Heft Abnahme von Wandmalerei Elfenbein Textilforschung Sammlungsumzug Ethnologische Objekte. Beiträge. zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut

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1 Heft Abnahme von Wandmalerei Elfenbein Textilforschung Sammlungsumzug Ethnologische Objekte zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut

2 VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut Heft

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4 VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut Heft

5 VDR Heft Impressum Herausgeber: 2019 Verband der Restauratoren (VDR) e.v. Präsident: Prof. Dr. Jan Raue Haus der Kultur Weberstraße 61 D Bonn Telefon: + 49 (0) Telefax: + 49 (0) info@restauratoren.de Internet: Vertrieb, Projektbetreuung, Gestaltung, Layout, Lektorat: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG Stettiner Str. 25 D Petersberg Deutschland Telefon: + 49 (0) Telefax: + 49 (0) info@imhof-verlag.de Internet: Druck: mediaprint solutions GmbH, Paderborn ISBN ISSN Für namentlich gekennzeichnete sind die Verfasser verantwortlich. Die geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber und der Redaktion wieder. Für die Rechte und den Bildnachweis des jeweiligen Beitrages zeichnet der Autor. Die Redaktion bedankt sich herzlich bei den Autor(inn)en für die Einreichung der Manuskripte. Alle Rechte beim Herausgeber. Nachdruck, fotomechanische Vervielfältigung sowie alle sonstigen, auch auszugsweisen Wiedergaben nur mit vorheriger Genehmigung des VDR. Abbildungen auf den Umschlagseiten: Vorderseite: Wandbild Der Weg der Roten Fahne, Gerhard Bondzin (1969), Kulturpalast Dresden, Detail, 2016 (s. Beitrag Danzl) Rückseite: Verfärbung durch aufgeklebtes Papieretikett, Putto auf einem Totenkopf sitzend (Detail), Mitte 17. Jahrhundert, Inv. St. P 0142, Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt a. M. (s. Beitrag Jehle) Redaktion: Dr. Ute Stehr, Berlin (kommissarische Redaktionsleitung) Klaus Martius, Nürnberg Ute Meyer-Buhr, Nürnberg Prof. Hans Michaelsen, Berlin Prof. Ivo Mohrmann, Dresden Esther Rapoport, Basel Prof. Dr. Anna Schönemann, Berlin Beirat: Karoline Beltinger, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK), Zürich, Schweizerischer Verband für Konservierung und Restaurierung (SKR) Prof. Dr. Andreas Burmester, ehemals Doerner Institut, München Almuth Corbach, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel Prof. Dr. Gerhard Eggert, Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart Prof. Dr. Michael von der Goltz, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), Hildesheim/Holzminden/Göttingen Prof. Dr. Ivo Hammer, ehemals Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), Hildesheim/Holzminden/Göttingen Prof. Mag. Art. Gerda Kaltenbruner, Akademie der bildenden Künste, Wien, Österreichischer Restauratorenverband (ÖRV) Prof. Martin Koerber, Deutsche Kinemathek, Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Berlin Hans-Werner Pape, ehemals Staatliche Museen zu Berlin Dr. Albrecht Pohlmann, Zentrale Restaurierung der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt in der Moritzburg, Halle Publikationsbeauftragte der Fachgruppen: Archäologische Ausgrabung: N. N. Archäologische Objekte: Tatjana Held Ethnografische Objekte - Volks- und Völkerkunde: Sandra Gottsmann Fotografie/Film/Audiovisuelles Kulturgut: Kerstin Jahn Gemälde: Nicolin Zornikau Glasmalerei: N. N. Grafik, Archiv- und Bibliotheksgut: Jana Moczarski Industrielles Kulturgut/Kulturgut der Moderne: Ina Wohlfahrt-Sauermann Kunsthandwerkliche Objekte: Annika Dix Leder und artverwandte Materialien: Katharina Mackert Metall: Prof. Jörg Freitag Möbel und Holzobjekte: Christian Huber Moderne und Zeitgenössische Kunst: Artemis Rüstau Musikinstrumente: Meike Wolters-Rosbach Polychrome Bildwerke: Cornelia Saffarian Präventive Konservierung: Cord Brune Steinkonservierung: Wanja Wedekind Textil: Sabine Martius Theorie und Geschichte der Restaurierung: Lena Bühl Wandmalerei und Architekturoberflächen: Sven Taubert

6 Heft VDR Seite 6 Geleitwor t Seite 7 Editor ial Seite 8 Beitr äge 8 Thomas Danzl Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien 17 Christine Kelm Grußwort des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen anlässlich des Fachgesprächs Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien 21 Torsten Nimoth Die Abnahme von Wandgemälden in Sachsen. Beispiele aus Geschichte und Gegenwart 35 Rudolf Hiller von Gaertringen, Albrecht Körber Großformatige Wandmalereiabnahmen aus dem ehemaligen Dominikanerkloster St. Pauli in Leipzig. Erhaltung, Restaurierung und Aufstellung im Neubau der Universität Leipzig 47 Ivo Hammer La stagione degli stacchi, oder: die Geister, die wir riefen. Zur Zweitübertragung des Totentanzes von Metnitz 62 Hiltrud Jehle Das beste kommt aus Zeylon und muß recht schön glatt und weiß seyn. Eine Literatur- und Objektstudie zu Farbveränderungen an Elfenbein 77 Elisabeth Delvai, Tanja Kimmel, Gabriela Krist, Bernhard Pichler Mittelalterliche Gewebefragmente aus dem Universalmuseum Joanneum in Graz. Technologische Analyse und Konservierung 86 Katharina Sossou Aus dem Leben der Albe des Museum Schnütgen in Köln. Objektgeschichte und Präsentation 95 Anna Katharina Behrend Spurensuche am Objekt. Umgearbeitete Kleidung im Blick kulturwissenschaftlicher Kleidungsforschung 104 Diana Gabler, Helene Tello Das Wissen der Anderen. Über die Zusammenarbeit mit Indigenen in der Konservierung und Restaurierung 116 Matthias Farke, Belinda Blum, Melanie Münchau, Johanna Kapp, Susanne Litty Nach 75 Jahren zurück in die Mitte Berlins. Über die Einrichtung einer Restaurierungsstraße im Ethnologischen Museum Berlin

7 Geleit Geleitwort Liebe Leserin, lieber Leser, die Ihnen vorliegende Ausgabe Heft 2/2019 der VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut ist eine besondere. Es ist die erste Ausgabe seit neun Jahren, die nicht in der Chefredaktion von Dr. Cornelia Weyer konzipiert, betreut und verantwortet worden ist. Fast eine ganze Generation von Restauratorinnen und Restauratoren kennt keine andere Leiterin der Redaktion als Cornelia Weyer, die das Gesicht der Fachzeitschrift des VDR ganz maßgeblich mitprägte. Aus gegebenem Anlass sei daran erinnert, dass die Zeitschrift aus der Schriftenreihe zur Erhaltung von Kunstwerken (hrsg. von 1982 bis 2001 in Berlin/Ost unter der Leitung von Prof. Ingo Timm) hervorging, die, nach dem Zusammenschluss der deutschen Restauratorenverbände 2001 zum VDR, dessen fachliches Publikationsmedium wurde. Wenn auch im geänderten Format (wer von den Älteren erinnert sich nicht an die famosen und begehrten quadratischen Hefte!), knüpften die ab 2003 herausgegebenen VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut im inhaltlichen und ethischen Anspruch an die Vorgängerreihe an. Die Spiegelung der fachlichen Struktur, der Breite und Vielfalt des vereinigten neuen Restauratorenverbandes gehört seitdem zum inhaltlichen Programm der Zeitschrift. Cornelia Weyer arbeitete bereits seit dem Heft 1/2004 in der Redaktion unter der Leitung von Prof. Ingo Timm mit. Das erste Heft unter ihrer Redaktionsleitung war die Ausgabe Heft 2/2010; somit sind unter ihrer Ägide 18 Hefte entstanden. Für die VDR war Cornelia Weyer nicht nur redaktionell, sondern auch als Autorin und Rezensentin tätig, wie sich in den Inhaltsverzeichnissen der VDR ab 2003 auf der VDR-Website recherchieren lässt. Ihre redaktionelle Erfahrung brachte sie in zwei weitere Publikationen des VDR ein: 2006 erschienen in der damaligen Schriftenreihe des VDR der Band Die Kunst der Gemäldekopie (Redaktionsbeteiligung) sowie der Tagungsband Oberflächenreinigung Material und Methoden. Surface Cleaning Material and Methods (Redaktionsleitung und Herausgabe). Cornelia Weyers Qualitätsanspruch ist legendär. Sie hat diesen kompromisslos verfolgt und in einer im heutigen Publikationswesen selten gewordenen unerschütterlichen Beharrlichkeit durchgesetzt. Damit hat sie immer in Verbindung mit der wie sie selbst ehrenamtlich arbeitenden Redaktion ein Produkt hochgehalten, das seit Jahr und Tag viel zur Identität des VDR beiträgt. Ja, das konnte das eine oder andere Mal auch anstrengend sein, das habe auch ich als Vertreter des Präsidiums auf der Herausgeberseite erfahren. Aber die Anstrengung war immer am Ziel orientiert, den fachlichen Austausch der VDR-Mitglieder untereinander bestmöglich zu befördern und Restauratorinnen und Restauratoren, auch außerhalb des Verbands, die Möglichkeit zu bieten, ihre fachlichen Leistungen entsprechend dem wissenschaftlichen Berufsprofil, aber auch in gelebter Praxisnähe zu publizieren. Im ersten Halbjahr 2019 kam es nun nach all den Jahren zu einem Wechsel in der Redaktionsleitung. Für die enorme und höchst qualitätvolle redaktionelle Leistung danke ich Cornelia Weyer persönlich sowie im Namen des Präsidiums und des Vorstands des VDR. Wir wünschen ihr eine gute Zeit, mit Muße für alle Arten von Kunst unter südlichem Licht, dazu privates Glück und Gesundheit! Der neuen und alten Redaktion unter der kommissarischen Leitung von Dr. Ute Stehr wünsche ich einen guten Start, Freude und Erfolg. Ich freue mich sehr, dass ein nahtloser Übergang gelungen ist, wie das vorliegende Heft ohne Frage beweist. Vielen Dank allen für das Schultern dieser anspruchsvollen ehrenamtlichen Aufgabe, die weiterer Unterstützung bedarf! Ihnen wünsche ich nun viel Freude bei der Lektüre des neuen Hefts. Herzlichst, Ihr Jan Raue für das Präsidium des VDR 6 VDR

8 Editorial Editorial Bücher zu lesen, in denen Fachfragen theoretisch erörtert werden, ist eine gute Möglichkeit, kritische Distanz zu fördern. Kritische Distanz aber benötigt der Restaurator dem Objekt gegenüber in gleicher Weise wie Einfühlungsvermögen und handwerkliches Geschick. Cornelia Weyer, Die restauratorische Bibliothek im Jahr 1828, Zeitschrift für Kunsttechnologie und Restaurierung, Heft 2/1988, S. 336 Als Redaktionsleiterin der Fachzeitschrift des VDR hat Dr. Cornelia Weyer zweifellos kritische Distanz im Restauratorenberuf befördert und zugleich die restauratorische Bibliothek der Gegenwart erfolgreich verbreitert: Alle dreißig der in den zurückliegenden sechzehn Jahren erschienenen Ausgaben der zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut hat sie maßgeblich mitgestaltet. Die zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut bestehen in ihrer erneuerten Version als Fachzeitschrift des VDR seit dem Jahr Die Kunsthistorikerin und Restauratorin Dr. Cornelia Weyer war seit den ersten konzeptionellen Überlegungen Mitglied der ehrenamtlichen Redaktion und hat ab Herbst 2010 die Redaktionsleitung aus den Händen von Prof. Ingo Timm übernommen. Manche Veränderungen in der Redaktionsarbeit haben sich in dieser Zeit ergeben, die Umgestaltung der gedruckten Zeitschrift in die jetzige digitale Version war darunter die einschneidendste. Die erforderlichen Anpassungen in den Redaktionsabläufen führten gerade in jüngster Zeit zu einem erhöhten Kommunikationsbedarf zwischen Präsidium, Verlag und Redaktion, der u.a. durch die Verlegung des Wohnortes von Cornelia Weyer ins Ausland nicht mehr in dem früheren Ausmaß zu leisten war. Dass sie im April 2019 ihre Tätigkeit für die VDR beendet hat, bedauern wir, die verbliebenen Redaktionsmitglieder, sehr und danken ihr an dieser Stelle für die langjährige vertrauensvolle ehrenamtliche Zusammenarbeit mit uns. Unter erneut veränderten Arbeitsbedingungen und mit professioneller Unterstützung durch Dr. Christiane Schillig ist es der einerseits reduzierten, andererseits durch Esther Rapoport gestärkten Redaktion gelungen, eine neue Ausgabe vorzubereiten. Die Texte resultieren überwiegend aus Referaten auf Fachgruppentagungen des VDR. Das Kolloquiumsthema Abnahme und Übertragung von Wandmalereien (Dresden 2018) erörtern sechs Autoren in dieser Ausgabe. Inhalte der Tagung Objekte mit Geschichte Umgang mit Änderungen, Reparaturen und Restaurierungen an historischen Textilien (Nürnberg 2018) vermitteln uns drei aus der Textilforschung und kulturwissenschaftlichen Kleidungsforschung. Farbveränderungen von Elfenbein an herausragenden Kunstwerken der europäischen Kultur stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen von Hiltrud Jehle. Bemerkenswert, und im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Debatte des Umgangs mit Kunstwerken aus kolonialem Kontext stehend, ist der restaurierungsethische Beitrag von Diana Gabler und Helene Tello, der zu neuen Sichtweisen anregt. Gleiche Aktualität hat der Textbeitrag eines Autorenteams über das Großprojekt der Vorbereitung des Umzugs ganzer Sammlungen in das Humboldt Forum in Berlin. Die Redaktion der VDR August VDR 7

9 Wandmalereiabnahme aktuell Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien Thomas Danzl Die Abnahme und Übertragung von Wandmalereien wurden lange Zeit als probates Mittel ihrer Erhaltung angesehen. Erst seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts traten zunehmend Strategien nachhaltiger Erhaltung in situ an die Stelle dieser zunehmend tabuisierten Praxis. Mit den gesellschaftspolitischen Umbrüchen nach der friedlichen Revolution gewann diese zunächst im Osten, dann aber auch im Westen Deutschlands als Ultima Ratio beim Erhalt vor allem monumentaler Wandgestaltungen der Nachkriegszeit wieder an trauriger Bedeutung. Im Beitrag werden Zusammenhänge, Hintergründe und Strategien des Umgangs aus Sicht eines Akteurs in angewandter Forschung und Lehre dargestellt. On the current situation of removal and transfer of mural paintings The removal and transfer of murals has long been considered a tried and tested method of conservation. Only since the seventies of the twentieth century, strategies of sustainable conservation in situ have increasingly replaced this more and more as a taboo considered practice. With the sociopolitical changes after the peaceful revolution, it gained new importance in the East, but also in West Germany as an ultima ratio for preserving particularly monumental wall decorations of the post-war period. The article illustrates the relationships, the background and the strategies of interaction from the point of view of an academic protagonist An der Hochschule für Bildende Künste Dresden fand am ein Fachgespräch zum Thema Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien statt. Anstelle einer Einleitung des Textbeitrages wird in diesem Fall die Eröffnungsansprache des Autors für die Veranstaltung vorangestellt: Sehr verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, in meiner Doppelfunktion als Dekan und Mitorganisator des heutigen Fachgespräches darf ich Sie im Namen der Leitung der Hochschule für Bildende Künste Dresden sehr herzlich begrüßen. Besonders bedanken möchte ich mich bei den Kolleginnen Frau Dipl. Rest. Christine Kelm, Leiterin des Referates Restaurierung am Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, sowie Frau Dipl. Rest. Birgit Mühler, Verband der Restauratoren, Fachgruppensprecherin Sachsen, für die fachliche Unterstützung bei der Vorbereitung. Das heutige Fachgespräch soll in bester akademischer Tradition dem Austausch zwischen Lehre und Forschung der Hochschulausbildung für Restauratoren und der Theorie und Praxis der Denkmalpflege und der darin freiberuflich tätigen RestauratorInnen dienen und diesen fördern. Ein wichtiges Bindeglied stellen dabei ohne Zweifel die Konservierungswissenschaften dar, die in unserem Haus durch das Archäometrische Labor unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Herm und in der praktischen Denkmalpflege durch das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. vertreten werden. Aber was wären wir Hochschulvertreter ohne die Unterstützung der freiberuflich tätigen KollegInnen, die uns stets mit aktuellen Problemstellungen aus ihrer beruflichen Praxis konfrontieren, um Rat und Unterstützung anfragen, aber auch diese Herausforderungen gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden in Studien- und Forschungsarbeiten lösen. Es ist sicher eine Winwin-Situation für alle vier genannten Partner, sich den drängenden Fragen aus den verschiedenen eingeschriebenen Aufgabenbereichen und - somit nicht immer identischen - Blickwinkeln zu nähern, Kompromissfähigkeit zu zeigen und im Sinne des uns anvertrauten Denkmals die aktuell verträglichsten Lösungen zu erarbeiten. Ich darf an dieser Stelle allen genannten Partnern für die in den letzten beiden - für unsere Disziplin sehr bewegten - Jahrzehnten gelebte Interdisziplinarität auch mein persönliches herzliches Dankeschön aussprechen. Aus gegebenem Anlass meines bevorstehenden Abschiedes aus den anachronistischer Weise leider immer noch im Sprachgebrauch so bezeichneten Neuen Bundesländern, in denen ich nunmehr genau zwanzig Jahre wirken durfte, in meine Heimat Bayern und an die Technische Universität München (TUM), bin ich glücklich, mit Ihnen Allen noch einmal ein in meiner fast zehnjährigen Tätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste Dresden mir immer besonders am Herzen liegendes Thema zu diskutieren. Institutionen und Betriebe leben ja bekanntlich in erster Linie von den darin arbeitenden Individuen, von deren Sach- und Fachverstand und nicht zuletzt von deren Engagement. Das Thema der Abnahme und Übertragung von Wandmalerei begleitete Torsten Nimoth und mich seit Wie Sie vermutlich bereits bemerkt haben, ist er heute nicht zugegen: Torsten Nimoth, engagierter Freund und glühender Mitstreiter, ist heute leider krankheitsbedingt daran gehindert, hier seinen sicher kenntnisreich vorbereiteten Beitrag zu leisten. Wir vermissen ihn und seine Diskussionsbeiträge sehr und wünschen ihm 8 VDR

10 Wandmalereiabnahme aktuell 1 HfBK Dresden, Kustodie, Drei Fragmente einer im Strappo-Verfahren abgenommenen Wandmalerei auf textilem Träger, Fragment C, HfBK Dresden, Kustodie, Drei Fragmente einer im Strappo-Verfahren abgenommenen Wandmalerei auf textilem Träger, Fragment C, Rückseite, VDR 9

11 Wandmalereiabnahme aktuell von dieser Stelle eine baldige Genesung! Ich kann jedoch trotz dieses äußerst bedauerlichen Umstandes die Gelegenheit nutzen, auf die neueste Ausgabe der Denkmalpflege, Sonderthemenheft Restaurierung zu verweisen, wo u. a. Torsten Nimoth zum Thema des heutigen Fachgespräches passend eine restauratorische Einschätzung der aktuellen Abnahmepraxis in Sachsen aus Sicht der Denkmalpflege gibt. 1 Diese Ausgabe der Denkmalpflege ist aber darüber hinaus ganz sicher eine lohnende Lektüre, da dort von Seiten der AmtsrestauratorInnen Einblicke in die aktuellen Fragestellungen des Berufsschutzes, der Qualitätssicherung, aber vor allem eine Vorstellung der aktuellen Herausforderungen in Bezug auf das bauliche Erbe des 20. Jahrhunderts geboten wird. Wie bereits erwähnt, verbindet Torsten Nimoth und mich die Problemstellung der Abnahme und Übertragung von architekturgebundener Kunst seit 2009 in besonderem Maße (Abb. 1, 2). Zusammen mit der Fachgruppe Wandmalerei und Architekturoberflächen im VDR organisierte er 2009 eine Sachsen-Exkursion u. a. nach Leipzig, um anhand von Fallbeispielen zum an sich sattsam bekannten, aber dennoch für Deutschland und Sachsen nur unzureichend erforschten Thema der klassischen Wandmalereiabnahme vor allem auf die zum damaligen Zeitpunkt geradezu dramatische Zuspitzung in Bezug auf den Erhalt von Kunst am Bau der Nachkriegszeit hinzuweisen erschien denn auch in der Fachzeitschrift des VDR 2 sein erster geschichtlicher Überblick zur sächsischen Situation, der nun 2018 mit dem bereits erwähnten Beitrag in der Denkmalpflege eine Fortsetzung findet. Das Thema der Erhaltung von Kunst am Bau der DDR zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch unsere Kooperation, die sich im Laufe der Jahre um weitere MitstreiterInnen erweitern ließ. Neben den regelmäßig verfolgten praktischen Arbeiten der Studierenden an historischen und aktuellen Abnahmen im Atelier, wurden in zahlreichen Seminar- und Diplomarbeiten konservatorisch-restauratorische Einzelaspekte von Altabnahmen, ihre meist durch ungeeignete Lagerung entstandenen Folgeschäden, die damit oft verbundene Herausforderung einer Rückübertragung auf einen neuen Träger, wie schließlich die Aufgabe einer angemessenen ästhetischen Präsentation diskutiert und vertieft (Abb. 3). Den ehemaligen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Fachklasse Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit 3 an der HfBK Dresden Silvia Lenzner, Hagen Meschke und Anne Hierholzer, der ehemaligen Studierenden Kristin Hiemann und dem Restaurator Eric Stenzel sind wir hierbei zu großem Dank verpflichtet, wie ebenso Antje Kirsch, Projektleiterin Genossenschaft Kunst am Bau Verein Freie Akademie Kunst + Bau e.v., Dresden und Dr. Bernhard Sterra, Abteilung Denkmalschutz am Amt für Kultur und Denkmalschutz der Stadt Dresden, sowie den vielen und immer noch stetig wachsenden Unterstützern bei den freiberuflich tätigen RestauratorInnen. Ich darf betonen, dass es uns in vielen Fällen nicht nur um unter Denkmalschutz stehende Bauten und Kunstwerke ging. Vielmehr trieb uns eine generelle professionelle Neugier und ein besonderes Interesse an den konservatorischen wie materialtechnischen Fragen und Problemstellungen um. Torsten Nimoth und mich, als ehemals ebenfalls in der institutionellen Denkmalpflege tätigen Restaurator, verband und verbindet eine durchaus subversive Haltung zu diesem Thema, die mit den Begriffen Denkmalpflege von unten oder Denkmalpflege ohne Denkmalpfleger nur unzulänglich und besser wohl mit Überzeugungstäter beschrieben werden kann. Mehr als einmal galt unser Bemühen wie im Fall des im ehemaligen Informatikum der Technischen Universität Dresden, gleich hier nebenan, 1959 entstandenen Wandbildes Mensch und Wissenschaft des ehemaligen Leiters der Fachklasse für Wandmalerei an der HfBK Dresden Prof. Alfred Hesse (Abb. 4) zu retten, was zu retten ist (Abb. 5 9). 4 Ich bin weiterhin sehr froh, dass wir zu diesem Fachgespräch Prof. Ivo Mohrmann und Prof. Dr. Ivo Hammer als Moderatoren und Vortragenden gewinnen konnten, und dass wir zudem den momentan als Vertretungsprofessor an der HAWK Hildesheim wirkenden Ehrendoktor unserer Hochschule Dr. Jürgen Pursche in unseren Reihen begrüßen können. Es ist uns eine Ehre, auf ihre jahrzehntelangen Erfah- 3 HfBK Dresden, Kustodie, Drei Fragmente einer im Strappo- Verfahren abgenommenen Wandmalerei auf textilem Träger, Fragment C, Malschichtsicherung, VDR

12 Wandmalereiabnahme aktuell 4 Ehemaliges Informatikinstitut der TU Dresden, Wandbild Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), Gesamtaufnahme vor Abnahme 2009, Beschriftung im Rahmen von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen des Gebäudes 5 Ehemaliges Informatikinstitut der TU Dresden, Wandbild Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), während der Stacco-Abnahme Ehemaliges Informatikinstitut der TU Dresden, Wandbild Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), während der Stacco-Abnahme 2009 rungen und ihre fachliche Expertise zum Thema in der hoffentlich lebhaften Diskussion zurückgreifen und aufbauen zu können. Gleichzeitig darf ich die Bitte an die Moderatoren richten, der Diskussion im Plenum entsprechend Raum einzuräumen. Dank auch an alle heute Vortragenden, die sich spontan wie etwa Albrecht Körber bereit erklärt haben, in die entstandene Lücke zu springen und diese mit einem eigenen Beitrag zu füllen. Wie problembehaftet das Thema Wandmalereiabnahme in diplomatischer, rechtlicher und organisatorischer Hinsicht ist, möge die leider kurzfristig erfolgte Absage von Martin Lehman belegen, der aus den genannten Gründen es handelt sich um ein laufendes und bis dato nicht abgeschlossenes Projekt seinen Beitrag leider zurückziehen musste. Das ist nachvollziehbar, dennoch bedauerlich, da es mit einer der Gründe für dieses Kolloquium war, eine Plattform für einen Erfahrungsaustausch ohne Filter in einem kleinen handverlesenen KollegInnenkreis zu schaffen. Ich würde mir dennoch wünschen, dass diese Diskussion, wie unser geschätzter Kollege Prof. Dr. Ulrich Schießl zu sagen pflegte, sine ira et studio (lat. ohne Zorn und Eifer) VDR 11

13 Wandmalereiabnahme aktuell möglich wird, da wir sonst in Zukunft ohne kollegialen Rückhalt als Einzelkämpfer auf verlorenen Posten bleiben würden. Das würde den Denkmalen zum Nachteil gereichen und die KollegInnen zurückschrecken lassen, dermaßen anspruchsvolle Projekte, wie wir sie heute noch kennenlernen werden, überhaupt in Angriff zu nehmen. Last but not least gilt mein Dank der Hochschulleitung, unserem Rektor Matthias Flügge, unserem Kanzler Jochen Beissert für die Bereitstellung der Räumlichkeiten, aber vor allem meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Carola Möwald, die mit ihrem Enthusiasmus für die Anliegen der Fachklasse Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit die aufwändige Planung, inhaltliche und organisatorische Vorbereitung trotz mancher Fährnisse, von denen schon die Rede war, mit stoischer Ruhe durchgezogen hat. 7 Transport des abgenommenen Wandbilds Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), in die HfBK Dresden Lagerung des abgenommenen Wandbilds Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), Lagerung des abgenommenen Wandbilds Mensch und Wissenschaft, Alfred Hesse (1964), 2009 Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien Nur zu gut kann ich mich an die Situation kurz nach der Jahrtausendwende erinnern, als mich der Kollege Boris Frohberg bat, die Publikation seines Erfahrungsberichtes zur Abnahme der mittelalterlichen Wandmalereien in der ehemaligen durch den Tagebau in der Lausitz zerstörten Dorfkirche zu Wolkenberg und zu deren Neuaufbringung und Restaurierung in der Restauro oder Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung zu unterstützen. Sowohl von Seiten der KollegInnen in den bundesdeutschen Landesämtern, die damals in der AG Restaurierung, heute Restaurierung und Materialkunde der Vereinigung der Landesdenkmalämter (VDL) organisiert waren, wie von einigen Fachhochschulen und Hochschulen kam heftiger Protest. Dieser Beitrag sei das falsche Signal und die darin thematisierte Methode und Technik eine gerade überwundene restauratorische Praxis, weshalb diese auf keinen Fall eine Aktualisierung erfahren und somit Vorbildcharakter einnehmen dürften. Es schien, dass damals geradezu ein Tabu über diese leider nicht ganz vermeidbare Praxis verhängt wurde und die KollegInnen, die teils aus dem Sachzwang heraus nach bestem Wissen und Gewissen handelten, zu Paria gestempelt wurden. Dies obwohl doch im konkreten Fall, auch nach dem neuen Code of Ethics von ICOMOS von 2003 gerade die Ausnahme von den neuen Regeln, in diesem Falle doch die Abnahme als Ultima Ratio legitimiert wurde. 5 Es ist schließlich der Offenheit und letztlich der Weitsicht des VDR zu verdanken, sich dieser Diskussion offensiv zu stellen, sodass der Beitrag von Boris Frohberg schließlich doch noch 2004 in den VDR n zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut publiziert werden konnte. 6 Ich werde an anderer Stelle noch einmal auf seine Rezeptionsgeschichte eingehen. Aber zunächst will ich einen weiteren Versuch einer geschichtlichen Einordnung der angesprochenen Frage wagen: Mit dem Auslaufen der steuerlichen Sonderabschreibungsangebote der Bundesregierung in den Neuen Bundesländern im Jahre 1998, aber vor allem mit der Debatte um eine mögliche Abschaffung oder doch zumindest grundlegende Reform der staatlichen Denkmalpflege, losgetreten durch Dieter Hoffman-Axthelm und Antje Vollmer im Gutachten der Bündnis 90/Die Grünen im Jahre 12 VDR

14 Wandmalereiabnahme aktuell 10 Wandbild Der Weg der Roten Fahne, Gerhard Bondzin (1969), Kulturpalast Dresden, vor der Restaurierung, Messbild / IVD; Hochbauamt Dresden 11 Wandbild Der Weg der Roten Fahne, Gerhard Bondzin (1969), Kulturpalast Dresden, Detail, Kulturpalast Dresden, , hatte sich eine investorenfreundliche neoliberale Politik immer mehr durchgesetzt und heftigen Gegenwind schärfer ins Gesicht der Denkmalpfleger und Restauratoren blasen lassen. Diese Politik führte in der Folge der Debatte und der anschließenden Reform vieler Denkmalschutzgesetze in der Bundesrepublik Deutschland, mit einem gezielten Stellenabbau in den Denkmalämtern ab 2006 zu einer spürbaren Schwächung der Fachämter für Denkmalpflege, ganz besonders in Bezug auf deren Einsatz für unbequeme Denkmale oder für Denkmale der zweiten Nachkriegsmoderne, die den gesellschaftlich akzeptierten Kanon von Schönheit und geschichtlicher Bedeutung doch arg zu strapazieren schienen. Das sogenannte Investitionserleichterungsgesetz von 2006 in Sachsen-Anhalt trieb den Euphemismus und den Zynismus dabei sicher auf die Spitze. Dieser Wandel im gesetzlich veränderten Auftrag der Kulturguterhaltung führte nicht nur zu einer allgemeinen, bisweilen drastischen Revision der Denkmallisten, vielerorts wurden die Denkmallisten sogar geschlossen. Was bis dahin nicht auf den Denkmallisten stand - also vor allem die Bauten und die Kunst am Bau der Ostmoderne sowie der bundesdeutschen Nachkriegsmoderne, hatte es fortan schwer, gesetzlichen Schutz zu genießen. Zudem fiel es verständlicherweise aus biografischen Gründen den vielen Kollegen in den Ämtern, die sich schon zu DDR-Zeiten engagiert für den Denkmalschutz und die Denkmalpflege einsetzten, schwer, die Zeugnisse der jüngeren Vergangenheit, vor allem die politisch damals noch stärker aufgeladenen, unter Schutz zu stellen und aktiv zu erhalten. Monumentale Wandbilder hatten es da noch leichter als die Bauten, auf denen sie sich befanden. Das 1968 von Ger VDR 13

15 Wandmalereiabnahme aktuell 13 München-Waltrudering, Veteranensiedlung, ehemaliges Wohnhaus, 1. OG, Detail einer expressionistischen Innenraumgestaltung in Spritz- und Schablonentechnik, vor der Strappo-Abnahme (Notbergung) 1996 hard Bondzin entworfene und 1969 von einem Künstlerkollektiv der HfBK Dresden ausgeführte Wandbild Der Weg der Roten Fahne (Abb. 10 und 11) wurde bereits 2001 unter Schutz gestellt, der Dresdner Kulturpalast, den es an der Ostseite schmückt, erst 2008 (Abb. 12). Ähnliches ist auch für die ehemals wohl am dichtesten mit Kunst am Bau ausgestattete Idealstadt der DDR, die 1964 gegründete und gebaute Halle-Neustadt, zu berichten, die auf Grund dieser zögerlichen, wenig konsequenten und schließlich unmöglich gemachten Unterschutzstellung nur noch wahllos und unter großen Qualitätseinbußen in der städtebaulichen Dimension und in ihren potentiell einmal durchaus gegebenen Denkmaleigenschaften überkommen ist. Wir Restauratoren im damaligen Landesamt für Denkmalpflege (heute: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte) Carsten Böhm, Karoline Danz und ich waren geradezu gezwungen, subversiv und nur auf Bürgerengagement und auf wenige in der Bauverwaltung bzw. in den Wohnungsbaugesellschaften bauend, Wege der Erhaltung in situ oder durch eine fachliche Begleitung der Abnahmen durch Freiwillige zu suchen und schließlich zu finden. 8 Ich darf in dem Zusammenhang an die 2001 erfolgreich abgenommenen Kachelfriese Gaben der Völker und Die Erde hat genug Brot für alle 9 von Irmela und Martin Hadelich (1968) in der Kaufhalle Basar am Treff in Halle-Neustadt (schließlich im März 2017 ganz abgerissen) und an das in situ erhaltene Fahnenmonument 10 am Hansering in der Altstadt von Halle/Saale erinnern, das stark reduziert, aber dennoch heute noch erhalten ist, während andere Kunst- und Bauwerke im ersten und mittlerweile schon zweiten Bildersturm abgebaut oder zerstört wurden. Schon damals befanden wir uns als Anwälte materiell zu erhaltender Artefakte in einer Zwickmühle aus unzulänglicher Gesetzeslage, Finanzknappheit, mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz der eigenen Ziele und nicht zuletzt schlicht allein gelassen mit technischen Problemen, die nur im interdisziplinären Arbeiten aller Beteiligter auf Augenhöhe zu meistern sind. Diese Lagerbildung hat sich nicht zuletzt durch den auch im Jahre 2018 in den meisten Bundesländern noch nicht gegebenen Berufsschutz für Restauratoren Sachsen-Anhalt hat ihn schließlich 2011 durch das Beharrungsvermögen von Helma Groll, Karoline Danz und MitstreiterInnen im VDR erhalten bis heute nicht aufgelöst und stellt in Bezug auf das hier zu diskutierende Thema eine nicht zu vernachlässigende Einschränkung der Möglichkeiten dar. Aus der Perspektive der von uns zwischen 2000 und 2005 intensiv betriebenen Forschung zu Kunststoffen in der Konservierung/Restaurierung von Kunst- und Kulturgut mit den Fachhochschulen Potsdam und Hildesheim und der HfBK Dresden, allen voran mit Prof. Dr. Ulrich Schießl, Prof. Heinz Leitner und dem damals noch Studierenden Martin Lehmann, lag es für mich nahe, sich gleichzeitig mit der Kunst- bzw. Bautechnik der Nachkriegsmoderne zu beschäftigen. Fragen der Re-Restaurierung von Altrestaurierungen etwa im Falle kunststoffbehandelter Wand- und Deckenmalereien wie in der Krypta der Stiftskirche zu Quedlinburg konnten so durchaus mit der Praxis zeitgenössischer Kunstpraxis in Verbindung gebracht werden, in der die gleichen inzwischen Jahre alten Bindemittel zum Einsatz kamen und somit phänotypisch in ihrem Alterungs- und Schadensbild beschrieben werden konnten. 11 Nach 2006 führte die Einführung europäischer Richtlinien zur energetischen Instandsetzung von Gebäuden zu einem erhöhten Veränderungsdruck auch auf Denkmale im Allgemeinen und auf Bestandsbauten der Nachkriegszeit im Besonderen. Kunst am Bau wurde zum potentiellen Opfer von Wärmedämmmaßnahmen in West und Ost. Besonders eindringlich wurde mir dieser Veränderungsdruck während meiner Tätigkeit am österreichischen Bundesdenkmalamt am Beispiel der Wiener Gemeindebauten vor Augen geführt. In den meisten Fällen wurden keine bauphysikalischen Gutachten zu einem die Substanz wie die bauliche Gestalt schonenden Vorgehen erarbeitet. Sogenannte Energieberater der österreichischen Bundesländer handelten nach Schema F oder gar politisch, jedenfalls bar jeglicher wissenschaftlicher Standards: Das Einpacken bzw. Überdecken oder eine Totalabnahme und anschließendes Vorhängen der Gestaltungen wurde die Regel. In selteneren Fällen wurde eine Wärmebrücke riskiert und die Bereiche mit Gestaltungen von der Wärmedämmung ausgespart. Mineralische Innendämmungen wurden wegen des angeblich damit unweigerlich verbundenen Mietraumverlustes kategorisch abgelehnt. Wenngleich sich diese radikale Praxis heute doch durch in vielen Fällen intelligente Planungsstrategien weitgehend relativiert hat, bleibt doch eine Erfahrung der Hilflosigkeit gegenüber den gestellten Aufgaben seitens der amtlichen wie freiberuflichen RestauratorInnen als allgegenwärtiges Trauma zurück. Was ist damit gemeint? Die schieren Dimensionen der Wandgestaltungen, vor allem im Umfeld des Massenwohnungsbaues der sechziger Jahre nehmen nur in seltenen Fällen klassische Wandmalereitechniken auf. Der Schichtenaufbau besteht in der Regel aus einem Materialmix von armierten Betonelementen, 14 VDR

16 Wandmalereiabnahme aktuell 14 München-Waltrudering, Veteranensiedlung, Strappo-Abnahme der expressionistischen Innenraumgestaltung München-Waltrudering, Veteranensiedlung, Übertragung der expressionistischen Innenraumgestaltung auf Aluminium-Bienenwabenplatte 2016 organo-mineralischen Dämm- und Klebematerialien sowie aus metallischen, keramischen bzw. Kunststoffelementen. Diese machen es schwer, eine Trennschicht bei der Abnahme zu definieren, weshalb in der Regel eine Art Blockbergung im Sinne des stacco a massello sinnvoll erscheint. Wie schon bei den großen Abnahmen im 19. und 20. Jahrhundert sind diese Arbeiten aber ohne Ingenieurwissen im Team und ohne eine gemeinsame Vorplanung für die eigentliche Durchführung der Translozierung von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Dennoch muss festgehalten werden, dass derartige Planungsarbeiten zu oft noch allein dem Restaurator aufgebürdet werden, der sich dann fachlichen Beistand oft unter großen Vorbehalten und enormen rechtlichen und finanziellen Beschränkungen selbst organisiert. Die personell chronisch unterbesetzte und finanziell klamme Denkmalpflege baut zwar auf Seiten der Eigentümer, der Planer und bei den Restauratoren beträchtlichen Druck auf, kann aber nur wenig Erfahrungswissen oder Managementkompetenz beitragen und reagiert dabei mehr, als dass sie aktiv Lösungen anbietet. Um jetzt noch einmal auf das angesprochene Bashing der Bemühungen von Boris Frohberg nach der Jahrtausendwende zurückzukommen: Er hatte aus seiner Not eine Tugend gemacht und die eingetretenen Pfade einer vornehmlich an Italien orientierten Abnahme und Rückübertragungspraxis verlassen. So entschied sich Boris Frohberg für kostengünstigere, biegesteife und perforierte Aluminiumplatten, die als Träger für ein mineralisches Verbundsystem und für die zu übertragende Wandmalerei fungieren sollten. Gleichzeitig wurde mit einer Interventionsschicht für eine neuerliche, dann möglichst zerstörungsarme Abnahme vom aktuellen Träger vorgesorgt. Diese Grundidee wurde durch Parallelentwicklungen an der HfBK Dresden unter der Leitung von Prof. Heinz Leitner ab dem Jahr 2000 ohne dass meines Wissens ein direkter Kontakt bestand bestätigt und mit alternativen Lösungsmöglichkeiten ergänzt. Diese zunächst an klassischer Wandmalerei orientierten Lösungen boten die Grundlage, auf der unter veränderten Zielsetzungen und Rahmenbedingungen unter meiner Ägide 12 seit 2009 das Thema weiterverfolgt wurde (Abb. 13). Hier standen vor allem die präventive und minimalinvasive Konservierung von historischen Wandmalereiabnahmen im Fokus, dennoch wurde das Thema biegesteifer Trägermaterialien und mineralischer Verbundsysteme mit Interventionsschichten weiter ausgebaut (Abb. 14). Die Beschäftigung mit sogenannten Depotleichen sensibilisierte die Studierenden für die typischen Schadensbilder und lehrte ohne Zweifel den behutsamen Umgang mit dem Thema auch oder gerade im Falle einer angezeigten Ultima Ratio (Abb. 15). Denkmalpflege tritt gerne als ein lernendes System auf, das durchaus in den letzten Jahren seine Lernphasen in Bezug auf die Denkmalausweisung der Nachkriegsmoderne pro Jahrzehnt fünfziger, sechziger und jetzt eben der siebziger und achtziger Jahre immer mehr verkürzen konnte. Wenn man aber bedenkt, dass die Bauten der fünfziger und sechziger Jahre in West-Deutschland erst Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts nur langsam in die Diskussion und auf die denkmalpflegerische Agenda kamen, folgten dann in immer kürzeren Abständen etwa Kirchen, Verwaltungsgebäude und Kulturstätten der Nachkriegsmoderne in Ost und West, bis die Debatte an den Großsiedlungen und am Massenwohnungsbau einen Moment innehielt, aber sicher heute nicht beim Modetrend Brutalismus und Postmoderne endet. Wo bleiben da die erfahrenen RestauratorInnen, die diesen Erhaltungswillen schließlich praktisch umsetzen sollen? Die Hochschulausbildung für Restauratoren, aber auch die Materialkunde greifen diese Themen durchaus mit beachtlichen Bemühungen um Antworten auf die drängendsten Fragen auf, dennoch müssen diese in der Nische des SpezialistInnenwissens auf ihren Abruf warten, der oft nicht kommt und somit als Know-How nicht in die Baupraxis von Architekten und Ingenieuren einfließen kann. RestauratorInnen sind in der Lage, proaktiv und antizipativ zu handeln und sie sind meines Erachtens per se in der Lage, sofort umzusteuern, wenn sich ein einmal eingeschlagener Weg als Sackgasse erweist. Somit erfüllen sie die Kriterien der heute geforderten Tugenden der sogenannten Agilität was weit mehr bedeutet, als nur flexibel zu sein, etwa um eine kurzfristige Nachfrage befriedigen zu können. Diese Tugend der agil agierenden Restauratorenschaft wird noch nicht genügend erkannt oder aus kurzfristigem Konkurrenzdenken von den potentiellen Partnern bewusst ignoriert so lange bis das Desaster eintritt und guter Rat sprichwörtlich teuer VDR 15

17 Wandmalereiabnahme aktuell wird. Ein Netzwerk von RestauratorInnen mit Architekten, Bauphysikern, Ingenieuren und Materialkundlern und ja auch Bauhandwerkern ist also zur Bewältigung dieser Herausforderungen unabdingbar. Dieses muss aber institutionell gewollt und auch entsprechend gefördert werden. Hierbei besteht definitiv Nachholbedarf auf vielen Seiten, auch bei den noch zu oft konventionell arbeitenden KollegInnen. Deshalb sind die Bemühungen des VDR um eine Verkammerung von den im Bereich der Konservierung von Architekturoberflächen spezialisierten RestauratorInnen nur zu begrüßen, gleichzeitig sind aber auch in der Ausbildungsebene entsprechende Schnittstellen zu schaffen. Ich würde mich freuen, wenn wir mit der Diskussion zu diesem Thema heute einen Anstoß bieten können. Prof. Dr. phil. Thomas Danzl Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft Fakultät für Architektur Technische Universität München Oettingenstraße München Anmerkungen 1 NIMOTH NIMOTH Der Name der Fachklasse wurde seit 2009 immer wieder von FachkollegInnen als anachronistisch gewertet und dabei der Wunsch nach einer Änderung in Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberfläche geäußert. Aus Achtung vor dem Lebenswerk Prof. Roland Möllers ( ) wurde dieser Name bis heute beibehalten, was allerdings zukünftige Änderungen nicht ausschließen soll. 4 zuletzt aufgerufen am ICOMOS (International Council of Monuments and Sites): Principles For The Preservation And Conservation-Restoration Of Wall Paintings (2003) 6: In urgent cases, immediate emergency treatment is necessary for the safeguard of wall paintings. [ ] Detachment and transfer are dangerous, drastic and irreversible operations that severely affect the physical composition, material structure and aesthetic characteristics of wall paintings. These operations are, therefore, only justifiable in extreme cases when all options of in situ treatment are not viable. Should such situations occur, decisions involving detachment and transfer should always be taken by a team of professionals, rather than by the individual who is carrying out the conservation work. Stand , zuletzt aufgerufen am FROHBERG VDL Halle-Neustadt, Schieloer Straße 1: Wandbild von Erich Enge Er rührte an den Schlaf der Welt, 1970/71. Silikatfarbe auf faserverstärkten Zementplatten, saniert 2004 durch die Hallesche Wohnbaugesellschaft, Neuapplikation auf Wärmedämmung, Ergänzung einer fehlenden Platte durch Erich Enge. Halle-Neustadt, Am Stadion 5, zwölf-geschossiges Hochhaus (ehemaliges Bildungszentrum und heute Sitz von Teilen der Stadtverwaltung): Majolika-Kachel-Mosaik von Josep Renau Die von Menschen beherrschten Kräfte von Natur und Technik, 1974, nach Bestands- und Zustandskartierung 2005 konserviert und mit neuen Dehnungsfugen versehen durch Firma Wandwerk, Berlin. Das Pendant am benachbarten Treppenhaus Die Einheit der deutschen Arbeiterklasse als Voraussetzung für das Wirksamwerden ihrer Schöpferkraft und Gründung der DDR blieb bislang unbehandelt und soll nun 2019 konserviert werden. zuletzt aufgerufen am Das zum Ensemble gehörige Wandbild Marsch der Jugend in die Zukunft wurde beim Abriss der Klub-Mensa Ende der 1990er Jahre zerstört. 9 zuletzt aufgerufen am Das 20 Meter hohe, ehem. rote Fahnenmonument Flamme der Revolution wurde 1967 anlässlich des 50. Jahrestages der Oktoberrevolution aus Stahlbeton errichtet. Zusammen mit Aufmarsch- und Versammlungsplatz, mit Rednertribüne und Nebenanlage bildete es ein heute zerstörtes Ensemble. Die als dreifach gewundene dünne Betonplatte gestaltete Fahne wurde während der Friedlichen Revolution zum Versammlungsort demokratisch-oppositioneller Gruppen. Es konnte vor der immer wieder geforderten Zerstörung durch eine Neugestaltung im Zuge der Betonsanierung gerettet werden. Die noch im Jahre 2000 erhaltenen Graffiti und künstlerischen Interpretationen wurden dokumentiert und unter einer Schutzschicht konserviert. 11 DANZL/EXNER/RÜBER-SCHÜTTE DANZL 2012, DANZL 2016 Literatur DANZL 2012: Thomas Danzl, Zum aktuellen konservatorisch-restauratorischen Umgang mit Wandmalerei und Architekturoberfläche aus der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR in Deutschland. In: IIC Austria, Franka Bindernagel/Martina Griesser-Stermscheg (Hg.), Reflexionen/ Reflections für/to Manfred Koller, Restauratorenblätter, 31 (2012), S DANZL/EXNER/RÜBER-SCHÜTTE 2013: Thomas Danzl, Matthias Exner, Elisabeth Rüber-Schütte (Hrsg.), Wandmalereien in Krypten, Grotten, Katakomben. Zur Konservierung gefasster Oberflächen in umweltgeschädigten Räumen/Wallpaintings in Crypts, Grottoes, Catacombs. Strategies for the Conservation of Coated Surfaces in Damp Environments (ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees LVI. Internationale Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Quedlinburg, 3. bis 6. November 2011), Petersberg 2013 DANZL 2016: Thomas Danzl, Architekturoberflächen der Ostmoderne als Aufgabe der Restaurierungswissenschaften. Formen der Forschung und des Umgangs. In: Mark Escherich (Hrsg.), Stadtentwicklung & Denkmalpflege 18: Denkmal Ost-Moderne II. Denkmalpflegerische Praxis der Nachkriegsmoderne, Berlin 2016, S FROHBERG 2004: Boris Frohberg, Wandbildabnahmen in der Dorfkirche Wolkenberg, deren Neuaufbringung und Restaurierung. In: VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 2/2004, S NIMOTH 2012: Torsten Nimoth, Zur Restaurierungsgeschichte und dem Umgang mit Wandmalereiabnahmen in Sachsen. In: VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 1/2012, S NIMOTH 2018: Torsten Nimoth, Abgenommen und gerettet? Jüngste Abnahmen baugebundener Kunst aus der DDR-Zeit in Sachsen. In: Die Denkmalpflege, Heft 1/2018, 76. Jg., S VDL 2000: Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Dokumentation. Entstaatlichung der Denkmalpflege? Von der Provokation zur Diskussion. Eine Debatte zur Zukunft der Denkmalpflege, Berlin 2000 Abbildungsnachweis Abb.1 9, 11, 12, 14, 15, Umschlag: HfBK Dresden Abb. 10: Hochbauamt Dresden Abb. 13: Thomas Danzl 16 VDR

18 Grußwort LfD Sachsen Grußwort des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen anlässlich des Fachgesprächs Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien Christine Kelm Seit über 100 Jahren sind Abnahmen von Wandmalereien in Sachsen nachweisbar. Es kamen unterschiedliche Verfahren zur Anwendung. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Erfolgt diese Maßnahme zunächst zur akuten Schadensabwehr, drohen einer abgenommenen Wandmalerei neue Gefahren. Die Erfahrungen aus der denkmalpflegerischen Praxis zeigen, dass die Abnahme von Wandmalereien eine durchaus aktuelle restauratorische Aufgabe ist. Welcoming speech of the Saxonian state office for cultural heritage preservation on the occasion of the expert discussion "On the current situation of removal and transfer of mural paintings" Removals of mural paintings have been known for over 100 years in Saxony, Germany. Different techniques have been employed. The reasons for the techniques chosen are diverse. Even though the measure is initially taken for the purpose of damage prevention, new risks arise for the removed mural painting. Expert knowledge from cultural heritage preservation shows, that removals of mural paintings are still a contemporary issue in conservation. Als Absolventin der Fachklasse für gefasste Holzskulpturen an der Hochschule für Bildende Künste Dresden verfüge ich auf diesem Gebiet zwar nicht über eigene praktische Erfahrungen, aber ich erinnere mich noch gut an meine erste theoretische Begegnung mit diesem Thema: Es war in meinem Vorpraktikum im damaligen Institut für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Dresden, im eiskalten Winter 1981/82, im barocken Mittelteil des heutigen Hotels Bellevue. Es ist das einzige erhaltene Wohngebäude auf der Großen Meißner Straße, das die Bombardierung 1945 überstanden hat. Das Gebäude war, allen Widerständen der Denkmalpfleger der DDR zum Trotz, wegen eines geplanten Hotelneubaus zur Sprengung 1 Dresden, Palais Brühl, Ballsaal: Zustand vor 1899, Repro einer historischen Fotografie VDR 17

19 Grußwort LfD Sachsen vorgesehen. Während wir mit der Befunduntersuchung in den Obergeschossen beschäftigt waren und florale Ausmalungen in Fensterlaibungen und Sockelmalereien aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts freilegten, wurden unten im Hof drei Reihen Sprenglöcher gebohrt. Es war ein Wettlauf mit der Zeit und keine Chance, außer der Dokumentation, Substanz zu erhalten. Da kam ein Vorschlag des damaligen Landeskonservators Hans Nadler: Er hätte aus der Sowjetunion gehört, dass in Leningrad Wandmalereien mit Eis abgenommen würden. Der Vorschlag wurde nicht umgesetzt, weil wir uns das nur schwer vorstellen konnten und zu irgendwelchen Versuchen ohnehin keine Zeit war. Dass es dann ganz anders für das Haus kam, ist eine andere Geschichte. Schon in der Frühzeit der institutionellen sächsischen Denkmalpflege 1 wurden in Sachsen Wandmalereien zu ihrer Rettung abgenommen. Das früheste aktenkundig nachweisbare Beispiel in Sachsen und gleichzeitig die Verbindung des Standortes unserer Dienststelle mit dem Hochschulgebäude an der Güntzstraße ist die Übertragung des Deckenbildes des Festsaals aus dem Brühlschen Palais (Abb. 1). Dieses Palais aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde für den Bau des Ständehauses (erbaut ) abgebrochen. Verschiedene Teile, z. B. Türen und Treppengeländer, sollten in die neugebaute Kunstgewerbeschule (erbaut ) übertragen werden. Der Abnahme und Übertragung des originalen Deckengemäldes von Louis de Silvestre in den dort rekonstruierten Brühlschen Saal stimmte das Finanzministerium erst zu, als Prof. Donadini 2 die Kosten dafür deutlich niedriger als der Akademische Rat der Kunstakademie schätzte. Abgenommen wurde das Gemälde unter Donadinis Leitung stacco a massello und in Segmenten am neuen Standort montiert (Abb. 2) feierte das Landesamt für Denkmalpflege in diesem Saal sein 25-jähriges Jubiläum. 4 Die früheste Übertragung, die maßgeblich auf die Initiative des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege zurückgeht, ist die eines Putzritzbildes aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts aus Klösterlein Zelle bei Aue, von dem im Rahmen dieser Tagung noch genauer zu hören sein wird wurde es auf der Ostwand unter jüngeren Putzen entdeckt und freigelegt 5 und zeigte bereits um 1900 erste Schäden. Daraufhin wurde es 1934/35 von der Wand abgenommen und auf einen textilen Träger übertragen. 6 Die klimatischen Bedingungen verhindern aber leider auch nach der Restaurierung die ursprünglich geplante Zurückführung in den Innenraum am Herkunftsort. Aus denkmalpflegerischer Sicht gibt es verschiedene Gründe, warum Wandmalereien abgenommen werden bzw. abgenommen werden müssen: Zum einen dienen sie, wenn die Gebäude aufgegeben werden (müssen), als Primärdokumente. Sie können aber auch ausdrücklich zur Wiederverwendung abgenommen werden, wie im Fall der barocken Dorfkirche in Deutsch Ossig, einem Dorf an der polnischen Grenze, südlich von Görlitz. Wegen des Braunkohletagebaus hat man Ende der 1980er Jahre das Dorf devastiert. Die gesamte Ausstattung und einzelne Bauteile der Kirche wurden vorher geborgen und später in einen Nachbau der Kirche im Neubaugebiet Görlitz-Königshufen übertragen. Auch Teile der Ausmalung, besonders die bildkünstlerischen Elemente der Deckenbemalung wurden abgenommen und in den Nachbau eingefügt (Abb. 3). Eine wesentliche Rolle spielen selbstverständlich auch konservatorische Gründe, wenn eine dauerhafte Erhaltung am ursprünglichen Ort nicht gegeben ist, wie bei der Rettung des Putzritzbildes aus Klösterlein Zelle in Aue. Daneben können weitere, meist nutzungsbedingte Erwägungen Anlass zur Abnahme einer Wandmalerei sein, wie bei der Lünette von Moritz von Schwind aus der Orangerie in Rüdigsdorf. Nach der Bodenreform wurde das Gebäude 2 Dresden, Kunstgewerbeschule, sogenannter Brühlscher Saal, Deckengemälde von Louis de Silvestre: Detailaufnahme während der Montage der abgenommenen Segmente am neuen Standort, die Fugen sind noch deutlich erkennbar 18 VDR

20 Grußwort LfD Sachsen 3 Görlitz, Hoffnungskirche: Zustand während des Innenausbaus. Die Ausmalung der Decke ist bereits abgeschlossen, die Medaillons und Vasen wurden in Deutsch Ossig im Strappo-Verfahren abgenommen und im Nachbau wieder appliziert. Die Ornamentik ist größtenteils nach am Original abgenommenen Pausen rekonstruiert. 4 Panschwitz-Kuckau, Zisterzienserinnenabtei St. Marienstern, Klosterkirche: Blick auf die Chorgasse, Zustand vor Eine der mindestens lebensgroßen Heiligenfiguren in den Gurtbögen wurde stacco abgenommen. als Stall und später als Gärtnerei genutzt, sodass das Wandbild um 1948 stacco a massello abgenommen wurde und sich seit 1966 in unserem Depot befindet 7. Als 2002 bei der Sanierung eines schlichten Bürgerhauses in Hainichen ein Wandbild entdeckt wurde, musste es mit dem Feinputz abgenommen und innerhalb des Gebäudes versetzt werden, weil es nach dem neuen Nutzungskonzept am ursprünglichen Standort akut gefährdet gewesen wäre. Wenn eine Wandmalerei nicht mehr fest mit dem Gebäude verbunden ist, drohen neue Gefahren: Falls die Abnahme nicht gerade stacco a massello erfolgte, ist Wandmalerei nun leicht verfügbar, wie das schon erwähnte Putzritzbild aus Klösterlein Zelle, das in den letzten 30 Jahren mehrfach den Standort gewechselt hat. Oder die abgenommene Wandmalerei gerät völlig in Vergessenheit, wie das letzte Fragment der figürlichen Ausmalung aus dem 19. Jahrhundert der Klosterkirche St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau (Abb. 4), das nach 30 Jahren bei Renovierungsarbeiten hinter einem Sakristeischrank wiederentdeckt wurde. Für zwischen 1945 und 1994 abgenommene Wandmalereien stellen auch Restitutionsansprüche nach 5 des Ausgleichleistungsgesetzes 8 eine potentielle Gefährdung dar, weil diese Wandgemälde nicht mehr Gebäudebestandteil nach 94 BGB sind. Im Falle einer Restitution ginge der Zusammenhang mit der ursprünglichen Herkunft völlig verloren. Zusätzlich besteht für abgenommene Wandmalereien häufig das Problem, einen neuen Standort zu finden, wenn der ursprüngliche Standort nicht mehr vorhanden ist oder aus anderen Gründen nicht in Frage kommt. Das kann unter Umständen Jahrzehnte dauern, wie bei den sogenannten Paulinerfresken aus dem ehemaligen Dominikanerkloster Leipzig. Sie wurden 1968 vor der Sprengung der Universitätskirche geborgen und eingelagert waren sie dann Gegenstand einer Diplomarbeit an der HfBK VDR 19

