 und ausführlich, aber das Ergebnis fanden wir schwammig und nicht befriedigend. So drücke ich mich etwas diplomatischer aus, aber im Ergebnis ändert dies an unserer Meinung nichts. Aus Respekt vor dem regierungsrätlichen Amt repliziere ich sonst nichts. Präsident. Es wurde punktweise Abstimmung verlangt. Punkt 1 wurde in ein Postulat gewandelt. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Punkt 1 als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Punkt 2 der Motion Dagegen 82 Stimmen 48 Stimmen 3 Enthaltungen 96 Stimmen 31 Stimmen 6 Enthaltungen Präsident. Es wurde verlangt, über die Abschreibung zu befinden, wenn dieser Punkt angenommen wird. Damit stimmen wir auch noch über die Abschreibung ab. Abstimmung Geschäft Für Abschreibung von Punkt 2 der Motion Dagegen 45 Stimmen 87 Stimmen 1 Enthaltung Geschäft /10 Motion Studer, Niederscherli (SVP) Selbsthilfe vor Sozialhilfe Wortlaut der Motion vom 30. November 2010 Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat Massnahmen vorzuschlagen, wonach Personen, die um wirtschaftliche Hilfe ersuchen, der Sozialhilfeleistung vorausgehend a) gegen Lohn einen mindestens einmonatigen Arbeitseinsatz leisten, sich bei der Stellensuche coachen lassen müssen und anschliessend nahtlos in ein Beschäftigungsprogramm eintreten oder an anderen geeigneten Massnahmen teilnehmen; ausgenommen sind Personen, die ganz oder teilweise arbeitsunfähig (krank, positiver IV- Entscheid usw.) oder aufgrund von Betreuungspflichten verhindert sind b) sich an Informationsveranstaltungen des Sozialdienstes über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Sozialhilfebezuges informieren lassen und die erforderlichen und möglichen Eigenleistungen erbringen; ausgenommen sind Personen, die bereits ausreichend informiert sind Begründung: Der Regierungsrat hat auf eine entsprechende Motion hin ein Anreizsystem geschaffen, das sich bewährt hat. Es basiert auf dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung. Dieses System soll ausgebaut werden, indem Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller vor der Unterstützung Vorleistungen erbringen müssen. Das Subsidiaritätsprinzip bedeutet, dass Hilfe nur gewährt wird, wenn und soweit bedürftige Personen sich nicht selber helfen können. Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller, die dazu in der Lage sind, sollen deshalb sofort eine Arbeit aufnehmen und damit ihren Willen zur aktiven Arbeitsintegration und zur Erbringung der Eigenleistungen (Selbsthilfe) bestätigen. Studien belegen, dass die Schwierigkeiten bei der beruflichen Integration mit der Dauer der Arbeitslosigkeit überproportional zunehmen. Umso bedeutender ist, dass die Integrationsmassnahmen mit Nachdruck einverlangt werden und ohne Zeitverzug einsetzen. Das sogenannte Winterthurer-Modell, das von Zürich übernommen wurde und dessen Einführung in Basel geprüft wird, hat gezeigt, dass rund ein Viertel der zum Arbeitseinsatz Aufgebotenen keiner Sozialhilfe bedurften. Diese Massnahme ist daher auch unter dem Aspekt der Missbrauchsprävention von Bedeutung. In der Praxis zeigt sich oft, dass der einfache Zugang zur Sozialhilfe nicht motiviert, vor und während der Unterstützung die Pflichten zu erfüllen (Anmeldung zum Taggeldbezug, Annahme von vorhandenen Arbeitsstellen, Eintritt in ein Beschäftigungsprogramm, andere Vorkehrungen, die der sozialen und beruflichen Integration dienen). Vielfach müssen während der Unterstützungszeit mit sehr grossem Aufwand und nicht immer erfolgreich Weisungen erteilt, Mahnungen verteilt und Verfügungen erlassen werden, weil die gesetzlich verlangte Mitwirkung fehlt. Aus diesem Grund soll das Modell Winterthur nicht nur übernommen, sondern insbesondere auch ausgebaut werden. Die mangelnde Mitwirkung und die fehlenden Kenntnisse von Rechten, Pflichten, Subsidiarität, Missbrauchsbestimmungen, Gesundheitswesen, Schul- und Bildungssystem etc. führen dazu, dass die den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zur Verfügung stehende Zeit für die Einforderung selbstverständlicher Gegenleistungen, statt für Beratung eingesetzt werden muss. Es ist deshalb sinnvoll, die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller an Informationsveranstaltungen des zuständigen Sozialdienstes auf unbürokratische Art und Weise an ihre Mitwirkungspflichten und an die Subsidiaritätsregeln heranzuführen. Dass Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller vor der Sozialhilfeleistung die möglichen Eigenleistungen erbringen (Anmeldung zum Bezug von Taggeldern, von Stipendien etc.), ist eine Selbstverständlichkeit, die mit Nachdruck eingefordert werden muss. (Weitere Unterschriften: 10) Schriftliche Stellungnahme des Regierungsrats vom 13. April 2011 Der Motionär beauftragt den Regierungsrat, Massnahmen vorzuschlagen, mit denen Personen im Vorfeld eines Sozialhilfebezugs zu einem mindestens einmonatigen Arbeitseinsatz und zu einem Integrationscoaching verpflichtet werden können. Danach soll der nahtlose Übergang in ein Integrationsangebot erfolgen. Gleichzeitig sollen sich die Teilnehmenden an Informationsveranstaltungen des Sozialdienstes über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Sozialhilfebezugs informieren lassen müssen. Die Forderungen des Motionärs entsprechen dem Winterthurer Modell «Passage». Die vorliegende Motion unterscheidet sich in den wesentlichen Forderungen nicht von der Motion (M 182/09) Messerli, Nidau (EVP) und Gasser, Wabern (EVP) vom 9. April 2009 «Arbeitsintegration fördern Fallzahlen vermindern. Neue Wege in der Sozialhilfe», die am 10. Dezember 2009 vom Grossen Rat als Postulat angenommen wurde. Der Regierungsrat stand dem Anliegen der Motion positiv gegenüber. In der Antwort wies er darauf hin, dass das Winterthurer Modell «Passage» jedoch ein städtisches Modell ist, welches auf die Gegebenheiten des Kantons Bern angepasst werden muss.

304 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge Der Regierungsrat schlug vor, im Rahmen eines Pilotprojekts zu prüfen, welche Zielsetzung mit der Massnahme verfolgt werden soll und mit welchem Modell Kosteneinsparungen erzielt werden können. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind für die Umsetzung der Massnahme richtungsweisend. Eine kantonsweite Anwendung eines einmonatigen Arbeitseinsatzes für alle sich neu anmeldenden Personen und die Gewährleistung einer Anschlusslösung für alle Teilnehmenden im Rahmen der Beschäftigungs- und Integrationsangebote verursacht Mehrkosten. Dies, weil die Beschäftigungs- und Integrationsangebote, welche heute nicht bedarfsdeckend sind, sowohl für den Arbeitseinsatz als auch für die Anschlusslösung massiv ausgebaut werden müssten. Kostensenkend und erfolgversprechend werden hingegen Modelle erachtet, in denen spezifische Zielgruppen mit Arbeitseinsätzen abgeklärt und/oder schnell in den 1. Arbeitsmarkt integriert werden. Um ein solches «Berner» Modell zu prüfen, wurden im Frühling 2010 zwei Pilotprojekte «Testarbeitsplätze» in den Städten Bern und Biel gestartet. Die Pilotprojekte verfolgen unterschiedliche Ziele und visieren unterschiedliche Zielgruppen an. Die Stadt Bern weist vorab jene Personen den Testarbeitsplätzen zu, bei denen Unklarheit bezüglich Arbeitsfähigkeit und Kooperation sowie ein Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch besteht. Das sind sowohl Personen, die bereits längere Zeit von der Sozialhilfe unterstützt werden, als auch Personen, die sich neu für einen Sozialhilfebezug anmelden. Die Stadt Biel weist alle sich neu anmeldenden jungen Erwachsenen den Testarbeitsplätzen zu. Die Stadt Biel verfolgt dabei vorab das Ziel der Arbeitsintegration. Die Pilotprojekte dauern bis Ende Im Verlauf des Jahres 2011 wird die Wirkung der beiden Massnahmen bezüglich Arbeitsintegration, Missbrauchsprävention sowie Kosteneinsparungen evaluiert. Anhand der Resultate wird die Ausweitung der Testarbeitsplätze auf den ganzen Kanton vorbereitet. Die kantonale Umsetzung der Testarbeitsplätze ist ab 2012/13 geplant. Die Forderung des Motionärs, wonach bedürftige Personen sich an Informationsveranstaltungen des Sozialdiensts über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen informieren lassen müssen, ist heute bereits erfüllt: Die im Kanton Bern verbindlichen SKOS-Richtlinien regeln die Pflichten und Anspruchsrechte der Sozialhilfebeziehenden. Es ist in der Professionalität der Facharbeit angelegt, dass die Sozialarbeitenden die Sozialhilfebeziehenden entsprechend informieren. Gemäss Art. 19 Abs.1 des Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) definiert das Fachpersonal zudem die Anforderungen an die Sozialhilfebeziehenden mittels Zielvereinbarungen. Zusätzliche Informationsgefässe sind nicht notwendig. Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass die dargelegten Forderungen des Motionärs bereits im Rahmen der Motion Messerli diskutiert wurden. Es erfolgte die Einigung auf die Prüfung eines auf die kantonalen Strukturen angepassten und kostensparenden Modells. Auf Grund dieser Umstände lehnt der Regierungsrat die Motion ab, die die bereits getroffenen Abklärungen und Entscheide rückgängig machen würde. Antrag: Ablehnung der Motion. Ueli Studer, Niederscherli (SVP). Ich hoffe, bei dieser Motion werde es nicht allzu emotional. Bei der Einreichung der Motion war ich noch nicht lange im Rat. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass ich nicht vorab abklärte, ob der Rat bereits Aufträge im Sinne der Motion erteilte. Ich hätte die Motion aber trotzdem eingereicht, auch wenn ich die Motion Messerli damals schon studiert hätte, oder gerade trotzdem. Warum dies? Die Umsetzung dieses Postulates zeigt auf, dass der Kanton nicht willens ist, zu prüfen, ob die Bereitschaft zum Erbringen einer Gegenleistung da ist, bevor Sozialhilfe ausbezahlt wird. Dazu kommt noch, dass Punkt 2 meiner Motion, Informationsveranstaltungen, nicht Gegenstand der Motion Messerli war. Warum verlange ich den Arbeitseinsatz mit anschliessendem Übertritt ins Beschäftigungsprogramm? Wir wissen aus der Praxis, dass bis ein Drittel der ausgesteuerten Personen auf Sozialhilfe angewiesen ist. Wir wissen aber auch, dass bis zu einem Drittel der ausgesteuerten Personen nach voller Ausschöpfung aller Taggelder innert kurzer Zeit eine neue Anstellung findet. Ich möchte nun gerne wissen, ob dieser Drittel nach der Aussteuerung Sozialhilfe bezieht oder bedürftig wäre, wenn sie sich wie die anderen um Arbeit bemühen. Das Modell Winterthur zeigte auf, dass es auch bei jenen, die nach der Aussteuerung Sozialhilfe beantragen, eine stattliche Anzahl gibt, die auf Sozialhilfe verzichten, wenn sie die gleichen Bedingungen in Kauf nehmen müssen wie jene, die nach der Aussteuerung Arbeit fanden. Ich bin nicht der Meinung, dass im Rahmen von Pilotprojekten zuerst geprüft werden muss, welche Massnahmen und Zielsetzungen verfolgt werden sollen. Die Zielsetzung ist klar: Es ist zu prüfen, ob Personen, die einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, zuerst alles tun, um sich selber zu helfen. Es geht mir noch um einen entscheidenden weiteren Aspekt: Es ist hinlänglich bekannt, dass zwischen vielen Erwerbstätigen und Sozialhilfebezügern kein oder kein wesentlicher Unterschied besteht, was das Einkommen betrifft. In einem Punkt besteht aber ein gewaltiger Unterschied zu Lasten jener, die mit wenig Geld, ohne Sozialhilfe auskommen müssen. Wer meine Motion ablehnt, zeigt in der Konsequenz, dass arbeitsfähige Personen ohne Betreuungspflichten Sozialhilfe beziehen können, auch wenn ihnen Arbeit angeboten wird. In der Motion Messerli wurden bei der Diskussion verfassungsrechtliche Bedenken geäussert. Dies kann ich nicht nachvollziehen. Warum? Weil das Problem nämlich lösbar ist, wenn man dies will. Selbstverständlich müssen einem Antragsteller oder einer Antragstellerin im ersten Monat Vorschüsse geleistet werden, wenn die Existenz bedroht ist. Dies ist aber auch möglich bei Testarbeitsplätzen, und Vorschüsse sind auch in der Privatwirtschaft nicht ausgeschlossen. Was die Mehrkosten angeht, so ist der Regierungsrat weder bei der Motion Messerli noch bei der Beantwortung meiner Motion klar und blieb uns eine nachvollziehbare Antwort schuldig. Es gibt Modelle, die ohne Mehrkosten möglich sind. Ich bitte den Rat noch einmal, bei der Debatte so es sie geben wird auch die Leute vor Augen zu haben, die nicht mehr Mittel zur Verfügung haben als Sozialhilfebezüger, die aber die Krankenkasse zum Teil und die Steuern als Ganzes selber bezahlen müssen. Zu Punkt 2: Die Pflicht, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen, war nicht Gegenstand der Motion Messerli, und die Forderung ist trotz der Behauptungen des Regierungsrats alles andere als erfüllt. Wenn ich in der Antwort auf die Motion den Satz lese, zusätzliche Informationsveranstaltungen seien nicht notwendig, so fühle ich mich nicht ernst genommen. Die Art und Weise der Antwort zeigt auf, dass eine Auseinandersetzung mit meinem aus der Praxis stammenden Anliegen gar nicht stattfand. Es ist zutreffend, dass es Pflicht ist, in der Sozialberatung Informationen abzugeben. Aus der Praxis wissen wir, dass die Zeit, die Sozialarbeitende für Informationen und Beratungen haben, sehr knapp ist und nicht reicht. Der Regierungsrat macht es sich zu leicht, wenn er auf die Professionalität der Sozialarbeitenden verweist. Diese ist für mich völlig unbestritten. Es scheint mir aber fast etwas zynisch, denn der Schwarze Peter wird den Sozialarbeitenden zugewiesen. Gerade beim Staat haben wir die Pflicht, effizient zu handeln. Dies funktioniert aber nur, wenn die Sozialhilfebezüger dazu verpflichtet werden können, an

305 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 743 solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Eine solche, durchsetzbare Pflicht ist für mich weder in der Motionsantwort noch im Gesetz erkennbar. Der Grosse Rat setzte mit dem Bonus-Malus-System klar das Ziel, dass die Sozialdienste kostengünstig zu arbeiten haben. Ich bitte den Grossen Rat, mit der Einführung der Pflicht, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen, den Sozialdiensten auch ein griffiges Instrument in die Hand zu geben, das die effiziente Arbeit unterstützt. Werte Damen und Herren Ratskolleginnen und Kollegen, ich verfolgte vorhin die gehässige Diskussion. Ich war auch in der Spezialkommission und vielleicht habe ich gerade bei den Debatten, die vorhin abliefen, nicht immer alles mitbekommen, was in der Kommission lief. Aber am Schluss fanden wir einen Konsens. Ich merkte beim Lobbyieren für meine Motion, dass ich wahrscheinlich keine Mehrheit für die Unterstützung finden werde. Deshalb, und auch in Anbetracht der Zeit, wandle ich meine Motion in ein Postulat. Ich bitte Sie, dieses zu überweisen. Präsident. Der Motionär wandelt in ein Postulat. Wird dieses bestritten? Das ist der Fall. Christine Schnegg-Affolter, Lyss (EVP). Die Forderung des Kollegen Studer deckt sich, wie er selber merkte, mindestens im ersten Punkt mit der Forderung der Fraktion EVP vom letzten Jahr. Der Rat überwies im Dezember 2010 das Postulat EVP «Arbeitsintegration fördern, Fallzahlen vermindern, neue Wege in der Sozialhilfe», und der Regierungsrat bewilligte daraufhin die zwei Pilotprojekte «Testarbeitsplätze» in Bern und Biel. Wie bereits beim letzten Geschäft erwähnt, sind diese Pilotprojekte erfolgreich, und die Fraktion EVP setzt sich aus diesem Grund auch dafür ein, dass solche Abklärungs-Arbeitsplätze namentlich für Jugendliche und Antragsteller mit fragwürdiger Motivation oder mit Verdacht auf Missbrauch kantonsweit ausgebaut werden. Wir sind aber der Meinung, dass dieser Ausbau gezielt für die genannten Gruppen erfolgen solle und nicht ausnahmslos für alle neu angemeldeten Klienten. Dabei haben wir unser Kantonsbudget im Auge. Aus der Praxis der beiden Pilotprojekte und aus der Erfahrung des Winterthurer Modells Passage weiss man um den Erfolg bei den genannten Zielgruppen. Hier ist ein Ausbau auch wünschenswert. Wir halten uns deshalb an die Antwort der Regierung, die ein den kantonalen Strukturen angepasstes und kostensparendes Modell bevorzugt. Aus diesem Grund wird die Mehrheit der EVP-Fraktion in Punkt 1 nur das Postulat unterstützen, aber hier sind wir ja mit dem Motionär jetzt Postulanten einig. Bei Punkt 2 sind wir der Meinung, dass Informationsveranstaltungen möglicherweise nicht die gleiche Wirkung haben wie persönliche Informationen zu Voraussetzungen, Pflichten und Anspruchsrechten der Sozialhilfebezüger durch die betreuenden Sozialarbeitenden. Wir befürchten sogar, dass Informationsveranstaltungen weniger zielführend wären als die direkte Information. Deshalb lehnen wir Punkt 2 ab. Erich Feller, Münsingen (BDP). Der Motionär verlangt Massnahmen, wonach Personen, die um wirtschaftliche Hilfe suchen, der Sozialhilfe vorausgehend gegen Lohn mindestens einen einmonatigen Arbeitseinsatz leisten und an Informationsveranstaltungen teilnehmen sollen. Es kommt somit der Grundsatz von Leistung und Gegenleistung zum Tragen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird Hilfe nur gewährt, soweit bedürftige Personen sich selber nicht helfen können. Studien belegen, dass die Schwierigkeiten der beruflichen Integration mit der Dauer der Arbeitslosigkeit überproportional zunehmen. In der Praxis zeigt sich, dass der einfache Zugang zur Sozialhilfe nicht motiviert, während der Unterstützung Leistungen zu erbringen. Die mangelnde Mitwirkung führt dazu, dass die Sozialarbeitenden oder ihre Assistenz sehr stark für die Einforderung von fehlenden Unterlagen beansprucht werden und so weniger Zeit für die notwendigen Beratungen zur Verfügung haben. Ende 2009 wurde ein Postulat erheblich erklärt wie wir schon hörten das ähnliche Ziele verfolgte. Der Regierungsrat schlug ein Pilotprojekt vor. Im Frühjahr 2010 wurden dann zwei Pilotprojekte gestartet, die bis Ende dieses Jahres dauern sollen. Anschliessend sollen die Wirkung der Massnahmen und die Kosteneinsparungen beurteilt werden. Anhand der Resultate wird die Ausweitung der Testarbeitsplätze auf den ganzen Kanton vorbereitet. Mit diesem Postulat wurde aber nicht genau die gleiche Alterskategorie von Sozialhilfe- Empfängern angesprochen. Es ist verständlich, dass ein einmonatiges Praktikum, wie es der Motionär fordert, zu Mehrkosten führt. Erfahrungsgemäss ist es sehr schwierig hier gehen aber die Meinungen auseinander Arbeitsstellen für solche Leute und für die Dauer von nur einem Monat zu finden. Der erste Monat ist immer der aufwändigste. Die Arbeitsplätze für diesen Zweck müssten kantonsweit auch zuerst noch gefunden oder geschaffen werden. Zudem können die Bedingungen betreffend Information bereits heute erfüllt werden. Die BDP-Fraktion unterstützt grundsätzlich die Ansicht, dass Selbsthilfe vor Sozialhilfe kommen muss. Wichtig ist die berufliche Eingliederung, damit die Betroffenen möglichst bald auch wieder über eine Tagesstruktur verfügen und über die Sozialleistungen eine Gegenleistung erbringen können. Mit einem einmonatigen Einsatz ist das Problem aber überhaupt noch nicht gelöst. Um diesen Einsatz sinnvoll gestalten und den erforderlichen Aufwand vertreten zu können, braucht es anschliessend ein möglichst lückenloses Angebot. Auch dies muss zuerst gefunden, geschaffen und auch finanziert werden. Eine langfristige Lösung muss somit angestrebt werden. Aus diesen Überlegungen heraus lehnt die BDP-Fraktion im jetzigen Zeitpunkt auch das Postulat ab. Kathy Hänni-Lehmann, Kirchlindach (Grüne). Die Wirtschaft und die Arbeitswelt stehen unter Druck. Dieser wird natürlich immer gegen unten weiter gegeben. So generieren wir immer mehr Randständige, Ausgegrenzte, wirtschaftlich Schwache. Nach der Annahme des Vorstosses «Arbeitsintegration fördern, Fallzahlen vermindern, neue Wege in der Sozialhilfe» laufen die beiden Pilotprojekte. Nächstens sollten diese evaluiert werden. Die grosse Angst, oder sogar das Killer- Argument für diesen Vorstoss ist, dass es am Anfang Mehrkosten generiert. Vor Mehrkosten haben wir im Moment alle Angst. Wenn wir aber ressourcenorientiert und mit besserer Zielanvisierung arbeiten, so wird der anfängliche Mehraufwand später auch mit niedereren Kosten honoriert werden. Also: Vergessen wir doch den Blick auf das Ganze nicht! Bei der vorgesehenen Auswertung und Ausweitung dieses Pilotversuchs werden die Ideen aus diesem Vorstoss hilfreich sein. Wichtig ist: Arbeitwillige Menschen sollen rasch integriert werden, Arbeitsunfähige müssen entsprechend behandelt werden. Diese Triage muss gut gemacht werden. Einige Leute aus der grünen Fraktion können bei diesem Vorstoss auch ein Postulat mit unterstützen. Adrian Kneubühler, Nidau (FDP). Ich weiss, dass der Motionär sehr viel von Sozialhilfe versteht ich war in der Kommission jeweils sehr dankbar für seine Kenntnisse. Wenn ich hier das Postulat bestreite, so geht es um Punkt a. Bei Punkt b können wir mit einem Postulat leben, wenn dieses im Sinne eines Prüfauftrages gemeint ist, das keine allzu grossen Kostentreiber auslöst. Ich muss auch sagen, dass ich als Stadtpräsident von Nidau allenfalls noch Freude hätte, wenn Punkt a als Postulat überwiesen würde, wonach jeder Sozial-

