der Landesrechnungshof nimmt zum Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2004 und 2005 wie folgt Stellung:
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1 DER PRÄSIDENT DES LANDESRECHNUNGSHOFS SCHLESWIG-HOLSTEIN Kiel, 28. Oktober 2003 An die Vorsitzende des Finanzausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages Frau Ursula Kähler, MdL Landeshaus Kiel nachrichtlich An den Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein Herrn Dr. Ralf Stegner Düsternbrooker Weg Kiel An die Finanzpolitischen Sprecher der Fraktionen und des SSW (gem. anliegender Liste) Entwurf des Doppelhaushalts 2004/2005 Drucksache 15/2790 vom Sehr geehrte Frau Kähler, der Landesrechnungshof nimmt zum Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2004 und 2005 wie folgt Stellung: Hopfenstraße Kiel Telefon (0431) Telefax (0431)
2 - 2 - I. Desolate Finanzsituation Das Land Schleswig-Holstein befindet sich ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland in der schwersten Finanzkrise seiner Geschichte. Vor allem die bislang unzureichende Haushaltskonsolidierung, aber auch die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung haben hierzu beigetragen. Auf hinter den Erwartungen zurückbleibende Einnahmen wurde nicht ausreichend reagiert. Stattdessen wurde und wird immer noch die Staatsverschuldung in unvertretbarer Weise ausgeweitet. Seit Jahren weist der Landesrechnungshof 1 darauf hin, dass das Land über seine Verhältnisse lebt. Die Tatsache, dass diese Feststellung nun auch vom Finanzminister geteilt wird 2, lässt hoffen, dass die Landesregierung die notwendigen Konsequenzen ziehen wird. Diese sind im Doppelhaushaltsentwurf 2004/2005 allerdings noch nicht zu erkennen. Die vom Landesrechnungshof immer wieder beschriebenen Folgen der steigenden Verschuldung des Landes nämlich Handlungs- und Gestaltungsunfähigkeit sind jetzt Realität geworden. Mit dem Doppelhaushalt 2004/2005 wird die Verschuldung des Landes weiter steigen. Die Entwicklung der Neuverschuldung ist dramatisch: ,4 Mio ,7 Mio ,4 Mio ,7 Mio ,0 Mio ,0 Mio.. Der Schuldenstand wird Ende 2005 bei mindestens 19,5 Mrd. liegen. Die hieraus resultierenden Zinsen belasten den Landeshaushalt mit jährlich mehr als 900 Mio Zuletzt in seiner Presseerklärung vom zu den Bemerkungen 2002 des LRH. Finanzminister Dr. Ralf Stegner, Rede zum Haushaltsentwurf 2004/2005 vom Über den 1. Nachtragshaushalt hinaus ist im 2. Nachtragshaushalt 2003 mit einer weiteren erheblichen Erhöhung der Neuverschuldung zu rechnen. Für den Fall einer vorgezogenen III. Steuerreform wäre die Verschuldung 2004/2005 zu niedrig veranschlagt
3 - 3 - Damit liegen die Zinsausgaben um rd. 100 Mio. über den Ausgaben des Landes für Investitionen. Den steigenden Zinsausgaben stehen in Zukunft weiter sinkende Investitionen gegenüber (in Mio. ): HH-Jahr Zinsausgaben Investitionsausgaben ,3 765, ,0 745, ,4 689, ,2 809, ,9 816, ,3 778, ,8 766, ,8 674,6 Von einer Rückführung der Nettoneuverschuldung auf Null ist keine Rede mehr, geschweige denn von einer Tilgung seiner Schulden. Dabei ist das Land Schleswig- Holstein mit pro Einwohner 5 unter den Flächenländern schon jetzt am höchsten verschuldet. Vermögen besitzt das Land nur noch in sehr begrenztem Umfang und einmalige Einnahmen aus Vermögensveräußerungen, mit denen der Landeshaushalt in der Vergangenheit gerade noch ausgeglichen und insbesondere konsumtive Ausgaben finanziert wurden, sind kaum noch zu erwarten. 5 Schuldenstand Ende
