Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,
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- Katrin Weiß
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1 Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB, anlässlich der Festsitzung bei der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2012 am 27. März 2012 in Berlin Es gilt das gesprochene Wort!
2 1 Anrede Ein ehemaliger Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Albert Einstein beschrieb die Arbeit von Physikern einmal so: Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen. Und ein anderer und auch Präsident Ihrer Gesellschaft, Max Planck hat dann eine tröstliche Variante beschrieben: Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. I. Das ist so in der Physik, und manchmal ist es so auch in der Politik. Das gehört zur Erfahrung all derer, die davon überzeugt sind, dass es sich lohnt, sich nicht nur hier und da mal einzumischen oder irgendetwas aufzumischen, sondern sich einer Sache ganz zu verschreiben. Das gilt für Ihre Gesellschaft, das gilt für die, die hier Verantwortung tragen und, lieber Herr Sandner, weil es Ihre letzte Jahrestagung ist, deshalb sage ich das auch ganz besonders im Blick auf Ihre Arbeit. Ich möchte Ihnen danken für die überaus gute Zusammenarbeit, für einen hohen Einsatz für die physikalische Forschung, für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und nicht zu vergessen und in dieser Zeit besonders wichtig für die Stärkung der europäischen Sichtbarkeit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Ihre Gesellschaft ist in viele EU-Programme zentral involviert und hat ihre Aktivität und ihre Vernetzung in Brüssel stark intensiviert. Und jetzt, da wir über das neue, das 8. Europäische Forschungsrahmenprogramm sprechen, sind Stellungnahmen Ihrer Gesellschaft, und die Akzente, die in diesen Stellungnahmen deutlich werden, nicht nur willkommen, sondern wichtig. Das, was im Moment erarbeitet wird, wird für eine Reihe von Jahren gelten. Das neue Forschungsrahmenprogramm wird über viele Jahre die europäische Forschungspolitik und Wissenschaft und Forschung prägen. Ich möchte Ihnen danken für Ihren Einsatz, für Ihre Geduld, für viele wichtige Impulse und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen als Vizepräsident DPG. Zunächst aber Dank für das Geleistete, Dank für die Verdienste, die Sie sich auch um den Forschungsstandort Deutschland erworben haben. Wer heute über Europa spricht, der spricht in der Regel vom Euro, der spricht vom Fiskalpakt, der spricht vom europäischen Stabilisierungsmechanismus. Das alles beschäftigt uns intensiv. Das alles ist verbunden mit der Notwendigkeit, eine gemeinsame Währung in Europa zu verbinden mit mehr politischer Gemeinsamkeit, mit politischer Union. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das, was wir mit politischer Union meinen, immer auch
3 2 geprägt sein muss vom Selbstverständnis Europas als eines Kontinents der Wissenschaft und der Forschung. Europa hat eine lange und große Universitätsgeschichte. Auch im 21. Jahrhundert gibt diese europäische Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte viele Hinweise für Gestaltung. Die Europäischen Staats- und Regierungschefs haben anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Römischen Verträge die Schlüsselaussage für die Zukunft formuliert. In der Berliner Erklärung heißt es: Europas Reichtum liegt im Wissen und Können seiner Menschen; dies ist der Schlüssel zu Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt. Wenn wir also über mehr Gemeinsamkeiten in der Politik sprechen, wenn wir sprechen darüber, dass es Wachstumsstrategien geben muss, dann ist es wichtig, dass wir aus der Perspektive von Forschung und Forschungspolitik ganz deutlich machen: Die Zukunft Europas wird nicht abhängen von der Höhe der Agrarsubventionen, sondern von der Fähigkeit Europas, ein attraktiver, international wettbewerbsfähiger Standort für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung zu sein. Das ist die Quelle künftigen Wohlstands. In den nächsten