306 Juni 2011 Nachmittag Gesundheit und Fürsorge hilfeempfänger gegen Lohn und dies ist das Problem, das ich mit dem Vorstoss habe: gegen Lohn einen Arbeitseinsatz machen müsste, und wenn dies dann in den Lastenausgleich gehen würde. Das Problem ist aber, dass ich als Grossrat folgend Angst habe: Wer bezahlt diesen Lohn? Ist es die Wirtschaft? Können Sie die Wirtschaft oder das Gewerbe zwingen, einen Sozialhilfeempfänger anzustellen und einen Lohn zu zahlen? Ich denke, dass dies nicht der Sinn des Vorstosses sein kann. In diese Richtung möchte ich auf jeden Fall nicht weiter forschen. Ist die Meinung, dass dies eine Entschädigung ist, die das Gemeinwesen bezahlt und die nachher bei einem Beschäftigungsprogramm via Lastenausgleich finanziert wird? Dann möchte ich doch daran erinnern, dass wir hier schon mehrmals Debatten hatten, in denen gerade die SVP die Sozialhilfekosten im Lastenausgleich sehr stark kritisierte. Wenn die Meinung ist, dass es über den Lastenausgleich gehen soll, so wird das zu einem ganz extremen Kostentreiber im Thema Sozialhilfe. Dann steigen die Kosten. Haben wir gerade jetzt den richtigen Zeitpunkt, um in hier in diesem Bereich weitere Kosten zu verursachen? Daran habe ich grosse Zweifel. Ich wäre sofort bereit, mit dem Motionär zusammen einen Vorstoss einzureichen, in dem man die Sozialhilfeempfänger allenfalls zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet. Hier wäre ich mit dem Motto Arbeit vor Leistung sehr einverstanden, aber gegen Lohn? Dies, so fürchte ich, würde zu einer grossen Explosion der Sozialhilfeausgaben führen, und ich lehne persönlich auch das Postulat ab. Michèle Morier-Genoud, Bienne (PS). Le groupe socialiste PS-JS-PSA soutient la réponse du Conseil-exécutif. Concernant le point 1, comme nous l avons déjà entendu, suite à la motion Messerli, les projets pilotes sont en cours à Berne et à Bienne et donnent, à ma connaisance, de bons résultats, en tout cas à Bienne. Je vous propose donc d attendre la fin de cette année, comme cela a déjà été mentionné. Tirons des bilans de ces deux expériences et essayons de trouver la meilleure formule avec les ressources existantes et disponibles pour résoudre cette question. M. Studer, dites-moi si par la suite vous serez d accord d investir des fonds supplémentaires pour pouvoir engager des entreprises dans ce domaine qui soient d accord d engager des personnes qui demandent l aide sociale. Serez-vous aussi d accord de prendre votre bâton de pèlerin et d aller convaincre des patrons de PME et d autres entreprises pour qu ils acceptent ces mêmes personnes? Concernant le point 2, je trouve que cette demande est superflue, vu que la demande est déjà réalisée dans un certain nombre de services sociaux. Nadia Pieren, Burgdorf (SVP). Die Überschrift «Selbsthilfe vor Sozialhilfe» der Motion, resp. des Postulats, sagt eigentlich schon alles aus. Ich verstehe nicht, wie man dazu nicht Ja sagen kann. Der Postulant fordert, Massnahmen zu ergreifen er fordert keine konkrete Umsetzung, damit Leute gegen Lohn arbeiten gehen, bevor sie Sozialhilfe in Anspruche nehmen. Er fordert auch, dass sie an Informationsveranstaltungen teilnehmen; es ist übrigens viel effizienter, sie in der Gruppe zusammenzunehmen, als mit jedem Einzelnen ein Gespräch zu führen. An diesen Veranstaltungen sollen die betroffenen Personen über die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen der Sozialhilfe informiert werden. Ich denke, das schadet niemandem, und es ist sicher im Interesse aller Betroffenen, sich möglichst schnell wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Auch ich kenne Leute in meinem Umfeld, die durch unglückliche Umstände ihre Arbeit verloren und plötzlich obwohl sie dies nie erwartet hätten auf die Sozialhilfe angewiesen waren. Ihr Wunsch war es aber, möglichst schnell wieder arbeiten zu können. Mir und unserer Fraktion ist auch bewusst, wie es vorhin die BDP sagte, dass man mit diesem Postulat nicht alles ändern könne; wenn die Leute einen Monat arbeiten, so haben sie deswegen noch lange nicht eine Arbeit bis zur Pensionierung gefunden. Es ist jedoch immerhin ein Anfang, ein erster Schritt, mit dem man versuchen kann, die Leute wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, damit sie nicht gleich alle Hoffnung aufgeben und damit sie motiviert sind, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und sich zu bemühen, wieder Arbeit zu finden. Es wird auch gesagt, dass die in der Motion geforderten Massnahmen uns viel teurer zu stehen kämen. Dem widerspreche ich. Längerfristig ist diese Variante billiger, weil es auf diese Art hoffentlich weniger Sozialhilfeempfänger geben wird, weil die Leute nämlich in die Arbeitswelt integriert werden können. Die SVP-Fraktion unterstützt das Postulat in beiden Punkten einstimmig, und ich bitte auch Sie, dies zu tun. Ueli Studer, Niederscherli (SVP). Ich danke für die Diskussion. Ich sagte ja am Anfang meines Votums, dass ich gelernt habe, früher hinzuschauen. Einiges muss ich aber doch noch erwidern. Adrian Kneubühler, vielen Dank, du attestierst mir, von der Sozialhilfe etwas zu verstehen. Ich attestiere es dir auch, du äussertest dich damals in der Kommission sehr gut. Aber hier muss ich dir etwas sagen: Bereits heute werden BI Personen mit beruflicher Integration schon als so behandelt. Es sind diejenigen Leute, die am meisten Chancen haben, wieder in den Arbeitsmarkt hinein zu kommen. Ich sagte, dass es sich hier um das erwähnte Drittel handelt, wie man auch in St. Gallen feststellte. Und genau dieses Drittel wird auch jetzt schon finanziert; im Pilotprojekt von Bern bezahlen wir 2800 Franken. Dies läuft also bereits und wird keine wesentlich grösseren Kosten zur Folge haben. Die SP fragte, ob ich bereit wäre, allenfalls zu den KMU zu gehen. Erstens muss ich sagen, dass wir dies schon lange tun. Wir gehen schon zu den KMU, wir haben Beschäftigungsprogramme. Ich kann den Leuten von der SP sagen, dass die Personen, die zu den KMU gehen, «Klinkenputzer- Püez» machen diese Leute bekommen immer wieder Aufträge von den KMU. Die KMU übernehmen also dort eine sehr grosse soziale Verantwortung. Zur BDP: Da muss ich sagen, dass ich hier am Ende der Session noch etwas gelernt habe, was ich nie für möglich gehalten hätte. Ich hatte ganz klare Hinweise, dass die BDP meine Motion unterstütze, wenn ich diese in ein Postulat umwandle. Aus zeitlichen Gründen, und weil ich die Diskussion voraussah, wollte ich mich mit dem Postulat zufriedengeben. Nun sagt mir die BDP im Nachhinein, dass sie meine Motion nicht unterstütze, auch nicht als Postulat. Selber schuld, sage ich mir, ich hätte nicht darauf hören sollen. Ein anderes Mal werde ich natürlich viel gründlicher prüfen. Aber immerhin finde ich, dass etwas, das man miteinander besprochen hat, verbindlich sein sollte, und dass man sich darauf sollte verlassen können. Ich bitte Sie nochmals, die beiden Punkte als Postulat zu unterstützen. Das hilft ja eigentlich der Gesundheits- und Fürsorgedirektion nur, es gibt einen Vorschub und es ist nicht einfach überflüssig. Alle wollen ja das Gleiche; ich hörte es heute in der Diskussion. Ich bitte Sie nochmals um Unterstützung. Präsident. Die BDP fühlt sich angesprochen. Peter Eberhart, Erlenbach (BDP). Sie sahen, dass ich zwei Geschäftsnummern später im Programm eine Motion gehabt hätte. Ich wollte sehen, ob ich noch an die Reihe kommen würde oder nicht. Ich dachte, dass dies unter Umständen noch der Fall sein würde und wollte vorsortieren. Ich habe dann intern bei uns bei der falschen Person vorsortiert, näm-

307 Gesundheit und Fürsorge 16. Juni 2011 Nachmittag 745 lich bei Vanja Kohli, die sagte, sie würde mithelfen, und achtete leider nicht auf unseren Sprecher. Es ist mir da ein Fehler passiert es tut mir sehr leid, dass ich die Information so gab, aber es war unter Druck; ich wollte dich nicht bewusst hintergehen, entschuldige bitte. Philippe Perrenoud, directeur de la santé publique et de la prévoyance sociale. Avant de vous souhaiter une belle période estivale c est le président du Grand Conseil qui va le faire j aimerais prendre position sur cette motion. Le gouvernement l a fait dans les détails, nous avions rejeté l idée de la motion. Étant donné que la motion Messerli avait été acceptée sous forme de postulat et que le travail est en cours, je ne veux pas que ce travail soit remis en question maintenant par cette motion Studer. Le postulat me semble convenable par rapport au travail qui est fait dans le cadre de la motion Messerli, et je pourrais vivre avec un postulat. Präsident. Wir kommen zur punktweisen Abstimmung. Abstimmung Geschäft Für Annahme von Bst. a als Postulat Dagegen Abstimmung Geschäft Für Annahme von Bst. b als Postulat Dagegen 78 Stimmen 42 Stimmen 1 Enthaltung 85 Stimmen 37 Stimmen 1 Enthaltung Präsident. Grossrat Brand wünscht noch das Wort für eine persönliche Erklärung. Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP). Als Chef der grössten Fraktion möchte ich dem Grossratspräsidenten für das Geschenk danken, das wir heute Mittag auf dem Pult hatten. Vielen Dank! (Applaus). Präsident. Danke für den Applaus. Es war ein Dankeschön für Ihre Mitarbeit. Die erste Session unter meiner Leitung geht zu Ende. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. Ich habe dazu einen kurzen Spruch von Marie-Louise Kaschnitz, deutsche Schriftstellerin und Preisträgerin des Georg Büchner- Preises. Sie sagte: «Solange ich denken kann, gingen die Uhren immer zu schnell». Ich hatte auch das Gefühl, es sei so, jedenfalls hier vorne. Wir konnten nicht alles behandeln mit anderen Worten: Die Zeit verging zu schnell, um alle Geschäfte zu behandeln. Wir treffen uns nach der Sommerpause zur Septembersession. Auch dort wird es eine Sondersession geben, diesmal im Bereich Gesundheit. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Erholung, Ausspannen und, wenn es dann soweit ist, eine gesunde Rückkehr im September. Ich danke Ihnen. Die Sitzung ist geschlossen, die Session beendet. Auf Wiedersehen. Schluss der Sitzung und der Session um Uhr Die Redaktorinnen: Maria Hager (d) Catherine Graf Lutz (f)

308 Bitte umblättern! 745

309 746 Parlamentarische Eingänge Junisession 2011 M = Motion P = Postulat I = Interpellation D = Vom Büro des Grossen Rats dringlich erklärt / DA Dringlichkeit abgelehnt am 9. Juni 2011 I 153/11 Imboden, Bern (Grüne) Wie wird der Schutz der Mitarbeitenden im AKW- Mühleberg gewährleistet? M 154/11 Gsteiger, Perrefitte (PEV) Police intercantonale de l Arc jurassien DA I 155/11 Zuber, Moutier (PSA) Votation populaire portant sur les propositions de l Assemblée interjurassienne DA M 156/11 Kommission «Bern erneuerbar» (Bhend, Thun) Massnahmen zur Unterstützung der Initiative Bern erneuerbar D M 157/11 Kommission «Bern erneuerbar» (Bhend, Thun) Standesinitiative: Anlage zur Gewinnung erneuerbarer Energien auch in Landwirtschaftszone und Wald möglich! Der musische Bildungsauftrag muss erfüllt werden! M 158/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) M 159/11 Geissbühler-Strupler, Die Rekrutierung von Schweizer Polizistinnen und Herrenschwanden (SVP) Polizisten ist eine zwingende Staatsaufgabe M 160/11 Rösti, Kandersteg (SVP) (u. a.) Gesamtbetrachtung der Nachhaltigkeit und Handlungsoptionen beim Hochwasser- und Renaturierungsprojekt Aarewasser I 161/11 Burren, Mittelhäusern (SVP) Bezieht der KV-Verband Schweiz Gelder von Bund oder D Kanton? I 162/11 Burren, Mittelhäusern (SVP) Strassenbauvorhaben M 163/11 Graber, Horrenbach-Buchen Bau von Windenergieanlagen in Wäldern und an DA (SVP) Waldrändern M 164/11 Graber, Horrenbach-Buchen Planung und Bau eines Windparks im Gebiet Honegg, DA (SVP) Eriz P 165/11 Imboden, Bern (Grüne) Einhaltung des Landesmantelvertrages für das Bauhauptgewerbe (LMV) bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge M 166/11 Guggisberg, Ittigen (SVP) (u. a.) Keine Kantonspolizistinnen und -polizisten ohne Schweizer Pass D I 167/11 Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP) Kostenprognosen für die neue Spitalfinanzierung ab Klärung der widersprüchlichen Angaben der Krankenkasse KPT und der Gesundheits- und Fürsorgedirektion D M 168/11 Etter, Treiten (BDP) (u. a.) Neue Verhandlungen mit den SBB zum Kauf des D Gebäudes an der Hochschulstrasse 6, in Bern M 169/11 Meyer, Roggwil (SP) (u. a.) Gegenentwurf Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»: D Untauglich! M 170/11 Geissbühler-Strupler, Kein staatlich verordneter, obligatorischer DA Herrenschwanden (SVP) Sexualunterricht M 171/11 Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) Transparente Berichterstattung bei Delikten DA I 172/11 Wälchli, Obersteckholz (SVP) Befremdender Entscheid des Regierungsrats zum Fall der vier Schüler des Gymnasiums Köniz I 173/11 SVP (Studer, Niederscherli) Schaffen die SKOS-Richtlinien die richtigen Anreize? D M 174/11 Näf-Piera, Muri (SP) Kein Sparen in der Bildung! DA M 175/11 Näf-Piera, Muri (SP) Sparen in Bildung und Kultur wer ist betroffen? D I 176/11 Näf-Piera, Muri (SP) Gelten beim Plakatieren die Gesetze für alle? D D DA D D

310 747 M 177/11 Müller, Bern (FDP) Verbesserter Schutz bei Angriffen auf Staatsangestellte D durch standardmässiges Schnellverfahren (Schnellrichter) M 178/11 glp-cvp (Schöni-Affolter, Bremgarten (u. a.) Industriellen Verbundes von erneuerbaren Energiequellen I 179/11 Blank, Aarberg (SVP) Personalgemeinkosten POM D M 180/11 Brand, Münchenbuchsee (SVP) Aufsichtsrechtliche Anzeigen: formlos, kostenlos, DA nutzlos? I 181/11 Brand, Münchenbuchsee (SVP) Stehen kantonale Liegenschaften leer? M 182/11 Pieren, Burgdorf (SVP Kommission «Bern erneuerbar» (u. a.) M 183/11 Friedli, Sumiswald (EDU) Volle Transparenz bei der Kreditgewährung für Neubauten und Sanierungen zu Lasten des Fonds für Spitalinvestitionen Verwendung der im Fonds für Spitalinvestitionen verbleibenden Mittel ohne Wettbewerbsverzerrung I 184/11 Zäch, Burgdorf (SP) Warum ein gesundes Unternehmen behindern statt fördern? D I 185/11 Lemann, Langnau (SP) Wie kann eine flächendeckende Gesundheitsversorgung DA im Kanton Bern ohne die Landspitäler sichergestellt werden? I 186/11 Friedli, Sumiswald (EDU) Einfluss der PWC Studie auf die Eigentümerstrategie der DA Regionalen Spitalzentren I 187/11 Friedli, Sumiswald (EDU) Verwendung der Mittel aus dem Spitalinvestitionsfonds D (SIF) / Auskapitalisierung der RSZ I 188/11 Kummer, Burgdorf (SVP) Wie sieht der Regierungsrat die Zukunft des D Spitalwesens im Kanton Bern? Besteht eine interkantonale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Anpassung der kantonalen Gesetze? I 189/11 Grimm, Burgdorf (Grüne) Wohin steuert der Regierungsrat das D Regionalspitalzentrum Emmental (RSE)? I 190/11 Haldimann, Burgdorf (BDP) Verteilen der Gelder aus dem Spitalinvestitionsfonds: D «Pferdewechsel» während des Rennens? I 191/11 Sommer, Wynigen (FDP) Wirtschaftliche Bedeutung der RSE AG für das Emmental D M 192/11 Hofmann, Bern (SP) Beim Fahrkostenabzug im Rahmen des Steuerrechts eine Höchstgrenze einführen. P 193/11 Hofmann, Bern (SP) «Übernahme des kalifornischen Decoupling-Modells durch die Stromversorger». I 194/11 Fuchs, Bern (SVP) Mitobjekte der Fachhochschulen wieso werden nicht alle Kosten ausgewiesen? DA M 195/11 Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP) Das enorme Wissen der Universität sollte der interessierten Bevölkerung besser zugänglich gemacht werden M 196/11 Guggisberg, Ittigen (SVP) Schutz für Berner KMU: Bekämpfung zunehmender Schwarzarbeit M 197/11 Meyer, Roggwil (SP) (u. a.) Übergriffe auf Kantonspersonal: Null Toleranz M 198/11 SP-JUSO-PSA (Marti Anliker, Stromsparen muss sich lohnen Bern) M 199/11 Hess, Bern (SVP) Mundart im Kindergarten! M 200/11 Tromp, Bern (BDP) Abschluss der Jahresrechnung mit anschliessender Ergebnisverwendung I 201/11 Jenni, Oberburg (EVP) (u. a.) Wie lange ist die Verfügbarkeit des energetischen Rohstoffes Holz gesichert? M 202/11 Jost, Thun (EVP) (u. a.) Ehepaare stärken einfach und direkt I 203/11 Jost, Thun (EVP) Biodiversitätsziele 2010 P 204/11 Eberhart, Erlenbach i. S. (BDP) Förderung der Komplementärmedizin im Kanton Bern M 205/11 Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP) Stärkung Forschungsstandort Bern Unabhängigkeit der kantonalen Forschungsethikkommission D D