21 Grußwort LfD Sachsen Sicher ist die Abnahme einer Wandmalerei die letzte aller Möglichkeiten zu ihrer Rettung aber aus der denkmalpflegerischen Erfahrung als notwendige Maßnahme auch weiterhin nicht auszuschließen. Umso notwendiger sind Restauratorinnen und Restauratoren, die im Ernstfall dazu in der Lage sind, die dann wissen, was zu tun ist. Dipl.-Rest. Christine Kelm Landesamt für Denkmalpflege Sachsen Schlossplatz Dresden Anmerkungen 5 Klingenthal, Auerbacher Str. 244, Aschberg-Apotheke, Blick in den Büroraum mit der Ausmalung 6 Klingenthal, Auerbacher Str. 244, Aschberg-Apotheke, Büroraum, Detail der Ausmalung Dresden 9 und bis zur Aufstellung im Neubau des Augusteums dauerte es immer noch einige Jahre. Eines der aktuellen Fälle ist die naiv anmutende Ausmalung aus den 1930er Jahren in einem Büroraum der Aschberg-Apotheke in Klingenthal. Im oberen Drittel ist umlaufend das Panorama des Stadtteils dargestellt, wie es vom Standpunkt der Apotheke aus zu sehen ist (Abb. 5 und 6). Als die Apotheke, die selbst kein Denkmal ist, abgebrochen werden sollte, hatte man die Wandmalerei aus Zumutbarkeitsgründen bereits aufgegeben. Dass sie noch existiert und eine Chance auf einen neuen dauerhaften Standort hat, ist vor allem dem Engagement und der Hartnäckigkeit meines Kollegen Torsten Nimoth zu verdanken. 1 Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen ist aus der Königlich Sächsischen Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler ( ) hervorgegangen, der erste Landeskonservator wurde 1920 berufen. 2 Ermenegildo Antonio Donadini ( ), Maler, Restaurator, Fotograf, Sächsischer Hofrat war seit 1877 Professor an der Kunstgewerbeschule Dresden. 3 Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Aktenarchiv, Altakte Dresden Palais Brühl und Zeitungsnotiz aus den Dresdner Nachrichten vom 24. Januar 1900 und 12. Juli Siehe Anm. 1 5 STECHE 1887, S. 20 f. 6 Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Aktenarchiv, Altakte Klösterlein 7 LfD Sachsen, Aktenarchiv, Objektakte Rüdigsdorf, Schwindpavillon und Orangerie 8 Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz AusglLeistG) vom Bundestag am verabschiedet, 5 betrifft die Rückgabe beweglicher Sachen. 9 KÖRBER 2006 Literatur KÖRBER 2006: Albrecht Körber, Diplomarbeit: Praktischer Teil: Die erhaltenen Wandfragmente des ehemaligen Dominikanerklosters St. Pauli in Leipzig. Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzeptes am Fragment IV B. Theoretischer Teil: Erfassung des Erhaltungszustandes der Wandfragmente und Formulierung spezifischer Problemstellungen. Planungsgrundlage für die Wiederaufstellung, unveröffentlichtes Manuskript, Dresden 2006 STECHE 1887: Richard Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bauund Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, 8. Heft, Amtshauptmannschaft Schwarzenberg, Dresden 1887 Abbildungsnachweis Abb. 1 4: LfD Sachsen, Bildarchiv Abb. 5, 6: LfD Sachsen, Torsten Nimoth 20 VDR

22 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden Die Abnahme von Wandgemälden in Sachsen Beispiele aus Geschichte und Gegenwart Torsten Nimoth Im Bereich der sächsischen Denkmalpflege lassen sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts Fälle von Bergung und Sicherung gefährdeter Wandgemälde aus verschiedenen Epochen sowie Notmaßnahmen zu ihrer Rettung nachweisen. Die mit dieser Aufgabe betrauten Restauratoren gelangten zu neuen Erkenntnissen und entwickelten Methoden und Verfahren der Abnahmen baugebundener Kunst. Dies geschah vielfach im Zusammenhang mit dem Abriss von bedeutenden Baudenkmalen und unter schwierigsten Bedingungen. Insbesondere in den Städten waren durch verschiedene Umstände gravierende Schäden und Verluste an historischer Substanz zu verzeichnen. In den Städten Dresden und Leipzig, mit ihrem reichen Denkmalbestand, kam es bereits in der Vergangenheit und bis heute zu Verlusten an wertvoller architekturgebundener Substanz. In Chemnitz und anderen sächsischen Orten lassen sich ebenfalls Fallbeispiele für die Bergung baugebundener Kunst finden. The removal of mural paintings in Saxony Examples from history and present Since the end of the 19th century, the Saxon heritage preservation holds evidence for cases of the removal and securing of vulnerable mural paintings of different ages as well as emergency measures for their rescue. As a result, conservators in charge obtained new knowledge and developed methods and technologies for the removal of pieces of art aligned to buildings. In multiple instances, these measures occurred in connection with the demolition of important, historic monuments, often under difficult circumstances. Especially in major cities, due to different circumstances significant damage and loss of historical substance occurred. In the past and to date, the cities of Dresden and Leipzig with their rich stock of monuments have seen a loss of valuable, architectural-bound art. Further examples for the removal and securing of mural art are known for Chemnitz and other Saxon places. Einleitung In den über 110 Jahren des Bestehens der sächsischen Denkmalpflege kam es immer wieder durch Modernisierungen, Abbrüche, kriegerische Ereignisse, Umwelteinflüsse, Renovierungen und andere Eingriffe zu Verlusten an Baudenkmalen. 1 Zur Rettung von Wandgemälden und anderer baugebundener Kunstwerke durch deren Abnahme wurden vielfältige Methoden und Techniken entwickelt. Oft als letzte Option machte man die ursprünglich mit dem Bauwerk verbundene Kunst auf diese Weise transportabel und verbrachte sie an andere Standorte. 2 Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges betrafen auch eine Vielzahl von Baudenkmälern und Kunstwerken. 3 Bis heute lagern in verschiedenen Depots, Archiven, auch auf Dachböden und in Kellern abgenommene Wandgemälde aus Kirchen, Schlössern, Bürgerhäusern oder öffentlichen Gebäuden. 4 Katastrophen, wie Unwetter und Feuer, beeinflussten die Situation baugebundener Kunst im Innenund Außenbereich. Störende Schadensbilder spielten bei der Entscheidung für eine Abnahme ebenso eine Rolle wie die logistischen, materiellen, personellen und finanziellen Ressourcen. 5 Mit den Entdeckungen der römischen Wandmalerei der Antike in Rom, Pompeji oder Herculaneum werden die frühesten Wandmalerei-Abnahmen belegbar. 6 In Deutschland führte man nachweislich ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Entdeckung mittelalterlicher Wandmalereien auch Abnahmen aus, so in Bayern, Hessen, Niedersachsen, im Rheinland und in Thüringen. In Sachsen sind Abnahmen erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar. 7 Für die besonderen Aufgabenstellungen und die oft schwierige Durchführung benötigte man geschultes Personal, das in Sachsen vergleichsweise spät zur Verfügung stand. Unterstützung kam zuerst aus dem Bereich der Gemälderestaurierung. Als Verfechter der Rettung von Wandbildern in Sachsen durch Abnahmen ist der bekannte Historienmaler Hermann Prell ( ) zu nennen. 8 Er beschäftigte sich ausführlich mit der Monumental- und Freskomalerei und fand 1 Dresden, das abgenommene Deckenbild von Louis de Silvestre aus dem Brühlschen Palais während der Montage in der Kunstgewerbeschule VDR 21

23 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 2 Dresden, Frauen - kirche während der Enttrümmerung: Bergung eines Bauteils aus der Kuppel mit Resten der Kuppel - bemalung in dem Maler und Ingenieur Ermenegildo Antonio Donadini ( ), seit 1881 Professor an der Akademie für Kunstgewerbe in Dresden, einen hervorragenden Könner auf diesem Gebiet. Donadini stand wiederum in der Tradition der italienischen Abnahmetechniken. 9 In den Unterlagen und Dokumentationen der sächsischen Denkmalpflege tauchen weitere Namen, wie Prof. Paul Rößler, Helmar Helas oder Willy Rittsche und Ernst Kutzner, nach 1945 u. a. Matthias Schulz, Peter Taubert, Bernd Garte und auch die bereits akademisch ausgebildeter Restauratoren auf. 10 Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts werden in Sachsen alle gängigen Abnahmetechniken wie strappo, stacco oder stacco a massello in Betracht gezogen. 11 Mit den folgenden Fallbeispielen aus Sachsen sollen Restaurierungsgeschichte, Methodik und spezielle Vorgehensweisen beleuchtet werden. Dabei handelt es sich nicht um eine vollständige Aufzählung des Bestandes, sondern um eine Betrachtung einzelner geretteter Objekte aus dem Bereich der Denkmalpflege. Das kunsthistorisch bedeutende, bereits um 1907 abgenommene und auf Leinwand übertragene Wandgemälde von Francesco Montemezzano mit der Darstellung einer Empfangsszene aus dem Palazzo Ragazzoni aus Sacile (datiert 1581, Maße: 540 x 415 cm) gelangte 1916 mit dem Nachlass Otto Lingners in die Galerie Alte Meister (Gal.-Nr. 248A) nach Dresden. 12 Das älteste christliche Bildmotiv, ein Putzritzbild um 1215, stammt aus dem ehemaligen Klösterlein Zelle bei Aue und war ursprünglich an der Fassade, oberhalb des Ostfensters angebracht. 13 Mittelalterliche Wandmalereien wurden u. a. in Colmnitz (OT Großenhain) aus der alten Kirche geborgen und sind vermutlich 1945 in Dresden verbrannt. 14 Die jüngeren und aktuellen Abnahmen stehen hier ebenfalls im Fokus und betreffen Werke der DDR-Kunst, die oft durch jüngste Baumaßnahmen gefährdet sind oder erst aktuell auf die Denkmalliste gesetzt wurden. 15 In Chemnitz konnten beispielsweise beim Abbruch des sogenannten Forums an der Brückenstraße unterschiedliche Kunstwerke dieser Epoche geborgen werden. 16 Wandmalereiabnahmen in Dresden 3 Durch Paul Rößler abgenommene Wandmalerei aus dem Palais Sekundogenitur in Dresden, heute in der Kustodie der HfBK Dresden Das Brühlsche Palais (Abb. 1) bildete bis zu seinem Abbruch 1904 mit seiner Pracht, seiner wertvollen Ausstattung und Ausmalung einen Höhepunkt unter den barocken Bauten innerhalb der Stadt. Im Festsaal befand sich ein großartiges Deckengemälde von Louis de Silvestre, welches bereits bei Abbrucharbeiten 1904 beschädigt worden war. Erst mit dem Einspruch und energischen Einsatz für den Erhalt des Bildes durch den Akademieprofessor und Maler Hermann Prell und 4 Dresden, Sophienkirche: Aufnahme während der Abbrucharbeiten, Vorbereitungen zur Bergung der gotischen Raumgestaltung per strappo 22 VDR

24 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 5 Die sogenannte Schwindlünette aus Rüdigsdorf, nach dem Hochwasser von 2002 in Dresden im Depotraum des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen die Einbindung von Prof. Ermenegildo Antonio Donadini von der Kunstgewerbeschule kam es zur stacco a massello-abnahme des Bildes und somit zu seiner Rettung. Nachdem Prell zufällig von dem drohenden Verlust des Saales mit dem Plafondgemälde gehört hatte, setzte er dessen Bergung durch und bereitete die Maßnahme selbst vor. Die Fläche wurde von ihm in Quadrate geteilt, der Fußboden darüber aufgebrochen und die Balkenkonstruktion der Decke in Stücken herausgesägt. Danach konnten die großen und schweren Blöcke abtransportiert und auf diese Weise in den rekonstruierten Brühlschen Saal des gerade im Bau befindlichen Baukomplexes mit Kunstgewerbeschule und Kunstgewerbemuseum integriert werden. Die Teile befestigte man mit Eisenschrauben an der neuen Decke. Die entstandenen Fugen, Ausbrüche, Kanten und Fehlstellen wurden gekittet und eingetönt, kleinere Partien retuschiert. In dem rekonstruierten Saal befanden sich auch die übrige Ausstattung des Saales und das reich geschnitzte Holzpaneel wurde der Brühlsche Saal und die dortige Ausstattung völlig zerstört. 17 Die ebenfalls am 13. Februar 1945 zerstörte Frauenkirche (Abb. 2) wurde erst nach dem Beschluss des Wiederaufbaus ab 1993 vollständig beräumt. Dabei entdeckte man größere Bauteile und barg diese, so auch ein Fragment der ehemaligen Kuppel mit den Resten der Ausmalung von Giovanni Battista Grone und den verschiedenen Übermalungsphasen bis Das schwere Kuppelteil (Großteil 72) wurde im Februar 1994 per Kran aus dem Kellergeschoss gehoben. 18 Als stacco a massello wurde es für die Ausstellung auf dem Kuppelumgang weiterbearbeitet und schließlich als Fundstück aus der Entstehungszeit der Kirche dort aufgestellt und nicht wieder in die Kuppel eingebunden. 19 In der Kustodie der Hochschule für Bildende Künste Dresden (Abb. 3) befinden sich mehrere großformatige strappo-abnahmen mit barocken Motiven. Im Zusammenhang mit dem Abriss des Palais an der Zinzendorfstraße waren die Bilder geborgen und von Paul Rößler ( ), Professor an der Kunstgewerbeschule, bearbeitet worden. Die abgenommenen Wandbilder hatte man auf Leinwand übertragen, die Bildfelder dabei auf ein Holzlattengerüst gespannt und auf der Rückseite als FRESKO! gekennzeichnet. Die Bilder lagerten Jahrzehnte in den Räumen der Kustodie der HfBK Dresden. Mittlerweile sind diese von Studierenden der HfBK, Studiengang Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut, Fachklasse Wandmalerei und Architekturfarbigkeit, konserviert worden. 20 Die Sophienkirche in Dresden wurde ebenfalls 1945 stark beschädigt und mit ihrem kompletten Abbruch 1963 völlig zerstört. Die Kirche und Teile der mittelalterlichen Substanz konnten vorher noch dokumentiert sowie Kunstwerke gerettet werden. Restauratoren entdeckten die originale Architekturgestaltung um die gotischen Spitzbogenfenster und nahmen punktuell im strappo-verfahren Putzpartien mit den darauf liegenden Gliederungen und Fassungen ab (Abb. 4). Diese Fragmente sind heute leider nicht mehr auffindbar. 21 Wandmalereiabnahmen in Rüdigsdorf und Rötha Im Depot des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen (LfD) lagern mehrere in den letzten Jahrzehnten eingelagerte Kunstgegenstände, darunter abgenommene Wandgemälde und Leinwandbilder aus historischen, sakralen wie profanen Räumen. Dazu zählt u. a. die wertvolle Lünette aus Rüdigsdorf (Abb. 5) im Kohrener Land bei Leipzig. In der heute teilweise baulich veränderten Orangerie und im rechten Gartenpavillon befindet sich eine qualitätsvolle Ausmalung von 1839 nach Plänen von Gottfried Semper, an der Moritz von Schwind beteiligt war. In den Jahren erfolgten der Umbau dieses Gebäudes und die Restaurierung des Saals. Dabei wurde die Lünette über dem Portal im Hauptraum der Orangerie als stacco a massello geborgen und nach Dresden ins damalige Institut für Denkmalpflege gebracht, mit dem Ziel, dieses von Schwind signierte Bildfeld in der Ausstellung der Galerie Neue Meister im Albertinum zu zeigen. Allerdings verblieb das Bild bis heute im Depot des LfD im Kellergeschoss. Infolge des Hochwassers von 2002 in Dresden und der Überflutung der VDR 23

25 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden In Dresden gab es im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Ballsälen. Wenige haben die Zeiten überdauert, andere verschwanden sogar erst in jüngster Zeit und nur vereinzelt sind sie noch in Funktion. Der Ballsaal Reichskrone auf der Königsbrücker Straße 74 (Abb. 7 und 7a) wurde zwischen als Damm s Etablissement mit Theater- und Konzerträumen und Garten erbaut. Dabei erhielt der große Saal die erste Ausstattung im Stil der Neorenaissance. Um 1900 erfolgte eine weitere aufwendige Umgestaltung mit Stuckelementen und Leinwandgemälden im damaligen Zeitgeschmack. In den 1930er Jahren kam es zu mehrfachen Umnutzungen für Massenveranstaltungen. Nach 1945 diente der Saal als Turn- und Lagerhalle. Schließlich wurde er in den 1990er Jahren für einen Büro-Neubau komplett abgerissen. Im Zuge der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung vor dem Abbruch konnten nur die Dokumentation, die Teilfreilegung und das Bergen wichtiger Ausstattungselemente durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang gelangen die Rettung und Depoteinlagerung von Resten plastischer Elemente (Säulen, Stuckteile) sowie figürlicher und dekorativer, zum Teil auf Leinwand ausgeführter Gemälde der zweiten Renovierungsphase um Lediglich die geborgenen gusseisernen Säulen rahmen heute am alten Standort die Tiefgarageneinfahrt. 24 Abnahme und Präsentation eines Wandbildes des von den Nazionalsozialisten ermordeten Künstlers Paul Goesch 6 Rötha, Schloss (Abbruch 1968): Die strappo-abnahmen aus Festsaal und Bibliothek befinden sich heute in Dresden, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Depot Depoträume erlitt dieses Objekt erhebliche Schäden. Diese konnten inzwischen leider nur teilweise behoben werden. Die signierte Lünette zeigt sich damit heute in einem erheblich reduzierten Zustand. Ein Rücktransport nach Rüdigsdorf wird zwar favorisiert, konnte bis heute jedoch nicht erfolgen. 22 Im 1968 zerstörten Schloss Rötha (Leipzig Land) wurden während des Abbruchs umfangreiche Bergungsarbeiten durchgeführt (Abb. 6). Die Ausstattung, darunter Möbel, ein großes Plafondbild (Leinwand) mit der Darstellung des römischen Friedensmythos und der Aeneis von Vergil und auch in strappo abgenommene Wandfelder transportierte man nach Dresden und lagerte sie im Institut für Denkmalpflege Sachsen ein. Dort befinden sie sich heute noch im Depot. 23 Im Dresdner Stadtteil Laubegast befindet sich direkt am Elbufer, Laubegaster Ufer 29 eine ehemalige Turnhalle im rückwärtigen Grundstücksteil. Diese wurde frühzeitig aufgegeben und umfunktioniert. Im Ergebnis der Auswertung von Unterlagen und Forschungen zur Bau- und Nutzungsgeschichte ist eine kurzzeitige Nutzung durch Künstler belegbar. Die 2010 durchgeführten restauratorischen Untersuchungen erbrachten letztlich den Beweis für eine Ausmalung durch Paul Goesch ( ) in der Zeit um Vermutlich hatte der Bildhauer Kurt Eberhard Göllner, der von 1906 bis 1910 dort arbeitete, den Maler zu einer farbigen Gestaltung des Raumes motiviert. Nach Jahrzehnten beschreibt der 7 Dresden, Ballsaal Reichskrone während der Abbrucharbeiten Reste plastischer Elemente aus dem Ballsaal Reichskrone 7a Ausschnitt aus der Bemalung der Deckenvoute während der Not-Freilegung 24 VDR

26 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden von Blau, Rot, Gelb war beglückend. 25 Diese Halle befindet sich heute in privater Nutzung und stark verändertem Zustand. Teile der farbigen abstrakten Ausmalung konnten zwar wiederentdeckt, jedoch nicht konserviert werden. Es folgte 2008 eine Diplomarbeit an der FH Erfurt durch Martin Fliedner. Bei weiteren restauratorischen Untersuchungen auf der Stirnseite der Halle wurde die Darstellung einer Tanzenden entdeckt (Abb. 8). Die Halle war zu dem Zeitpunkt der Entdeckung sehr schadhaft, daher entschied man sich für eine stacco-abnahme. Das abgenommene Wandbild konnte nach Pirna in die Gedenkstätte Sonnenstein zur dauerhaften Präsentation gebracht werden. Dort erinnert es an seinen Schöpfer Paul Goesch, der 1940 Opfer des Euthanasieprogramms wurde Tanzende von Paul Goesch, ehemals in Dresden, Laubegaster Ufer 29, heute in Pirna in der Gedenkstätte Sonnenstein Kunsthistoriker Paul Fechter 1948 aus seiner Erinnerung den Raum: [..] diesen Raum malte Paul Goesch aus. In wenigen Wochen überzog er Wände, Fenster, Decke mit Szenen aus dem Leben Buddhas. Er fing am Boden an, malte aufwärts über die Fenster, über die Decke hinweg und endete am Boden. Ohne Vorzeichnung, ohne Skizzen, aus dem Reichtum seiner Phantasie schmückte er den Raum mit einem Werk, das vielleicht das schönste murale Dokument des Impressionismus an der Grenze zum beginnenden Expressionismus war. Die Fenster überzog er mit Ölmalerei: es ergab sich eine Wirkung wie von Transparenten van Goghs. Der Aufenthalt in dem scheunenartigen Raum mit der funkelnden Farbigkeit Abnahme eines Wandbildes von Alfred Hesse Im Treppenhaus Hans-Grundig-Straße/Dürerstraße, heute Evangelische Fachhochschule, befand sich ein Wandbild von Alfred Hesse aus dem Jahre 1964 zum Thema Mensch und Wissenschaft auf einer damals dafür extra zugesetzten Fensteröffnung (Abb.9). Das Gebäude diente als Informatikum der Ingenieurschule der TU, was das Bildthema erklärt musste das Bild auf dem zugesetzten Fenster im Zuge der Umbauarbeiten zur Evangelischen Fachhochschule entfernt werden. Die Abnahme erfolgte 2009 durch die Studierenden der Fachklasse für Wandmalerei und Architekturfarbigkeit, HfBK Dresden, Fachbereich Restaurierung unter der Leitung von Prof. Thomas Danzl und der Assistentin Anne Hierholzer. Es schloss sich eine Diplomarbeit an. 27 Bis heute ist das Bildfeld noch in der Hochschule eingelagert und wartet auf einen neuen Ausstellungsort. 9 Dresden, Dürerstraße (HfBK): Wandbild Mensch und Wissenschaft von Alfred Hesse von 1964 im Vorzustand im Treppenhaus VDR 25

27 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden Neue Präsentation der Paulinerfresken in Leipzig Die Stadt Leipzig besitzt an verschiedenen Orten interessante geborgene Wandmalereien. Der umfangreichste erhaltene mittelalterliche Wandmalereizyklus in Sachsen stammt aus dem 1231 gegründeten Dominikanerkloster am Augustusplatz. 28 Bereits bei den 1892 einsetzenden Abbrucharbeiten entdeckt, wurde dieser Bestand 1893 geborgen und im Keller der Universitätsbibliothek eingelagert. Die ältere gotische Bauphase des Klosters von 1487 kann anhand der Abnahmen der sogenannten Paulinerfresken nachvollzogen werden. Weitere Bau- und Malphasen gehören in den Zeitraum von 1511 bis Die letzten baulichen Überreste des Klosters in Form geborgener Mauerstücke mit Wandmalerei lagerten seit Jahrzehnten an verschiedenen Standorten der Stadt. Erst mit dem jüngsten Neubau des sogenannten Paulinums an der Stelle der 1968 gesprengten Paulinerkirche konnten große Teile des Zyklus zusammengeführt werden. Dabei wurde eine Gangsituation in Erinnerung an den alten Standort geschaffen. 29 Prell und Donadini - Pioniere der Rettung von Wandgemälden 1904 fiel am Peterssteinweg in Leipzig das sogenannte Römische Haus einem Abriss für einen Straßendurchbruch zum Opfer. Diese für die Stadt Leipzig bedeutende Villa war nach dem Vorbild der Villa Farnesina in Rom erbaut worden. Es kam zur Bergung der Malereien von Friedrich Preller d.ä. und Julius Naue, einem Schüler des Moritz von Schwind. Die Abnahmen der Wandbilder aus dem Festsaal mit dem Mär - chenzyklus (Abb. 10) und aus dem Prellersaal (1855) mit der Odysseus-Sage erfolgten mittels stacco a massello. Eingebaut wurden sie anschließend im Haupttreppenhaus der Universitätsbibliothek. Diese Bergung ist wiederum Hermann Prell zu verdanken, der an die Presse gegangen war und die Rettung der Preller-Fresken gefordert hatte. Zunächst wurde die Abnahme als nicht durchführbar bezeichnet. Durch die Einbindung des auf diesem Gebiet äußerst erfahrenen Restaurators Donadini konnte sie letztlich doch erfolgreich vollzogen werden. Leider sind die bedeutenden Bilder in der Universitätsbibliothek bei der Bombardierung 1945 zerstört worden. Gemälde von Julius Naue von der Translozierung zur Präsentation Die Gemälde aus dem Leipziger Ball- und Festsaal von Julius Naue nach Entwürfen von Moritz von Schwind entstanden 1873/74. Der Aschenbrödel-Zyklus erlangte durch Reproduktionen große Verbreitung und Beliebtheit. Bereits 1907 wurden diese Bildfelder beim Neubau der zweiten Höheren Mädchenschule (Lumumba-Straße) in die dortige Aula mit dem stacco a massello-verfahren eingebaut und angeblich bereits nach 1933 mit Tüchern verhängt. Es folgte ab beim Umbau zur Arbeiter-und-Bauern-Fakultät eine Über - malung mit Themen aus der Arbeitswelt in 11 Bildern durch Walter Münze (Abb. 11). 30 Zwei unberührte originale Bilder 10 Leipzig, Römisches Haus: Historisches Foto zum Märchenzyklus von Friedrich Preller d.ä. und Julius Naue 11 Leipzig, Lumumbastraße: Wandbild von Walter Münze, VDR

28 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden blieben glücklicherweise hinter dem Bühnenhaus unverändert erhalten. Diese konnten nach 1992 ausgebaut werden und sind seit 2007 am neuen Standort Liebknechtstraße im Haus der Leipziger Volkszeitung im Foyer als die einzigen original erhaltenen Bildfelder aus dem Römischen Haus als Dauerleihgabe zu sehen. Die Übermalungen von Walter Münze gehören heute als jüngere Zeitschicht ebenso zum Denkmalbestand und wurden nach dem bedauerlichen Umbau der Aula (in Wohneinheiten) ebenfalls geborgen und als stacco- Abnahmen im Haus (Erdgeschoss) neu aufgestellt. Ein seltenes Deckengemälde um kam es im Zusammenhang mit Baumaßnahmen am Kongresshaus am Leipziger Zoo zur Entdeckung einer figürlichen und dekorativen Deckenbemalung aus der Zeit um 1920 im Foyer des Kongresszentrums (Abb. 12). Diese seltene Art-déco-Malerei musste im Zusammenhang mit dem Deckendurchbruch für einen Fahrstuhl entfernt werden. Mittlerweile wurde das in mehrere Segmente strappierte Gemälde zurückgeführt, jedoch bisher nur eingelagert. Im Mai 2019 kam es zu weiteren Verhandlungen über den neuen Standort der Gemäldeteile im Objekt Leipzig, Zoo, Kongresshalle: Detail der Art déco-deckenmalerei in Vorbereitung der Abnahme Zwei Wandbilder aus der DDR-Zeit in Leipzig In der Pakethalle der ehemaligen Hauptpost, Augustusplatz, befand sich ein Wandbild von Bert Heller von 1968 mit der Darstellung von Ernst Thälmann bei einer Kundgebung 1923 in Leipzig (Abb. 13). Mit dem Umbau der Halle und ihrer Grundrissänderung musste das Bild geborgen, auf neue Trägerplatten gebracht und auf die um einige Meter versetzte Wand transloziert werden. 32 Im Januar 2019 wurden aus der ehemaligen Bar im Erdgeschoss des Hotel Astoria (Willy- Brandt-Platz 1) die baugebundenen Nischengestaltungen entfernt. Das erbaute Hotel war 1948 bis 1952 massiv umgebaut und mit Neugestaltungen im veränderten Zeitgeschmack renoviert worden. Für die Nachtbar im Erdgeschoss hatte Michael Kunert 1985 elf halbrunde Bildfelder auf Rabitzgewebe mit Gips geschaffen (Abb. 14). Zwar erfolgte deren Demontage im Januar 2019, jedoch wird derzeit noch über den künftigen Anbringungsort verhandelt. 13 Leipzig, Hauptpost Augustusplatz: Wandbild von Bert Heller von 1968 Mosaikbilder aus dem Sowjetischen Pavillon Im Zusammenhang mit dem Teilabbruch des Sowjetischen Pavillons 33, Alte Messe Leipzig, wurden kurz vor den Rückbauarbeiten im Inneren zwei großformatige Mosaikbilder aus dem Jahre 1952 mit sozialistischen Motiven (Energieversorgung der sozialistischen Länder und Moskau mit dem Leninmausoleum) entdeckt. Die auf jeweils halbrunden Wänden mit Deckel montierten Mosaiken konnten nicht in situ er- 14 Leipzig, Hotel Astoria: Nachtbar mit Innengestaltung von 1985: Szenen aus dem Nachtbarmilieu, Ausmalung von Michael Kunert auf elf halbrunden Teilflächen, Acrylfarbe auf Rabitzgewebe, Aufnahme während der Demontage VDR 27

29 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 16 Leipzig, Grimmasche Straße 19: ehemalige Bezirksapotheke (Löwenapotheke) mit dem Wandbild Pharmazie und Gesellschaft von Hans Peter Müller und Alexandra Müller-Jontschewa, entstanden um 1983, eingehaust mit Folie im Januar Leipzig, Alte Messe: Sowjetischer Pavillon, Detail eines Mosaiks von 1952 vor der Abnahme von der Wand (Abb. 16). Im April 2019 kam es durch Einbruch und Vandalismus zu Beschädigungen durch großflächiges Überstreichen. Die Verhandlungen zum weiteren Umgang mit dem Bild laufen momentan. 35 halten werden (Abb. 15). Es kam im Jahre 2016 deshalb zur strappo-abnahme und anschließenden provisorischen Einlagerung. Dabei entstanden weitere Verluste und Beschädigungen der Mosaiken durch unglückliche Umstände. Bis heute ist kein neuer Ausstellungsort gefunden, die Verhandlungen sind hier sehr langwierig und kompliziert. Allerdings laufen seit geraumer Zeit Gespräche mit der Stadt Moskau und der Stadt Leipzig zu einer Lösung. Möglicherweise werden die Mosaiken nun zukünftig in Moskau gezeigt. 34 Ein 1983 entstandenes Wandbild mit ungewisser Zukunft Abgenommene Wandgemälde in weiteren Orten Sachsens seit 1967 In der Kleinstadt Hainichen befindet sich in der Brüderstraße 10 ein ungewöhnliches Wandbild (Abb. 17). Im Jahr 2002 wurde das 250 x 220 cm große Gemälde bei restauratorischen Sondierungen durch das LfD Sachsen entdeckt und dann von freischaffenden Restauratoren (Günter Schreiber) 17 Hainichen, Brüderstraße 10, Wandbild Kahnpartie, nach der Freilegung und Sicherung Die historische Leipziger Löwenapotheke in der Grimmaischen Straße wurde 1983 zur Bezirksapotheke erhoben. Im Erdgeschosskomplex der ehemaligen Apotheke befindet sich ein großformatiges farbenfreudiges Wandbild mit dem Thema Pharmazie und Gesellschaft. Ein Vertrag mit dem Künstler Hans-Peter Müller und der Künstlerin Alexandra Müller-Jontschewa schloss man bereits 1978 ab. Die Ausführung des Wandbildes erfolgte allerdings erst um Die aktuellen Planungen und baulichen Maßnahme sehen eine zukünftige Präsentation nicht vor. Der Bauherr möchte das Wandbild für die Anbringung an einem anderen Standort zur Verfügung stellen. Die Denkmalschutzbehörden fordern dagegen den Erhalt in situ. Das Bildfeld ist momentan noch verhüllt 28 VDR

30 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 18 Hoyerswerda, Lessing-Gymnasium: Putzschnittbild von Günther Wendt aus den 1950er Jahren im Vorzustand im Eingangsbereich der Schule freigelegt, gesichert, mittels stacco a massello abgenommen und im Treppenhaus des zwischenzeitlich umgebauten Gebäudes angebracht. 36 Gemalt nach 1858, zeigt es die Darstellung einer Kahnpartie des preußischen Kronprinzen Friedrich vor dem Schloss Rheinsberg. Es handelt sich um ein Ölbild auf Putz, ohne erkennbare Unterzeichnung und ohne Firnis auf einer dünnen Kalkputzschlämme. Der eigentliche Träger ist ein ca. 3 5 cm dünner Lehmverputz in der Ausfachung der Ständerwand. 37 Im Hoyerswerdaer Lessing-Gymnasium (erbaut 1953 als Wilhelm-Pieck-Schule) befindet sich das von Günther Wendt zur Erbauungszeit erstellte Putzschnittbild im Eingangsbereich der Schule (Abb. 18). Geschaffen für das Foyer, zeigt es die Schulwelt im Sozialismus. Nach der politischen Wende von 1989 wurde das Bild durch einen Vorhang verdeckt. Mit der Sanierung des Schulkomplexes ab 2012 und der baulichen Erweiterung musste ein Teil des Bildfeldes für einen Türdurchbruch zur Erschließung in den Neubau vom ursprünglichen Standort weichen. Heftige Diskussionen entstanden um das restliche Bildfeld, um den Verbleib oder die komplette Abnahme. Ein Teil ist zwar bis heute noch in situ vorhanden, jedoch kam es bisher durch die komplizierte Sachlage und die unterschiedlichen Positionen zu keiner Lösung für das gesamte Bild. 38 Mit dem Abbruch der Fabrik Auerbacher Straße 244, Klingenthal/Vogtland im Oktober 2017 musste für den im straßenseitigen Erdgeschoss vorhandenen, gemalten Panoramablick über die Stadt Klingenthal (90 x 160 cm) eine Lösung gefunden werden (Abb. 19). Damit verbunden waren langwierige und schwierige Verhandlungen über Erhalt und Rettung. Der Raum wurde um 1935/40 nachweislich durch den Malermeister Kurt Hoyer ausgemalt. Schließlich konnte durch die Verhandlungen mit dem Vogtlandmuseum Plauen eine Lösung durch die Einrichtung eines Raumes speziell für die Anbringung des Bildzyklus im zukünftigen sogenannten Weißbachhaus als Außenstelle des Vogtlandmuseums gefunden werden. Die Eröffnung ist allerdings erst für 2022 geplant. Die einzelnen Bildfragmente der strappo-abnahmen werden 2019 auf die neuen Trägerplatten übertragen und dann bis zur Einbauphase eingelagert Klingenthal/Vogtland, Ausschnitt aus dem Bildzyklus von Kurt Hoyer Panoramablick auf Klingenthal, um 1935/ VDR 29

31 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden Im Kloster Marienstern (Panschwitz-Kuckau) in der Oberlausitz befinden sich zwei weitere erhaltene bzw. geborgene stacco--abnahmen. Bei der einen handelt es sich um die aus der Klosterkirche stammende figürliche Darstellung Johannes des Täufers (Abb. 20) aus dem Bildprogramm von 1862 im Arkadenbogen, das im Zusammenhang mit der Renovierung von bei der Rekonstruktion der mittelalterlichen Raumfassung aufgegeben worden war. Das 1967 in ein Gipsbett mit schweren Eisenrahmen präparierte Wandmalereifragment lagerte vergessen fast 30 Jahre in der Sakristei hinter einem Schrank. Seit der Wiederentdeckung wurde es mehrfach umgelagert und erlitt dabei bereits zweimal erhebliche Schäden. Sicherung, Bearbeitung und Neuplatzierung stehen bisher noch aus. 40 Auf der Nonnenempore der Klosterkirche, im Bereich des Gestühls, fand sich ein weiteres, in diesem Falle spätmittelalterliches Stück Wandmalerei. Dieses war 1973 wegen eines Wandabbruches geborgen und auf einen neuen Träger in stacco übertragen worden (Abb. 21). Die kleinteilige Darstellung von Adam und Eva lagerte mehrere Jahrzehnte in Depots, war bereits stark geschädigt und sollte schon aufgegeben werden. Sie kam 1998 in das LfD Sachsen in das Referat Restaurierung zur Begutachtung und weiteren Bearbeitung. Als neuer Träger wurde eine Aluminiumwabe (Alucore) ausgewählt und die Fassung konserviert. Seitdem wird das abgenommene Wandbild in der sogenannten Schatzkammer des dortigen Museums im Torhaus gezeigt. Einige Jahre später zeigten sich Schäden, die durch Sonneneinstrahlung verursacht worden waren. Nach der Konservierung wurde ein Sonnenschutz angebracht. 41 In Mittweida, am Technikumplatz, wurde im Dezember 2013 ein Teil des desolaten ehemaligen Ballsaales des Hotels Stadt Chemnitz abgerissen und dabei das großformatige 20 Kloster Marienstern (Panschwitz-Kuckau): figürliche Darstellung Johannes des Täufers, Ausmalung von Kloster Marienstern (Panschwitz-Kuckau): Adam und Eva, spätmittelalterliche Wandmalerei aus dem Bereich der Nonnenempore der Klosterkirche, heute im Kloster - museum 22 Mittweida, Hotel Stadt Chemnitz, ehemaliger Ballsaal: Zustand der Deckenbemalung und Stuckierung vor dem Abbruch des Saals 30 VDR

32 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 23 Moritzburg, Ortsteil Reichenberg: ehemaliges Gasthaus mit wiederhergestellter Fassadengestaltung von Hermann Glöckner aus dem Jahr Reichenbach im Vogtland, ehemaliger Ballsaal Tivoli : Ausschnitt des Wandbildes mit der Darstellung von Schloss Linderhof/Bayern, Zustand Ende 2018 Deckenbild der 1920er Jahre komplett zerstört. Leider war hier nur noch eine fotografische Dokumentation möglich. (Abb. 22). Es herrschte Einsturzgefahr. Zierelemente, Holzbauteile und anderes Fundmaterial konnten zwar geborgen und im Depot des LfD eingelagert werden, jedoch waren bisher keine weiteren Maßnahmen umsetzbar. Geplant ist, ab 2019 Teile des Saales in den Neubau zu integrieren. 42 Der Künstler Hermann Glöckner führte an einigen Gebäuden in Moritzburg und Radebeul Putzschnittgestaltungen aus. Am Gasthof in Reichenberg hatte er 1947 neben Inschriften einen symbolischen dreifarbigen Putzschnitt erschaffen (Abb. 23). Hier kam es durch das große Interesse und den guten Willen aller Beteiligten zur Rettung des Bildfeldes und der Inschriften, die sich nun an dem Neubau eines Altenheimes befinden und damit an den alten Standort des Lokals erinnern. 43 Seit Ende 2018 bemühen sich die Denkmalbehörden aktiv um die Rettung der Ausmalung des Ballsaals Tivoli in Reichenbach im Vogtland. Es handelt sich um Ansichten italienischer Orte wie Rom, den Golf von Neapel (Abb. 24) und eine Ansicht der Villa d Este in Tivoli. Dieses namensgebende Bild in der Orchestermuschel ist bereits stark beschädigt und kaum zu retten. Dazu kommen noch weitere Großformate mit Ansichten bayerischer Schlösser von Ludwig II.: Berg, Hohenschwangau und Neuschwanstein bzw. Schloss Linderhof. Als Maler konnte jüngst ein Max Gläser (Dresden?) durch eine Signatur festgestellt werden. Die Zukunft des Saales bzw. der Wandbilder ist noch völlig offen. 44 In den aktuellen Verhandlungen wird die Rettung zumindest einiger der Wandbilder angestrebt. Der bedeutende sächsische Maler Conrad Felixmüller hatte um 1950 im Aufenthaltsraum des kleinen Tautenhainer Kindergartens ein Wandbild geschaffen und der Gemeinde aus Dankbarkeit gestiftet (Abb. 25). 45 Der Künstler lebte hier von 1945 bis 1961 und hatte sich mit der Bevölkerung sehr gut verstanden. Das Gebäude wurde 2011 abgerissen, das Wandbild jedoch (nach Beratungen der Denkmalschutzbehörden 25 Tautenhain, Wandbild von Conrad Felixmüller für den Kindergarten VDR 31

33 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden 26 Thalheim, Wandbild Orienthandel, G. Peter, 1902, Präsentation der abgenommenen Wandmalerei 2019 mit der Stadt) vorher geborgen und schließlich in den neu erbauten Kindergarten integriert. 46 In der ehemaligen Strumpffabrik Thalheim befand sich im Erdgeschoss das Privatkontor von Bruno Neukirchner. Dieser ließ sich hier 1902 einen Raum dekorativ gestalten und von G. Peter aus Dresden drei Wandbilder malen. Dargestellt wurden die Besitztümer des Fabrikanten und im Hauptbild der Handel mit Strümpfen in der ganzen Welt (Abb. 26). Bei der Bergung und weiteren Bearbeitung bereitete der Gipsträger Probleme. Schließlich konnten die drei Bildfelder Anfang des Jahres 2019 ins Rathaus der Stadt Thalheim verbracht und am der Öffentlichkeit übergeben werden. Mit einer Erklärungstafel werden diese dort präsentiert. Die drei Bildfelder wurden der ursprünglichen Anbringung entsprechend auf Wände montiert, allerdings nun ohne Stuckrahmung, da diese aufgegeben werden musste. Ein Beleuchtungskonzept ermöglicht eine optimale Ausleuchtung der Bildfelder. 47 Fazit In den Fachpublikationen des 19. Jahrhunderts wird bereits mehrfach auf die Option der Abnahme von Wandmalerei in den verschiedenen Varianten verwiesen. Historische baugebundene Kunst und Malerei erfreuten sich hoher Wertschätzung. Deren Translozierung wurde als wirklich letzter Schritt einer Rettung angesehen. In der sächsischen Denkmalpflege wurden in diesem Sinne nur im begrenzten Umfang Abnahmen von Wandgemälden vorgenommen. In Museumssammlungen und Depots finden sich Fragmente solcher Wandgemälde, die durch ungünstige Lagerungs- und Klimabedingungen, sowie durch Materialalterung gravierende Schäden zeigen. Daneben gibt es positive Beispiele der dauerhaften Präsentation und damit der langfristigen Erhaltung dieser Kunstwerke und Zeitdokumente. Das Thema Wandmalereiabnahme führt gegenwärtig zu durchaus kontroversen Diskussionen. Diese sollten stets gemeinsam von verschiedenen Fachleuten geführt werden. Aktuell geht es um die Beurteilung zahlreicher baugebundener Zeugnisse des sogenannten Heimatstils aus der Zeit des Nationalsozialismus, der Nachkriegs- und DDR-Zeit, in der im Zusammenhang mit Staatsbauten, öffentlichen Gebäuden und Wohngebieten Kunst am Bau geschaffen wurde. Heute sind viele baugebundene Kunstobjekte durch Abriss, Modernisierungs- und Dämmwahn extrem gefährdet. Sie zählen oft nicht zur hohen Kunst, da sie von dekorativer Funktion und Gestalt sind. Durch spezielle Förderprojekte, Stiftungen oder Sonderfinanzierungen können in Einzelfällen trotzdem die Bergung und Einbindung z. B. in eine wärmegedämmte Fassade erreicht werden. Wenn es auch in Sachsen mittlerweile durchaus eine Reihe positiver Beispiele für die Erhaltung von abgenommenen Wandgemälden gibt, so ist dennoch der Verlust an architekturgebundener Kunst als wichtiger Bestandteil unserer gebauten Umwelt festzustellen. Dipl.-Rest. Torsten Nimoth Landesamt für Denkmalpflege Sachsen Schlossplatz Dresden Torsten.Nimoth@lfd.smi.sachsen.de 32 VDR

34 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden Anmerkungen 1 DENKMALPFLEGE , DEHIO 1996,1998, MAGIRIUS/MÜLLER DENKMALE 1978, MAGIRIUS LÖFFLER/MAGIRIUS Der Frontverlauf 1945 speziell an der Neiße führte zu massiven Schäden und Verlusten an wertvoller Bausubstanz in der ländlichen Region. In den mittelalterlichen Kirchen konnten jedoch dadurch vereinzelt mittelalterliche Wandmalereien wiederentdeckt werden. 4 Der Autor hat die im Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (LfD Sachsen) nachweisbaren Objekte in einer internen Liste zusammengestellt. Jedoch wurde aufgrund der unterschiedlichen Aufbewahrungsorte und verschiedenen Zuständigkeiten noch keine Vollständigkeit erreicht. 5 NIMOTH 2012, NIMOTH Quellen über die Abnahme von Wandmalerei siehe u. a. SCHAIBLE 1985: Plinius d. Ä., Historia Naturalis, XXXV, 14; NIMOTH 2012, VASARI 1983, LENGLER Bisher konnten im Zusammenhang mit den frühen Entdeckungen von Wandgemälden in Sachsen keine Hinweise auf Abnahmen gefunden werden. Siehe BACHMANN MOHRMANN 1997, NIMOTH 2012, S NIMOTH 2012, S. 42, BOVE Jeweilige Objektakte im LfD Sachsen bzw. NIMOTH 2012, S. 49, MIETH BERGER 1909, KOLLER 1971, KOLLER 1987, DOERNER 2001, MORA/ PHILIPPOT 1984, MAGIRIUS 2010, HAMMER FÖRSTER/MATAUSCHEK/MÖWALD FÖRSTER/MATAUSCHEK/MÖWALD 2020, HÄNSEL 1970, EXNER/ SCHÄDLER-SAUB Siehe LfD Altakte Großenhain, OT Colmnitz. Vermutlich sind die Abnahmen im Palais im Großen Garten in Dresden eingelagert gewesen und 1945 vernichtet worden. 15 NIMOTH 2018, KUHIRT 1982, KUHIRT 1983, GLUTH 1990 und 1995, OLBRICH NIMOTH/OCHOCKI ROTHER 1999, NIMOTH 2012, S JÄGER NIMOTH 2012, S Unter der fachlichen Leitung von Prof. Thomas Danzl und Prof. Ivo Mohrmann 21 KÜHN 1981, HUNECKE 1999, NIMOTH 2012, S. 45 und NIMOTH 2012, S HELAS 1997, NIMOTH 1995 und 2012, S NIMOTH 2012, S FECHTER 1948, S NIMOTH 2018, FLIEDNER Die weitere Bearbeitung erfolgte 2013 ebenfalls durch Martin Fliedner. Die offizielle feierliche Übergabe an die Gedenkstätte fand am statt. 27 SCHMIDT 2013, KIRSCH 2015, NIMOTH 2018, S HILLER VON GAETRINGEN/KÖRBER NAUMANN 2007, NIMOTH 2012, S VOGEL 1903, MERREM 2008, SCHWARZ Hier befinden sich damit die einzigen im Original erhaltenen zwei Bildfelder aus dem Römischen Haus und sind durch Dauerpräsentation der Öffentlichkeit zugänglich. 31 NIMOTH 2012, S NIMOTH 2018, S Verweis auf das Referat von Arnulf Dähne: Abnahme monumental. Praxisberichte über die Bergung von Mosaiken in der Alten Messe Leipzig sowie die Transloszierung eines Wandbildes in der ehemaligen Hauptpost in Leipzig, Fachkolloquium Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien am , Hochschule für Bildende Künste Dresden, Publikation in VDR 1/2020 geplant 34 LEONHARDT 2019, NIMOTH 2018, S Wegen Brandschutzmaßnahmen und baulicher Veränderungen kommt es zu erheblichen Auflagen seitens der Bauaufsicht. Die Auflagen werden möglicherweise zum Verkleiden des farbenfrohen Wandbildes führen. 36 SCHREIBER STREETZ 2005, NIMOTH 2012, S Die Maßnahme wurde bisher nicht beendet. Die Präsentation ist unklar. 39 Die Maßnahme ist noch nicht abgeschlossen. Eine Bergung erfolgte im September 2017 mit Einlagerung und anschließender Weiterbearbeitung einer Musterfläche. Die Bergung und Bearbeitung der Musterfelder und die bisherige Präsentation des Musters im Vogtlandmuseum Plauen wurde durch eine private finanzielle Stiftung und mit freundlicher Unterstützung durch Herrn Sahlesch, Vogtlandmuseum ermöglicht. Die Finanzierung wird durch Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) und aus dem Landesförderprogramm des Freistaates Sachsen finanziert. 40 NIMOTH 2012, S NIMOTH 2012, S Das farbenfrohe Deckenbild mit Art-déco-Gestaltung ging beim Abbruch vollständig verloren. Das LfD Sachsen hatte im Vorfeld eine Fotodokumentation veranlasst. 43 BACHMANN/SCHMIDT 1989, LOHSE 1992, NIMOTH 2018, S In der Bauakte im Stadtarchiv Reichenbach i. V. konnten Hinweise auf die baulichen Veränderungen und geplanten Veränderungen im Saal entdeckt werden. 45 Verweis auf das Referat von Michel Lange Das Wandbild von Conrad Felixmüller in Tautenhain auf dem Fachkolloquium Zur aktuellen Situation der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien am , Hochschule für Bildende Künste Dresden. 46 Mitschke Die Umsetzung erfolgte durch Michael Lange, Kaufungen. 47 KIRCHEIS/NIMOTH 2018 Literatur BACHMANN 1933: Fredo Bachmann, Romanische Wandmalerei in Obersachsen, Leipzig 1933 BACHMANN/SCHMIDT 1989: Manfred Bachmann und Werner Schmidt, Hermann Glöckner zum 100. Geburtstag, Ausstellungskatalog, Königsbrück 1989 BERGER 1909: Ernst Berger, Fresko- und Sgraffito-Technik. Nach älteren und neueren Quellen, München 1909 BOVE 2010: Jens Bove, Ermenegildo Antonio Donadini. Fotografie im königlichen Dresden, Dresden 2010 DOERNER 2001: Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Leipzig 2001 DEHIO 1996, 1998: Georg Dehio, Das Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen I und Sachsen II, München 1996 und 1998 DENKMALE 1978: Denkmale in Sachsen. Ihre Erhaltung und Pflege in den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Cottbus, Weimar 1978 DENKMALPFLEGE : Denkmalpflege in Sachsen , Bd. 1 2, Hrsg. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Weimar [u.a.] EXNER/SCHÄDLER-SAUB 2002: Matthias Exner und Ursula Schädler-Saub, Die Restaurierung der Restaurierung, München 2002 FECHTER 1948: Paul Fechter, Menschen und Zeiten. Begegnungen aus fünf Jahrzehnten, Gütersloh 1948 FELDTKELLER 2010: Julia Feldtkeller, Wandmalereirestaurierung. Eine Geschichte Ihrer Motive und Methoden, Wien 2010 FLIEDNER 2008: Martin Fliedner, Das Leben des Buddha eine expressionistische Wandmalerei von Paul Goesch in Dresden Laubegast. Konservierung und Restaurierung einer Musterachse sowie Vorschläge zu möglichen Nutzungskonzepten, unveröffentlichte Diplomarbeit 2008, FH Erfurt FÖRSTER/MATAUSCHEK/MÖWALD: Susanne Förster, Katja Matauschek, Carola Möwald, Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler. Zwei Erfahrungsberichte zum Umgang mit historischen Wandbildabnahmen. In: zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 1/2020 (geplant) GLUTH 1990: Peter Gluth, Architekturbezogene Kunst Bezirk Leipzig Standortinventar, Leipzig 1990 GLUTH 1995: Peter Gluth, Wände der Verheißung. Zur Geschichte der architekturbezogenen Kunst in der DDR, Leipzig VDR 33

35 Beispiele zur Abnahme von Wandgemälden HAMMER 2006: Manfred Hammer, Hans Nadler Ein Leben in fünf Staatsformen. Ein Leben für die sächsische Kulturlandschaft, Dresden 2006 HÄNSEL 1970: B. Hänsel, Das Abnehmen und Übertragen von Fresken und Wandmalereien in Secco-Technik, Bern 1970 HELAS 1997: Volker Helas, Ballhäuser in Dresden, Dresden 1997 HILLER VON GAERTRINGEN/KÖRBER 2019: Rudolf Hiller von Gaertringen und Albrecht Körber, Großformatige Wandmalereiabnahmen aus dem ehemaligen Dominikanerkloster St. Pauli in Leipzig. Erhaltung, Restaurierung und Aufstellung im Neubau der Universität Leipzig, in diesem Heft HUNECKE 1999: Markus Hunecke, Die Sophienkirche im Wandel der Zeiten, Leipzig 1999 JÄGER 1995: Wolfram Jäger, Bericht über die archäologische Enttrümmerung 1993/94. In: Die Dresdner Frauenkirche, Jahrbuch 1995, S KIRCHEIS/NIMOTH 2018: Katja Kircheis, und Torsten Nimoth, Entdeckung und Rettung der Ausmalung im Privat-Contor von Bruno Neukirchner in der Thalheimer Strumpffabrik. Planung und Vorbereitung zur Bergung und Abnahme der Wandmalerei. In: LfD Sachsen, Mitteilungsheft 2018, S KIRSCH 2015: Antje Kirsch, Dresden. Kunst im Stadtraum. Architekturbezogene Kunst , Dresden 2015 KOLLER 1971: Manfred Koller, Gemäldeübertragung um jeden Preis? In: Maltechnik Restauro, Heft 4, 1971, S KOLLER 1987: Manfred Koller, Zur Problematik der Übertragung von Wandmalereien. In: Maltechnik Restauro, Heft 2, 1987, S KUHIRT 1982: Ullrich Kuhirt, Kunst der DDR, , Leipzig 1982 KUHIRT 1983: Ullrich Kuhirt, Kunst der DDR , Leipzig 1983 KÜHN 1981: Hermann Kühn, Erhaltung und Pflege von Kunstwerken und Antiquitäten, Bd. 2, München 1981, S LEONHARDT 2019: Peter Leonhardt, Der Sowjetische Pavillon auf der Alten Messe in Leipzig. In: Sächsische Heimatblätter 2/2019, S LENGLER 1990: Josef Maria Lengler, Neue Möglichkeiten bei der Restaurierung und Übertragung von römischen Wandmalereien. In: Arbeitsblätter für Restauratoren, Heft 1, 1990, S LÖFFLER/MAGIRIUS 1978: Fritz Löffler, Heinrich Magirius, Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Eine Dokumentation der Schäden und Totalverluste auf dem Gebiet der DDR, Berlin 1978 LOHSE 1992: Dietrich Lohse, Kunst im Radebeuler Stadtbild. Sgraffitoarbeiten von Hermann Glöckner, Radebeul 1992 MAGIRIUS 2010: Heinrich Magirius, Die Geschichte der Denkmalpflege Sachsens , Arbeitsheft 16 des Landesamtes für Denkmalpflege, Dresden 2010 MAGIRIUS/MÜLLER 1978: Heinrich Magirius und Hans Müller, Denkmale in Sachsen. Weimar 1978 MERREM 2008: Annekatrin Merrem, Bildzyklus zur Geschichte der ABF. Wandbilder von Walter Münze. Bergung eines Bilderzyklus von In: Denkmalschutz und Denkmalpflege - Leipzig: Beispiele aus der Praxis, Hrsg.: Stadt Leipzig, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Abteilung Denkmalpflege, Merseburg 2008, S MIETH 1999: Katja Margarethe Mieth, Im Dienste der Architektur dekorative Malerei in Dresden um In: Jugendstil in Dresden, Aufbruch in die Moderne, Dresden 1999, S MITSCHKE 2012: Angela Mitschke, Studien zur Maltechnik eines Conrad Felixmüller zugeschriebenen Wandbildes im ehemaligen Kindergarten zu Tautenhain, 1950er Jahre, unveröffentlichte Seminararbeit, 2012, HfBK Dresden MOHRMANN 1997: Ivo Mohrmann, Weder Käsemalerei noch modische Ölbutterei!. Die maltechnischen Studien des Monumentalmalers Hermann Prell. In: zur Erhaltung von Kunstwerken, Heft 7, Berlin 1997 MORA/PHILIPPOT 1984: Laura Mora und Paul Philippot, Conservation of Wallpainting, London 1984, S und S NAUMANN 2007: Martin Naumann, Das römische Haus zu Leipzig, Leipzig 2007 NIMOTH 1995: Torsten Nimoth, Raumdekorationen Dresdner Ballhäuser. In: Altstadt, City, Denkmalort, Hamburg 1995, S NIMOTH 2012: Torsten Nimoth, Zur Restaurierungsgeschichte und dem Umgang mit Wandmalereiabnahmen in Sachsen. In: VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft1, 2012, S NIMOTH 2018: Torsten Nimoth, Abgenommen-gerettet? Jüngste Abnahmen baugebundener Kunst aus der DDR-Zeit in Sachsen. In: Die Denkmalpflege, Heft 1, 2018, S NIMOTH/OCHOCKI 2016: Torsten Nimoth und Claudia Ochocki, Die bildkünstlerische Ausstattung des ehemaligen Forums in Chemnitz. In: Die Denkmalpflege, Heft 2, 2016, S OLBRICH 1990: Harald Olbrich (Hg.), Geschichte der deutschen Kunst , Leipzig 1990 ROTHER 1999: Wolfgang Rother, Die Kunstgewerbeschule und das Kunstgewerbemuseum in Dresden. Ein Bauwerk zwischen Späthistorismus und Moderne, Dresden 1999 SCHAIBLE 1985: Volker Schaible, Historisches und Ethisches zur Abnahme von Wandmalerei. In: Historische Technologie und Konservierung von Wandmalerei, Bern 1985, S SCHMIDT 2013: Katja Schmidt, Diplomarbeit (unveröffentlicht): Praktischer Teil: Erarbeitung eines Maßnahmenkonzeptes für die Übertragung der abgenommenen Wandmalerei Mensch und Wissenschaft des Künstlers Alfred Hesse. Theoretischer Teil: Zum aktuellen Stand der Technik der Übertragung von Wandmalerei, HfBK Dresden 2013 SCHREIBER 2006: Günter Schreiber, Umsetzung des Wandbildes im Gebäude Brüderstraße 10 in Hainichen. In: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hrsg.): Denkmalpflege in Sachsen. Jahrbuch 2005, Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen, Beucha 2006, S SCHWARZ 2008: Alberto Schwarz, Das Märchen vom Aschenbrödel. Wandbilder nach Vorlagen von Moritz von Schwind. In: Denkmalschutz und Denkmalpflege - Leipzig: Beispiele aus der Praxis, Hrsg.: Stadt Leipzig, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Abteilung Denkmalpflege. Merseburg 2008, S STREETZ 2005: Michael Streetz, Das Wohn- und Geschäftshaus der Brüderstraße 10 in Hainichen. Ein (nicht ganz) alltägliches Kulturdenkmal erwacht zu neuem Leben. In: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hrsg.), Denkmalpflege in Sachsen. Jahrbuch Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen. Beucha 2006, S VASARI 1983: Giorgio Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister. Deutsche Ausg. von Ludwig Schorn und Ernst Forster, neu hrsg. u. eingel. von Julian Kliemann. Reprint der deutschen Ausgabe Stuttgart und Tübingen , Worms 1983 VOGEL 1903: Julius Vogel, Das römische Haus in Leipzig. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1903 Abbildungsnachweis Abb. 1, 4, 6, 10: LfD Sachsen (Repros hist. Fotos, Fotosammlung) Abb. 2: LfD Sachsen, Torsten Remus Abb. 9: HfBK Dresden, Anne Hierholzer Abb. 22, 24: LfD Sachsen, Wolfgang Junius Alle anderen Abbildungen stammen vom Autor. 34 VDR

