Hand-out Klinik Obach 2014: Geriatrische Therapieziele
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- Helga Brauer
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1 Hand-out Klinik Obach 2014: Geriatrische Therapieziele Version: (Ergänzungs- und Korrekturvorschläge bitte an Wichtige Informationen Der Einfachheit halber wird in diesem Dokument ausschliesslich die männliche Schreibweise verwendet; die weibliche Form ist damit stets mitgemeint. Klinik Obach 2014
2 Medikamentenanamnese bei Eintritt - Alle Informationsquellen nutzen (Patient, Fremdanamnese, Zuweisungsbericht, mitgebrachte Medikamente etc.) - Auch in Reserve (i.r.) Medikamente, alle Applikationsformen (auch Augentropfen, Medikamentenpflaster etc.), inklusive pflanzliche/homöopathische Substanzen Eintrittsverordnung Evtl. Anpassung der Medikation aufgrund der klinischen Situation Eintrittsphase Aktuelle Problem-/Diagnoseliste Vollständige Liste mit allen Problemen/ Diagnosen bei Eintritt Checkliste Überprüfung Medikamente (siehe Checkliste) 1. Indikation? 2. Kontraindikation? 3. Potentiell ungeeignet (STOPP-Liste)? 4. Potentiell ungeeignet (eigene Einschätzung)? 5. Arzneimittel-Interaktionen? 6. Dosis korrekt? 7. Einnahmevorschriften vollständig/korrekt? Aktuelle Medikamentenliste Vollständige Liste mit allen fixen und i.r. Medikamenten im Spital bei Eintritt Medikamente absetzen/ersetzen/anders dosieren Checkliste Überprüfung Untermedikation (siehe Checkliste) 1. Potentiell behandlungsbedürftige(s) Problem/Diagnose (START-Liste)? 2. Potentiell behandlungsbedürftige(s) Problem/Diagnose (Einschätzung)? Neues Medikament/neue Medikamente hinzufügen Verlauf im Spital Weitere Anpassungen der Medikamente während Spitalaufenthalt aufgrund des klinischen Verlaufs Vorbereitung Austrittsgespräch Medikamente 1. Definitive Medikation nach Austritt festlegen (fixe und i.r. Medikamente) 2. Medikamentenplan erstellen (inklusive Angabe des Grunds) 3. Zeit einplanen für Austrittsgespräch, evlt. auch private Bezugsperson dazu einladen (insbesondere bei Hilfebedarf oder kognitiver Einschränkung) Austrittsphase Austrittsgespräch durchführen 1. Medikamentenplan dem Patienten abgeben und erläutern; sicherstellen, dass Patient alles versteht (Patienten fragen ob alles klar) 2. Allfällige Compliancehilfen nach Austritt besprechen und sicherstellen (z.b. Dossett schon im Spital vorbereiten) 3. Allfälligen Hilfebedarf für Vorbereitung oder Einnahme der Medikamente sicherstellen (z.b. private Bezugsperson oder Spitex einplanen) 4. Festlegen, wann spätestens die nächste Hausarztkontrolle erforderlich ist (Patienten sagen, den Medikamentenplan in Konsultation mitzunehmen) Wegleitung Medikation Klinik Obach 2014 Seite 2
3 Checkliste zur Überprüfung der Medikamente: 7 Checkfragen Prüfen Sie auf der Basis der Problem-/Diagnoseliste, der Medikamentenliste und der Informationen zu Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Serum-Kreatinin und der errechneten Kreatinin-Clearance 1 die folgenden Fragen 2 : Checkfrage 1: Indikation? Überprüfen Sie für jedes Medikament, ob dieses einer oder mehrerer Indikationen auf der Problem -/Diagnoseliste entspricht. Hilfsmittel: Arzneimittelkompendium, Fachinformation zum Medikament, Abschnitt Indikationen/Anwendungsmöglichkeiten Checkfrage 2: Kontraindikation? Überprüfen