311 748 M 206/11 Brunner, Hinterkappelen (SP) Kontrolle der Löhne, Arbeitsbedingungen und der Lohngleichheit für Frauen und Männer! I 207/11 Antener, Langnau (SP) Steuergeschenke für Topmanager I 208/11 Graber, Horrenbach-Buchen (SVP) Zunehmende Dominanz Deutscher Ärzte in Schweizer Spitälern M 209/11 Häsler, Burglauenen (Grüne) Sicherheitskosten von Grossveranstaltungen I 210/11 Kohler, Uetendorf (BDP) Nullwachstum im Kanton Bern M 211/11 Kohler, Uetendorf (BDP) (u. a.) Kein unnötiger Lichtsmog und keine Energieverschwendung durch Beleuchtung I 212/11 Steiner-Brütsch, Langenthal (EVP) Wie weiter mit den Familienergänzungsleistungen (FamEL) im Kanton Bern? M 213/11 SP-JUSO-PSA (Marti Anliker, DRG nachbessern bevor die Qualität sinkt Bern u. a.) I 214/11 Schürch, Huttwil (SVP) Lauter Fragezeichen zu den Kostenberechnungen bei der Spitalfinanzierung M 215/11 Knutti, Weissenburg (SVP) Aufhebung der Abendsitzung (u. a.) M 216/11 Wüthrich, Huttwil (SP) (u. a.) Vaterschaftsurlaub auch beim Kanton Bern M 217/11 Brönnimann, Mittelhäusern (glp) (u. a.) M 218/11 Knutti, Weissenburg (SVP) P 219/11 Moser, Biel (FDP) (u. a.) M 220/11 Matti, La Neuveville (PLR) M 221/11 Kommission Gesetz über freiheitsbeschränkende Massnahmen im Jugendstrafund -massnahmenvollzug und in der stationären Jugendhilfe (FMJG) (Kneubühler, Nidau) Flächennutzungsanreiz prüfen und schaffen Administrative Vereinfachung für verdichtete Bauprojekte Rückführung bzw. Ausschaffung bei Abweisung des Asylgesuches Landwirtschaftliche Fahrzeuge: Unterstützung für freiwillige Nachrüstung mit Partikelfiltern Restituer certaines compétences à la police administrative Vereinfachung der Strukturen im Bereich der Institutionen der stationären Jugendhilfe I 222/11 Wüthrich, Huttwil (SP) Energieeffizienz versus öffentlicher Verkehr: Welche ÖV- Linien werden abgebaut? M 223/11 Kast, Bern (CVP) Die Bewilligungspflicht für Sportgrossveranstaltungen M 224/11 Iannino Gerber, Hinterkappelen Förderung Tiefenwärmenutzung Bodenschätze in der (Grüne) (u. a.) Schweiz nutzen M 225/11 Ruchti, Seewil (SVP) Investitionskreditkasse für energetische Gebäudesanierungen und Investitionen in erneuerbare Energieträger M 226/11 Iannino Gerber, Hinterkappelen Informationen für Angehörige von Patientinnen und (Grüne) Patienten

312 749 Bestellung von Kommissionen 97) Gesetz über die Ausübung der Prostitution (ProsG) 97) Loi sur l'exercice de la prostitution (LPros) Christine Häsler, Burglauenen (Grüne), Präsidentin Marianne Schenk-Anderegg, Schüpfen (BDP), Vizepräsidentin Patric Bhend, Thun (SP) Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) Alfred Gerber, Gohl (SVP) Patrick Gsteiger, Perrefitte (PEV) Monika Gygax-Böninger, Obersteckholz (BDP) Christian Hadorn, Ochlenberg (SVP) Ueli Jost, Thun (SVP) Adrian Kneubühler, Nidau (FDP) Willy Marti, Kallnach (SVP) Markus Meyer, Roggwil (SP) Margreth Schär, Lyss (SP) Franziska Schöni-Affolter, Bremgarten (glp) Heinz Siegenthaler, Rüti b. Büren (BDP) Béatrice Stucki, Bern (SP) Katrin Zumstein, Bützberg (FDP) 98) Bericht zur Behindertenpolitik im Kanton Bern 98) Rapport sur la politique des personnes handicapées Christian Brönnimann, Zimmerwald (BDP), Präsident Christine Schnegg-Affolter, Lyss (EVP), Vizepräsidentin Christoph Ammann, Meiringen (SP) Peter Bonsack, Kallnach (EDU) Eva Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP) Ueli Frutiger, Oberhofen (BDP) Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) Anita Herren-Brauen, Rosshäusern, (BDP) Blaise Kropf, Bern (Grüne) Nadja Pieren, Burgdorf (SVP) Margreth Schär, Lyss (SP) Donat Schneider, Ostermundigen (SVP) Jürg Schürch, Huttwil (SVP) Elisabeth Schwarz-Sommer, Steffisburg (SVP) Béatrice Stucki, Bern (SP) Margrit Stucki-Mäder, Bern (SP) Katrin Zumstein, Bützberg (FDP) 99) Versorgungsplanung nach Spitalversorgungsgesetz 99) Planification des soins au sens de la loi sur les soins hospitaliers Dieter Widmer, Wanzwil (BDP), Präsident Barbara Mühlheim, Bern (Grüne), Vizepräsidentin Melanie Beutler-Hohenberger, Mühlethurnen (EVP) Peter Brand, Münchenbuchsee (SVP) Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) Ueli Jost, Thun (SVP) Adrian Kneubühler, Nidau (FDP) Bethli Küng-Marmet, Saanen (SVP) Irène Marti Anliker, Bern (SP) Enea Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP) Michèle Morier-Genoud, Bienne (PS) Walter Neuenschwander, Rubigen (BDP) Hans-Jörg Pfister, Zweisimmen (FDP) Jürg Schürch, Huttwil (SVP) Tanja Sollberger, Bern (glp) Emil von Allmen, Gimmelwald (SP) Elisabeth Zäch, Burgdorf (SP) 100) Gesetz über die politischen Rechte (PRG) (Totalrevision) 100) Loi sur les droits politiques (LDP) (Révision totale) Walter Messerli, Interlaken (SVP), Präsident Peter Bernasconi, Worb (SP), Vizepräsident Pierre Amstutz, Corgémont (Les Verts) Ursula E. Brunner, Hinterkappelen (SP) Manfred Bühler, Cortébert (UDC) Erich Feller, Münsingen (BDP) Gerhard Fischer, Meiringen (SVP) Ueli Lehmann, Zäziwil (BDP) Ruedi Löffel-Wenger, Münchenbuchsee, (EVP) Émilie Moeschler, Bienne (PS) Philippe Müller, Bern (FDP) Fritz Reber, Schangnau (SVP) Fritz Ruchti, Seewil (SVP) Alfred Schneiter, Thierachern (EDU) Christoph Stalder, Bern (FDP) Mathias Tromp, Bern (BDP) Adrian Wüthrich, Huttwil (SP) 101) Gesetz über die Pärke von nationaler Bedeutung und das Weltnaturerbe (PWG) 101) Loi sur les parcs d'importance nationale et sur les sites du patrimoine mondial naturel (LPaP) Fritz Reber, Schangnau (SVP), Präsident Rita Haudenschild, Spiegel (Grüne), Vizepräsidentin Christoph Ammann, Meiringen (SP) Andreas Burren, Mittelhäusern (SVP) Samuel Graber, Horrenbach-Buchen (SVP) Elisabeth Hufschmid, Biel (SP) Fritz Indermühle, Schwarzenburg (SP) Marc Jost, Thun (EVP) Daniel Kast, Bern (CVP) Mathias Kohler, Uetendorf (BDP) Anita Luginbühl-Bachmann, Krattigen (BDP) Nadine Masshardt, Langenthal (SP) Hans-Jörg Pfister, Zweisimmen (FDP) Hans Rösti, Kandersteg (SVP) Fritz Ruchti, Seewil (SVP) Corinne Schmidhauser, Bremgarten (FDP) Ueli Spring, Lyss (BDP)

313 ) Bericht Hausarztmedizin 102) Rapport sur la médecine de premier recours Markus Meyer, Roggwil (SP), Präsident Enea Martinelli-Messerli, Matten b. I. (BDP), Vizepräsident Christoph Ammann, Meiringen (SP) Peter Bernasconi, Worb (SP) Melanie Beutler-Hohenberger, Mühlethurnen (EVP) Eva Desarzens-Wunderlin, Boll (FDP) Sabina Geissbühler-Strupler, Herrenschwanden (SVP) Franz Haldimann, Burgdorf (BDP) Thomas Heuberger, Oberhofen (Grüne) Adrian Kneubühler, Nidau (FDP) Michèle Morier-Genoud, Bienne (PS) Nadja Pieren, Burgdorf (SVP) Marianne Schenk-Anderegg, Schüpfen (BDP) Donat Schneider, Ostermundigen (SVP) Alfred Schneiter, Thierachern (EDU) Jürg Schürch, Huttwil (SVP) Elisabeth Schwarz-Sommer, Steffisburg (SVP)

314 Beilage 13 Kreditgeschäfte Kreditgeschäfte der Junisession 2011 Sessionsbeginn 6. Juni 2011 Direktionen Seite Geschäfte der Finanzkommission Staatskanzlei Volkswirtschaftsdirektion Finanzdirektion Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion Polizei- und Militärdirektion Erziehungsdirektion Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion Geschäfte der Finanzkommission Staatskanzlei STA: Amt für Zentrale Dienste (I-Nr. 1011) PG: Führungsunterstützung (Nr ) E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer Mehrjähriger Verpflichtungskredit Gegenstand Im April 2009 hat der Grosse Rat mit einer Änderung des Gesetzes über die politischen Rechte die Grundlagen für die Einführung von E-Voting geschaffen. In diesem Zusammenhang hat er von einem Bericht des Regierungsrates über die Einführung von E-Voting Kenntnis genommen. In einer Planungserklärung sprach er sich mit 121 zu 0 Stimmen dafür aus, dass im Kanton Bern die erforderlichen Massnahmen getroffen werden sollen, damit für die rund Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer E-Voting eingeführt werden kann. Weitere Schritte sollen folgen. Der Regierungsrat hat die Vorgaben des Grossen Rates in diesem Bereich umgesetzt. Das Vorhaben des Kantons Bern folgt der E-Voting-Strategie des Bundesrats. Die gewählten Technologien erfüllen die Sicherheitsvorgaben des Bundes und basieren auf den Schweizerischen E-Government-Standards. Zahlreiche Kantone sind dem Kanton Bern vorangegangen. E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wird gegenwärtig in zwölf Kantonen angeboten: Aargau, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Graubünden, Luzern, Neuenburg, Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen, Thurgau und Zürich. Bern ist das Politikzentrum der Schweiz. Bern muss deshalb offen sein für innovative Entwicklungen im Bereich des Stimmrechts. Das Projekt ist von strategischer Bedeutung für die Rolle Berns im Rahmen der Hauptstadtregion Schweiz. Der Regierungsrat hat am 24. März 2010 den Staatsschreiber ermächtigt, eine «Übereinkunft zwischen dem Kanton Bern, dem Kanton Genf und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beherbergung von Auslandschweizer Stimmberechtigten des Kantons Bern anlässlich eidgenössischer und kantonaler Urnengänge auf dem E-Voting-System des Kantons Genf» zu unterzeichnen (RRB 0450/2010). Die Unterzeichnung hat am 23. April 2010 stattgefunden. Der Regierungsrat hat am 27. Oktober 2010 die Verordnung über die elektronische Stimmabgabe von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern verabschiedet (ESASV; BSG ). Die Verordnung wurde auf den 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt. Das Projekt E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer befindet sich derzeit in der Pilotphase. Am 23. Juni 2010 hat der Regierungsrat einen mehrjährigen Verpflichtungskredit beschlossen (RRB 0956/2010). Die Ausgabenbewilligung umfasst die Kosten für die Realisierung von E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in den Jahren 2010 und 2011 sowie für den Pilotbetrieb von E-Voting mit einzelnen Gemeinden. Am 12. Januar 2011 hat der Regierungsrat beschlossen, dass den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern der Pilotgemeinden Bern, Biel/Bienne, Bolligen, Langenthal und Muri im Rahmen eines Versuchsbetriebs für die Abstimmung vom 15. Mai 2011 die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe eingeräumt werden kann (RRB 0003/2011). Nach einem zweiten Pilotversuch mit voraussichtlich 19 Gemeinden plant die Staatskanzlei, ab Mitte 2012 den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern aller Berner Gemeinden die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe anbieten zu können. Selbstverständlich können Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer auch weiterhin brieflich oder an der Urne abstimmen. Der vorliegend beantragte Verpflichtungskredit betrifft den Betrieb von E-Voting für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aller Berner Gemeinden in den Jahren 2012 bis Rechtsgrundlagen Gesetz vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR; BSG 141.1); Artikel 8 Absatz 2 und 11a Gesetz vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0); Artikel 42 ff. Gesetz vom 11. Juni 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBG; BSG 731.2); Artikel 3 ff. Verordnung über die elektronische Stimmabgabe von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern (ESASV; BSG ) Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV; BSG 621.1); Artikel 136 ff. Verordnung vom 16. Oktober 2001 über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBV; BSG ); Artikel 7 Absatz 2 und Absatz 3 Buchstabe f 3. Ausgabenart und rechtliche Qualifikation der Ausgabe Bei den Ausgaben handelt es sich um wiederkehrende und neue Ausgaben nach Artikel 47 und 48 Absatz 2 Buchstabe a FLG in Form eines mehrjährigen Verpflichtungskredits nach Artikel 50 Absatz 3 FLG. Teuerungsbedingte Mehrkosten werden mit diesem Beschluss bewilligt (Art. 64 Abs. 3 FLG und Art. 151 FLV). Tagblatt des Grossen Rates

315 13/2 4. Massgebende Kreditsumme Die durch den Grossen Rat zu bewilligende Kreditsumme für die Jahre 2012 bis 2014 beläuft sich auf total CHF Kreditart/Konto/Produktgruppe/Rechnungsjahr Amt für Zentrale Dienste (I-Nr. 1011) Produktgruppe Führungsunterstützung (Nr ) Die Kosten in den Jahren 2012 und 2013 für drei elektronische Abstimmungen mit allen Berner Gemeinden betragen pro Jahr maximal CHF Für vier Abstimmungen im Jahr 2014 belaufen sich die Kosten auf maximal CHF Der mehrjährige Verpflichtungskredit wird voraussichtlich wie folgt abgelöst: Jahr Konto Bezeichnung Kreditsumme Kosten Jahr Druck- und Buchbinderkosten Unterhalt EDV Post- und Telekommunikationskosten Informatikdienstleistungen Dritte Druck- und Buchbinderkosten Unterhalt EDV Post- und Telekommunikationskosten Informatikdienstleistungen Dritte Druck- und Buchbinderkosten Unterhalt EDV Post- und Telekommunikationskosten Informatikdienstleistungen Dritte Total Verpflichtungskredit für 2012 bis Für den Verpflichtungskredit sind die Ausgaben im Voranschlag 2011 und im Aufgaben-/Finanzplan eingestellt. Eine Anpassung der Voranschlagskredite und der Finanzplanung bleibt vorbehalten. Volkswirtschaftsdirektion Amt für Landwirtschaft und Natur; Bodenverbesserung; Projekt Nr ; Zusatzkredit, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Erhöhung Rahmenkredit, Verlängerung der Laufzeit) 1. Gegenstand Gemeinden Twann-Tüscherz und Ligerz Projekt Rebgüterzusammenlegung Twann-Ligerz-Tüscherz-Alfermée Projektänderung Gesuchstellerin Bodenverbesserungsgenossenschaft Twann-Ligerz-Tüscherz- Alfermée (TLTA), Twann-Tüscherz Projektverfasser GeoplanTeam, 2560 Nidau Zone Talzone (gemäss landw. Produktionskataster) Region A (gemäss kantonalem Richtplan) Projektkosten Bisher veranschlagte, beitragsberechtigte Gesamtkosten gemäss GRB Nr vom CHF Teuerungsbedingte Mehrkosten bis 2009 CHF Mehrkosten in Folge zwischenzeitlicher Projektänderung CHF Beitragsberechtigte Gesamtkosten neu CHF (Preisbasis 2009) Projektkredite (Beiträge) 33,2% von CHF (ordentlicher Beitrag) CHF ,0% von CHF (Lotteriefonds) CHF Kantonsbeitrag neu (Preisbasis 2009) CHF davon sind bereits bewilligt (GRB Nr vom ) CHF gelten als bewilligt (Art. 54 Abs. 3 FHG) 33,2% von CHF (Teuerung) CHF Für die Ausgabenbefugnis massgebende Summe gemäss Art. 143 FLV CHF Diese teilt sich wie folgt auf: ordentlicher Beitrag: 33,2% von CHF CHF Lotteriefondsbeitrag: 15,0% von CHF CHF Mit der Erhöhung des Kantonsbeitrags kann ein zusätzlicher Bundesbeitrag von CHF ausgelöst werden. Die Laufzeit des Rahmenkredites wird um zwei Jahre bis 2016 verlängert. 2. Grundlagen Art. 30, 36 und 38 des Kantonalen Landwirtschaftsgesetzes vom 16. Juni 1997 (KLwG; BSG 910.1) Art. 2 der Verordnung über Strukturverbesserungen vom 5. November 1997 (SVV; BSG ) Art. 34 Abs. 3, Art. 44, Art. 46 Abs. 2 Bst. c und Art. 48 des Lotteriegesetzes vom 4. Mai 1993 (LG; BSG ) Art. 31 Abs. 2 und 3, Art. 35 Abs. 1 der Lotterieverordnung vom 20. Oktober 2004 (LV; BSG ) Art. 46, Art. 48 Abs. 2 Bst. a, Art. 49, Art. 50 Abs. 3, Art. 53 und Art. 54 Abs. 1, 2 und 3 des Gesetzes vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0) Art. 149, 150, 151 und 152 der Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV; BSG 621.1) Grossratsbeschluss Nr vom 24. November Zusatzkredit, Ausgabenart Erhöhung des bestehenden Rahmenkredites, mehrjähriger Verpflichtungskredit in Form eines Rahmenkredites. Gestützt auf Art. 46 und 48 Abs. 2 Bst. a FLG handelt es sich um eine neue, einmalige Ausgabe.