36 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli Großformatige Wandmalereiabnahmen aus dem ehemaligen Dominikanerkloster St. Pauli in Leipzig Erhaltung, Restaurierung und Aufstellung im Neubau der Universität Leipzig Rudolf Hiller von Gaertringen, Albrecht Körber Die bereits im Jahre 1893 durchgeführten Wandmalereiabnahmen aus dem ehemaligen Dominikanerkloster St. Pauli besitzen eine hohe historische Bedeutung für die Universität Leipzig. Zugleich handelt es sich um die ältesten erhaltenen figürlichen Wandbilder in Leipzig und einen der umfangreichsten Wandmalereizyklen in Sachsen. Hinzu tritt ihre Zeugenschaft für die Leipziger Denkmalschutzbewegung um 1900 sowie für historische Restaurierungstechniken. Im Zeitraum von 2005 bis 2011 erfolgten die hochkomplexe Restaurierung ausgewählter Wandfelder und ihre in mancher Hinsicht kompromissbehaftete Wiederaufstellung im Universitätsneubau. 1 Large-format removed mural paintings from the former Dominican monastery St. Pauli in Leipzig Historical preservation, conservation and reinstallation in a newly erected university wing The mural paintings from the former Dominican monastery of St. Pauli, removed from their original location over 100 years ago, are of great historic significance for the University of Leipzig today. They are not only the oldest figurative wall paintings in Leipzig, but one of the largest cycles of mural painting in Saxony. Furthermore, they testify to the preservation of monuments movement in Leipzig around 1900 and to historic conservation techniques. The highly complex conservation process of selected segments and their reinstallation in a newly erected university wing, not free from compromise, took place in the years 2005 to Rahmenbedingungen und Stellenwert der Wandbilder Die 1409 gegründete Universität Leipzig (Alma Mater Lipsiensis) ist nach der Universität Heidelberg die zweitälteste Universität Deutschlands mit ununterbrochenem Lehrbetrieb. Ihre 600-jährige Geschichte ist heute vor allem durch ihren umfangreichen Kunstbesitz erlebbar. Nach den auch architektonischen Verheerungen des Sozialismus bot die aktuelle Neugestaltung des Campus am Augustusplatz die einzigartige Gelegenheit, eine größere Zahl von Kunstwerken wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückzubringen und für die Identitätsstiftung der Hochschule fruchtbar zu machen. Grundlage hierfür sind die von einer Rektoratskommission erarbeiteten Empfehlungen für die Integration universitären Kunstbesitzes im Bestand der Kustodie in den Neubau am Augustusplatz aus dem Jahre 2005, kurz Kunstkonzept genannt. 2 Über die Auswahl der Werke und die Definition ihrer konservatorischen Anforderungen hinaus schlägt das Papier die Organisation des Materials in Form von fünf Erinnerungskomplexen vor, die entsprechenden, historisch sinnvollen Raumeinheiten zugeordnet werden. 1 Das Bibliotheksgebäude (Mittel - paulinum) nach dem Umbau mit frei zugänglichem Erdgeschossdurchgang (Pfeil) VDR 35

37 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 2 Dominikanerkloster St. Pauli. Grundriss nach dem spätgotischen Umbau um Blick in den östlichen, älteren Teil des Erdgeschossdurchgangs, Ölgemälde von Eugen Urban aus dem Jahr 1893 Die älteste Schicht, die für die Geschichte der Hochschule besonders bedeutsam ist, bildet dabei eine Gruppe spätmittelalterlicher Wandmalereien aus dem Leipziger Paulinerkloster. Das Kloster war 1231 vom Dominikanerorden am Ostrand der Stadt gegründet, 1539 im Zuge der Reformation säkularisiert und 1543 durch Kurfürst Moritz der zunächst weiter nördlich angesiedelten Universität geschenkt worden und unmittelbar zu deren neuem Hauptsitz avanciert (Abb. 2). 3 Ursprünglicher Kontext, Bergung und Möglichkeit der Wiederaufstellung 2009 Als bedeutendste bauliche Überreste des historischen Dominikanerklosters St. Pauli haben sich 17 großformatige bemalte Wandfragmente, die sogenannten Paulinerfresken erhalten. Die ursprünglich raumhohen Malereien zierten einstmals die Jochwände eines überwölbten Gangs, welcher mittig das insbesondere als Bibliothek genutzte Mittelpau- 36 VDR

38 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 4 Abbruch des Bibliotheksgebäudes im Jahr Im Hintergrund ist die Rückseite des 1836 erbauten Augusteums zu erkennen. 5 Neubau der Universität Leipzig mit der Fassade zum Augustusplatz, Aufnahme 2012 linum durchquerte (Abb. 1, 3). Nach der Schenkung an die Universität blieb die mittelalterliche Bausubstanz noch über drei Jahrhunderte in Gebrauch. Nachdem die Wandbilder im Bibliotheksgang schon in reformatorischer Zeit weiß übertüncht worden waren, wurden sie 1836 im Zuge von Wartungsarbeiten zufällig wiederentdeckt und ab 1868 sukzessive freigelegt. Prägende Eingriffe in die Klosterarchitektur erfolgten erst in den Jahren , 4 als das Dormitorium an der Ostseite zugunsten eines klassizistischen Universitätshauptgebäudes abgebrochen wurde. 5 Ende des 19. Jahrhunderts mündete der sich stetig vergrößernde Bedarf an Hörsälen, Seminarund Verwaltungsräumen in den Entschluss, sämtliche Nutzbauten aus der Klosterzeit abzubrechen und den Großteil des Areals im Stil der Neorenaissance umzugestalten. Diese Kampagne begann 1892 und endete mit der Einweihung am 15. Juni Der Baumaßnahme fiel auch der Bibliotheksbau zum Opfer, jedoch gelang es, die bedeutendsten Malereien im Bibliotheksgang mitsamt den sie tragenden, teilweise drei Meter hohen und bis zu 2,5 Tonnen schweren Backsteinmauern zu bergen (Abb. 4, 9). Damit waren die Wandbilder zu mobilem Kunstgut mutiert. Mit der Sprengung der Universitätskirche am 30. Mai 1968 wurde das letzte Gebäude des Dominikanerklosters, mit dem klassizistischen Hauptgebäude Augusteum wenig später auch die Erinnerung an die Blüte der Hochschule im 19. Jahrhundert getilgt und das gesamte Areal umgehend sozialistisch bebaut. 7 Nach der politischen Wende 1989 wurden alsbald die abermalige Neugestaltung des zentralen Universitätsareals in Angriff genommen und mehrere Architekturwettbewerbe durchgeführt. 8 Im Jahr 2005 erfolgte die Grundsteinlegung für die Neugestaltung des Universitätscampus, die teils als Neu-, teils als Umbau vorgesehen war und bis zum 600-jährigen Gründungsjubiläum der Universität Leipzig 2009 abgeschlossen sein sollte. Der zur Realisierung ausgewählte Entwurf des niederländischen Architekten Erick van Egeraat aus Rotterdam legte einerseits formale Anklänge an die Vorgängerbauten Augusteum und Universitätskirche zugrunde, gestaltete diese andererseits aber unverkennbar als zeitgenössische Architektur (Abb. 5). Entstehungsgeschichte der Wandbilder Der erwähnte Erdgeschossdurchgang des Mittelpaulinums, in der Literatur oft fälschlich als Kreuzgang bezeichnet, 9 war vermutlich schon im Mittelalter frei zugänglich und nicht Teil der Klausur. Dieser das Bibliotheksgebäude in Ost-West-Richtung querende Gang hatte eine Höhe von etwa fünf und eine Breite von etwa vier Metern. Dem Grundriss von 1859 und einem Gemälde Eugen Urbans von 1893 zufolge wies der östliche Teil kein Rippen-, sondern ein Kreuzgratgewölbe auf. Hier wurde offenbar ein älteres Gewölbe in den neuen Gang integriert, das bereits im 15. Jahrhundert entstanden sein dürfte (Abb. 1 3). Indem man die nach Norden weisenden Erdgeschossfenster des Sommerrefektoriums im Zeitraum zumauerte und den Raum zwischen den genannten Einzelbauten mit einem Rippengewölbe überspannte, entstand der später mit Wandbildern versehene Gang. Die Ziegelwände der geborgenen Wandbilder bestätigen dies: Unter dem bemalten Putz haben sich die Leibungen und der ursprüngliche, getünchte Fassadenputz des Sommerrefektoriums erhalten (Abb. 2, 10 11). Die Auswertung des historischen Quellenmaterials in Verbindung mit den Untersuchungen der erhaltenen Wandmalereifragmente zeigte, dass die Jochwände im Zuge von mindestens drei spätmittelalterlichen Malkampagnen auf beiden Gangseiten mit unterschiedlichen ikonografischen Programmen dekoriert worden waren. Im Zuge der ersten Kampagne entstanden die Szenen des Marienlebens im östlichen Gangbereich mit den erwähnten Kreuzgratgewölben, die ebenfalls noch ins 15. Jahrhundert datiert werden. Im Unterschied zu den späteren Bestandteilen des Zyklus VDR 37

39 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 6 Wandbild vor 1500 mit einer Darstellung der Anbetung der Hirten, Aquarell aus dem Skizzenbuch von H. G. Drescher von 1892, kurz vor dem Abbruch der Bibliothek 7 Zentrales Bildfeld des sogenannten Dominikanerstammbaums. In dem Wappen über dem Ordensstifter Dominikus soll sich die Jahreszahl 1515 befunden haben. Aquarell von H. G. Drescher, 1892 beschränkt sich die bemalte Fläche hier auf das jeweilige Bogenfeld (Abb. 6). Eine zweite Kampagne lässt sich auf das Jahr 1515 datieren. Auf der Südwand des Durchganges wurde auf den vier sich westlich anschließenden Wandfeldern eine Genealogie des Dominikanerordens in Form eines Stammbaums ausgeführt (Abb. 7). Die dritte Kampagne, inschriftlich auf das Jahr 1517 datiert, 10 zeitigte Darstellungen der Legenden der heiligen Katharina und der heiligen Barbara (Abb. 8), jeweils in Form von vier horizontalen Szenenbändern ins Bild gesetzt, sowie der bildfeldfüllenden Kreuzigung Christi. Technologische Befunde und die Betrachtung mit scharfem Streiflicht bestätigen die Existenz mehrerer Malkampagnen. Die Wände mit den Darstellungen des Marienlebens (15. Jahrhundert) und dem Dominikanerstammbaum (1515) weisen eine vergleichsweise unebene Putzoberfläche auf. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Fragmente der dritten Gestaltungsphase von 1517 durch bogenförmige Werkzeugspuren einer Zungenkelle aus, mit der eine sehr glatte, verdichtete Oberfläche erzielt wurde. Bei allen untersuchten Wandbildern war eine Kalkmalerei mit abschließender Ausarbeitung a secco festzustellen. Allerdings erfolgte diese auf im Detail unterschiedlichen Tünchegrundierungen. Die Bilder des 15. Jahrhunderts sowie jene von 1515 sind durch einen pastosen, streifigen Pinselduktus der Kalktünche gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu weist die Malerei von 1517 den Querschliffen der Malschicht zufolge eine hauchdünne Tüncheschicht mit einer großflächigen, carbonatisch gebundenen Untermalung auf. Dabei bewegt sich die Malerei von 1517 auf einem höheren Qualitätsniveau, was insbesondere durch die äußerst akkurate und kleinteilige Ausführung noch in größerer Höhe belegt wird. Im Zuge der Säkularisierung und der Umnutzung der Klostergebäude durch die Universität ab 1543 wurden die Wandmalereien im Durchgang übertüncht und gerieten in der Folge nahezu 300 Jahre in Vergessenheit. 38 VDR

40 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 8 Wandfeld mit Szenen aus der Legende der Heiligen Barbara. Die Entstehung ist laut Inschrift im oberen Bildbereich mit 1517 überliefert. Aquarell aus dem Skizzenbuch von H. G. Drescher von 1892 Maßnahmen im 19. Jahrhundert Im Jahre 1836 entdeckte man die Malereien zufällig bei Sanierungsmaßnahmen im Bibliotheksgebäude. 11 Auf Initiative der Artistischen Section des 1867 gegründeten Vereins für die Geschichte Leipzigs wurden sie schließlich 1868 und 1870 unter der Leitung des Architekten und späteren Leipziger Baurats Oskar Mothes ( ), einem Schüler Gottfried Sempers, freigelegt und restauriert. 12 Aufgrund seiner Voruntersuchungen schlussfolgerte Mothes, dass [ ] die Malereien keine Fresken, sondern enkaustische oder eingebrannte Wachsmalereien seien. 13 Dieser falschen Einschätzung entsprechend verwendete er bei der malerischen Rekonstruktion von Fehlstellen nachweislich ein Bindemittelsystem aus Öl und Wachs. 14 Zusammenfassend ist heute festzustellen, dass bei der Freilegung durch Mothes wohl noch großflächig erhaltene, originale Seccopartien bis auf die carbonatisch gebundene Unterzeichnung und flächige Untermalungen verputzt wurden. Der Schädigungsgrad der Malereien zog Übermalungen nach sich, sodass die Darstellungen schon 1868 als eine Neuinterpretation Mothes bezeichnet wurden, auch wenn sich das Gutachten Gurlitts (1897) diesbezüglich sehr zurückhaltend äußert. 15 Von der Freilegung über die Übermalungen bis zum Wachsüberzug haben die Restaurierungen des 19. Jahrhunderts beträchtlichen Anteil am heutigen kompromittierten Erscheinungsbild der Wandbilder. Da man beim Abriss des Bibliotheksbaus kurz vor 1900 zunächst von der Zerstörung der Wandbilder ausgehen musste, bemühte man sich um eine möglichst vollständige Dokumentation. Unter der Leitung des Archäologen Theodor Schreiber wurden 1892 Durchzeichnungen in Originalgröße sowie Fotografien im Magnesiumlicht angefertigt. Die Originale der 1:1-Durchzeichnungen sind heute verschollen, wurden jedoch anlässlich des 500-jährigen Universitätsjubiläums 1909 publiziert. 16 Als weitere bildliche Darstellungen des Bibliotheksdurchganges und seiner Wandmalereien sind zwei erhaltene Ölskizzen Eugen Urbans sowie die von Heinrich Georg Drescher angefertigten Aquarelle, alle 1892 entstanden, zu nennen. 17 Einer Privatinitiative ist es zu verdanken, dass während des Gebäudeabbruchs 1893 am Ende doch noch ca. 26 Fragmente aus ungefähr 12 Wandfeldern geborgen werden konnten (Abb. 4). 18 Der Ausbau der Wandmalereien erfolgte als stacco a massello, einer Technik, bei der die Mal- und Putzschicht mitsamt dem Mauerwerk geborgen wird (Abb. 9). Im ersten Arbeitsschritt wurde bildseits auf halber Höhe des Wandfeldes ein horizontaler Schlitz von cm Höhe und ca. 25 cm Tiefe herausgearbeitet. Dort schob man einen Holzbalken entsprechender Größe hinein, der dem Fragment später als Auflager diente. Anschließend schlug man das Mauerwerk rückseitig auf eine Stärke von cm ab. Bei Restmauerstärken um die 20 cm wurde die Rückseite mit Brettern verschalt und mit Gips ausgegossen. Die Bildoberfläche 9 Die schematische Zeichnung verdeutlicht die Technologie der Wandmalereiabnahmen im Jahr Mauerwerk, 2 Wandmalerei, 3 Holzbalken, 4 Sicherungs- und Transportkonstruktion, 5 Gipsmörtel. Zeichnung E. Kosakowski VDR 39

41 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 10 Wandfragment mit Darstellungen aus der Legende der heiligen Barbara, Zustand vor der Restaurierung. Das Fragment ist entlang einer zugemauerten Fensteröffnung zerbrochen, links im Bild wurde durch ein Facing aus Seidenpapier und Warmleim gesichert. 19 Über diese Bildoberflächenkaschierung applizierte man eine Pappe und strich diese flächig mit Teer ein. Anschließend wurde die Bildseite ebenfalls verschalt und mit Gips ausgegossen. Die so von beiden Seiten stabilisierten und durch eine verschraubte Holzbalkenkonstruktion gesicherten Wandfragmente überstanden den Ausbau in der Mehrzahl ohne sichtbare Transportschäden. Eine erneute Begutachtung der Malereien erfolgte vier Jahre nach dem Ausbau im Rahmen eines Ortstermins am 19. Juni Die Fragmente lagerten noch immer auf der Universitätsbaustelle. Wenig später berichtet Gurlitt in seinem Gutachten vom September 1897, dass das Seidenpapier und die Pappe mit der Malschicht derartig verklebt waren, dass beim Loslösen dieser Schichten nicht nur die restaurierte Malschicht (Übermalungen Mothes 1868/70), sondern auch die alte zerstört wurde. 20 Offenbar ging die Abnahme der Sicherungspapiere mit großflächigen Verlusten loser Malschichtbereiche einher. Das Gutachten Gurlitts zog die Aufgabe mehrerer stark geschädigter Fragmente nach sich überführte man die verbliebenen Wandstücke in einen Keller der soeben fertiggestellten Universitätsbibliothek Albertina, der als Studiendepot dienen sollte. Maßnahmen im 20. Jahrhundert Im Jahre 1914 beauftragte die Universität den Leipziger Maler Walter Kühn mit der Reinigung und Festigung der Wandmalereien im Bibliothekskeller. Bei dieser Maßnahme wurden Kühn zufolge noch vorhandene Reste der Bildoberflächensicherung vom Ausbau 1893 abgenommen und die Malerei durch eine Fixierung mittels Harzes konsolidiert. 22 Der stark lichtbrechende Harzüberzug bewirkte wohl auch eine kurzfristig verbesserte Lesbarkeit der Darstellungen. Die von Anfang an ungünstigen Lagerungsbedingungen in dem zu feuchten Keller verschlechterten sich durch die Teilzerstörung des Gebäudes bei dem Bombenangriff auf Leipzig 1943 dramatisch. Immerhin konnte die Kellerdecke mit Teerpappe notdürftig gesichert werden. Dieser katastrophale Zustand dauerte nahezu 50 Jahre bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten der Bibliothek 1992 an. Im Keller lag die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit damals bei 85 %, die Raumtemperatur bei C. 23 Nach einem missglückten Rettungsversuch der tonnenschweren Wandmalereifragmente im Jahr erfolgte zwischen 1988 und 1994 die statische Sicherung der vermorschten Lagerholzkonstruktionen durch Stahlträger sowie die Konsolidierung abgelöster Putz- und Malereibereiche. 25 Mit der Ausführung war ein polnisches Restauratorenkollegium der Krakauer Hochschule für Bildende Künste betraut worden. Anschließend überführte man 13 Fragmente in ein Depot am Ostplatz. Vier Fragmente blieben in der Bibliothek, wo sie ab 1999 im Zimelienkeller öffentlich zugänglich waren. Allerdings waren die mit Japanpapier gesicherten unrestaurierten Bildseiten durch maßstabsgerechte Nachdrucke der Durchzeichnungen von 1892 verdeckt. Maßnahmen im 21. Jahrhundert Im Rahmen einer von der Kustodie der Universität Leipzig angebahnten Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste Dresden konnte die komplexe Materie in einer Di- 40 VDR

42 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 11 Wandfragment mit Darstellungen aus der Legende der heiligen Barbara, Zustand nach der Restaurierung plomarbeit in den Jahren systematisch untersucht werden. 26 Neben der Erfassung und Bewertung des Erhaltungszustandes aller Fragmente wurden maltechnische Untersuchungen der Malereien sowie eine Proberestaurierung durchgeführt. Wie sich zeigte, ließ sich die Lesbarkeit der Wandmalereien durch Reinigungs- und Firnisabnahmeverfahren deutlich verbessern. Ziel des Konservierungs- und Restaurierungskonzeptes war die Wiedererlebbarmachung der mittelalterlichen Bilddarstellungen unter Respektierung der Überfassungen des 19. Jahrhunderts (Abb ). Im Vordergrund stand die Konsolidierung von Putz und Malerei sowie die Reduzierung von Altüberzügen. Retuschen sollten im Regelfall erst am neuen Standort erfolgen. Konservierung und Restaurierung weiterer Wandfragmente wurden in den Jahren durchgeführt. Parallel dazu wurde ein architektonisch geeigneter, formal befriedigender und inhaltlich sinnvoller Aufstellungsort auf dem neugebauten Campusareal gesucht. Eine besondere Herausforderung lag darin, dass die Kunstwerke in einem noch laufenden Planungsvorgang in ein Gefüge bereits extrem komplexer Nutzungsanforderungen integriert werden mussten und dabei eher eine zusätzliche Komplikation von de facto untergeordneter Bedeutung darstellten. Im Fall der Wandbilder stellten ihre Größe, ihr Gewicht, die Zerstreuung der Fragmente auf zwei Standorte sowie die hohen Kosten für Restaurierung, Transport und Wiederaufstellung zusätzliche Schwierigkeiten dar. Nach mehrfachen Umplanungen verengten sich die Aufstellungsoptionen am Ende auf eine Passage zwischen dem Foyer des Neuen Augusteums und dem 1970 errichteten, modernisierten Hörsaalbau: Hier ließ sich einerseits eine Art Kreuzgangssituation evozieren, andererseits reichte der Platz nur für sechs Wandfelder, je drei zu beiden Seiten des Durchgangs. Planungen und Maßnahmen im Vorfeld der Aufstellung ab 2010 Die Wiederaufstellung der Einzelfragmente in ihren ursprünglichen maßlichen und bilddarstellerischen Beziehungen erforderte umfangreiche baukonstruktive, statische und logistische Planungen. Das Präsentationskonzept sah vor, Wandfelder zu schaffen, welche den Jochwänden im Kloster - durchgang nahekamen, und die Wandbilder ihrer historischen Einbaulage entsprechend zu zeigen. Aufgrund der Raumsituation mussten aus zehn möglichen Wandfeldern sechs ausgewählt werden. Grundlegend war, dass alle drei bekannten Malkampagnen mit einem signifikanten Beispiel vertreten sein und die thematische Bandbreite der unterschiedlichen Bildprogramme aufscheinen sollten. Ferner galten folgende Auswahlkriterien: 1. Zustand, 2. Lesbarkeit nach der Restaurierung, 3. historische Bedeutung. Von insgesamt 17 erhaltenen Wandmalereifragmenten aus zehn ehemaligen Jochwänden wurden 12 für die Restaurierung und Wiederaufstellung ausgewählt, darunter auch die vier Wandstücke aus dem Zimelienkeller der Universitätsbibliothek. Um alle Teile in technologisch einheitlichen und aufeinander abstimmbaren Arbeitsprozessen restaurieren zu können, wurden sie in dem zentralen Depot am Ostplatz zusammengeführt. Die fünf nicht aufgestellten Mauerteile sind aktuell in einer Halle der Material-Forschungs- und Prüfanstalt (MFPA) in Leipzig/Engelsdorf eingelagert. Die getroffene thematisch-chronologische Auswahl, die Beschaffenheit der einzelnen Wandfelder und der zur Verfügung stehende Raum brachten es mit sich, dass die ursprüngliche Abfolge in dem mittelalterlichen Bibliotheksdurchgang nicht wiederhergestellt werden konnte. Die drei Wände mit Darstellungen aus dem Jahr 1517 haben die gleiche reduzierte VDR 41

43 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 12 Erschütterungsfreier Transport in den Universitätsneubau mit Luftkissentechnik Restaurator bei der Demontage der Stahlkonstruktion von Zwischenzustand nach der Positionierung des Fragmentes II A/II B Mauerstärke von ca. 17 cm und wurden daher auf einem Podest zusammengestellt. Die drei anderen Wandfelder stammen zwar aus zwei unterschiedlichen Entstehungszeiten (15. Jahrhundert, 1515), wiesen aber eine übereinstimmende Wandstärke von ca. 40 cm auf und wurden auf dem 20 cm breiter ausgeführten, östlichen Podest errichtet (Abb. 17, 18). 15 Restaurator beim schrittweisen Rückbau der Holzbalkenkonstruktion von 1893 Der Transport in das Universitätsgebäude 2010 erfolgte mit Luftkissentechnik, um Erschütterungen des Mauerwerkes möglichst gering zu halten (Abb. 12). Im Aufstellungsraum wurden die einzelnen Fragmente mitsamt der Transportkonstruktion auf die jeweilige Position im Wandfeld gehoben und ausgerichtet. Nach einer provisorischen Befestigung an der rückseitigen Hilfskonstruktion wurden moderne und historische Stützkonstruktionen sukzessive entfernt und die kraftschlüssige Verbindung mit den modernen Substruktionen hergestellt. Die sechs Kranträger verblieben vor Ort und sind unter einer eingezogenen Unterhangdecke verborgen (Abb ). 16 Zustand während der schrittweisen, kraftschlüssigen Verbindung des Fragmentes mit dem Sockel Wiederaufstellung im Universitätsneubau 2010 bis VDR

44 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 17 Wandfelder auf dem westlichen Podest, Zustand nach Abschluss der Aufstellung Präsentation Konservatorische Überlegungen Als wichtigste museale Anforderungen für Kunstwerke gelten im Allgemeinen: 1. konstantes Raumklima, 2. Minimierung der Sonneneinstrahlung, 3. Vandalismusschutz, 4. angepasste Lichtstärke im Ausstellungsraum und 5. Staubfreiheit. Im Gegensatz dazu bewegt sich die Aufstellung der Paulinerfresken im Spannungsfeld zwischen diesen musealen Ansprüchen und den Gegebenheiten eines öffentlichen Raumes. Angesichts des komplexen Malschichtaufbaus und der historischen Zutaten ist es zweifellos wünschenswert, die Wandmalereien in einem möglichst stabilen Raumklima zu präsentieren. Doch zwang der vorhandene Raum auch in dieser Hinsicht zu Kompromissen, sofern man am Ziel der Aufstellung festhalten wollte. Über die bereits aufgeführten baukonstruktiven Problemstellungen hinaus waren konservatorische und gestalterische Ansprüche mit bauphysikalischen und brandschutztechnischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Im Planungsprozess wurden schon frühzeitig Vorund Nachteile der jeweiligen Lösungsansätze mit allen Beteiligten diskutiert und entsprechende Machbarkeitsstudien erstellt. In dem nach beiden kurzen Seiten offenen Verbindungsgang ist eine technische Klimatisierung nicht möglich. Angesichts der großen Ziegelmassen, die Feuchtigkeit zu speichern vermögen, sind die konkreten Auswirkungen von Klimaschwankungen auf die Malschicht gepuffert. Durchgeführte Klimamessungen der Raumluft haben die Außenluft vom Seitenausgang zum Hofbereich (Fluchtweg) sowie die Sonneneinstrahlung auf die Fassadenverglasung der Ostseite als Problemzonen identifiziert. Am Seitenausgang Hörsaalgebäude wurde für den Winterbetrieb daher eine Luftschleieranlage installiert, um den Einfluss der Außenluft auf das Binnenklima zu minimieren. Zur Ableitung des Luftstromes vom Seitenausgang sind zwischen dem Verbindungsgang und dem Fluchtwegbereich des Hörsaalgebäudes Trockenbauwände als Raumteiler eingebaut worden. Anfangs war eine Schutzverglasung der Wandmalereien im Aufstellungsraum vorgesehen, sodass mit der Vorplanung zweier raumhoher Vitrinen begonnen wurde. Die Abmessungen ergaben sich aus der Podestlänge (ca. 13,2 m), den Podestbreiten (ca. 1,50 m und 1,70 m) sowie der späteren Raumhöhe über den Podesten (ca. 4,60 m). Die technische Klimatisierung dieser Großvitrinen ließ einen hohen Wartungsaufwand und hohe Betriebskosten erwarten, zudem wurde angesichts der Größe die Gefahr eines im Detail abweichenden Mikroklimas gesehen. Wie sich zeigte, warfen auch Herstellung und Anmutung derartiger Vitrinen weitreichende Probleme auf. Da der Transport wandfeldgroßer Glasscheiben bauseits nicht zu gewährleisten war, wäre die Ver VDR 43

45 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli wendung massiver Metallschwerter und Sprossen erforderlich geworden, welche die Wahrnehmung der Werke in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt hätten. Der Einsatz von Plexiglas, das lediglich ein Drittel des Gewichts von Glas besitzt, musste wegen der Kratzanfälligkeit und dem Eintrag einer zu hohen Brandlast in einen Fluchtwegbereich ad acta gelegt werden. Angesichts eines Abstands zwischen Glasscheibe und Bildfläche von maximal 50 cm hätten die Scheiben für turnusmäßige Wartungs- und Pflegearbeiten an den Wandmalereien herausnehmbar sein müssen. Auch diese Anforderung war mit einer Großraumvitrine am Ende nicht vereinbar. Hinzu kommen die ästhetischen Erwägungen: Gegen eine Vitrinenlösung sprach auch die gravierende Beeinträchtigung der Raumsituation, die jetzt weitgehend ungestört ist und in der Tat an den historischen Durchgang im Kloster erinnert. Vorgestellte, geschlossene Glaswände mit rechtwinklig zur Laufrichtung verlaufenden Metallschwertern würden diese Erlebbarkeit weitgehend zunichtemachen. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Vitrine überwogen demnach die negativen Aspekte bei weitem, sodass diese Lösung schließlich verworfen wurde. Nach intensiver Diskussion mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und der Kunstkommission wurde eine Brüstungslösung als eingespannte Verglasung realisiert. In die Brüstung sollen die baugesetzlich geforderten Handläufe parallel zum Rampenverlauf integriert werden. Damit wird eine gewisse Distanz erzeugt, die Schäden durch Vandalismus zwar nicht prinzipiell verhindern kann, für den Alltag jedoch als ausreichend erachtet wird. Da es sich um einen rege frequentierten Raum handelt, wird zudem auf eine gewisse soziale Kontrolle gesetzt. Als zusätzliche Abschreckung befinden sich bereits zwei Kameras im Aufstellungsraum. Die Brüstungsvariante ermöglicht jederzeit eine mögliche Wartung und Pflege der Objekte (Abb. 18). Präsentation Gestalterische und didaktische Aspekte Grundlage des Gestaltungskonzeptes ist die Lesbarkeit der Aufstellungssituation für den Betrachter: Die Fragmente sollen sich unmittelbar als in einen Neubau transportierte Spolien eines verlorenen Bauzusammenhanges zu erkennen geben. Entsprechend zurückhaltend gestaltete sich die Retusche. Um die originalen Malereibereiche sind die großflächigen Mörtelergänzungen auf den aufgemauerten Schildwänden unbehandelt stehen geblieben. Sie treten im Oberflächenniveau zum malereitragenden Putz zurück, ohne hierbei den Anspruch einer Arriccio-Intonaco-Interpretation zu erheben. Ihre Farbigkeit orientiert sich an einer Grundfarbigkeit der Putz- und Malschichtfehlstellen aller sechs Wandfelder. Zur Beruhigung kleinteiliger heller Fehlstellen in der 18 Situation im Aufstellungsraum während einer restauratorischen Begutachtung im September 2015, Blick nach Süden 44 VDR

46 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli Malerei wurde eine Aqua sporca -Retusche in Annäherung an die Umgebungsfarbigkeit unter Ton ausgeführt. Auch die knapp 150-jährige Restaurierungsgeschichte soll für den Betrachter anschaulich werden. Am Dominikanerinnenstammbaum sind die Übermalungen von 1868 und 1870 ebenso ablesbar wie die Bergungsmethode des Jahres 1893, die mittels eines belassenen Holzbalkenstückes dokumentiert wird. Am Wandfeld gegenüber ist zudem ein kleines Fragment mit der Darstellung des heiligen Georg im unrestaurierten Zustand der Malerei mitsamt der historischen Ausbaukonstruktion als Primärdokument aufgestellt. Außerdem bleibt aus Gründen der Materialehrlichkeit die moderne rückseitige Stützkonstruktion sichtbar. Zur Hervorhebung der Wandmalereien wurden die Wandflächen des Raumes in einem neutralen Grauton gefasst (Abb. 17, 18). Die Podestflächen sind ebenfalls in einem Grauton gestaltet und besitzen eine mineralische, offenporige Oberfläche, während sich die Rampe mit der eigentlichen Lauffläche an dem bauseits auch anderswo verwendeten, schwärzlichen Steinbodenbelag orientiert. Präsentation Geplante Maßnahmen Die Erwärmung infolge direkter und indirekter Sonneneinstrahlung muss noch durch eine Beschichtung der Fassadenverglasung mit Sonnenschutzfolie reduziert werden, möglicherweise in Kombination mit einer Rolloverschattung. Im Aufstellungsraum soll eine jährliche Reinigung der Fragmente von Staubablagerungen durch einen Mitarbeiter der Kustodie oder einen Restaurator erfolgen. Die aktuelle Planung sieht ein einjähriges Monitoring des Raumklimas durch das Institut für Diagnostik in Dresden vor. Dabei sollen auch die definierten Referenzflächen der Malschicht detailliert überwacht werden. Campusübergreifend wurde ein einheitliches Beschilderungskonzept für die hier gezeigten Erinnerungskomplexe erarbeitet. Am Aufstellungsort der Dominikanerwandbilder sind Erläuterungen zu Herkunft, ikonografischem Programm, Restaurierungsgeschichte und Aufstellung vorgesehen. Zur Unterstützung der Lesbarkeit der Malereifragmente sollen auch die Durchzeichnungen von 1893 in Miniaturformat angebracht werden. Resümee Die vor hundert Jahren aus ihrem Kontext herausgelösten, mobilisierten Wandmalerei- und Architekturfragmente stehen heute stellvertretend für die verlorenen Gebäude des Klosterkomplexes St. Pauli. Für die Universität verweisen sie auf eine Phase dynamischer Expansion und damit eine wichtige Epoche der Universitätsgeschichte. Entsprechend dringend war der Wunsch, diese Zeugnisse wieder im kollektiven Gedächtnis der Stadt und der Hochschule zu verankern. Zugleich bewegt sich die Wiederaufstellung der Leipziger Dominikanerwandbilder, wie deutlich geworden ist, in sehr komplexen Spannungsfeldern unterschiedlichster Anforderungen und Sachzwänge. Die Campusumgestaltung bildete eine wahrscheinlich einmalige Chance. Ohne einen gewissermaßen kreativen Umgang mit dem vorhandenen Material und eine flexible Anpassung an sich bietende Möglichkeiten wären die Bildwerke einer dauerhaften Verbannung in Depots anheimgefallen. Im Gegensatz dazu eröffnet die gewählte Präsentationsform zahlreiche historische Informationen und Einblicke. Denn ihres fragmentarischen Zustands zum Trotz vermitteln die Malereien als einzelnes Wandfeld und im Raumzusammenhang aller sechs Wandfelder eine Vorstellung ihrer ursprünglichen Wirkung im Bibliotheksgang. An einigen Mauerstücken deuten sich in Fehlstellen sogar die zugemauerten Fenster des Sommerrefektoriums vom Ende des 15. Jahrhunderts an und werfen Schlaglichter auf die Baugeschichte dieses Traktes. Konservatorisch ist die Aufstellung mit Risiken behaftet. Ein vollumfänglicher Schutz gegen Beschädigung schien nicht realisierbar und mit einer weitreichenden Schädigung der Aura der Werke verbunden. Eine Situation, welche die Werke erhält, aber ohne jegliche Perspektive dauerhaft ins Depot verbannt, wirft die Frage nach dem Zweck musealer Sammlungen auf. Die von den Wandbildern entfaltete historische Anmutung, wenn nicht gar Poesie, ist in jedem Fall von großer Suggestivität und dürfte ihre Wirkung nicht verfehlen. Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen Kustos der Kunstsammlung und Leiter der Kustodie der Universität Leipzig Goethestraße Leipzig rudolf.hiller@zv.uni-leipzig.de Dipl.-Rest. Albrecht Körber Siebekingstraße Dresden info@koerber-restauratoren.de Anmerkungen 1 GAERTRINGEN/KÖRBER 2014, S KUNSTKOMMISSION 2005, vgl. URL: < kustodie/besuchen-sie-uns/kunst-auf-dem-campus.html> 3 KUSCHE/STEINFÜHRER 2009, S MAREK 2009, S FRANKE 1961, S MAREK 2009, S ; FRANKE 1961, S TOPFSTEDT 2009, S , bes. S TOPFSTEDT 2009, S , bes. S Die Bezeichnung Fresken und Kreuzgang gehen vermutlich auf die Beschreibung im Gutachten nach der Freilegung 1836 zurück. Vgl. SCHWARZ 1997, S SCHREIBER GERSDORF 1850 (49), S SCHWARZ 1997, S MOSER 1872, S VDR 45

47 Wandmalereiabnahmen Leipzig St. Pauli 14 KÖRBER 2005 /2006. Anhang, Probenprotokoll L_DK05/06_02 15 GURLITT , S SCHREIBER DRESCHER 1892, Inv. Nr. SK/17 18 DRESCHER 1892, Lose Sammlung von Zeitungsausschnitten in den Skizzenbüchern. 19 KOSAKOWSKI/KARASZKIEWICZ 1992, S GURLITT GURLITT Wahrscheinlich wurden damals neun Fragmente aufgegeben. 22 SCHWARZ 1997, S Klimamessungen vom August 1992, KOSAKOWSKI/KARASZKIEWICZ HENNIG/SCHULZ KOSAKOWSKI/KARASZKIEWICZ KÖRBER 2005/2006 Literatur DRESCHER 1892: Heinrich Georg Drescher, Skizzenbücher, Leipzig 1892, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv. Nr. SK/17 FRANKE 1961: Erich Franke, Die Universitätsgebäude. In: Heinrich Füßler, Leipziger Universitätsbauten. Die Neubauten der Karl-Marx-Universität seit 1945 und die Geschichte der Universitätsgebäude, Leipzig 1961, S. 179 GERSDORF 1850: Ernst Gotthelf Gersdorf, Die Wandgemälde im Kreuzgange des Paulinums zu Leipzig. In: Deutsches Kunstblatt I, Leipzig 1850 (49), S GURLITT 1897: Cornelius Gurlitt, Schreiben an die Königliche Kommission für die Erhaltung der Kunstdenkmäler vom (Aktenarchiv Landesamt für Denkmalpflege, Sachsen, Dresden. Abschrift HENNIG/SCHULZ 1969: Erich Hennig und Matthias Schulz, Bericht über durchgeführte Arbeiten und Untersuchungen zur Abnahme der Fresken der ehemaligen Uni-Kirche, Bericht (Aktenarchiv Landesamt für Denkmalpflege, Sachsen, Dresden) GAERTRINGEN/KÖRBER 2014: Rudolf Hiller von Gaertringen und Albrecht Körber, Die Rückkehr der Paulinerfresken. Erhaltung und Präsentation der Wandmalereifragmente aus dem ehemaligen Dominikanerkloster in Leipzig vom 19. bis ins 21. Jahrhundert.. In: Maria Deiters, Jan Raue, Claudia Rückert (Hg.), Der Berliner Totentanz. Geschichte-Restaurierung-Öffentlichkeit, Berlin 2014, S KÖRBER 2005/2006: Albrecht Körber, Die erhaltenen Wandfragmente aus dem Bibliotheksgebäude des ehemaligen Dominikanerklosters St. Pauli in Leipzig. Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzeptes am Fragment IV B, unveröffentlichte Diplomarbeit an der HfBK Dresden, 2005/2006 KOSAKOWSKI/KARASZKIEWICZ 1992: Edward Kosakowski/Pawel Karaszkiewicz, Die Pauliner Fresken. Beschreibende Dokumentation der Arbeiten, die in 1992 ausgeführt wurden, Krakau 1992 (Doku - mentationsarchiv Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Dresden; Archiv Kustodie/Kunstsammlung, Universität Leipzig) KUNSTKOMMISSION 2005: Kunstkommission der Universität Leipzig, Empfehlungen für die Integration universitären Kunstbesitzes im Bestand der Kustodie in den Neubau am Augustusplatz, Stand , vgl. URL: ( ), Download Kunstkonzept, ferner ebd., den Link rechts Mehr Informationen zum Projekt Kunst auf dem Campus mit Standortplan KUSCHE/STEINFÜHRER 2009: Beate Kusche und Henning Steinführer, Die Bauten der Universität Leipzig von 1409 bis zum Beginn des dreißigjährigen Krieges. In: Michaela Marek/Thomas Topfstedt (Hrsg.), Geschichte der Leipziger Universitätsbauten im urbanen Kontext, unter Mitwirkung von Uwe John (Geschichte der Universität Leipzig , Bd. 5), Leipzig 2009, S. 44 MAREK 2009: Michaela Marek, Rentabilität, Funktionalität, Repräsentation. Innerstädtische Bauaktivitäten der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert. In: Michaela Marek und Thomas Topfstedt (Hrsg.), Geschichte der Leipziger Universitätsbauten im urbanen Kontext, unter Mitwirkung von Uwe John (Geschichte der Universität Leipzig , Bd. 5), Leipzig 2009, S MOSER 1872: Otto Moser, Das Leipziger Dominikanerkloster und seine Wandgemälde. Separatdruck aus der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung, Leipzig, 1872, S SCHREIBER 1909: Theodor Schreiber, Die Wandbilder des Kreuzgangs der alten Universität Leipzig. Nach Durchzeichnungen über den Originalen, Leipzig 1909 SCHWARZ 1997: Alberto Schwarz, Die Wandmalereien aus dem Paulinum der alten Leipziger Universität. In: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hrsg.), Denkmalpflege in Sachsen , Erster Teil, Weimar 1997, S. 312 TOPFSTEDT 2009: Thomas Topfstedt, Die bauliche Entwicklung der Universität Leipzig von 1946 bis In: Michaela Marek und Thomas Topfstedt (Hrsg.), Geschichte der Leipziger Universitätsbauten im urbanen Kontext, unter Mitwirkung von Uwe John (Geschichte der Universität Leipzig , Bd. 5), Leipzig 2009, S , bes. S Abbildungsnachweis Abb. 1: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung Gerahmte Bilder, XXVI/18, Fotografie Albrecht Körber Abb. 2: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Bildsammlung, Fotobearbeitung Albrecht Körber Abb. 3: Kunstbesitz der Universität Leipzig, Kustodie/Kunstsammlung, Inv. Nr. 3457/90 Abb. 4: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Fotoarchiv Inv. Nr.: F 4248/ 2005 Abb. 5, 10 12,16: Marion Wenzel, Universität Leipzig Abb. 6 8: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Skizzenbücher von H. G. Drescher 1892, Inv. Nr.: SK/17, Fotos: Albrecht Körber Abb. 9: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Bildsammlung Abb : Albrecht Körber 46 VDR

48 Totentanz von Metnitz La stagione degli stacchi, oder: die Geister, die wir riefen Zur Zweitübertragung des Totentanzes von Metnitz Ivo Hammer Die Abnahme von Wandmalereien schien lange eine technisch spektakuläre Königsdisziplin der Erhaltung, noch befeuert durch den Gewinn von Sinopien, Unterzeichnungen und sogar einzelnen Malschichten. Viele Wandmalereien, die im letzten Jahrhundert abgenommen wurden, befinden sich heute in einem beklagenswerten Zustand und müssen erneut oder gar ein drittes Mal übertragen werden Totentanz der Bilder. Neben den üblichen Problemen der Adhäsion der Wandmalerei auf dem künstlichen Träger, Alterungsphänomenen und entsprechenden opti - schen Veränderungen dürfen auch die an der Oberfläche der Wandmalerei konzentrierten und mit abgenommenen löslichen Salze nicht vergessen werden. Die Geschichte der Abnahme von Wandmalereien kann man als Geschichte der Hilflosigkeit gegenüber den Schadensursachen bezeichnen. Die nach 1966 entwickelten Methoden der Erhaltung in situ sind auch in der Fachwelt noch nicht ausreichend bekannt. La stagione degli stacchi, or: The spirits that we called The re-transfer of the murals of Metnitz Danse Macabre The detachment of murals was long appreciated as a technically spectacular supreme discipline of conservation, still fueled by the 'profit' of sinopia and preparatory design. Many murals that were detached in the last century are now in a deplorable state and must be re-transported, or even a third time danse macabre of the pictures. In addition to the usual problems of adhesion of the wall painting to the artificial support, aging phenomena and corresponding optical changes, it is important not to forget the salts concentrated on the surface of the wall painting and transported to the new support in the process of the detachment of the wall painting. The story of the detachment of murals can be described as a history of helplessness versus the causes of damage. The methods of conservation in situ developed after 1966 are not sufficiently known in the professional field. Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los. (Aus: J. W. v. Goethe, Der Zauberlehrling, 1797) Traurige Erfahrung Mein erster Kontakt mit abgenommenen Wandmalereien fand in einer für mich letztlich bedrückenden Ausstellung im Haus der Kunst München in der Zeit vom 11. Juli bis 24. August 1969 statt. Unter dem Titel Fresken aus Florenz wurden Wandmalereien ausgestellt und auf der ganzen Welt gezeigt, die durch Abnahme von der Wand und Übertragung auf einen neuen Support zu transportablen, musealen Gegenständen geworden waren. Nach der Flut von Florenz 1966 wollte man sich auch auf diese Weise für die internationale Hilfe bedanken. Vor mehr als 50 Jahren also, als junger freiberuflicher Restaurator und Student der Kunstgeschichte, besuchte ich diese Ausstellung in München. Ich war früh unterwegs und fand als einer der Ersten an diesem Tage Einlass. Es war ein heißer und sonniger Augusttag. Die dunklen Böden des Museums blitzten vor Sauberkeit. In einem der großen Räume hingen nicht weniger als 9 zwischen 4 und 7 qm große Tafeln mit monochromen Wandmalereien von Andrea del Sarto aus dem Kloster der Compagnia di S. Giovanni Battista allo Scalzo in Florenz. Diese Tafeln, deren Träger nach dem Katalog aus dünner Hartfaserpappe mit dem Produktnamen MASONITE bestand, waren alle etwas deformiert und standen ca. 5 cm am unteren Rand von der Wand ab. In dem fast gleißenden hypäthralen Licht fielen mir auf dem Boden unter den Tafeln leichte Flecken auf. Ich wischte den Boden unter einer Tafel ich glaube es war die Predigt des Täufers von 1515 mit dem Finger und hatte auf meiner Fingerkuppe weiße Partikel, die eindeutig von den Weißhöhungen stammten, ich sah bei genauerer Betrachtung winzige Ausbruchstellen in diesen Weißhöhungen. Ich erinnere mich noch an meinen Zorn über die Gleichgültigkeit vieler Kunsthistoriker gegenüber der konkreten historischen Substanz, der Materialität des Kulturguts. 1 Tausendjährige Praxis Die Geschichte der Wandmalerei-Abnahmen kann ich hier als weitgehend bekannt voraussetzen. Schon Vitruv und Plinius der Ältere berichten von Abnahmen. Vitruv beschreibt eine Abnahme mitsamt eines Teils der Ziegelmauer, also ein stacco a massello. 2 Auch aus dem 16./17. Jahrhundert gibt es Berichte von Wandmalerei-Abnahmen in Italien, unter anderem von Vasari. 3 Im Italien des 18. Jahrhunderts war die Tradition des distacco a massello und wohl auch das stacco, die Abnahme der Wandmalerei mitsamt dem intonaco ben VDR 47

49 Totentanz von Metnitz 1 Rom, Vatikan, Pinakothek, Wandmalerei-Fragmente aus der Apsidenkuppel der Kirche Santi XII Apostoli in Rom, Melozzo da Forli (ca ), 1711 wegen einer Modernisierung der Kirche in 16 Teilen in Stacco-Technik abgenommen (Foto 2010) viva, also sehr lebendig hat der Ferrarese Antonio Contri die erste Strappo-Abnahme durchgeführt, damit beginnt die Übertragung von Wandmalerei auf Leinwand. 5 Über die Gründe der Abnahmen in diesen Zeiten ist allerdings weniger bekannt erließ die italienische Denkmalpflege Vorschriften, um die grassierenden Wandmalerei-Abnahmen einzudämmen. Anlass waren die napoleonischen Requirierungen, aber auch Diebstahl und illegaler Handel. 6 In seinem bekannten Manuale von 1866 schreibt Ulisse Forni, Schüler von Secco Suardo, dass eine Abnahme gerechtfertigt sei, wenn das Wandbild durch die Witterung und durch schädliche Umgebung beeinträchtigt und beschädigt ist (Abb. 1). Forni weist aber auch auf den Missbrauch hin, gut erhaltene Wandmalereien abzunehmen und stellt fest, dass dies nur den Zustand verschlimmern könne. 7 Einzelfälle der Wandmalerei-Übertragung Die Geschichte der Abnahme der Wandmalereien kann man, von Ausnahmen abgesehen, 8 als eine Geschichte der ideellen und recht häufig auch materiellen Katastrophen bezeichnen (Abb 2, 3). 9 Dennoch würde es nicht dem Ziel der Erhaltung 2 Salzburg, Nonnberg, Stiftskirche, Wandmalerei Mitte 12. Jahrhundert., 1977 durch Sebastian Enzinger abgenommen und auf einen mit Glasfaser verstärkten Epoxidharz-Träger (facing: Schellack, backing: Acrylharz) montiert. Die abgenommene Nische steht vor der benachbarten, in situ befindlichen Malerei, die Schäden durch Mikroorganismen und lösliche Salze aufweist wurden die übrigen Malereien durch Reinigung der Oberfläche, Desinfektion und durch Wiederherstellung des ursprünglichen, vor 1895 bestehenden und für die Erhaltung günstigen Raumklimas konserviert. Die nach der Entdeckung der Wandmalereien geöffneten Raumteile wurden mit Glasplatten verschlossen (Foto 1988). 3 Volders, Schloss Friedberg, Turnierszene 14. Jahrhundert, 1949 im Strappo-Verfahren abgenommene Wandmalerei, Detail, Zustand am (Unterkante der Abbildung ca. 5 cm) 48 VDR

50 Totentanz von Metnitz dienen, in jedem Fall eine Abnahme von Wandmalereien abzulehnen. 10 In einzelnen Fällen kann man auf eine Übertragung nicht verzichten. Ich nenne im Folgenden kurz einige Beispiele aus meiner Praxis. 11 Bei der statischen Sicherung der GARTENTREPPE DES HAUSES TU- GENDHAT in Brünn (1930), die einsturzgefährdet war, weil die Brunnenfundamente der Stahlpfeiler durch undichte Abwasserrohre hangabwärts rutschten, ist man bei der Restaurierung des Hauses auf meinen, von Kollegen der Expertenkommission THICOM unterstützen Vorschlag eingegangen, den originalen Putz der Gartentreppe zu erhalten. Nach geodätischer Vermessung hat ein Konservator-Restaurator 40 qm originalen Putz gereinigt, durch Facing (Überklebung) und Holzrost stabilisiert und die deformierte Ziegelmauer an der Rückseite entfernt. Nach statischer Sicherung der Stahlpfeiler hat man den abgenommenen Putz geodätisch genau an die ursprüngliche Stelle gesetzt und die Ziegelmauer von der Rückseite her wiederaufgebaut (Abb. 4a, b). 12 schließlich an ihre ursprüngliche Stelle in ein Mörtelbett verlegt. 13 Der 1904 in 8 Teilstücken abgenommene BEETHOVENFRIES VON GUSTAV KLIMT (14. Ausstellung der Secession in Wien, 1902) lagerte jahrzehntelang in verschiedenen Depots, konnte aber nicht mehr an die ursprüngliche Stelle im Jugendstil-Pavillon von Joseph Olbrich reappliziert werden, weil die Secession als privates Museum und lebendiger Ausstellungsraum für moderne Kunst genutzt wird. Bei der Restaurierung ersetzten wir also die nicht mehr vorhandene Wand durch eine regulierbare Stahlkonstruktion, die nur mit Klemmen mit den aus einer hölzernen Sparschalung, Schilf- Die Ziegelmauern des Hauses des 18. Jahrhunderts in WIEN 7, SPITTELBERGGASSE 9 waren nach Einschätzung der Statiker 1978 so stark beschädigt, dass sie teilweise unter Verwendung der alten Ziegel neu aufgebaut werden mussten. Die absturzgefährdeten, fragmentierten Putzteile haben wir mit einer provisorischen mechanischen Sicherung abgenommen, die Rückseite zwischenstabilisiert, die Überputzungen und Übertünchungen entfernt und die Fragmente der ursprünglichen Fassadenmalerei aus der Zeit um a und b Brünn, Tschechische Republik, Haus Tugendhat, 1930, Fassade der Gartentreppe. Konservierung des originalen Putzes durch temporäre Abnahme; 4a) Facing stabilisiert mit Holzkonstruktion, die verformte Ziegelmauer dahinter bereits abgearbeitet; Konservator-Restaurator Josef Červinka; 4b) Südwestfassade, nach Versatz des originalen Putzes an die ursprüngliche Stelle entsprechend geodätischer Vermessung und Aufbau der Ziegelmauer dahinter auf neuem Fundament (Foto 2010 und 2011) a b VDR 49

51 Totentanz von Metnitz a b c 5a, b und c Beethovenfries, Gustav Klimt, 1902, ephemere Wandmalerei für die 14. Ausstellung der Secession, Wien, 1904 in 7 Teilen abgenommen, Stabilisierung und Adjustierung des Putzträgers mit Hilfe einer reversiblen Stahlkonstruktion; 5a) Nagender Kummer, Vorzustand 1978: oberer Rand und Sägekante gebrochen; 5b) Teilstück 4, Detail: Stahlrahmen und verstellbare Klemmen; 5c) Gebrochener oberer Rand des Teilstücks 4: Stabilisierung unter Erhaltung des schubweichen Systems (Foto 1982, 1983) rohr und bemaltem und stuckiertem Putz bestehenden originalen Teilen verbunden ist. Die stark deformierten Platten konnte man auf diese Weise wieder zu einem kontinuierlichen Fries zusammenfügen (Abb. 5a c). 14 Zu den notwendigen Übertragungen gehört auch die Stabilisierung und PRÄSENTATION ARCHÄOLOGISCHER FUNDSTÜCKE, wie jene der römischen Wandmalerei-Fragmente aus dem 3. Jahrhundert u. Z. von Enns/Lauriacum in Oberösterreich, die wir 1976 begonnen haben. 15 Die 1583 entstandene SGRAFFITO-FASSADE IN HORN in Niederösterreich wurde 1900 von schützenden Überputzungen befreit und war seitdem dem immer rasanteren Verfall preisgegeben. Versuche der Konservierung erfolgten in immer kürzeren Zeitabständen. Als Niederlage empfand ich, dass es mir 1979 nicht gelungen ist, die Verantwortlichen von der Möglichkeit der Erhaltung in situ zu überzeugen, indem der Putz mineralisch konsolidiert wird und die schädlichen Salze einschließlich der massiven Vergipsung vermindert werden. Das Wappenfeld haben wir zur Dokumentation abgenommen und auf einen mit Glasfaser verstärkten Epoxydharz-Sandwichträger montiert, es fristet heute im Höbarth Museum in Horn sein endliches Leben (Abb. 6). 16 Für den Bau der U-Bahn am Stephansplatz in Wien musste man 1973 den nordwestlichen Teil der unterirdischen VIRGIL- KAPELLE (1220/30) mit der um 1246 gemalten Dekoration entfernen. Ein Teil der Dekoration, das griechische Kreuz in der (Pseudo-) Konche, haben die Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts in einer Notmaßnahme im Strappo-Verfahren abgenommen. 17 Von der gegenüberliegenden, erhalten gebliebenen (Pseudo-) Konche machten wir 1978 mit Poly - urethan-hartschaum und Metallversteifung eine Abformung, die als Gegenform für den Aufbau eines Trägers der Wandmalerei diente. Den Träger (Support) haben wir in Sandwich- Technik mehrschichtig aufgebaut, er besteht aus Glasfasergewebe, vorgeklebt mit Acrylharz PARALOID B72, verstärkt mit Epoxydharz und Polyvinylchlorid-Schaumplatten (AIREX) in Wabenform. Mit Hilfe der Gegenform konnten wir dem Träger eine dem historischen Bestand entsprechende, physisch wahrscheinliche räumliche Gestalt geben und die nach fünf Jahren stark verformte Strappo-Abnahme so auf den Träger aufpressen, dass eine glaubhafte Form einer verputzten Oberfläche entstand. Die übertragene Wandmalerei haben wir an der ursprünglichen Stelle in der mit Beton rekonstruierten Nische appliziert und mit einem Mörtel aus Kalk-Trassit-Plus und gelblichem Marchsand eingeputzt. Um die entsprechende Krümmung zu erreichen, mussten wir erhebliche Mengen Putz auftragen. Auch die übrigen Betonflächen haben wir mit dem gleichen Putz beschichtet und mit einer dem verwitterten Zustand des originalen Putzes entsprechenden Oberfläche ästhetisch in den Gesamtraum integriert (Abb. 7a c). 18 Ein Sonderfall war die Abnahme der Thomas-Darstellung des späten 14. Jahrhunderts in der SPITALKIRCHE VON BAD AUSSEE. Der Landeskonservator hatte die Wandmalerei aufgrund des fortgeschrittenen Verfalls 1977aufgegeben, die Gemeinde wollte aber auf die Malerei nicht verzichten. So haben wir 1978 die Wandmalerei mit einer Retusche, die eher der Lesbarkeit als der Präsentation des Fragments verpflichtet war, samt dem neuen Epoxydharz-Sandwich-Träger an der ursprünglichen Stelle versetzt VDR