Sie für jedes Medikament, ob eine Kontraindikation vorliegt. Hilfsmittel: Arzneimittelkompendium, Fachinformation zum Medikament, Abschnitt Kontraindikationen Checkfrage 3: Potentiell ungeeignet (STOPP-Liste)? Überprüfen Sie für jedes Medikament, ob dieses, gemäss STOPP-Liste, potentiell ungeeignet ist (da nicht bzw. ungenügend wirksam oder da zu hohes Risiko im Verhältnis zum Nutzen). Hilfsmittel: STOPP-Liste (siehe dieses Manual) Checkfrage 4: Potentiell ungeeignet (eigene Einschätzung)? Überprüfen Sie für diejenigen Medikamente, welche Sie nicht bei der Checkfrage 3 ausgeschlossen haben, ob diese, gemäss Ihrer Einschätzung, potentiell ungeeignet sind (da nicht bzw. ungenügend wirksam oder da zu hohes Risiko im Verhältnis zum Nutzen). Hilfsmittel: keine Checkfrage 5: Arzneimittel-Interaktionen? Überprüfen Sie auf der Grundlage der Medikamentenliste, ob eine Interaktion vorliegt. Verwenden Sie dazu ein Medikamenten- Interaktionsprogramm und entscheiden Sie dann, aufgrund Ihres persönlichen Wissensstands, welche dieser Interaktionen relevant sind und eine Anpassung der Medikation (wie Absetzen, Ersetzen, Dosisanpassung) erforderlich machen. Hilfsmittel: Arzneimittelkompendium, Für Fachpersonen, Interaktionen (bei gewissen Klinik -Informationssystemen müssen Medikamentennamen nicht neu eingegeben werden) Checkfrage 6: Dosis korrekt? Überprüfen Sie für jedes Medikament, ob die Dosierung korrekt ist. Hilfsmittel: Arzneimittelkompendium, bei Produkt Abschnitt Dosierung/Anwendung Checkfrage 7: Einnahmevorschriften vollständig/korrekt? Überprüfen Sie für jedes Medikament, ob spezielle Einnahmevorschriften bestehen und diese korrekt erwähnt sind. Ergänzen Sie die Einnahmevorschriften falls erforderlich. Falls keine spezielle Einnahmevorschrift erwähnt ist, geht man davon aus, dass das Medikament mit den Mahlzeiten (unwichtig, ob vor oder nach Mahlzeit) oder vor dem Schlafen eingenommen wird. Hilfsmittel: Arzneimittelkompendium, bei Produkt Abschnitt Dosierung/Anwendung Checkliste zur Überprüfung auf Untermedikation: 2 Checkfragen Checkfrage 1: Potentiell behandlungsbedürftige(s) Problem/Diagnose (START-Liste)? Überprüfen Sie für jedes Problem/jede Diagnose gemäss START-Liste, ob ein noch nicht behandeltes und potentiell behandlungsbedürftiges Problem/eine noch nicht behandelte, potentiell behandlungsbedürftige Diagnose vorliegt. Hilfsmittel: START-Liste (siehe dieses Manual) Checkfrage 2: Potentiell behandlungsbedürftige(s) Problem/Diagnose (eigene Einschätzung)? Überprüfen Sie für jedes Problem/jede Diagnose gemäss Ihrer Einschätzung, ob ein noch nicht behandeltes und potentiell behandlungsbedürftiges Problem/eine noch nicht behandelte und potentiell behandlungsbedürftige Diagnose vorliegt. (Probl e- me/diagnosen, die bereits gemäss START-Liste als potentiell behandlungsbedürftig identifiziert wurden, nicht erneut angeben). Hilfsmittel: keine 1 z.b. mit Kalkulator: 2 modifiziert/adaptiert nach Hanlon JT, Schmader KE, Samsa GP, et al. A method for assessing drug therapy appropriateness. J Clin Epidemiol 1992;45: und Haefeli WE. Polypharmazie. Schweiz Med Forum 2011;11:847-52). Wegleitung Medikation Klinik Obach 2014 Seite 3