316 13/3 4. Massgebende Kreditsumme Massgebende Summe des Zusatzkredites CHF davon vom Regierungsrat bereits bewilligter Zusatzkredit (unaufschiebbare Verpflichtung gemäss Art. 54 Abs. 4 FLG) CHF vom Grossen Rat noch zu bewilligender Zusatzkredit CHF Preisstandklausel: Preisstand 2009 Bauarbeiten: Produktionskosten-Index (PKI) des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) Ingenieurarbeiten: Nominallohnindex der KBOB Der Lotteriefondsbeitrag ist nicht preisstandindexiert. 5. Rechnungsjahr und Konto 2011 bis Die Ausgaben sind im Voranschlag und im Finanzplan eingestellt. Bodenverbesserungskredit Konto: CHF Meliorationsfonds Konto: CHF KLER-Kreis: 1697 Amt für Landwirtschaft und Natur Produktgruppe: 9180 Landwirtschaft Lotteriefonds Konto: CHF KLER-Kreis: 1299 Generalsekretariat POM, Lotteriefonds, Zuwendungsbereich Heimatschutz 6. Zuständiges Organ für die Verwendung Die Abteilung Strukturverbesserungen und Produktion (ASP) des Amtes für Landwirtschaft und Natur wird für die Mittelverwendung und den Vollzug dieses Beschlusses als zuständiges Organ nach Art. 53 Abs. 2 Bst. a FLG bestimmt. Sie entscheidet über eine allfällige Verlängerung der Laufzeit dieses Rahmenkredites (Art. 53 Abs. 2 Bst. b FLG). 7. Etappierung, Bauprojekte Die Ausführung erfolgt weiterhin etappenweise nach Massgabe der zur Verfügung stehenden Kredite. Die einzelnen Etappen werden von der ASP mit Ausführungsbeschlüssen bis voraussichtlich 2016 gestützt auf Bauprojekte freigegeben. 8. Auflagen Die Fachstelle Tiefbau der ASP legt die projektbezogenen Auflagen fest Amt für Wald; Steinschlagschutzprojekt Adelboden, Gemeinde Adelboden, Ausgabenbewilligung; mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) 1. Gegenstand Die Gemeinde Adelboden verfügt seit 2003 über eine Naturgefahrenkarte. Aus dieser Gefahrenkarte geht hervor, dass weite Teile des oberen Dorfbereiches von Steinschlag und Blockschlag bedroht sind. Im Jahr 2009 wurde deshalb ein Projekt initiiert mit dem Ziel, Schutzmassnahmen festzulegen, um einen besseren Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Das ausgearbeitete Steinschlagschutzprojekt beinhaltet drei Projektvarianten. Der Bund und der Kanton subventionieren die Massnahmen der Variante 3 mit Baukosten von rund 2,6 Millionen Franken. Das Subventionsprojekt (Variante 3) umfasst die Erstellung von 835 Laufmeter Steinschlagschutznetzen, 200 Quadratmeter Netzverankerungen am Fels sowie punktuelle Überwachungseinrichtungen. Durch diese Schutzmassnahmen wird das Steinschlagrisiko auf ein tragbares Mass reduziert. An der Gemeindeabstimmung im November 2010 hat sich die Bevölkerung von Adelboden für die Realisierung der Variante 2, mit Baukosten von rund 3,3 Millionen Franken, ausgesprochen. Die zusätzlich zur Variante 3 erstellten Schutzmassnahmen werden von Bund und Kanton nicht mitfinanziert. Trägerschaft und Bauherrschaft des Projekts ist die Einwohnergemeinde Adelboden. 2. Rechtsgrundlagen Artikel 19, 35, 36 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes über den Wald vom (WaG) Artikel 15 bis 17, 38 und 39 der Verordnung über den Wald vom (WaV) Artikel 28 und 30 des Kantonalen Waldgesetzes vom (KWaG; BSG ) Artikel 1 der Einführungsverodnung vom 24. Oktober 2007 zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Bereich Wald (EV NFA Wald; BSG ) Artikel 46, 48 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 49, 50 Absatz 3 und Artikel 52 des Gesetzes über die Steuerung von Finanzen und Leistungen vom (FLG; BSG 620.0) Artikel 148 und 152 der Verordnung über die Steuerung von Finanzen und Leistungen vom (FLV; BSG 621.1) 3. Kredit- und Ausgabenart Mehrjähriger Verpflichtungskredit in Form eines Objektkredites Einmalige und neue Ausgabe (Art. 46 und 48 Abs. 2 Bst. a FLG) 4. Projektkosten/massgebende Kreditsumme Baukosten Variante 2 (von der Gemeinde gewählt) CHF Beitragsberechtigte und subventionierte Baukosten der Variante 3 CHF Kantonsbeitrag an die Gemeinde (92%) CHF In Aussicht gestellter Bundesbeitrag an den Kanton (min. 35%) CHF Nettokosten Kanton (57%), zu bewilligender Kredit CHF Der Einwohnergemeinde Adelboden verbleiben von der subventionierten Variante 3 Restkosten in der Höhe von 8 Prozent (CHF ). Die Einwohnergemeinde Adelboden wird die Differenz der Baukosten zwischen der Variante 2 und 3 selber tragen (CHF ). 5. Rechnungsjahr und Konto Der genehmigte Verpflichtungskredit wird voraussichtlich mit folgenden Zahlungen abgelöst. Jahre Konto Beitrag CHF 2012 Kantonsbeitrag Bundesbeitrag Kantonsbeitrag Bundesbeitrag

317 13/4 Produktgruppe: Schutz vor Naturgefahren ( ) Funktionsbereich: Naturgefahren Die Beiträge sind im Finanzplan 2012 und 2013 enthalten. 6. Begründung Der obere Dorfrand von Adelboden ist Stein- und Blockschlag aus den darüber liegenden Felswänden ausgesetzt. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Ereignissen und Schäden an den Infrastrukturen gekommen. Deshalb wurden schon früher lokal Erddämme und Auffangzäune errichtet sowie der Schutzwald entsprechend gepflegt. Um die damit verbundenen Risiken abzuklären, hat die Gemeinde im Jahr 2008 eine Risikoanalyse in Auftrag gegeben. Diese hat aufzeigt, dass insbesondere die Personenrisiken relativ gross sind. Das vorhandene Personenrisiko liegt über dem vom Kanton in der Risikostrategie definierten Schwellenwert. Mit den aufgezeigten Massnahmen sinkt das Risiko gemäss der kantonalen Risikostrategie Naturgefahren (RRB 2632 vom ) deutlich unter den Schwellenwert. Die Kostenwirksamkeit der Schutzmassnahmen ist insgesamt gewährleistet. Die geplanten Schutzmassnahmen sind ohne wesentliche Auswirkungen für Landschaft und Natur, da diese mehrheitlich im Wald oder in Waldrandnähe liegen. Finanzdirektion Äufnung des Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen mit 136,5 Millionen Franken zulasten der Rechnung 2010 für den Kauf und die Sanierung von zwei Liegenschaften für die Universität Bern an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern Der Grosse Rat des Kantons Bern, auf Antrag des Regierungsrates, beschliesst: 1. Zulasten der Laufenden Rechnung 2010 ist eine Fondseinlage von 136,5 Millionen Franken für den Kauf und die Sanierung von zwei Liegenschaften für die Universität Bern an der Hochschulstrasse 6 und der Mittelstrasse 43 in Bern vorzusehen. 2. Stimmt der Grosse Rat der Fondsäufnung nicht zu, so werden die für die Fondsäufnung reservierten 136,5 Millionen Franken nicht erfolgswirksam direkt zugunsten des Bilanzfehlbetrags der Rechnung 2011 verbucht. (Gemeinden, Regionen, Kanton) die Kosten ihrer Planungsarbeiten selber tragen, hat der Kanton ein Interesse, diese Arbeiten wie auch Massnahmen zur Umsetzung solcher Planungen zu fördern und finanziell zu unterstützen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Staatsbeiträgen an diese Aufwendungen sind im Baugesetz sowie in der Planungsfinanzierungsverordnung aufgeführt. Mit dem Rahmenkredit sollen die nötigen Mittel im Sinn eines Programms für vier Jahre bereitgestellt und bewilligt werden. Der Rahmenkredit führt nicht nur zu einer Entlastung des Regierungsrats von einzelnen Staatsbeitragsgeschäften, sondern auch zu einer deutlichen Abnahme des Aufwands in der Verwaltung bei der Behandlung der Beitragsgesuche. 2. Rechtsgrundlagen Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1), Artikel 33 Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG; BSG 721.0), Artikel 139 f. Gesetz vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0), Artikel 46, Artikel 48 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 53 Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV; BSG 621.0), Artikel 149 Verordnung vom 10. Juni 1998 über die Leistungen des Kantons an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der Raumplanung (Planungsfinanzierungsverordnung, PFV; BSG ), Artikel 6, 7, 8, 15 und 16 (Bei Annahme des neuen kantonalen Energiegesetzes in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2011: Art. 10, 11 und 58 KEnG) 3. Kreditsumme Rahmenkredit Gesamtsumme: 7 Millionen Franken Der beantragte Kredit ist im Entwurf des Voranschlags 2012 und des Aufgaben- und Finanzplans eingestellt. 4. Kredit- und Ausgabenart, Konto, Rechnungsjahr Rahmenkredit Es handelt sich um neue einmalige Ausgaben im Sinn von Artikel 46 und Artikel 48 Absatz 2 Buchstabe a FLG. Der Rahmenkredit wird in folgende voraussichtliche Zahlungstranchen unterteilt: Jahr Kostenart/ Produktgruppe Betrag Funktionsbereich (FB) Betriebsbeiträge Raumordnung CHF an Gemeinden/ Betriebsbeiträge Raumordnung CHF an Gemeinden/ Betriebsbeiträge Raumordnung CHF an Gemeinden/ Betriebsbeiträge Raumordnung CHF an Gemeinden/1759 Der Rahmenkredit wird durch Ausführungsbeschlüsse abgelöst. Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion Leistungen des Kantons an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der Raumplanung; Staatsbeiträge; Rahmenkredit Gegenstand Beiträge an Massnahmen und Entschädigungen im Interesse der Raumplanung stellen eine langfristig orientierte raumordnungs-, umwelt- und regionalpolitische Massnahme dar. Obwohl grundsätzlich die Planungstragenden der verschiedenen Stufen 5. Verwendung des Rahmenkredits Dem Amt für Gemeinden und Raumordnung wird die Kompetenz für die Verwendung des Rahmenkredits erteilt (Art. 53 Abs. 2 FLG). In den Ausführungsbeschlüssen zum Rahmenkredit werden die erforderlichen Auflagen und Bedingungen nach den massgebenden subventionsrechtlichen Bestimmungen des Bundes und des Kantons festgelegt.

318 13/5 6. Zuständigkeit/Fakultative Volksabstimmung Nach Artikel 76 Buchstabe e in Verbindung mit Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe c KV ist der Grosse Rat unter dem Vorbehalt der fakultativen Volksabstimmung für die Bewilligung des Rahmenkredits zuständig. 7. Finanzreferendum Dieser Beschluss unterliegt gemäss Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe c KV der fakultativen Volksabstimmung (Finanzreferendum). Er ist im Amtsblatt zu veröffentlichen. Polizei- und Militärdirektion Polizei- und Militärdirektion Lotteriefonds: Genehmigung der Jahresrechnung Gegenstand Per Ende 2010 beläuft sich der Kontostand des Lotteriefonds auf Franken, was dem Bruttobestand entspricht. Unter Berücksichtigung der offenen Verpflichtungen in der Höhe von Franken und der Verwaltungskosten des Jahres 2010 von Franken resultiert ein Nettobestand von Franken. Im Revisionsbericht vom 4. Februar 2011 bestätigt die Finanzkontrolle die Richtigkeit der Angaben der Jahresrechnung Rechtsgrundlagen Artikel 39 des Lotteriegesetzes vom 4. Mai 1993 (BSG ) 3. Antrag Auf Antrag der Polizei- und Militärdirektion beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat, dem Beschlussentwurf zuzustimmen und die Jahresrechnung 2010 des Lotteriefonds zu genehmigen Polizei- und Militärdirektion Sportfonds: Genehmigung der Jahresrechnung Gegenstand Per Ende 2010 beläuft sich der Kontostand des Sportfonds auf Franken, was dem Bruttobestand entspricht. Unter Berücksichtigung der offenen Verpflichtungen in der Höhe von Franken und der Verwaltungskosten des Jahres 2010 von Franken resultiert ein negativer Nettobestand von Franken. Im Revisionsbericht vom 10. Februar 2011 bestätigt die Finanzkontrolle die Richtigkeit der Angaben der Jahresrechnung Rechtsgrundlagen Artikel 39 des Lotteriegesetzes vom 4. Mai 1993 (BSG ) 3. Antrag Auf Antrag der Polizei- und Militärdirektion beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat, dem Beschlussentwurf zuzustimmen und die Jahresrechnung 2010 des Sportfonds zu genehmigen. Erziehungsdirektion Fonds für kulturelle Aktionen (FKA); Jahresrechnung 2010 Genehmigung 1. Gegenstand Die Rechnung 2010 des Fonds für kulturelle Aktionen schliesst per 31. Dezember 2010 mit einem Fondsbestand von CHF Unter Berücksichtigung der offenen Verpflichtungen in der Höhe von CHF resultiert ein Nettobestand von CHF Rechtsgrundlagen Artikel 39 des Lotteriegesetzes vom 4. Mai 1993 (LG; BSG ) 3. Empfehlung der Finanzkontrolle Die Jahresrechnung 2010 des Fonds für kulturelle Aktionen wurde von der Finanzkontrolle des Kantons Bern geprüft und zur Genehmigung empfohlen. 4. Antrag Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen wird die Jahresrechnung 2010 des FKA vom Grossen Rat genehmigt Abgeltung an die Einwohnergemeinde Bern für die Übertragung von Aufgaben im Bereich der Denkmalpflege; jährlicher Beitrag Ausgabenbewilligung, neue wiederkehrende Ausgabe, mehrjähriger Verpflichtungskredit (Objektkredit) 1. Gegenstand Gemäss der Denkmalpflegegesetzgebung werden den Gemeinden, die über eigene Fachstellen für die Denkmalpflege verfügen, die damit verbundenen Kosten abgegolten, soweit diese aus der Übertragung kantonaler Aufgaben entstehen. Mit Verfügung vom 10. Juni 2002 hat die Erziehungsdirektion der Einwohnergemeinde Bern, die seit Langem über eine eigene Fachstelle für Denkmalpflege verfügt, in Anwendung der gesetzlichen Grundlagen bestimmte Aufgaben und Kompetenzen übertragen. Der vorliegende Beschluss bezweckt die pauschale Abgeltung der daraus entstehenden Kosten in den Jahren 2011 bis Rechtsgrundlagen Art. 28 und Art. 36 des Gesetzes vom 8. September 1999 über die Denkmalpflege (Denkmalpflegegesetz, DPG; BSG ); Art. 26 Abs. 3 der Verordnung vom 25. Oktober 2000 über die Denkmalpflege (Denkmalpflegeverordnung, DPV; BSG ); Art. 43, Art. 47, Art. 48 Abs. 2 Bst. a, Art. 50 und Art. 52 des Gesetzes vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0); Art. 148 und Art. 152 der Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistung (FLV; BSG 621.1); Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 Bst. c des Staatsbeitragsgesetzes vom 16. September 1992 (StBG; BSG 641.1). 3. Ausgabenart und rechtliche Qualifikation der Ausgabe Neue, wiederkehrende Ausgabe (Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 Bst. a FLG)

319 13/6 4. Kreditart/Konto/Produktgruppe/Rechnungsjahr Verpflichtungskredit Konto pro 2011 CHF Verpflichtungskredit Konto pro 2012 CHF Verpflichtungskredit Konto pro 2013 CHF Die Ausgaben sind im Voranschlag 2011 bzw. im Aufgaben- und Finanzplan 2012 und 2013 enthalten. 5. Bedingungen Die Beiträge werden unter der Voraussetzung zugesichert, dass die Einwohnergemeinde Bern die in der eingangs erwähnten Verfügung der Erziehungsdirektion vom 10. Juni 2002 übertragenen Aufgaben und Kompetenzen in vollem Umfang erfüllt bzw. wahrnimmt. Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion Bern, Hochschulstrasse 6 und Mittelstrasse 43 Kauf von zwei Verwaltungsliegenschaften für die Universität Bern Mehrjähriger Verpflichtungskredit 1. Gegenstand Mit dem beantragten Kredit von insgesamt 63,5 Mio. Franken sollen die beiden SBB-Liegenschaften an der Hochschulstrasse 6 und an der Mittelstrasse 43 in Bern gekauft werden. 2. Rechtsgrundlagen Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die Förderung der Universitäten und über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich, Stand 1. August 2008 (Universitätsförderungsgesetz UFG; SR ) Gesetz vom 5. September 1996 über die Universität (UniG; BSG ) Gesetz vom 20. Juni 1995 über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (OrG; BSG ), Art. 33 Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation und die Aufgaben der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (OrV BVE; BSG ), Art. 14 Gesetz vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0), Art. 42 ff. Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV; BSG 621.1), Art. 136 ff. Gesetz vom 2. September 2009 über den Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen (Investitionsfondsgesetz, InvFG, BSG 621.2) 3. Kosten; neue Ausgaben Preisstand Landesindex der Konsumentenpreise November 2010, Punkte Kaufpreis gemäss den Kaufverträgen: Hochschulstrasse 6 CHF Mittelstrasse 43 CHF Für die Ausgabenbefugnis massgebende Kreditsumme gemäss Art. 141 ff. FLV CHF Zu bewilligender Kaufkredit CHF Es handelt sich um neue Ausgaben gemäss Art. 48 Abs. 2 Bst. a FLG. Im Weiteren sind die Ausgaben einmalig im Sinne von Art. 46 FLG. Teuerungsbedingte Mehrkosten werden mit dem vorliegenden Beschluss bewilligt (Art. 54 Abs. 3 FLG und Art. 151 FLV). An die Kauf- und Umbaukosten (ohne Landanteil) kann gestützt auf die Universitätsförderungsgesetzgebung ein Bundesbeitrag beantragt werden. Der Bundesbeitrag macht maximal 30 Prozent der anrechenbaren Kosten aus. 4. Kreditart/Konto/Rechnungsjahr Objekt- und mehrjähriger Verpflichtungskredit gemäss Art. 50 Abs. 3 FLG. Die Ausgaben sind im Voranschlag 2011 im Umfang von 12,7 Mio. Franken eingestellt, in der Finanzplanung der BVE jedoch nur zu einem kleinen Teil vorgesehen. Sie werden in dem Jahr, in dem sie nach erfolgtem Grundbucheintrag in der Investitionsrechnung verbucht werden, voraussichtlich zu einer Überschreitung des Saldos Nettoinvestitionen führen. Unter dem Vorbehalt der Budgetgenehmigung wird der Kredit voraussichtlich durch folgende Zahlungstranchen abgelöst: a) Produktgruppe BVE: Entwicklung des Liegenschaftsbestandes (Nr ) Konto Rechnungsjahr/Betrag Amt für Grundstücke 2011 CHF und Gebäude Erwerb und Erstellung 2014 CHF von Liegenschaften des Verwaltungsvermögens b) Finanzierung über den Investitionsspitzenfonds Interne Verrechnung zwischen der Finanzverwaltung und dem AGG bezüglich Beiträge aus dem Investitionsfonds Konto Rechnungsjahr/Betrag Finanzverwaltung 2011 CHF Belastung Fonds zur 2014 CHF Deckung von Investitionsspitzen Amt für Grundstücke 2011 CHF und Gebäude Gutschrift Übertrag 2014 CHF zugunsten Laufende Rechnung aus Fonds 5. Bedingungen Der Kaufpreis wird wie folgt bezahlt: 20 Prozent nach Inkrafttreten dieses Beschlusses und 80 Prozent per Ende Der Fonds zur Deckung von Investitionsspitzen ist gemäss dem Antrag des Regierungsrates vom 2. März 2011 (RRB 382/2011) aus den Überschüssen der Rechnung 2010 aufzustocken. Wird der Fonds nicht oder nur ungenügend aufgestockt, wird der Kauf soweit nötig aus den bestehenden Fondsmitteln finanziert. Der Regierungsrat wird ermächtigt, im Rahmen der betroffenen Rechnungsabschlüsse über die Höhe und tatsächliche Verwendung der bewilligten Fondsmittel zu entscheiden. Wenn die Genehmigung der Kaufverträge durch den Grossen Rat nicht bis spätestens 30. September 2012 in Kraft tritt, schuldet der Kanton Bern den Schweizerischen Bundesbahnen eine Reservationsgebühr von CHF

