Das HaushaltsOrganisationsTraining
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- Stephanie Kohl
- vor 8 Jahren
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1 Das HaushaltsOrganisationsTraining Das HaushaltsOrganisationsTraining ist ein niederschwelliges, aufsuchendes Angebot für Familien mit Kindern in prekären Lebenslagen. Es wurde vom Deutschen Caritasverband im Rahmen eines Modellprojektes des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren entwickelt 1 und wissenschaftlich begleitet. Ziel des Trainings ist die Vermittlung von Haushaltsführungskompetenzen in einem umfassenden Sinne. Eltern werden nachhaltig befähigt, die Versorgung ihrer Kinder und die Organisation ihres Haushaltes bis hin zur Verwaltung ökonomischer Ressourcen wieder eigenständig zu bewältigen. Zentrale Trainingsinhalte betreffen weiterhin die Aufgaben im Kontext der Gesundheitsförderung sowie die Strukturierung des familiären Alltags. Mit diesem Ansatz wird das bestehende Leistungsangebot der familienunterstützenden Dienste ergänzt, das sich primär auf die Erziehungs- und Beziehungsfunktionen von Familien konzentriert. Das HaushaltsOrganisationsTraining dagegen zielt auf die Veränderungen bei den Versorgungsfunktionen, die in einer Familie für ihre Mitglieder erbracht werden. Es stärkt die Selbsthilfekräfte von Familien in mehrfach belasteten Lebenslagen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Elternbildung und Armutsprävention für Kinder und deren Eltern. Für eine umfassende Information über das Konzept, die Ziele und Instrumente sei die in der Literaturliste aufgeführten Quellen empfohlen, insbesondere: - Wissenschaftlicher Abschlußbericht - Konzept, Ziele und Methoden - Planungs- und Dokumentationsunterlagen - Qualitätsstandards (Bezug bei familienpflege@caritas.de) Das HaushaltsOrganisationsTraining ist seit Mai 2006 als Marke beim Deutschen Patentund Markenamt geschützt; Markeninhaber ist der Deutsche Caritasverband. Geschützt sind sowohl die Wort- als auch die Bildmarke (Logo). Ausgangslage Familien in prekären Lebenslagen Das HaushaltsOrganisationsTraining wurde unter Leitung der Zentrale des DCV an insgesamt acht örtlichen Modellstandorten in vier Diözesen entwickelt und erprobt (Diözesen Freiburg, Aachen, Rottenburg-Stuttgart, Münster). Beteiligte Akteure waren neben der Referentin für Familienpflege im DCV die Diözesanreferent/innen für Familienpflege und die Fachdienste für Familienpflege mit ihren Fachkräften vor Ort. Ausgangslage für die Entwicklung eines umfassenden Angebots zur Vermittlung von Haushaltsführungskompetenzen waren die Erfahrungen dieser Fachdienste für Familienpflege in ihren aufsuchenden Einsätzen bei Familien mit Kindern. Sowohl bei der durch die Krankenkassen finanzierten Leistungserbringung auf der Grundlage des 38 SGB V (Haushaltshilfe bei Krankheit der haushaltsführenden Person), bei der Unterstützung junger Familien nach der Geburt ihres Kindes (RVO 199) wie bei durch Jugendhilfeträger 1 Vermittlung von Haushaltsführungskompetenzen in prekären Lebenslagen. Entwicklung eines Handlungsansatzes im Rahmen des Förderschwerpunktes Konzepte und Modelle zur Armutsprävention. 1
2 finanzierten Einsätzen stellen die Fachdienste vermehrt grundlegende Versorgungsdefizite in Familien fest. Zunehmend machten sie die Erfahrung, dass die Versorgungssituation in einigen Familien zusammen mit tiefgreifenden Erziehungs- und Beziehungsproblemen dazu führt, dass diese Familien durch weiterführende ambulante oder gar teilstationäre und stationäre Jugendhilfemaßnahmen gestützt werden müssen (Sozialpädagogische Familienhilfe etc.). Auch andere Dienste der Familienhilfen teilten diesen Befund: dem Thema Versorgung in Familien wurde bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Und: Die klassischen Angebote der Familienbildung in den Bereichen Haushaltsführung und Kinderpflege sofern sie überhaupt noch bestehen erreichen nicht die Familien, die sogenannten bildungsfernen Schichten angehören und in prekären Lebenslagen leben. Dabei wird gerade in diesem Funktionsbereich von Familien ein wachsender Bedarf verzeichnet. Die Ursachen für die erheblichen Versorgungsdefizite in diesen Familien liegen zum einen in einer Überlastung durch verschiedene soziale, psychische, finanzielle und gesundheitliche Probleme (-> Multiproblemfamilien ); fast immer handelt es sich um Familien die in oder am Rande von Armut leben. In diesen prekären Lebenslagen gelingt es vielen Familien nicht, die eigentlich vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen zu mobilisieren. In