52 Totentanz von Metnitz 6 Horn, Niederösterreich, Kirchenplatz 3, Sgraffitohaus, 1583, 1900 Überputzungen entfernt, Restaurierungen: 1904, 1937, 1962; künstlerisch rekonstruiert (1979), lediglich das Wappenfeld wurde abgenommen (Foto 2017) Kritik der Abnahme von Wandmalerei Fassen wir zusammen: Die Abnahme von Wandmalereien und Übertragung auf einen beweglichen Träger ist eine konservatorische Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten muss. Sie ist eine Notmaßnahme, die jedenfalls einen bedeutsamen ästhetischen und technologischen Zusammenhang zerreißt. Sie führt unvermeidlich zu ästhetischen Veränderungen an der Wandmalerei selbst: in der Lichtrefraktion und in der Farbe, im Oberflächen-Relief, im Alterungsverhalten. Lange wurden auch die für Kaschierung und Träger verwendeten Materialien in ihrem eigenem Alterungsverhalten unterschätzt. Eine wachsende Zahl von Wandmalereien, die noch vor 50, 100 Jahren abgenommen wurden, befinden sich heute in einem beklagenswerten Zustand und müssen erneut oder gar ein drittes Mal übertragen werden. Neben den üblichen Adhäsions Problemen dürfen auch die (mit abgenommenen) löslichen Salze sogar bei Strappo-Abnahmen nicht vergessen werden (Abb. 8). 20 Die Geschichte der Abnahme und Übertragung von Wandmalereien ist nicht zuletzt die Geschichte mangelnder Kenntnis der Schadensfaktoren, ihrer Bedeutung und Dynamik. Sie ist die Geschichte der Hilflosigkeit gegenüber den Schadensursachen. 21 Auch der Glaube an die Beherrschbarkeit aller Probleme durch die moderne Naturwissenschaft und Technologie, der in den 1960er- und 70er Jahren besonders weit verbreitet war, führte aus heutiger Sicht zu Irrwegen, unter denen auch die Wandmalereien zu leiden hatten. 22 Der invasive Umgang mit der Wandmalerei verweist auch auf ein Problem der kulturellen Bewertung. Der bis heute nicht überwundene Autonomiebegriff von Kunst 23 lastet auch auf den Wandmalereien, sie werden als sowohl technisch als auch ästhetisch autonome Objekte verstanden, losgelöst von dem räumlichen und inhaltlichen Kontext. Als Gattung wurden die Wandmalereien im herrschenden kulturellen Verständnis in Österreich, vielleicht sogar generell außerhalb Italiens, lange Zeit als eher zweitrangiges, dekoratives Metier bewertet 24 eine Einstellung, die bis heute nicht überwunden ist, als angewandte Kunst, deren konservatorisch-restauratorische Bearbeitung bis heute nicht immer entsprechend spezialisierten Fachkräften überlassen wird. Moderne Kriterien der Restaurierung haben sich später als in anderen Medien (wie z. B. Gemälde oder polychromierte Skulptur) durchgesetzt. An kritischen Stimmen hat es nicht gefehlt. 25 Paolo Mora, Laura Mora-Bordoni und Paul Philippot formulierten im Rahmen der Wandmalerei-Kurse am ICCROM die bis heute aktuelle und gültige Kritik: VDR 51

53 Totentanz von Metnitz Wandmalerei ist integraler Bestandteil jener Architektur, die sie vervollständigt. Deshalb ist jede Trennung der Malerei von ihrem ursprünglichen Träger eine radikale und irreversible Veränderung beider Teile. Sie ist deshalb eine extreme Maßnahme, auf die nur dann zurückgegriffen werden sollte, wenn eine Untersuchung der Gesamtsituation zweifelsfrei ergeben hat, dass die Hauptursachen der Schäden nicht in situ behoben werden können. 26 Giorgio Torraca schließt in seinem fundamentalen Aufsatz über die Wandmalerei in dem berühmten, von Giovanni Urbani 1973 herausgegebenen Buch Problemi di Conservazione seine Argumentation über die Abnahme von Wandmalerei mit folgenden des Zitierens werten Worten ab: Die Abnahme von Fresken ist vielleicht das beste Beispiel für die Vorstellung von Kulturgut als Konsumartikel, der zur intensiven Ausbeutung bestimmt ist. Das Bild wird durch die Ablösungsoperation in seine Bestandteile zerlegt (Sinopie, Vorzeichnung, Bemalung) und transportfähig gemacht, um an verschiedenen Orten ausgestellt werden zu können. In der Praxis verwandelt es sich in ein verderbliches Produkt des schnellen und leichten Verzehrs, das nach intensiver Nutzung in Museen oder in den Depots der Denkmalämter fast vergessen wird. Die Parabel des abgenommenen Freskos könnte vielleicht eines Tages symbolisch eine Politik der Erhaltung des kulturellen Erbes repräsentieren, die auf Restaurierung als Verbrauch eben dieser Kulturgüter beruht. Wie edel die Zwecke dieses Verbrauchs auch sein mögen, es ist wahrscheinlich, dass die von ihm erzeugten Schäden die kombinierten Wirkungen, die von Umweltfaktoren und Zivilisationskrisen in der Vergangenheit ausgegangen sind, überwiegen werden. 27 a 7 a, b und c Wien Stephansplatz, Virgilkapelle, unterirdische Kapelle, um , 1781 zugeschüttet nach der Schleifung der darüber gebauten Magdalenenkapelle, 1972/73 archäologisch ausgegraben, Übertragung der in einer Notabnahme während des U-Bahn-Baus 1973 abgenommenen roten Bemalung einer Nische; 7a) Übertragung auf der Abformung der gegenüberliegenden erhaltenen Nische; 7b) in Beton teilrekonstruierter Westteil der Kapelle (mit Sichtfenster); 7c) Applikation der übertragenen Malerei an der ursprünglichen Stelle auf der Beton-Rekonstruktion (Foto 1978) b c 52 VDR

54 Totentanz von Metnitz a e b c d f g h 8 a h Metnitz, Totentanz, um 1500, 1969 vom Karner (Beinhaus) abgenommen; 1970 in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts auf Polyester-Glasfaser-Aluwinkel (backing: Kalk-Kasein-PVA) übertragen, Zweitübertragung , 1996; 8a) Koch, Bauer, Kind, Mutter, Zustand 1938; 8b) Aquarellkopie,1885, im Maßstab 1:7, Bundesdenkmalamt; 8 c) Kind, Mutter, Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Oberfläche (ELF) bei 80% relativer Luftfeuchte und 19 C die erhöhten Werte sind ein Indiz für hygroskopische Feuchtigkeit; 8 d) Kopie zum Studium der Maltechnik und zur Erprobung der Konservierungsmethode in der Klimakammer 1988; 8e) Kopie in situ, 1989 (Walter Campidell, Dietrich Wiedergut); 8f) Schäden durch Salze und Leimspannungen; 8g) Abschleifen der Rückseite; 8h) Doppelter Arbeitstisch für Anpressdruck und mit Kippvorrichtung, klimatisiertes Arbeitszelt (70% RLF, also überdurchschnittlichen der Gleichgewichtsfeuchtigkeit der Salzmischungen) VDR 53

55 Totentanz von Metnitz Bilder der Vergänglichkeit Vergänglichkeit der Bilder: der Totentanz von Metnitz Die Zweitübertragung des Totentanzes von Metnitz soll als exemplarischer Fall im Folgenden eingehender beschrieben werden. 28 Unmittelbar südlich der Pfarrkirche von Metnitz/Kärnten, auf 850 m Seehöhe, im Bereich des Friedhofs der Kirche befindet sich der Karner, das Beinhaus. Es ist ein kleiner achteckiger Bau mit ca. 11 m Länge aus Bruchsteinmauerwerk mit einem kleinen 5/8-Chor an der Ostseite, mit steilem Pyramidendach, Dachlaterne und ehemals einfachem Pultdach auf dem Chor, gedeckt mit Lärchenschindeln. Der Eingang zum Beinhaus im Untergeschoss liegt im Osten, jener zum oberen gewölbten Raum im Norden. Die schmalen Fensteröffnungen sind mit glatten weißen Faszien gerahmt und kreuzlilienförmig bekrönt. Dazu gehörte vermutlich ein rau - erer, überglätteter Verputz im Naturton, der jetzt sichtbare Verputz ist nicht ursprünglich. Die Totentanz Fresken waren als circa 1,20 m breiter und insgesamt 50 m langer Fries auf die Außenmauer des Karners gemalt, beginnend in Höhe der Solbänke der Chorfenster, im Eingangsbereich in Augenhöhe. Schon früh, jedenfalls schon vor 1875, 29 schützte man den Fries durch ein Schindel-Vordach. Zu dieser Zeit war der Fries bereits an der Südwestseite zur Gänze, an der Westseite teilweise verloren. 19 Paare waren noch sichtbar, die Schrift bereits unlesbar. Dieser Schutz allein konnte den weiteren Verfall der Fassadenmalereien nicht aufhalten. Vom erhaltenen Bestand wurde 1885 im Auftrag der k.k. Zentralkommission im Maßstab ca. 1:7 eine Aquarellkopie angefertigt waren nur noch fünf Paare zu sehen. 31 Mit der Absicht, die wenigen noch einigermaßen lesbaren Darstellungen vor der völligen Zerstörung zu bewahren 32, wurden 1969 die am besten erhaltenen Teile (NW-, N-, NO- Wand und Chörlein-N-Wand) durch John Anders und Sebastian Enzinger im Strappo-Verfahren abgenommen und 1970 von Emmerich Mohapp in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts auf Polyester-Glasfaser-Aluwinkel-Platten übertragen. Die Entscheidung für die Übertragung entsprach der damals herrschenden Fachmeinung, erinnert sei an die erwähnte, 1969/70 in ganz Europa gezeigte Ausstellung der nach der Flut von 1966 abgenommenen Fresken in Florenz entfernte man das Schutzdach, die bei der Strappo-Abnahme verbliebenen Verputzreste wurden abgeschlagen. Die Gemeinde ließ 1989 von Walter Campidell und seinem Mitarbeiter Dietrich Wiedergut eine Kopie der im übertragenen Original vorhandenen und aus der Aquarellkopie rekonstruierbaren Szenen des Totentanzes in Freskotechnik am Karner anbringen. Die Kopie berücksichtigt in gemalter Form die Spuren der Verwitterung im übertragenen Original und in der Aquarellkopie. Die zugehörigen Bildtexte, die bis auf geringe Reste nicht erhalten sind, wurden nach dem sehr wahrscheinlich zugehörigen oberdeutschen Text rekonstruiert. Den Rahmen bildet ein Haustein imitierendes Profil, das mit einer schwarz-roten schablonierten Maßwerk-Bordüre dekoriert ist, und das am unteren Rand den beim Totentanz üblichen Schriftfries mit einschließt. Der Text ist nur vom Kopisten von 1885 in einem Fragment überliefert, das aber eindeutig an die oberdeutsche Tradition der Totentanz-Texte anschließt. 34 Sie bringen in Form eines Dialogs zwischen Tod und Lebenden Bibelzitate, Trostsprüchlein und auch moralisierende Verse, teilweise mit sozialkritischer Konnotation. Stil, Datierung Die kunsthistorische Literatur ging lange übereinstimmend von einer Datierung um 1500 aus. 35 Die wenigen erhaltenen originalen Reste (außer den Kopien von 1885) machen eine genauere Beurteilung schwierig. Wahrscheinlich hat derselbe Maler auch das 1954/55 (von Franz Walliser) freigelegte und 1980 (von Walter Campidell) neuerlich restaurierte Christophorusfresko an der Südfassade der Metnitzer Pfarrkirche ausgeführt. 36 Eine genauere stilkritische Untersuchung steht noch aus. Die von Grueber 1891 mitgeteilte Datierung von kann sich nicht auf die Entstehungszeit beziehen, sondern ist eines der vielen Graffiti, wie sie auf öffentlich zugänglichen Wandmalereien häufig zu finden sind, auch auf dem Metnitzer Totentanz. Die Feinheit der Malweise gepaart mit grafisierenden Stilelementen lassen vermuten, dass hier ein Tafelmaler am Werk war, der vielleicht auch auf ein gemaltes Totentanzbüchlein 38 also auf bemalte Handzeichnungen als Vorlage zurückgegriffen hat. Maltechnik 39 Der Sand des einschichtig auf granitischen Bruchstein aufgetragenen Freskoputzes enthält sehr dunkle Kornanteile. Die Oberfläche ist mit gebrochen weißem Kalkbrei ein- bis zweimal eingestrichen und geglättet, aber auf Grund des Bruchsteinmauerwerks uneben. Feine direkte Ritzungen finden wir in dieser Glättschicht als Felderteilungen (Terraingrenze, Mauer, Rubrizierung im Schriftfries), als Mittelachse jeder Figurengruppe, als Linierung aller Geraden (z. B. Krücken, Bratspieß) und als nur teilweise sichtbare Vorritzung der figürlichen Teile (wahrscheinlich auf Basis von Karton- Pauspunkten). Das wenig poröse Bruchsteinmauerwerk erlaubte langes Arbeiten, deshalb sind nur wenige Tagewerke festzustellen. Mit ca. 10 verschiedenen Grundtönen ist der Hintergrund vorbereitet, dann wurden die Figuren eingefügt. Die Maltechnik hat insgesamt große Verwandschaft zur Tafelmalerei, der Farbauftrag ist sehr lasierend und vielschichtig. Schwarz-rote Konturen verleihen den Figuren eine gewisse Kompaktheit. Konservierung Wandmalereien allgemein, und Fassadenmalereien im besonderen, gehören zu den verletzlichsten Denkmalen. Es geht um Sein oder Nichtsein einer nur wenige tausendstel Millimeter dicken Malschicht, die das Denkmal konstituiert. Die porösen Materialien, aus denen Architektur und Wand- 54 VDR

56 Totentanz von Metnitz 9 Florenz, San Marco, Kapitelsaal, Kreuzigung, , Detail Inkunabel der Konservierung in situ mittels der Barium-Methode durch Enzo Ferroni und Dino Dini nach der Flut von Florenz 1966, begonnen am 5. Februar 1969 (Foto 2009) malerei bestehen, haben zwar eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen die physikalischen, chemischen und (mikro)biologischen Einflüsse der Witterung. Aber alle Schadensfaktoren wirken sich zugleich auf die Wand und ihre Oberfläche aus. Seit dem 18. Jahrhundert suchte man das Leben von Fassadenmalereien durch Schutzdächer zu verlängern, so auch in Metnitz, wohl angeregt durch die offensichtlich schützende Wirkung auch kleiner, Wasser ableitender Gesimse und sonstiger Vorsprünge. Nicht verhindern konnte man dadurch die schädliche Wirkung in das Mauerwerk infiltrierender Feuchtigkeit (Schlagregen, Schmelzwasser), der Feuchtigkeit, die fast jeden Tag, oft mehrmals am Tag durch thermische Kondensation unter der Oberfläche entsteht, und hygroskopischen Feuchtigkeit der an der Oberfläche konzentrierten Mauersalze. 40 Kosmetische Maßnahmen wie Verklebungen und Schutzanstriche (die in Metnitz wahrscheinlich nicht angewandt wurden) 41 haben in der Regel die Schäden an Wandmalereien eher vergrößert und beschleunigt als eingedämmt. Die wissenschaftliche Analyse der Ursachen der Schäden und einer darauf aufbauenden Entwicklung entsprechender Therapie vor allem bezüglich der Wirkungsweise und Entfernung der in jedem Mauerwerk vorhandenenen löslichen Salze setzte erst vor circa 40 Jahren auf breiterer Ebene ein. 42 Bis dahin schien nach italienischen Vorbildern und entsprechenden Fachberatungen 1969 auch in Metnitz die Abnahme und Übertragung der einzige Weg zur Erhaltung. Die übertragenen Wandmalereien wurden an der Nordwand des Innenraumes der Pfarrkirche von Metnitz aufgehängt. Es zeigte sich bereits zehn Jahre später, dass die rasche Alterung auch nach der Abnahme weiterging, zumal im alpinen Klima auch im Kircheninneren fast drei Monate Minustemperaturen auftreten. An neueren Schäden zeigten sich Nachwirkungen der alten Salzschäden, Reaktionen des zur Hinterklebung verwendeten Kaseinleims, Trockenspannung von Resten des Kaschierleims (Knochenleim), technische Mängel der Kunstharzmischungen des Trägers. Von 1982 bis 1991 haben die Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts die übertragenen Wandmalereien neuerlich restauriert und dafür wesentlich genauere Voruntersuchungen vorgenommen als 1969: Klimamessungen im Innenraum der Pfarrkirche Metnitz, naturwissenschaftliche Untersuchungen zu Technik und Schäden, 43 Herstellung der Kopie eines Teilstücks (Koch, Bauer, Mutter, Kind), Durchführung einer Zweitübertragung am Modell, 44 beschleunigter Verwitterungstest in der Klimakammer des Österreichischen Kunststoffinstituts in Wien. Die Konservierungsmaßnahmen erforderten mehr als zwanzig Arbeitsschritte, sie mussten teilweise in einem auf ca % relative Luftfeuchtigkeit klimatisierten Zelt vorgenommen werden, um Trockenspannungen zu senken. Die Oberfläche haben wir von Leimresten, übermalenden Retuschen, Überkittungen und Salzausblühungen gereinigt und teils mit Methylkieselester, teils mit Acrylat PARALOID B72, gelöst in Cholorothen, fixiert und mit THYMOL, einem Phenolderivat, desinfiziert. Schollen haben wir zuvor nach wässeriger Quellung mit Hilfe einer Heizspachtel und Acrylatdispersion PRI- MAL AC33 niedergelegt und verklebt. Die Schutzkaschierung der Vorderseite erfolgte mit Japanpapier und Hydroxipropylzellulose KLUCEL MF. Zur Erhaltung der natürlichen Unebenheiten der Oberfläche, die sich durch einen Freskoputz auf Bruchsteinmauerwerk ergibt, mussten wir für die Vorderund Rückseite jedes Teilstücks eine Gegenform als Bettung herstellen. Mittels Gips, Glasfasergewebe, Epoxidharz und einer Sandwichplatte aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK-Platte) haben wir zunächst die Oberfläche abgeformt. Störende Verformungen der Oberfläche haben wir an der Abformung korrigiert. Von dieser Abformiung machten wir eine neuerliche Abformung und prodzierten auf diese Weise eine Stützform für die Rückseite. Für die Drehbewegungen, die zur Bearbeitung beider Seiten notwendig waren, konstruierten wir einen aus Holz-Modulen hergestellten Kipp-Tisch, der auch zur Herstellung des notwendigen Anpressdrucks diente VDR 55

57 Totentanz von Metnitz a Einer der wichtigsten konservatorischen Schritte war die Entfernung des Polyester-Trägers von 1970 und die sehr aufwendige mechanische Dünnung des zur Hinterklebung verwendeten, spannungsreichen Kalkkaseins das möglicherweise mit Polyvinylacetat verstärkt worden war mittels Skalpell und Feinschleifgeräten. Wir erhöhten die RLF im Klimazelt auf 70 % und verwendeten wässerige Kurzzeit-Kompressen aus Calciumhydrat, um das Kalkkasein anzuweichen. Die sehr brüchige Rückseite festigten wir nach der Dünnung mit PARALOID B72, Fehlstellen ergänzten wir mit Mörtel aus e f 56 VDR

58 Totentanz von Metnitz b c d g 10 a g Lambach, Oberösterreich, Stiftskirche, ehemaliges Läuthaus, Wandmalerei um 1080; 10 a) Heilung der Blutflüssigen. Der Vergleich der linken Hälfte mit der rechten zeigt den Substanzverlust in dem Zeitraum zwischen der Entfernung der barocken, die Wandmalerei überdeckenden Mauern 1965 bis zur Konservierung in situ ; 10 b d: Messungen der elektrischen Leitfähigkeit der Oberfläche (ELF) 1972, 1975 (Manfred Koller) und 1979 und ihre Visualisierung zeigen die sekundäre Ausbreitung löslicher Salze durch ihre hygroskopische Wirkung, obwohl 1976 die Infiltrationsquelle (siehe b) beseitigt worden war; 10 e) aufgrund der Messung von Verlustraten konnte Hubert Paschinger belegen, dass die Schwankung des Raumklimas um die Gleichgewichtsfeuchtigkeit (GGF) der im Trocknungsprozess an der Oberfläche konzentrierten Salze die Hauptursache der Schäden war; 10 f) unter klimatisierten Bedingungen (über der durchschnittlichen GGF) wurde die Wandmalerei mit Methylkieselsäureester (mit Schutzmasken) fixiert und die Salze mit Zellstoffkompressen in mehreren Schritten vermindert; 10 g) der Vergleich der ELF von 1982 und 1979 (10 d) visualisiert die Wirkung der Salzverminderung mit Kompressen VDR 57

59 Totentanz von Metnitz geeignetem Quarzsand, Kalkhydrat und ca. 10 % PRIMAL AC33. Die gesamte Rückseite stabilisierten wir mit einem Voranstrich aus Kalkhydrat/PRIMAL AC33 1:1 und drei dünnen Schichten aus Kalkmörtel mit einem von 20% auf 12% sinkenden Anteil an PRIMAL AC33. Der Kalkmörtel diente auch zur Einebnung der Rückseite. Der neue Träger besteht aus im Flugzeugbau eingesetzten Leichtbauplatten: Alu-Waben und glasfaserverstärktes Epoxydharz (beim Teilstück Krüppel und Tod : PVC-Schaum mit Karton-Zwischenschicht), verklebt mit Epoxidharz, dessen Viskosität wir mit pyrogenem Silikatpulver AEROSIL angepasst haben. Nach der Abnahme der Schutzüberklebung (facing) haben wir eine mechanische und chemische Nachreinigung durchgeführt und die Ränder verkittet. Die Retuschen der Restaurierung von 1969/70 haben wir weitgehend belassen und wo notwendig mit Aquarell ergänzt. Der Gesamtaufwand der Zweitübertragung belief sich auf ca Arbeitsstunden. An der Durchführung waren die freiberuflichen KonservatorInnen-RestauratorInnen Heinz Leitner ( ), Wolfgang Baatz, Karin Berner ( ), Peter Berzobohaty, Karma Hoke, Thomas Huss, Claudia Podgorschek, Jürgen Pursche und viele PraktikantInnen beteiligt. 45 Die Originale fanden einen klimatisch gesicherteren Aufstellungsort im ehemaligen Feuerwehrhaus von Metnitz. 46 Die Abnahmen und Übertragungen von Wandmalerei bis Ende der 1960er Jahre wurden zuweilen als technische Bravourstücke gefeiert. Aber diese scheinbare technische Machbarkeit erwies sich als Beschwörung von,geistern, die nur mit einem riesigen, für den Bestand der Wandmalereien nicht ungefährlichen Aufwand zu bändigen waren. Das konservatorische Denken war lange auf die Behandlung der Symptome, nicht auf die notwendige Erfassung und Therapie der Ursachen fokussiert. Zum Abschluss möchte ich deshalb kurz auf die Alternative eingehen: die Erhaltung in situ. Möglichkeiten der Konservierung von Wandmalerei in situ Sehr hellsichtig war Johannes Taubert, einer der Pioniere der Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissenschaft und künstlerischem Handwerk in der Konservierung-Restaurierung. In seinem Aufsatz über Restaurierprobleme alter Wandmalereien 47 von 1958 (!) betont er die Notwendigkeit, zur Abnahme von Wandmalereien Alternativen zu finden und Methoden der Erhaltung in situ zu entwickeln. Er erwähnt dabei besonders die Möglichkeiten zur Entfernung von Ausblühungen und die Behebung ihrer Ursachen. Taubert weist dabei auf Erfahrungen von M. Vunjak in Belgrad hin und seine Methode des Absaugens der Salze durch teigförmig aufgetragene reine Papiermasse ( Holländermasse ). Der 5. Februar 1969, zweieinhalb Jahre nach der verheerenden Flut in Florenz am 4. November 1966, kann als Datum eines Paradigmenwechsels in der Konservierung von Wandmalerei bezeichnet werden. An diesem Tag begannen Dino Dini und seine Mitarbeiter, unterstützt durch Professor Enzo Ferroni, die Reinigung der Kreuzigung von Beato Angelico in San Marco (1442) mit der neuen Barium-Methode, welche zugleich die Ursachen der Schäden behandelt. Der wichtigste Aspekt dieser Methode ist die Re Konversion des Gipses mittels Ammoniumcarbonat-Kompressen. Die Kompressen-Methode führt zugleich zu einer Verminderung der leicht löslichen Salze, darunter auch das bei der Reaktion entstehende (saure) Ammoniumsulfat. Die Arbeiten wurden anschließend am gesamten Fresko erfolgreich durchgeführt. Die Epoche der nachhaltigen Konservierung von Wandmalerei in situ hatte begonnen (Abb. 9). 48 Allerdings hat man beim internationalen Wandmalereikurs des ICCROM erst 1978 begonnen, die Barium-Methode in Florenz zu studieren. 49 Angeregt durch meine Lehrer 1977 am ICCROM, namentlich Giorgio Torraca, Paul Philippot und Paolo Mora, durch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse von Andreas Arnold in Zürich und Hubert Paschinger am Bundesdenkmalamt in Wien und schließlich durch die Erfahrungen von Oskar Emmenegger in der Ostschweiz und auch meines Vaters Walter Hammer in Ulm, gelang uns die Entwicklung der Methode der Konservierung der Fresken vom ehemaligen Läuthaus der Stiftskirche in Lambach (um 1080). 50 Nach dem Rat von führenden internationalen Experten, auch aus Italien, sollten diese Wandmalereien abgenommen werden. Paschinger hatte eine einfache Methode gefunden, die dramatische Verfallsrate messbar zu machen (Abb. 10 a g). Die wesentliche Erkenntnis von Hubert Paschinger war die Herkunft der Feuchtigkeit. An dem Diagramm machte er uns deutlich, dass die Schadensrate immer dann am größten ist, wenn die Temperatur im Durchschnitt niedrig war. In diesen Zeiten wird die Gleichgewichtsfeuchtigkeit (GGF), also jene relative Luftfeuchtigkeit (RLF) der Umgebung, welche in Abhängigkeit von der Temperatur die Grenze zwischen Lösung oder Kristallisation der im Bereich der Oberfläche vorhandenen Salzmischungen markiert, am häufigsten nach oben oder nach unten überschritten. Bei den niedrigeren Temperaturen von Oktober bis Mai werden also vermehrt Lösungs- und Kristallisationszyklen der Salzmischungen induziert. Es zeigte sich also, dass die Hygroskopie der an der Oberfläche gelösten Salze in diesem Fall wesentliche Feuchtigkeitsquelle ist. 51 Damit konnte man auch die sekundäre Ausbreitung der Salze erklären: Auch nach Beseitigung der ursprünglichen Infiltrationsquelle, nämlich die nicht funktionierende Abdichtung von anschließenden Duschräumen und Toiletten einer ganzen Schule, breiteten sich die Schadenszonen aus. Die Erkenntnis der Salz-Hygroskopie als wesentliche Quelle der Feuchtigkeit und damit die Bedeutung der GGF der Salzmischungen und die mineralische, hydrophile Fixierung der beschädigten Wandmalerei was am ICCROM nicht gelehrt wurde war die Grundlage für die Konservierungsmethode, die man nach fast 40 Jahren als erfolgreich bezeichnen kann. 58 VDR

60 Totentanz von Metnitz Voraussetzung für die Nachhaltigkeit sind allerdings periodisches Monitoring und periodische Pflege und entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit KonservatorInnen-RestauratorInnen. Die den genannten Projekten zugrunde liegenden, für die Erhaltung von Wandmalerei in situ notwendigen bauphysikalischen und mineralogischen Kenntnisse sind noch nicht allgemein verbreitet, die entsprechende Auseinandersetzung mit diesen praktischen Erfahrungen muss erst noch geleistet werden. 52 Die Wandmalereien, die mit den wechselnden klimatischen Bedingungen des Bauwerks und seiner Wand verbunden sind, verfallen schneller als autonome, museal präsentierbare Gemälde, aber wenn wir die Ursachen erkennen und behandeln und nicht nur die Symptome vielleicht nicht dramatisch schnell. Prof. Dr. Ivo Hammer FIIC Conservator-restorer/art historian Wall painting / architectural surface Tongasse 5/ Wien (Österreich) ivohammer@me.com Anmerkungen 1 HAMMER 2001 und 2014, S SCHAIBLE 1985, S : Vitruv, de Architectura, II, 8, 9; Plinius d. Ä., Historia Naturalis, XXXV, 14 3 VASARI 1550; METELLI 2007, S. 8 4 PIVA 1959, S BARUFFALDI 1846, S ; Baruffaldi berichtet dort S auch von einer misslungenen Strappo-Abnahme von Antonio Contri einer Wandmalerei aus dem Palazzo Ducale in Mantua, die dem Kaiser in Wien zum Geschenk gemacht werden sollte (siehe books.google.com, zuletzt aufgerufen am ) 6 METELLI 2007, S. 8, Anmerkung 6 7 FORNI 1866, S. 24 ( Quantunque per mezzo del trasporto si possa prolungare la esistenza di alcune pitture offese dal tempo, dalle cattive località, o dalle guaste superficii in cui si trovano, nonpertanto non si può ammettere l abuso per quelle che trovansi in buon grado: esse non potrebbero se non peggiorare di condizione ) 8 BOTTER ENZINGER 1988; HAMMER/ LUX 1990; HAMMER 1995, S. 81 und In einem Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Volker Schaible (SCHAI- BLE 1985) während einer Tagung zur Technologie und Konservierung von Wandmalerei in der Schule für Gestaltung Bern, November 1984 sagte Dr. Mörsch, dass manchmal angesichts eines drohenden Verlustes einer Wandmalerei eher die Leidensfähigkeit der Denkmalpfleger erhöht werden sollte, als weitere Abnahmen zu befürworten. 11 Bis 1997: Bundesdenkmalamt, Restaurierwerkstätten. Die beteiligten freiberuflichen KonservatorInnen-RestauratorInnen (FrK-R) werden jeweils genannt. 12 HAMMER 2014, S. 204; Durchführung der Abnahme und Übertragung: Dipl. Rest. Josef Červinka 13 KOLLER 2013, S FrK-R: Wolfgang Baatz, Rudolfine Seeber, Jürgen Pursche; _(Wien), zuletzt aufgerufen am HAMMER 2011; FrK-R: Thomas Hus, Heinz Leitner, Manuela Pokorny, Christoph Serentschy FrK-R: Heinz Leitner, Manuela Pokorny. Die übrige Fassade wurde 1979 in Freskotechnik in einem pseudonaiven Stil sozusagen künstlerisch erneuert (R. Herfert). 17 Manfred Koller und Mitarbeiter 18 Bericht Bundesdenkmalamt, Restaurierwerkstätten vom , Zl. 3993/79 (Ivo Hammer), FrK-R: Willi Ghetta, Heinz Leitner, Manuela Pokorny. Die Eigentümer verzichteten in den folgenden 30 Jahren weitgehend auf die in diesem Bericht genannten Maßnahmen zur Verlangsamung der unvermeidlichen Schadensprozesse, also periodisches Monitoring und laufende Pflege durch Salzverminderung und Desinfektion; siehe auch Johannes Weber et. al., Dokumentation und Monitoring von Schadensprozessen als Grundlage für Erhaltungsstrategien: die Virgilkapelle unter dem Wiener Stephansplatz, Restauratorenblätter 28, 2009, S (die Autoren scheinen den genannten Bericht von 1979 nicht zu kennen); siehe auch: Anjo Weichbrodt, An Assessment of Readhesion of Lime-Based Wall Painting Flakes with catalyzed Ethyl(poly)silicates, unpublizierte Master-Thesis in Conservation-Restoration, SUPSI, Lugano FrK-R: Manuela Pokorny, Jürgen Pursche 20 Die berühmten übertragenen romanischen Wandmalereien im Museu Nacional d Art de Catalunya in Barcelona zeigten im Sommer 1988 nach meinen Messungen ebenfalls erhöhte elektrische Leitfähigkeit der Oberfläche. Die Leitfähigkeit bei höherer Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit (ca. 65%) ist in diesem Zusammenhang ein Indiz für hygroskopische Feuchtigkeit durch lösliche Salze; HAMMER 1995 und BRAJER MORA/TORRACA 1965, S ; siehe auch MORA et al Die Autoren beschäftigen sich seitenweise mit dem idealen Träger. 23 BREDEKAMP 1972, S Siehe z. B. SEMPER ; HAMMER 1996, S ; HAMMER 2017, S KOLLER 1968, 1971, SCHAIBLE 1985, KOLLER 1987, HAMMER 1985, PAOLUCCI [..] la peinture murale est partie intégrante de l architecture qu elle complète. Aussi toute séparation de la peinture et de son support original constitue-t-elle une altération radicale et irréversible de l une et de l autre, et par conséquent une mesure extrême, à laquelle on ne pourra se résoudre que lorsqu un examen de la situation dans son ensemble aura établi sans équivoquer que les causes premières d altération ne sont pas éliminables in situ. MORA et al. 1977, S. 279 (Übersetzung: I.H.) 27 TORRACA 1973, S. 48: Il distacco degli affreschi è forse il migliore esempio della concezione di bene culturale come bene di consumo destinato allo sfruttamento intensivo. Il dipinto, mediante l operazione di distacco, viene dissezionato dei suoi componenti (sinopia, disegno preparatorio, pittura), e viene reso trasportabile in modo da poter essere esposto in diverse località. Esso è in pratica trasformato in prodotto deperibile di rapido e facile consumo, che dopo un uso intensivo finisce semi-dimenticato nei musei o nei depositi delle soprintendenze. La parabola dell affresco staccato potrà forse un giorno rappresentare simbolicamente la politica di conservazione dei beni culturali basata sul restauro inteso come uso dei beni stessi. Per quanto nobili possano essere i fini di questo uso, è probabile che i danni da esso prodotti supereranno gli effetti combinati che fattori ambientali e crisi di civiltà hanno determinato in passato. 28 Siehe HAMMER LIPPMANN 1875, S. 56 ff. 30 Bundesdenkmalamt Wien, Archiv der Abteilung für Denkmalforschung; FRIMMEL 1885; GRUEBER GINHART 1934, S. 655; FRODL 1944, S.117 f., Tf. 77 (mit älterer Literatur) 32 AUSST.-KAT. 1970, S. 72, Nr. 38 (Ernst Bacher) 33 PROCACCI KOLLER 1986, S. 151; ARLT ROSENFELD 1954, S. 97 f.: etwa HÖFLER 1998, S Der Autor schlägt eine Datierung um 1480 vor. 37 In der Darstellung des Krüppels, dokumentiert in einem Foto im BDA- Archiv 38 ROSENFELD 1954, S VDR 59

61 Totentanz von Metnitz 39 KNOEPFLI/EMMENEGGER/KOLLER HAMMER 1995, S Bei einer Laboranalyse des Bundesdenkmalamts (1985, Hubert Paschinger, Helmut Richard) wurde bei einer Probe Kaliwasserglas gefunden, dessen Schichtposition und damit Datierung aber nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. 42 SCHAIBLE 1985, S Der Autor plädiert gegen die Wandmalereiabnahme, bezweifelt aber die Möglichkeit einer nachhaltigen Salzverminderung; KOLLER 1987; PAOLUCCI 1990; HAMMER 1991 und Chemisches Labor des Bundesdenkmalamts: Hubert Paschinger, Helmut Richard 44 Durchführung: Carmen Chizzola, Martin Zunhammer, Sabine Toulza und der Verfasser, Leitender Konservator-Restaurator: Ivo Hammer; Werkstättenleitung: Manfred Koller 46 HAMMER TAUBERT HAMMER 1996, S Sabino Giovannoni und Mauro Matteini haben über Vermittlung von Heinz Leitner 1981 im österreichischen Bundesdenkmalamt die Gips- Rekonversion bekannt gemacht; HAMMER 2001 und HAMMER 1986, 1991, 2001, ARNOLD HAMMER 2001; in der auch vom ICCROM 1993 in englischer Sprache herausgegebenen Publikation von Giovanni und Ippolito Massari, Damp Buildings. Old and New. In: Bulletin of the Association for Preservation Technology, Vol. 17, No. 1 (1985), S. 2 30, kommt hygroskopische Feuchtigkeit so gut wie nicht vor. 52 BRAJER/KLENZ LARSEN 2013 Literatur ARLT 2010: Elisabeth Arlt, Totentanz-Darstellungen im sakralen Raum in Österreich: Auch Geld und Guth bei mir nichts helfen tuth, Salzburg 2010 ARNOLD 1987: Andreas Arnold, Naturwissenschaft Und Denkmalpflege. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 45, 1987/4, S AUSST.-KAT. 1970: Ausstellungskatalog: Mittelalterliche Wandmalerei in Österreich. Originale, Kopien, Dokumentation, Wien, Oberes Belvedere 1970 BARUFFALDI 1846: Girolamo Baruffaldi, Vite de pittori e scultori ferraresi, Band II, Ferrara 1846 BOTTER 1992: Mario Botter: Il rotorno di Orsola. Affreschi restaurati nella chiesa di Santa Caterina in Treviso, Treviso s.d. (1992?) BRAJER/KLENZ LARSEN 2013: Isabelle Brajer und Poul Klenz Larsen, The wall paintings in Tirsted Church a history of failed salt treatments. In: Alison and Adrian Heritage, Fulvio Zezza, Desalination of Historic Buildings, Stone and Wall Paintings, London 2013, S BREDEKAMP 1972: Horst Bredekamp, Autonomie und Askese. In: Michael Müller et. al., Autonomie der Kunst. Zur Genese und Kritik einer bürgerlichen Kategorie, Frankfurt/M ENZINGER 1988: Sebastian Enzinger, Übertragung eines romanischen Wandgemäldes in der Stiftskirche Nonnberg. In: Restauratorenblätter 9 (Wandmalerei, Sgraffito, Stuck), 1987/88, S FORNI 1866: Ulisse Forni, Manuale del Pittore Restauratore, Firenze 1866, zuletzt aufgerufen am FRIMMEL 1885: Theodor Frimmel, zu einer Ikonographie des Todes. In: Mitteilungen der k. k. Central-Commission N. F. Jg. 11 (1885). S FRODL 1944: Walter Frodl, Die gotische Wandmalerei in Kärnten, Klagenfurt 1944, S. 117 f, Tf. 77 (mit älterer Literatur) GINHART 1934: Karl Ginhart, Die Kunstdenkmäler des polit. Bezirks St. Veit, Klagenfurt 1934 GRUEBER 1891: Paul Grueber, Symbolik des Todes am Karner zu Metnitz. In: Allgemeine Bauzeitung Jg. 56, Wien 1891, S HAMMER 1985: Ivo Hammer, Probleme der Erhaltung verputzter historischer Architektur. In: L intonaco: storia, cultura e tecnologia. Atti del convegno di studi, Brixen , Padua 1985, S HAMMER 1991: Ivo Hammer, The Conservation in Situ of the Romanesque Wall Paintings of Lambach. In: Sharon Cather (Hrsg.) The Conservation of Wall Paintings. Proceedings of a Symposium organized by the Courtauld Institute of Art and the Getty Conservation Institute London, Juli 1987, Los Angeles 1991, S HAMMER 1994: Ivo Hammer, Der Totentanz von Metnitz. Bedeutende Kunstwerke, gefährdet-konserviert-präsentiert, Faltblatt zur 184. Wechselaussstellung der Österreichischen Galerie, Unteres Belvedere, Wien, HAMMER 1995: Ivo Hammer, Bilder der Vergänglichkeit - Vergänglichkeit der Bilder. Der Totentanz von Metnitz. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 49, Wien 1995, 3/4, S HAMMER 1996: Ivo Hammer, Symptome und Ursachen. 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62 Totentanz von Metnitz METELLI 2007: Cecilia Metelli, La rimozione della pittura murale. Parabola degli stacchi negli anni cinquanta e sessanta del XX secolo, Dissertation Universität Rom 2007 (Prüfer: Daniele Manconda, Mario Micheli), ZIONE%20DELLA%20PITTURA%20MURALE%20di%20Cecilia%20Metelli.pdf, zuletzt aufgerufen am MORA et al. 1977: Paolo Mora, Laura Mora Sbordoni und Paul Philippot, La conservation de Peintures Murales, Bologna 1977 (Englisch: 1983; Italienisch: 2001) MORA/TORRACA 1965: Paolo Mora und Giorgio Torraca, Nuovi supporti per affreschi staccati. In: Bollettino dell Istituto Centrale del Restauro 1965, S PAOLUCCI 1990: Antonio Paolucci, Per una storia del restauro degli affreschi a Firenze: La stagione degli stacchi. In: Christina Danti, Mauro Matteini, Alexandro Moles (Hrsg.), Le pitture murali. Tecniche, problemi, conservazione, Florenz 1990, S PIVA 1959: Gino Piva, L arte del restauro, Mailand 1959 PROCACCI 1969: Ugo Procacci, Fresken aus Florenz, Ausstellungskatalog Haus der Kunst München, , München 1969 ROSENFELD 1954: Hellmut Rosenfeld, Der mittelalterliche Totentanz. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 3), Köln/Wien 1954 (3. verbesserte Auflage 1974, Reprint 2015) ROSI 1987: Giuseppe Rosi, Die Restaurierung des Pietà-Freskos von Masolino aus Empoli. In: Maltechnik-Restauro, Heft 2/1987, S SCHAIBLE 1985: Volker Schaible, Historisches und Ethisches zur Abnahme von Wandmalerei. In: Historische Technologie und Konservierung von Wandmalerei, Bern 1985, S SEMPER : Gottfried Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, TORRACA 1973: Giorgio Torraca, Dipinti Murali, in: Giovanni Urbani (Hrsg.), Problemi di Conservazione, Bologna 1973, TORRACA 1985: Giorgio Torraca, Dangers présentés par l utilisation des produits synthetiques pour les oeuvres d art et pour les restaurateurs. In: Produits synthétiques pour la conservation et la restauration des oeuvres d art. 1ère partie, Notions de base. Séminaire nov à Berne. SCR (ed.), Bern-Stuttgart 1987, S VASARI 1550: Giorgio Vasari, Le vite de più eccellenti architetti, pittori, et scultori italiani [...], Florenz 1550 Abbildungsnachweis Abb. 1, 2, 3, 4a, 4b, 5b, 5c, 6, 7a, 8c, 8d, 8f h, 10b g: Ivo Hammer Abb. 5a, 7b, 7c, 8b: Bundesdenkmalamt, Elfriede Mejchar Abb. 8a: Bundesdenkmalamt, Lala Aufsberg (Deutsche Fotothek ) Abb. 10a: Bundesdenkmalamt, Christoff Serentschy Abb. 8e: Johann Jaritz, (Metnitz Totentanz Karner jpg) Abb. 9: Saliko, (Crucifixion with Saints (Angelico)1.jpg) VDR 61

63 Farbveränderungen an Elfenbein Das beste kommt aus Zeylon und muß recht schön glatt und weiß seyn. 1 Eine Literatur- und Objektstudie zu Farbveränderungen an Elfenbein Hiltrud Jehle An gealterten Elfenbeinobjekten lassen sich Farbveränderungen feststellen, die sich unter anderem im Aufhellen, Ausbleichen, Vergilben oder Verdunkeln zeigen und deren Ursachen meist schwierig zu ergründen sind. Um der Frage nachzugehen, inwieweit Vergilbungserscheinungen durch Qualität und Herkunft des Rohmaterials bestimmt werden, wurden zahlreiche Handelsbücher und Warenlexika konsultiert. Dass Elfenbein allein im Zuge der natürlichen Alterung vergilbt, konnte durch eigene Objektstudien nicht bestätigt werden. Vielmehr werden beobachtete Verfärbungsphänomene in ihrer Unterschiedlichkeit vorgestellt und ihre möglichen Ursachen diskutiert. The best [ivory] comes from Ceylon and should be quite smooth and white. A literature and object study on discolorations in ivory Aged ivory objects commonly show discolorations such as fading, bleaching, yellowing or darkening. The causes of these discolorations are often difficult to determine. Numerous trading dictionaries and encyclopaedias of goods were consulted in order to explore whether there is any correlation between the degree of yellowing and the quality and origin of the raw material. Object studies carried out did not confirm that ivory has a natural tendency to yellow with age. In this paper the different kinds of discoloration and their possible causes are discussed. Einleitung Makellos, gleichmäßig weiß, so sollen nicht nur unsere Zähne, sondern auch die des Elefanten sein, zumindest wenn es sich um die nach außen verlagerten Stoßzähne handelt, die das Zahnbein (Dentin), das sogenannte Elfenbein, liefern. Wie die Voraussetzungen beschaffen sein müssen, damit das Weiß des Menschenzahns möglichst dauerhaft erhalten bleibt, ist hinlänglich ergründet, für den Elefantenzahn hingegen nicht. Bis heute sind nicht nur Sammler und Liebhaber verunsichert, wie sie ihre Elfenbeinpreziosen aufbewahren sollen, auch unter Restauratoren stellt sich immer wieder die Frage nach den optimalen Präsentations- und Aufbewahrungsbedingungen, nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Verfärbungsphänomene, die an zahlreichen Elfenbeinobjekten zu beobachten sind. Elfenbein 2 ist lichtempfindlich, was sich in der Regel durch ein Ausbleichen oder Aufhellen zeigt. Unter welchen Umständen Vergilbungen und Verdunkelungen an Elfenbein auftreten, wurde bisher nicht systematisch untersucht. Nach Meinung einiger Autoren ist das Vergilben ein natürliches Alterungsphänomen, nach Meinung anderer wird es vor allem durch Lichtabschluss befördert. Um herauszufinden, ob sich die unterschiedlichen Farbphänomene, die an Elfenbeingegenständen auftreten, ordnen und erklären lassen, wird zunächst der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst und mit eigenen Objektbeobachtungen ergänzt. Die vertiefende Hinterfragung der Farbveränderungsphänomene mündete in ein gemeinsames Forschungsprojekt der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin mit dem Fachgebiet Lichttechnik der Technischen Universität Berlin. Mit Hilfe von experimentellen Bestrahlungsreihen und einer Langzeitlagerung im Dunkeln, sollte die Empfindlichkeit des Elfenbeins gegenüber optischer Strahlung oder gegebenenfalls auch hinsichtlich des Fehlens derselben untersucht werden. Die Publikation der Ergebnisse wird derzeit vorbereitet. 3 Literaturrecherche Mit der Literaturrecherche war die Fragestellung verknüpft, inwieweit sich in den historischen Quellen Angaben zur Qualität, Farbe und zu Verfärbungstendenzen, letzteres sowohl für das Rohmaterial als auch für verarbeitetes Elfenbein, finden lassen und falls ja, wie diese sich mit den eigenen Beobachtungen decken. Quellenauswahl Mittelalterliche Maltraktate enthalten selten, und wenn überhaupt, dann nur sparsame Angaben zu Elfenbein. Mehrheitlich handelt es sich dabei um magische Rezepturen, die das Erweichen und Biegen des exotischen Materials thematisieren oder sich auf das Färben (und hier vorzugsweise auf das Färben von Bein, also Knochen) beziehen. In einzelnen Fällen finden sich auch knappe Notizen zur Verarbeitung. 4 Historische Quellen, wie Pflanzen- und Arzneibücher, die üblicherweise ebenfalls im Kontext einer maltechnologischen Recherche konsultiert werden, sind für die vorliegende Fragestellung nur eingeschränkt dienlich. Das Elfenbein findet zwar auch in ihnen Erwähnung, zumeist aber als geraspeltes oder gemahlenes Ingrediens. 5 Es wurde freilich auch durch Apo- 62 VDR

64 Farbveränderungen an Elfenbein 1 Tauschhandel mit Elfenbein an der afrikanischen Küste unweit von Groß-Friedrichsburg (Goldküste/Guinea), Rutger von Langerfeld, lavierte Federzeichnung, um 1690, KdZ 13128, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin 2 Warenlager mit Elefantenstoßzähnen, Firma Heinr. Ad. Meyer, Hamburg (ohne Jahresangabe, vermutlich um 1900) theker und Materialisten geführt, doch werden diese eher selten mit ganzen Stoßzähnen, sondern vielmehr mit Teilstücken oder bereits zu Spänen oder Pulver zerkleinertem Elfenbein gehandelt haben. 6 In dieser Form fand es als Rezeptzutat, als Streusand, als weißes Pigment, oder in verkohltem Zustand als schwarzes Pigment, Verwendung. Fein abgestufte Qualitätskategorien dürften dabei von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, weshalb Apothekerlisten innerhalb dieser Untersuchung keine Berücksichtigung fanden. Ganz anders verhält es sich, wenn Farbe, Maserung, Dichte und Homogenität des Rohmaterials das Resultat und die Qualität des verarbeiteten Endprodukts maßgeblich prägen. Es ist deshalb anzunehmen, dass Elfenbein für solche Verwendungszwecke in unterschiedliche Qualitätsstufen eingeteilt und gehandelt wurde (Abb. 1 und 2). Warenbücher und Lexika, deren Entstehung durch die Intensivierung des globalen Handels im 17. Jahrhundert und die noch jungen Wissenschaften maßgeblich gefördert wurde, eignen sich im besonderen Maße zur Beschreibung der exotischen Importwaren, weshalb einige von ihnen im Rahmen dieser Recherche näher untersucht wurden. Die frühesten, hier konsultierten Werke sind Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden, vorwiegend im deutschsprachigen Raum, ergänzt durch ausgewählte englische und französische Texte. Herkunft, farbliche Qualitäten und Verfärbungstendenzen Tatsächlich fehlen in kaum einem Lexikonartikel oder Warenhandbuch Einträge zu Elfenbein und damit verknüpft Kom VDR 63

65 Farbveränderungen an Elfenbein mentare zur farblichen Qualität. Exemplarisch sei hier Johann Heinrich Zedler zitiert, in dessen Universallexikon unter dem Eintrag Hellfenbein zu lesen ist: Das beste kommt aus Zeylon und muß recht schön glatt und weiß seyn. 7 Insgesamt gesehen sind die Hinweise zu Farbe und Herkunft eher uneinheitlich. Wie Bernd Pappe nach seinen Recherchen schlussfolgert, müssen Farbunterschiede in der Handelsware Elfenbein erkennbar gewesen sein, ohne dass sich daraus allgemeingültige Zusammenhänge zwischen Ursprung und farblicher Ausprägung herstellen ließen. 8 Als weiteres Qualitätsmerkmal, das eng mit Herkunft und Farbigkeit verknüpft ist, wird die Tendenz, die charakteristische Eigenfarbe zu verlieren, angeführt. In einem englischen Lexikon mit dem Titel A new and complete dictionary of arts and science aus dem Jahre 1754 heißt es: It is observed that the Ceylon-ivory and that of the island of Achem 9 do not become yellow in the wearing as all other ivory does [ ]; wes halb es auch höhere Preise erziele als das von der Küste Guineas. 10 Thomas Mortimer übernimmt vermutlich diese Einschätzung, wenn er in seinem 1766 erschienenen Buch A new and complete dictionary of trade and commerce das Elfenbein aus Ceylon und Achen 11 als solches hervorhebt, welches [ ] never becomes yellow, as that of the terra firma 12 and the East-Indies 13 does; on which account the former is dearer. 14 Ferner werden Angola und Sumatra als Herkunftsländer für fine ivory angeführt. Ob sich bei dieser Formulierung die besondere Güte ebenfalls auf eine herausragende Farbstabilität bezieht, erscheint eher unwahrscheinlich. In dem 1770 in Frankreich erschienen Dictionnaire portatif de commerce finden sich dieselben Einschätzungen wie in den beiden englischsprachigen Lexika aus den Jahren 1754 und 1766: Wiederum gilt das Elfenbein aus Ceylon als das hochwertigste, da angeblich dauerhaft vergilbungsfrei. Neben Achem wird hier auch Aracan 15 als weiterer Herkunftsort für farbstabiles Elfenbein genannt. 16 In der wohl berühmtesten französischen Enzyklopädie, der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, die unter der Herausgeberschaft von Denis Diderot und Jean- Baptiste le Rond d Alembert zwischen entstanden ist, findet sich zum wiederholten Mal die Aussage, dass das Elfenbein aus Ceylon und von der Isle d Achand (Achen?) niemals vergilbe und deshalb teuer sei. 17 Im Zusammenhang mit dem Folgesatz, in dem ebenfalls terreferme und Indes occidentale 18 als Lieferanten für wenig farbstabile und deshalb für preiswertere Ware genannt werden, kann man vermuten, dass die Verfasser die 13 Jahre früher publizierten Ausführungen Mortimers kannten. Auch die Formulierungen in der Oekonomischen Encyklopädie von Johann Georg Krünitz, lassen die Mutmaßung zu, dass der Autor sich bei seinen Qualitätsangaben bereits publizierter Quellen bediente. Er schreibt: In Anlehnung der Güte werden die [Elefantenstoßzähne, d. Verf.] von Ceylan [sic] für die besten gehalten, weil die aus demselben gemachte Arbeit nicht gelb wird, welche Tugend auch das Elfenbein von Achem und Aracan haben soll, daher es auch theurer ist, als das andere. 19 Eine Seite weiter lesen wir jedoch: Das eigentlich so genannte Elfenbein oder die Substanz der Elephantenzähne wird gelb, wenn es bloß an der Luft liegt [ ]. 20 In Johann Christian Schedels Warenlexikon, das 1790 in Offenbach am Main auf den Markt kam, ist nicht mehr von grundsätzlich farbstabilen Elfenbeinsorten die Rede. Hier heißt es etwas vorsichtiger: Unter allen Gattungen schätzt man die am höchsten, welche in Achem, Aracan und Siam 21 fallen, denn man hält dafür, dass diese dem Gelbwerden weniger unterworfen sind, als die übrigen. 22 Erstaunlicherweise findet Elfenbein afrikanischer Herkunft kaum Erwähnung in den Quellen, oder wird gar, wie im Lexikonartikel von 1754, als minderwertig eingestuft, obwohl Stoßzähne afrikanischer Elefanten deutlich größer werden können und afrikanische Rohware seit jeher in weit größerem Umfang importiert wurde. 23 Dies ändert sich erst bei Christian Friedrich Gottlieb Thon, der zwar in seinem 1829 erschienenen Waaren=Lexicon erneut Ceylon, Achem und Aracan als Herkunftsländer für die besten Elfenbeinsorten aufzählt, [ ] weil die daraus verfertigten Arbeiten nicht so leicht gelb werden [ ], dann aber hinzufügt: Auch die von Mosambik und Mombasa [Kenia, d. Verf.] u. s. werden geschätzt, womit sich noch der Vorzug der Größe verbindet. 24 Vergilbung als natürliches Alterungsphänomen Die bei Krünitz aufgestellte Theorie über das Gelbwerden als eine dem Elfenbein innewohnende Materialeigenschaft findet sich auch in Johann Beckmanns Vorbereitung zur Waarenkunde aus dem Jahre und in zahlreichen Publikationen des 19. Jahrhunderts. So heißt es beispielsweise in einem 1841 in Weimar erschienenen Conversationslexikon für Künstler und Handwerker, Fabrikanten und Maschinisten, dass das Elfenbein an der Luft mit der Zeit seine blendend weiße Farbe in eine schmutzig gelbe umwandle. 26 Bei Johann Carl Leuchs ist in seinem 1836 erschienenen Waren=Lexikon in einem Beitrag über Nilpferdzähne nachzulesen: Sie [die Nilpferdzähne, d. Verf.] sind härter als Elfenbein, weißer, sollen nie ins Gelbe gehen [ ]. 27 Die gewählte Formulierung lässt allerdings ahnen, dass diese Einschätzung nicht auf eigenen Beobachtungen beruht. Das Gelbwerden als materialimmanente Eigenschaft wird erneut in der Encyclopédie du commerçant, Dictionnaire du commerce et des marchandise von 1852 erwähnt. Es folgt eine Aufzählung von Herkunftsländern und Qualitäten, unter der das afrikanische Elfenbein von der Küste Guineas hervorgehoben wird, da es im Gegensatz zu allen anderen nicht vergilbe (was somit im Widerspruch zu Angaben des 18. Jahrhunderts steht), sondern im Alter sogar aufhelle. Im Originaltext liest sich dies folgendermaßen: Cette varieté est surtout remarquable, parce qu elle blanchit en vieillisant, tandis que tout les autres jaunissent par la raison que nous avons déjà donnée. 28 Der Aufhelleffekt, der auch vom Autor als bemerkenswert eingestuft wird, fand sich innerhalb dieser Recherchen kein zweites Mal beschrieben. 64 VDR

66 Farbveränderungen an Elfenbein In Klemens Merck s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe aus dem Jahre 1909 wird das Elfenbein mit einer gelblichen Färbung charakterisiert, [ ] die mit der Zeit intensiver wird, durch Bleichen zwar aufgehellt werden kann, aber meist wieder nachdunkelt. 29 Eine weitere Betrachtung aus dem 19. und eine aus dem 20. Jahrhundert sollen die Literaturbeispiele abschließen. Für Charles Holtzapffel, der in seinem Buch Turning and Mechanical Manipulation ebenfalls auf die farblichen Unterschiede zwischen afrikanischem und asiatischem Elfenbein zu sprechen kommt, ist die originale Farbigkeit, ebenso wie der Erhalt derselben, eng mit dem natürlichen Ölgehalt 30 der unterschiedlichen Elfenbeinsorten verknüpft. Hinsichtlich des von ihm als farbstabiler bewerteten afrikanischen Elfenbeins lautet die entsprechende Passage: The oil dries up considerably by exposure, and leaves the material of a delicate, and generally permanent tint. Wohingegen das asiatische nach seiner Einschätzung weniger Öl enthält und deshalb eher zum Vergilben neigt. 31 Alfred Maskell widmet in seinem Buch Ivories den diversen Färbungen, die er an Elfenbeinobjekten in englischen Museumssammlungen 32 beobachtet hat, einen ganzen Abschnitt. Die Aufzählung der unterschiedlichen Farbphänomene schließt er mit der sehr allgemeinen Feststellung: Ivory from the tusk of a young animal remains white longer than that of older ones. 33 eine Theorie, die von Maskell nicht weiter erläutert wird und sich auch andernorts nicht nochmals finden ließ. Unabhängig von der unterschiedlichen Einschätzung der Autoren legt doch die häufige Erwähnung der Vergilbung den Schluss nahe, die unerwünschte Farbänderung sei zumindest bei den allermeisten Elfenbeinsorten eine grundsätzliche Materialeigenschaft, die unvermeidbar und als naturgegeben hinzunehmen ist. Diese Auffassung findet sich auch in der zeitgenössischen Literatur. Anke Freund schlussfolgert aus den in großer Zahl überlieferten Bleichversuchen: Ivory has a natural tendency to yellowing. 34 Bei Bernd Pappe lesen wir: Elfenbein dunkelt an der Luft mit der Zeit nach. 35 Welches Wirkungsprinzip zur Vergilbung führt, wird an keiner Stelle ergiebig diskutiert. Vermeidungsstrategien und Erklärungsmodelle Über die Aufbewahrung und den Schutz von Elfenbeinkunstwerken geben die historischen Quellen nur wenig Auskunft. Bei Krünitz lautet der Ratschlag: Dadurch, daß man das Elfenbein vor der Wirkung der Luft in Acht nimmt, erhält man seine weiße Farbe; man umwickelt es mit Baumwolle, und presset es in eine gut verwahrte Schachtel; noch sicherer aber ist, daß man es in ein wohl verpichtes Glas thut. Auf solche Weise erhält man die Weiße der geschnitzten elfenbeinernen Figuren; allein, wenn das Glas Risse bekommt, so sieht man das Elfenbein, der Öffnung gegenüber, gelb werden. 36 In ähnlichem Wortlaut beschreibt Beckmann, dass die feinsten Elfenbeinkunstwerke in dicht verschlossenen Gläsern aufbewahrt werden, da jede Stelle, auf die die Luft einwirke, z. B. durch Fugen oder Risse im Gefäß, gelb werde Die oberen exponierten Partien der mehrteiligen Flöte sind deutlich heller als diejenigen, die sich im Etui befinden. Flöte im originalen Kastenetui aus dem Besitz Friedrichs II., Johannes (II) Scherer, vor 1722, Kat.-Nr. 1531, Musikinstrumentenmuseum, Staatliches Institut für Musikforschung Berlin Und auch Johann Josef Prechtl empfiehlt: Das beste Mittel, die weiße Farbe neu gearbeiteter Elfenbeinstücke zu erhalten, besteht darin, sie unter einer Glasglocke aufzubewahren, deren unterer Rand abgeschliffen ist und auf einer polierten Platte aufruht, so daß der Zutritt der Luft, folglich auch des Staubes gänzlich ausgeschlossen ist. 38 In den angeführten Beispielen ist die Vehemenz auffällig, mit der die Vermeidung jeglicher Luftzufuhr hervorgehoben wird, die ebenso wie die Betonung des Gelbwerdens neu gearbeiteter Elfenbeinkunstwerke den Eindruck eines sehr raschen Eintretens der Vergilbung vermitteln. Dies lässt sich kaum mit der bei Freund artikulierten Theorie in Einklang VDR 65