4 STOPP-Liste Screening Tool of Older People s potentially inappropriate Prescriptions. 3 Die folgenden Medikamentenverschreibungen sind für 65-Jährige möglicherweise ungeeignet. A. Kardiovaskuläres System 1. Langzeit-Einnahme von Digoxin > 125 μg/tag bei Niereninsuffizienz (errechnete GFR < 50 ml/min) (erhöhtes Toxizitäts- Risiko). 2. Schleifendiuretikum ausschliesslich für Knöchelödeme, wenn keine Herzinsuffizienz vorliegt (fehlende Evidenz, Kompressionsstrümpfe üblicherweise geeigneter). 3. Schleifendiuretikum als Monotherapie einer arteriellen Hypertonie (sicherere, effektivere Alternativen verfügbar). 4. Thiazid-Diuretikum bei Gicht-Anamnese (kann Gicht verschlimmern). 5. Nicht-kardioselektiver Betablocker bei Chronischer Obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) (Risiko eines verstärkten Bronchospasmus). 6. Betablocker kombiniert mit Verapamil (Risiko eines symptomatischen AV-Blocks). 7. Einsatz von Diltiazem oder Verapamil bei Herzinsuffizienz NYHA III oder IV (kann Herzinsuffizienz verschlimmern). 8. Calcium-Antagonist bei chronischer Obstipation (kann Obstipation verschlimmern). 9. Acetylsalicylsäure kombiniert mit Vitamin-K-Antagonisten (orale Antikoagulation) ohne Histamin H2-Rezeptor-Antagonist (ausser Cimetidin wegen Interaktion mit oralen Antikoagulantien) oder Protonenpumpenblocker (hohes Risiko gastrointestinaler Blutungen). 10. Dipyridamol als Monotherapie für kardiovaskuläre Sekundärprävention (keine Evidenz für Wirksamkeit). 11. Acetylsalicylsäure bei Anamnese von peptischem Ulcus ohne Histamin H2-Rezeptor-Antagonist oder Protonenpumpenblocker (Blutungsrisiko). 12. Acetylsalicylsäure in einer Dosis >150 mg/tag (höheres Blutungsrisiko, keine Evidenz für bessere Wirksamkeit). 13. Acetylsalicylsäure ohne Anamnese von koronarer, cerebraler oder peripherer Gefässkrankheit (nicht indiziert). 14. Acetylsalicylsäure zur Behandlung von diffusem Schwindel, der nicht klar auf eine cerebrovaskuläre Erkrankung zurückzuführen ist (nicht indiziert). 15. Orale Antikoagulantien (Vitamin K-Antagonisten) für erste, unkomplizierte tiefe Venenthrombose während mehr als 6 Monaten (kein bewiesener Zusatznutzen). 16. Orale Antikoagulantien (Vitamin K-Antagonisten) für erste, unkomplizierte Lungenembolie während mehr als 12 Monaten (kein bewiesener Nutzen). 17. Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Dipyridamol oder Vitamin K-Antagonist bei gleichzeitig bestehender (hämorrhagischer) Blutgerinnungsstörung (hohes Blutungsrisiko). B. Zentrales Nervensystem und Psychopharmaka 1. Tricyclische Antidepressiva (TCAs) bei Demenz (Risiko, die kognitive Einschränkung zu verschlimmern). 2. TCAs bei Glaukom (Glaukomexazerbation wahrscheinlich). 3. TCAs bei Herzrhythmusstörungen (pro-arrhythmischer Effekt). 4. TCAs bei Obstipation (Verschlimmerung der Verstopfung wahrscheinlich). 5. TCAs zusammen mit Opiaten oder Calciumantagonisten (Risiko schwerer Obstipation). 6. TCAs bei Prostatismus oder Anamnese von Harnretention (Risiko einer Harnretention). 7. Langzeit-Therapie (d.h. > 1 Monat) mit langwirksamen Benzodiazepinen, z.b. Chlordiazepoxid, Fluazepam, Nitrazepam, Chlorazepat, und Benzodiazepinen mit langwirksamen Metaboliten, z.b. Diazepam (Risiko von verlängerter Sedation, Verwirrtheit, Gleichgewichtsstörungen, Stürzen). 8. Langzeit-Therapie (d.h. > 1 Monat) mit Neuroleptika als Schlafmittel (Risiko von Verwirrtheit, Hypotonie, extrapyramidalen Nebenwirkungen, Stürzen). 