320 13/7 6. Finanzreferendum Dieser Beschluss unterliegt der fakultativen Volksabstimmung und ist im Amtsblatt des Kantons Bern zu veröffentlichen Roggwil Kantonsstrasse H1: Bern Zürich Radverbindung Kaltenherberge Roggwil Mehrjähriger Verpflichtungskredit 1. Gegenstand Mit dem beantragten Verpflichtungskredit von gesamthaft CHF für neue und gebundene Ausgaben (Gesamtkosten von CHF , abzüglich Beiträge Dritter von CHF sowie bereits bewilligter Projektierungskosten von CHF ) soll die Kantonsstrasse auf der Strecke zwischen der Kaltenherberge und der Abzweigung Roggwil um beidseitige Radstreifen verbreitert werden. Zudem wird der unfallträchtige Knoten vor dem Viadukt Roggwil-Wynau in einen Kreisverkehrsplatz umgebaut, und die Strassenentwässerung und die Strassenbeleuchtung werden modernisiert. 2. Rechtsgrundlagen Strassengesetz vom 4. Juni 2008 (SG, BSG ), Art. 38, 39, 49, 75, 76 und 95 in Verbindung mit dem Gesetz vom 2. Februar 1964 über Bau und Unterhalt der Strassen (SBG), 31a d und 36 Strassenverordnung vom 29. Oktober 2008 (SV, BSG ), Art. 10, 17 ff. Gesetz vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG, BSG 620.0), Art. 42 ff. Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV, BSG 621.1), Art. 136 ff. Strassenplan, genehmigt mit Beschluss vom 26. Juni 2009 Strassenplanänderung, genehmigt mit Beschluss vom 12. Januar 2011 Strassenbauprogramm , Tätigkeitsliste Seite 9, Nr Kosten; neue und gebundene Ausgaben Preisbasis ; Produktionskostenindex (PKI) des Schweizerischen Baumeisterverbandes Vertragsteuerung; Schweizerischer Baupreisindex des Bundesamtes für Statistik Indexteuerung Gesamtkosten CHF /. Beiträge Dritter CHF Kosten zulasten Kanton CHF davon gebundene Ausgaben für die Substanz- CHF erhaltung durch den Regierungsrat zu bewilligen neue Ausgaben CHF Für die Ausgabenbefugnis massgebende CHF Kreditsumme gemäss Art. 143 und 147 FLV./. bereits bewilligte Projektierungskosten CHF Zu bewilligende Ausgaben a) gebundene Ausgaben CHF b) neue Ausgaben CHF Total CHF Es handelt sich um einmalige Ausgaben gemäss Art. 46 FLG. Soweit sie für substanzerhaltende Massnahmen (Erneuerung des Deckbelags) verwendet werden, sind sie gebunden im Sinne von Art. 48 Abs. 1 Bst. d FLG. Im Übrigen sind die Ausgaben neu gemäss Art. 48 Abs. 2 Bst. a FLG. Teuerungsbedingte Mehrkosten werden mit dem vorliegenden Beschluss bewilligt (Art. 54 Abs. 3 FLG und Art. 151 FLV). 4. Kreditart/Konto/Rechnungsjahr Produktgruppe: Kantonsstrassen Mehrjähriger Verpflichtungskredit gemäss Art. 50 Abs. 3 FLG. Voraussichtliche Ablösung mit folgenden Zahlungen, die im Voranschlag und Finanzplan enthalten sind: Konto Budgetrubrik Rechnungsjahr Betrag Tiefbauamt, bisher CHF Bau von Kantonsstrassen 2011 CHF CHF CHF CHF Total CHF Finanzreferendum Der Kreditbeschluss unterliegt nicht der fakultativen Volksabstimmung, da keines der in Art. 31b Abs. 1 SBG erwähnten Kriterien erfüllt wird Hagneck Grundbuchblatt Nr. 115, Hauptstrasse 26; Erwerb der Liegenschaft Gasthof Brücke mit Umschwung Mehrjähriger Verpflichtungskredit 1. Gegenstand Mit dem beantragten Kredit von CHF soll die Liegenschaft Hagneck, Grundbuchblatt Nr. 115, im Halte von 2396 m 2, mit dem Gasthof Brücke erworben werden. Der Kauf erfolgt im Rahmen des Vollzugs der überwiesenen Motion 042/2010 Siegenthaler. 2. Rechtsgrundlagen Gesetz vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG; BSG 620.0), Art. 42 ff. Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV; BSG 621.1), Art. 136 ff. Verordnung vom 18. Oktober 1995 über die Organisation und die Aufgaben der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (OrV BVE; BSG ), Art Kosten; neue Ausgaben Gesamtkosten CHF Kaufpreis für das Grundstück Hagneck Gbbl. Nr. 115 Restaurant, Wohn- und Geschäftshaus Nr. 26 CHF Hausplatzentwässerung und Entschädigung max. CHF Notar- und Grundbuchkosten CHF Zu bewilligender Kredit CHF

321 13/8 Es handelt sich um neue Ausgaben gemäss Art. 48 Abs. 2 Bst. a FLG. Im Weiteren ist die Ausgabe einmalig im Sinne von Art. 46 FLG. Der Grosse Rat ist für die Bewilligung abschliessend zuständig. 4. Kreditart/Konto/Rechnungsjahr Produktgruppe: Entwicklung des Liegenschaftsbestandes ( ) Mehrjähriger Verpflichtungskredit gemäss Art. 50 Abs. 3 FLG, der mit einer einmaligen Zahlung per 1. Januar 2012 abgelöst wird. Die Kosten sind nicht im Aufgaben- und Finanzplan der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion eingestellt. Eine amtsinterne Kompensation wird angestrebt. Ausgaben Rechnungsjahr Betrag Konto Amt für Grund CHF stücke und Gebäude Anlageklasse , Gastgewerbe und Fremdenverkehr, Gebäude im Finanzvermögen 5. Bedingungen Der Übergang von Nutzen und Gefahr erfolgt per 1. Januar 2012.

322 Beilage 14 Gemeinsamer Antrag des Regierungsrates und der Kommission für die zweite Lesung Musikschulgesetz (MSG) Erziehungsdirektion Beilage zum Tagblatt des Grossen Rates

323 Ergebnis der ersten Lesung Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung Gemeinsamer Antrag des Regierungsrates 3 und der Kommission für die zweite Lesung 14/2 Musikschulgesetz (MSG) Der Grosse Rat des Kantons Bern, in Ausführung von Artikel 42 und 43 der Kantonsverfassung 1), auf Antrag des Regierungsrates, beschliesst: 1. Allgemeines Gegenstand Art. 1 Dieses Gesetz regelt die Förderung des Musikschulunterrichts für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Ziele Art. 2 1 Dieses Gesetz schafft die Voraussetzungen dafür, dass a musikalisch interessierte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene das Spielen eines Instruments, den Gesang oder das gemeinsame Musizieren erlernen können, b die Musikschülerinnen und Musikschüler aktiv am Musikleben ihrer Region teilnehmen können, c die musikalische Begabung und damit verbunden die Bildung einer ganzheitlichen Persönlichkeit der Musikschülerinnen und Musikschüler unterstützt werden, d musikalisch besonders begabte Musikschülerinnen und Musikschüler unterstützt werden und e die engere Zusammenarbeit der Musikschulen mit der Volksschule, den Schulen der Sekundarstufe II und Musikinstitutionen gefördert wird. 2 Der Musikschulunterricht ergänzt und vertieft den Musikunterricht der Volksschule und der Schulen der Sekundarstufe II. Massnahmen Art. 3 Die Ziele dieses Gesetzes werden insbesondere durch Anerkennung der Musikschulen und Gewähren von Beiträgen erreicht. Aufgaben von Kanton und Gemeinden Art. 4 1 Der Kanton anerkennt die Musikschulen und leistet Beiträge an den Musikschulunterricht gemäss den nachfolgenden Bestimmungen. 2 Die Gemeinden leisten Beiträge an den Musikschulunterricht gemäss den nachfolgenden Bestimmungen. 1) BSG 101.1

324 Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung 5 Verband der Musikschulen Art. 5 1 Die anerkannten Musikschulen schliessen sich als Verein zum Verband der Musikschulen zusammen. 2 Der Verband der Musikschulen unterstützt den Kanton bei folgenden Aufgaben: a Qualitätssicherung der Musikschulen, b Weiterbildung der Musikschullehrkräfte und Schulleitungen und c Abrechnung der Kantonsbeiträge an den Musikschulunterricht. 3 Er regelt durch Reglement a die Zulassung zum Musikschulunterricht, der mit Beiträgen unterstützt wird, b die Anforderungen an die Qualitätssicherung in den Musikschulen, c die Evaluation und d die Weiterbildung. 4 Er überwacht die Einhaltung seines Reglements und meldet dem Kanton allfällige Verstösse. 5 Er unterstützt die Zusammenarbeit zwischen der Volksschule und den Musikschulen. Anerkennung von Musikschulen 2. Anerkennung von Musikschulen, Personalrecht Art. 6 1 Der Kanton anerkennt eine Musikschule, sofern diese die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt: a Die Musikschule steht der gesamten Kantonsbevölkerung offen. b Sie verfügt über ein vielseitiges Angebot. c Sie hält das Reglement des Verbands der Musikschulen über die Zulassung zum Musikschulunterricht, die Qualität und Evaluation der Musikschulen sowie die Weiterbildung ein. d Mindestens eine Gemeinde arbeitet mit der Musikschule zusammen und hat mit ihr einen Leistungsvertrag abgeschlossen. e Die Musikschule hält die Bestimmungen über die Anstellung der Lehrkräfte und der Schulleitung gemäss dieser Gesetzgebung ein. f Sie ist Mitglied des Verbands der Musikschulen. 2 Der Kanton hört den Verband der Musikschulen vor dem Entscheid über die Anerkennung an. 3 Die Anerkennung gilt für fünf Jahre. Leistungsverträge Art. 7 Im Leistungsvertrag gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d sind die Zusammenarbeit der Musikschule mit der Gemeinde oder den Gemeinden, die zu erbringenden Leistungen, die damit verbundenen Qualitätsvorgaben und finanziellen Mittel sowie die Verantwortlichkeiten zu regeln. 14/3

325 Anstellung von Lehrkräften und Schulleitungen Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung 7 Art. 8 1 Die Musikschulen stellen die Lehrkräfte und Schulleitungen mit einem privatrechtlichen Vertrag an. 2 Für die Anstellung der Lehrkräfte und Schulleitungen an den Musikschulen regelt der Regierungsrat durch Verordnung die Grundsätze über a das Gehalt und das Gehaltssystem, b die Bemessung der Arbeitszeit, c den Berufsauftrag der Lehrkräfte sowie d die Kündigungsgründe, -fristen und -termine. 14/4 3. Beiträge Grundsatz Art. 9 1 Der Kanton und die Gemeinden unterstützen die anerkannten Musikschulen mit Beiträgen an Unterrichtseinheiten, die besucht werden durch zugelassene Musikschülerinnen und Musikschüler ab Eintritt in den Kindergarten bis zum vollendeten 20. Altersjahr bzw. bis zum vollendeten 25. Altersjahr, wenn sie sich noch in Ausbildung befinden. 2 Zum mit Beiträgen unterstützten Musikschulunterricht wird zugelassen, wer a musikalisch interessiert ist, b für den Besuch des Musikschulunterrichts motiviert ist und c die Voraussetzungen mitbringt, dem Musikschulunterricht zu folgen, die Unterrichtsinhalte umzusetzen und entsprechende Fortschritte zu erzielen. 3 Das Reglement des Verbands für Musikschulen regelt das Nähere zur Zulassung zum mit Beiträgen unterstützten Musikschulunterricht. Kantonsbeiträge Art Die Beiträge des Kantons betragen 30 Prozent der durch die Lehrkräfte und Schulleitungen verursachten und an die Unterrichtseinheiten gemäss Artikel 9 anrechenbaren Personalkosten einer Musikschule. 2 Die Personalkosten umfassen a die Bruttolöhne (inkl. 13. Monatsgehalt, Treueprämien, Familienund Betreuungszulagen), b die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen sowie c die Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge (ohne freiwillige Einkaufsbeiträge). 3 Zur Erhaltung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts kann der Kanton die Beiträge plafonieren. Die Beiträge an die Musikschulen werden dabei anteilsmässig gekürzt.

326 Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung 9 Gemeindebeiträge Art Die Gemeinde unterstützt die anerkannten Musikschulen mit Beiträgen an Unterrichtseinheiten gemäss Artikel 9 für Musikschülerinnen und Musikschüler mit zivilrechtlichem Wohnsitz in der Gemeinde. Vorbehalten bleiben die Absätze 2 und 3. 2 Die Gemeinde kann ihre Beiträge auf den Unterrichtsbesuch in einer von ihr bezeichneten Musikschule oder in mehreren von ihr bezeichneten Musikschulen beschränken. 3 Sie hat den Beitrag an eine von ihr nicht bezeichnete Musikschule zu leisten, wenn im Einzelfall ein wichtiger Grund für den Unterrichtsbesuch in dieser Musikschule besteht. Im Streitfall erlässt die Gemeinde eine Verfügung. 4 Der Beitrag der Gemeinde an die Personalkosten pro Unterrichtseinheit ist mindestens gleich hoch wie der Kantonsbeitrag. 5 Zusätzlich beteiligt sich die Gemeinde anteilmässig an den Betriebsund Infrastrukturkosten der Musikschulen. Entschädigung des Verbands der Musikschulen Art Der Kanton regelt in einem Leistungsvertrag mit dem Verband der Musikschulen die Entschädigung für die Erfüllung der Aufgaben gemäss Artikel 5. 2 Die Höhe der Entschädigung deckt die Kosten, die sich bei einer ordnungsgemässen, effizienten und wirkungsvollen Erfüllung der Aufgabe ergeben. Es wird eine Pauschale ausgerichtet. Weitere Beiträge Art. 13 Der Kanton kann weitere Beiträge ausrichten, um die Ziele dieses Gesetzes zu erreichen. 4. Beitragskürzung und Widerruf der Anerkennung Art. 14 Der Kanton kann die Kantonsbeiträge kürzen oder die Anerkennung einer Musikschule während der Geltungsdauer widerrufen, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen nicht eingehalten werden. 5. Vollzug Ausführungsbestimmungen Art Der Regierungsrat erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen. 2 Er regelt durch Verordnung das Nähere a zu den Voraussetzungen der Anerkennung der Musikschulen, b zur Anstellung der Lehrkräfte und Schulleitungen, c zur Organisation des Verbands der Musikschulen, d zu den Aufgaben gemäss Artikel 5 und e zum Abrechnungsverfahren. 14/5

327 Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung 11 3 Er kann seine Befugnisse nach Absatz 2 Buchstabe d und e ganz oder teilweise der Erziehungsdirektion übertragen. 14/6 Zuständige Stellen Art Die zuständige Stelle der Erziehungsdirektion vollzieht dieses Gesetz und seine Ausführungsbestimmungen. 2 Sie verfügt die Beiträge des Kantons an die einzelnen Musikschulen und die Entschädigung des Verbands der Musikschulen. 3 Über weitere Beiträge des Kantons verfügt das zur Bewilligung der Ausgabe befugte Organ. 4 Über eine allfällige Plafonierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen beschliesst der Regierungsrat. 6. Übergangs- und Schlussbestimmungen Beitragsberechtigung Verband der Musikschulen Zulassungsvoraussetzungen Anerkennung der Musikschulen Änderung von Erlassen Art. 17 Der Musikschulbesuch von Kindern und jungen Erwachsenen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht in den Kindergarten eingetreten sind bzw. das 25. Altersjahr bereits vollendet haben, wird mit Beiträgen gemäss dem bisherigen Recht unterstützt bis am 31. Juli Art Die Vertragsdauer des Leistungsvertrags zwischen dem Kanton und dem Verband der Musikschulen gemäss Artikel 12 und damit auch die Aufgaben und die Entschädigung des Verbands der Musikschulen nach diesem Gesetz beginnen am 1. Februar Der Verband der Musikschulen erlässt das Reglement gemäss Artikel 5 auf den 1. Februar Art. 19 Die Zulassungsvoraussetzungen nach diesem Gesetz werden erstmals auf den 1. August 2013 angewandt. Art. 20 Um die Anerkennung nach diesem Gesetz muss erstmals auf den 1. August 2014 ersucht werden. Die Anerkennung der Musikschulen nach dem bisherigen Recht verlängert sich bis zum 31. Juli Art. 21 Folgende Erlasse werden geändert: 1. Kulturförderungsgesetz vom 11. Februar 1975 (KFG; BSG ): Art. 5 bis 5c Aufgehoben. Art. 16 Der Grosse Rat erlässt durch Dekret Bestimmungen über öffentliche Einrichtungen zur Förderung des kulturellen Lebens (Art. 2 Abs. 2).