anderen Familien ist gerade das Fehlen dieser grundlegender Kompetenzen der Haushaltsführung, der Alltagsstrukturierung, der Gesundheitsvorsorge, des Umgangs mit Geld etc. die Ursache dafür, dass Probleme nicht bewältigt werden können. Im Rahmen des Modellversuchs haben 27 Familien ein HaushaltsOrganisationsTraining durchlaufen. Folgende Problemindikatoren wurden in diesen Familien am häufigsten identifiziert: Probleme und Belastungsfaktoren der Familien (n=27) Belastungsfaktoren Überschuldung Vernachlässigung Kinder Arbeitslosigkeit Überforderung der Erziehenden Entwicklungsverzögerung Erziehungsproblematik Belastende Familienbiographie Hygiene Ernährung Organisation des Alltags Haushaltsführung Zahl der betroffenen Familien Ziele und Inhalte eines HaushaltsOrganisationsTrainings Das HaushaltsOrganisationsTraining befähigt Eltern, ihrer Verantwortung für die Versorgung ihrer Kinder (wieder) gerecht zu werden. Es zielt auf die Initiierung und Begleitung eines Veränderungsprozesses in der Familie, um dysfunktionale Haushaltsstrukturen zielgerichtet 2
3 durch andere Verhaltensstrategien zu ersetzen und berücksichtigt bei der Zielformulierung die vorhandenen Ressourcen und die Werthaltungen der Familie. Indem es die Versorgungsfunktionen einer Familie ins Zentrum stellt, ergänzt es bestehende Angebote der familienunterstützenden Dienste, die primär die Erziehungs- und Beziehungsfunktionen unterstützen. Im Rahmen eines HaushaltsOrganisationsTraining werden Alltags- und Haushaltsführungskompetenzen in folgenden Versorgungsbereichen vermittelt: Grundversorgung von Kleinkindern und Säuglingen* Versorgung und altersgemäße Tagesstruktur von Kindern* Sauberkeit und Ordnung in der Wohnung Alltagsorganisation Gesundheit und Körperpflege der Erwachsenen Kleider- und Wäschepflege Einkaufen Ernährung und Mahlzeiten Umgang mit Geld Ver- und Überschuldung (die mit *gekennzeichneten Versorgungsbereiche wurden nach Abschluss der Modellphase im Jahr 2005 ergänzt, weil die Erfahrung aus den Einsätzen und Fortbildungen ergeben hat, dass diese Aufgabenbereiche zwar zuvor teilweise in den Bereichen Ernährung und Alltagsorganisation enthalten waren, aber eine spezifische Bearbeitung und Darstellung erfordern.) Instrumente und Methoden eines HaushaltsOrganisationsTrainings Das HaushaltsOrganisationsTraining ist ein aufsuchendes Angebot das heißt, die Familienpflegerin arbeitet mit der Familie in deren eigenen Häuslichkeit. Zwei zentrale Elemente der Prozessqualität seien hier hervorgehoben: 1. Die Sequentielle Intervention Die Veränderung der Versorgungsstrukturen in Familien wird durch eine Unterteilung des Trainingsablaufs in verschiedene Phasen unterstützt, die sich in ihren Inhalten, der Dauer und Zielsetzung unterscheiden. Diese Methode der Sequentiellen Intervention umfasst vier Phasen: Auftragsklärung und Kontrakt* Intensivphase Stabilisierungsphase Überprüfungsphase (Die erste Phase wurde erst nach Abschluss der Modellphase im Jahr 2006 ergänzt.) 2. Planung, Dokumentation und Evaluation Zu Beginn eines HaushaltsOrganisationsTrainings findet eine detaillierte Analyse der Haushaltsbereiche statt. Dieser Analyse wie auch der Dokumentation der weiteren Phasen im Trainingsverlauf liegt ein speziell für das HaushaltsOrganisationsTraining erarbeitete Planungs- und Dokumentationssystem des Deutschen Caritasverbandes zugrunde. 3
4 Ein Auszug aus diesen Unterlagen: II.4.1. Grundversorgung von Kleinkindern und Säuglingen Zufriedenheit der Familie Einschätzung der Familienpflegerin Die Kleinkinder und Säuglinge sind jahreszeitlich angemessen bekleidet. Kleinkinder und Säuglinge werden altersgemäß gestillt, mit der Flasche und/oder mit Breikost ernährt. Es gibt einen altersgemäßen Tag- und Nachtrhythmus. Standards der Körperhygiene werden eingehalten (z.b. regelmäßiges Waschen/Baden, Zähne putzen, Pflege der Fuß- und Fingernägel). Gesundheitsfördernde Verhaltensweisen sind bekannt und werden umgesetzt (z.b. U-Untersuchungen, Beratungstermine). Weitere Anmerkungen (ggfs. Rückseite): Jede Phase des HaushaltsOrganisationsTrainings wird mit der Analyse der Haushaltssituation und einer Vereinbarung weiterer Handlungsschritte abgeschlossen und auf der Grundlage der Planungs- und Dokumentationsunterlagen schriftlich dokumentiert. Auszug aus den Unterlagen: III.2 Auswertung der Intensivphase III.2.1 Verlauf der Intensivphase III.2.2 Erreichte Veränderungen (s. Kontrakt) Ziel Nr. Stand der Zielerreichung Ziel erreicht Ziel teilweise erreicht Ziel nicht erreicht Gründe III.2.3 Veränderungen der Lebenssituation in der Familie 4