9. Langzeitbehandlung mit Neuroleptika (> 1 Monat) bei Parkinson-Patienten (Verschlimmerung der extrapyramidalen Symptome wahrscheinlich). 10. Phenothiazine bei Epilepsie-Patienten (kann Krampfschwelle herabsetzen). 11. Anticholinergica zur Behandlung von extrapyramidalen Nebenwirkungen von Neuroleptika (Risiko einer anticholinergen Toxizität). 12. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) bei Anamnese einer klinisch signifikanten Hyponatriämie (nichtiatrogene Hyponatriämie < 130 mmol/l während der vorangehenden 2 Monate). 13. Längerer Einsatz (> 1 Woche) von Erst-Generation-Antihistaminika, z.b. Diphenhydramin, Chlorphenamin, Cyclizin, Promethazin (Risiko von Sedation und anticholinergen Nebenwirkungen). C. Gastrointestinales System 1. Diphenoxylat, Loperamid oder Codeinphosphat zur Behandlung von Diarrhoe unklarer Ursache (Risiko verzögerter Diagnose, kann Obstipation exazerbieren bei paradoxen Durchfällen, kann toxisches Megakolon bei entzündlichen Darmerkrankungen auslösen, kann Erholung bei unerkannter Gastroenteritis verzögern). 3 Gallagher P, Ryan C, Byrne S, Kennedy J, O'Mahony D. STOPP (Screening Tool of Older Person's Prescriptions) and START (Screening Tool to Alert doctors to Right Treatment). Consensus validation. International Journal of Clinical Pharmacology and Therapeutics 2008;46: Übersetzung: Adrian Göldlin. Wegleitung Medikation Klinik Obach 2014 Seite 4
5 2. Diphenoxylat, Loperamid oder Codeinphosphat zur Behandlung von schwerer infektiöser Gastroenteritis, z.b. mit blutiger Diarrhoe, hohem Fieber oder schwerwiegender systemischer Toxizität (Risiko der Exazerbation oder Verlängerung der Infektion). 3. Prochlorperazin (Stemetil ) oder Metoclopramid bei Parkinson-Syndrom (Risiko der Exazerbation des Parkinson- Syndroms). 4. PPI (Protonenpumpenblocker) für Ulcuskrankheit in voller therapeutischer Dosis für länger als 8 Wochen (Dosisreduktion oder früheres Behandlungsende indiziert). 5. Anticholinerge Antispasmolytica bei chronischer Obstipation (Risiko, die Verstopfung zu exazerbieren). D. Respiratorisches System 1. Theophyllin als Monotherapie für COPD (sicherere, wirksamere Alternativen; Nebenwirkungsrisiko aufgrund enger therapeutischer Breite). 2. Systemische Corticosteroide anstelle von inhalativen Corticosteroiden zur Erhaltungstherapie bei mittel- bis schwergradiger COPD (unnötige Belastung mit Langzeit-Nebenwirkungen systemischer Corticosteroide). 3. Inhalatives Ipratropium bei Glaukom (kann zur Glaukom-Exazerbation führen). E. Muskuloskelettales System 1. Nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) bei Anamnese von peptischem Ulcus oder gastrointestinaler Blutung, ausser mit gleichzeitig verabreichtem H2-Rezeptorantagonist, PPI oder Misoprostol (Risiko eines Ulcus-Rezidivs). 2. NSAID bei mittel- bis schwergradiger arterieller Hypertonie (Risiko der Hypertonie-Exazerbation). 3. NSAID bei Herzinsuffizienz (Risiko der Verschlimmerung der Herzinsuffizienz). 4. Langzeitgebrauch von NSAID (> 3 Monate) zur Symptom-Erleichterung bei leichter Arthrose (einfache Analgetika vorzuziehen und üblicherweise gleich wirksam). 5. Vitamin K-Antagonisten (orale Antikoagulantien) zusammen mit NSAID (Risiko gastrointestinaler Blutung). 6. NSAID bei chronischer Niereninsuffizienz (errechnete GFR < 50 ml/min) (Risiko der Verschlechterung der Nierenfunktion). 