4 - 4 - II. Zeitpunkt der Erprobung eines Doppelhaushalts für 2004/2005 ist denkbar ungeeignet Noch nie war die Ausgangslage für eine Haushaltsaufstellung so unsicher wie für das kommende Jahr, erst recht für das zweite Jahr des Doppelhaushalts 2004/2005. Eine überzeugende Begründung dafür, weshalb die Landesregierung gerade in diesen unsicheren Zeiten ausnahmsweise einen Doppelhaushalt vorlegt, fehlt. Der Zeitpunkt für die Einführung eines Doppelhaushalts für die Jahre 2004 und 2005 ist denkbar ungeeignet, um dessen Wirkung zu erproben. Insbesondere überwiegen die Nachteile eines Doppelhaushalts dessen Vorteile: Gerade die derzeitigen Haushaltsprobleme im Jahre 2003 zeigen, dass die Voraussage der künftigen Entwicklungen schon für einen kurzen Zeitraum außerordentlich schwierig ist. Eine verlässliche Prognose ist bereits für die Steuereinnahmen im Jahr 2004 kaum möglich. Erst recht ist eine Vorausschätzung für 2 Haushaltsjahre mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Gravierende Veränderungen der Steuerschätzungen wie im letzten Jahr sind nicht auszuschließen, mit der Folge, dass der zweite Haushalt eines Doppelhaushalts so erheblich nachzubessern wäre, dass dies fast einer Neuaufstellung gleich käme, zumal der HH-Entwurf 2005 bereits mit globalen Minderausgaben (211 Mio. ) und globalen Mehreinnahmen (200 Mio. ) in einem noch nie da gewesenen Ausmaß belastet ist. Allein damit bestehen de facto zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2005 Deckungslücken von mehr als 400 Mio.. Ein Doppelhaushalt schränkt die Budgethoheit des Parlaments für das 2. Haushaltsjahr ein, denn während der jährliche Haushalt vom Landtag aktuell beraten werden muss, hat bei einem Doppelhaushalt nur die Regierung innerhalb der zwei Haushaltsjahre das Initiativrecht für einen Nachtragshaushalt ( 37 LHO)
5 - 5 - De facto müssen wie bei Einjahreshaushalten auch bei Doppelhaushalten zwei getrennte Haushalte aufgestellt werden. Damit relativiert sich der arbeitsökonomische Vorteil eines Doppelhaushaltes. Gerade in derart unsicheren Ausgangssituationen geht ein Doppelhaushalt zu Lasten der Planungsgenauigkeit und damit der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Zahlreiche Veranschlagungen entziehen sich einer hinreichend sicheren Prognose, um einen soliden und den Normen des Haushaltsrechts entsprechenden Doppelhaushalt zu erstellen. Dies zeigt sich z. B. bei den hohen Risiken des Derivateinsatzes. Vor diesem Hintergrund hält es der Landesrechnungshof für einen Fehler, von der Ausnahmeregelung in 12 LHO Gebrauch zu machen und einen Doppelhaushalt aufzustellen. III. Reihenweise Risiken im Doppelhaushalt 2004/2005 Mit einer soliden und vorsichtigen Haushaltspolitik ist es nicht vereinbar, Einnahmen nach dem Prinzip Hoffnung zu veranschlagen. Trotzdem wird wie in den vergangenen Jahren wieder mit zu optimistischen Plandaten gearbeitet: Für 2004 werden die Steuereinnahmen um 1,2 % oder 60,5 Mio. höher eingeschätzt als dies der Arbeitskreis Steuer im Mai 2003 getan hat. Hierfür gibt es keine belastbare Grundlage. Gleiches gilt für die Veranschlagung der Steuereinnahmen 2005, die 3,8 % oder 199,5 Mio. über der Mai-Steuerschätzung 2003 liegt. Mit dem Haushaltsrecht unvereinbar sind die veranschlagten globalen Mehreinnahmen von 200 Mio. in 2005 in der Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung der Wirtschaft