67 Farbveränderungen an Elfenbein bringen, nach der sich im Zuge der natürlichen Alterung färbende Substanzen im Elfenbein bilden, die im Laufe der Zeit in ein gelbliches Aussehen münden. 39 Aufgrund eines Hinweises bei Prechtl, der das Gelbwerden der Elfenbeingegenstände mit Luft, Feuchtigkeit, Staub und Rauch in Verbindung bringt, kann gemutmaßt werden, dass das Elfenbein mittels der Glasabdeckung vor den aus vorindustrieller Luftverschmutzung stammenden Ablagerungen geschützt werden soll. Feinstaub aus offenen Kaminen, Rückstände aus dem Abbrand von Kerzen und Öllampen oder dem Rauch von Tabakwaren können definitiv in die Elfenbeinoberfläche eindringen und einen gelblichen Schmutzfilm hinterlassen, der sich nicht mit einer einfachen Reinigungsmaßnahme entfernen lässt. Dass bei Beckmann mit der Glasabdeckung andere Überlegungen einhergehen, wird an seinen Ausführungen deutlich. Er versucht das Vergilbungsphänomen zu erklären, indem er Parallelen zu einem anderen hellen Material, dem Wachs, und zu den Vorgängen der Wachsbleiche zieht. Über vier Seiten hinweg erläutert er seine Theorie, die zusammengefasst auf der Überlegung beruht, dass das Elfenbein im Inneren fettige, färbende Bestandteile besitzt, die durch Verdunstung an die Oberfläche gelangen, wo sie sich aufkonzentrieren und die unschöne Farbe verursachen. Im Zustand, in dem diese gelben Stoffe sich verflüchtigt haben und noch nicht wieder ausreichend färbende Bestandteile aus den Tiefen des Elfenbeins an die Oberfläche gelangen konnten, ist das Elfenbein gebleicht und erscheint weiß. Für den Erhalt der weißen Farbe ist es deshalb notwendig, diesen Verdunstungsprozess zu unterbrechen, wofür jegliche Luftzufuhr unterbunden werden muss. 40 Für Beckmann, das lässt sich aus seinen Ausführungen schließen, ist das Elfenbein von Natur aus gelblich und kann nur künstlich weiß gehalten werden. Die fettigen, gelblichen Anteile, so erfahren wir, sind natürliche Bestandteile und besitzen neben den unliebsamen auch positive Eigenschaften: Sie verleihen dem Elfenbein Zusammenhalt und wirken einer Versprödung entgegen. Ein weiterer Hinweis zur Erhaltung der originalen Farbigkeit unter Glasabdeckung findet sich bei Kunz. 41 Mit Verweis auf Holtzapffel 42 schreibt er, dass Elfenbein am ehestens seine Originalfarbe behält, wenn es unter der Glasabdeckung dem Licht ausgesetzt werde. Nachfolgend bezieht er sich auf einen Kopenhagener Elfenbeinschnitzer mit Namen Spangler, der nicht nur Kunzes Beobachtung bestätigt, sondern auch eine mögliche Erklärung liefert. Nach Spangler ist bei der Methode der Glasabdeckung nicht der Luftabschluss entscheidend, sondern er vermutet, dass die Filterung der UV-Strahlung durch das harte Flintglas für den Erhalt der weißen Elfenbeinfarbigkeit verantwortlich sein könnte. Tatsächlich sorgt der hohe Anteil von Bleioxid in Flintglas für eine höhere Absorption im UV-Bereich. 43 Dass die Art und Weise der farbverändernden Wirkung der UV-Strahlung von ihrer Intensität abhängt, ist bei Freund nachzulesen und wurde in den eigenen Bestrahlungsreihen deutlich. 44 Ob das Elfenbein unter dem Flintglas tatsächlich seine Originalfarbe behalten hat, oder womöglich während der Exposition etwas ausgebleicht ist, lässt sich ohne entsprechende Farbmessungen wohl kaum beurteilen. Ganz anders als bei den vorgenannten Publikationen, in denen die Luft bzw. die UV-Strahlung als Verursacher der Verfärbungen gilt, werden unter den Autoren des 20. Jahrhunderts Verdunkelungs- und Vergilbungserscheinungen mit einem Mangel an Licht in Verbindung gebracht. Nach Sigmund Lehner verlieren alte Elfenbeingegenstände, die lange Zeit vom Licht ferngehalten werden, ihre weiße Farbe und gehen in ein wachsartiges Gelb über. 45 Hans Michaelsen schreibt 1990: Ein oft nicht beachteter Faktor bei der Aufbewahrung ist, dass Elfenbein im Dunkeln bei geringem Luftwechsel zu starker Vergilbung neigt. Und weiter: Um Vergilbungserscheinungen vorzubeugen, dürfen sie [die Elfenbeinobjekte, d. Verf.] auf keinen Fall in dunklen und dichten Schränken und in Papier eingewickelt gelagert werden. 46 Auch in einer Publikation des Deutschen Elfenbeinmuseums werden auftretende Vergilbungen durch Entzug von Tageslicht erklärt. 47 Diese weit verbreitete Vorstellung der Vergilbung unter Lichtabschluss fußt nach aktuellem Kenntnisstand vor allem auf Objektbeobachtungen. Gedunkelte, bzw. vergilbte Partien, bei denen es sich zweifelsohne nicht um die originale Elfenbeinfarbe handeln kann, finden sich in der Tat vornehmlich an Rück- und Unterseiten von Elfenbeinarbeiten, also an den dem Licht abgewandten Partien. Auf derartige Objektstudien bezieht sich auch Hermann Kühn, wenn er davon schreibt, dass Elfenbeinobjekte im Dunkeln unter gleichzeitigem Luftmangel vergilben. 48 Wie unterschiedlich die für Gilbung bzw. Verdunkelung verantwortlichen Faktoren auch geartet sein mögen, das Auftreten derart unliebsamer Farbveränderungen an Elfenbeinobjekten ist unbestreitbar. Dies belegen nicht zuletzt die zahlreichen Hinweise und die vielen überkommenen Rezepturen zum Bleichen des Werkstoffes, womit wir bei einer weiteren, wenn auch gegensätzlichen Farbveränderung, dem Aufhellen des Elfenbeins, angelangt wären. Aufhellungen am Elfenbein Im Allgemeinen erfährt möglichst helles, nahezu weißes Elfenbein die höchste Wertschätzung. Vermutlich finden deshalb im Zuge der Alterung auftretende Farbveränderungen in Form von Aufhellen oder Ausbleichen keine Erwähnung. Anders verhält sich dies mit alchimistischen Bleichrezepturen oder solchen unter Verwendung chemischer Substanzen, die aber im vorliegenden Kontext unberücksichtigt bleiben. Zweifelsohne waren Bleicheffekte unter Sonneneinstrahlung bekannt und wurden gezielt angewendet. Besonders in den Malanweisungen für Miniaturisten ist das systematische Bleichen von Elfenbein mittels Sonnenlicht ein wichtiges Themenfeld. Das erklärte Ziel ist, einen möglichst hellen Bildträger für die meist luftige, mit dem Untergrund in effektvollem Wechselspiel stehende Malerei zu erhalten. De Massoul beschreibt 1797 die Sonnenbleiche folgendermaßen: Das Elfenbein soll zwischen zwei dicken Glasplatten 66 VDR

68 Farbveränderungen an Elfenbein 4a d Gelbliche Verfärbungen an den äußeren Dentinschichten in Angrenzung zum Zahnzement (am Objekt auf den Höhen), Adam Lenckhardt (?), Pan verfolgt die Nymphe Syrinx, Mitte 17. Jahrhundert, Inv. 7943, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin VDR 67

69 Farbveränderungen an Elfenbein 5a, b Gelbliche Verfärbungen an den inneren Dentinschichten in Angrenzung zur Zahnhöhle (rechter Innenschenkel Löwe, linke Torsohälfte Simson) und an den äußeren Dentinschichten in Angrenzung zum Zahnzement (Außenkante Plinthe, unterer Rücken und Schweif Löwe), unbekannter Künstler, Simson reißt dem Löwen den Rachen auf, 2. Drittel 17. Jahrhundert, Inv. 7802, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin der Sonne ausgesetzt werden und diese sollen halbstündlich gewendet werden, damit das Elfenbein gleichmäßig erwärmt wird und nicht reißt. 49 Das Elfenbein anzufeuchten, bevor man es der Sonne aussetzt, ist ein häufig angeführter Ratschlag. Becker-Emmerling ergänzt diese Empfehlung mit dem Hinweis, dass das Elfenbein bei zu langer Sonnenexposition wieder gelb werden kann. 50 Erhöhte Temperatur und hohe relative Feuchtigkeit beschleunigen üblicherweise chemische Prozesse. Vermutlich wird durch die Glasabdeckung nebst Befeuchtung ein Treibhauseffekt erzielt und der Bleichvorgang führt schneller zum gewünschten Ergebnis. In welchem Umfang Elfenbein mittels Sonnenlicht gebleicht wurde, um möglicherweise bereits für das Rohmaterial höhere Preise zu erzielen, hat sich aus der Recherche nicht erschlossen. Fazit Nach der Literaturrecherche verstärkt sich der Eindruck, dass die überwiegende Zahl der frühen Autoren in ihren Materialschilderungen auf bereits publizierte Quellen zurückgriff. Nur in Ausnahmefällen werden sie den exotischen Zahn aus eigener Anschauung gekannt haben und selbst dann wird es kaum eine genügend große Anzahl gewesen sein, um daraus allgemeingültige Angaben zu den Farbunterschieden und den damit verknüpften Verfärbungstendenzen ableiten zu können. Etwaige Unsicherheiten bei den geografischen Bezeichnungen mögen ebenfalls die teils widersprüchlichen Angaben erklären. Vergilbungen, darin sind sich die Autoren bis in die heutige Zeit hinein einig, sind eine materialimmanente und mit dem natürlichen Alterungsprozess einhergehende, unliebsame Eigenschaft. Von positiv konnotierter Alterspatina ist fast nie die Rede, vielmehr wird das Vergilben als uner- 68 VDR

70 Farbveränderungen an Elfenbein 6a, b Gelbliche Verfärbungen an den inneren Dentinschichten im massiven Zahnabschnitt. Während des Stoßzahnwachstums lag in diesem Bereich die Pulpaspitze. Carl August Lücke d. J., Bildnis eines unbekannten Kavaliers, um 1760/70, Inv. 747, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin 7 Ungleichmäßige gelbliche Verfärbungen im Maserungsverlauf, Neufeld, Pianino, um 1900, Kat.- Nr. 4908, Musikinstrumentenmuseum, Staatliches Institut für Musikforschung Berlin wünscht und unästhetisch eingestuft. Tom Stone und Thomas Brachert bilden hier die Ausnahme: Brachert erklärt das durch Belichtung hervorgerufene Ausbleichen, Verblassen, Verdunkeln oder Vergilben an organischen Werkstoffen bewertungsfrei als natürliche Alterspatina. Stone geht einen Schritt weiter, indem er die im Laufe der Zeit auftretenden Farbveränderungen an Elfenbein als attraktive Patina bezeichnet, die es zu belassen gilt. 51 Objektstudien Bei der Betrachtung von Elfenbeinwerken fällt auf, dass nicht alle Objekte erkennbare Verfärbungen aufweisen. Da wir in der Regel kein Wissen über die ursprüngliche Eigenfarbe und damit keine Referenz zur Beurteilung etwaiger Farbabweichungen haben, ist die Bewertung insgesamt schwierig. Im Zweifelsfall ist nicht einmal einzuschätzen, ob sich das Elfenbeinobjekt überhaupt farblich verändert hat. Dies trifft auf die vielen, bis zum heutigen Tage gleichmäßig weißen Elfenbeinarbeiten zu. Ob an ihnen ein besonders heller Rohstoff verarbeitet wurde und das möglicherweise zwischenzeitlich nachgedunkelte Weiß keinen Anlass zur Annahme einer Farbveränderung gibt oder die originale Farbigkeit ehemals dunkler war und heute in aufgehelltem Zustand vorliegt, muss häufig unbeantwortet bleiben. An einer mehrteiligen Elfenbeinflöte aus dem Besitz Friedrich II., die in ihrem zugehörigen, mit Leder ausgeschlagenen Kastenetui präsentiert wird und unterschiedliche Farbtöne aufweist, lässt sich die Problematik weiter veranschaulichen (Abb. 3). Zeigen die oberen hellen Partien die originale Farbigkeit oder sind sie durch photochemische Wirkung ausgeblichen? Sind die im Etui aufbewahrten Bereiche farblich unverändert oder verdunkelt? Wirkten möglicherweise beide Effekte simultan, sodass die originale Farbigkeit an keiner Stelle erhalten blieb? Neben Verfärbungsphänomenen, für die sich aktuell keine Erklärungen finden lassen, gibt es auch solche, die wiederkehrenden Mustern folgen. Diese werden ausgehend von den Objektstudien nachfolgend diskutiert und ihnen, so weit wie möglich, Ursachen zugeordnet VDR 69

71 Farbveränderungen an Elfenbein Farbveränderungen und Rohstoffqualität Das Naturprodukt tritt nicht nur in verschiedenen Farbnuancen auf, es können sich auch innerhalb eines einzelnen Zahnes Farbvariationen zeigen. Die Ursache hierfür liegt im Stoßzahnwachstum, das von der in der Zahnhöhlung liegenden Pulpa ausgeht und unter günstigen Umständen ein ganzes Elefantenleben hindurch anhält. 52 Faktoren wie Nahrung, Boden, Klima, Stoffwechsel und Krankheiten wirken sich auf das im Aufbau befindliche Dentin und seine Farbe aus. Das Elfenbein eines Stoßzahnes ist deshalb keine homogene Masse, sondern immer auch Spiegel der individuellen und temporären Lebensumstände. 53 Auch wenn sich anhand der Quellen keine Belege für eine verlässliche Einteilung in farbstabile und weniger farbstabile Sorten finden ließen, ist es offensichtlich, dass es diesbezüglich Unterschiede im Rohmaterial geben muss. Worin allerdings eine geringere Farbstabilität begründet sein könnte (Menge des Kollagenanteils?), lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Auffallend ist, dass vor allem unter den Elfenbeinwerken namhafter Künstler so viele in makellosem Weiß erhalten sind. Dies mag auf eine besonders wertschätzende Handhabung dieser kostbaren Objekte zurückzuführen sein, möglicherweise spielen aber tatsächlich unterschiedliche Rohstoffqualitäten eine Rolle. Hochgeschätzte Elfenbeinschnitzer wie beispielsweise Balthasar Permoser ( ) oder Matthias Steinl ( ) hatten sicherlich durch ihre fürstlichen und kaiserlichen Auftraggeber leichteren Zugang zu Stoßzähnen allererster Güte als ihre weniger protegierten Zeitgenossen. Farbveränderungen und Dentinzusammensetzung Elfenbein war immer ein kostbarer und teurer Rohstoff, der äußerst ökonomisch verarbeitet wurde. Bildwerke weisen 8 Elfenbeinskulptur mit ringsum brauner Färbung, vermutlich durch intensiven Ölkontakt verursacht, Thronende Maria und Kind, ca. 1300, Inv. no , The Metropolitan Museum of Art, New York, The Cloisters Collection häufig geringe Spuren des Zahnzements auf und geben damit einen sicheren Hinweis auf die maximale Ausnutzung des Stoßzahndurchmessers. Diese in unmittelbarer Angrenzung zum Zahnzement liegenden äußeren Dentinschichten 54 zeigen üblicherweise einen deutlicher ausgeprägten Maserungsverlauf als der innenliegende Zahnbereich und heben sich am verarbeiteten Objekt mit ziemlicher Regelmäßigkeit durch eine gelbliche Färbung ab. An Relieftafeln liegen diese Randlagen an den Seitenrändern, am dreidimensionalen Objekt auf den Höhen und/oder den Rückseiten (Abb. 4a d). Dass diese äußersten Zahnbereiche vom Elfenbeinschnitzer nach Möglichkeit auf die Objektrückseite verortet wurden, hat sicherlich mit dem ausgeprägten Eigenleben ihrer Maserung zu tun, eventuell wusste man aber auch um deren Vergilbungsanfälligkeit. Weitere zur Vergilbung neigende Zahnpartien sind die zuletzt formierten Dentinschichten rund um die Zahnhöhle (Abb. 5a 70 VDR

72 Farbveränderungen an Elfenbein 9a c Unscharf begrenzte gelbbräunliche Verfärbungen, vermutlich durch Schadstoffanreicherung hervorgerufen, unbekannter Künstler, Gekreuzigter Christus, italoflämisch, spätes 17., frühes 18. Jahrhundert, Inv. 740, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin und 5b), in der sich zu Lebzeiten des Elefanten die Pulpa befindet, sowie ein schmaler Streifen in der Zahnmitte des massiven Stoßzahnabschnittes, auf dem während des Wachstums die Pulpaspitze lag (Abb. 6a und 6b). Insgesamt ist die Dentinbildung ein komplexer, von vielen Faktoren beeinflusster Prozess, der nicht kontinuierlich verläuft, sondern von Ruhephasen unterbrochen wird. Am Zahn können sich die einzelnen Dentinschichten, beziehungsweise die Zuwachszonen, durch unterschiedliche Farbnuancen voneinander abheben und sich durch akzentuierte Maserungslinien abbilden (im Querschnitt als konzentrische, im Längsschnitt als parallel zur Zahnhöhle verlaufende Linien). Gelegentlich treten solche Wachstumsstrukturen im Laufe der Zeit durch gelbliche Verfärbungen deutlicher hervor (Abb. 7, aber auch an Abb. 4c und an Abb. 13 zu erkennen). Möglicherweise korrelieren diese dem Maserungsverlauf folgenden Verfärbungen mit Variationen in der Dentinzusammensetzung. Vor allem für weniger mineralisierte Partien ist eine erhöhte Vergilbungsanfälligkeit denkbar. Verfärbungen durch Ölbehandlungen Ein Einreiben des Elfenbeins mit Ölen, das immer wieder als nährende Pflegemaßnahme für Elfenbein empfohlen wird, führt zu Vergilbungen. Dass eine solche Behandlung zu den handwerklichen Gebräuchen zählte, ist mehrfach belegt und wird bereits von Theophilus Presbyter empfohlen. 55 Die gelbbräunlichen Verfärbungen im Innern einer kleinen, aus einem einzigen Stück gedrechselten Elfenbeinpyxis, die Ende des 10., Anfang des 11. Jahrhunderts in Oberitalien entstanden ist und die laut eingravierter Umschrift zur Aufbewahrung von Salböl diente, könnten durchaus durch den intensiven Ölkontakt verursacht worden sein. 56 Johann Teubner ist sich offensichtlich der verfärbenden Wirkung von Ölen bewusst und warnt deshalb vor einer Politur auf Ölbasis VDR 71

73 Farbveränderungen an Elfenbein Die eher selten anzutreffende, dann aber meist flächendeckend vorliegende rotbraune Färbung an Elfenbeinobjekten, wie sie die kleine Thronende Madonna in The Cloisters Collection aufweist, ist vermutlich ebenfalls die Folge intensiven Ölkontakts (Abb. 8). 58 In Hinblick auf die verfärbende Wirkung von Öl sei nochmals auf Alfred Maskell verwiesen, der Elfenbeinobjekte beschreibt, die ihn aufgrund ihrer rotbraunen Färbung an Buchsbaum- oder Mahagoniholz erinnern. Seine Ausführungen lassen zwar offen, ob diese gezielt gefärbt wurden, liefern aber im vorliegenden Kontext den weitaus wichtigeren Hinweis, dass sich eine rotbraune Färbung durch intensives Einmassieren von Öl erzeugen lässt. 59 Verfärbungen durch Eindringen von Schmutz Vergilbungen und Verdunklungen an Schmuck und Alltagsgegenständen aus Elfenbein lassen generell an Verschmutzung durch Hautfett, Stäube und Schmutz denken. Dass bei weniger dicht gewachsenen Elfenbeinsorten, die sich schlechter polieren lassen, Schmutzpartikel von Anbeginn an besser eindringen bzw. anhaften und Verfärbungen schneller und deutlicher zu Tage treten, leuchtet ein und mag auch zu der Einteilung in vergilbungsanfällige und weniger anfällige Qualitätskategorien geführt haben. Farbveränderungen durch flüchtige Schadstoffe Hinter dem Luftmangel, den Michaelsen und Kühn neben dem Lichtmangel als Verursacher von Verfärbungen anführen, verbergen sich eventuell Reaktionen mit Luftschadstoffen. Dass die Anreicherung von atmosphärischen Schadstoffen in geschlossenen Systemen (Schränken, Schubladen, Vitrinen) zu Materialverfärbungen führen kann, ist allgemein bekannt. Für Elfenbein führt Cooper ein eindrückliches Beispiel an, in dem schwefelige Gase, die über die Verklebung einer Textilbespannung in die Vitrine eingebracht wurden, die Elfenbeinexponate orangerot verfärbten. 60 Das Extrembeispiel belegt die Empfindlichkeit des Elfenbeins gegenüber flüchtigen Schadstoffen und ist vor allem in Hinblick auf zunächst unerklärliche Farbveränderungen interessant. So zeigen auffallend viele Christusfiguren rückseitig gelbe bis bräunliche Verfärbungen, die sich nicht auf die Flächen (Gesäß- und Schulterbereich, Hand- und Fußrücken), mit denen die Skulpturen auf den Holzkreuzen aufliegen bzw. auflagen, beschränken (Abb. 9a c). Eine Verfärbung, die über den eigentlichen Kontaktbereich hinausgeht, ist auch an einer kleinen elfenbeinernen Kinderfigur mit zugehöriger Holzunterlage zu sehen (Abb. 10a und 10b). Ob diese ebenfalls durch atmosphärische Anreicherung, oder durch Wanderung der färbenden Stoffe im Elfenbein verursacht wurde, lässt sich wohl kaum entscheiden. Farbveränderungen durch Kontaktmaterialien Verfärbungen an Elfenbein durch direkten Kontakt mit diversen Materialien (Holz, Klebstoffe, Papier, Gummi, Metalle, Pigmente, etc.) sind geläufig und lassen sich häufig aufgrund ihrer begrenzten Lokalität oder anhand ihrer Objektgeschichte 61 mit dem Verursacher in Verbindung bringen (Abb. 11). Schwieriger zu interpretieren sind die ganzflächig auftretenden Verfärbungen an Reliefrückseiten, doch kann auch hier der Einfluss ungünstiger Kontaktmaterialien vermutet werden (Abb. 12a und 12b). Farbänderungen durch Lichtmangel Wie bereits oben erwähnt, sind vergilbte Partien oftmals an verschatteten, dem Licht abgewandten Bereichen zu finden, was zu der Theorie geführt hat, Elfenbein vergilbe unter Lichtmangel. Dem widersprechen die vielen Objekte, die in speziell für sie maßgeschneiderten Behältnissen oder in Schränken und Schubladen aufbewahrt werden und die bis heute ohne augenfällige Verfärbungen sind. Ein besonders schöner, auch zahlenmäßig beeindruckender Beleg sind die Elfenbeinarbeiten aus der Sammlung Esterházy, die trotz der jahrhundertelangen Verwahrung im Dunkeln der barocken Schatzkammer auf Burg Forchtenstein gleichmäßig weiß erhalten blieben. Dazu passt erneut eine Beobachtung von Maskell, der über die mittelalterlichen Elfenbeinarbeiten in der Wallace Collection in London schreibt: [ ] and the ivories themselves are as purely white as the day they were made. And yet their preservation for four or five centuries is probably due to their having been kept in cases and carefully stored away. 62 Fazit Objektbeobachtungen Die Aufzählung diverser Vergilbungserscheinungen mag die Vielzahl möglicher Gründe für eine Farbveränderung verdeutlichen. An beschädigten, ausgebrochenen Stellen lässt sich die geringe Eindringtiefe der Verfärbungen erkennen (Abb. 13). Dass Elfenbein, wie so häufig postuliert, allein im Zuge der natürlichen Alterung eine gelbliche Färbung annimmt, konnte durch reine Objektbeobachtung nicht verifiziert werden. Auch die Theorie des Lichtmangels, mit der die zahlreichen rückseitigen Verfärbungen erklärt wurden, muss kritisch überdacht werden. Die Objektstudien deuten eher auf andere Einflussfaktoren, wie ungünstige Kontaktmaterialien oder Anreicherungen von Schadstoffen, die möglicherweise erst ab gewissen Luftfeuchtigkeitswerten wirksam werden. Nicht wenige Elfenbeinobjekte zeigen Farbveränderungen, die sich in keines der vorgenannten Erklärungsmodelle fügen. Besonders solche, die sich scheinbar jeder logischen Erklärung widersetzen, mögen auf ein Nebeneinander bzw. die Überlagerung unterschiedlicher Wirkungsprinzipien zurückzuführen sein. Ein vorderseitiges Ausbleichen durch Sonneneinstrahlung, ein unterseitiges Vergilben durch ungeeignetes Kontaktmaterial und rückseitige Vergilbungen aufgrund außen liegender Dentinschichten sind ein durchaus denkbares Szenario. Otto Pelkas Einschätzung, der im Abschnitt über Material und Technik resümiert: Auch ist die Färbung wesentlich abhängig von den Schicksalen, die die Elfenbeine seit ihrer Entstehung durchgemacht haben, 63 ist von ungebrochener Aktualität. 72 VDR

74 Farbveränderungen an Elfenbein 10a, b Unscharf begrenzte, gelbbräunliche Verfärbungen, vermutlich durch das Kontaktmaterial Holz verursacht, Johann Christoph Ludwig Lücke, Lagernder Knabe, Mitte 18. Jahrhundert, Inv. St. P 0846, Liebieghaus Skulpturensammlung Sammlung Reiner Winkler, Frankfurt a.m. 11 Scharf begrenzte, orangegelbe Verfärbung durch aufgeklebtes Papieretikett, Putto auf einem Totenkopf sitzend (Detail), Mitte 17. Jahrhundert, Inv. St. P 0142, Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt a. M. Aktueller Forschungsstand Die photochemische Wirkung optischer Strahlung auf Elfenbein wurde bereits an verschiedenen Stellen beschrieben. Systematische Bestrahlungsreihen oder Studien über die molekularen Prozesse, die farbliche Veränderungen an Elfenbein verursachen, sind nach Kenntnis der Autorin bisher nicht publiziert worden. Arun Banerjee bemerkt, nachdem er Elfenbein UV-Strahlung ausgesetzt hat, zunächst eine gelbstichige und anschließend bräunliche Verfärbung aller Proben. Zusätzlich beeinflussen nach seiner Beobachtung Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur das Ergebnis. 64 Im Rahmen ihrer Diplomarbeit führte Barbara Häcker eine vier Monate andauernde Bestrahlungsreihe an Elfenbeinproben durch. Über Messungen des Weißgrades gewann sie die Erkenntnis, dass Elfenbein unter dem Einfluss optischer Strahlung bleicht und sich die maßgeblichen Änderungen im spektralen Bereich von nm abspielen. Im photochemisch besonders aktiven Wellenlängenbereich unterhalb von 400 nm (UV-Strahlung) zeigten die Proben eine geringere Farbänderung. Ein Vergilben an den über diesen Zeitraum im Dunkeln aufbewahrten Proben konnte nicht beobachtet werden. 65 Einige Autoren bemühen sich um Erklärungen für die beobachteten Farbänderungen: Verena Flamm führt ganz allgemein die Vergilbung von Elfenbein auf Oxidationsprozesse an der Luft zurück. 66 Susann Bradley bringt die durch ultraviolette Strahlung und energiereiche Anteile des sichtbaren Lichts hervorgerufenen Bleicheffekte mit einer Polymerisation der im Elfenbein enthaltenen Öle in Zusammenhang. 67 Wie bereits erwähnt, geht Anke Freund davon aus, dass das Gelbwerden des Elfenbeins ein natürlicher Alterungsprozess ist, hervorgerufen durch sich bildende färbende Bestandteile des alternden Kollagens. Durch UV-Exposition, so die Hypothese, werden diese wieder in nichtfärbende Substanzen umgewandelt. Da dieser Effekt in verschatteten Partien und an Objektrück- und -unterseiten wirkungslos bleibt, nimmt hier die Gilbung stetig zu. 68 Christoph Waller erläutert Lichtschäden in Form von Verfärbungen ebenfalls als Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses. Er vermutet hinter Vergilbungen gefärbte Aldehyde oder Ketone, die aus Reaktionen mit zuvor gebildeten Peroxiden entstehen können. Diese werden dann in einem zweiten Schritt unter dem Einfluss optischer Strahlung wieder in farblose Säuren umgewandelt (Bleichvorgang). 69 Eine andere Überlegung geht von strukturellen Veränderungen im kollagenen Anteil aus. Denkbar wäre, dass Aminosäuren unter dem energetischen Eintrag ihre Form ändern, sich beispielsweise verdrehen, was zu einer Veränderung der Absorptions- und Reflexionseigenschaften führen kann und damit zu einer anderen Objektfarbe VDR 73

75 Farbveränderungen an Elfenbein Ausblick Die wenig erforschte Ausgangslage, die Vielzahl an denkbaren Verfärbungsursachen und die Problematik, die biogenem und somit nicht standardisiertem Probenmaterial innewohnt, machen naturwissenschaftliche Untersuchungen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten notwendig. Elfenbein ist ein faserverstärkter Verbundwerkstoff aus anorganischen und organischen Grundstoffen. Die zu feinen Faserbündeln angeordneten Makromoleküle des Kollagens formieren sich zu einer Art Matte, in deren Zwischenräume die anorganischen Mineralien (vor allem winzige Hydroxylapatit- Kristalle) eingelagert werden. Allgemein wird angenommen, dass Veränderungen in den kollagenen Anteilen für die Farbveränderung verantwortlich sind. Die Identifikation der Chromophore und Kenntnisse über die molekularen Veränderungen, für die die Farbveränderungen optischer Ausdruck sind, wären für das Verständnis der Vorgänge von besonderer Bedeutung. Darauf aufbauend kann zielgerichteter nach individuellen Unterschieden in der Zusammensetzung der Stoßzähne gesucht werden, maßgeblich innerhalb der für die Farbveränderungen verantwortlichen Komponenten. Möglicherweise ließe sich in einem weiteren Schritt eine geografische Zuordnung von farbstabilen oder weniger farbstabilen Sorten vornehmen. Für die konservatorische Praxis sind zuallererst Kenntnisse über die spektrale Empfindlichkeit von Elfenbein wichtig. Sie bilden die Grundlage für die Formulierung geeigneter Präsentations- und Aufbewahrungsbedingungen. Inwieweit farbliche Veränderungen als Endprodukt einer photochemischen Wirkung auftreten und ob Elfenbein tatsächlich unter Ausschluss optischer Strahlung vergilbt bzw. dunkelt, waren deshalb Inhalt eines eigenen Forschungsprojektes. Die aus den Bestrahlungsexperimenten gewonnenen Erkenntnisse werden Gegenstand eines gesonderten Beitrags sein. Dipl.-Rest. Hiltrud Jehle Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin Geschwister-Scholl-Straße Berlin h.jehle@smb.spk-berlin.de 12a, b Flächige, gelbbräunliche Verfärbungen, wie sie typischerweise an Reliefrückseiten auftreten, unbekannter Künstler, Anbetung der Heiligen Drei Könige, um1320/30, Inv. 636, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin 13 An der Ausbruchstelle im Netz wird die geringe Eindringtiefe der Verfärbung, die dem Maserungsverlauf folgt, sichtbar. Balthasar Grießmann, Große Deckelkanne mit mythologisch-allegorischen Darstellungen (Detail), um 1660/70, Inv. St. P 0762, Liebieghaus Skulpturensammlung Sammlung Reiner Winkler, Frankfurt a. M. 74 VDR

76 Farbveränderungen an Elfenbein Anmerkungen 1 ZEDLER 1734, Sp Soweit nicht anders vermerkt, ist nachfolgend ausschließlich vom Zahnbein des Elefanten die Rede. Differenzierungen zwischen den drei noch lebenden Arten (Loxodonta africana, Loxodonta cyclotis und Elephas maximus) werden im Text nicht vorgenommen. 3 JEHLE/AYDINLI (in Vorbereitung für VDR zur Erhaltung von Kunst und Kulturgut 1/2020) 4 BREPOHL 1999, S. 271 ff. 5 LONICER/UFFENBACH 1679, S SCHEDEL 1790, S ZEDLER 1734, Sp PAPPE 1993, S Ceylon ist die historische Bezeichnung für Sri Lanka, Achem, eine indonesische Provinz an der Nordwestspitze der Insel Sumatra. Die heutige Bezeichnung für diese Region lautet Aceh. 10 SOCIETY OF GENTLEMEN 1754, S. 1820: [ ] for this reason the teeth of these places bear a larger price than those of the coast of Guinea. Mit coast of Guinea sind wahrscheinlich sämtliche Länder entlang der westafrikanischen Küste gemeint. Siehe hierzu historische Landkarten des 18. Jahrhunderts, beispielsweise unter: (zuletzt aufgerufen am ) 11 Achen oder auch Acheen sind vermutlich Synonyme für Achem (Sumatra). 12 Festland, wahrscheinlich ist der indische Subkontinent gemeint. 13 In Abgrenzung zum Festland bezieht sich der Begriff wahrscheinlich auf die Inseln Südostasiens. 14 MORTIMER 1766, S Ehemaliges Königreich in Südostasien auf dem Gebiet des heutigen Myanmar 16 ANONYM 1770, S DIDEROT/D ALEMBERT 1779, S Dass aus East-Indies bei Mortimer jetzt Indes occidentale, also Westindien, wird, könnte auf einem Schreib- oder Übersetzungsfehler beruhen. Gemeint ist vermutlich der westliche Teil des indischen Subkontinents. 19 KRÜNITZ 1777, S KRÜNITZ 1777, S Im Westen bis 1939 gebräuchlicher Name für das heutige Thailand 22 SCHEDEL 1790, S. 293 f. 23 BECKMANN 1794, S THON 1829, S. 368 f. 25 BECKMANN 1794, S. 309, S. 321, S ANONYM 1841, S LEUCHS 1836, S GUILLAUMIN 1852, S : Diese Sorte ist vor allem bemerkenswert, da sie beim Altern aufhellt, wohingegen alle anderen Sorten, aufgrund der bereits genannten Gründe, vergilben. Die Gründe, weshalb alle anderen Varietäten vergilben, liegen nach Autorenmeinung in der Verbindung der gelatinösen Materie mit dem Luftsauerstoff: Exposé à l air, l ivoire jaunit, parce que la matière gélatineuse se combine avec l oxigène de l air. 29 BEYTHIN/DRESSER 1909, S Elfenbein enthält nur sehr geringe Mengen (ca. 2 %) an öligen Substanzen. Nachdem der Stoßzahn vom lebenden Organismus getrennt wurde, setzt ein Trocknungsprozess ein, bei dem aber viel eher Wasser verdunstet als ölige Bestandteile. 31 HOLTZAPFFEL 1846, S MASKELL 1905, S. VI (Vorwort) nennt namentlich das British Museum, das South Kensington Museum (heutige Bezeichnung Victoria & Albert Museum), die Wallace Collection und die Mayer Collection in Liverpool. 33 MASKELL 1905, S FREUND ET AL. 2002, S PAPPE 1993, S KRÜNITZ 1777, S BECKMANN 1794, S PRECHTL 1834, S FREUND 1999, S. 20 f. 40 BECKMANN 1794, S. 321 ff. 41 KUNZ 1916, S. 242 f. 42 HOLTZAPFFEL 1846, S Flintglas ist für optische Strahlung ab ca. 400 nm durchlässig. 44 FREUND 1999, S. 20, JEHLE/AYDINLI (Publikation in Vorbereitung) 45 LEHNER 1909, S MICHAELSEN 1990, S DEUTSCHES ELFENBEINMUSEUM ERBACH 1994, S KÜHN 1981, S MASSOUL 1797, S BECKER EMMERLING 1927, S BRACHERT 1985, S. 10 ff., Stone 2010, S. 2 ff. 52 Für ausführliche Informationen zum Zahnwachstum siehe JEHLE 1995, S. 68 ff. 53 Anders als Knochen, die in Abhängigkeit von Stoffwechsel, Vitaminzufuhr und Hormonen ständigen Veränderungen unterworfen sind, bleibt bereits gebildetes Dentin in seiner Zusammensetzung stabil. 54 Die äußeren und an der Zahnspitze liegenden Dentinschichten sind die ältesten, die um die Zahnhöhle liegenden die jüngsten. 55 BREPOHL 1999, S Inv.Nr. 9/74, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. Umschrift: + OLEUM SANCTUM APUD S TRINITAS URBE TRES VILLE (heiliges Öl aus der Dreifaltigkeitskirche in der Stadt Tres Ville) 57 Teuber 1756, S.27: Man kann mit obiger Politur von Oel, Tripel, Kreiden und Seiffen das Helffenbein zwar auch poliren, es ist aber demselben nicht so dienlich, massen [sic] es mit der Zeit darauf gelb wird. 58 Thronende Madonna ( ), England, vermutlich London, um 1300, The Cloisters Collection, The Metropolitan Museum of Art, New York. 59 MASKELL 1905, S. 387: A simple method of producing the reddish or chestnut colour on ivories is to give a coating of oil, than apply friction by means of the lathe and a piece of rag; and finally to expose to the sun for a few days. 60 COOPER 1939, S Im Boden gelagertes archäologisches Elfenbein ist häufig durch im Grundwasser gelöste Mineralien verfärbt. 62 MASKELL 1905, S PELKA 1920, S BANERJEE 1996, S HÄCKER 2005, S. 19 f., vgl. OHDE/REICHERT 2007, S. 79 ff. 66 FLAMM 2000, S BRADLEY 1995, S FREUND 1999, S. 20 f. 69 Vgl. Abschnitt Lichtschäden, Beispiele: (Stand: ) 70 Mündlicher Hinweis von Stefan Ziegler, Umweltstiftung WWF (World Wide Fund For Nature) Deutschland (2019) Literatur ANONYM 1770: Anonym, Dictionnaire portatif de commerce, contenant la connoissance des marchandises de tous les pays [ ], Bd. 4, Bouillon 1770 ANONYM 1841: Anonym, Conversations=Lexikon für Künstler und Handwerker, Fabrikanten und Maschinisten. Bd. 1, Weimar 1841 BANERJEE/SCHNEIDER 1996: Arun Banerjee, Beate Schneider, Römisches Elfenbein - zerstörungsfreie Materialprüfung mit optischen und spektralphotometrischen Methoden. In: Kölner Jahrbuch 29 (1996), S BECKER EMMERLING 1927: Luise Becker Emmerling, Die Technik der Miniaturmalerei auf Elfenbein und Pergament, Ravensburg 1927 BECKMANN 1794: Johann Beckmann, Vorbereitung zur Waarenkunde, oder zur Kentniß der vornehmsten ausländischen Waren, Bd. 3, Göttingen 1794 BEYTHIN/DRESSLER 1908: Adolf Beythin und Ernst Dreßler (Hrsg.), Klemens Merck s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe [ ], 5. völlig neu bearb. Aufl., Leipzig 1908 BRACHERT 1985: Thomas Brachert, Patina. Von Nutzen und Nachteil der Restaurierung, München 1985 BRADLEY 1995: Susann Bradley (Hrsg), A Guide to the Storage, Exhibition and Handling of Antiquities, Ethnographia and Pictorial Art. British Museum Occasional Papers, Nr. 66, London 1995 BREPOHL 1999: Erhard Brepohl, Theophilus Presbyter und das mittel - alterliche Kunsthandwerk. Gesamtausgabe der Schrift de diversis ar VDR 75

77 Farbveränderungen an Elfenbein tibus in zwei Bänden, Bd. 2 Goldschmiedekunst. Köln, Weimar, Wien 1999 COOPER 1939: Francis Cooper. Technical Notes. Ivory Discoloured by Proximity to Rubber. In: The Museums Journal, 1 (1939) S. 23 DIDEROT/D ALEMBERT 1779: Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d Alembert, Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers [ ]. Bd. 36, Genf 1779 DEUTSCHES ELFENBEINMUSEUM ERBACH 1994: Deutsches Elfenbeinmuseum Erbach (Hrsg.) Elfenbein. Kreativer mystischer Werkstoff. Einführung in die Geschichte der Elfenbeinkunst, Erbach 1994 FREUND 1999: Anke Freund, Elfenbeinrestaurierung. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Institut für Technologie der Malerei, Studiengang Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten, Stuttgart 1999 FREUND ET AL. 2002: Anke Freund, Gerhard Eggert, Hartmut Kutzke, Bruno Barbier: On the Occurrence of Magnesium Phosphates on Ivory. In: Studies in Conservation 47, (2002) S FLAMM 2000: Verena Flamm, Die Konservierung und Restaurierung der Habsburger-Miniaturen. In: Mirabilia und Curiosa. Restauratorenblätter. Bd. 21, 2000, S GUILLAUMIN 1841: M. Guillaumin (Hrsg.), Encyclopédie du commerçant. Dictionnaire du commerce et marchandises, contenant tout ce qui concerne le commerce de terre et de mer, Bd. 2, Paris 1841 HÄCKER 2005: Barbara Häcker, Zwei frühbarocke Kleinbildwerke aus Elfenbein (Teil 1). Untersuchung der Lichtalterung von Elfenbein (Teil 2). Unveröffentlichte Diplomarbeit, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich 5 Gestaltung, Studiengang Restaurierung/ Grabungstechnik. Hier: Teil 2, Berlin 2005 HOLTZAPFFEL 1846: Charles Holtzapffel, Turning and Mechanical Manipulation intended as a work of general Reference and Practical Instruction on the Lathe and the Various Mechanical Pursuits Followed by the Amateurs, Vol. 1, 2. Auflage, London 1846 JEHLE 1995: Hiltrud Jehle, Elfenbein Überlegungen zum Material und zu seiner Verarbeitung. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, Jg. 9 Heft 2 (1995), S JEHLE 2015: Hiltrud Jehle, Dem Zahn auf den Nerv gefühlt. Eine Revision zur Morphologie des Elefantenstoßzahns. In: VDR zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 1 (2015), S JEHLE/AYDINLI: Hiltrud Jehle und Sirri Aydinli, Farbveränderungen an Elfenbein durch optische Strahlung (Publikation in Vorbereitung) KRÜNITZ 1777: Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft in alphabetischer Ordnung, Bd. 10, Berlin (Stand: ) KÜHN 1981: Hermann Kühn, Erhaltung und Pflege von Kunstwerken und Antiquitäten, Bd. 1, 2. revidierte und überarbeitete Auflage, Regensburg 1981 KUNZ 1916: George Frederick Kunz, Ivory and the Elephant in Art, in Archaeology, and in Science, New York LEHNER 1909: Sigmund Lehner, Die Imitationen. Eine Anleitung zur Nachahmung [ ]. In: A. Hartleben s Chemisch-technische Bibliothek, 3. bedeutend erweiterte Auflage, Wien und Leipzig 1909 LEUCHS 1836: Johann Carl Leuchs, Allgemeines Waren=Lexicon, 2. verbesserte Auflage, Bd. 2, Nürnberg 1836 LONICER/UFFENBACH 1679: Adam Lonicer und Peter Uffenbach, Kreuterbuch, künstliche Conterfeytunge der Bäume, Stauden, Hecken, Kräuter [...]. Neuauflage, Frankurt a. M MASKELL 1905: Alfred Maskell, Ivories, London 1905 MASSOUL 1797: Constant de Massoul, A treatise on the art of painting [ ] translated from the French of M. Constant de Massoul, London 1797 MERCK 1908: Klemens Merck, Klemens Merck s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe, 5. völlig neu bearb. Aufl., Leipzig 1908 MICHAELSEN 1990: Hans Michaelsen, Möglichkeiten der Restaurierung von Elfenbeinarbeiten dargestellt an ausgewählten Beispielen des 17. bis 19. Jahrhunderts. In: Neue Museumskunde. Theorie und Praxis der Museumsarbeit, Jg. 33 Heft 2 (1990), S MORTIMER 1766: Thomas Mortimer, A new and complete dictionary of trade and commerce, London OHDE/REICHERT 2007: Andreas Ohde und Frank Reichert. Licht ist der Feind des Elfenbeins: Museen müssen auf die Beleuchtung achten. In: Energie und Umwelt. und Positionen, 2007, S PAPPE 1993: Bernd Pappe, Werkstoffe und Techniken der Miniaturmalerei auf Elfenbein. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung. Jg. 7 Heft 2 (1993), S PELKA 1929: Otto Pelka, Elfenbein, Berlin 1929 PRECHTL 1834: Johann Josef Prechtl, Technologische Encyklopädie oder alphabetisches Handbuch [ ], Bd. 5, Stuttgart 1834 SCHEDEL 1790: Johann Christian Schedel, Johann Christian Schedels neues und vollständiges Waaren-Lexikon [...], Offenbach am Main 1790 SOCIETY OF GENTLEMEN 1754: Society of gentlemen. A new and complete dictionary of arts and sciences [ ], Bd 2, London 1754 STONE 2010: Tom Stone, Care of Ivory, Born, Horn, and Antler. In: Canadian Conservation Institute (Hrsg.), CCI Notes 6/1, originally published 1983, revised 1988, 2010, S. 1 4 TEUBER 1756: Johann Martin Teuber, Vollständiger Unterricht von der gemeinen und höhern Dreh=Kunst [ ], Regensburg und Wien 1756 THON 1829: Christian Friedrich Gottlieb Thon, Christ. Friedr. Gottlieb Thon s ausführliches und vollständiges Waaren-Lexicon oder gemeinnütziges Handbuch [ ], Bd. 1, Ilmenau 1829 ZEDLER 1734: Johann Heinrich Zedler, Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste [ ], Bd. 8, Halle, Leipzig (Stand: ) Abbildungsnachweis Abb. 1: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Jörg. P. Anders Abb. 2: aus: Geschäfts-Album der Firma Heinr. Ad. Meyer, Hamburg, ohne Jahresangabe, Zoologische Bibliothek des Naturkundemuseums Berlin Abb. 7: Bildarchiv des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Berlin, Foto: Sabine Hoffmann Abb. 8: The Metropolitan Museum of Art, New York, Public Domain/Open Access Abb. 10a, 10b, 11, 13, Umschlag: Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt a. M., Fotos: Harald Theiss Alle anderen Abbildungen: Autorin 76 VDR

78 Mittelalterliche Gewebefragmente Mittelalterliche Gewebefragmente aus dem Universalmuseum Joanneum in Graz Technologische Analyse und Konservierung Elisabeth Delvai, Tanja Kimmel, Gabriela Krist, Bernhard Pichler Im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien wurden neun Fragmente zweier italienischer Seidengewebe des 14. Jahrhunderts aus dem Bestand des Universalmuseums Joanneum in Graz erstmals konservierungswissenschaftlich bearbeitet. Neben dem Versuch einer kulturhistorischen Einordnung der Objekte wird die Bedeutung der Fragmente im musealen Kontext beleuchtet. Eine umfassende technologische Bestandsaufnahme und Zustandserfassung der Lampasgewebe erlauben Rückschlüsse auf deren frühere Verwendung. Der Schwerpunkt materialtechnischer Analysen lag auf den eingewebten Metallfäden. Im Zuge von Recherchen zur historischen Technologie des sogenannten Häutchengoldes wurden Versuche zur Rekonstruktion durchgeführt. Mit der Konservierung und der Anfertigung individueller Trägerplatten wurden die Fragmente für eine zukünftige Ausstellung und Lagerung optimal vorbereitet. Medieval fabric fragments from the collection of the Universalmuseum Joanneum in Graz, Austria Technological analysis and conservation In the scope of a diploma thesis at the Institute of Conservation and Restoration, University of Applied Arts Vienna, nine fragments of two different 14thcentury Italian silks from the collection of the Universalmuseum Joanneum in Graz, Austria were examined. The objects were attempted to be classified within their historic/cultural context. Furthermore, the significance of the fragments in the museum context was emphasized. Comprehensive technological examination and condition assessment of the two lampas-weave pieces indicate their probable, original purpose of use. Special focus was placed on the metallic threads. Alongside research on the historical techniques for producing metallic threads, especially gilt membrane threads used for weaving, experiments of reconstruction were undertaken. The conservation and the making of individual support boards provide ideal conditions for future display and storage of the fragments. Einleitung Gegenstand der im Juni 2017 am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien 1 abgeschlossenen Diplomarbeit, deren Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst werden, waren mehrere Gewebefragmente des 14. Jahrhunderts aus dem Bestand des Universalmuseums Joanneum in Graz, deren technologische Analyse und Konservierung im Mittelpunkt der Arbeit standen. Es handelt sich dabei um insgesamt neun Fragmente zweier verschiedener Seidengewebe: ein großgemustertes Gewebe mit Darstellung von Hunden, Raubkatzen und Vögeln im Folgenden als Gewebe A (Abb. 1) bezeichnet und ein kleiner gemustertes Gewebe mit dargestellten Tierpaaren und spitz - ovalen Palmetten Gewebe B (Abb. 2). 2 Da über die Fragmente bis auf spärliche Anmerkungen aus den Inventarblättern kaum etwas bekannt ist, war das Hauptziel der Arbeit, die Objekte nicht nur durch die konserva - torische Bearbeitung, sondern auch durch intensive Nachforschungen wieder zu kontextualisieren. Die Recherche entwickelte sich zu einer spannenden Spurensuche in korrelierenden Fachrichtungen, die weit über die Grenzen des Museums hinausführte. Objektgeschichte Die Fragmente werden im Inventar des Museums von 1931 erstmals erwähnt und in das italienische Trecento datiert. Sie gelangten vermutlich schon im 19. Jahrhundert an die Grazer Sammlung. 3 Im Museum wurde angenommen, dass die Objekte aus der Sammlung Bock stammen, es gibt jedoch keinen schriftlichen Beleg dafür. Franz Bock ( ) war ein deutscher Geistlicher, der es sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht hatte, in Kirchen und Klöstern kostbare Gewebe aufzustöbern. 4 In kleine Stücke geschnitten, verkaufte er diese an die zu seiner Zeit aufstrebenden Kunstgewerbemuseen und war deshalb auch unter dem Namen Scherenbock bekannt. So ist es keine Seltenheit, dass Fragmente derselben Gewebe in mehreren Sammlungen zu finden sind. Auch von Gewebe B konnte ein weiteres Stück im Kunstgewerbemuseum Berlin ausfindig gemacht werden (Abb. 3). 5 Fragmente dieser Art dienten hauptsächlich zum Anlegen einer Mustersammlung, insbesondere um das Kunstgewerbe in der Flächenornamentik von historischen Vorbildern zu inspirieren. 6 Bock war es außerdem ein großes Anliegen, dass sich Musterzeichner für kirchliche Gewandstoffe an den für ihn am nachahmungswertesten mittelalterlichen Mustern orientierten VDR 77

79 Mittelalterliche Gewebefragmente 1 Fragment von Gewebe A 2 Fragmente von Gewebe B Die Seidenweberei breitete sich vom Orient langsam nach Europa aus, wo sie sich besonders im 12. Jahrhundert auch in Italien durchgesetzt hat. 7 Hier haben sich einige Zentren herauskristallisiert, die die westliche Produktion im Mittelalter bestimmten und europaweit bekannt waren. Dabei ist vor allem Lucca zu nennen, ein Herstellungsort, der aufgrund mehrerer stilistischer und technologischer Merkmale als Provenienz für diese beiden Gewebe anzunehmen ist. Lucca ist vor allem für seine ideenreichen Kompositionen bekannt, die durch zahlreiche orientalische Elemente bereichert wurden. 8 Orientalische Gewebe waren durch die Handelsbeziehungen in Europa schon länger bekannt, wurden bewundert und imitiert. 9 Eine sichere Provenienzangabe ist aber meistens aufgrund des starken Austausches zwischen den italienischen Städten wie auch in diesem Fall nicht möglich Fragment von Gewebe B im Bestand des Kunstgewerbemuseums Berlin Von Hunden und Raubkatzen Gewebe A Gewebe A zeigt in einem relativ großen Rapport ein sehr lebendiges Muster mit versetzten Reihen, die Hunde und Raubkatzen darstellen (Abb. 4). Diese werden durch Rosetten-, Bogenpaare und islamisch anmutende Flechtbandmuster so- 78 VDR

80 Mittelalterliche Gewebefragmente wie unendliche Knoten verbunden. Dazwischen fliegen Vögel- bzw. Phönixdarstellungen aufeinander zu. Die große Affinität zu orientalischen Stoffen zeigt sich auch darin, dass öfters Ornamente, die kufischen Schriftzeichen ähneln, in die Muster eingebunden wurden. 11 Auch wenn diese vermutlich meist nicht interpretiert werden konnten, vermittelten sie dennoch den gewünschten Eindruck des Exotischen. Auch Gewebe A zeigt ein dieser Schrift sehr ähnliches Ornament (Abb. 5). 12 Laut Expertenmeinung handelt es sich hierbei nicht um ein originär arabisches Schriftzeichen, das von kundiger Hand geschrieben wurde, sondern eher um eine Kopie eines solchen Wortes von einem anderen Textil. 13 Spiegelt man das Ornament, ähnelt es dem arabischen Wort für der Herrscher. Spitzovale und Tierpaare Gewebe B Gewebe B hingegen hat eher einen klassischen Aufbau, der sich an Muster des 11. und 12. Jahrhunderts anlehnt. Paare von Raubkatzen, Greifen und Stieren sind in einem Raster von Spitzovalen auf einem Grund mit vegetabilen Ornamenten angeordnet, wodurch ein Streumustercharakter entsteht (Abb. 6). Dennoch kommt auch hier durch das Lotusmotiv der orientalische Einfluss klar zur Geltung. Im Gegensatz zu Gewebe A ist Gewebe B jedoch der Kunstgeschichte bekannt und bereits in mehreren Publikationen abgebildet und beschrieben. 14 Die Rede ist dabei jedoch immer nur von jenem Stück, welches durch einen Tausch 1903 von Graz an das Kunstgewerbemuseum nach Berlin gekommen ist. Ursprüngliche Verwendung Obwohl die Fragmente zu einem Großteil keine originalen Kanten aufweisen, deuten deren Formen auf die Rück- und Vorderseite einer Kasel hin, also auf ein liturgisches Gewand. Die Form der Kasel hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. Da die Form, welche die Fragmente heute haben, nicht mit der Kaselform zur Entstehungszeit der Gewebe übereinstimmt, kann man davon ausgehen, dass das ursprüngliche Gewand einfach beschnitten und der Mode der Zeit angepasst wurde. 15 Nur selten wurden kostbare Gewebe durch die Kirchen selbst angekauft, sie gelangten meist durch Schenkungen von Kleidern aus den Adelshöfen in kirchlichen Besitz. Durch die außergewöhnliche Größe handelt es sich bei Gewebe A deshalb um ein besonders kostbares Stück. Eine weitere Fragestellung ist, ob und wie die Fragmente zusammengehören. Ein Inventareintrag belegt, dass ursprünglich zwei Streifen von Gewebe B auf Gewebe A aufgenäht waren. Durch Vergleiche der verschiedenen Inventare konnte herausgefunden werden, um welche Fragmente es sich handelt und dass diese vermutlich zwischen 1987 und 1994 abgenommen wurden. Informationen über die genaue Position sowie über den Zeitpunkt und den Grund der Abnahme sind nicht überliefert und bleiben somit unklar. Mehrere Ungereimtheiten bei der Untersuchung von Nähfadenresten sowie von Naht- und Gebrauchsspuren an den Fragmenten standen einer eindeutigen und plausiblen Theorie im Wege. 4 Reinzeichnung des Musters von Gewebe A, Rapportgröße: Breite: 14,5 cm, Höhe: ca. 47 cm 5 Gewebe A, Turm, Bögen und arabische Schriftzeichen VDR 79