328 Ergebnis der ersten Lesung Gemeinsamer Antrag für die zweite Lesung Staatsbeitragsgesetz vom 16. September 1992 (StBG; BSG 641.1) Anhang I « » wird ersetzt durch «[BSG-Nummer]». «Dekret vom über Musikschulen und Konservatorien» wird ersetzt durch «Musikschulgesetz vom [Erlassdatum] (MSG)». «Art. 11 (Beiträge an die Kosten der allg. Musikschulen)» wird ersetzt durch «Art. 10 (Kantonsbeiträge)». «Art. 13 (Staatsbeiträge als Pauschalbeiträge)» wird aufgehoben. «Art. 21 (Beiträge an die Kosten der Konservatorien)» wird aufgehoben. «Art. 25 (Unterstützung von musikalischen Spezialschulen)» wird aufgehoben. «Art. 26 (Unterstützung des Kurswesens der kantonalen Blasmusikund Gesangsorganisationen)» wird ersetzt durch «Art. 13 (Weitere Beiträge)». Aufhebung eines Erlasses Art. 22 Das Dekret vom 24. November 1983 über Musikschulen und Konservatorien (Musikschuldekret, MSD) wird aufgehoben (BSG ). Inkrafttreten Art. 23 Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2012 in Kraft. Bern, 30. März 2011 Im Namen des Grossen Rates Bern, 4. Mai 2011 Im Namen des Regierungsrates Der Präsident: Fischer Die Vizestaatsschreiberin: Aeschmann Der Präsident: Perrenoud Der Staatsschreiber: Nuspliger Bern, 11. April 2011 Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Keller Von der Redaktionskommission genehmigter Text. 14/7

329 Beilage zum Tagblatt des Grossen Rates Gemeinsamer Antrag des Regierungsrates und der Kommission Grossratsbeschluss betreffend die Verfassungsinitiative «Bern erneuerbar» Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) Beilage 15

330 2 Inhaltsverzeichnis Seite 15/2 1. Entstehung und Zustandekommen der Initiative 3 2. Ziele und Inhalt der Initiative 3 3. Gültigkeit der Initiative Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht Artikel 35 KV Artikel 136 KV Umsetzbarkeit Einheit der Materie und Einheit der Form 6 4. Würdigung der Initiative Energieversorgung und -verbrauch heute Forderung nach Nachhaltiger Entwicklung Auswirkungen der Initiative Beurteilung der Initiative 8 5. Antrag des Regierungsrates 8 826/1

331 3 Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat zur Änderung der Verfassung des Kantons Bern (Initiative «Bern erneuerbar») 1. Entstehung und Zustandekommen der Initiative Am 15. April 2009 starteten die Grünen Kanton Bern bzw. das Initiativkomitee «Bern erneuerbar» die Unterschriftensammlung zu einer Initiative für die Revision des Artikels 35 der Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV) 1). Art. 35 KV hat die Versorgung mit Wasser und Energie zum Gegenstand. Am 13. November 2009 reichte das Initiativkomitee bei der Staatskanzlei Unterschriften zur Initiative ein. Die Staatskanzlei stellte fest, dass Unterschriften gültig sind. Für eine Initiative sind nach Artikel 58 Absatz 2 KV Unterschriften erforderlich. Da auch die Sammelfrist eingehalten worden ist, ist die Initiative zustande gekommen. Der Regierungsrat hat dies mit Beschluss vom 25. November 2009 bestätigt und die BVE beauftragt, die weitere Behandlung der Initiative an die Hand zu nehmen (RRB 2002/2009). Gemäss Artikel 65 Absatz 2 des Gesetzes über die politischen Rechte (GPR) unterbreitet der Regierungsrat eine Initiative innert 12 Monaten (seit ihrer Einreichung) dem Grossen Rat. Falls er einen Gegenvorschlag vorlegt, verlängert sich diese Frist auf 18 Monate. Die 12-Monate-Frist läuft am 13. November 2010 aus. 2. Ziele und Inhalt der Initiative Die Grünen erläutern die Ziele der Initiative wie folgt 2) : «Die Grundsätze der Energieversorgung und der Energienutzung im Kanton Bern sind in der Kantonsverfassung festgelegt. Bis heute gibt es aber keine verbindliche Bestimmung zur Versorgung mit erneuerbaren Energien. Deshalb verlangt die Initiative Bern erneuerbar, dass der Artikel der Kantonsverfassung folgendermassen angepasst wird: Die Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 wird wie folgt geändert: Art. 35 Versorgung mit Wasser und Energie 1 unverändert. 2 Sie treffen Massnahmen für eine umweltgerechte, wirtschaftliche und ausreichende Energieversorgung auf der Basis von erneuerbaren Energien. Der Strombedarf insgesamt sowie der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden sind grundsätzlich durch erneuerbare Energien zu decken. 3 Kanton und Gemeinden setzen sich für eine Reduktion des Energieverbrauchs durch sparsame, effiziente und rationelle Verwendung von Wasser und Energie und eine zielführende Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien ein. Art. 136 (neu) Übergangsbestimmung zu Artikel 35 1 Der Kanton setzt die Ziele nach Artikel 35 im Rahmen seiner Zuständigkeiten und unter Berücksichtigung des übergeordneten Rechts entsprechend den Vorgaben der Absätze 2 bis 3 um. 2 Der gesamte Strombedarf ist ab 2025 zu mindestens 75 Prozent und ab 2035 grundsätzlich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie zu decken. 3 Der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden, die vor Annahme der Initiative rechtmässig bestehen oder für welche das Baugesuch bis höchstens zwei Jahre nach Annahme der Initiative eingereicht wird, ist ab 2025 zu mindestens 50 Prozent, ab 2035 zu mindestens 75 Prozent und ab 2050 zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien zu decken. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn der aktuelle Stand der Technik die Erfüllung der Vorgaben nicht ermöglicht. 4 Der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von neuen Gebäuden, für welche das Baugesuch mehr als zwei Jahre nach Annahme der Initiative eingereicht wird, wird grundsätzlich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie gedeckt. Die Initiative verlangt fokussiert, dass die Energieversorgung erstens auf der Basis von erneuerbaren Energien zu erfolgen hat und zweitens der Verbrauch durch Steigerung der Energieeffizienz bzw. das Energiesparen reduziert werden soll. Sie bezieht sich konkret auf den «Strombedarf» und den «Energiebedarf für Heizung und Warmwasser». Der Initiativtext weist damit die angestrebte Griffigkeit und Klarheit auf. Mit der Initiative «Bern erneuerbar» wird der nötige Druck gemacht, damit griffige gesetzliche Vorgaben erarbeitet und umgesetzt werden (können). Mit der Umsetzung der Initiative wird Energie dort produziert, wo sie gebraucht wird. Damit wird ein grosser Teil der Wertschöpfung bei der Energieproduktion vom Ausland ins Inland transferiert werden, sinnvolle Arbeitsplätze werden geschaffen und nachhaltige Entwicklung sowie Investitionen werden vorangetrieben. Damit entsteht ein breiter volkswirtschaftlicher Nutzen.» 3. Gültigkeit der Initiative Laut Artikel 59 Absatz 2 KV sind Initiativen ganz oder teilweise ungültig zu erklären, wenn sie gegen übergeordnetes Recht verstossen, undurchführbar sind oder die Einheit der Form oder der Materie nicht wahren. 1) 2) BSG /3

332 4 3.1 Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht Die Initiative besteht aus zwei Teilen: In Art. 35 sollen Grundsätze und in Art. 136 Übergangsbestimmungen mit Fristen zur Erreichung von bestimmten Zielwerten festgelegt werden. Sowohl Artikel 35 als auch Artikel 136 enthalten Eingriffe in verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte (Eigentumsgarantie nach Artikel 26 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [BV] 3) und Artikel 24 KV 4), Wirtschaftsfreiheit nach Artikel 27 BV und Artikel 23 KV). Solche Eingriffe sind nach Artikel 36 BV bzw. Artikel 28 KV zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und zudem verhältnismässig sind. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar. Da die Initiative Vorgaben in der KV festschreiben will, ist die Voraussetzung der gesetzlichen Grundlage erfüllt. Das öffentliche Interesse an der Nutzung einheimischer und erneuerbarer statt importierter, nicht erneuerbarer Energien ist offensichtlich. Auch die BV beauftragt den Bund, Grundsätze zur Nutzung einheimischer und erneuerbarer Energien festzulegen (Art. 89 BV). Die in der Initiative vorgesehenen Eingriffe sind verhältnismässig, der Kerngehalt der Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit wird nicht tangiert. Die Verfassungsinitiative ist somit mit den Grundrechtsgarantien der Bundesverfassung vereinbar, ebenso mit den übrigen Bestimmungen der Kantonsverfassung. Zu prüfen bleibt, ob die Initiative auch mit dem übrigen Bundesrecht vereinbar ist Artikel 35 KV In Absatz 2 von Artikel 35 KV wird verlangt, dass der Strombedarf insgesamt sowie der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von Gebäuden grundsätzlich durch erneuerbare Energien gedeckt werden soll. Nach Artikel 89 Absatz 1 BV setzen sich Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch ein. Laut Artikel 89 Absatz 4 BV sind vor allem die Kantone für Massnahmen, die den Verbrauch von Energie in Gebäuden betreffen, zuständig. Der Bund ist aber dafür zuständig, Grundsätze über die Nutzung einheimischer und erneuerbarer Energien und über den sparsamen und rationellen Energieverbrauch festzulegen (Art. 89 Abs. 2 BV). Der Bund hat diesen Auftrag mit dem Energiegesetz vom 26. Juni 1998 (EnG) 5) erfüllt. Artikel 1 EnG legt u.a. als Ziel fest, dass das Gesetz zu einer umweltverträglichen Energieversorgung beitragen und die Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien verstärkt werden soll. Auf den 1. Januar 2009 hat der Bund die bisher nur allgemein formulierten Ziele des Artikel 1 EnG noch konkretisiert (Art. 1 Abs. 3 bis 5 EnG): Die durchschnittliche Jah- 3) 4) 5) SR 101 Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1) SR reserzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien soll gesamtschweizerisch bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Stand im Jahr 2000 um mindestens 5400 GWh erhöht werden. Die durchschnittliche Jahreserzeugung von Elektrizität aus Wasserkraftwerken soll bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Stand im Jahr 2000 um mindestens 2000 GWh erhöht werden, und der Endenergieverbrauch der privaten Haushalte soll bis zum Jahr 2030 mindestens auf dem Niveau im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung stabilisiert werden. In Artikel 9 EnG wird festgelegt, dass die Kantone im Rahmen ihrer Gesetzgebung günstige Rahmenbedingungen für die sparsame und rationelle Energienutzung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien schaffen. Die gemäss Initiative «Bern erneuerbar» in Artikel 35 Absatz 2 KV festzulegenden Grundsätze liegen in der Kompetenz des Kantons und sind mit dem eben zitierten Bundesrecht vereinbar, sie haben die gleiche Stossrichtung. Das Bundesamt für Energie (BFE) weist in seiner Stellungnahme vom 12. August 2010 darauf hin, dass die Initiative in Widerspruch zu Artikel 5 und 7 EnG stehen könnte: Artikel 5 EnG legt Leitlinien für die Energieversorgung fest. Danach umfasst eine sichere Energieversorgung die «ausreichende Verfügbarkeit», ein «breit gefächertes Angebot» sowie technisch sichere und leistungsfähige Versorgungssysteme. Es stellt sich somit die Frage, ob erneuerbare Energien i.s.v. Artikel 5 EnG «ausreichend verfügbar» sind. Die Frage ist zu bejahen: Erneuerbare Energien sind mehr als genug vorhanden, fraglich ist höchstens, ob ihre Nutzung im Vergleich zu Strom aus nicht erneuerbaren Energien nicht zu teuer ist und damit die bernische Wirtschaft an Konkurrenzfähigkeit verliert. Da allerdings damit zu rechnen ist, dass der Strom aus nicht erneuerbaren Energien künftig generell erheblich teurer wird und gleichzeitig der Preis von Strom aus erneuerbaren Energien mit der Zunahme ihrer Nutzung sinken wird, kann davon ausgegangen werden, dass die Preisdifferenz in 15 bis 20 Jahren erheblich geringer sein wird. Berücksichtigt man zudem die externen Kosten, wie z.b. die Kosten der Klimaerwärmung aufgrund der hohen CO2-Belastung, der Sicherheitsrisiken und der Entsorgung bei Atomstrom usw., dann ist Strom aus erneuerbaren Energien schon heute aus volkswirtschaftlicher Sicht wirtschaftlicher als derjenige aus nicht erneuerbaren Quellen. Es bleibt die Frage, ob ein «breit gefächertes Angebot» bestehen bleibt, wenn grundsätzlich nur noch erneuerbare Energien genutzt werden sollen. Auch diese Frage ist zu bejahen. Als erneuerbare Energien gelten die Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie, Umgebungswärme, Windenergie, Energie aus Biomasse und aus Abfällen aus Biomasse (Art. 1 EnV 6) ). Es bleibt also auch bei einer Beschränkung auf erneuerbare Energien ein breit gefächertes Angebot bestehen. Die Leitlinien in Artikel 5 EnG dürfen nicht so verstanden werden, dass sich die Kantone zwingend auch dann noch für Strom aus nicht erneuerbaren Energien einsetzen müssen, wenn sich der gesamte Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken lässt. Eine solche Auslegung von Artikel 5 EnG würde der Zielsetzung von Artikel 89 Absatz 1 BV widersprechen, wonach die Energieversorgung möglichst umweltverträglich sein soll. 6) Energieverordnung vom 7. Dezember 1998 (EnV; SR ) 15/4

333 5 Artikel 7 EnG verpflichtet die Netzbetreiber, in ihrem Netzgebiet Strom aus fossiler und erneuerbarer Energie (ausgenommen Elektrizität aus Wasserkraftanlagen mit einer Leistung über 10 MW) in einer für das Netz geeigneten Form abzunehmen und zu vergüten. Die Netzbetreiber wären also verpflichtet, Strom aus nicht erneuerbaren Energien abzunehmen, könnten ihn aber bei Annahme der Initiative im Kanton Bern selber nicht mehr verkaufen, weil die Endverbraucher gehalten wären, ihren Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. Dieses Ergebnis ist zwar unschön, führt aber nicht zur Bundesrechtswidrigkeit der Initiative. Es bliebe den Netzbetreibern unbenommen, den fossil erzeugten Strom ausserhalb des Kantons Bern abzusetzen. Zu prüfen ist weiter, ob allenfalls ein Widerspruch zum Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG 7) ) besteht. Dieses sieht vor, dass Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100 MWh Strom pro Verbrauchsstätte freien Netzzugang haben, das heisst, ihren Stromlieferanten frei wählen können. Die gleiche Regelung soll für die übrigen Endverbraucher fünf Jahre nach Inkrafttreten des StromVG (also am 1. Januar 2013) durch einen dem fakultativen Referendum unterstehenden Bundesbeschluss in Kraft gesetzt werden. Wird dem Endverbraucher vorgeschrieben, dass er seinen Strombedarf durch erneuerbare Energien decken muss, ist seine durch das StromVG garantierte Wahlfreiheit insoweit eingeschränkt, als er nur noch Stromlieferanten auswählen kann, die auch tatsächlich Strom aus erneuerbaren Energien anbieten. Ein absolutes Gebot, nur noch Strom aus erneuerbaren Energien zu nutzen, würde somit in Widerspruch zum StromVG stehen. Der von den Initianten vorgeschlagene Artikel 35 Absatz 2 enthält aber eine Relativierung: Der Energiebedarf soll «grundsätzlich» durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Damit ist eine bundesrechtskonforme Auslegung möglich: «Grundsätzlich» kann als «wenn möglich» verstanden werden. Der Endverbraucher kann also seinen Stromlieferanten frei wählen, hat aber von diesem wenn möglich nur Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Nicht möglich ist dies, wenn der betreffende Stromlieferant keinen oder nicht genügend Strom aus erneuerbaren Energien anbietet. Bei einer solchen Auslegung des Artikels 35 Absatz 2 entsteht kein Widerspruch zum StromVG. Eine ähnliche, wenn auch weniger weitgehende Regelung kennt auch das Energiegesetz des Bundes: Auch dort werden die Konsumentinnen und Konsumenten angehalten, verstärkt erneuerbare Energien zu nutzen (Art. 3 Abs. 1 Bst. b EnG). Für die Endverbraucher und Endverbraucherinnen, die den Stromlieferanten nicht frei wählen, gibt es nach Artikel 6 bzw. Artikel 7 StromVG Vorgaben zur sog. Lieferpflicht, so muss u.a. die gewünschte Menge an Elektrizität geliefert werden, dies zu angemessenen Tarifen. Diese Vorgaben müssten auch bei Annahme der Initiative eingehalten werden. Die Stromlieferanten müssten wenn sie selber nicht genügend Strom aus erneuerbaren Energien produzierten Strom aus erneuerbaren Energien bei Dritten einkaufen und an die Endverbraucher und Endverbraucherinnen liefern. Auch in diesem Punkt gibt es somit keinen unlösbaren Widerspruch zum übergeordneten Recht. 7) SR In Absatz 3 von Artikel 35 KV wird verlangt, dass sich Kanton und Gemeinden für eine Reduktion des Energieverbrauchs durch sparsame, effiziente und rationelle Verwendung von Wasser und Energie und eine zielführende Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien einsetzen. Diese Forderung entspricht den Zielsetzungen von Artikel 89 BV und Artikel 1 EnG. Sie ist somit mit dem übergeordneten Recht des Bundes klar vereinbar Artikel 136 KV In Absatz 1 von Artikel 136 KV wird der Grundsatz festgelegt, dass der Kanton den Artikel 35 im Rahmen seiner Zuständigkeiten und unter Berücksichtigung des übergeordneten Rechts umsetze. Dieser Grundsatz würde gestützt auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen auch dann gelten, wenn er in Artikel 136 nicht ausdrücklich festgehalten würde. Es gibt keinen Widerspruch zu übergeordnetem Recht. In Absatz 2 von Artikel 136 KV wird verlangt, dass der gesamte Strombedarf ab 2025 zu mindestens 75 Prozent und ab 2035 grundsätzlich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie zu decken sei. Es handelt sich dabei um eine Präzisierung des vorgeschlagenen Artikels 35 Absatz 2 KV. Zur Bundesrechtskonformität gilt das oben, unter Ziff Ausgeführte. Somit widerspricht auch diese Vorschrift dem EnG des Bundes nicht. Die Initiative hat zwar einen andern Ansatzpunkt als Artikel 1 Absätze 3 und 4 EnG. Die Zielwerte werden nicht für die Minimalproduktion von Strom aus erneuerbaren Energien bzw. aus Wasserkraftwerken festgelegt, sondern für den minimalen Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energiebedarf. Im Ergebnis sind die Zielwerte der Initiative ambitionierter als diejenigen des Bundes. Der Bund hat aber in Artikel 1 Absatz 3 EnG ausdrücklich nur Mindestziele festgelegt. Deshalb und weil er nach Artikel 89 BV im Gebäudebereich nur Grundsätze festlegen kann, die Gesetzgebungskompetenz aber im Übrigen bei den Kantonen liegt, dürfen die Kantone auch weitergehende Ziele festlegen. In Absatz 3 von Artikel 136 KV wird der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser für bestehende Gebäude geregelt. Dieser Energiebedarf soll ab 2025 zu mindestens 50 Prozent, ab 2035 zu mindestens 75 Prozent und ab 2050 zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Ausnahmen sollen zulässig sein, wenn der aktuelle Stand der Technik die Erfüllung der Vorgaben nicht ermöglicht. Mit dieser Forderung der Initiative wird am stärksten in die Eigentumsgarantie eingegriffen, weil u.u. bestehende Heizungs- und Warmwassersysteme angepasst oder ersetzt werden müssen und damit die Besitzstandsgarantie eingeschränkt wird. Sanierungspflichten gibt es aber auch in andern Bereichen, z.b. im Umweltrecht des Bundes. Sie stellen also nicht a priori einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie dar. Dazu kommt, dass Heizungs- und Warmwasseraufbereitungssysteme eine geringere Lebensdauer haben als die Gebäude selber und somit ohnehin von Zeit zu Zeit ersetzt werden müssen. Dank den relativ langen Fristen für die Umrüstung werden also die Grundeigentümer in den meisten Fällen ohnehin vor Ablauf der Frist das Warmwasser- und Heizungssystem zu erneuern haben. Der Eingriff in die Eigentumsgarantie wird daher als zumutbar betrachtet. Er kann durch das 15/5