7. Langzeit-Corticosteroide (> 3 Monate) als Monotherapie einer rheumatoiden Arthritis oder Arthrose (Risiko bedeutender systemischer Corticosteroid-Nebenwirkungen). 8. Langzeit-NSAID oder Colchicin zur Dauerbehandlung einer Gicht, wenn keine Kontraindikation gegen Allopurinol besteht (Allopurinol Gichtprophylaktikum erster Wahl). F. Urogenitalsystem 1. Antimuskarinische Blasenmedikamente bei Demenz (Risiko vermehrter Verwirrtheit, Agitation). 2. Antimuskarinische Medikamente bei chronischem Glaukom (Risiko der akuten Glaukom-Exazerbation). 3. Antimuskarinische Medikamente bei chronischer Obstipation (Risiko der Verschlimmerung der Obstipation). 4. Antimuskarinische Medikamente bei chronischem Prostatismus (Risiko der Harnretention). 5. Alpha-Blocker bei Männern mit häufiger Inkontinenz, d.h. täglich eine oder mehrere Inkontinenz-Episoden (Risiko erhöhter Miktionsfrequenz und der Verschlechterung der Inkontinenz). 6. Alpha-Blocker bei Dauerkatheter-Trägern, d.h. mehr als 2 Monate (Medikament nicht indiziert). G. Endokrines System 1. Glibenclamid oder Chlorpropamid bei Diabetes mellitus Typ 2 (Risiko prolongierter Hypoglykämien). 2. Betablocker bei Diabetes mellitus und häufigen Hypoglykämien, d.h. 1 Episode monatlich (Risiko, die Hypoglykämie- Symptome zu maskieren). 3. Oestrogene bei anamnestischem Brustkrebs oder venöser Thromboembolie (Rezidiv-Risiko). 4. Oestrogene ohne Progesteron bei Patientinnen mit intaktem Uterus (Risiko eines Endometrium-Karzinoms). H. Medikamente, welche die Sturzgefahr erhöhen 1. Benzodiazepine (sedierend, können Sensorium reduzieren, Gleichgewicht stören). 2. Neuroleptika (können Gang-Dyspraxie verursachen, Parkinson-Syndrom). 3. Erst-Generation-Antihistaminika (sedierend, können Sensorium reduzieren). 4. Vasodilatatoren bei persistierender orthostatischer Hypotonie, d.h. wiederholt >20 mmhg systolischer Blutdruckabfall (Risiko von Synkope, Stürzen). 5. Langzeit-Opiate bei Patienten mit wiederholten Stürzen (Risiko von Benommenheit, orthostatischer Hypotonie, Schwindel). I. Analgetika 1. Langzeit-Einsatz starker Opiate, z.b. Morphin oder Fentanyl als Erstlinientherapie für leichte bis mittelstarke Schmerzen (WHO Stufenschema der Schmerztherapie nicht beachtet). 2. Regelmässige Opiate für länger als 2 Wochen bei chronisch Obstipierten ohne gleichzeitigen Einsatz von Abführmitteln (Risiko schwerer Obstipation). 3. Langzeit-Opiate bei Demenz, ausser wenn für Palliativtherapie oder Management mittel- bis schwergradiger chronischer Schmerz-Syndrome indiziert (Risiko der Exazerbation kognitiver Einschränkung). J. Doppelverschreibungen aus der gleichen Medikamentenklasse 1. Jede Doppelverschreibung aus der gleichen Medikamentenklasse, z.b. zwei gleichzeitige Opiate, NSAIDs, SSRIs, Schleifendiuretika, ACE-Hemmer (Optimierung der Monotherapie innerhalb einer einzelnen Medikamentenklasse sollte beachtet werden, bevor neue Medikamentenklasse erwogen wird). Wegleitung Medikation Klinik Obach 2014 Seite 5