81 Mittelalterliche Gewebefragmente Bestand Aus technologischer Sicht handelt es sich bei beiden Geweben um einen Lampas, also eine Webart, bei der der Grund durch eine Hauptkette und einen Grundschuss und das Muster durch eine Bindekette und einen oder mehrere Musterschüsse gebildet wird. Besonders spannend dabei ist, dass bei Gewebe A jeder vierte Hauptkettfaden doppelt genommen wurde, was tatsächlich ein Hinweis auf die Provenienz 6 Reinzeichnung des Musters von Gewebe B, Rapportgröße: Breite: 17 cm, Höhe: 14,7 17 cm 7 Mögliche Webbreite, Gewebe A Lucca sein könnte. 16 Die Faseranalyse hat ergeben, dass es sich bis auf die Webekanten und die Metallfäden um reine Seidengewebe handelt. 17 Da die Webkante bei Gewebe A nur in einem Bereich erhalten ist (Abb. 8), kann die Webbreite nicht einfach abgemessen werden. Die Webbreiten gemusterter Seiden aus Italien lagen zwischen der Mitte des 13. und dem Ende des 15. Jahrhunderts zumeist zwischen 115 cm und 120 cm, 18 wobei in der Literatur für Lucca eine Minimalbreite von zwei Luccheser braccia, also 118,1 cm inklusive der Webkanten vermutet wird (Abb. 7). 19 Eine achtmalige Nebeneinanderreihung des Musterrapportes von Gewebe A, dessen Breite 14,5 cm beträgt, ergibt inklusive Webkanten genau 118 cm. Es wäre also durchaus plausibel, dass die Gewebebahn, von der Fragment A stammt, ursprünglich eine Breite von zwei Luccheser braccia aufwies. Folgt man dieser Theorie, könnte demnach angenommen werden, dass das Gewebe vor 1381 hergestellt wurde, da ab diesem Zeitpunkt die Webbreiten auf ca. 110 cm reduziert wurden. 20 Couleur Gewebe A ist mit den Farbtönen Grün, Beige, Hellblau und Weiß vierfarbig, Gewebe B mit Grün und Beige zweifarbig. Eine besonders beliebte Farbkombination für Seidengewebe war im Mittelalter Rot mit Grün. 21 Einige Hinweise lassen vermuten, dass auch diese Gewebe ursprünglich rotgrundig waren (Abb. 8). Bei Gewebe A konnte durch eine Farbstoffanalyse 22 Rotholz identifiziert und damit die Theorie über die ursprüngliche Farbigkeit bestätigt werden. Bei Gewebe B war der in der Faserprobe erhaltene Farbstoffanteil für den naturwissenschaftlichen Nachweis zwar zu gering, es gibt aber Literaturstellen 23, die den Stoff als rot-grünes Gewebe beschreiben. Weiter waren die Metallfäden, deren organisches Trägermaterial versilbert wurde, in einigen broschierten Bereichen ursprünglich vergoldet, wodurch sich ein stark verändertes Erscheinungsbild gegenüber dem heutigen ergibt (Abb. 9 und Abb. 10). 8 Reste des roten Farbstoffes auf einem Flicken auf der Rückseite von Gewebe- Fragment A; rechts die Webkante 80 VDR

82 Mittelalterliche Gewebefragmente 11 Broschiertes Häutchengold, Gewebe A 9 Mögliches ursprüngliches Erscheinungsbild von Gewebe A auf Grundlage naturwissenschaftlicher Analysen 10 Mögliches ursprüngliches Erscheinungsbild von Gewebe B auf Grundlage naturwissenschaftlicher Analysen und Literaturangaben Häutchengold: Grundlagenforschung und Rekonstruktion Weitere Analysen beziehen sich auf die in beiden Seidengeweben einbroschierten Metallfäden, bei denen es sich um Häutchengold handelt (Abb. 11). Von Häutchengold spricht man bei versilberten und/oder vergoldeten Streifen einer tierischen Membran, die um eine Faserseele (in diesem Fall Leinen) gewickelt in Gewebe eingearbeitet wurden. Im Laufe der Jahrhunderte gab es mehrere verschiedene Arten von Metallfäden. Im Gegensatz zu Streifen aus dünnem Metall, dem Lahn, gilt das Häutchengold als sehr flexibel, leicht und außerdem kostengünstig. 24 Es wurde in Italien ab dem 13. Jahrhundert hergestellt. 25 Franz Bock fand diese Fäden besonders nachahmenswert und engagierte sogar Wissenschaftler, um das Geheimnis der Trägersubstanz zu erforschen, da bis dahin ein vegetabiler Träger vermutet wurde. 26 Seit dem 19. Jahrhundert hält sich das Interesse an der Erforschung dieser Goldfäden in Grenzen und zahlreiche Fragen zur Herstellung und Materialbearbeitung blieben bis heute offen. Eine Kombination aus Lichtmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie 27 erwies sich als geeignet, die Metallfäden bestmöglich zu untersuchen. Diese Analyseverfahren liefern Informationen über das Trägermaterial, die Metallauflage und die Seelfäden. Um die Technik und die Schadensphänomene besser nachvollziehen zu können, wurden außerdem Rekonstruktionsversuche 28 durchgeführt. Trägermaterial In der Literatur wird das Häutchengold meist schlicht als vergoldeter Rinderdarm bezeichnet. Durch histologische Anfärbungen in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien konnte das Trägermaterial als Tunica Serosa oder als Submucosa, also dünne transparente Gewebsschichten zur Auskleidung mehrerer Organe bestimmt werden. Durch eine Proteomik-Analyse einer Probe von Gewebe A konnte festgestellt werden, dass das Häutchengold von Gewebe A aus Rinderinnereien hergestellt wurde. 29 Die Charakteristiken der Proteine deuten außerdem auf Gewebe des Darms oder des Magens hin VDR 81

83 Mittelalterliche Gewebefragmente Art der Vergoldung Den Bewegungen des Häutchens durch klimatische Veränderungen kann die Metallauflage nicht folgen, wodurch sich nicht mehr eindeutig feststellen lässt, ob es sich bei der Vergoldung um eine Blattvergoldung oder um Metallflocken handelt. Es kann jedoch mit Sicherheit gesagt werden, dass Silber und Gold nicht in einer Legierung vorliegen. Bindemittel Das Vorhandensein eines Bindemittels zum Fixieren der Metallauflage hat die Forschung noch nicht geklärt. Die Analyse der Proben mit Gaschromatografie/Massenspektrometrie (GC-MS) 30 war nicht erfolgreich. 31 Bei der nach Abschluss der Diplomarbeit durchgeführten Proteomik-Analyse konnte festgestellt werden, dass weder Eiweiß noch Eigelb als Bindemittel bei der Vergoldung verwendet wurde. Rekonstruktion von Häutchengold Im Zuge der Diplomarbeit wurde der Versuch gewagt, die historische Technik zu rekonstruieren, mit dem Ziel, Erkenntnisse zu den zahlreichen Fragestellungen zu erlangen. Die Materialauswahl basierte dabei auf Informationen aus der Literatur und auf den Analyseergebnissen. Für die Rekonstruktion wurden ein Peritoneum, also das Bauchfell eines Schweines, und ein Rinderdarm verwendet. 32 Nach dem Abschaben der Fettschicht (Abb. 12) und dem Spülen mit Wasser wurde die Membran aufgespannt. Noch im feuchten Zustand wurde Zwischgold oder Blattsilber aufgetragen (Abb. 13). Wie schon erwähnt, war die Frage nach einem eventuell vorhandenen Bindemittel zur Herstellung dieser Fäden während der Diplomarbeit nicht beantwortet. 33 Deshalb wurden für die Testreihen verschiedene Bindemittel getestet: 34 Fixierung ohne Bindemittel (Haftung durch Anlegen des Blattmetalls auf die noch feuchte/frische Membran) Fixierung ohne Bindemittel (Haftung durch Anlegen des Blattmetalls auf die noch feuchte/frische Membran, jedoch mit Fixierung durch Hitze (Heizspachtel, ca. 80 C) nach dem Trocknen der Haut) 12 Abschaben der Fettschicht der tierischen Membran (Bauchfell eines Schweines) 13 Auf die aufgespannte Membran wird Blattmetall aufgetragen 14 In Streifen geschnittene und um eine Leinenseele gewickelte vergoldete Membran Fixierung des Blattmetalls durch Eiklar (flüssig) Fixierung des Blattmetalls durch Eiklar (Eischnee) Fixierung des Blattmetalls durch Eigelb Bereits die Fixierung ohne Bindemittel, allein durch das Eintrocknen der Haut, hat sich schon als erstaunlich robust erwiesen, auch flüssiges Eiklar führte zu einer sehr guten Verbindung mit der Membran. Nach dem Vergolden wurde die Membran in trockenem Zustand in dünne Streifen geschnitten. Für das Umwickeln wurde eine Leinenseele leicht befeuchtet, um eine bessere Haftung zur Membran zu gewährleisten (Abb. 14). Rote Verfärbung der Membran Bei Gewebe A weist das Häutchen der Metallfäden in vielen Bereichen eine eigenartige, in der einschlägigen Literatur nicht beschriebene rote Verfärbung auf (Abb. 11). Dieses Phänomen gibt mehrere Rätsel auf, da zum einen das Häutchen selbst vollständig rot erscheint, zum anderen aber die leinenen Seelfäden zwischen den Wickelungen eine purpurfarbene oberflächliche Verfärbung aufweisen. Verschiedene Theorien, worum es sich bei dieser Verfärbung handelt, beschäftigen sich mit möglichen natürlichen Prozessen oder menschlichen Eingriffen als Ursache. Die Verfolgung mehrerer Theorien, wie beispielsweise der Verfärbung durch die natürliche Alterung der Membran oder eines Bindemittels, einer absichtlichen oberflächlichen Färbung 82 VDR

84 Mittelalterliche Gewebefragmente oder einer indirekten Färbung durch Kontakt zu einem gefärbten Textil, führte ebenso wenig zu einer Lösung des Phänomens wie zahlreiche Analysen unter anderem durch REM-Untersuchung und UPLC-PDA-Analyse 35, durch die weder Pigmente noch Farbstoffe nachgewiesen werden konnten. Eine weitere Theorie sieht die Ursache der roten Verfärbung von Membran und Seelfaden in der Metallauflage und basiert auf Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM), optischer Lichtmikroskopie (Dunkelfeld) und Mikrospektrophotometrie. 36 Demnach kommt es nicht durch organische Farbstoffe oder Pigmente zu dieser Farbgebung, sondern es könnte sich um eine Verfärbung durch Nanopartikel von Gold handeln. 37 Diese können auf die Abscheidung von Gold zurückgeführt werden, was durch einen möglichen Korrosionsprozess des Goldes zu begründen wäre. Gold zeigt sich im Makrobereich in der gewohnten Farbigkeit, im Nanomaßstab erscheinen Goldpartikel jedoch rot bis violett. 38 Die Bildung von Gold-Nanopartikeln kann daher durch die Farbveränderung beobachtet werden. Das Silber der Metallfäden der Fragmente von Gewebe A und Gewebe B ist zu einem großen Teil korrodiert und die Goldoberfläche ist nur mehr an einigen Stellen sichtbar. Um die Durchführbarkeit einer Reinigung der Metallfäden sowie deren Auswirkungen zu untersuchen, wurden außerdem Reinigungstests mittels Laser und Ultraschall durchgeführt, welche allerdings bislang nur erste Versuche darstellen und aufzeigen, dass weiterer Forschungsbedarf besteht. Zustand und Konservierung der Fragmente Im Allgemeinen sind die Fragmente in einem ihrem Alter entsprechenden Erhaltungszustand. Neben Fehlstellen, Abrieb, ausgefransten Schnittkanten und Verschmutzung zeigen auch Altreparaturen, wie zwei sorgfältig aufgenähte Flicken und Stopfnähte, die ursprünglich intensive Nutzung bzw. Wertschätzung der Gewebe. Ziel der Konservierung war es, die Fragmente für ihre zukünftige Präsentation und/oder Lagerung vorzubereiten, um weiteren Substanzverlust zu verhindern. Dem Forschungsstand entsprechend sollten für die Konservierung mittelalterlicher Textilien minimalinvasive Methoden angewendet werden. Aufgrund möglicher Spannungsunterschiede soll daher von einer ganzflächigen Unterlegung und Sicherung mittels Spannstichen abgesehen werden. Für die Sicherung bestandsgefährdeter Stellen wurde partiell passend eingefärbte Seidencrepeline unterlegt und mit Stützlinien gesichert. Diese Vorgehensweise ist in diesem Fall möglich, da die Gewebe in Zukunft nicht ohne ihre im Zuge der Diplomarbeit individuell angefertigten Trägerplatten gehandhabt werden sollen, welche sowohl für die Präsentation als auch für die Lagerung geeignet sind (Abb. 15). Die Trägerplatten bestehen aus archivbeständigen Materialien 39 und bieten den Fragmenten passgenaue vertiefte Negativ- Betten, die vor Verrutschen und damit mechanischen Schäden schützen. Optisch hervorstechende Fehlstellen treten 15 Trägerplatte mit Vertiefungen für die Fragmente von Gewebe B durch das Aufnähen eines in einem Neutralton gefärbten Seidenpongés auf die Trägerplatte ohne Eingriff in das Original zurück. Resümee und Ausblick Zahlreiche Ausgangsfragen betrafen unter anderem die Zusammengehörigkeit der Objekte, sowie die Klärung von Provenienz und Datierung und erforderten eine mehrgleisige Recherche in verschiedenen, durch die Objekte vorgegebenen und verknüpften Themenbereichen. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Sammlerpersönlichkeit Franz Bock, kamen Zweifel an der ursprünglichen Zuordnung der Fragmente zu seiner Sammlung auf. Die Suche nach Hinweisen in den Archivalien der Grazer Sammlung hat sich als sehr schwierig und schlussendlich ergebnislos herausgestellt. Eine umfassende Archivrecherche hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt, eine weiterführende Suche wäre aber sehr wünschenswert, um dem verborgenen Hintergrund zu den Objekten auf die Spur zu kommen. Die Beschäftigung mit der Seidenweberei, insbesondere jener in Italien, verhalf zu einem Überblick über die Herstellung und die stilistische Entwicklung der Gewebe und ermöglichte sowohl einen gestalterischen als auch einen Vergleich der Herstellungstechniken. Aufgrund mehrerer technologischer und stilistischer Merkmale der Gewebe erscheinen nicht nur die Datierung in das 14. Jahrhundert, sondern auch die Provenienz Lucca, wie bereits im Inventar vermutet, plausibel. Dennoch rät die aktuelle Forschung zu mittelalterlichen Textilien davon ab, Gewebe eindeutig bestimmten Städten zuzuordnen. 40 Um der Frage nach der ursprünglichen Verwendung der Gewebe nachzugehen, stellte außerdem die Auseinandersetzung mit dem Gebrauch im liturgischen Zusammenhang einen wichtigen Aspekt dar. Die Analyse der Nahtspuren, Nähfadenreste und Abnutzungserscheinungen gaben nicht genug VDR 83

85 Mittelalterliche Gewebefragmente Anhaltspunkte, um die ursprüngliche Verwendung rekonstruieren zu können. Das Wiederverwenden kostbarer Gewebe unterlag im Laufe der Zeit keinen Regeln, wodurch Fragmente jeder Form und Größe, teilweise auch verschiedener Gewebe teils willkürlich, teils wohl durchdacht einem neuen Zweck zugeführt wurden. Basierend auf zahlreichen naturwissenschaftlichen Untersuchungen konnte der Bestand der Fragmente geklärt werden. Durch eine reflektierte Probenorganisation war es möglich, mit wenig Probenmaterial eine Vielzahl an Analysen durchzuführen. Diese ermöglichten es, das ursprüngliche Erscheinungsbild der Gewebe nachzuvollziehen und lieferten Aufschluss über die Materialität und die Schadensphänomene. Im Zuge der Arbeit konnte der Werkstoff Häutchengold untersucht und dessen Herstellung empirisch rekonstruiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass die durchgeführten Untersuchungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse die fortwährende Wertschätzung der Objekte sichern und Anreiz zum Weiterforschen geben. Durch die kunst- und kulturhistorischen sowie technologischen und materialtechnischen Analysen konnten einige neue Informationen über die Gewebefragmente gewonnen werden. Dadurch erfahren die Objekte innerhalb der Sammlung eine Aufwertung, die wünschenswerterweise zu einer Präsentation der Objekte für ein breites Publikum führt. Idealerweise ergibt sich durch die Fortführung der Recherchen und diese Publikation ein Netzwerk zu anderen Sammlungen und Museen, wodurch die Suche nach erhaltenen Fragmenten der Gewebe und damit weiteren Puzzlestücken eines Ganzen auf internationaler Ebene ausgeweitet und die Objektgeschichte Stück für Stück komplettiert werden kann. Dank Ein besonderer Dank gilt allen an dem Projekt beteiligten Personen, vor allem Frau Ing. Renate Einsiedl 41 für die Ermöglichung dieser Diplomarbeit und die Bereitstellung der Objekte. Mag. art. Elisabeth Delvai Lahnstraße 18 I Sterzing Italien Univ.-Ass. Dipl.-Rest. (FH) Tanja Kimmel Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Konservierung und Restaurierung Fachbereich Textil Salzgries 14/3. Stock A-1010 Wien Österreich Univ.-Prof. Mag. Dr. Gabriela Krist Universität für angewandte Kunst Wien Institut für Konservierung und Restaurierung Institutsleitung Salzgries 14/3. 5. Stock A-1010 Wien Österreich ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Bernhard Pichler Frauengasse 21/31 A-1170 Wien Österreich Anmerkungen 1 Die Diplomarbeit wurde von Univ.-Prof. Mag. Dr. Gabriela Krist, Leiterin des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien betreut, konservatorische Mitbetreuung durch Univ.-Ass. Dipl.-Rest. (FH) Tanja Kimmel, naturwissenschaftliche Betreuung durch ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Bernhard Pichler. 2 Ferner sind einige angeblich dazugehörige historische, nicht originale Futterstoffe erhalten, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird. 3 Diese Informationen gehen aus den Inventarblättern des Museums von 1931 hervor: Hier wird in der Spalte Erwerbung Alter Besitz angegeben. 4 BORKOPP-RESTLE 1992, S Anfragen an weitere von Bock belieferte Sammlungen, wie das Musée de Cluny in Paris, das Musée des Tissus in Lyon, das Victoria and Albert Museum in London, die Whitworth Art Gallery in Manchester, das Suer - mondt-ludwig-museum in Aachen, die Abegg-Stiftung in Riggisberg, das State Hermitage Museum in St. Petersburg, das Kunstgewerbemuseum in Berlin, das Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst in Wien und der Domschatz Halberstadt, lieferten leider keine weiteren Informationen. 6 BORKOPP-RESTLE 2008, S. 223; FISCHBACH 1902, S. 19 und BOR- KOPP-RESTLE 2008, S TIETZEL 1988, S DREGER 1904, S BEAUCAMP-MARKOWSKY 1976, S TIETZEL 1988, S OTAVSKY/WARDWELL 2011, S TIETZEL 1988, S Freundliche schriftliche Mitteilung von Univ.-Prof. Dr. Markus Ritter, Vorstand des Instituts für Kunstgeschichte, Professur Islamische Kunstgeschichte, Universität Wien ( vom ) 14 Zum einen in L.v. Wilckens, Mittelalterliche Seidenstoffe, Berlin 1992, S. 113/Kat. 229, in Klesse, B, Seidenstoffe in der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts, Bern 1967, S. 95/Abb. 112, in Falke 1913 II, Abb. 280 bzw. Falke 1951, Abb. 235 und in J. Lessing, Die Gewebe- Sammlung des königlichen Kunstgewerbe-Museums Berlin, Berlin , Tafel STOLLEIS 2001, S TIETZEL 1984, S Die Fasern wurden im Durchlichtmikroskop untersucht. Die Untersuchung wurde von AProf. Mag. Dr. Regina Hofmann-de Keijzer, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien, betreut. 18 GEIJER 1979, S MONNAS 1988, S , S MONNAS 1988, S TIETZEL 1988, S Die Analyse in Form einer Ultra-Hochleistungsflüssigkeitschromatografie gekoppelt mit Photo-Dioden-Array-Detektion (UPLC-PDA), wurde am von Prof. Dr. Maarten R. van Bommel, Section Restoration and Conservation of Cultural Heritage, Department of Arts & Culture, University of Amsterdam, durchgeführt. 84 VDR

86 Mittelalterliche Gewebefragmente 23 Falke spricht von Gewebe B als Brokat in echter Diaspertextur und der üblichen Färbung rot-grün [ mit] typischen Spitzovale[n] mit Tierpaaren kleinen Maßstabes, von denen die goldköpfigen Stiere immerhin noch den Gazellen ähneln, FALKE 1913, S. 34 und Abb FALKE 1913, S. 22 f. und BOCK 1884, S FALKE 1913, S BORKOPP-RESTLE 2008, S Die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung wurde von AProf. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach am durchgeführt und von ao. Univ.- Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Bernhard Pichler, beide Institut für Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien, betreut. 28 Diese Rekonstruktionen ermöglichten in weiterer Folge eine Forschungsarbeit zur Identifikation von tierischen Membranen durch Proteomik von Aleksandra Popowich (Smithsonian Institution) und die dazugehörige Publikation: Aleksandra K. Popowich, Timothy P. Cleland and Caroline Solazzo, Characterization of membrane metal threads by proteomics and analysis of a 14th c. thread from an Italian textile. In: Journal of Cultural Heritage 2018/33, S Die Proteomik-Analysen wurden von Aleksandra K. Popowich und Caroline Solazzo, Smithsonian Institution, durchgeführt; freundliche schriftliche Mitteilung von Aleksandra K. Popowich und Caroline Solazzo, Smithsonian Institution, Museum Conservation Institute ( vom ). 30 Die GC-MS-Analyse wurde von Dr. Václav Pitthard, Conservation Science Department, Kunsthistorisches Museum Wien am durchgeführt. 31 Die Proteomik-Analyse wurde von Aleksandra Popowich und Caroline Solazzo, Smithsonian Institution durchgeführt. 32 An dieser Stelle sei Ass.-Prof. Dr. med. vet. Andrea Fuchs-Baumgartinger, Institut für Pathologie und Gerichtliche Veterinärmedizin, Veterinärmedizinische Universität Wien, für die Bereitstellung des Bauchfells und die Durchführung der Untersuchungen gedankt. 33 SCHMIDT 1958, S. 21 und INDICTOR ET AL. 1989, S Die Ergebnisse sowie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bindemittel können in der Diplomarbeit nachgelesen werden. 35 Die UPLC-PDA Analysen wurden von Dr. Ana Serrano, AFAS Historical Colours Research, durchgeführt. 36 Die Analysen wurden von Dr. Marco Leona, David H. Koch Scientist in Charge, The Metropolitan Museum of Art, New York und Prof. Dr. John R. Lombardi, Department of Chemistry, CCNY, City College of New York, New York, durchgeführt. 37 Freundliche schriftliche Mitteilung von Dr. Marco Leona, David H. Koch Scientist in Charge, The Metropolitan Museum of Art, New York ( vom ) 38 Gold-Nanopartikel, in: (Zugriff am ) 39 Für die Anfertigung der Trägerplatten wurden archivbeständiger Wabenkarton und Archivkarton (Japico Feinpapier Vertriebs-GmbH), Stülpdeckelboxen (Klug Conservation), PE-Schaumstoff-Platten und Plastazote LD70 (Eurofoam GmbH), Baumwollstoff Unisono III (Création Baumann AG), Baumwoll-Molton (Volker Illigmann) und Seidenpongé 10 (Anita Pavani Stoffe OHG) verwendet. 40 DREGER 1904, S. 153 f. 41 Ing. Renate Einsiedl, Textilrestauratorin, Kulturhistorische Sammlung Universalmuseum Joanneum Graz Literatur BOCK 1884: Franz Bock, Goldstickereien und Webereien in alter und neuer Zeit und das dazu verwandte Goldgespinnst, Nürnberg 1884 BORKOPP-RESTLE 1993: Birgitt Borkopp-Restle, Franz Bock, Kanonikus. In: Karl Schein (Hg.), Christen zwischen Niederrhein und Eifel. Lebensbilder aus zwei Jahrhunderten, Bd. 1, Aachen/Mönchengladbach 1993, S BORKOPP-RESTLE 2008: Birgitt Borkopp-Restle, Der Aachner Kanonikus Franz Bock und seine Textilsammlung. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstgewerbe im 19. Jahrhundert, Riggisberg 2008 BEAUCAMP-MARKOWSKY 1976: Barbara Beaucamp-Markowsky, Europäische Seidengewebe des Jahrhunderts, Köln 1976 DREGER 1904: Moritz Dreger, Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kulturkreises von der spätantiken Zeit bis zum Beginne des XIX. Jahrhundertes mit Ausschluss der Volkskunst. Wien 1904 FALKE 1913: Otto von Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei, Bd. 2, Berlin 1913 FISCHBACH 1902: Friedrich Fischbach, Die wichtigsten Webe-Ornamente bis zum 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1902 GEIJER 1979: Agnes Geijer, A History of Textile Art, London INDICTOR ET AL. 1989: N. Indictor, Robert J. Koestler, Mark Wypyski, Anne E. Wardwell, Metal threads made of proteinaceous substrates examined by scanning electron microscopy-energy dispersive x-ray spectrometry. In: Studies in Conservation, 34:4, 1989, S MONNAS 1988: Lisa Monnas, Loom widths and selvedges prescribed by Italian silk weaving statutes A preliminary investigation. In: Textiles anciens. CIETA Bulletin 66, 1988, S OTAVSKÝ/WARDWELL 2011: Karel Otavský und Anne E. Wardwell, Mittelalterliche Textilien II. Zwischen Europa und China. Riggisberg 2011 POPOWICH/CLELAND/SOLAZZO 2018: Aleksandra K. Popowich, Timothy P. Cleland, Caroline Solazzo, Characterization of membrane metal threads by proteomics and analysis of a 14th c. thread from an Italian textile. In: Journal of Cultural Heritage 2018/33, S SCHMIDT 1958: Heinrich Jakob Schmidt, Alte Seidenstoffe. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Braunschweig 1958 STOLLEIS 2001: Karen Stolleis, Messgewänder aus deutschen Kirchenschätzen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Geschichte, Form und Material, Regensburg 2001 TIETZEL 1984: Brigitte Tietzel, Italienische Seidengewebe des 13., 14. und 15. Jahrhunderts, Köln 1984 TIETZEL 1988: Brigitte Tietzel, Geschichte der Webkunst. Technische Grundlagen und künstlerische Traditionen, Köln 1988 Abbildungsnachweis Abb. 1 2: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai, Universalmuseum Joanneum Graz Abb. 3: Kunstgewerbemuseum Berlin, Heidi Blöcher Abb. 4: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai Abb. 5: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai, Universalmuseum Joanneum Graz Abb. 6 7: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai Abb. 8: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai, Universalmuseum Joanneum Graz Abb. 9 10: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai Abb. 11: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai, Universalmuseum Joanneum Graz Abb : Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien/Elisabeth Delvai VDR 85

87 Albe im Museum Schnütgen Aus dem Leben der Albe des Museum Schnütgen in Köln Objektgeschichte und Präsentation Katharina Sossou Die Albe aus der Sammlung des Museum Schnütgen ist eines der wenigen erhaltenen liturgischen Untergewänder des Mittelalters. Die Objektgeschichte, die umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen der 1970er Jahre und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten werden im Folgenden erläutert und zeigen Lösungsansätze für eine heutige konservatorisch vertretbare Präsentationsform. The Alb in the Museum Schnütgen, Cologne History of the Object and Presentation The alb in the collection of the Museum Schnütgen is one of the few surviving liturgical undergarments from the Middle Ages. The following contribution examines the object s history, the extensive conservation measures of the 1970s and the resulting difficulties, and shows solutions for a present-day form of presentation that adequately meets the object s needs. Anlass der Annäherung an die Objekte Amikt, Albe und Pannisellus Seit 2012 gibt es im Museum Schnütgen die lose Präsentationsreihe Im Fokus, in deren Folge ab Mai 2013 die Ausstellung Seide statt Sünde. Feierliche Kleidung zur Vorbereitung auf den Gottesdienst gezeigt wurde (Abb. 1). Anhand des mittelalterlichen Ankleideritus, der in einer Soundnische verfolgt werden konnte, sollte die rituelle Vorbereitung eines 1 Ausstellungssituation , Präsentationsform der Albe Geistlichen auf den Gottesdienst unter anderem mit entsprechenden mittelalterlichen liturgischen Gewändern visualisiert werden. Priester und Bischöfe vollzogen während dieses Rituals den Übergang vom weltlichen in den geistlichen Bereich. Für diese Präsentation waren auch folgende drei Objekte vorgesehen: die Albe, der Amikt und der Pannisellus (Abb. 2 4) aus der Sammlung Schnütgen. Der Ursprung aller drei Paramente liegt in der Werkstatt des 1120 gegründeten Benediktinerinnenklosters Engelberg in der Zentralschweiz. Nach neuesten Forschungen werden die Objekte in die Zeit um 1300 bis 1310 datiert. 1 Einführung in die Objektgeschichten Alexander Schnütgen ( ), seit 1887 Domkapitular in Köln und Sammler mittelalterlicher Kunst, vor allem von Textilien, hatte diese drei Paramente 1910 erworben. Er kaufte sie aus der Privatsammlung des Bischofs in Rottenburg am Neckar. Dieser wiederum hatte sie aus dem Nachlass seines Onkels, einem Pfarrer aus Rechberghausen bei Göppingen, erhalten, in dessen Besitz sie vermutlich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen sind. 2 Bereits 1906 hatte Schnütgen seine Sammlung kirchlicher Kunst der Stadt Köln übereignet. Doch erst 1910 wurde seine gesamte Sammlung, so auch die drei Paramente, in den Annexbau des Kunstgewerbemuseums überführt. 3 Joseph Braun, Professor für Kirchengeschichte und christliche Archäologie, hatte die Paramente, Albe, Amikt und Pannisellus, noch im Besitz des Bischofs von Rottenburg entdeckt und ihre textilgeschichtliche Bedeutung erkannt. Er ließ sich die Objekte von ihm zuschicken, untersuchte sie genau und publizierte seine Erkenntnisse Hier tauchten sie das erste Mal in der Literatur auf 4 (Abb. 5). 86 VDR

88 Albe im Museum Schnütgen 2 Albe, Abbildung im Bestandskata - log des Schnütgen-Museums, Amikt, Abbildung im Bestandskatalog des Schnütgen-Museums, 1926 Vorstellung der Objekte Alle drei Paramente sind aus einem ähnlich feinen gleichmäßigen geblichenen, also weißen Leinengewebe gefertigt (Tab. 1). Das für die Albe verwendete Gewebe ist ein zart gestreiftes. Weißes Leinen wurde das ganze Mittelalter über für diese Art Paramente verwendet, es steht für die Reinheit der Seele. 5 So wird die Bezeichnung Albe aus dem Lateinischen alba = weiß, rein abgeleitet. 6 Die Untergewänder, Albe und Amikt, waren im Mittelalter oft mit sogenannten Paruren, das sind zierende Besätze, geschmückt. 7 Diese wurden als Wundmale oder Fesseln der Hände und Füße Christi gedeutet, innerhalb eines Ornates korrespondierten sie miteinander. 8 Solche weißen liturgischen Untergewänder sind nur sehr selten erhalten geblieben. Sie wurden ständig getragen und häufig gewaschen. Hinzu kommt, dass die zierenden Elemente zum Waschen oft abgetrennt und hinterher wieder aufgenäht wurden. Sie waren deshalb relativ schnell verschlissen. Aber auch dann noch wurde dieses weiße Leinen für vielerlei Dinge im kirchlichen Alltag genutzt, wie zum Beispiel für die Ausbesserung anderer schadhafter weißer Gewänder. 9 Der Amikt Ein Amikt war das erste anzulegende Gewandstück im mittelalterlichen Ankleideritus. Hierbei handelt es sich um ein längsrechteckiges Schultertuch, das mit zwei schmalen Bändern und oft mit einer Parure ausgestattet ist. Es wurde zunächst über den Kopf gelegt, die Bänder um den Oberkörper geführt, auf dem Rücken gekreuzt und vor dem Oberkörper gebunden. Nach Anlegen der weiteren Gewänder, Albe und Kasel, wurde das Tuch vom Kopf zurück auf den Hals geschoben, sodass nun eine Art weißer Kragen über der farbigen Kasel lag. Das Verhüllen des Hauptes während des Anlegens wurde im Mittelalter als Sinnbild des Schutzes durch göttliche Gnade gedeutet. 10 Auch der Amikt der Sammlung Schnütgen (Abb. 3) besitzt am oberen Rand im Bereich des Halses eine Parure, einen applizierten schmalen Streifen mit stilisierten Darstellungen aus der Tier-, Pflanzen- und Sternenwelt. Von den aus Leinengarn geflochtenen Bändern ist nur noch eines vollständig erhalten, an dessen Ende sich eine Quaste befindet. Albe Amikt Tab. 1: Übersicht zu Maßen und Technik der Gewänder Technik (Auszug) Gewandmaterial: Flachsfaser, geblichen, ungefärbt Fadendichte in Kette und Schuss:16-18 Fd/cm Leinwandbindung Tuchmaterial: Flachsfaser, geblichen, ungefärbt Fadendichte in Kette und Schuss: 16 Fd/cm Leinwandbindung Maße Länge: 181 cm von der Schulter gemessen obere Breite inkl. Ärmel: 190 cm Saumumfang: ca. 470 cm untere Girenbreite: je 128 cm Länge: 59 cm Breite:110 cm Bandlänge mit Quaste: 140 cm, Bandfragment: 66 cm Pannisellus Material der Fahne: Flachsfaser, geblichen, ungefärbt Fadendichte in Kette und Schuss: Fd/cm Leinwandbindung Gesamthöhe: 70 cm, Tüchleinlänge: cm Saumumfang: 255 cm Höhe und Breite des Kopfstücks: 6 cm, Bandlänge 35,8 cm VDR 87

89 Albe im Museum Schnütgen Die Albe Die Albe ist das lange weiße Untergewand, das zweite Kleidungsstück in der mittelalterlichen liturgischen Ankleidefolge. Der Schnitt der Alben geht auf die antike römische Kleidung, die tunica talaris, zurück. Sie wurde Ende des ersten Jahrtausends als liturgisches Untergewand in den geistlichen Ornat zunächst der Bischöfe, später aller Weihestufen übernommen. Bis zum 12. Jahrhundert war die Verzierung von Alben selten, seit dem 13. Jahrhundert taucht sie vermehrt auf. 11 Die Überlänge der Albe wurde mit einem Cingulum, einem Band, hochgeschürzt gegürtet. 12 Die Albe des Museums aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts hat eine für das Mittelalter sehr typische Form (Abb. 2, 5). Sie ist eine sogenannte Girenalbe: 13 bodenlang, mit angesetzten, zu den Handfesseln schmaler werdenden Ärmeln und Giren. Diese sind die unterhalb der Ärmel angesetzten fein gefältelten keilförmigen Einsätze. Der Kopfdurchlass ist ohne Fältelung. An Vorder- und Rückseite besteht die Albe jeweils aus einem breiten Mittelstück. Neben einer Parure am unteren Saum der Rückseite und den farbig bestickten Besätzen an jedem Ärmelende (Abb. 6) besitzt die Albe noch weitere reiche, in kombinierter Weiß- und Buntstickerei ausgeführte Verzierungen auf den Schultern und im Brust- und Rückenteil (Abb. 7). Die Parure (Abb. 8) der Rückseite ist ein seidenes Lampasgewebe 14 mit in versetzten Reihen angeordneten Tieren und Kufi-Inschriften. Sie erscheint heute überwiegend lachsfarben und wird dem 13./14. Jahrhundert zu geordnet. 15 Der Pannisellus Das Wort Pannisellus leitet sich aus dem Lateinischen pannus, dem Tuch her, andere Bezeichnungen sind Sudarium und Velum. Ein Pannisellus wurde im Mittelalter als schmückende Zutat am Abts- und Bischofsstab getragen (Abb. 9). Eine praktische Bedeutung hatte er nicht. 16 Der Pannisellus der Sammlung Schnütgen (Abb. 4) besteht aus einem dreieckigen Kopfstück, einem Band zur Befestigung am Stab und dem eigentlichen Tüchlein. Es wurde aus 12 keilförmigen Gewebestücken unterschiedlicher Breite gefertigt, die zusammen die nach unten sich erweiternde Form bilden. Hier ist nur das Kopfstück, auf einer Seite mit Weißund der anderen Seite mit einer kombinierten Weiß- und Buntstickerei, verziert. Bemerkenswert ist die Feinheit dieses Pannisellus. Konservatorische Problemstellung am Beispiel der Albe Das Konzept der Ausstellung Feierliche Kleidung zur Vorbereitung auf den Gottesdienst sah vor, die Objekte in ihrer Dreidimensionalität zu präsentieren. Die Idee war, dem Besucher den damaligen Ankleideritus zu veranschaulichen. Um eine allen Vorstellungen entgegenkommende, aber auch den Objekten angemessene Präsentationsform zu finden, wurden die Objektakten eingehend studiert. Da sich diese in Bezug auf den Zustand und die Restaurierungsmaßnahmen sehr ähneln, wird sich im Folgenden auf die Albe beschränkt. Sie steht weitgehend stellvertretend für die beiden anderen Objekte. Frühere Eingriffe in das Objekt Albe Joseph Braun, der die Paramente 1910 als Erster untersucht hatte, notierte über ihren damaligen Zustand (Abb. 5), dass an einigen schadhaften Stellen des Albengewebes ihm ein Flecken des gleichen Stoffes aufgenäht, der Erhaltungszustand im Ganzen aber vortrefflich sei. Auf Vorder- und Rückseite des unteren Randes befindet sich je eine Parure Pannisellus, Abbildung im Bestandskatalog des Schnütgen-Museums, Der Abbildung der Albe aus BRAUN 1910 wurden die Maße nachträglich angefügt 88 VDR

90 Albe im Museum Schnütgen 6 Ärmelborte der Albe, Weißstickerei auf der Albenrückseite, Parure auf der Albenrückseite, 2012 Als das Schnütgen-Museum nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1956 wiedereröffnet wurde, präsentierte man auch die drei Paramente in der neuen Ausstellung (Abb. 10). Die Objekte wurden wie folgt montiert: die Albe auf einem Bügel, der Pannisellus hängend und der Amikt etwas zusammengeschoben liegend erfolgte der Auftrag zur Restaurierung der drei Objekte für die Einrichtung der neuen Dauerausstellung. Damit wurden sie seit 1910 das erste Mal wieder eingehender untersucht und im Restaurierungsbericht dokumentiert. 18 Dem Bericht zur Albe ist zum Zustand Folgendes zu entnehmen (Abb. 11): Sie ist sehr schmutzig. Im Gewebe befinden sich viele defekte Stellen, es gibt diverse alte Reparaturen und Unterlegungen mit kleinen Stoffstückchen, die oft nicht fadengerade und nicht ausreichend an den Rändern fixiert wurden. Auf der Rückseite wurden Fehlstellen überwiegend mit aus der Vorderseite entnommenen Stücken unterlegt. Etwa 46 cm von unten war ein sehr defekter Originalstoffrest aufgeklebt worden. Die Fältelung der Giren ist nur noch am oberen Ende einigermaßen erhalten. Die Seiten der Albe VDR 89

91 Albe im Museum Schnütgen 10 Präsentation aller drei Paramente, Initiale N aus: Bischof Vidal de Canellas überreicht König Jakob I. seine Schriften, Spanisch um , Getty Museum, Los Angeles, Ms. Ludwig XIV 6 (83.MQ.165). fol. 1. Die Bischöfe tragen unter dem Obergewand eine Albe, einige mit Parurenbesatz, an ihren Stäben hängen Panniselli. sind stark verzogen, z. T. bedingt durch das Gewicht der Giren, z. T. durch den bis dahin verwendeten Bügel. Die Ärmelverzierungen machen einen sauberen Eindruck. Innerhalb der Stickerei sind die Kett- und Schussfäden partiell zerstört und die Seide des Wickelstiches ist brüchig. Die Paruren sind nicht mehr vorhanden. 19 Im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen wurde die gesamte Albe auseinandergetrennt. Das hieß im Einzelnen: Ärmel und Giren trennte man heraus, löste den Saum und nahm die Ärmelstulpen ab. Alle Objektteile wurden vermaßt, fotografisch bzw. auch als Schnittzeichnung auf Millimeterpapier dokumentiert. Um das Original nicht zu sehr zu destabilisieren, wurden nicht alle Flicken entfernt. Auch die Einfassung des Halsausschnittes blieb erhalten. Für die Giren nähte man die obere Kräuselung, wo erforderlich, nach. Es war möglich, das auf der Rückseite aufgeklebte Leinenstück zu lösen. Dann folgte das Waschen aller Objektteile. Dies bedeutete jeweils, dass sie zwei Mal ausgekocht und danach fadengerade ausgelegt auf einer Glasplatte getrocknet wurden. Anschließend erhielten alle Teile eine vollflächige Unterlegung aus Seidencrepeline. 20 Die defekten Stellen wurden mit Seidengarn darauf fixiert und wo nötig Stützlinien genäht. Größere Fehlstellen unterlegte man fadengerade mit vorher entnommenen und ebenfalls gereinigten Stoffstückchen. 21 Beim Waschen der Ärmelborten beobachtete man die Dehnung des Leinengewebes und die dadurch ausgelöste Sprengung des brüchigen Seidenstickgarnes. Nach der Trocknung im aufgespannten Zustand erkannte man, dass die Erhaltung der originalen Seidenstickfäden kaum mehr möglich und auch die ursprüngliche Wirkung nicht mehr erkennbar war. Deshalb wurden sämtliche Wickelstiche erneuert. So wurden auch die partiell neu eingezogenen Kett- und Schussfäden mit der neuen Umwicklung überdeckt, um ein einheitliches Bild zu erzielen (Abb. 12). Hierbei hielt man sich an das Original; nur die Fadenstärke des Seidengarns war etwas geringer. Ein Teil des originalen Seidengarnes bewahrte man im Umschlag der Kanten für eventuelle spätere Untersuchungen zugänglich auf. Für die Giren wurden nach der Unterlegung die etwa 100 Falten wiederhergestellt und letztendlich alle Teile wie vorgefunden zusammengenäht. Im Zuge dieser Maßnahmen übergab man den Restauratorinnen eine der bisher publizierten und im Museum erhaltenen Paruren (Abb. 5). Diese sollte den ursprünglichen mittelalterlichen Charak- 90 VDR

92 Albe im Museum Schnütgen 11 Zustand der Albe vor der Restaurierung, Zustand der Ärmelborten vor und nach der Restaurierung, ter der Albe besser zur Geltung bringen. 22 Entgegen der bisherigen Annahmen, ist die zweite Parure nicht verschollen, sondern wird im Depot verwahrt. Zum Zustand der zur Restaurierung erhaltenen Parure steht im Bericht von 1973, dass sie sehr brüchig und verhärtet war. Unter den größeren Löchern klebten breite Seidenripsbänder, andere Risse und Löcher waren mit Seidengarn gestopft und die Parure im Ganzen mit Seide unterlegt. Der Klebstoff war partiell auf die Vorderseite durchgeschlagen. Zur Restaurierung wurde das Futtergewebe abgetrennt und die Parure gewaschen, wobei sich die unterklebten Ripsstreifen entfernen ließen. Der eingedrungene Klebstoff war jedoch nicht wasserlöslich. Auf den Einsatz von Lösungsmitteln wurde wegen des brüchigen Gewebes verzichtet. Die alten Stopfstellen wurden soweit möglich belassen und die Parure auf mehrere Lagen Batist und Crepeline als Stützgewebe mit Spannstichen und Seidengarn fixiert. Zusätzlich wurde alles auf eine Vlieseline- Einlage montiert und mit Crepeline abgedeckt. Anhand der Größe dieser Parure konnten die Restauratorinnen erkennen, dass es sich um die ehemals auf der Vorderseite applizierte handelte. Die Montage erfolgte aber letztendlich auf der Rückseite, da diese als Schauseite vorgesehen war (Abb. 13). 23 Zum Abschluss der Restaurierungsmaßnahmen fertigten die Restauratorinnen für die Präsentation der Albe (Abb. 13) und 13 Zustand der Albe nach der Restaurierung, VDR 91

93 Albe im Museum Schnütgen des Amikts jeweils eine gerade schulterbreite, gepolsterte Leiste an. Auf diesen bügelähnlichen Konstruktionen zeigte man beide Untergewänder offenbar bis 1985 in der Dauerausstellung. Auch der Pannisellus wurde hängend präsentiert. Überlegungen zur neuen Präsentationsform und Vorgehensweise Der 2012 vorgefundene Zustand der Objekte erschien zunächst relativ stabil. Auffallend war jedoch das erstaunliche Gewicht der Parure. Sie war durch die Restaurierungsmaßnahmen sehr stark verhärtet. Das Gewebe wirkte sehr spröde, sodass klar war, dass mit diesem Teil des Gewandes äußerst vorsichtig hantiert werden musste. Das Gewand an sich war jedoch aufgrund der jahrelangen Präsentation auf der als Bügel dienenden, ungenügend gepolsterten Leiste sehr verzogen. Als erhebliches Risiko wurde die als Träger fungierende Crepeline bewertet. Diese Crepeline war während der Restaurierungsmaßnahmen vor 38 Jahren der Albe hinzugefügt worden. Da bereits an anderen historisch restaurierten Objekten erhebliche Zerfallserscheinungen von Crepeline festgestellt worden waren, musste von einer geminderten Stabilität ausgegangen werden. Beispielsweise fand man an einem Fahnenblatt, das für eine Ausstellung in das Museum Schnütgen kam, eine Crepeline vor, die sich partiell auflöste bzw. bei Berührung zerfiel. Die bei der letzten Restaurierung des Fahnenblattes verwendete Crepeline befand sich bereits nach 15 Jahren in einem Zersetzungsprozess. Vor diesem Erfahrungshintergrund erschien die Präsentation der Albe auf einer Figurine nicht empfehlenswert. Um das Für und Wider der neuen Präsentationsform abzuwägen, fand eine Beratung mit Fachkolleginnen statt. Aus den gemeinsamen Überlegungen kristallisierte sich die Möglichkeit, die Albe natürlich nicht auf einer Figurine, aber trotzdem in einer gewissen Dreidimensionalität, jedoch liegend präsentieren zu können, heraus. Es musste eine Variante gefunden werden, die Albe quasi schwebend auf einer schrägen Ebene zu lagern. Das Schwebende sollte das Kör- 14 Präsentationszeichnung, Querschnittzeichnung, VDR

94 Albe im Museum Schnütgen 16 Blick in die Montage im Saumbereich der Albe 17 Ausstellungssituation im Museum Schnütgen, perhafte unterstreichen, aber auch die Objektrückseite von ihrem eigenen und dem Gewicht der Aufpolsterung befreien. Gepolstert werden musste einerseits zur Unterstützung der Materialfülle, um Knicke und neue Schädigungen während der Präsentationszeit zu verhindern, und andererseits um eine Körperanmutung zu erreichen. Nach und nach wurde folgende Idee entworfen und umgesetzt (Abb. 14): Eine Konstruktion aus Wabenkarton mit aufgeklebten Alu-Profilschienen wurde als Skelett entwickelt und mit Volumenvlies und Baumwoll-Jersey entsprechend in Form gebracht und eingehüllt. Sie sollte die Albe tragen (Abb. 15). Für die Ärmel wurde jeweils eine separate und individuell angepasste Form nach demselben Prinzip erarbeitet. Für die Montierung wurden als erstes die Ärmelpolster in die VDR 93

95 Albe im Museum Schnütgen Albe geschoben, im nächsten Schritt kam die Polsterung des Gewandteils hinzu. Alle drei Teile verband man mittels Klettband, wobei das Hakenband an der Ärmelpolsterung zum Schutz des Objektes eine Seidenpapierabdeckung erhielt. Ein unkomplizierteres Handling zur Montierung war so gegeben. Die Enden der Skelettkonstruktion wurden auf Rundstäben gelagert, sie bildeten den Abstand zwischen Grundplatte und Objekt. Die Platte bekam einen Bezug aus Molton und Baumwollgewebe. Im Bereich der Giren wurde jeweils ein extra Kissen aus Volumenvlies, ebenfalls mit Baumwoll- Jerseybezug auf der Platte montiert. Auf ihnen konnten die Giren im Gesamten, also das Material von Vorder- und Rückseite locker aufliegen, ohne dass sich die Plissierung auflöst (Abb. 16). Auch für die beiden anderen Objekte, Amikt und Pannisellus, konnten dreidimensionale Präsentationslösungen gefunden werden (Abb. 17). Die hergestellten Trägerformen aus Papierstreifen und Weizenstärkekleister wurden zum Schutz der Objekte entsprechend mit Molton beklebt. Für den Pannisellus wurde eine Zuckerhutform konstruiert, die der ursprünglichen Nutzung, nämlich hängend an einem Abtstab, am nächsten kam. Zur Unterstützung der senkrechten Falten kamen auf den Molton genähte passende Wülste aus Volumenvlies und Baumwoll-Jersey zum Einsatz. Für die faltenfreie Präsentation des Amikts wurde eine, die Schultern imitierende, Figurinenform gewählt. Im Oktober 2018 erfolgte der Rückbau der Ausstellungssituation der Paramente. Bei allen drei Objekten erwiesen sich die 1973 verwendeten Restaurierungsmaterialien, Crepeline und seidene Nähfäden, als ausreichend stabil, um die Belastungen durch die Präsentation scheinbar unbeschadet zu überstehen. Mit bloßem Auge wurden keine Schädigungen, gerissene oder gelöste Materialien, festgestellt. 24 Dieses positive Ergebnis sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um sehr fragile Objekte handelt, die durch die natürliche Alterung der Restaurierungsmaterialien nur noch begrenzt stabilisiert sind. Dipl.-Rest. Katharina Sossou Museum Schnütgen Leonhard-Tietz-Straße Köln Anmerkungen 1 Zusammenfassend SPORBECK 2001, S Zusammenfassend SPORBECK 2001, S WESTERNMANN-ANGERHAUSEN/BEER 2006, S Zusammenfassend SPORBECK 2001, S BRAUN 1912, S BOCK 1866, Bd. 2, S ; WERTH 2013/2014, Kat.-Nr. 6 (Begleitheft ohne Paginierung) 7 KAT. PADERBORN 1998, S amikt/amikt_index.html (zuletzt aufgerufen ) 9 BOCK 1866, S. 43; BRAUN 1937, S amikt_index.html (zuletzt aufgerufen ), SPORBECK 2001, S ; BRAUN 1912, S KAT. PADERBORN 1998, S. 280; BRAUN 1937, Sp. 329; 12 BOCK 1866, S. 50; alter-recherche.de/messe.html (zuletzt aufgerufen ) 13 BRAUN 1937, Sp. 328; bilder/realien/albe/albe_index.html (zuletzt aufgerufen ) 14 Gemustertes Gewebe, bei dem Grund und Muster jeweils mit einem eigenen Kett- und Schusssystem gebildet werden 15 Zusammenfassend SPORBECK 2001, S SPORBECK 2001, S SPORBECK 2001, S RESTAURIERUNGSBERICHT RESTAURIERUNGSBERICHT Seidencrepeline, im Folgenden kurz Crepeline genannt, ist ein feines, lockeres leinwandbindiges Seidengewebe. 21 RESTAURIERUNGSBERICHT RESTAURIERUNGSBERICHT 1973; SPORBECK 2001, S RESTAURIERUNGSBERICHT Leider konnten aufgrund des Zeitmangels vor und nach der Präsentation keine eingehenderen Untersuchungen vorgenommen werden. Literatur BOCK 1866: Franz Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung, Bd. 2, Bonn 1866 BRAUN 1910: Joseph Braun, Unveröffentlichte mittelalterliche Paramente. In: Zeitschrift für Christliche Kunst 23, 1910, Sp BRAUN 1912: Joseph Braun, Handbuch der Paramentik, Freiburg im Breisgau, Herder 1912 BRAUN 1937: Joseph Braun, Albe. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp KAT. PADERBORN 1998: Was Du ererbt von Deinen Vätern... Kunstinventarisation im Erzbistum Paderborn; hrsg. von Christoph Stiegemann [Ausstellungskatalog], Erzbischöfliches Diözesanmuseum, Paderborn 1998 RESTAURIERUNGSBERICHT 1973: Archiv Museum Schnütgen Köln, Objektakte P4, Unveröffentlichter Restaurierungsbericht der Restaurierungswerkstatt Kloster der Karmelitinnen, Bonn 1973 SPORBECK 2001: Gudrun Sporbeck, Die liturgischen Gewänder. 11. bis 19. Jahrhundert. (Sammlungen des Museum Schnütgen, Bd. 4. Hrsg. von Hiltrud Westermann-Angerhausen), Köln 2001 WERTH 2013/2014: Saskia Werth, Seide statt Sünde. Feierliche Kleidung zur Vorbereitung auf den Gottesdienst, Begleitheft zur Ausstellungsreihe Museum Schnütgen - Im Focus, Köln 2013/2014 WESTERNMANN-ANGERHAUSEN/BEER 2006: Hiltrud Westermann-Angerhausen und Manuela Beer, 100 Jahre Schenkung Schnütgen. Eine Chronik, Köln 2006 WITTE 1926: Fritz Witte, Die liturgischen Gewänder und kirchlichen Stickereien des Schnütgen-Museums Köln, Bestandskatalog, Berlin 1926, S. 46, Tafel 1 3 Abbildungsnachweis Abb. 1, 6 8, 10, 17: Rheinisches Bildarchiv Abb. 2 4: Repro aus WITTE 1926, Tafel 46 Abb. 5: Repro aus BRAUN 1910, Sp Abb. 9: Getty Museum, Los Angeles: Digital image courtesy of the Getty s Open Content Program Abb : Restaurierungsbericht 1973 Abb. 14, 15: Christof Nakat, Diplom-Designer, Köln Abb. 16: Katharina Sossou, Köln 94 VDR

96 Kleidungsforschung Spurensuche am Objekt Umgearbeitete Kleidung im Blick kulturwissenschaftlicher Kleidungsforschung Anna Katharina Behrend Ein Nachmittagskleid aus einer Tischdecke, ein Kommunions- oder Hochzeitskleid aus Fallschirmseide solche Kleidungsstücke stehen exemplarisch für den Umgang mit textilen Materialien während oder im Nachklang von Krisen- und Notzeiten und sind im allgemeinen Gedächtnis fest mit Sparsamkeitspraktiken der Nachkriegszeiten verbunden. Not macht erfinderisch. Doch beim Umarbeiten und Umnutzen von Kleidung handelt es sich um eine auch unabhängig von extremen Bedingungen bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitete Praktik. In diesem Beitrag wird gefragt, welchen epistemischen Wert die Auseinandersetzung mit der vestimentären Praktik des Umarbeitens für die kulturwissenschaftliche Forschung, Forschung zu materieller Kultur und Konsumforschung haben kann. In Anwendung eines objektbasierten Forschungsansatzes werden dafür, unter anderem, Kleidung und Textilien aus der Textilsammlung des Industriemuseums des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) untersucht. Seeking for traces Object-based research on altered historic clothing A tea gown made from tablecloth, a communion or wedding dress from parachute silk. These are but a few of the countless examples in the use of textile material and practices of making do and mend which defined post war periods and therefore are connected with these times in the collective memory. Necessity is the mother of invention. The alteration and reuse of clothing, however, was a commonplace practice until the mid-20th century, not only confined to times of want and scarcity. This paper presents a dissertation project situated in the field of dress studies, that examines the significance of the alteration of clothes in the field of material culture studies and consumer culture studies. Applying an object-based research method, textiles and clothes of the textile collection of Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) will be analysed. Einleitung Bereits seit einigen Jahrzehnten hat die Auseinandersetzung mit materieller Kultur, sprich mit Objekten, auch in den geistes- bzw. kulturwissenschaftlichen Fächern anhaltend Konjunktur. Im Zuge dieses material turn, dem gesteigerten Interesse an den Dingen, am Material, an Materialität und der Frage, was Dinge über eine Kultur oder Gesellschaft aussagen können, kommt auch der Erforschung von Kleidung und vestimentären Praktiken als speziellem Teil der materiellen Kultur inzwischen gesteigerte Bedeutung zu. Dabei geht es auch hier immer wieder um die Frage, wie konkret die zu erforschenden Objekte selbst letztlich in den tatsächlichen Forschungsprozess eingebunden sind oder werden sollten. Inwiefern werden materielle Beschaffenheit, objektimmanente Hinweise auf Herstellung und Gebrauch berücksichtigt, welche Rolle spielen dementsprechend konkrete Objektanalysen und fundiertes Objektwissen und wie sind Vorgehensweise und Forschungsstrukturen hierarchisch gestaltet? Bleibt das Objekt bloße Illustration einer theoretischen Beweisführung oder stellt es im Gegenteil den eigentlichen Ausgangspunkt von Fragestellung und Forschungsansatz dar? Der vorliegende Beitrag 1, gibt Einblick in ein Dissertationsprojekt aus dem Feld der kulturwissenschaftlichen Kleidungsforschung. 2 Der Fokus liegt dabei auf Kleidungsstücken, die nach ihrer eigentlichen Herstellung in irgendeiner Form umgeändert, bearbeitet oder modisch aktualisiert und damit einer Weiterverwendung, einem zweiten Leben zugeführt wurden. Die Praktik des Umarbeitens und Umnutzens von Kleidung findet bislang vor allem in Zusammenhang mit Sparsamkeitspraktiken während oder im Nachklang von Krisenund Notzeiten Erwähnung, bleibt darüber hinaus aber, wenn überhaupt, ein Randthema in der Forschung. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Art des Umgangs mit textilem Material jedoch um eine bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitete Praktik, auch unabhängig von extremen Bedingungen wie Kriegs- und Nachkriegszeiten. Umgearbeitete Kleidung und Textilien als spezielle historische Objektgruppe Nicht nur auf dem Gebiet von Kleidung galt für das Sammeln und Bewahren lange das Credo, möglichst gut erhaltene und originale, also unveränderte Stücke zu erwerben. Dafür gibt es gute Gründe. An unaltered historical artifact is a standard against which to assess the remaining examples from the period. Only by recognizing what is right about a pristine object can scholars detect what is wrong with an altered one. 3 In ihrem Originalzustand erhaltene historische Objekte bilden die Folie, vor der veränderte Objekte erst eingeordnet werden können. Doch gerade Abweichungen vom Originalzustand in Form von Umarbeitungen, Modifizierungen oder Individualisierungen können wichtige Hinweise auf tatsächliche Konsum- und im Fall von Kleidung Tragepraktiken sein und damit VDR 95