5 Das HaushaltsOrganisationsTraining endet mit einem ausführlichen Abschlussgespräch mit der Familie. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob sich durch die Versorgungssituation stabilisiert hat und dadurch die Zufriedenheit der Familie erhöht werden konnte. Mit dieser Vorgehensweise ist eine Sicherung und Dokumentation der Trainingsziele möglich: Die erreichten Verhaltensveränderungen können stets überprüft werden und weitere Zielvereinbarungen für die nächste Einsatzphase können vorgenommen werden. Die Evaluation der am Modellversuch teilgenommenen Familien haben den Erfolg des Trainings belegt. Nach Abschluss dieses Modellversuch hat es allerdings keine wissenschaftliche Begleitforschung mehr gegeben. Implementierung des Modellprojektes Nach Abschluss des Projektes in den Modellstandorten wurde das Trainingsprogramm von Seiten der Zentrale durch vielfältige Maßnahmen unterstützt und weiterentwickelt: Vorstellung des Programms in zahlreichen Workshops und Fachveranstaltungen Veröffentlichungen und Materialien: - Konzepte, Ziele und Methoden 2004; - Überarbeitung der Planungs- und Dokumentationsunterlagen Qualitätsstandards sowie weitere Publikationen s. Literaturliste Markenanmeldung 2006 Fortbildung: Im Bereich der Fortbildung wurde in Zusammenarbeit mit dem Meinwerk- Institut IN VIA eine Fortbildung konzipiert (s. Anlage) Es gibt eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Diakonischen Werk der EKD und dem Deutschen Caritasverband. Mittlerweile wird das HaushaltsOrganisationsTraining auch von Familienpflegediensten des Diakonischen Werkes durchgeführt, wobei die Urheberschaft des Trainings eindeutig dokumentiert wird. Auch die großen Werke vor Ort (namentlich: ehem. Hauspflegewerk Rottenburg-Stuttgart jetzt Zukunft Familie e.v.) haben im Bereich der Fortbildung und der Qualitätssicherung eigene Initiativen entwickelt und umgesetzt. Sie werden mit der Zentrale des DCV abgestimmt. Anbieter des HaushaltsOrganisationsTrainings sind heute nicht nur die Modellstandorte in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, sondern der Ansatz hat sich in die Fläche verbreitet, auch in Bayern. Allerdings gibt es derzeit auf der Bundesebene keine gesicherten Daten darüber, wie viele Familien an einem Training teilgenommen haben (-> Bundeseinheitliche Statistik Familienpflege und Dorfhilfe. Beginn der Vollerhebung im Juni 2006). Kostenträger und Finanzierung Ganz überwiegend ist das HaushaltsOrganisationsTraining eine Leistung der Jugendhilfe. Grundlage für die Erbringung des Leistungsangebotes ist daher i.d.r. eine Vertragsbeziehung zwischen dem Fachdienst für Familienpflege und dem örtlichen Jugendoder Sozialhilfeträger. Jedem HaushaltsOrganisationsTraining in einer Familie liegt ein Auftrag des öffentlichen Jugendhilfeträgers (Sozialhilfeträgers) und eine vertragliche Vereinbarung über die 5
6 Zielsetzung, den Leistungsumfang, die gegenseitige Informationspflichten und die Kostenerstattung zugrunde. Von ihren Inhalten her ist das HaushaltsOrganisationsTraining eine Maßnahme der Familienbildung und fällt daher in den Bereich des 16 SGB VIII. In der Praxis allerdings findet diese Rechtsgrundlage für einzelne Maßnahmen so gut wie keine Anwendung. Daher wird das HaushaltsOrganisationsTraining zumeist im Rahmen der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen 20 SGB VIII erbracht; vereinzelt auch auf der Grundlage des 31 SGB VIII. Zusammenarbeit mit anderen Fachdiensten Die Fachdienste für Familienpflege kennen das Angebot der familienunterstützenden Dienste und Einrichtungen sowie die Angebote der Gesundheitshilfe und des Bildungswesens vor Ort und unterhalten Kooperationsbeziehungen zu ihnen. Bei Bedarf vermitteln sie weitere Hilfen für die Familie wie beispielsweise die Sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungs- oder Schuldnerberatung, Sprach- und Ergotherapie. Eine enge Zusammenarbeit der Familienpflege/HOT gibt es insbesondere mit der sozialpädagogischen Familienhilfe: Beide Dienste arbeiten aufsuchend, haben unterschiedliche Themenstellungen, ergänzen sich aber gut. Allerdings gibt es gerade zwischen diesen beiden Diensten vor Ort auch Konkurrenzverhältnisse, die durch die Kostenträger der Jugendhilfe in ihrer Sehnsucht nach einem kostengünstigeren Angebot teilweise unterstützt werden. Zukunftsfähig und innovativ sind hier Konzepte der Caritas vor Ort, die beide Hilfen umfassen, wie sie beispielsweise in NRW (OCV Coesfeld) bestehen. Freiburg, August 2006 Ulrike Wössner 6
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