6 START-Liste Screening Tool to Alert doctors to Right, i.e. appropriate, indicated Treatments 4. Diese Medikationen sollten bei 65-jährigen ohne Kontraindikationen in den folgenden Situationen erwogen werden. A. Kardiovaskuläres System 1. Antikoagulation bei chronischem Vorhofflimmern. 2. Acetylsalicylsäure bei chronischem Vorhofflimmern, wenn Antikoagulation kontraindiziert, Acetylsalicylsäure jedoch erlaubt ist. 3. Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel mit einer dokumentierten Anamnese von Athero-Sklerose, koronarer, zerebralen oder peripherer arterieller Gefässkrankheit bei Patienten mit Sinusrhythmus. 4. Antihypertensive Therapie bei systolischem Blutdruck >160 mmhg während längerer Zeit. 5. Statintherapie bei dokumentierter Anamnese von koronarer, zerebraler oder peripherer arterieller Gefässkrankheit, wenn der funktionelle Status für Aktivitäten des täglichen Lebens unabhängig und die Lebenserwartung über fünf Jahre ist. 6. ACE-Hemmer bei chronischer Herzinsuffizienz. 7. ACE-Hemmer nach akutem Herzinfarkt. 8. Betablocker bei chronischer, stabiler Angina Pectoris. B. Respiratorisches System 1. Regelmässige Inhalation eines Beta 2-Agonisten oder einer anticholinergischen Substanz für leichtes bis mittelgradiges Asthma oder COPD. 2. Regelmässige Inhalation eines Corticosteroids für mittel- bis schwergradiges Asthma oder COPD, wenn vorausgesagtes FEV1 < 50 % beträgt. 3. Kontinuierlicher Heimsauerstoff bei chronischer respiratorischer Insuffizienz, wenn die Kriterien der Blutgasanalyse erfüllt sind (siehe Schweizer Gesellschaft für Pneumologie, für Fachpersonen, Richtlinien für Sauerstoffheimtherapie). C. Zentrales Nervensystem 1. L-DOPA bei idiopathischer Parkinson-Krankheit mit irreversiblen funktionellen Einschränkungen und daraus resultierender Behinderung. 2. Antidepressivum bei mässiggradigen/schweren depressiven Symptomen seit mehr als 3 Monaten. D. Gastrointestinales System 1. Protonenpumpenblocker bei schwergradiger gastro-oesophagealer Refluxkrankheit oder dilatationsbedürftiger peptischer Striktur. 2. Faser-Supplement (Quellmittel) für chronische, symptomatische Divertikulose mit Obstipation. E. Muskuloskelettales System 1. Krankheits-modifizierendes Antirheumatikum bei aktiver mässig- bis schwergradiger rheumatischer Erkrankung mit > 12 Wochen Krankheitsdauer. 2. Bisphosphonate bei Patienten mit Langzeit-Corticosteroidtherapie. 3. Calcium- und Vitamin D-Supplement bei Patienten mit bekannter Osteoporose (anamnestisch Fraktur ohne adäquates Trauma, akquirierte Wirbelsäulenkyphose). F. Endokrines System 1. Metformin bei Typ 2-Diabetes ± metabolisches Syndrom (wenn keine Niereninsuffizienz besteht). 2. ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorantagonist bei Diabetes mit Nephropathie, d.h. im Urinstatus feststellbare Proteinurie oder Mikroalbuminurie (>30 mg/24 h) oder biochemisch im Serum feststellbarer Niereninsuffizienz (errechnete GFR < 50 ml/min). 3. Thrombozytenaggregationshemmer bei Diabetes mellitus mit gleichzeitigen kardiovaskulären Haupt-Risikofaktoren (art. Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikontinkonsum). 4. Statinbehandlung bei Diabetes mellitus mit gleichzeitig bestehenden kardiovaskulären Haupt-Risikofaktoren. 4 Gallagher P, Ryan C, Byrne S, Kennedy J, O'Mahony D. STOPP (Screening Tool of Older Person's Prescriptions) and START (Screening Tool to Alert doctors to Right Treatment). Consensus validation. International Journal of Clinical Pharmacology and Therapeutics 2008;46: Übersetzung: Adrian Göldlin. Wegleitung Medikation Klinik Obach 2014 Seite 6
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