334 6 grosse öffentliche Interesse an der Förderung der einheimischen und erneuerbaren Energien und der damit verbundenen Reduktion der Treibhausgasemissionen und Erhöhung der Versorgungssicherheit gerechtfertigt werden. In Absatz 4 von Artikel 136 KV werden Grundsätze für Gebäude festgelegt, die erst nach Inkrafttreten der Initiative bewilligt werden. Diese Grundsätze sind vergleichbar mit Bauvorschriften der Baugesetzgebung. Auch diese Regelung ist mit dem übergeordneten Recht vereinbar. 3.2 Umsetzbarkeit Eine Initiative ist dann nicht umsetzbar oder nicht durchführbar, wenn sie sich gegen die physikalischen Naturgesetze mit Einschluss des Zeitablaufs richtet, wenn sie sich selbst widerspricht oder wenn sie derart unklar abgefasst ist, dass sie nicht verstanden werden kann. Die Undurchführbarkeit darf aber nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht leichthin angenommen werden. Ein schwer zu verwirklichendes oder aus Sicht der Mehrheit des Grossen Rates unvernünftiges Volksbegehren darf deswegen nicht als undurchführbar bezeichnet werden. Was die Initiative «Bern erneuerbar» verlangt, widerspricht keinen physikalischen Naturgesetzen, sie ist auch nicht in sich widersprüchlich oder unklar. Soweit die Initiative fordert, dass der gesamte Energiebedarf für Strom, Heizung und Warmwasser ab 2035 oder 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen müsse, wird es aufgrund des heutigen Strommixes zwar sehr schwierig sein, diese Zielvorgabe innert der vorgesehenen Fristen zu erreichen. Auch dies ändert aber, wie eben ausgeführt, an der grundsätzlichen Umsetzbarkeit der Initiative nichts. Bei Artikel 136 Absatz 2 stellt sich die Frage, ob die Zielerreichung überprüft werden kann. Es wird verlangt, dass der ganze Strombedarf bis 2025 zu 75 Prozent und bis 2035 grundsätzlich zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Da nur der Stromlieferant (der sein Domizil u.u. im Ausland hat) und der Stromkunde wissen, aus welchen Quellen der gelieferte Strom stammt, wird es für die Vollzugsbehörden praktisch unmöglich sein, zu überprüfen, ob die vorgegebenen Zielwerte erreicht werden. Beim Strom, der durch die Übertragungsleitungen auf dem Kantonsgebiet fliesst und aus den Steckdosen kommt, kann nicht unterschieden werden, ob er aus erneuerbarer oder aus fossiler Energie stammt. Die Vollzugsbehörden müssten für diese Überprüfung in sämtliche Stromlieferverträge, die zwischen den Endverbrauchern und den Stromlieferanten abgeschlossen wurden, Einsicht nehmen können. Ein hoher Kontrollaufwand ist nach dem Gesagten aber kein Grund, um ein Volksbegehren als undurchführbar zu bezeichnen. Die Einheit der Form ist gewährleistet, weil die vorgeschlagenen Änderungen alle auf Verfassungsstufe vorgesehen sind und für alle Bestimmungen die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gewählt wurde. Die Einheit der Materie ist ebenfalls gewahrt: Bei sämtlichen Bestimmungen der Initiative geht es darum, den Energiebedarf für Gebäude mittel- bis langfristig allein mit erneuerbaren Energien zu decken. Der Energiebedarf in Gebäuden setzt sich zusammen aus dem Strombedarf, dem Heizenergiebedarf und dem Energiebedarf für die Aufbereitung von Warmwasser. Alle drei Aspekte gehören zusammen, und es ist deshalb sinnvoll, sie auch nach den gleichen Grundsätzen zu regeln. 4. Würdigung der Initiative 4.1 Energieversorgung und -verbrauch heute Die Wahl der Energieträger für die zukünftige Versorgung der stationären und der mobilen Energienutzung ist von vielen Faktoren abhängig: Von der Verfügbarkeit und den Nutzungsmöglichkeiten der Energieträger, von den Kosten und von den aus der Nutzung resultierenden Umwelt- und Klimabeeinträchtigungen. Ein Blick in die verfügbaren Energiestatistiken zeigt die bisherige Entwicklung und den aktuellen Stand. Der Kanton Bern verfügt über keine Energiestatistik, die alle Energieträger und deren Nutzungen erfasst. Aus Vergleichen ist jedoch bekannt, dass sich die Entwicklung im Kanton Bern nicht wesentlich von den schweizerischen Zahlen unterscheidet. Die Werte für den Kanton Bern entsprechen rund einem Siebtel der gesamtschweizerischen Werte. 15/6 3.3 Einheit der Materie und Einheit der Form Diese beiden Voraussetzungen bezwecken, dass die Stimmberechtigten ihren Willen frei und unverfälscht im Rahmen der Abstimmung zum Ausdruck bringen können. Die Begehren der Initianten müssen deshalb einen engen sachlichen Zusammenhang haben. Abb. 1: Energiebereitstellung (gesamtschweizerische Angaben inklusive Verkehr und stationäre Energienutzung, 2004)

Märzsession 2011 Parlamentarische Vorstösse

Märzsession 2011 Parlamentarische Vorstösse Märzsession 2011 Stand: 07.04.2011 13:36:17 Vorstoss Typ Urheberin Urheber (Ort, Partei) Titel Datum 056-2011 M Geissbühler-Strupler Keine Zentralisierung der Berner Fachhochschule 04.02.2011 (Herrenschwanden,

Mehr

Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2011 I. Jahresinhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2011 I. Jahresinhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2011 I Jahresinhaltsverzeichnis Allgemeines Präsidialansprachen... 1, 217, 446, 751,851,1011, 1015,1294 Aus dem Amt scheidender Präsident, Gerhard Fischer 453, 454 Neu gewählter

Mehr

Sondersession zur Gesundheitspolitik Sondersessionsprogramm

Sondersession zur Gesundheitspolitik Sondersessionsprogramm Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne Sondersession zur Gesundheitspolitik 13.09.2011 Sondersessionsprogramm Inhaltsverzeichnis Erklärung des Regierungsrates 2 Block 1 Versorgung

Mehr

Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte März 2016

Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte März 2016 Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte März 2016 Geschäfte Haltung Bildung Bern a Bildungsstrategie 2016; Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat a Keine Auswertung b c Gegen eine

Mehr

7. Grossratsrating. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN. der Mitglieder im bernischen Grossen Rat

7. Grossratsrating. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN. der Mitglieder im bernischen Grossen Rat HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN Berner Handelskammer 7. Grossratsrating Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder im bernischen Grossen Rat 2010 / 2011 Einführung Der Handels-

Mehr

Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte September 2016

Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte September 2016 Auswertung ausgewählter bildungspolitischer Geschäfte September 2016 Geschäfte Haltung Bildung Bern a Lerndidaktik des Frühfranzösischlehrmittels sofort überprüfen a Ablehnung b Mehr Lektionen = bessere

Mehr

iviaitj JÇX Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

iviaitj JÇX Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 05.09.2016-14:33-011 Traktandum / Affaire 008 2016.RRGR.96 Motion

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 4. bis 13. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 4. bis 13. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Junisession vom 4. bis 1. Juni 01 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 01 www.be.ch/gr Gliederung

Mehr

Staatskanzlei 1. Polizei + Militär Gesundheit + Fürsorge Finanz 6. Bau, Verkehr + Energie 7 9. Erziehung

Staatskanzlei 1. Polizei + Militär Gesundheit + Fürsorge Finanz 6. Bau, Verkehr + Energie 7 9. Erziehung Sessionsprogramm für die Januarsession 2010 Inhaltsverzeichnis: Direktionen Seiten Staatskanzlei 1 Polizei + Militär 2 + 3 Gesundheit + Fürsorge 4 + 5 Finanz 6 Bau, Verkehr + Energie 7 9 Erziehung 10 +

Mehr

Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG) (Änderung)

Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG) (Änderung) 1 152.01 Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG) (Änderung) Der Regierungsrat des Kantons Bern, gestützt auf Artikel 4a des Gemeindegesetzes vom 16.

Mehr

Die gesetzgebende Behörde

Die gesetzgebende Behörde Der Grosse Rat Die gesetzgebende Behörde Der Grosse Rat ist die Legislative (gesetzgebende Behörde) des Kantons Bern. Die 160 Mitglieder des Kantonsparlamentes werden alle vier Jahre (2010, 2014 usw.)

Mehr

11. Grossratsrating 2014/15. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. bernischen Grossen Rat

11. Grossratsrating 2014/15. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. bernischen Grossen Rat 11. Grossratsrating 2014/15 Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder im bernischen Grossen Rat HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN Berner Handelskammer Inhaltsverzeichnis 3 Einführung

Mehr

Mitgliederversammlung 10. Mai Herzlich willkommen!

Mitgliederversammlung 10. Mai Herzlich willkommen! Mitgliederversammlung 10. Mai 2017 Herzlich willkommen! Ablauf A. Statutarische Geschäfte B. Revision Sozialhilfegesetz Referat «Wirkungen von Anreizleistungen in der Sozialhilfe. Eine BFH- Studie zur

Mehr

Grand Conseil 23. Mitgliederverzeichnis, geordnet nach Wahlkreisen Noms des députés-e-s par cercles électoraux

Grand Conseil 23. Mitgliederverzeichnis, geordnet nach Wahlkreisen Noms des députés-e-s par cercles électoraux Grand Conseil 23 Mitgliederverzeichnis, geordnet nach Wahlkreis Noms des députés-e-s par cercles électoraux (20) Aebersold Michael, Fuchs Thomas, Haas Adrian, Hess Erich, Hofmann Andreas, Imbod Natalie,

Mehr

frz- Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

frz- Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 04.09.2017-15:28-018 Traktandum / Affaire 011 2016.RRGR.821 Grossratsbeschluss

Mehr

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : ? 9 e. Gesamtergebnis / Résultat

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : ? 9 e. Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 08.06.2017-10:54-009 Traktandum / Affaire 032 2017.RRGR.143 er

Mehr

Protokoll zur 8. Regionalversammlung Donnerstag, 18. Juni 2015, Uhr, Gasthof Bären, Langnau i.e.

Protokoll zur 8. Regionalversammlung Donnerstag, 18. Juni 2015, Uhr, Gasthof Bären, Langnau i.e. REGIONALKONFERENZ EMMENTAL Protokoll zur 8. Regionalversammlung Donnerstag, 18. Juni 2015, 19.00 Uhr, Gasthof Bären, Langnau i.e. Vorsitz: Anwesende Stimmberechtigte: Entschuldigt: Stimmkraft: Geschäftsleitung:

Mehr

Jubiläums- Mitgliederversammlung 16. Mai Herzlich willkommen!

Jubiläums- Mitgliederversammlung 16. Mai Herzlich willkommen! Jubiläums- Mitgliederversammlung 16. Mai 2013 Herzlich willkommen! Ablauf Statutarische Geschäfte Programm bis 18.20 Uhr Apéro 18.30 Uhr 1. Lesung von Heinz Däpp (Konvex 2) 19.00 Uhr Nachtessen (Konvex

Mehr

5. Grossratsrating. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. der Mitglieder im bernischen Grossen Rat

5. Grossratsrating. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. der Mitglieder im bernischen Grossen Rat 81217_umschlag:ug 29.10.2008 13:39 Uhr Seite 1 HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN UNION DU COMMERCE ET DE L INDUSTRIE DU CANTON DE BERNE Berner Handelskammer / Chambre de Commerce bernoise 5.

Mehr

HERZLICH WILLKOMMEN! PRÄSIDIUMSKONFERENZ 2014

HERZLICH WILLKOMMEN! PRÄSIDIUMSKONFERENZ 2014 HERZLICH WILLKOMMEN! PRÄSIDIUMSKONFERENZ 2014 Programm 19.00 19.30 Uhr 1. Begrüssung M. Kiener Nellen 2. Informationen bernsport M. Kiener Nellen Rückblick Vorschau auf 2015 Sportfonds Rückblick und Erkenntnisse

Mehr

Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern

Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Septembersession vom 05. September 2011 bis 14.September 2011 Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Tagblatt Jahrgang

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Märzsession vom 28. März bis 6. April Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Märzsession vom 28. März bis 6. April Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Märzsession vom 28. März bis 6. April 2011 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 2011 www.be.ch/gr

Mehr

Ich danke den OrganisatorInnen der OGA ganz herzlich für die Einladung, hier ein paar Worte an Sie zu richten.

Ich danke den OrganisatorInnen der OGA ganz herzlich für die Einladung, hier ein paar Worte an Sie zu richten. OGA Samstag, 10. Juni 2017, 10.00 Uhr Ilfishalle, Emmental Referat von Herrn Regierungspräsident Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor des Kantons Bern DM 782 221-v2 Sehr geehrte Damen und Herren Ich danke

Mehr

Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2010 I. Jahresinhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2010 I. Jahresinhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis für das Jahr 2010 I Jahresinhaltsverzeichnis Allgemeines Präsidialansprachen... 1, 219, 450, 462, 637,897 Ansprache des amtsältesten Grossrats, M. Jean-Pierre Aellen... 453 Ansprache

Mehr

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 21.03.2018-10:04-006 Traktandum / Affaire 015 2017.RRGR.530 Motion

Mehr

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 21.11.2018-11:05-011 Traktandum / Affaire 025 2018.RRGR.194 Motion

Mehr

Wahl des Gemeindeparlamentes Ergebnisse

Wahl des Gemeindeparlamentes Ergebnisse Einwohnergemeinde Münsingen Gemeindeurnenwahlen vom 26. November 2017 Wahl des Gemeindeparlamentes Ergebnisse Zahl der Stimmberechtigten 9 076 Zahl der eingelangten Ausweiskarten 3 353 Gesamtstimmbeteiligung

Mehr

Protokoll der Hauptversammlung vom 10. Juni 2016 in Uettligen (Gemeinde Wohlen) Traktanden:

Protokoll der Hauptversammlung vom 10. Juni 2016 in Uettligen (Gemeinde Wohlen) Traktanden: Protokoll der Hauptversammlung 2016 vom 10. Juni 2016 in Uettligen (Gemeinde Wohlen) Vorsitz: Anwesend: Protokoll: Thomas Rufener, Präsident VBG Gemeindedelegierte, Gäste: rund 150 Personen Daniel Arn,

Mehr

Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend die Gesamterneuerungswahlen des Grossen Rates und des Regierungsrates vom 28.

Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend die Gesamterneuerungswahlen des Grossen Rates und des Regierungsrates vom 28. Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend die Gesamterneuerungswahlen des Grossen Rates und des Regierungsrates vom 28. März 2010 Regierungsratsbeschluss Nr. 663/2010 vom 5. Mai 2010 Staatskanzlei

Mehr

114. ordentliche Delegiertenversammlung des Bernischen Kantonal-Musikverbandes (BKMV) vom 10. November 2018 (Christof Broger)

114. ordentliche Delegiertenversammlung des Bernischen Kantonal-Musikverbandes (BKMV) vom 10. November 2018 (Christof Broger) 114. ordentliche Delegiertenversammlung des Bernischen Kantonal-Musikverbandes (BKMV) vom 10. November 2018 (Christof Broger) Die Stadt Burgdorf - Hauptstadt der Berner Musikantinnen und Musikanten für

Mehr

Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat B 30. zum Entwurf eines Grossratsbeschlusses

Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat B 30. zum Entwurf eines Grossratsbeschlusses Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat B 30 zum Entwurf eines Grossratsbeschlusses über die Entschädigung der Mitglieder und der Fraktionen des Grossen Rates 4. November 2003 Übersicht Der Grosse

Mehr

WAHLPROGRAMM IN LEICHTER SPRACHE

WAHLPROGRAMM IN LEICHTER SPRACHE WAHLPROGRAMM IN LEICHTER SPRACHE FÜ R D I E LANDTAG SWAH L 20 1 1 Gemeinsam für Baden-Württemberg. CHANCEN ERGREIFEN. WOHLSTAND SICHERN. Herausgeber: CDU Baden-Württemberg Landesgeschäftsstelle Hasenbergstraße

Mehr

13. Grossratsrating 2016/17

13. Grossratsrating 2016/17 13. Grossratsrating 2016/17 Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder im bernischen Grossen Rat Inhaltsverzeichnis 3 Einführung 4 Ratingkonzept 5 Grundlagen 7 Rating nach Personen 12 Durchschnittswerte

Mehr

HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN UNION DU COMMERCE ET DE L INDUSTRIE DU CANTON DE BERNE

HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN UNION DU COMMERCE ET DE L INDUSTRIE DU CANTON DE BERNE A00377_umschlag:ug 15.10.2009 7:37 Uhr Seite 1 HANDELS- UND INDUSTRIEVEREIN DES KANTONS BERN UNION DU COMMERCE ET DE L INDUSTRIE DU CANTON DE BERNE Berner Handelskammer / Chambre de Commerce bernoise 6.

Mehr

Septembersession Parlamentarische Vorstösse. Urheber (Ort, Partei) Gleiches Auskunftsrecht für kantonale Steuerbehörden.

Septembersession Parlamentarische Vorstösse. Urheber (Ort, Partei) Gleiches Auskunftsrecht für kantonale Steuerbehörden. Kanton Bern nterventions parlementaires Septembersession 2013 Stand: 12.09.2013 11:52:35 Vorstoss Typ Urheberin Urheber (Ort, Partei) Titel Datum 180-2013 SP-JUSO-PSA (Bhend, Gleiches Auskunftsrecht für

Mehr

Urheber/-in Art. Abs. Bst. Antrag + ++

Urheber/-in Art. Abs. Bst. Antrag + ++ Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne GEF 75 2014.GEF.3 Antrag Gesetzgebung Version 9 05.12.2017 / AO Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG) (Änderung)

Mehr

14. Grossratsrating 2017/18. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. bernischen Grossen Rat

14. Grossratsrating 2017/18. Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens. bernischen Grossen Rat 14. Grossratsrating 2017/18 Eine Bewertung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder im bernischen Grossen Rat Inhaltsverzeichnis 3 Einführung 4 Ratingkonzept 5 Grundlagen 7 Rating nach Personen 12 Durchschnittswerte

Mehr

ab abend Abend aber Aber acht AG Aktien alle Alle allein allen aller allerdings Allerdings alles als Als also alt alte alten am Am amerikanische

ab abend Abend aber Aber acht AG Aktien alle Alle allein allen aller allerdings Allerdings alles als Als also alt alte alten am Am amerikanische ab abend Abend aber Aber acht AG Aktien alle Alle allein allen aller allerdings Allerdings alles als Als also alt alte alten am Am amerikanische amerikanischen Amt an An andere anderen anderer anderes

Mehr

Märzsession Sessionsprogramm

Märzsession Sessionsprogramm Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne Märzsession 2015 16.03.2015 24.03.2015 Sessionsprogramm Legende Beratungsformen: FD freie Debatte OD organisierte Debatte RD reduzierte

Mehr

Ausarbeitung für. durch Stephan Peterhans, FWS. KGTV Plenarversammlung vom , Hotel Glockenhof, Zürich

Ausarbeitung für. durch Stephan Peterhans, FWS.  KGTV Plenarversammlung vom , Hotel Glockenhof, Zürich Stand des politischen Prozesses zum indirekten Gegenvorschlag zur eidgenössischen Volksinitiative, für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie «Atomausstiegsinitiative» Ausarbeitung für durch Stephan

Mehr

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 382. Sitzung des Einwohnerrates

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 382. Sitzung des Einwohnerrates - 7316-382. ER-Sitzung vom 23.11.2009 BESCHLUSS-PROTOKOLL der 382. Sitzung des Einwohnerrates Datum Montag, 23. November 2009 Zeit / Ort Anwesend Entschuldigt Vorsitz Protokoll 19.30 Uhr, im Gemeindezentrum

Mehr

Medienkonferenz vom 11. Dezember 2008 zur Eröffnung der Vernehmlassung. Revision kantonales Energiegesetz KEnG

Medienkonferenz vom 11. Dezember 2008 zur Eröffnung der Vernehmlassung. Revision kantonales Energiegesetz KEnG Medienkonferenz vom 11. Dezember 2008 zur Eröffnung der Vernehmlassung Revision kantonales Energiegesetz KEnG Ulrich Nyffenegger, Projektleiter Amt für Umweltkoordination und Energie des Kantons Bern 1

Mehr

Wortformen des Deutschen nach fallender Häufigkeit:

Wortformen des Deutschen nach fallender Häufigkeit: der die und in den 5 von zu das mit sich 10 des auf für ist im 15 dem nicht ein Die eine 20 als auch es an werden 25 aus er hat daß sie 30 nach wird bei einer Der 35 um am sind noch wie 40 einem über einen

Mehr

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 21.11.2018-13:40-015 Traktandum / Affaire 061 2017.P0M.516

Mehr

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat

Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative : Gesamtergebnis / Résultat Der Grosse Rat des Kantons Le Grand Conseil du canton de e Abstimmungsprotokoll mit Namensliste Procès-verbal de vote avec liste nominative 06.06.2018-18:00-020 Traktandum / Affaire 063 2017.RRGR.15 Gesetz

Mehr

Kantonale Wahlen 2014

Kantonale Wahlen 2014 Der Regierungsrat des Kantons Bern Le Conseil-exécutif du canton de Berne Kantonale Wahlen 2014 Gesamterneuerungswahlen des Grossen Rats und des Regierungsrats vom 30. März 2014 Bericht des Regierungsrats

Mehr

Parti socialiste autonome et sympathisants. Union démocratique du centre

Parti socialiste autonome et sympathisants. Union démocratique du centre Jura bernois Benoit Roland Gasser Peter Gerber Tom Graber Anne-Caroline Gullotti Hervé Heyer Virginie Klopfenstein Etienne Niederhauser Jean-Luc Riesen Maurane Roulet Romy Sandra Tobler Marc von Wattenwyl

Mehr

15. Februar Amtsdauer Protokoll der 2. Sitzung des Stadtparlaments. Donnerstag, 2. Februar 2017,

15. Februar Amtsdauer Protokoll der 2. Sitzung des Stadtparlaments. Donnerstag, 2. Februar 2017, STADTPARLAMENT Marktgasse 58 Postfach 1372 9500 Wil 2 Seite 1 stadtparlament@stadtwil.ch www.stadtwil.ch Telefon 071 913 53 53 Telefax 071 913 53 54 15. Februar 2017 Amtsdauer 2017 2020 Protokoll der 2.