97 Kleidungsforschung 1, 2 Kleid, Seide, Baumwolle, ca , mit Nahtspuren im Futter, hier wurde eine ursprünglich gekräuselte Bluse als Futter weiterverwendet, Inv. Nr. ZRA 00/579 auf historische Lebensrealitäten. Die Art und Weise des Gebrauchs von Objekten verweist auf ihr Eingebundensein in alltägliche Lebenswelten und bietet daher für eine kulturwissenschaftliche Forschung, deren Interesse immer auch über die Objekte selbst und ihre stilistischen Merkmale hinausgeht, besonderes Erkenntnispotenzial. Werden inzwischen von Museen mit Mode- und Textilsammlungen durchaus bewusst auch vermehrt Kleidungsstücke gesammelt, die sich nicht mehr im Originalzustand befinden, da ihr Wert als Zeugnisse historischer Dingpraktiken grundsätzlich erkannt wird, ist die kulturwissenschaftliche Kleidungsforschung, die sich diesen Objekten explizit widmet, noch unterrepräsentiert. So ist auch eine Forschung, die das Umarbeiten von Kleidung als umfassendes Phänomen und textile Alltagspraktik bis ins 20. Jahrhundert hinein begreift und in größere Zusammenhänge mit anderen Konsumformen stellt, vor allem in Deutschland noch weitgehend zu leisten. 4 Spuren einer alternativen Konsumform: das epistemische Potenzial umgearbeiteter Kleidung Leitend für das hier vorgestellte Dissertationsprojekt sind letztlich konsumhistorische Fragestellungen. Die Feststellung, 96 VDR

98 Kleidungsforschung 3, 4 Kleid, Kunstseide, eingesetzte Stoffstücke an einem Kleid im Stil der 1940er Jahre, umgearbeitet aus einem Kleid der 1930er Jahre, Inv. Nr. RA 11/382 dass zur historischen Nutzung von Kleidung nicht nur der lineare Verlauf von Produktion, Erwerb, Gebrauch und schließlich Entsorgung gehörte, sondern Kleidung in viel komplexere Zirkulationsprinzipien und Praktiken der Umnutzung und Weiterverwendung eingebunden war, bildet den Ausgangspunkt des Forschungsvorhabens und impliziert gleichzeitig die Frage, was aus diesem Fakt zu lernen ist. Methodisch wird dabei auf einen objektbasierten Forschungsansatz zurückgegriffen, der die Bedeutung erhaltener Kleidungsstücke als epistemisch relevante Objekte, anhand derer historische Dingpraktiken und somit Kulturgeschichte sichtbar werden können, ernst nimmt. Sorgfältige Objektanalysen liefern nicht nur Informationen zu Materialität und Herstellungsweise, aufgrund derer grundsätzliche zeitliche und stilistische Einordnungen vorgenommen werden können, sondern lenken die Aufmerksamkeit gerade auch auf Spuren des Gebrauchs. Voraussetzung für einen solchen induktiven, vom Objekt ausgehenden Forschungsansatz ist der Zugang zu erhaltener Kleidung, in diesem Fall werden Kleidungsstücke aus der umfangreichen Textilsammlung des Industriemuseums des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) untersucht. Bei der konkreten Arbeit im Depot wird ein detaillierter Fragenkatalog eingesetzt, der die Kleidungsstücke grundlegend auf Materialität, Schnitt, Konstruktions- und Nähtechniken, aber vor allem eben auch auf Unregelmäßigkeiten und Unstimmigkeiten in diesen Bereichen hin untersucht (Abb. 1 bis 4). Durch die Erschließung von einzelnen Fällen, die miteinander in Verbindung gesetzt sowie vor ihrem zeitlichen, sozialen und ökonomischen Hintergrund analysiert werden, soll im besten Fall eine Aussage über das Phänomen des Umarbeitens möglich werden. Die Objektanalysen bilden dabei die Forschungsgrundlage und sind dennoch nur ein erster Schritt, in dessen Folge weiteres Quellenmaterial wie Bild- und Schriftquellen hinzugezogen wird, um die Objekte zu kontextualisieren und die aus ihnen gewonnenen Infor VDR 97

99 Kleidungsforschung mationen breiter einordnen zu können. Was als Forschungsansatz nach einem alten Hut klingt und schon vor Jahrzenten von Forscherinnen wie Jutta Zander-Seidel 5 oder Lou Taylor 6 formuliert und erst kürzlich methodisch anschaulich beispielsweise von Johannes Pietsch 7 oder Ingrid Mida und Alexandra Kim 8 dargestellt wurde, ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit im Feld der Kleidungsforschung. Häufig findet auch hier die Forschung über die Dinge ohne den Kontakt zu den Dingen selbst statt. Im Fall dieses Forschungsprojektes scheint es methodisch fundamental, dass der Ausgangspunkt ausdrücklich bei den erhaltenen Kleidungsstücken als Primärquelle liegt, nicht zuletzt, weil es sich beim Umarbeiten um einen Umgang mit Kleidung handelt, der sich nur begrenzt auch in schriftlichen Quellen niedergeschlagen hat. Nur über die konkreten Objekte lässt sich klären, ob es z. B. bestimmte, immer wiederkehrende Änderungsmuster und -techniken gab und inwiefern diese gleich blieben oder sich über den Untersuchungszeitraum veränderten und außerdem, auf welche Kleidungs- und Materialkategorien sich die Praktik überhaupt erstreckte. Und nur über die Objekte lassen sich die tatsächlichen Lebensspannen von Kleidungsstücken rekonstruieren, also Zeiträume, über die hinweg Kleidung genutzt wurde. Entscheidend ist, dass die unterschiedlichen Stationen in den Objektbiografien so Berücksichtigung finden und Kleidung als Ergebnis von Herstellung und Gebrauch sichtbar wird. Der Fokus liegt nicht mehr nur auf einem Herstellungsdatum oder einem ersten, vielleicht ursprünglich intendierten Gebrauch, der häufig ohnehin nur einen Teil im Spektrum des tatsächlichen Dinggebrauchs darstellt. To trace an original use or significance is to account for only one period in the life of a thing, a period not necessarily more important than others it might subsequently have had. To ascribe precedence to a maker s intention or to an object s first use is to fall into a trap of oversimplification. 9 Zeitlich liegt der Fokus auf Kleidungsstücken des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum trugen Entwicklungen wie die Erfindung der Nähmaschine, die zunehmende Verbreitung von Modezeitschriften mit Schnittmusterbögen oder die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierende Konfektion entscheidend dazu bei, dass auch modische Kleidung für immer breitere Bevölkerungsschichten einfacher verfügbar wurde, sich Produktionsbedingungen und Konsumgewohnheiten deutlich zu verändern begannen. Dies macht Fragen nach Rückwirkungen auf eventuell tradierte textile Alltagspraktiken aus meiner Sicht besonders relevant. Tatsächlich ist im Untersuchungszeitraum eine Vielzahl von häufig parallel stattfindenden Formen des Kleidungskonsums zu beobachten, die deutlich umfangreicher waren, als sie sich vorher und nachher darstellten. Neben dem Selbernähen von Kleidung und der Maßanfertigung gab es die Möglichkeit, fertig hergestellte Kleidung, also Konfektion zu kaufen, aber auch halbkonfektionierte Artikel wurden beispielsweise von Warenhäusern angeboten, diese ließen noch eine gewisse individuelle Anpassung zu. 10 Dazu kam nach wie vor die Möglichkeit, Kleidung gebraucht zu erwerben. Der Gebrauchtkleidermarkt wurde bis ins ausgehende 19. Jahrhundert in nicht zu unterschätzendem Umfang für die Versorgung mit Kleidung genutzt, wie inzwischen in zum Teil umfangreichen Forschungen, die Wirtschafts- und Konsumgeschichte mit der Kleidungsforschung verbinden, dargestellt werden konnte. 11 Dennoch fand auch angesichts der sich teils neu eröffnenden Konsummöglichkeiten wie der Konfektion und tendenziell sinkenden Kosten für Kleidung, die Praktik des Um- und Weiternutzens weiterhin Anwendung. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich das Umarbeiten von Kleidung ebenfalls als eine Form des Konsums verstehe, 12 insbesondere wenn es sich um modisch motivierte Umarbeitungen handelt, wie spätere Beispiele in Ansätzen deutlich machen sollen. Selbstverständlich gab es schichtenspezifisch unterschiedliche Bezugswege von Kleidung und nicht von jedem wurden alle der genannten Möglichkeiten des Kleidungserwerbs genutzt, doch die Trennlinien liefen keinesfalls scharf entlang der gesellschaftlichen Grenzen. Und bereits jetzt bestätigt sich im Forschungsprozess die Hypothese, dass auch in gehobeneren Schichten regelmäßig Kleidung umgearbeitet wurde, wie Beispiele klassisch bürgerlicher Repräsentationsgarderobe deutlich machen (Abb. 5). Was häufig vorschnell ausschließlich mit ärmeren Schichten in Verbindung gebracht wird, muss grundsätzlich als vestimentäre Praktik aller sozialen Schichten betrachtet werden, 13 hier aber nach möglicherweise unterschiedlichen Motivationen unterschiedlicher Akteursgruppen gefragt werden. Wer änderte welche Kleidungsstücke und warum? Und auf die unterschiedlichen Akteure bezogen auch: Wer änderte selbst und wer ließ womöglich ändern? Das Umarbeiten von Kleidung war keineswegs nur eine privat ausgeführte Handarbeit und Hausfrauentugend, sondern wurde als Dienstleistung von Schneidern, Modistinnen, Kürschnereien und Färbereien angeboten und ausgeführt. Der Blick auf unterschiedliche soziale Gruppen bringt also die Frage mit sich, wo tatsächliche Materialknappheit und wo beispielsweise bürgerliche Tugenden wie Sparsamkeit eine Rolle spielten, wenn Kleidung umgearbeitet wurde. Inwiefern gab es auch so etwas wie ein Selbstverständnis, Dinge und Material wiederzuverwenden, auch ohne finanzielle oder materielle Not? Umarbeitungen an Kleidungsstücken verweisen also nicht nur ganz unmittelbar auf Modeentwicklungen, die variierende Verfügbarkeit von Materialien oder auf Änderungen von Körperformen oder -größe. Auf übergeordneter Ebene verweisen sie auch auf Moral- und Wertesysteme, in die der Umgang mit (textilem) Material generell zu unterschiedlichen Zeiten eingebettet war. Wie verhielt es sich also mit dem Status umgearbeiteter Kleidung? War das Umarbeiten eines Kleidungsstückes immer eine Abweichung des intendierten Gebrauchsspektrums oder umgekehrt sogar vorgesehen und eingeplant? Dass letzteres durchaus der Fall war, ist an den beiden folgenden Beispiele nachzuvollziehen. 98 VDR

100 Kleidungsforschung 5 Gesellschaftskleid mit Krinolinenrock, Seide, ca. 1860er Jahre, am Rock finden sich Spuren einer Umarbeitung, Inv. Nr. RA 99/74 Materialerhalt als Grundprinzip: das Einplanen von Umarbeitungen bei der Herstellung Es handelt sich um zwei Kleider, die beide jeweils aus Rock und Oberteil bestehen, das eine ca. aus den 1870er oder späten 1860er Jahren, 14 das andere etwa aus den 1890er Jahren. 15 Bei beiden wurden keine sichtbaren Umarbeitungen vorgenommen, offensichtlich sollten diese aber ermöglicht werden. Besonders deutlich wird die Vorgehensweise am Rock des schwarzen Kleides (Abb. 6). Dieser ist aus sieben jeweils keilförmigen Rockbahnen zusammengesetzt. Trotz der keilförmig zulaufenden Rockbahnen wurde bei allen Schnittteilen die gesamte Stoffbreite von ca. 52 cm im Rock belassen (Abb. 7). Im Taillenbereich ergibt sich dadurch teilweise ein Stoffüberschuss von bis zu 36 cm pro Rockbahn. Dieser wurde an der Rockinnenseite umgeschlagen und mit großen Stichen per Hand am gemeinsam mit dem Oberstoff gefassten Futter festgenäht (Abb. 8). Die nicht zugeschnittenen Webkanten sind innen gut an den weißen Rändern zu erkennen, von außen ist diese Verarbeitungsweise dagegen nicht festzustellen. Bei dem zweiten Kleid mit einem rostbraunen Rock aus neun Bahnen, ist die gesamte Stoffbreite bei der vorderen mittleren, sowie den vier hinteren Schnittteilen im Rock belassen worden, obwohl auch diese jeweils keilförmig zulaufen. Dieses Kleid stammt aus einem Konvolut, in dem sich ein zweites Kleid befindet, das nach einem sehr ähnlichen Schnitt, eventuell auch von derselben Person hergestellt wurde, worauf bestimmte Verarbeitungstechniken hindeuten. Der Rock dieses zweiten Kleides wurde tatsächlich einmal umgearbeitet, VDR 99

101 Kleidungsforschung was durch zahlreiche Nahtspuren sowie unstimmige Musterverläufe deutlich wird. Diese beiden Röcke (der schwarze und der rostbraune) sind als Objekte deshalb so interessant, weil sie nicht im Nachhinein eine Änderung dokumentieren, sondern quasi im Vorhinein Ausblick auf später intendierte Gebrauchsweisen geben. Für die Objektbiografie dieser Röcke war offenbar bereits bei der Herstellung eingeplant, dass sie weiter gemacht werden konnten oder, was noch wahrscheinlicher ist, komplett auseinandergetrennt werden und die unzerschnitten erhaltenen Stoffbahnen in ihrer ursprünglichen Breite erneut verwendet werden konnten. Die Röcke dienten sozusagen während ihrer Nutzung gleichzeitig als Stoffreservoir. Solche Beispiele bestätigen die These, dass das Umarbeiten keinesfalls nur eine aus der Not der Situation geborene Umgangsweise mit Kleidungsstücken war, sondern im Gegenteil die Möglichkeit der Änderung oder Weiterverwendung des Materials bereits zu Beginn des Herstellungsprozesses ganz gezielt eingeplant wurde. Dass es sich hierbei im Übrigen nicht um eine vermeintlich individuelle Vorgehensweise handelt, sondern um eine durchaus propagierte Praktik, legen Anleitungen aus Modezeitschriften nahe. So heißt es beispielsweise in der Zeitschrift Der Bazar : Ist der Stoff des Kleides z. B. 70 Centimeter breit, so wird durch schräges Einbiegen nach der linken Seite jedes Blatt des Rockes um 16 Centimeter seiner oberen Breite vermindert. [ ] Bei Stoffen von geringem Werthe ist es rathsam, die durch das Einbiegen entstandenen schrägen Keile abzuschneiden, bei werthvolleren Roben würden wir indeß ganz mit jenen unserer Leserinnen übereinstimmen, deren Hand sich sträubt, einer vielleicht kurzen Mode-Laune zu Liebe, die verstümmelnde Scheere an ein schönes kunstvolles Gewebe zu legen. 17 Beim Bazar handelte es sich um eine Modezeitschrift, die sich an durchaus gut situierte, bürgerliche Leserinnen richtete. In der Tat finden sich im Museumsbestand immer wieder Beispiele, die Umarbeitungen entsprechend der sich in der Damenmode des 19. Jahrhunderts regelmäßig verändernden Rocksilhouette aufweisen, auch im Bereich gehobener bürgerlicher Garderobe. Modische Obsoleszenz und Materialgebrauch Ein Beispiel aus dem Bereich der Herrenkleidung, bei der eine modische Aktualisierung durchgeführt wurde, lässt sich an einer Herrenweste aus Seide 18 nachvollziehen (Abb. 9). Die Weste reicht etwa bis zur Hüfte, hat einen hohen Stehkragen und zwei Eingrifftaschen. Die cremefarbene Seide des Vorderteils und Kragens ist mit Streublümchen bestickt, eine gestickte Blumenbordüre ziert die Ränder der Taschenpaspel, des Kragens und der vorderen Mitte. Die Weste ist ihrem Schnitt entsprechend in das späte 18., eher frühe 19. Jahrhundert einzuordnen. Die Form der Weste war aber ursprünglich sehr wahrscheinlich eine andere, worauf unter anderem Unstimmigkeiten bei der Anordnung der Stickerei hinweisen. Vermutlich wurde die Weste zwischen 1800 und 6 Kleid, Seide, ca , Inv. Nr. RA 98/ verändert und eine ursprünglich längere Form mit Westenschößen an die nun modische kürzere Form mit hohem Stehkragen angepasst. Ein Entpuzzeln der Schnittteile zeigt, dass die Teile, die nun den Stehkragen bilden, in umgedrehter Anordnung vermutlich ursprünglich die Westenschöße waren. Die nun abgeschnittenen Stickereielemente (Abb. 10) gaben 100 VDR

102 Kleidungsforschung 7 Innenansicht Kleid Inv. Nr. RA 98/41, weiße Webkanten der unzerschnittenen, nach innen gefalteten überschüssigen Stoffbreite 8 Detail innen Kleid Inv. Nr. RA 98/41 ursprünglich die Position der Taschenklappen an, die typischerweise bereits auf den noch nicht zugeschnittenen Stoffbahnen vorgestickt wurden. (Abb. 11). Ein verblüffend ähnliches Beispiel findet sich in einer Publikation der amerikanischen Modehistorikerin Linda Baumgarten. 19 Auch hier wurde eine Weste, die nach der Einschätzung Baumgartens ursprünglich von ca stammt, etwa um 1800 in ihrer Form verändert, Teile der Westenschöße wurden als Kragen angesetzt, die Taschenklappen als Eingrifftaschen aufgesetzt. Wenn auch aus diesen zwei Westen noch kein Prinzip abgeleitet werden kann, lassen sie doch die Vermutung zu, dass es sich auch hier nicht um eine individuelle Vorgehensweise, sondern um ein häufiger angewendetes Verfahren handelt. Diese Beispiele verdeutlichen, wie eine Verlängerung der Lebensspanne von Kleidungsstücken bewirkt wurde; sie wurden nicht aussortiert, weil sie unmodisch waren, sondern durch Umarbeitung über die Zeit hinweg gerettet und weitergetragen. Mit Blick auf einen immer rascheren Wechsel modischer Silhouetten spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts kann das Umarbeiten von Kleidung entsprechend der Mode nicht nur als konservative, materialerhaltende Praktik gesehen werden, sondern auch oder vielleicht gerade als Art einer progressiven Teilhabe an diesem Modewandel und daher als eine Form des Mode-Konsums. Die modische Obsoleszenz, die durch den Wandel von Silhouetten und Schnitten entstand, vollzog sich hier schneller als die materielle. Fazit Trotz sich wandelnder Produktions- und Konsumformen und einem steigenden Güterbesitz scheint das Umarbeiten noch bis in das 20. Jahrhundert gängige textile Praktik gewesen zu sein. Die Omnipräsenz von Umarbeitungen, die in erhaltenen historischen Kleidungsstücken nachzuweisen ist, steht VDR 101

103 Kleidungsforschung 10 Detail Inv. Nr RA 02/647, Kragen mit abgeschnittenem Stickereielement 9 Bestickte Herrenweste, Seide, Leinen, Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert, Inv. Nr. RA 02/ Nicht zugeschnittene Stoffbahn aus Seide mit vorgestickter Verzierung einer Herrenweste damit deutlich im Kontrast zu ihrer Wahrnehmung in der Forschung zu materieller Kultur. Wenn allerdings in einem kulturwissenschaftlichen Sinne Fragen nach den Alltagsbezügen von Kleidung ernst genommen werden sollen, ist es unerlässlich, Kleidung und Textilien, die in diese alltäglichen Prozesse und Handlungen eingebunden waren und von diesen zeugen, auch zu sammeln und zu erforschen. Was die Aufmerksamkeit in der Forschung und den Umgang mit umgearbeiteter Kleidung und Textilobjekten in Sammlungen angeht, möchte ich daher ausdrücklich dafür plädieren, diese nicht als musealen Problemfall oder Objekte zweiter Klasse zu begreifen, sondern ihr Potenzial als Zeugnisse historischer Praktiken zu erkennen, das gerade durch eine multidisziplinär ausgerichtete Forschung, in deren Zentrum das Objekt steht, fruchtbar gemacht werden kann. Anna Katharina Behrend, M. A. Germanisches Nationalmuseum Kornmarkt Nürnberg Anmerkungen 1 Der Beitrag geht auf einen Vortrag im Rahmen der Fachtagung Objekte mit Geschichte. Umgang mit Änderungen, Reparaturen und Restaurierungen an historischen Objekten zurück; veranstaltet von der Fachgruppe Textil des VDR am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg vom 28. bis Das 2017 begonnene Dissertationsprojekt ist angebunden an das Seminar für Kulturanthropologie des Textilen der TU Dortmund, Arbeitstitel: Der Alltag der Mode. Umarbeiten von Kleidung als Konsumpraktik, BAUMGARTEN 2002, S Eine bislang unveröffentlichte, an einer Universität in Kanada angesiedelte Dissertation der Modehistorikerin Carolyn Dowdell thematisiert das Umarbeiten von Frauenkleidung in England im 18. Jahrhundert. 5 Vgl. ZANDER-SEIDEL Vgl. TAYLOR Vgl. PIETSCH Vgl. MIDA/KIM THATCHER ULRICH/GASKELL/SCHECHNER/CARTER 2015, S Siehe hierzu beispielsweise den Mode-Katalog Warenhaus A. Wertheim 1903/04, Nachdruck 2. Aufl., Hildesheim 1982, S An diesem Second-Hand-Kleidermarkt waren nahezu alle sozialen Schichten beteiligt, ob als Einspeisende oder Abnehmer, wie beispielsweise die Historikerin Beverly Lemire in ihren Arbeiten zum Second-Hand-Markt in England eindrucksvoll darstellt. Vgl. LEMIRE 2005, LEMIRE 2012; siehe zum Second-Hand-Markt in Frankreich beispielsweise CHARPY Die Aufteilung von Gesellschaften in entweder Konsumgesellschaften, in denen vorwiegend kurze Objektbiografien zu finden sind, und Ge- 102 VDR

104 Kleidungsforschung sellschaften mit geringem Sachbesitz, in denen Objekte komplexere Biografien haben, wie sie Hans Peter Hahn beispielsweise vorschlägt, scheint mir für das 19. Jahrhunderts problematisch und zu kurz zu greifen. In meinen Augen verschränken sich hier bei nahezu allen sozialen Schichten Merkmale beider Gesellschaftsformen und deren Umgang mit den Dingen. Ein grundsätzlich steigender Konsum läuft parallel zu Um- und Weiternutzung. Vgl. HAHN 2014, S An dieser Stelle sei auf zwei Beispiele aus aktuell gezeigten Ausstellungen hingewiesen: Die Ausstellung Royal Women. Alexandra, Mary, Elizabeth and Margaret. Public life, personal style im Fashion Museum Bath zeigt das nachträglich umgearbeitete Hochzeitskleid von Princess Alexandra of Wales; in der Ausstellung Balenciaga. Master of Couture im Textilmuseet Borås wird darauf verwiesen, dass Balenciagas Mutter, eine Schneiderin, für ihre wohlhabenden Klienten in Nordspanien Pariser Roben umarbeitete. 14 Inv. Nr. ZRA 12/ Inv. Nr. RA 98/41 16 Zu diesem Zeitpunkt wurden die Schnittteile von Röcken zunehmend keilförmig, zur Taille hin schmaler als am Saum zugeschnitten, im Gegensatz zu den vormals geraden Stoffbahnen der Röcke, die in der Taille durch Kräuselung und Fältelung auf die Taillenweite eingehalten wurden. 17 Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitung 1861, Nr. 5, S Inv. Nr. RA 02/ BAUMGARTEN 2002, S. 195 HAHN 2014: Hans Peter Hahn, Materielle Kultur. Eine Einführung, 2. Aufl., Berlin 2014 LEMIRE 2005: Beverly Lemire, Shifting Currency: The Culture and Economy of the Second Hand Trade in England, c In: Old Clothes, New Looks. Second Hand Fashion. Hrsg. v. Alexandra Palmer und Hazel Clark, Oxford/New York 2005, S LEMIRE 2012: Beverly Lemire, The Secondhand Clothing Trade in Europe and Beyond: Stages of Development and Enterprise in a Changing Material World, c In: Textile. The Journal of Cloth and Culture 10, 2012, S MIDA/KIM 2015: Ingrid Mida und Alexandra Kim, The Dress Detective. A Practical Guide to Object-based Research in Fashion, London/New York 2015 PIETSCH 2018: Johannes Pietsch, Historic Garments as Primary Sources for Dress Research. In: Signs and Symbols. Dress at the Intersection between Image and Realia. Hrsg. v. Sabine de Günther und Philipp Zitzlsperger. Berlin 2018, S TAYLOR 2002: Lou Taylor, The study of dress history, Manchester 2002 THATCHER ULRICH/GASKELL/SCHECHNER/CARTER 2015: Laurel Thatcher Ulrich, Ivan Gaskell, Sara J. Schechner und Sarah Anne Carter, Tangible Things. Making History Through Objects, Oxford/New York 2015 ZANDER-SEIDEL 1988: Jutta Zander-Seidel, Bild Text Original. Zur Zusammenarbeit von Kunsthistoriker und Restaurator in der historischen Textilforschung. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2, 1988, S Literatur BAUMGARTEN 2002: Linda Baumgarten, What clothes reveal. The language of clothing in Colonial and Federal America. The Colonial Williamsburg Collection, Williamsburg 2002 CHARPY 2008: Manuel Charpy, The Scope and Structure of the Nineteenthcentury Second-hand Trade in the Parisian Clothes Market. In: Alternative Exchanges. Second-Hand Circulations from the Sixteenth Century to the Present. Hrsg. v. Laurence Fontaine, New York/Oxford 2008, S Abbildungsnachweis Abb. 1 4, 6 11: Anna Behrend mit Genehmigung des LVR-Industrie museums Abb. 5: LVR-Industriemuseum. In: Arbeitsjacke und Zinkengel. 111 Objekte aus der Sammlung des Rheinischen Industriemuseums. Hrsg. v. Milena Karabaic und Markus Krause, Essen VDR 103

105 Indigene Perspektiven Das Wissen der Anderen Über die Zusammenarbeit mit Indigenen in der Konservierung und Restaurierung Diana Gabler, Helene Tello Durch die Integration von indigenen Stimmen und Sichtweisen in die museale Arbeitspraxis erweitern sich zukünftig die Arbeitsgebiete zur Erforschung, zur Aufbewahrung und zum Erhalt von außereuropäischem Kunst- und Kulturgut grundlegend. Für Restaurator/-innen in Deutschland eröffnet sich durch die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften ein breites Tätigkeitsfeld mit veränderten Aufgabenstellungen. Die Museumskonzeption des 21. Jahrhunderts hat sich in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten vorrangig durch eine postkoloniale Kritik gewandelt. Die bisherige Ausrichtung der Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften muss dabei ebenso kritisch betrachtet werden. Nur so kann eine eigene Sichtweise, die sich westlicher kultureller Filter bedient, besser verstanden werden. Anhand des Fallbeispiels des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, das mittlerweile auf eine lange Geschichte mit Vertretern aus unterschiedlichen Herkunftsgesellschaften außereuropäischer Kulturen zurückblicken kann, wird gezeigt, wie die Einbeziehung indigenen Wissens entscheidend dazu beitragen kann, den eigenen Blick für die Belange musealer Sammlungen zu erweitern, mit dem Ziel, richtungsweisende Konzepte für den Erhalt des anvertrauten Kunst- und Kulturguts zu erarbeiten. The knowledge of the others On the collaboration with indigenous communities in conservation and restoration The integration of indigenous voices and perspectives in museum practices fundamentally changes research approaches, conservation, and the preservation of non-european cultural heritage. For conservators in Germany, collaborative engagement with indigenous communities opens an extensive field of changing responsibilities. In the last two decades, the museum of the 21st century has changed in Germany primarily because of post-colonial critique. Therefore, the previous direction of conservation science needs to be reviewed critically in order to better understand one's own view, which is infused by western cultural filters. The Ethnological Museum of the National Museums Berlin looks back on a long history of collaboration with representatives from different communities of non-european cultures. Based on this experience, the article shows how the integration of indigenous knowledge contributes to reconsider one's own views of museum practices with the aim to develop contemporary concepts for the preservation of cultural heritage. Einführung Die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften 1 intensiviert sich in deutschen musealen Sammlungen seit einigen Jahren. Dennoch ist sie mehr theoretisches Gesprächs- und Publikationsthema, denn intensiv gelebter Arbeitsalltag. Oftmals sind RestauratorInnen nicht von Beginn an in die Projektplanungen und Gespräche eingebunden, wenn es um das kollaborative Arbeiten mit Nachfahren von Herkunftsgesellschaften geht. Vielmehr beginnt sich ein Dialog um kulturelles Erbe gerade erst durchzusetzen. Dieser Wandel in der Museumskultur hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland durch eine postkoloniale Kritik an den außereuropäischen Sammlungen sowie einen starken politischen Druck vollzogen. 2 Auslöser für das Einbeziehen indigener Gemeinschaften in die Museumsarbeit entstanden unter anderem durch die kontinuierliche Dekolonialisierungsbewegung seit den 1970er Jahren. 3 Die sozialen und politischen Aktivitäten Indigener haben diese Entwicklungen befördert. 4 Der Kolonialismus und seine Folgen sind für viele Menschen weltweit noch immer direkt spürbar, daher müssen sich auch die deutsche Kulturpolitik und ihre kulturellen Einrichtungen damit auseinandersetzen. Der oftmals bestehende Mangel eines eigenen Kulturmanagements erschwert es vielen Gruppen, ihre Traditionen zu leben sowie weltweit Einfluss auf den Umgang mit dem eigenen Kulturgut in den Sammlungen anderer Nationen zu nehmen. 5 Die Kolonialzeit wirkt demnach bis in die Gegenwart. In der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker werden diese in einer Deklaration auf dieselbe Ebene mit allen anderen Völkern hinsichtlich der Fragen ihres kulturellen Erbes gestellt. 6 Die Erklärung stellt ein Werkzeug für den Prozess der Wiedergutmachung und Vergebung der Gräueltaten aus der Kolonialzeit dar und erkennt anhaltende Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen an. In einigen Herkunftsländern, wie den USA, Kanada, Australien und Neuseeland, haben fortwährende Rückführungsgesuche zu einer engen Zusammenarbeit geführt. In den USA, wo dieser Prozess durch legislative Vorgaben (Native American Graves Protection and Repatriation Act 7 ) unter dem politischen Druck der Ureinwohner angestoßen wurde, folgte konsequenterweise eine praktische Umsetzung dieser Regelungen im Umgang mit menschlichen Überresten sowie Grabbeigaben. In annähernd drei Jahrzehnten haben sich daraus weitere Themenfelder wie der Leihverkehr, die Aufbewahrung und die Konservierung von Kulturgütern der Ureinwohner Nordamerikas in der Museumsarbeit entwickelt VDR

106 Indigene Perspektiven 1 Yup ik-delegation im Ethno - logischen Museum Berlin, September 1997 Interkulturelle Rezeption in musealen Sammlungen Die Diskussionen um eine moderne Museumsgestaltung im 21. Jahrhundert verstärken sich auch in Deutschland. Darüber hinaus werden über die Medien politisch aufgeladene Themen wie die Dekolonialisierung europäischer Museen, Restitutionsforderungen sowie die Provenienzforschung aufgegriffen und verbreitet. 9 In Wissenschaftseinrichtungen werden Tagungen zur ethnologischen Provenienzforschung 10 sowie zum Umgang mit menschlichen Überresten 11 und sensiblen Objekten veranstaltet. 12 Neu herausgegebene Leitfäden 13 zu diesen Themen regen zu einer dichteren Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften, an und haben zum Ziel, deutsche Museen in ihren Dialogen mit Indigenen zu unterstützen. Museen dienen heute nicht selten als eine Begegnungsstätte 14, um schwierige Fragen zu erörtern: Welche Kulturgüter werden für die nächste Generation bewahrt? In welcher Beziehung stehen die Museen und die Sammlungen mit den Herkunftsgesellschaften? Wird ihnen der Zugang zu ethnologischen Sammlungen gewährt? Wer oder was wird in den Sammlungsgegenständen repräsentiert? Die Entscheidungen darüber, was und wie etwas erhalten wird, ist nunmehr von sozialen, politischen und ökonomischen Tendenzen abhängig und unterliegt einem ständigen Wandel. 15 Dies bezieht sich auf begriffliche Zu schreibungen wie Glauben oder auch Emotionen, welche sich über die Zeit verändern können. 16 Eine sich ändernde Bedeutung sowie Interpretation des Kulturerbes stellt eine große Herausforderung dar. 17 Welche Entscheidungen sollen RestauratorenInnen treffen, wenn sich die Bedeutung und damit die zugeschriebenen Werte der materiellen Zeugnisse einer Kultur wandeln? RestauratorInnen arbeiten mittlerweile mit einer immer größer werdenden Anzahl von InteressenvertreterInnen zusammen ursprüngliche HerstellerInnen von Objekten, SammlerInnen, Museumsfachleute und den heutigen Nachfahren der Herkunftsgesellschaften, die möglicherweise sehr unterschiedliche Ansichten darüber haben, was für Objekte wichtig ist und wie sie verwendet und aufbewahrt werden sollen. Daher muss die Erhaltung mit neuen Personengruppen verhandelt und begründet werden, wodurch die Konservierung und Restaurierung einen zusätzlichen Aspekt, nämlich den der sozialen Praxis erhält. 18 Dadurch ist es im 21. Jahrhundert schwieriger geworden, universelle Prinzipien für die Konservierung festzulegen. Das Unterfangen, bei dem die Identifikation und Bewertung kulturellen Erbes festgelegt wird, wie es zukünftig verwendet, bewahrt und durch wen und für wen es interpretiert wird, gestaltet sich als äußerst komplex. Durch neu gefundenen, Kontexte, entstanden aus einer engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit, wirken sich immaterielle Werte, die einem Objekt zugestanden werden, entscheidend auf die zu erarbeitenden Konservierungskonzepte aus. 19 Richtlinien und Praktiken werden immer mehr durch das Verständnis dieser sich ändernden Bezugsrahmen geformt. Gesetzliche Vorgaben, die eine ganzheitliche Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften im musealen Rahmen definieren würden, existieren derzeit in Deutschland noch nicht. Neben allgemeinen musealen und berufsspezifischen Empfehlungen 20, finden sich ethische Richtlinien für Museen vom Internationalen Museumsrat (ICOM). 21 Eine Handlungsgrundlage zur Entwicklung von Beziehungen und der Zusammenarbeit kann aus dem Grundsatz der kollaborativen Arbeitsweise: Museen arbeiten sowohl mit den Gemeinschaften, aus denen ihre Sammlungen stammen, als auch mit denen, VDR 105

107 Indigene Perspektiven welchen sie dienen, eng zusammen, abgeleitet werden. 22 Ganzheitliche Ansätze für die Einbeziehung indigener Stimmen in die Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften fehlen jedoch. MuseumsmitarbeiterInnen bleiben vorerst auf sich allein gestellt, wenn es um die Ausarbeitung von Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den Nachfahren der Herkunftsgesellschaften geht. Wo finden sich RestauratorenInnen in diesen Debatten wieder und welche Rolle spielen sie in diesem Prozess? Erhaltung von interkulturellem Kulturgut Bislang ist zu beobachten, dass sich RestauratorInnen eher den ethischen sowie den konservierungswissenschaftlichen Grundsätzen der eigenen Fachdisziplin gegenüber verpflichtet sehen als den unterschiedlichen Interessenvertretern einer Sammlung. Sie sehen ihre Aufgabe darin, Kunst- und Kulturgut zu erhalten und verpflichten sich, eher die materiellen als die immateriellen Werte des Kulturerbes, das die westliche Gesellschaft den Objekten zugeschrieben hat, für kommende Generationen zu bewahren. 23 Objektbasierte Forschung steht in der Konservierungswissenschaft und -praxis im Vordergrund 24 und die Auseinandersetzung mit der sozialen Bedeutung der Objekte wird oft nachrangig behandelt. 25 Ein klarer Ansatz für die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften ist den VDR-oder E.C.C.O.-Berufsleitlinien nicht zu entnehmen. Indigenes Wissen wird hin und wieder bereits additiv genutzt und dem eigenen Wissensspeicher zugefügt, wenn es sich um Informationen über Primärmaterialien sowie um spezielle Herstellungstechniken handelt. Diese erweiterten Kenntnisse werden potenziell dafür verwendet, Objekte nach eigenen Vorgaben besser konservatorisch betreuen oder auch restauratorisch bearbeiten zu können. Die Aneignung dieses Wissens geschieht in diesem Rahmen demnach selektiv. Die in den E.C.C.O. Professional Guidelines (I) The Profession 26 dargestellte Verantwortung gegenüber dem Kulturerbe, dem Beruf, gegenüber den Kollegen und den gesetzlichen Eigentümern kann erweitert auch als eine Verpflichtung gegenüber den Herkunftsgesellschaften abgeleitet werden. Folgerichtig müsste in der Zusammenarbeit die Konservierungs- und Restaurierungspraxis ebenso eine Rezeption erfahren. Ein sich änderndes berufliches Selbstverständnis von RestauratorInnen sowie erweiterte Verpflichtungen gegenüber dem kulturellen Erbe können als Grundlage für die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften gesehen werden. Wie wichtig der Stellenwert der Konservierung und Restaurierung ist, wird wie folgt deutlich: Durch die Festlegung und Umsetzung bestimmter Konservierungsmaßnahmen werden bestimmte Aspekte eines Objektes möglicherweise hervorgehoben und dadurch unweigerlich gegenüber anderen Aspekten als wichtiger bewertet. 27 Jede Konservierungsmaßnahme hat schlussendlich eine unumkehrbare Auswirkung auf einen Sammlungsgegenstand, wodurch Objekte anders 2 Ye kwana-delegation in der Sammlung Amerikanische Ethnologie im Ethnologischen Museum Berlin, Juli VDR

108 Indigene Perspektiven wahrgenommen und bewertet werden können. 28 Wissentlich oder unwissentlich tragen RestauratorInnen damit aktiv zu einem subjektiv geprägten Werteerhalt sowie einer eigenen Interpretation bei und sind dadurch nicht neutral, sondern Akteure mit eigenen Werten. Nun entspricht aber nicht jeder durch die Konservierungswissenschaft zugeordnete Wert eines Objektes indigenen Bedürfnissen. 29 Das westliche Wissenschaftssystem Selbst wenn es RestauratorInnen oftmals gar nicht bewusst ist, dass sie einen eigenen kulturellen Filter für ihre Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen einsetzen, ist es lohnenswert die eigene Arbeitsweise kritisch zu überdenken und sich produktiv in den Prozess der gleichberechtigten Zusammenarbeit einzubringen. Wenn in Europa die Entstehung der Sammlungen von außereuropäischem Kulturgut als ein direktes Resultat kolonialer Erfahrungen begriffen wird, muss auch hinterfragt werden, wie die Konservierung und Restaurierung durch diese Erfahrung geprägt ist. Das westliche System der Aufklärung, aus dem die Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften wie viele andere Wissenschaftsgebiete hervorgingen, ist durch die Machtstrukturen der Kolonialzeit geprägt worden und basiert auf den Zuschreibungen von Eigenem und Fremdem. Diese westlichen oder auch europäischen Perspektiven lassen oftmals keinen Raum für alternative Sichtweisen, die Welt zu begreifen. 30 Bewusst oder unbewusst ist das Verständnis darüber, wie gesammelt oder bewahrt wird, westlich geprägt. Auch in den Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften ist dies ablesbar. Die westliche Kultur mit seinem wissenschaftlichen Forschungsansatz ist aber nur ein Weg, die Kulturen der Anderen zu begreifen und nicht per se ein objektives Weltverständnis. Alles Wissen ist letztlich innerhalb eines bestimmten Machtsystems strukturiert. Das neuzeitliche Geschichtsbild ist kolonial geprägt. Ein neutrales oder unpolitisches Wissen existiert nicht. 31 Folglich erscheint die Anerkennung und Einbeziehung anderen Wissens für eine aufgeschlossene und demokratische Gesellschaft als ein lohnendes Ziel. Allgemein ist der Glaube an die grundlegende Notwendigkeit, Objekte zu bewahren und ihre wissenschaftliche Untersuchung als Grundlage für ihre ordnungsgemäße Aufbewahrung und Konservierung zu sehen, unter RestauratorInnen immer noch vorherrschend. 32 Seit den 80er Jahren, bedingt durch technische Weiterentwicklungen, gibt es einen vermehrten Zugang zu analytischen Instrumenten, die für die Untersuchung von Objekten eingesetzt werden. Somit ist die Konservierungswissenschaft zu einem wichtigen Feld der akademischen Museumsforschung geworden. Der Wunsch nach Objektivität, nach der Wahrheit, frei von persönlichen Präferenzen und Subjektivität wird angestrebt, um eine universelle Gültigkeit zu erzielen. Dieser Ansatz einer verallgemeinerten Wertezuschreibung von Objekten entstammt einem westlichen Wissenssystem. Ausgehend von der Annahme, dass die Mehrheit der RestauratorenInnen dieses System als gegeben und sogar als erstrebenswert betrachtet, bietet es in diesem Fall eine scheinbare Objektivität, welche die eigene Tätigkeit legitimiert. Dieser Ansatz soll Restaurator/innen dabei helfen, die beste Methode für die Restaurierung und Konservierung zu erarbeiten. 33 Dadurch werden durch diesbezügliche Fragestellungen oftmals die Wertigkeit des eigenen Berufstandes und seine wissenschaftliche Ausrichtung unterstrichen. 34 Technische Ergebnisse aus der Forschung werden dabei als Beweis für eine wissenschaftliche Konservierung verwendet. Jedoch darf dabei nicht vergessen werden, dass vorhandene Berufsleitlinien die Eigeninteressen des Berufstandes vertreten. Durch die Profilierung der eigenen Berufsgruppe wird eine Abgrenzung zum beruflichen Umfeld erreicht, was bei näherer Betrachtung auch zur Ausgrenzung anderer Interessengruppen führen kann. Veränderte Aufgabenstellungen von Restauratoren Wenn RestauratorInnen sich verpflichten, für den Erhalt des kulturellen Erbes alle relevanten Informationen zu berücksichtigen, die zum Verständnis des kulturellen Erbes beitragen, dann sind auch die Geschichten hinter den ihnen anvertrauten Objekten wichtig. 35 In der Praxis bedeutet dies die Auseinandersetzung mit der Herkunft und der Objektgeschichte sowie mit den gesellschaftlichen und sozialen Kontexten aus denen die Kunst- und Kulturgüter stammen. Durch die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften gewinnen RestauratorInnen das nötige Hintergrundwissen für ihre Entscheidungen und können entsprechende Konservierungsund Restaurierungsmaßnahmen konzipieren und ausführen. Jedoch bleiben Entscheidungsprozesse und angesetzte Kriterien immer subjektiv. 36 Die Einbeziehung indigenen Wissens trägt entscheidend dazu bei, den Blick für die Belange der Sammlungen zu öffnen und deutlich besser angepasste Konzepte für den Erhalt der anvertrauten Gegenstände zu erarbeiten. Dabei können auch Konservierungsansätze entstehen, die sich diametral zueinander verhalten. 37 Die Einbeziehung des Wissens der Anderen in die Konservierungs- und Restaurierungspraxis ist jedoch nicht übergeordnetes Ziel, sondern es geht darum, aktiv Partnerschaften zu bilden. Maßgeblich für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine gemeinsame Kommunikation ist dabei die Schaffung von gegenseitigem Vertrauen. Der bloße Erhalt des Materiellen tritt gegenüber der Bedeutung, die kulturelle Objekte für die lebenden Nachfahren besitzen, in der aktiven Konservierungspraxis in den Hintergrund. 38 In der Konsequenz wird oral überliefertes Wissen, das im direkten Zusammenhang mit den Objekten steht, zum VDR 107

109 Indigene Perspektiven immateriellen Kulturgut und somit zum Hauptgegenstand gemeinsamer kultureller Interessen. 39 Der Fokus liegt dann auf den sozialen Beziehungen verschiedener Interessenvertreter zueinander, die durch die Objekte in den Sammlungen repräsentiert werden. Über die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften Oftmals wird die Zusammenarbeit mit Indigenen jedoch als völlig praxisfern empfunden, da dadurch ein Mehraufwand an Zeit einkalkuliert werden muss, welcher aus der Sicht mancher KollegInnen nicht geleistet werden kann. Ein besonders sensibles Thema stellen Objekte dar, die für den spirituellen Gebrauch und daraus folgende rituelle Handlungen vorgesehen sind. Diese Aspekte können aufgrund einer ablehnenden Haltung beispielsweise als Hokuspokus oder Angriff auf das eigene Geschlecht gesehen werden, wenn die Nachfahren wünschen, dass bestimmte Objekte nur geschlechterspezifisch gesehen bzw. gehandhabt werden. Wenn RestauratorInnen sich vornehmlich gegenüber den ihnen anvertrauten Objekten verantwortlich fühlen, kann dies dazu führen, dass sie die Hoheit zum Erhalt und zur Aufbewahrung der Objekte in ihren Händen sehen. Dieser Standpunkt erschwert es möglicherweise von einer festgelegten Haltung dahin zu gelangen, dass Restaurator - 3 Aufbewahrung von Objekten eines Schamanen nach Umlagerung Innen den nicht greifbaren Eigenschaften eines Objektes genauso viel Wichtigkeit bei der Erstellung ihrer Konservierungskonzepte beimessen wie dem Material selbst. 40 Dabei ist das Ziel lohnenswert: Die Objekte erhalten eine aktive Rolle und ihre Erhaltung wird zunehmend als komplexer Prozess erkannt. 41 Dennoch ist diese Arbeitsweise bisher relativ unüblich, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise, wie verschiedene Formen von Erkenntnis, das indigene Wissen und das Fachwissen von RestauratorInnen zusammen - wirken. 42 Dass die Zusammenarbeit mit außereuropäischen Gemeinschaften in Deutschland noch nicht selbstverständlich geworden ist, mag auch darin begründet sein, dass diese anders als in Ländern wie den USA, Kanada oder Australien kaum vor Ort sind. Dadurch wird der Aufbau eigener Kontakte zu den Nachfahren von ethnologischen Sammlungsgegenständen mitunter als problematisch eingeschätzt. Auch der Mangel an Zeit, Personal sowie Sprachkenntnissen, um Fragen hinsichtlich der Konservierung und Restaurierung von Objekten zu erörtern, sind oft genannte Hürden. Davon ausgehend, dass die Einbindung von indigenen Stimmen in musealen Sammlungen in Europa oder genauer gesagt in Deutschland nur sporadisch stattfand oder stattfindet, erscheint es erstrebenswert, zu diskutieren, welche praktischen Ansätze für eine nachhaltige Zusammenarbeit denkbar wären. Die Art der Aufbewahrung von Sammlungsobjekten spielt dabei eine oft unterschätzte Rolle. Dieser Aspekt sowie Diskussionen um die Ausstellungspräsentation können in den Anfangsstadien einer Zusammenarbeit als eine Art Eisbrecher beim Beziehungsaufbau fungieren. Da eine effektive Kommunikation nicht nur zwischen verschiedenen Interessenvertretern, sondern auch ganz allgemein, beispielsweise innerhalb einer Institution, eine der größten Hürden darstellen kann, muss eine Grundlage für die gleichberechtigte Kommunikation geschaffen werden, damit auch schwierige Themen auf Augenhöhe diskutiert werden können. Wenn also die museale Arbeit als Zusammenarbeit verstanden wird, dann kann auch mit dem schwierigen Teil begonnen werden, nämlich dem Dialog. 43 Das Fallbeispiel Ethnologisches Museum der Staatlichen Museen zu Berlin Die Sammlungen des Ethnologischen Museums gehen bis in das 17. Jahrhunderts zurück, wo einzelne exotische Gegenstände aus Übersee in die Wunderkammern des Großen Kurfürsten im damaligen Berliner Stadtschloss gelangten. 44 Im weiteren Verlauf der Geschichte wurde die erste ethnologische Sammlung im Jahr 1859 im Neuen Museum der Königlichen Museen zu Berlin ausgestellt. 45 Bereits am 27. Dezember 1873 erteilte man die Genehmigung zum Bau eines eigenen Gebäudes für diese Sammlung, da die räumlichen Kapazitäten im Neuen Museum völlig erschöpft waren. Auch 108 VDR

110 Indigene Perspektiven 4 Tanzgürtel, V B 6109 andere Magazine, Keller und Räume der Königlichen Museen zu Berlin waren bereits notdürftig mit ethnologischen Sammlungsgegenständen belegt. Noch vor der Fertigstellung des neuen Gebäudes in der Königgrätzer Straße in Berlin-Mitte drängte man im Jahr 1885 darauf, Räume zur Aufnahme von ethnologischen Objekten freizugeben. 46 Die feierliche Eröffnung des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin fand dann ein Jahr später am 18. Dezember 1886 statt. 47 Während des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wuchsen die Sammlungen unter Adolf Bastian, dem Gründungsdirektor des Museums, in einem bis dahin unbekannten Ausmaß an. Von ihm ist folgender Ausruf überliefert: Der letzte Augenblick ist gekommen, die zwölfte Stunde ist da! Dokumente von unermesslichem Wert für die Menschheitsgeschichte gehen zugrunde. Rettet! rettet! Ehe es zu spät ist. 48 Mittlerweile wird der Bestand des Museums auf ca Objekte geschätzt 49 und ist in die Sammlungen Afrikas, Nordafrikas, West- und Zentralasiens, der Amerikanischen Archäologie, der Amerikanischen Ethnologie, Süd- und Südostasiens, Nord- und Nordostasiens, der Südsee und Australiens sowie in die der Musikethnologie unterteilt. Weit weg von ihren Ursprungsländern und von den Menschen, die diese Objekte hergestellt, genutzt oder spirituell verehrt haben, wird nachfolgend erörtert, ab wann und unter welchen Umständen Indigene nach Europa und im Besonderen nach Berlin kamen, um in Kontakt mit den Objekten ihrer Kulturen zu treten. Unweigerlich stößt man dabei zum Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts auf die Völkerschauen, deren Initiator der deutsche Tierhändler, Völkerschauausrichter und Zoodirektor Carl Hagenbeck war. Zu diesen Veranstaltungen wurden Vertreter von Indigenen unfreiwillig nach Europa und auch nach Berlin in den dortigen Zoo gebracht. Sie waren VDR 109

111 Indigene Perspektiven als menschliche Wesen selbst Teil von Sammlungen, denn sie wurden gleich Schauobjekten einer breiten Bevölkerung in abgegrenzten Arealen präsentiert. Inwieweit das damalige Königliche Museum für Völkerkunde diese Shows zusätzlich mit ethnologischen Objekten ergänzte, bleibt unbeantwortet. Unumstritten stellen die Völkerschauen das traurigste Kapitel in der Geschichte der Ethnologie dar. 50 Ähnlich verhielt es sich mit Menschen, die ebenso unfreiwillig im Rahmen kolonialer Schauen während groß angelegter Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert nach Europa kamen. In Berlin wurde dafür im Jahr 1896 eine Gewerbe-Ausstellung in Berlin- Treptow erbaut, für die über 100 Statisten, vornehmlich aus den ehemaligen deutschen Kolonien Südwest- und Ostafrikas, nach Berlin gebracht wurden. 51 Ein weiterer Abschnitt in der Geschichte öffnete sich während des Ersten Weltkrieges mit gefangen genommenen Soldaten aus Asien, Afrika und Osteuropa. Nahe Berlin entstanden zwischen Wünsdorf und Zossen zwei Sonderlager, in welche diese als Kriegsgefangene interniert wurden. 52 Dort unterzog man sie ethnologischen und anthropologischen Untersuchungen, fotografierte sie, ließ sie landestypische Tänze aufführen, zeichnete ihre Gesänge auf und nutzte sie wegen ihres exotischen Aussehens sogar als Statisten für Spielfilme. 53 Zwar fuhren Ethnologen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges über viele Jahrzehnte kontinuierlich zu Feldforschungen in außereuropäische Länder, aber es sollten noch viele Jahre vergehen, bis Indigene vor Ort in Berlin entgegen ihrer Nutzung als exotische Objekte im ausgehenden 19. Jahrhundert Zugang zu den Zeugnissen ihrer eigenen Kulturen erhielten. Allein die historischen Umstände des nachfolgenden Zweiten Weltkrieges, die daraus folgende Teilung beider deutscher Staaten sowie der Bau der Mauer in Berlin im Jahr 1961 machten ein Zusammentreffen von Indigenen und ihren Objekten im mittlerweile umbenannten Museum für Völkerkunde der Staatlichen Museen zu Berlin unmöglich. Durch einen kriegsbedingten Schaden wurde das Gebäude in der Königgrätzer Straße eingerissen und das Museum erhielt ab dem Jahr 1964 in Berlin-Dahlem einen neuen Standort. Erst zwei Jahre nach dem Fall der Mauer kam es dort im Jahr 1991 zu ersten Kontakten von Indigenen mit den Sammlungen des Ethnologischen Museums. Angeregt durch eigene Reisen nach Brasilien ermöglichten Wissenschaftlerinnen Vertretern der Tukano, einem Volk aus Amazonien in Brasilien sowie aus Ost-Kolumbien, den Besuch in der Sammlung der Amerikanischen Ethnologie. Weitere Besuche, auch von Vertretern der Ureinwohner aus Nordamerika und Kanada, folgten, wobei diese Treffen weniger auf Augenhöhe stattfanden, sondern von den damaligen Wissenschaftlern eher als eine Entwicklungshilfe im Bereich der Kultur angesehen wurden. 54 Ein tatsächlicher Austausch von Wissen über Sammlungsgegenstände fand erstmalig im September 1997 statt, als eine Delegation von Eskimo, den Yup ik aus Alaska, für drei Wochen über 2000 Objekte ihrer Vorfahren aus der Sammlung Adrian Jacobsen in der Amerikanischen Ethnologie sichteten. Sie ergänzten das Wissen der Ethnologen durch wertvolle Informationen und ließen dadurch die Gegenstände lebendig werden. Vier Frauen und Männer waren ExpertInnen sowie Lehrende und teilten ihr Wissen mit westlichen WissenschaftlerInnen. Der Begriff der Feldforschung hatte sich durch diesen Besuch komplett gewandelt (Abb. 1). 55 Das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin blickt mittlerweile auf eine 20-jährige Geschichte im Kontakt mit Vertretern der unterschiedlichsten Herkunftsgesellschaften außereuropäischer Kulturen zurück. Ihr Erbe wird in den Magazinen des Museums aufbewahrt und im Rahmen von Ausstellungen einem breiten Publikum präsentiert. Bis in die jüngste Geschichte des Museums waren Indigene selbst weder inhaltlich noch formal an Aspekten der Aufbewahrung oder an der Präsentation ihrer Kulturgüter beteiligt. Beginnend mit dem Humboldt Lab Dahlem zeichnete sich hier eine deutliche Veränderung ab. 56 Das Projekt Wissen teilen innerhalb des Humboldt Lab Dahlem startete dafür ab dem 5 Primärmaterial gefärbt mit Curcuma und ungefärbt 6 Mikroskopische Aufnahme der Pflanzenfaser Cumare 110 VDR

112 Indigene Perspektiven 7 Armband V B Detail des Armbandes V B 758 gefertigt aus Yoo Jahr 2014 unter der Leitung von Dr. Andrea Scholz und MitarbeiterInnen des Museums eine einzigartige Kooperation mit Studierenden der Universidad Nacional Experimental Indígena del Tauca im venezolanischen Amazonasgebiet. Durch den Aufbau einer gemeinsamen interaktiven Webplattform mit personenbezogenem Zugang konnte das Wissen um ethnologische Objekte der Region gebündelt, ausgetauscht und auf beiden Seiten erweitert werden. 57 Ausgehend von diesem Projekt kamen im Juli 2017 drei Vertreter der Ye kwana 58 in die Sammlung der Amerikanischen Ethnologie. Ihr Besuch stellte gleichsam die Fortsetzung und Vertiefung des Aufenthalts der Yup ik von vor genau zwanzig Jahren dar. Auch jetzt waren die MuseumsmitarbeiterInnen Hörende und Lernende (Abb. 2). Die Informationen von Emjayuni Torres, einem Mitglied der Delegation der Ye kwana, hatten anders als bei dem Aufenthalt der Yup ik direkte, praktische Konsequenzen für die Aufbewahrung von Sammlungsgegenständen. Man fand innerhalb der Sammlung wichtige Objekte eines Schamanen an unterschiedlichen, aus dem Zusammenhang gerissenen Orten aufbewahrt. Für die MuseumsmitarbeiterInnen entstand ein klarer Auftrag zum Handeln. Ein Handgriff für eine Schamanenrassel und eine einzelne, ebenfalls von einem Handgriff stammende Holzfigur wurden in einem Behältnis mit einem Text zusammengeführt, entsprechend gekennzeichnet und gemeinsam an einem neudefinierten Standort eingearbeitet (Abb. 3). Da es sich um sakrale Objekte handelt, sollen sie ihrer einstigen Funktion entsprechend nur noch von Schamanen berührt werden. Aus diesem Grund ist diese wichtige Information zu den Objekten auf dem geschlossenen Karton angebracht, welcher fotografiert und als Standardfoto in die Datenbank MuseumPlus eingepflegt wurde. Ein Ausstellen dieser Objekte ist zukünftig möglich, wenngleich es an bestimmte Bedingungen, nämlich das ausschließliche Handling durch einen Schamanen, gebunden ist. Dank einer Finanzierung durch die Volkswagen Stiftung in der Förderlinie Forschung im Museum und durch die Kulturstiftung des Bundes konnte das Folgeprojekt Lebende Dinge in Amazonien und im Museum Geteiltes Wissen im Humboldt Forum, ebenfalls geleitet von Frau Dr. Andrea Scholz, im Ethnologischen Museum installiert werden. Darin erforschen RestauratorInnen gemeinsam mit VertreterInnen indigener Bildungsinstitutionen und Organisationen aus Venezuela, Brasilien und Kolumbien Objekte und Zeugnisse immaterieller Kulturen aus dem Gebiet des Rio Negro sowie aus Guyana. 59 Im Rahmen eines großangelegten Midterm-Symposiums 60 sowie zweier Workshops in 2018 waren auch Diana Guzmán und Orlando Villegas anwesend. 61 Bereits bei ihrem ersten Besuch in der Sammlung im Jahr 2014 erklärten sie den MuseumsmitarbeiterInnen, dass die Objekte ihrer Vorfahren, die im Ethnologischen Museum aufbewahrt werden, in ihrem Glauben und in ihrer Vorstellung Teile ihres Körpers sind. Die Nähe zu den Objekten bedeutet folglich, in unmittelbarer Nä VDR 111