Monaten geht es deshalb ganz besonders darum, dass hier die Weichen richtig gestellt werden, dass die Hochschulen in Europa, dass die großen Forschungseinrichtungen, dass die innovativen Unternehmen spüren: Dieses Europa ist sich gerade in Zeiten der Krise bewusst, wo die Quelle künftigen Wachstums ist, wo der Schlüssel für internationale Wettbewerbsfähigkeit liegt, wo der Motor für Attraktivität des Kontinentes sein kann und muss. Die Europa Strategie, die wir zurzeit gemeinsam in Europa erarbeiten, gibt dafür die Zielrichtung vor. Auf der Ebene des allgemeinen Austauschs gibt es schon viel Konsens. Das ist ein gutes Zeichen. Interessant wird es aber, wenn die Ebene der allgemeinen Rhetorik verlassen wird, um dann ganz konkret zu fragen: Wie hoch werden die Budgets sein für diesen und jenen Bereich und gelingt es uns, die großen Ziele, die wir uns gesteckt haben, auch tatsächlich einzuhalten? Es ist wichtig, dass in diesem Kontext auch auf europäischer Ebene klar ist: Das bestimmende Kriterium für das neue Forschungsrahmenprogramm muss Exzellenz sein. Es geht nicht um die Verteilung von Geldern dorthin, wo man sie ganz gerne hätte. Exzellenz ist entscheidend. Und ganz wichtig wofür Deutschland sich stark einsetzt: Wissenschaft braucht auch in Europa den Respekt vor der Souveränität. Es geht um wirklich wissenschaftsgetriebene Entwicklungen. Gleichzeitig wird es darum gehen, deutlich zu machen, wie wichtig beispielsweise die Grundlagenforschung ist. Grundlagenforschung ist eine der wesentlichen Säulen der
4 3 Zukunftssicherung einer Gesellschaft. Grundlagenforschung befriedigt ein zutiefst menschliches Bedürfnis nach dem bislang nicht Gedachten, dem wirklich neuen Wissen und der neuen Erkenntnis. Grundlagenforschung heute ist Technologietreiber in Zukunft. Deshalb wollen wir junge Leute gewinnen, sie faszinieren für die Grundlagenforschung in den vielen Instituten und Universitäten in unserem Land. II. Die Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit ist auch deshalb notwendig und das betrifft die Physiker in besonderer Weise, weil wir an einer Reihe von großen Forschungsinfrastrukturen gemeinsam arbeiten. Großgeräte verlangen europäische und internationale Kooperation. Deutschen Wissenschaftlern ermöglichen wir mit unserer Förderung den Zugang zu den weltweit besten Forschungsinfrastrukturen. Zum Aufbau von Forschungsinfrastruktur wollen wir auch bei der Internationalisierung unsere Forschungspolitik immer stärker auf Kooperationen mit anderen Ländern setzen. Mit Hochdruck arbeiten wir an den Großprojekten in Deutschland. Ich nenne FAIR in Darmstadt und den Röntgenlaser XFEL in Hamburg. Und dann ist da natürlich noch ITER. Solche Projekte zu stemmen, wird in den nächsten Jahren nicht einfacher werden. Es sind enorme Aufgaben damit verbunden. Ich stehe dennoch dazu und sage: Europa muss so etwas leisten können. Forschungspolitik braucht einen langen Atem. Da kann man nicht heute investieren und morgen schon die Ergebnisse wollen. Da müssen Entscheidungen getroffen und Weichen für lange Zeiträume gestellt werden manchmal über Generationen hinweg. Und umso wichtiger ist es, sowohl auf Seiten der Wissenschaft als auch auf Seiten der Politik ein hohes Maß an Verantwortung an den Tag zu legen, damit wir auch in Zukunft in Europa wichtige Standorte für Großgeräte haben werden. Deutschland hat sich 2005 entschieden, jedes Jahr mehr in Forschung zu investieren als im Jahr zuvor. Zwischen 2005 bis einschließlich 2013 wird der Haushalt meines Hauses sich um 80 Prozent erhöht haben. Eine starke Entwicklung. Das ist eine Entwicklung die ich mir im europäischen Kontext wünschen würde. Umso wichtiger ist es, dass wir da, wo große Bereitschaft zur Investition ist, die richtigen Weichen stellen und uns nicht in Illusionen verrennen. Ich sage das als Bitte und ich sage das jetzt zugleich auch im Vertrauen darauf, dass wir diese großen Projekte tatsächlich in Deutschland aber auch in Europa schaffen. Wenn ich an den Forschungsstandort Deutschland denke, ist mir das Wissenschaftsfreiheitsgesetz besonders wichtig. Wir wollen den Wissenschaftseinrichtungen