6 - 6 - Fraglich sind auch die finanziellen Auswirkungen der derzeit diskutierten Steuergesetzänderungen auf die Haushalte 2004 und Konkret geht es um das Gesetz zur Gemeindefinanzreform, das Steueränderungsgesetz 2003, das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004, den Subventionsabbau durch die Umsetzung offener Punkte aus dem Entwurf des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, die Bekämpfung des Steuermissbrauchs, insbesondere bei der Umsatzsteuer, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Senkung der Lohnnebenkosten. Ob diese Änderungen überhaupt beschlossen und sich auf den Landeshaushalt auswirken werden, ist zurzeit noch offen. Mit dem 100 Mio. -Zukunfts-Investitions-Programm für Wachstum und Beschäftigung (ZIP 2004) will die Landesregierung in den nächsten drei Jahren weitere Investitionen von 809 Mio. auslösen. Ob damit ein nennenswerter Beitrag zur konjunkturellen Belebung der Wirtschaft in Schleswig-Holstein geleistet werden kann, bleibt angesichts des Anteils dieser Investitionen am Bruttoinlandsprodukt des Landes Schleswig-Holstein von weniger als 0,5 % p. a. abzuwarten. Zum anderen handelt es sich nicht um neue Maßnahmen und Mittel, sondern überwiegend um eine Zusammenstellung und teilweise Aufstockung bereits in Vorjahren aufgelegter Maßnahmen, sodass kaum zusätzliche wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind. Fest steht, dass auch der Einsatz dieser 100 Mio. weitgehend kreditfinanziert ist und damit zur Verschuldung des Landes beiträgt. 6 Für den Haushalt 2004 ist als weitere Einnahme eine Nachzahlung von 200 Mio. (Vergütung für die Inanspruchnahme der Zweckrücklage der 6 Presseerklärung der Landesregierung zum Doppelhaushalt 2004/2005 vom
7 - 7 - Investitionsbank) veranschlagt. Ob die schon im Haushalt 2003 veranschlagte Einnahme von 100 Mio. realisiert werden kann, ist offen. Dem erwarteten Erlös von 60 Mio. aus der Veräußerung von Anteilen des Landes an NordWestLotto stehen jährliche Einnahmeverluste des Landes in Höhe von derzeit durchschnittlich 4 Mio. gegenüber. Damit verzichtet das Land zugunsten eines einmaligen Erlöses dauerhaft auf Einnahmen, was wirtschaftlich nicht zu vertreten ist. Den äußerst optimistischen Einnahmeerwartungen der Landesregierung stehen tatsächliche Ausgabensteigerungen und globale Minderausgaben in erheblichem Maße gegenüber. Damit werden die Haushaltsrisiken weiter erhöht: Der größte Ausgabenblock, die Personalausgaben, wird gegenüber dem Vorjahr 2004 um 64,5 Mio. (2,1 %) und 2005 um 155,7 Mio. (5 %) steigen. Per Saldo steigt die Stellenzahl bis 2005 um 112 Stellen. Im Übrigen weist der Landesrechnungshof darauf hin, dass der Haushalt die Zahl der Stellen nicht vollständig abbildet. Ausgliederungen von Personal auf Nebenhaushalte des Landes, die in einem großen Umfang stattgefunden haben, werden nicht erfasst. Das Zinsänderungsrisiko - bedingt durch den Doppelhaushalt - wird von 15,1 Mio. in 2003 auf 69 Mio. in 2004 und 100 Mio. in 2005 steigen. Der erwartete Anstieg des Zinsniveaus führt zu einem Anstieg der Zinsausgaben im Finanzplan für 2006 um 27,5 Mio. (3 %) und 2007 um weitere 26,8 Mio. (2,8 %). Die Entlastungseffekte durch das Kreditmanagement werden dann nicht mehr ausreichen, um die Mehrbelastungen aus der steigenden Verschuldung aufzufangen