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Januarsession vom 24. Januar bis 2. Februar Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Januarsession vom 24. Januar bis 2. Februar Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Januarsession vom 4. Januar bis. Februar 011 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 011 www.be.ch/gr

Mehr

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 372. Sitzung des Einwohnerrates

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 372. Sitzung des Einwohnerrates - 7241-372. ER-Sitzung vom 27.10.2008 BESCHLUSS-PROTOKOLL der 372. Sitzung des Einwohnerrates Datum Montag, 27. Oktober 2008 Zeit / Ort Anwesend Entschuldigt Vorsitz Protokoll 19.30 Uhr, im Gemeindezentrum

Mehr

Parlamentsdienste Services parlementaires Stand:

Parlamentsdienste Services parlementaires Stand: Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne 2014.PARL.399-15 Parlamentsdienste Services parlementaires Stand: 20.12.2016 Orientierung der Mitglieder des Grossen Rates über die gemeldeten

Mehr

Joseph Deiss von Barberêche bis New York im Einsatz für das Gemeinwohl

Joseph Deiss von Barberêche bis New York im Einsatz für das Gemeinwohl Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: 5. Oktober 2010, 18.00 Uhr Joseph Deiss von Barberêche bis New York im Einsatz für das Gemeinwohl Rede von Bundesrat Ueli Maurer Chef des Eidgenössischen Departements

Mehr

Einwohnerrat Pratteln

Einwohnerrat Pratteln - 57 - Einwohnerrat Pratteln Beschlussprotokoll Nr. 430 Einwohnerratssitzung vom Montag, 27. Januar 2014, 19.00 Uhr in der alten Dorfturnhalle Anwesend 35/36/35 Personen des Einwohnerrates 6 Personen des

Mehr

Gemeinsam für mehr Gesundheit

Gemeinsam für mehr Gesundheit Leitbild der Berner Gesundheit Gemeinsam für mehr Gesundheit Stiftung für Gesundheitsförderung und Suchtfragen Leitbild Berner Gesundheit 01 Einleitung Die Stiftung Berner Gesundheit engagiert sich im

Mehr

Der Grosse Rat befasst sich in der Junisession unter anderem mit folgenden Themen:

Der Grosse Rat befasst sich in der Junisession unter anderem mit folgenden Themen: Aktuell Junisession Quelle: Staatskanzlei Schwerpunkte Der Grosse Rat befasst sich in der Junisession unter anderem mit folgenden Themen: Wahlen der Grossrats- und Regierungsratspräsidenten Änderung des

Mehr

Agglomerationsstrategie des Kantons Bern

Agglomerationsstrategie des Kantons Bern Agglomerationsstrategie des Kantons Bern Referat von Christoph Miesch, Vorsteher des Amtes für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern Tripartite Agglomerationskonferenz (TAK) Tagung vom 25. Januar

Mehr

Der Kanton Schaffhausen. Ein kurzer Überblick

Der Kanton Schaffhausen. Ein kurzer Überblick Der Ein kurzer Überblick Geografische Lage des Kantons Extreme Grenzlage (83% Grenze zu Deutschland, 17% zur Schweiz) Nördlich des Rheins gelegen Dreigeteiltes Kantonsgebiet Seite 1 Struktur des Kantons

Mehr

Initiative Faire Steuern Für Familien

Initiative Faire Steuern Für Familien Initiative Faire Steuern Für Familien Corrado Pardini, Co-Präsident GKB SP-Parteitag, 29. Mai 2010 Interlaken 23.06.2010 Faire Steuern - Für Familien 1 Ausgangslage Wer bestimmt, ob und welche Steuern

Mehr

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 399. Sitzung des Einwohnerrates

BESCHLUSS-PROTOKOLL der 399. Sitzung des Einwohnerrates - 7453-399. ER-Sitzung vom 26.09.2011 BESCHLUSS-PROTOKOLL der 399. Sitzung des Einwohnerrates Datum Montag, 26. September 2011 Zeit / Ort Anwesend Entschuldigt Vorsitz Protokoll 19.30 Uhr, im Gemeindezentrum

Mehr

Parlamentsdienste. Verhandlungen des Kantonsrats VII. Session /11./18. Dezember

Parlamentsdienste. Verhandlungen des Kantonsrats VII. Session /11./18. Dezember Parlamentsdienste Verhandlungen des Kantonsrats VII. Session 2013-10./11./18. Dezember 2013 VII. Session 2013-10./11./18. Dezember 859 DG 209/2013 Begrüssung und Mitteilungen der Kantonsratspräsidentin...863,

Mehr

Vertrag. haben Folgendes vereinbart: vom 5. März 2010

Vertrag. haben Folgendes vereinbart: vom 5. März 2010 . Vertrag vom 5. März 00 über die Mitwirkung der Kantonsparlamente bei der Ausarbeitung, der Ratifizierung, dem Vollzug und der Änderung von interkantonalen Verträgen und von Verträgen der Kantone mit

Mehr

Traktandum 8 Wahlen. MV Berner Bauern Verband 12. April 2017

Traktandum 8 Wahlen. MV Berner Bauern Verband 12. April 2017 Traktandum 8 Wahlen MV Berner Bauern Verband 12. April 2017 Wahlen MV 12.04.2017 Traktandum 8 Amtsperiode 2017 2021; Total 37 Mitglieder Präsident HJ Rüegsegger Riggisberg Vorstand Vizepräsidentin Christine

Mehr

Dekret über die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsstellen (BRSD) vom (Stand )

Dekret über die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsstellen (BRSD) vom (Stand ) 6. Dekret über die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsstellen (BRSD) vom 08.09.009 (Stand 0.09.0) Der Grosse Rat des Kantons Bern, gestützt auf Artikel Absatz 4 und Artikel Absatz des Gesetzes vom.

Mehr

Aargauer Einwohnerratswahlen 2013

Aargauer Einwohnerratswahlen 2013 Aargauer Einwohnerratswahlen 2013 Im Kanton Aargau haben im Jahr 2013 in zehn Gemeinden Wahlen des Einwohnerrates stattgefunden, vier Gemeinden wählten am 22. September 2013 und sechs Gemeinden legten

Mehr

Abstimmungsvorlagen 4. März 2018

Abstimmungsvorlagen 4. März 2018 Abstimmungsvorlagen 4. März 2018 Kantonale und Eidgenössische Abstimmungen Parolenfassung der BDP Herzogenbuchsee und Umgebung Vorlagen Eidg. Vorlage «Bundesbeschluss vom 16. Juni 2017 über die neue Finanzordnung

Mehr

23. Bantiger Triathlon Stafette und Bikerennen Rangliste Bikerennen 2010

23. Bantiger Triathlon Stafette und Bikerennen Rangliste Bikerennen 2010 Kategorie: BF1 Frauen U19 Jugendliche 1998-1992 1. Keller, Andrea, 1997 Hasle-Rüegsau 01:36:49 Kategorie: BF2 Frauen Ü18 Damen 1 1991-1975 1. Brönnimann, Rahel, 1981 (Tagessiegerin) Affoltern 01:08:50

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Novembersession vom 20. bis 29. November Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Novembersession vom 20. bis 29. November Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Novembersession vom 20. bis 29. November 2006 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 2006 / Dokument

Mehr

Kleines Glossar der politischen Instrumente und Prozesse

Kleines Glossar der politischen Instrumente und Prozesse Kleines Glossar der politischen Instrumente und Prozesse Erstellt am: Erstellt von: Dateiname: Seiten: Freitag, 11. März 2011 MS Kleines Glossar der politischen Instrumente und Prozesse Seite 1 von 6 2010

Mehr

von möglichen 82 Stimmen sind 67 anwesend; das absolute Mehr wird bei 34 Stimmen erreicht. Die Versammlung ist beschlussfähig.

von möglichen 82 Stimmen sind 67 anwesend; das absolute Mehr wird bei 34 Stimmen erreicht. Die Versammlung ist beschlussfähig. REGIONALKONFERENZ EMMENTAL Protokoll zur 5. Regionalversammlung Donnerstag, 22. Mai 2014, Gasthof Roter Thurm, Signau Vorsitz: Samuel Leuenberger, Präsident Regionalversammlung Anwesende Stimmberechtigte:

Mehr

Art. 1 Aufsicht über das kantonale Mass- und Gewichtswesen

Art. 1 Aufsicht über das kantonale Mass- und Gewichtswesen 94. Verordnung über das Mass- und Gewichtswesen (MGV) vom 6.08.000 (Stand 0.0.07) Der Regierungsrat des Kantons Bern, gestützt auf Artikel, Artikel 6 Absatz, Artikel 7 und Artikel 4 Absatz des Bundesgesetzes

Mehr

Einwohnerrat Pratteln

Einwohnerrat Pratteln Einwohnerrat Pratteln Beschlussprotokoll Nr. 473 Einwohnerratssitzung vom Montag, 27. August 2018, 19.00 Uhr in der alten Dorfturnhalle Anwesend Abwesend entschuldigt 36/37 Personen des Einwohnerrates

Mehr

Vorstellung Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland

Vorstellung Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland Vorstellung Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland Christoph Lerch, Regierungsstatthalter Kontakt: Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, Poststrasse 25, 3071 Ostermundigen Telefon 031 635 94 00 Fax

Mehr

V O R L A G E N. für die Sitzung des Grossen Gemeinderates

V O R L A G E N. für die Sitzung des Grossen Gemeinderates V O R L A G E N für die Sitzung des Grossen Gemeinderates vom 05. Februar 2018 Grosser Gemeinderat Haldenstrasse 5 Postfach 566 CH-3550 Langnau i.e. Telefon 034 409 31 91 An die Mitglieder des Grossen

Mehr

Die Standpunkte des Nein-Komitees

Die Standpunkte des Nein-Komitees Die Standpunkte des Nein-Komitees 15. Januar 2013, Hotel Kreuz, Bern Folie 1 Agenda Begrüssung Peter Brand, Grossrat SVP und Präsident HEV Kanton Bern Zu den Auswirkungen der beiden Vorlagen Dr. Adrian

Mehr

Energiegesetz (EnG) vom 30. September 2016 (BBl )

Energiegesetz (EnG) vom 30. September 2016 (BBl ) Energiestrategie 2050 Abstimmungsvorlage vom 21. Mai 2017 Worum geht es? Das Parlament hat zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 das Energiegesetz revidiert und damit ein erstes Massnahmenpaket beschlossen.

Mehr

Hochverehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus!

Hochverehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Hochverehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe die Wahl mit großer Freude und Dankbarkeit angenommen. Ich bin mir der großen Verantwortung bewusst, die diese Funktion

Mehr

Menschen für die Kirchenpflege gewinnen Warum es sich lohnt, Kirchenpflegerin oder Kirchenpfleger zu werden

Menschen für die Kirchenpflege gewinnen Warum es sich lohnt, Kirchenpflegerin oder Kirchenpfleger zu werden Kirche gestalten Gemeinde leiten Sinnvolles bewirken Menschen für die Kirchenpflege gewinnen Warum es sich lohnt, Kirchenpflegerin oder Kirchenpfleger zu werden Warum Sie Kirchenpflegerin oder Kirchenpfleger

Mehr

Novembersession Sessionsprogramm

Novembersession Sessionsprogramm Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne Novembersession 2016 21.11.2016-01.12.2016 Sessionsprogramm Legende sformen: freie Debatte OD organisierte Debatte RD reduzierte Debatte

Mehr

Regionalpfarrkreise. Zollikofen

Regionalpfarrkreise. Zollikofen Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten Justiz-, Gemeindeund Kirchendirektion des Kantons Bern Délégué aux affaires ecclésiastiques Direction de la justice, des affaires communales et des affaires

Mehr

Bern soll Basel kennen lernen

Bern soll Basel kennen lernen Medienkonferenz vom 22. September 2006 Bern soll Bern muss Maria Iselin-Löffler Parteipräsidentin LDP Basel-Stadt Die Präsidien der vier bürgerlichen Parteien im Kanton Basel-Stadt präsentieren heute mit

Mehr

Die Antworten von der FDP

Die Antworten von der FDP 19 Die Antworten von der FDP 1. Wahl-Recht Finden Sie richtig, dass nicht alle wählen dürfen? Setzen Sie sich für ein Wahl-Recht für alle ein? Wir sind der Meinung: Das Wahl-Recht ist ein wichtiges Recht

Mehr

Grossrat Bruno Bertschi, Wohlen, führte durch die Versammlung

Grossrat Bruno Bertschi, Wohlen, führte durch die Versammlung Die Gründung am 15. März Jahre 2006 Grossrat Bruno Bertschi, Wohlen, führte durch die Versammlung Unsere Gäste: Regierungsrat Ernst Hasler Nationalrat Lieni Füglistaller Grossrat Andreas Glarner, Fraktionspräsident

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 2. Juni bis 11. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Junisession vom 2. Juni bis 11. Juni Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Junisession vom 2. Juni bis 11. Juni 2008 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 2008 / Dokument

Mehr

Verabschiedungen Grossrätinnen Bettina Keller (Grüne) und Rita Haudenschild (Grüne)

Verabschiedungen Grossrätinnen Bettina Keller (Grüne) und Rita Haudenschild (Grüne) Carlos Reinhard Grossratspräsident 2016/17 (ab 30.05.2016) Verabschiedungen Grossrätinnen Bettina Keller (Grüne) und Rita Haudenschild (Grüne) vom 8. Juni 2016 durch den Grossratspräsidenten 2016/17 vor

Mehr

Ehrung von Mitgliedern der karnevalistischen Brauchtumspflege 18. Februar 2014, Uhr, Plenarsaal des Landtags

Ehrung von Mitgliedern der karnevalistischen Brauchtumspflege 18. Februar 2014, Uhr, Plenarsaal des Landtags Ehrung von Mitgliedern der karnevalistischen Brauchtumspflege 18. Februar 2014, 13.00 Uhr, Plenarsaal des Landtags Verehrte Gäste der karnevalistischen Brauchtumspflege, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mehr

über die interkantonalen Verträge (VertragsG)

über die interkantonalen Verträge (VertragsG) . Gesetz vom. September 009 über die interkantonalen Verträge (VertragsG) Der Grosse Rat des Kantons Freiburg gestützt auf die Bundesverfassung vom 8. April 999, namentlich die Artikel 48, 7, 86 Abs. und

Mehr

Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik

Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik Suchabfrage 02.0.207 Thema Keine Einschränkung Schlagworte Wettbewerb Akteure Genf, Luzern Prozesstypen Keine Einschränkung Datum 0.0.998-02.0.207 0.0.98-02.0.7

Mehr

Wir übernehmen Verantwortung. für die Entsorgung radioaktiver Abfälle.

Wir übernehmen Verantwortung. für die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Wir übernehmen Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle. Jetzt Verantwortung übernehmen! Radioaktive Abfälle sind eine Realität, unabhängig von der weiteren Nutzung der Kernenergie. Radioaktive

Mehr

Für jede Region das passende Verkehrsmittel.

Für jede Region das passende Verkehrsmittel. Für jede Region das passende Verkehrsmittel. Immer mehr Menschen pendeln immer weiter. Wird die Infrastruktur nicht flächendeckend ausgebaut, droht der Kollaps. Dabei gibt s für jede Region eine massgeschneiderte

Mehr

75 Jahre Militärflugplatz Meiringen Freitag, 17. Juni 2016, Zeitfenster bis Uhr, Festgelände Flugplatz

75 Jahre Militärflugplatz Meiringen Freitag, 17. Juni 2016, Zeitfenster bis Uhr, Festgelände Flugplatz Carlos Reinhard Grossratspräsident 2016/17 Grussbotschaft 75 Jahre Militärflugplatz Meiringen Freitag, 17. Juni 2016, Zeitfenster 17.30 bis 18.15 Uhr, Festgelände Flugplatz Sehr geehrter Herr Bundesrat

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Novembersession vom 19. bis 29. November Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Novembersession vom 19. bis 29. November Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Novembersession vom 19. bis 29. November 2007 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 2007 / Dokument

Mehr

Statuten. SP Adligenswil. Sozialdemokratische Partei 6043 Adligenswil

Statuten. SP Adligenswil. Sozialdemokratische Partei 6043 Adligenswil Statuten SP Adligenswil Sozialdemokratische Partei 6043 Adligenswil sp-adligenswil@bluewin.ch www.sp-adligenswil.ch Inhalt I. RECHTSFORM II. ZIEL III. ORGANISATION A. Generalversammlung B. Parteiversammlung

Mehr

Aus dem Grossen Rat des Kantons Bern

Aus dem Grossen Rat des Kantons Bern Aus dem Grossen Rat des Kantons Bern Januarsession: 20. bis 29.01.2014 Schwerpunkte Der Grosse Rat befasste sich in der Januarsession unter anderem mit folgenden Themen: (Staatskanzlei des Kantons Bern

Mehr

Junisession Sessionsprogramm

Junisession Sessionsprogramm Der Grosse Rat des Kantons Bern Le Grand Conseil du canton de Berne Junisession 2016 30.05.2016-09.06.2016 Sessionsprogramm Legende sformen: FD freie Debatte OD organisierte Debatte RD reduzierte Debatte

Mehr

Bekanntgabe der durch den Ministerpräsidenten ernannten Minister zum Thüringer Minister für Wissenschaft und Kunst

Bekanntgabe der durch den Ministerpräsidenten ernannten Minister zum Thüringer Minister für Wissenschaft und Kunst Thüringer Landtag - 1. Wahlperiode - _. Sitzung, Datum 2889 44. Sitzung Dienstag, den 11. Februar 1992 Erfurt, Plenarsaal Bekanntgabe der durch den Ministerpräsidenten ernannten Minister 2891 Ministerpräsident

Mehr

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Septembersession vom 31 August bis 10. September Ausführliches Verhandlungsprotokoll

Tagblatt. Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern. Septembersession vom 31 August bis 10. September Ausführliches Verhandlungsprotokoll Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern Septembersession vom 31 August bis 10. September 2009 Tagblatt Ausführliches Verhandlungsprotokoll nach Artikel 105 und 106 der Geschäftsordnung Jahrgang 2009

Mehr

Nationalratswahlen 2003 Schlussresultate der Nationalratswahlen 2003 in Basel-Stadt

Nationalratswahlen 2003 Schlussresultate der Nationalratswahlen 2003 in Basel-Stadt Nationalratswahlen 23 Schlussresultate der Nationalratswahlen 23 in Basel-Stadt Kennzahlen Zahl der Stimmberechtigten Männer Frauen Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen 116 361 55 777 6 584 4 449

Mehr

Statuten. Hauseigentümerverband Hinterthurgau. A u s g a b e

Statuten. Hauseigentümerverband Hinterthurgau. A u s g a b e Statuten Hauseigentümerverband Hinterthurgau A u s g a b e 2 0 0 8 1 Statuten Hauseigentümerverband Hinterthurgau Einfachheitshalber wird in diesen Statuten auf weibliche Textformen verzichtet. I. Name,

Mehr

Tagesschulangebote im Kanton Bern im Schuljahr 2011/12 Ergänzungen und Mutationen melden Sie bitte an barbara.rudolf@erz.be.ch. Besten Dank.

Tagesschulangebote im Kanton Bern im Schuljahr 2011/12 Ergänzungen und Mutationen melden Sie bitte an barbara.rudolf@erz.be.ch. Besten Dank. Erziehungsdirektion des Kantons Bern Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung Direction de l'instruction publique du canton de Berne Office de l'enseignement préscolaire et obligatoire, du conseil

Mehr