5 4 mehr Selbständigkeit, Flexibilität und Verantwortung geben. Bei Haushalt, Personal, Beteiligungen und Bauverfahren wollen wir eine größtmögliche Autonomie für die Wissenschaftseinrichtungen verankern, um damit wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen auf gesetzlicher Grundlage zu schaffen. Politik darf sich nicht mit Detailsteuerung beschäftigen. Politik muss Regelungen schaffen mit größtmöglicher Autonomie. Das hilft der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, das stärkt die Attraktivität von Forschung in Deutschland. Schließlich haben uns die letzten Jahre gezeigt, dass das, was uns im Bildungssystem kaum gelingt, uns an vielen Stellen im Wissenschaftssystem gelungen ist: Kooperation zwischen Bund und Ländern. Dafür stehen die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt, der Pakt für Forschung und Innovation. Das sind nicht nur finanzträchtige Vereinbarungen. Diese Vereinbarungen haben eine Dynamik in das Wissenschaftssystem gebracht, wie wir sie vorher nicht kannten. Das merkt man übrigens an der großen Zunahme der Studienanfängerzahlen. Die Studienanfängerquote lag 2005 noch bei 37 Prozent. Wir liegen jetzt bei rund 50 Prozent. Über 20 Prozent mehr Studienanfänger im vergangenen Semester allein in den Technikwissenschaften das ist eine gute Entwicklung. Es ist noch lange nicht genug, zeigt aber, dass in dieser jungen Generation viel Interesse ist. Und weil das so ist, möchte ich, dass Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Zukunft nicht nur bei Projekten zeitlich befristet zusammenarbeiten können, sondern dass wir mit der Änderungen des Artikels 91b des Grundgesetzes auch tatsächlich langfristige Kooperationen ermöglichen. Das ermöglicht uns, Forschungsschwerpunkte zu identifizieren von denen wir sagen, sie haben eine überregionale Bedeutung, die sind so wichtig für uns, dass Land und Bund hier dauerhaft kooperieren wollen. Ich will nicht, dass interessante Institute, um eine langfristige finanzielle Perspektive zu bekommen, aus einer Universität ausgegliedert und in eine Forschungsorganisation übernommen werden müssen. Diese Grundgesetzänderung wäre ein Meilenstein für Kooperationskultur und es ist vor allen Dingen ein klares Signal für die Stärkung der Universitäten in Deutschland. III. Ihre Gesellschaft ist nicht nur die weltweit älteste und größte physikalische Fachgesellschaft, die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren auch zu einer enorm jungen Gesellschaft entwickelt. Mehr als die Hälfte der heutigen Mitglieder sind Schülerinnen und Schüler, Studierende, Promovierende, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
6 5 Nachwuchsförderung ist das A und O wenn es um Zukunftsfähigkeit geht. Die jungen Leute spüren, dass der Stellenwert der Wissenschaft in unserer Gesellschaft deutlich besser geworden ist und nicht zuletzt während Ihrer Präsidentschaft, lieber Herr Professor Sandner, ist der Nachwuchsförderung in der DPG eine große Bedeutung zugewachsen. Die Junge DPG und ihr Kongress, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal stattfand, das DPG-Mentoring-Programm, die Lernwelten der Physik von BMBF und DPG, die Schirmherrschaft der DPG über das International Young Physicists Tournament die Physik-Weltmeisterschaft, die im Juli erstmalig in Deutschland stattfindet 1, und das Netzwerk Teilchenwelt sind solche Akzente, die ich meine. Das sind die Impulse im Gespräch der Generationen, das sind die Weichen, die Sie stellen im Blick auf Begeisterung der jeweils nächsten Generation. Ich freue mich, liebe Frau Stachel, dass Sie bereit sind das Amt der Präsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft im April zu übernehmen. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand und viel Erfolg. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Und den versammelten Mitgliedern der DPG wünsche ich eine gute Jahrestagung hier in Berlin. 1 Schülerforschungszentrum Südwürttemberg, Bad Saulgau,
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