113 Indigene Perspektiven he zu ihren Ahnen zu sein. Gefühle von Verlust, Trauer, aber auch von wachsender Stärke als Indigene im Anblick und im Kontakt mit ihren Objekten gewährten einen tiefen Einblick in die Seele der Menschen und ihren Bezug zu den Objekten. 62 Vier Jahre später, während einer der Workshops im Oktober 2018, geriet die Identifizierung von Pflanzenfasern an Objekten vom Rio Negro in das Interesse der MuseumsmitarbeiterInnen. Es handelte sich im Einzelnen um Schnüre und Bindungen an Tanzgürteln sowie um das Primärmaterial zur Herstellung von Armbändern (Abb. 4) und (Abb. 5). Für beide Objektgruppen war als Material Baumwolle in der museumseigenen Datenbank MuseumPlus verzeichnet. Das Wissen von Diana Guzmán sowie mikroskopische Untersuchungen von Ines Scholz 63 zu Materialproben eines Tanzgürtels zeigten, dass es sich bei beiden Objektgruppen um Pflanzenfasern handelte. 64 Der Tanzgürtel war vermutlich aus der Palmfaser Cumare (Astrocaryum chambira) (Abb. 6) und die Armbänder aus Fasern der Pflanze Yoo (Ananas erectifolius) hergestellt worden (Abb. 7, 8). Diese Beispiele zeigen, wie das Wissen über Sammlungsobjekte im Ethnologischen Museum auf praktische Weise erweitert wurde und dadurch beide Seiten profitieren. Die einzelnen indigenen TeilnehmerInnen waren sehr daran interessiert, die MuseumsmitarbeiterInnen mit den Primärmaterialien und ihren unterschiedlichen Namen vertraut zu machen. Dies galt insbesondere für den Herstellungsprozess bestimmter Objektgruppen wie Kniebänder oder auch Tanzgürtel. Für die MitarbeiterInnen im Museum war die Identifizierung von Pflanzenfasern Anlass, die Einträge von diesbezüglichen Objekten in der Datenbank aufzurufen und die Materialbezüge entsprechend zu korrigieren. Für zukünftige Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen sind diese Informationen von grundlegender Bedeutung, da bei anstehenden Konservierungsmaßnahmen gemeinsam mit VertreterInnen der Herkunftsgesellschaft entschieden werden kann, ob Primärmaterialien bei der Restaurierung eingesetzt werden. Die Erarbeitung und Umsetzung von kulturellen Protokollen können unter anderem die Umlagerung bestimmter Objektgruppen beinhalten. Dazu würden speziell solche Objekte zählen, die innerhalb einer Sammlung aufgrund ihrer kulturellen Gegebenheiten einen besonderen Schutz benötigen. Gleichzeitig entsteht dadurch ein respektvoller Umgang mit den Wünschen der Nachfahren und ihren kulturellen Objekten. Schlussbetrachtung Die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften spielt für Museen im 21. Jahrhundert eine zentrale Bedeutung und spiegelt sich in allen Bereichen der Museumsforschung inklusive der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften wider. Die Auseinandersetzung mit der eigenen institutionellen Geschichte, dem früheren Umgang und der heutigen Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften kann dabei helfen, aktuelle Projekte besser einzuordnen und Veränderungen verstehen zu lernen. Indem Museumsfachleute, die Sammlungen mit Kulturgütern von Indigenen betreuen, anerkennen, dass Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Interessensvertretern bestehen, können sie ihre Arbeit zur Unterstützung und Stärkung der Interessen der Herkunftsgesellschaften nutzen. Mit dem Beispiel des Ethnologischen Museums wurde gezeigt, wie weit die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften zurückreicht und wie sich die Beziehungsgeflechte im Laufe der Zeit verändert haben. Es wurde deutlich, dass neue Impulse in der Sammlungsaufbewahrung durch die Zusammenarbeit mit deren Vertretern und RestauratorInnen gesetzt werden können und gemeinsame Diskussionen um die Erforschung der Sammlung eine Bereicherung darstellen. Jedoch wurde auch deutlich, dass trotz regelmäßiger Kontakte zwischen indigenen Gemeinschaften und dem Ethnologischen Museum noch keine gezielte Kontinuität in der Zusammenarbeit existiert. Aufgrund der bisher vereinzelten praktischen Erfahrungen konnten sich noch keine grundlegendenden Strukturen entwickeln, die eine Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften zum Regelfall erheben würden. Dies darf aber nicht als Einschränkung gesehen werden, sondern als Chance, von den neuen Erfahrungen zu lernen und von den Kenntnissen bereits erfahrener Institutionen im In- und Ausland zu profitieren. Kollaborationsprojekte in Herkunftsländern wie den USA haben eine ganz andere Basis und sind stark von den übergeordneten politischen Debatten geprägt. Doch auch ohne die notwenigen kulturellen Diskussionen, die teilweise in diesem Artikel besprochen wurden, gänzlich zu durchdringen, können Erfahrungen und Arbeitsweisen von anderen Institutionen genutzt werden, um einen Einstieg in die Debatte zu finden. Die Dokumentationen der Zusammenarbeit und Beziehungsbildung bieten eine attraktive Möglichkeit, sich aktiv an der Prozessentwicklung zu beteiligen. Der Workflow zur Dokumentation von Kollaborationsprojekten 65, der am National Museum of the American Indian in Washington, D. C. erarbeitet wurde, kann beispielsweise als Gerüst dienen, mit dessen Hilfe sich RestauratorInnen dieser Thematik nähern können. In diesem werden vier Bausteine beschrieben: die Medienproduktion (Dokumentationserstellung), das Medienmanagement (Datenverwaltung), die Medien-Postproduktion (Konvertieren, Umbenennung, Metadaten) und die Archivierung. Entscheidungen, die aus solchen Partnerschaften resultieren, können über diese strukturierte Form besser nachvollzogen werden und helfen dabei, nachhaltig an diese Begegnungen anzuknüpfen. Die Dokumentation hat einen sehr beträchtlichen Teil in der Konservierungspraxis gewonnen und Zustandsberichte sind mittlerweile Teil davon. RestauratorInnen sind erfahren im Erstellen ausführlicher Prozessdokumentation, sodass eine Erweiterung ihres Tätigkeitsbereiches hinsichtlich der Dokumentation von Kollaborationsprojekten ein lohnendes Ziel darstellt. 112 VDR

114 Indigene Perspektiven Gerade für die Berufsgruppe der RestauratorInnen ist es wichtig, ihre Rolle in einem kollaborativen Arbeitsprozess zu definieren, um eine bestmögliche Bewahrung des kulturellen Erbes sicherzustellen. Wie das Projekt Lebende Dinge in Amazonien und im Museum Geteiltes Wissen im Humboldt Forum gezeigt hat, wurde der Entscheidungsprozess über die Untersuchungsschwerpunkte durch die Herkunftsgesellschaften gesteuert. Die Expertise der RestauratorInnen trug wesentlich dazu bei, Materialien zu identifizieren und präventive Konservierungsmaßnahmen nach entsprechenden Vorgaben der Projektpartner zu konzipieren und durchzuführen. Der Dialog konzentrierte sich dabei auf vertraute materielle Aspekte der Sammlungen, wie z. B. Herstellungsverfahren und verwendete Materialien, schloss aber auch die immateriellen Aspekte ein, inklusive der kontextuellen Informationen zur Verwendung, der Bedeutung und der damit verbundenen persönlichen Geschichten der Dialogbeteiligten. Die Bedeutung von Pflanzenfasern und ihre integrierende Funktion in der materiellen Kultur indigener Gruppen aus dem Tiefland des Amazonas wird bereits in naher Zukunft konzeptuell in die Ausstellungen im zukünftigen Humboldt Forum einfließen. Innerhalb des Bereiches, der sich Amazonien widmet, wird eine Vitrine als Blickfenster den Ursprung von Pflanzen aus der Region sowie ihre Bedeutung und die Verbindung von Objekten und den Territorien sämtlicher indigener Gruppen des südamerikanischen Tieflandes darstellen. 66 Die Einbeziehung indigenen Wissens bedarf einer veränderten Arbeitsweise in der Konservierungs- und Restaurierungspraxis zugunsten der Bedürfnisse der Herkunftsgesellschaften. Komplexe Fragestellungen erfordern einen ausgewei teten Dialog und die Erarbeitung von kreativen Lösungsansätzen. Um eine Veränderung der Gesprächsthemen und ihrer Relevanz zu erzielen, erfordert es den Ausdruck verschiedener Sichtweisen, die sich nur basierend auf einer vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre entwickeln können. Einmalige Treffen sind in der Regel keine ausreichende Basis für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit. Der Aufbau von langfristigen Beziehungen auf Augenhöhe ist hierbei die Grundlage einer engen und gleichberechtigten Partnerschaft. Hierzu gehören die kooperative Planung, Definition von Ergebnissen und Rollen der einzelnen Beteiligten, transparente Haushaltsdiskussionen und eine klare Struktur für die gemeinschaftliche Kommunikation. 67 Die gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Museen und anderen Kultureinrichtungen mit den Herkunftsgesellschaften der Sammlungen, ist eine Teamaufgabe und kann nicht allein von einer Interessens- oder Berufsgruppe geleitet werden. Die Definitionen für die Erforschung, Aufbewahrung und den Erhalt des Kulturerbes in ethnologischen Sammlungen werden zukünftig durch die Integration von indigenen Stimmen und Sichtweisen grundlegend erweitert. Für RestauratorInnen in Deutschland eröffnet sich hier mit ihrer länderspezifischen Sicht ein breites Arbeitsfeld. Dipl.-Rest. Diana Gabler Anthropology Division American Museum of Natural History Central Park West at 79th Street New York, NY Dipl.-Rest. (FH), FIIC, Helene Tello Sammlung Amerikanische Ethnologie Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Arnimallee Berlin Anmerkungen 1 Der Text verwendet die verallgemeinerten Begriffe indigene oder außereuropäische Gemeinschaften, Herkunftsgesellschaften, Ureinwohner, Nachfahren, Indigene oder auch indigene Völker, die sich auf weltweite Bevölkerungsgruppen beziehen, die ursprünglichen Einwohner eines Landes oder Ortes, mit einer langen Kulturgeschichte und mit bestimmten geografischen Gebieten verbunden. Die bevorzugte Bezeichnung einer Gruppe ist immer die spezifische Selbstbezeichnung der Bevölkerung. Allgemein gebräuchlich sind auch die englischen Begriffe wie Source Communities, Natives, oder Indigenous peoples. 2 PHILLIPS 2005, S HAUSER-SCHÄUBLIN 2018, S NICKS 2003, S SULLY 2007, S. 30; ATALAY 2006, S UN 2007, S. 5; Artikel 11 und 12 7 DEPARTMENT OF THE INTERIOR GRAHAM/MURPHY BLOCH 2019; HÄNTZSCHEL 2018; KUHN 2019; STARZMANN FÖRSTER ET. AL MÜHLENBEHREND ET.AL Provenienzforschung zu ethnologischen Sammlungen der Kolonialzeit/ Provenance research in ethnographic collections of colonial times, , Museum Fünf Kontinente München, URL: ( ) Sensitive Heritage: Ethnographic Museums and Material / Immaterial Restitutions, , Grassi Museum Leipzig, URL: stadtgeselle.files.wordpress.com/2018/11/sensitive-heritage-international-conference-grassi-museum-leipzig pdf ( ) 13 BRANDSTETTER/HIERHOLZER 2017; DEUTSCHER MUSEUMSBUND AUGUSTAT/KAPFHAMMER DE LA TORRE 2013, S ZIMMERMAN 2010, S. 26; DE LA TORRE 2013, S DE LA TORRE 2013, S PYE/SULLY 2007, S DE LA TORRE 2013, S BRANDSTETTER/HIERHOLZER 2017; DEUTSCHER MUSEUMSBUND 2018; VDR ICOM ICOM 2010, S VDR 2017, S. 2; ICOM 2010; E.C.C.O 2002 und Für diesen Artikel wurden für den deutschen Raum relevante Leitlinien zu Rate gezogen. International bekannte Leitlinien, die in der zitierten Literatur genannt wurden, sind unter anderem: AIC Code of Ethics and Guidelines for Practice (American Institute for conservation), AICCM Code of Ethics and Code of Practice (Australian Institute for Conservation of Cultural Material), ICON s Professional Standard (The Institute of Conservation). 24 SULLY 2007, S VDR 113

115 Indigene Perspektiven 25 WHARTON 2005, S E.C.C.O. 2002, S DE LA TORRE 2013, S EASTOP 2006, S WHARTON 2005, S WROGEMANN 2012, S. 331; SULLY 2007, S SOARES/LESHCHENKO 2018, S CLAVIR 2002, S EASTOP 2006, S SULLY 2007, S. 31; VDR 2017; E.C.C.O E.C.C.O. 2002, S MUÑOZ VIÑAS 2002, S WHARTON 2005, S NICKS 2003, S REIN 2006, S EASTOP 2006, S PYE/SULLY JONES/ YARROW 2013, S CLIFFORD 1997, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S. 6 8; HAAS 2004, S. 16; BOLZ 2003, S ; BOLZ 2007, S LEDEBUR 1869, S ANONYMUS 1885, 2 Seiten, je 1 Spalte, ohne Paginierung; BASTIAN 1885, 1 Seite, ohne Paginierung 47 HAAS 2004, S FISCHER et al. 2007, S KÖNIG 2007, S THODE-ARORA 1989; HEYDEN, VAN DER/ZELLER 2002; WOLTER STEINMETZ 2017, KAHLEYSS 1998, S KAHLEYSS 1998, S ; ZIEGLER 2006, S Freundliche mündliche Mitteilung von Herrn Dr. Richard Haas vom 31. Januar FIENUP-RIODRAN 2005, S Das Projekt Humboldt Lab Dahlem hatte eine Dauer von vier Jahren und wurde in der Zeit von 2012 bis 2015 im Ethnologischen Museum Berlin durchgeführt. Dieses Projekt der Kulturstiftung des Bundes und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte zum Ziel, die Museumsausstellungen im zukünftigen Humboldt Forum in Berlin-Mitte im Sinne einer experimentellen Probebühne vorzubereiten. 57 Wissen teilen/projektbeschreibung: projektarchiv/probebuehne-7/wissen-teilen/projektbeschreibung/index.html (zuletzt aufgerufen am ) 58 Die Ye kwana leben im tropischen Regenwald nahe den Flüssen Orinoco und Río Caura im Grenzgebiet von Venezuela und Brasilien. 59 Der Fluss Rio Negro beginnt im Bergland von Guyana in Kolumbien und fließt unterhalb von Manaus in den Amazonas. Der Staat Guyana grenzt südlich an Brasilien, westlich an Venezuela und östlich an Suriname. 60 Lebendige Dinge in Amazonien und im Museum Geteiltes Wissen im Humboldt Forum. Programm des Midterm-Symposiums vom Oktober Diana Guzmán und Orlando Villegas arbeiten als Lehrer an der Escuela Normal Superior Indigena Maria Reina, einer Partnerinstitution in Kolumbien, Mitú, der Hauptstadt des Bundesstaates Vaupés. 62 KRAUS et al. 2018, S. 19, Ines Scholz, Dipl. Kons./Rest. (FH) arbeitet für das Projekt Humboldt Forum als Textilrestauratorin am Ethnologischen Museum. 64 Die Analyse der Fasern erfolgte durch Probenpräparation mittels Pinzette auf Objektträger als Frischpräparat. Das Einschlussmittel war Wasser. Die Untersuchung der Morphologie der Fasern (Längsansichten) erfolgte durchlichtmikroskopisch. Als Mikroskop diente ein Gerät von Leica DM 2700 M, die Aufnahmen wurden mit der Leica EC 4 Digitalkamera angefertigt. 65 GABLER OLIVEIRA Die 2017 vom Indian Arts Research Center der School for Advanced Research veröffentlichten Richtlinien Museum + Community: Guidelines for Collaboration (ENOTE ET. AL. 2017) und Community + Museum: Guidelines for Collaboration (ENOTE ET. AL. 2016) bieten sowohl für Museen als auch indigenen Gemeinschaften hilfreiche Informationen für die Zusammenarbeit von Herkunftsgesellschaften mit Kultureinrichtungen sowie zum Aufbau von vertrauensvollen und langfristigen Beziehungen. Literatur ANONYMUS 1885: Staatliche Museen Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, I/MV 0053, I c, Vol. 1, E. Nr. 105/85. Acta betreffend den Umzug und die Aufstellung der Sammlungen des Museums. Loseblattsammlung. Bericht vom über die Unterbringung von Sammlungsgut des Königlichen Museums für Völkerkunde vor Bezug in das neue Gebäude in der Königsgrätzer Straße, 2 Seiten, je 1 Spalte, ohne Paginierung ATALAY 2006: Sonya Atalay, Indigenous archaeology as decolonizing practice. In: American Indian Quarterly, Vol. 30 (3/4) 2006, S AUGUSTAT/KAPFHAMMER 2017: Claudia Augustat und Wolfgang Kapfhammer, Looking back ahead: a short history of collaborative work with indigenous source communities at the Weltmuseum Wien. In: Boletim do Museu Paraense Emílio Goeldi. Ciências Humanas, 12(3), 2017, S BASTIAN 1885: Staatliche Museen Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, I/MV 0053, I c, Vol. 1, E. Nr. 112/85. Acta betreffend den Umzug und die Aufstellung der Sammlungen des Museums. Loseblattsammlung. Adolf Bastian, Brief vom , 1 Seite, ohne Paginierung. BOLZ 2003: Peter Bolz, Ethnologisches Museum: Neuer Name mit traditionellen Wurzeln. Die Umbenennung des Berliner Museums für Völkerkunde. In: Baessler-Archiv. zur Völkerkunde ausgegeben am 25. Februar 2003 (Sonderdruck aus Band 49, 2001), S BOLZ 2007: Peter Bolz, From Ethnographic Curiosities to the Royal Museum of Ethnology. Early Ethnological Collections in Berlin. 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116 Indigene Perspektiven netseite School for Advanced Research, 2016, URL: guidelinesforcollaboration/pdf/community-plus-museum-guidelines.pdf ( ) ENOTE ET. AL. 2017: Jim Enote, Cynthia Chavez Lamar, Landis Smith, Brian Vallo, Museum + Community: Guidelines for Collaboration. In: Internetseite School for Advanced Research, 2017, URL: guidelinesforcollaboration/pdf/museum-community-guidelines.pdf ( ) FIENUP-RIODRAN 2005: Ann Fienup-Riodran, Yup ik Elders at the Ethnologisches Museum Berlin. Fieldwork turned on its head. University of Washington Press, Seattle 2005 FISCHER ET AL. 2007: Manuela Fischer, Peter Bolz and Susan Kamel (Hrsg.), Adolf Bastian and His Universal Archive of Humanity: The Origins of German Anthropology. Georg Olms Verlag, Hildesheim 2007 FÖRSTER ET. AL. 2018: Larissa Förster, Iris Edenheiser, Sarah Fründt, Heike Hartmann (Hrsg.), Provenienzforschung zu ethnografischen Sammlungen der Kolonialzeit. Positionen in der aktuellen Debatte. 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Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde, Neue Folge 66, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, UNZE Verlagsgesellschaft mbh, Potsdam 1998 KÖNIG 2007: Viola König, Leitbild des Ethnologischen Museums Berlin vom Unveröffentlichtes Manifest des Ethnologischen Museums, Berlin 2007 KRAUS ET AL. 2018: Michael Kraus, Ernst Halbmayer, Ingird Kummels (Hrsg.), English translation from: Objetos como testigos del contacto cultural. Perspectivas interculturales de la historia y del presente de las poblaciones indígenas del alto río Negro (Brasil/Colombia). Estudios Indiana, 11. Ibero-Amerikanisches Institut / Bgebr. Mann Verlag, Berlin 2018, S KUHN 2019: Nicola Kuhn, Europa ist auf einem Auge blind. In: Internetseite Der Tagesspiegel, , URL: ( ) LEDEBUR 1869: Leopold von Ledebur, Aus der Ethnologischen Sammlung des Königlichen Museums zu Berlin. 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In: The Canadian Historical Review, 86(1), 2005, S PYE/SULLY 2007: Elisabeth Pye und Dean Sully, Evolving challenges, developing skills. In: The Conservator, 30(1), 2007 S REIN 2006: Anette Rein, Museen als Orte des Kulturgüterschutzes. In: AKMBnews, 12(2), 2006, S , URL: artdok/658/1/rein.pdf ( ) SOARES/LESHCHENKO 2018: Bruno Brulon Soares und Anna Leshchenko, Museology in Colonial Contexts A all for Decolonisation of Museum Theory. In: ICOFOM Study Series, (46), 2018, S , URL: ( ) STARZMANN 2018: Paul Starzmann, Macrons Kulturpolitik bringt Berlin in Erklärungsnot. In: Internetseite Der Tagesspiegel, , URL: ( ) STEINMETZ 2017: George Steinmetz, Empire in three keys: Forging the imperial imaginary at the 1896 Berlin trade exhibition. In: Thesis 11, 139 (I), 2017, S SULLY 2007: Dean Sully, Colonising and Conservation. 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117 Umzug zum Humboldt Forum Nach 75 Jahren zurück in die Mitte Berlins Über die Einrichtung einer Restaurierungsstraße im Ethnologischen Museum Berlin Matthias Farke, Belinda Blum, Melanie Münchau, Johanna Kapp, Susanne Litty In diesem Beitrag werden die komplexen Aufgaben der Abteilung Restaurierung des Ethnologischen Museums Berlin für das Großprojekt Humboldt Forum zusammengefasst dargestellt. Insbesondere wird auf die Planungen zur Ersteinrichtung der neuen Ausstellungen des Museums im zukünftigen Humboldt Forum innerhalb des wieder aufgebauten Berliner Stadtschlosses eingegangen. Die Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz als zukünftige Nutzer und die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss als Bauherr, vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, haben sich für dieses Projekt in einer neuen Struktur zusammengeschlossen. Die Bearbeitung von ca Objekten für die neuen Ausstellungen war von Anbeginn eine große Herausforderung, da alle damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen in den Räumlichkeiten des Ethnologischen Museums in Dahlem stattfinden mussten. Der Schließung des Museums im Januar 2017 folgte sukzessive die Beräumung der Ausstellungsflächen und deren Umnutzung als Depots, Zwischenlager, Materiallager, Werkstätten sowie Arbeitsstationen und Arbeitsflächen. Die Entwicklung eines den Erfordernissen entsprechenden Workflows zur Konservierung und Restaurierung der zahlreichen Objekte führte zur baulichen Errichtung einer sogenannten Restaurierungsstraße im Jahr After 75 years back to the centre of Berlin The development of a so-called Restaurierungsstraße in the Ethnological Museum Berlin This article summarizes the complex responsibilities of the conservation department of the Ethnological Museum Berlin regarding the large-scale project Humboldt Forum. In particular, the planning for the museum s new galleries in the future Humboldt Forum within the rebuilt Berlin Palace will be discussed. The National Museums in Berlin - Prussian Cultural Heritage Foundation as future users and the Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss as the owner, represented by the Federal Office for Building and Regional Planning, have joined forces for this venture. From the beginning, the conservation of approximately 10,000 objects for the new exhibitions was a great challenge, since all related measures had to take place within the premises of the Ethnological Museum in Dahlem. The closure of the museum in January 2017 was gradually followed by the de-installation of the previous exhibition spaces and their conversion into collation storages, interim storages, material storages, conservation labs, and other work areas. The development of a workflow corresponding to the requirements for the preservation and conservation of the numerous objects led to the construction of a so-called Restaurierungsstraße in Einleitung Das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin/ Preußischer Kulturbesitz blickt auf eine über 130-jährige, wechselhafte Geschichte zurück. Als Königliches Museum für Völkerkunde wurde es am 18. Dezember 1886 ohne räumliche Trennung von Schausammlungen und Magazinen in der Königgrätzer Straße 120, der jetzigen Stresemannstraße 110, in Berlin-Mitte eröffnet (Abb. 1). 1 Mit dem Ende der deutschen Monarchie trug das Museum ab dem Jahr 1918 den Namen Museum für Völkerkunde der Staatlichen Museen zu Berlin. 2 Nach zahlreichen Diskussionen in den 1990er Jahren über das koloniale Erbe von Völkerkundemuseen wird es seit dem 1. Januar 2000 unter seinem jetzigen Namen geführt. 3 als Magazingebäude für das Ethnologische Museum fertiggestellt werden konnte. Erstmalig wurden dadurch die Schausammlungen von den zu lagernden Objekten getrennt. 4 Der Umzug von Sammlungsgegenständen aus Berlin-Mitte in das neue Magazingebäude nach Berlin-Dahlem begann im Jahr 1923 und erstreckte sich über mehrere Jahre. 5 Nach dem 1 Das Königliche Museum für Völkerkunde in der Königgrätzer Straße in Berlin-Mitte im Jahr 1886 Die intensive Sammeltätigkeit ethnologischer Objekte im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte zur Folge, dass die räumlichen Kapazitäten des Museums in der Königgrätzer Straße bald erschöpft waren. Deshalb beabsichtigte man, die asiatischen Sammlungen auszulagern und sie ab dem Jahr 1914 als Asiatische Museen in einem Neubau in Berlin-Dahlem unterzubringen. Das Ende des Ersten Weltkrieges, fehlende Mittel und die neuen politischen Verhältnisse führten schließlich dazu, dass der begonnene Dahlemer Bau nur notdürftig 116 VDR

118 Umzug zum Humboldt Forum 2 Humboldt Forum (Rendering) Zweiten Weltkrieg wurde das durch einen Bombentreffer schwer beschädigte Museum in der Königgrätzer Straße im Jahr 1961 gesprengt. 6 In dieser Ära des Kalten Krieges erweiterte man den Standort Dahlem um mehrere Bauteile, so dass ab dem 9. Mai 1970 die Ausstellungen sukzessive für Besucher geöffnet werden konnten. 7 Der Fall der Mauer in Berlin im Jahr 1989 hatte rückläufige Besucherzahlen am Standort Berlin-Dahlem zur Folge, da sich viele Besucher Berlins nun auf die Museumsinsel konzentrierten. 8 Eine lebhafte Debatte über Veränderungen innerhalb der kunst- und kulturpolitischen Landschaft im nun wieder vereinten Berlin ließ das EM mit seinen außereuropäischen Sammlungen schnell in den Mittelpunkt der Diskussionen rücken. Zunehmend formte sich der politische Wille, das Museum mit seinen Ausstellungen wieder nach Berlin-Mitte zurückzuholen. 9 Hieraus entwickelte sich das Konzept für ein Humboldt Forum, also einen Ort des Dialogs von Kulturen und Wissenschaften. 10 Im mittlerweile wiederaufgebauten Stadtschloss in Berlin-Mitte wird sich das EM zukünftig mit ca Exponaten in Dauerausstellungen, auf Wechselausstellungsflächen sowie in Schaumagazinen präsentieren. Die Umsetzung dieses Vorhabens ist sowohl logistisch als auch aus konservatorischer und restauratorischer Sicht eine große Herausforderung für die Abteilung der Restaurierung an ihrem Standort in Berlin-Dahlem. Beteiligte Institutionen und Nutzer am Humboldt Forum Das Humboldt Forum ist das derzeit größte Kulturprojekt in Deutschland und eine Herausforderung nicht nur für die Bauschaffenden, sondern auch für die Nutzer. Das Bauwerk wird nach seiner Fertigstellung mit einer Bruttogeschossfläche von rund m² aufwarten. Auf drei Etagen werden dabei rund m² Ausstellungsfläche entstehen. Im Erdgeschoss sind Sonderausstellungsflächen mit rund 1000 m² verortet. Die Staatlichen Museen zu Berlin werden in zwei Geschossen Ausstellungsbereiche belegen. Mit dem finalen Bundestagsbeschluss im Jahre 2007 konnte mit der Planung des Gebäudes begonnen werden. Im Jahre 2012 wurde bereits der Startschuss für den Beginn des Baus gegeben. In einem sehr ambitionierten Bauablauf wird das Gebäude nach nur acht Jahren Bauzeit voraussichtlich im Jahr 2019 fertiggestellt sein. Die Eröffnung des Humboldt Forums startet voraussichtlich Ende 2020 (Abb. 2). Das Bauvorhaben wird unter der Federführung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien errichtet. Die Stiftung Humboldt Forum (SHF) ist Bauherrin und spätere Betreiberin des Gebäudes. Das Bauvorhaben wird vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in der Funktion der Bauherrenvertretung betreut. 11 Eine Ausstellungsfläche von insgesamt m² bildet das Rückgrat des Hauses. Das Land Berlin ist mit einer Ausstellung des Stadtmuseums im 1. Obergeschoss vertreten, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Staatlichen Museen zu Berlin/Preußischer Kulturbesitz nutzen das 2. und 3. Obergeschoss mit ihren Dauer- und Wechselausstellungen. Dabei wird das Ethnologische Museum im 2. und 3. Obergeschoss Ausstellungsflächen von rund m² belegen. Das Museum wird darin ca Objekte ausstellen, die derzeit am Standort in Berlin-Dahlem aufwendig für die neue Präsentation vorbereitet werden. Das Museum für Asiatische Kunst wird im 3. Obergeschoss seine Dauerausstellung auf rund 5500 m² mit ca Objekten einrichten. In Summe werden in den Ausstellungsbereichen der Staatlichen Museen zu Berlin 400 Vitrinen aufgebaut VDR 117

119 Umzug zum Humboldt Forum Im Planungs- und Bauprozess war und ist es Aufgabe der späteren Nutzer, die rechtzeitige und zielgenaue Definition der Anforderungen, die sowohl qualitative- wie auch quantitative Angaben beinhalten, zu benennen. Die Aufgabe besteht in der umfassenden Darstellung aller relevanten Aspekte, die für die Präsentation und Betreuung einer Ausstellung erforderlich sind. Die Definition der Nutzeranforderungen beinhaltete somit konservatorische, gestalterische, sicherheitstechnische und gebäudetechnische Angaben. Zu benennen waren sowohl funktionale Zusammenhänge als auch umfassende inhaltliche, gestalterische und ästhetische Kriterien. Um das Ziel bedarfsgerechter Räume zu erreichen, müssen diese Anforderungen von der ersten Planungsphase bis zur Fertigstellung im Rahmen der Baumaßnahme verfolgt werden. In Abhängigkeit der Planungs- und Ausführungsphasen, sind Angaben in unterschiedlicher Detailtiefe zu erarbeiten. Mit der Entscheidungsvorlage Bau waren Raumbedarfsprogramm und Qualitäten zu benennen, mit Abschluss der Entwurfsunterlage Bau mussten sämtliche Nutzerangaben bekannt sein. Ziel in dieser Planungsphase war die Festlegung des Budgets. In der Realisierungsphase wurden die Anforderungen der Museen gegenüber dem Bauherrn weiter präzisiert. Dazu mussten eine Vielzahl unterschiedliche Beteiligte eingebunden werden RestauratorInnen, KuratorInnen, Fachleute aus den Bereichen Sicherheit, Technik, Vermittlung, Medien, Logistik und Bauplanung. Die Koordination erfolgte durch ein Team von ExpertInnen, das eigens für diese Baumaßnahme zusammengestellt worden war. Die in der Vergangenheit von den Staatlichen Museen zu Berlin erarbeiteten Standards zur Präsentation von musealen Objekten wurden weiterentwickelt und bilden zusammen mit einschlägigen internationalen Normen und Standards im Rahmen dieser Baumaßnahme die Grundlagen der Nutzeranforderungen. Die Abteilung Restaurierung im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin Der Sammlungsbestand des Ethnologischen Museums umfasst ca Objekte 12 und ist in acht Sammlungen nach vornehmlich geografischen Gesichtspunkten aufgeteilt. Im Einzelnen sind dies die Sammlungen Afrikas, Nordafrikas, West- und Zentralasiens, der Amerikanischen Archäologie, der Amerikanischen Ethnologie, Süd- und Südostasiens, Nord- und Nordostasiens, der Südsee und Australiens sowie die Sammlungen der Musikethnologie. Die konservatorische und restauratorische Betreuung folgt, ausgenommen von zwei übergeordneten Stellen für die Textil- und Lederrestaurierung, dieser geografischen Zuordnung und wird von sieben festangestellten RestauratorInnen gewährleistet. Für die Ersteinrichtung des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum konnte diese historisch gewachsene Zuordnung der Restaurierungsbereiche in das Restaurierungsvorhaben weitgehend integriert werden. Beginnend mit dem Jahr 2012 erarbeiteten die SammlungsrestauratorInnen für die in der Einleitung erwähnte Anzahl von Objekten unterschiedliche Konzepte zur Konservierung und Restaurierung. Daraus folgten die Ermittlung der Zahl temporärer Arbeitskräfte, die Einrichtung von Arbeitsplätzen sowie die Anschaffung von Geräten, Hilfsmitteln und Materialien. Eine Sichtung und Prüfung aller von den KuratorInnen ausgewählten Objekte begann in der Abteilung Restaurierung ab dem Jahr Dabei wurden die konservatorischen Vorgaben für eine Präsentation (Lichtempfindlichkeit, Temperatur, relative Luftfeuchte, etc.) festgelegt. Es wurden Restaurierungszeiten eingeschätzt sowie Befestigungen oder Ständerungen für die Exponate benannt. Auch musste be rücksichtigt werden, dass die zu bearbeitenden Objekte ungeheure Dimensionsunterschiede aufweisen. Kleinstobjekte wie eine Goldperle aus Mexiko, müssen gleichermaßen restauriert, verpackt und bewegt werden wie auch Südseeboote, die eine Länge von über 14 Metern aufweisen. 13 Alle relevanten Informationen wurden in die museumseigene Datenbank MuseumPlus eingepflegt. Bereits an dieser Stelle zeigte sich deutlich, dass sowohl KuratorInnen wie auch RestauratorInnen ein hohes Maß an Flexibilität aufbringen müssen, wenn sich die Objektauswahl ändert oder konservatorische Vorgaben die Präsentation nicht zulassen. Die vorhandenen Restaurierungswerkstätten, welche sich vereinzelt in mehreren Gebäudeteilen in Dahlem befinden, 3 Plan der Restaurierungsstraße 118 VDR

120 Umzug zum Humboldt Forum 4 Ethnologisches Museum im Museumskomplex Berlin-Dahlem und Umnutzung der Flächen VDR 119

121 Umzug zum Humboldt Forum boten bauphysikalisch gesehen keine Möglichkeiten, rationelle Arbeitsweisen für einen einheitlichen Workflow zu entwickeln. Darüber hinaus fehlte es dort mitunter an technischen Ausrüstungen, wodurch Objekte nach heutigen konservierungswissenschaftlichen Standards nicht bearbeitet werden könnten. Die bereits im Jahr 2003 festgestellte Kontamination durch ehemals eingebrachte Alt-Biozide erschwerte die Planungen erheblich. 14 Durch das sogenannte Minimierungsgebot 15 ist es erforderlich, primär und in einem standardisierten Verfahren aufliegende, kontaminierte Stäube von sämtlichen Objektoberflächen vor einer weiteren Behandlung zu entfernen. Dazu fehlten anfangs entsprechende Räumlichkeiten, eine geeignete Schleuse zum Wechseln der persönlichen Schutzkleidung sowie ausgewiesene Schwarz- Weiß-Bereiche 16. Die Umnutzung vieler Ausstellungsflächen, die mit der Schließung des Museums zu Beginn des Jahres 2017 zur Verfügung standen, boten an dieser Stelle baulich die Möglichkeiten, einen Workflow zur Konservierung und Restaurierung der für das Humboldt Forum vorgesehenen Objekte installieren zu können. Es war dies der Beginn zur Errichtung einer sogenannten Restaurierungsstraße (Abb. 3). Logistik zur Restaurierung der Objekte Die Dauerausstellungen des Ethnologischen Museums wurden seit seiner Schließung nach und nach beräumt. Die darin ausgestellten Stücke verbrachte man teils an ihre ehemaligen Standorte in die bestehenden Depots oder sie wurden aus Platzmangel in den ehemaligen Ausstellungsflächen in temporären Zwischenlagern neu gruppiert. Fast alle ehemaligen Ausstellungsräume des Museums sind inzwischen in Depotflächen, temporäre Zwischenlager für ausgewählte Objekte, Materiallager, Werkstätten, Arbeitsstationen, Arbeitsflächen für die Vorbereitung sowie in Arbeitsbereiche für externe Dienstleister wie Art Handler und Kunstpacker umgewandelt worden (Abb. 4). Die temporären Depotflächen zur Zwischenlagerung von Objekten für das Humboldt Forum erhielten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung rund 200 staubdichte, pulverbeschichtete Stahlschränke. Sie bieten ein Lagervolumen von ca. 460 m³ im Obergeschoss und 40 m³ im Erdgeschoss des Museums. Diese Lagerkapazität wurde von den Staatlichen Museen zu Berlin zusätzlich durch 40 Schränke ergänzt, wodurch das Lagervolumen von 20 m³ im Obergeschoss und um 60 m³ im Erdgeschoss auf insgesamt 580 m³ erhöht werden konnte (Abb. 5). Mittel- bis Großformate werden in einer Temporären Bootshalle, die mit Schwerlast- sowie mit Weitspannregalen bestückt wurde, untergebracht (Abb. 6). In der museumseigenen Datenbank MuseumPlus werden in den jeweiligen Modulen sämtliche kuratorischen und restauratorischen Planungsvorgaben eingetragen. Sie bilden die Datengrundlage für die Objektlogistik und für die Auftragsvergabe an externe Dienstleister wie Art Handler oder Speditionen. Die Dokumentation der Objektbewegungen während der umzugsvorbereitenden Maßnahmen wird in der Standortverwaltung von MuseumPlus durch eine Barcode- App unterstützt. Durch Einscannen der QR-Codes 17 der Objektlabel und der Strichcodes der mobilen und immobilen Standorte, wie z. B. Schränke, Regale, Fachebenen oder Verpackungseinheiten, wird jede Umlagerung und jeder temporäre Standort festgehalten. Die App läuft offline auf Tablets, welche die erfassten Standortdaten mit der Datenbank über eine LAN- oder eine W-LAN-Verbindung synchronisiert. Die Einträge werden nicht überschrieben, sondern chronologisch geordnet, wodurch aktuelle Standorte einsehbar sind und die Standorthistorie erhalten bleibt. Bei allen Bewegungen und Transporten liegt die oberste Priorität auf den Objekten für das Forum und deren Bereitstellung für die umzugsvorbereitenden Maßnahmen. Dennoch muss auch immer wieder Sammlungsgut umgelagert werden, welches im alten Museum verbleibt. Die nicht zu vermeidenden Objektbewegungen werden in enger Abstimmung von DepotverwalterInnen und RestauratorInnen auf ein Minimum reduziert. Die Lagerorte sind abhängig von Objekt-Formaten und einer evtl. weiteren Zugänglichkeit für externe Dienstleister zum Bau von Ständern oder Halterungen. Auch konservatorische Gesichtspunkte wie das Verschleppen von Schadorganismen durch Stücke aus organischen Materialien müssen berücksichtig werden. Dafür werden diese präventiv vor dem Umzug entwest. In die Logistik einbezogen wurde auch die Trockenreinigung ganzer Sammlungskonvolute. Während solcher konzentrierter Absaugeinsätze arbeiten Teams von RestauratorInnen schichtweise mit einem weiteren Team, welches die Bereitstellung und Rückräumung der gereinigten Objekte übernimmt. Sensible Stücke mit fragilen Oberflächen werden dabei individuell bearbeitet. Die Konservierung und Restaurierung der Objekte erfolgt modulartig, wobei sie gemäß ihrer Zugehörigkeit (Dauerausstellung, Wechselausstellung oder Schaumagazin) vorsortiert werden. Nach ihrer Bearbeitung werden sie abermals sortiert zwischengelagert. Regelmäßige Treffen mit KuratorInnen und SammlungsrestauratorInnen sind notwendig, um die vorgesehenen Maßnahmen abzustimmen sowie bei Bedarf Feinabstimmungen vorzunehmen. Die während der Sichtung veranschlagten Restaurierungszeiten entscheiden über die interne oder externe Bearbeitung. Zumeist werden in der Restaurierungsstraße Stücke mit einem Behandlungsbedarf von rechnerisch maximal fünf Stunden bearbeitet. Betrachtet man die Gesamtzahl, so wird der größte Teil von SammlungsrestauratorInnen und von RestauratorInnen innerhalb der Restaurierungsstraße bearbeitet. In die externe Restaurierung werden vorrangig Einzelstücke und spezielle Objektkonvolute 120 VDR

122 Umzug zum Humboldt Forum 5 Humboldt Forum-Zwischenlager mit Schränken, Bauteil 1B, OG 6 Temporäre Bootshalle, Bauteil 1, EG VDR 121

123 Umzug zum Humboldt Forum gegeben, die auf Grund ihrer Größe, ihrer Fragilität sowie ihrer Beschaffenheit die zusätzliche Expertise einschlägig erfahrener und speziell ausgebildeter FachkollegInnen benötigen. Diese Auftragsvergaben an externe Restauratoren tragen wesentlich dazu bei, dass die derzeit 29 Restaurator - I nnen im Ethnologischen Museum entlastet werden und das Gesamtvolumen der Objekte termingerecht bearbeitet werden kann. Installieren eines Workflows in der Restaurierungsstraße Die Vorbereitung und die konservatorische Betreuung der rund für das Humboldt Forum vorgesehenen Objekte orientiert sich an einem dafür konzipierten Workflow. Er zielt darauf ab, die einzelnen Arbeitsabläufe effizient und kompakt vor dem Hintergrund einer möglichst optimalen Nutzung der Räumlichkeiten in den ehemaligen Ausstellungen Mythos Goldenes Dreieck der Sammlung Süd- und Südostasien zu bündeln (Abb. 7). Innerhalb der Abteilung Restaurierung des Ethnologischen Museums wurde das Konzept einer Restaurierungstraße entwickelt und ab April 2018 installiert. Ein wesentlicher Aspekt dieser Planungen bestand deshalb in der Umsetzung dynamischer und flexibel auf die Gegebenheiten der Stücke angepasster Arbeitsplätze, welche durchgängig mobil eingerichtet wurden. Einbezogen in die Konzeptionen und entsprechend umgesetzt wurden auch möglichst kurze Transportwege. Im Ergebnis entstanden vier Arbeitsstationen zur Konservierung und Restaurierung, die jeweils mehreren RestauratorInnen flexible Arbeitsplätze bieten. Weitere Arbeitskomplexe sind in funktionalen Räumen für die Bereiche Fotografie, Dokumentation sowie für die Verpackung untergebracht. Darüber hinaus gibt es zwei gesonderte Räume zur Trockenreinigung. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Aufteilung einzelner aneinanderhängender Arbeitsbereiche konnte der Workflow in der Restaurierungsstraße installiert werden (Abb. 8). Die Umsetzung des Workflows in der Restaurierungsstraße Die in der Restaurierungsstraße konservatorisch zu betreuenden Objekte bilden einen Querschnitt aus allen Sammlungsbereichen des Ethnologischen Museums. Aus restauratorischer Sicht sind dabei nicht nur Sammlungsgegenstände von hoher materialtechnologischer Komplexität und Vielfalt zu berücksichtigen, sondern es ist auch ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der unterschiedlichen Objektdimensionen erforderlich. Häufig handelt es sich um Kompositobjekte aus organischen und anorganischen Materialien. Daneben treten an den klein- bis großformatigen sowie zweiund dreidimensionalen Stücken aber auch synthetische Materialien auf, deren materialtechnologische Identifikation nicht in allen Fällen möglich ist. 7 Blick in die ehemaligen Ausstellungsräume vor dem Umbau zur Restaurierungsstraße 122 VDR

124 Umzug zum Humboldt Forum 8 Blick in die eingerichtete Restaurierungsstraße In einem ersten Schritt erfolgt eine Trockenreinigung, das heißt es werden aufliegende und mit Alt-Bioziden kontaminierte Stäube entfernt. Diese Trockenreinigung findet in den dafür eingerichteten Schwarzräumen statt, die jeweils durch einen Schleusenbereich von der Restaurierungsstraße sowie von ausgewiesenen Weiß -Depotflächen getrennt sind. Das Arbeiten erfolgt dort ausschließlich unter Einhaltung des persönlichen Arbeitsschutzes im Vollschutz. Der Atemschutz besteht dabei aus aktiven Atemschutzgebläsen mit Kombifiltern für Gase, Dämpfe sowie für feste und flüssige Partikel. Auch bei der Planung der Schwarzräume wurden verschiedene Objektgruppen sowie Objektgrößen einbezogen. Große Absaugkabinette sowie Stehkabinette für klein- bis mittelformatige Objekte und für Archivmaterialien befinden sich in Schwarzraum I (SR I), multiple Absaugstationen mit mobilem Mobiliar für die Trockenreinigung der Großformate, nebst zwei kleineren Absaugstationen, im Schwarzraum II (SR II). Alle Absaugkabinette wie auch die Sicherheitssauger sind stufenlos regulierbar und mit entsprechenden HEPA-Filtern ausgestattet. Mechanisch werden des weiteren Pinsel, Schwämme und sonstige Hilfswerkzeuge eingesetzt. Alle in den Schwarzräumen verwendeten Geräte, Materialien, Werkzeuge sowie Hilfsmittel sind entsprechend gekennzeichnet, werden regelmäßig gereinigt und verbleiben an ihren Orten. Dadurch wird eine einheitliche Arbeitshygiene gewährleistet sowie Sekundärkontaminationen in andere Bereiche verhindert. Nach erfolgter Trockenreinigung werden die Objekte bis zur weiteren Bearbeitung entweder in das als Weiß -Depot gekennzeichnete Zwischenlager innerhalb der Restaurierungsstraße gebracht oder direkt zu den einzelnen Arbeitsstationen. Ein Team von 13 projektbezogen eingestellten RestauratorInnen mit dem Schwerpunkt Holz/ethnologische Objekte arbeitet raum- und gruppenweise in vier Arbeitsstationen vorzugsweise gemeinsam an einem Objektkonvolut und unterstützt sich bei fachlichen Fragen und Handreichungen. Die Verteilung auf die Arbeitsstationen zu den verantwortlichen RestauratorInnen erfolgt fortwährend dynamisch und orientiert sich an verschiedenen Kriterien. In erster Linie ist die individuelle Material- und Objektexpertise einer jeden Restauratorin, eines jeden Restaurators entscheidend. Sammlungsgut wird als Konvolut in bestimmten Arbeitsstationen zusammengezogen, wenn thematische Zusammenhänge, Materialität und/oder Größe zu erachten sind. Der theoretische und praktische Umgang mit Ethnografica erfordert zu jeder Zeit die Einbeziehung ethischer Fragestellungen, die sich aus dem kulturellen Kontext ergeben. Hieraus können sich direkte Konsequenzen für die geplanten Maßnahmen, das auszuwählende Material zur Konservierung und Restaurierung, aber auch für das Objekthandling selbst entwickeln. Auch wenn aus konservatorischer Sicht die möglichst genaue Identifikation sämtlicher materialtechnologischer Belange eine hohe Relevanz besitzt, können tiefergehende Materialanalysen hinsichtlich der für jedes Objekt zur Verfügung stehenden, begrenzten Bearbeitungszeit oftmals nur eine Ausnahme darstellen. Sämtliche Informationen zu den genannten Fragestellungen sowie primäre Überlegungen von möglichen Maßnahmen am Objekt lassen sich in der Museumsdatenbank MuseumPlus abrufen. Sie bilden eine wichtige Orientierungshilfe für die Bearbeitung in der Restaurierungsstraße, wobei die Objektstabilität sowie die Sicherung vor Materialverlust stets prio VDR 123

125 Umzug zum Humboldt Forum ritär betrachtet werden. An zwei Beispielen wird nachfolgend dargestellt, wie unterschiedlich eine Entscheidung hinsichtlich der Restaurierungstiefe ausfallen kann. Der Lendenschurz VI (Schmuckschurz für Männer, Santa-Cruz-Inseln, Melanesien) war extrem fragil und verlustgefährdet. Nahezu alle länglichen Zierblattstreifen wiesen eine Delamination (Enthaftung) und/oder Brüche auf. Ebenfalls waren die Zierbastbehänge stark deformiert (Abb. 9). Auf Grund der hohen Fragilität der Materialien und der ästhetischen Beeinträchtigung durch die Deformationen wurden, trotz eines erhöhten Zeitaufwandes, umfassende Sicherungsmaßnahmen mittels Hinterlegungen mit Japanpapier sowie an den Zierbaststreifen mit kontrollierten Feuchtigkeitskompressen, den sogenannten Gore-Tex-Sandwiches, durchgeführt (Abb. 10). Die Maske VI 1268 (Neuguinea) ist partiell äußerst fragil und verlustgefährdet, was sich besonders an den gelockerten Bereichen sowie an den Ausbrüchen der mit Kalk gefassten Haube zeigte. An diesen Stellen und im Gesicht sind unregelmäßige Verbräunungen sichtbar, welche vermutlich auf eine frühere Festigung mit Kaltleim zurückgehen (Abb. 11). Auch die Fehlstellen an der matten Malschicht sind auffällig. Hier wären zeitintensive Probereihen zur sicheren Reduzierung der Verbräunungen notwendig gewesen. Da diese aktuell jedoch keine direkte Materialgefährdung darstellen, wurde auf die Durchführung dieser weiterführenden Maßnahmen verzichtet. Es wurden lediglich konservatorische Eingriffe, welche sich auf die Sicherung verlustgefährdeter Bereiche entlang der Haube begrenzten, durchgeführt (Abb. 12). Die schriftliche und fotografische Erfassung des Erhaltungszustandes, die Darstellung des Restaurierungskonzeptes, alle durchgeführten Maßnahmen sowie Hinweise zum objektspezifischen Art Handling bilden in MuseumPlus die integralen Bestandteile der Objektdokumentation. Diese werden ergänzt durch Angaben zur Lagerung, zum Art Handling, zur Objektständerung, zur Präsentation sowie zur Entwesung der Objekte. Ein genormtes Vokabular dient zusätzlich der einheitlichen Sprachregelung innerhalb der Datensätze. Die fotografische Dokumentation lässt sich an einzelnen Fotostationen in einem separaten Bereich der Restaurierungsstraße effizient durchführen. Klein-, mittel- und großformatige Objekte werden mit Hilfe von leicht adaptierbarem Mobiliar, einer Vielzahl an Tritten, Tribünen sowie unterschiedlichen Stativen, unkompliziert erfasst. In Vorbereitung auf den anstehenden Transport vom Standort Dahlem in die Räumlichkeiten des Humboldt Forums erhält jedes Objekt eine Primärverpackung. Diese im Ethnologi- 9 Lendenschurz VI vor der Restaurierung. Delamination und Verformung der Fasern sind deutlich erkennbar. 10 Lendenschurz VI nach der Restaurierung 124 VDR

126 Umzug zum Humboldt Forum 11 Maske VI 1268 vor der Restaurierung. Die Verbräunung der Fassung ist deutlich erkennbar, umliegende Bereiche sind verlustgefährdet. schen Museum angefertigten Verpackungen werden entweder direkt nach Abschluss einer Restaurierungsmaßnahme oder nach der Anfertigung objektspezifischer Ständerungen durch den Art Handler angefertigt. Vorgefertigte, modulare Kartonagen sowie Euronormboxen mit unterschiedlichen Formaten ermöglichen sowohl individuelle wie auch objektgerechte Verpackungen der Sammlungsgegenstände. Auch dieser abschließende Teil des Workflows trägt dazu bei, den zeitlichen Ablauf zur Bearbeitung eines jeden Objektes zu optimieren. Schlussbetrachtungen Die Einrichtung einer Restaurierungsstraße für das Großprojekt Humboldt Forum in Berlin-Mitte bildet die Grundlage für die konservatorische und restauratorische Bearbeitung der zahlreichen Sammlungsobjekte. Für die Umsetzung des Konzeptes waren umfangreiche Nutzungsänderungen sowie bauliche Veränderungen am Standort Berlin-Dahlem notwendig. Die Verlagerung von Kleinst- bis hin zu monumentalen Großobjekten verlangte von Anbeginn klare Strukturen und Systematiken, um die Stücke zeitgerecht für eine neue Präsentation fertigzustellen sowie in den neuen Baukörper einbringen zu können. Die Abteilung Restaurierung im Ethnologischen Museum hat sich dieser Herausforderung gestellt und versucht durch klar definierte Arbeitsabläufe dem äußerst ambitionierten Bauvorhaben des Humboldt Forums Von Nagel zu Nagel gerecht zu werden. Danksagung Die AutorInnen danken allen Kollegen, die auf dem Weg zurück in Berlins Mitte an der Verwirklichung dieser großen Aufgabe beteiligt waren und es noch sind. Benennen möchten wir in erster Linie alle KollegInnen der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin, aus der Materialverwaltung, des Hausdienstes, der Tischlerei, der Schlosserei sowie der Elektro- und Malerwerkstatt in Berlin-Dahlem. Ebenso danken wir für die gute Zusammenarbeit allen MagazinverwalterInnen und MuseologInnen aus der Abteilung Sammlung im Ethnologischen Museum. Die Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren SachbearbeiterInnen haben dafür gesorgt, dass alle konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen nach den heutigen Standards der Konservierungswissenschaften entsprechend umgesetzt werden konnten. Dafür hat die Be VDR 125

127 Umzug zum Humboldt Forum 12 Maske VI 1268 nach der Restaurierung. Die verlustgefährdeten Bereiche wurden gesichert. auftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien großzügig finanzielle Mittel bereitgestellt, die dafür sorgen, dass der Abteilung Restaurierung zahlreiche zusätzliche helfende Hände während der Umsetzung aller Maßnahmen zur Verfügung stehen und die Beschaffung vom einfachen Skalpell bis hin zum kostspieligen Stereomikroskop in einem bis dahin nicht gewohnten Maß vollzogen werden konnte. Als Nutzer- Innen im zukünftigen Humboldt Forum sind wir der Überzeugung, dass die Verhandlungen mit VertreterInnen der Stiftung Humboldt Forum und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung über die Präsentation der weltweit bedeutenden und einzigartigen Exponate der Sammlungen des Ethnologischen Museums zu einem guten Ende und einem gemeinsamen Erfolg führen werden. 126 VDR

128 Umzug zum Humboldt Forum Dipl.-Rest. (FH) Matthias Farke Leiter Abt. III Konservierung/Restaurierung Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Arnimallee Berlin Dipl.-Ing. (FH) Belinda Blum Stabsstelle Bauplanung GD 11 Generaldirektion Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Arnimallee Berlin Dipl. Rest. (FH) Melanie Münchau M.A Abt. III Konservierung/Restaurierung Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz Arnimallee Berlin Dipl.-Rest. Johanna Kapp Abt. III Konservierung/Restaurierung Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz Arnimallee Berlin Restauratorin Susanne Litty M.A. Abt. III Konservierung/Restaurierung Ethnologisches Museum Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz Arnimallee Berlin Anmerkungen 1 WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S WINTER und GRABOWSKI 2014, S BOLZ 2003, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973, S LEHMANN 2016, S LEHMANN 2016, S. 2, S NIDA-RÜMELIN 2016, S Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Das BBR betreut die Bauaufgaben des Bundes, insbesondere der Bundesregierung, der Verfassungsorgane und der Ministerien in Berlin, Bonn und im Ausland sowie die Kulturbauten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 12 Aus: Leitbild des Ethnologischen Museums Berlin vom GÄRTNER 2018, S TELLO 2006, S Vgl. BG-Regel Kontaminierte Bereiche DGUV Regel (ehemals BGR 128) 16 Eine Einrichtung von Schwarz-Weiß-Bereichen erfolgt, um die Verschleppung von Gefahrstoffen zu vermeiden. Dies bezieht sich sowohl auf ungereinigte wie auch gereinigte Objekte, wie auch auf die Trennung von Straßen- und Schutzkleidung (siehe TRGS 524, S. 22). 17 Die Bezeichnung QR-Code kommt aus dem Englischen und bedeutet quick response und in deutscher Sprache schnelle Antwort. Der zweidimensionale Code ist mittlerweile als Markenbegriff QR Code eingeführt. Literatur BOLZ 2003: Peter Bolz, Ethnologisches Museum: Neuer Name mit traditionellen Wurzeln. Die Umbenennung des Berliner Museums für Völkerkunde. In: Baessler-Archiv. zur Völkerkunde ausgegeben am 25. Februar 2003 (Sonderdruck aus Band 49, 2001), S GÄRTNER 2018: Leonie Gärtner, Moving canoes and houses From Dahlem to the Humboldt Forum. In: ICOM-CC Conservation Newsletter. Objects from Indigenous and World Cultures, Nr. 3, September 2018, S. 3 8 LEHMANN 2016: Klaus-Dieter Lehmann, Tipping Point Der magische Moment. In: Das Humboldt Forum. Die Wiedergewinnung der Idee. Hrsg. v. Horst Bredekamp und Peter-Klaus Schuster, Berlin 2016, S LEHMANN 2016: Klaus-Dieter Lehmann, Kunst und Kulturen der Welt in der Mitte Berlins (16. März 2001). In: Das Humboldt Forum. Die Wiedergewinnung der Idee. Hrsg. v. Horst Bredekamp und Peter-Klaus Schuster, Berlin 2016, S NIDA-RÜMELIN 2016: Julian Nida-Rümelin, Vorkonzept für eine künftige Nutzung des Berliner Schlossareals Humboldt Forum. In: Das Humboldt Forum. Die Wiedergewinnung der Idee. Hrsg. v. Horst Bredekamp und Peter-Klaus Schuster, Berlin 2016, S WESTPHAL-HELLBUSCH 1973: Sigrid Westphal-Hellbusch, Zur Geschichte des Museums. Hundert Jahre Museum für Völkerkunde. In: Baessler- Archiv, Neue Folge, XXI (1973), S. 14 WINTER 2014: Petra Winter, Inter arma silent musae? Die Königlichen Museen zu Berlin im Ersten Weltkrieg. In: Zum Kriegsdienst einberufen. Die Königlichen Museen zu Berlin und der Erste Weltkrieg. Petra Winter und Jörn Grabowski (Hrsg.), Zentralarchiv Staatliche Museen zu Berlin In: Schriften zur Geschichte der Berliner Museen, Bd. 3, Köln/Weimar/Wien 2014, S TELLO 2006: Helene Tello, Investigations on Super Fluid Extraction (SFE) with Carbon Dioxide on Ethnological Materials and Objects Contaminated with Pesticides. Diplomarbeit. Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Studiengang Restaurierung und Grabungstechnik, Berlin 2006, S Abbildungsnachweis Abb. 1: Archiv des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin Abb. 2: SHF/Architekt: Franco Stella mit FS HUF PG Abb. 3: Belinda Blum Abb. 4: Johanna Kapp Abb. 5 12: Susanne Litty VDR 127

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130 Verband der Restauratoren e.v. (VDR) Haus der Kultur Weberstraße Bonn Telefon +49(0) Telefax +49(0) Internet: ISBN ISSN

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318 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 auf Basis des Mörtelerfassungsblattes nach R. Lenz / HfBK Dresden 2003 334 auf Basis des Mörtelerfassungsblattes nach R. Lenz / HfBK

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