8 - 8 - Die vom Land übernommenen Schuldendiensthilfen an Krankenhausträger und für die Fachkliniken steigen weiter von 7,7 Mio. in 2003 auf 14,7 Mio. in 2004 und auf 20,5 Mio. in Erstmals mit dem Haushalt 2004 sollen der Gesellschaft zur Finanzierung von Beteiligungen des Landes Schleswig-Holstein (GVB) nicht gedeckte Refinanzierungskosten im Zusammenhang mit dem treuhänderischen Erwerb von Anteilen der HSH Nordbank AG von der Landesbank Baden- Württemberg in Höhe von 3,1 Mio. bzw. 3,4 Mio. erstattet werden. Im Haushalt 2004 werden 88,1 Mio. globale Minderausgaben veranschlagt. Sie sollen zum Teil noch mit der Nachschiebeliste aufgelöst werden. Für den Haushalt 2005 steigen die globalen Minderausgaben auf 211,6 Mio. an. Ihr Anteil an den bereinigten Gesamtausgaben steigt damit von 1,1 % in 2004 auf 2,7 % in Die globalen Minderausgaben erreichen damit eine Größenordnung, die daran zweifeln lassen, dass ein Ressort sie noch erwirtschaften kann. IV. Handlungsmaximen Die öffentlichen Finanzen sind in den letzten Jahren zunehmend aus dem Gleichgewicht geraten. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Landesrechnungshofs, eine nüchterne, schonungslose Analyse der Finanzlage zu erstellen und eine durchgreifende strukturelle Haushaltskonsolidierung einzufordern. Sie kann jedoch die dringend erforderlichen politischen Entscheidungen nicht ersetzen. Der Landesrechnungshof wird dennoch nicht müde, die notwendigen Konsolidierungsund Sparmaßnahmen anzumahnen: Dazu gehören die Definition der Kernaufgaben des Landes und danach eine drastische Reduzierung der Aufgaben und der Ausgaben des Landes. 7 Der Landesrechnungshof hat in seinen Bemerkungen 2002 Nr. 30 darauf hingewiesen, dass er die Gewährung von Zuschüssen für den laufenden Betrieb der Fachkliniken durch das Land für nicht erforderlich hält
9 - 9 - Ein stärkerer Subventionsabbau ist ebenso dringend notwendig wie die sukzessive und stärkere Zurückführung aller freiwilligen Leistungen und Fördermittel des Landes. Auch vor Leistungsgesetzen darf die Landesregierung bei der Haushaltskonsolidierung nicht Halt machen. Alle Leistungsgesetze gehören auf den Prüfstand. Da die Möglichkeiten des Landes, zur Belebung der stagnierenden Wirtschaft beizutragen, sehr begrenzt sind, gilt es, die noch finanzierbaren Fördermittel zu bündeln und gezielt einzusetzen. Die Finanzkrise der Bundesrepublik ist nur von allen gemeinsam und nicht auf Kosten der jeweils anderen Gebietskörperschaft zu bewältigen. Bund, Länder und Gemeinden müssen in gleichem Maße ihren Beitrag zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien leisten. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre die Senkung der vorgesehenen Kreditaufnahme um die 13,6 Mio., die für eine Beteiligung des Landes an der Entwicklungsgesellschaft mbh in 2004 vorgesehen waren, nachdem der Landtag entschieden hat, auf diese Beteiligung zu verzichten. In der katastrophalen Finanzsituation, in der sich das Land derzeit befindet, muss es das prioritäre Ziel von Regierung und Parlament sein, wieder die Voraussetzungen für eine solide Haushalts- und Finanzpolitik im Land zu schaffen. Mit freundlichen Grüßen In Vertretung Klaus Qualen
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