Hygienemängel und rechtliche Folgen. Viszeralmedizin 2012 Hamburg 21. September Walter Popp
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1 Hygienemängel und rechtliche Folgen Viszeralmedizin 2012 Hamburg 21. September 2012 Walter Popp Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Essen
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4 St. Antonius Klinik, Wegberg, 2006 Angeblich über 20 Todesfälle. Wunde einer Patientin sei mit Zitronensaft gespült worden. Der Chefarzt habe ihm geantwortet, dass er das zur Desinfizierung des Bauchraumes machen würde, in Peru mache man das immer so. (Spiegel Online, 25. Juni 2007) Folie Autor
5 Argumente Wundspüllösungen müssen steril und pyrogenfrei sein. Monographie Spüllösungen des Europäischen Arzneibuchs. Bei allen Eingriffen und Operationen sind aseptische Arbeitsmethoden und techniken einzuhalten. RKI-Empfehlung Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet (2007). Die RKI-Empfehlung Infektionsprävention in Heimen (2005) verlangt sterile Wundspüllösungen. Frisch gepresster Zitronensaft hat auf Grund des phs eine gewisse Keimabtötende Wirkung, ist aber nicht steril keine aseptische Technik. Zulassung als Arzneimittel oder Medizinprodukt erforderlich bei Anwendung am Menschen. Arzneimittelgesetz (AMG). Zitronensaft ist nur ein Lebensmittel. Es gibt auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zur sinnhaften Anwendung in dieser Indikation. Folie Autor
6 Argumente Zitronensaft ist eine klassische Säure mit einem sehr niedrigen ph: Blut: ph 7,4 Magensäure: ph 2 Hautoberfläche: ph 5,5 Salzsäure 0,35 %: ph 1 Coca Cola: ph 3 Bier: ph 5 Waschmittellösung: ph 10 Zitronensaft: ph 2 Gewebeschäden in offenen Wunden im Sinne von Verätzungen sind zu befürchten. Keine Pyrogen- oder Toxinfreiheit durch mögliche Fremdanteile der Zitronen im gepressten Zitronensaft. Folie Autor
7 Darlegungs- und Beweislast bei Spritzenabszess nach Infektion durch eine Arzthelferin als Keimträgerin Klage eines Patienten auf Schadensersatz gegen eine orthopädische Praxis nach Spritzenabszess durch Staphylokokken, hervorgerufen durch eine Arzthelferin, die assistierte und an Heuschnupfen litt. Zeitgleich weitere Infektionen bei anderen Patienten. Gesundheitsamt von der Praxis eingeschaltet: Hygieneverhalten nicht in dem erforderlichen Umfang vermittelt und überprüft, Desinfektionsmittel umgefüllt und kontaminiert, Durchstechflaschen mit Injektionssubstanzen wurden mehrere Tage verwendet, Flächendesinfektionsmittel zur Hautdesinfektion eingesetzt, Händedesinfektion vor Aufziehen von Spritzen nicht üblich, Arbeitsflächen nur wöchentlich desinfiziert. BGH, , AZ: VI ZR 158: Bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, kommt der Rechtsgedanke des 282 BGB zur Anwendung, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt. Hygiene zählt zu den voll beherrschbaren Risiken! Hygienefehler Beweislastumkehr! Folie Autor
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10 Beurteilung und Bewertung Einzelne Abweichungen von allgemeinen hygienischen Vorgaben werden im Allgemeinen hinnehmbar sein. Kleinere Mängel im Hygieneplan müssen nicht zu einer negativen Bewertung für den Beklagten führen. Auch umfassende Regelungen im Hygieneplan bedeuten nicht, dass sie gelebt werden (Compliance-Problem). Liegen mehrere schwerwiegende Abweichungen von hygienischen Regeln und Empfehlungen vor, so kann dies zu der Annahme führen, dass generell die Organisationsmängel so erheblich sind, dass die Darlegungs- und Beweislast auf den Beklagten verlagert werden muss. Folie Autor
11 Dtsch Arztebl 2011; 108(1-2): A-62 / B-50 / C-50 Der beschuldigte Arzt ist als Facharzt für Orthopädie niedergelassen. In den Praxisräumen fand durch das Gesundheitsamt des Landratsamtes eine Begehung statt. Dabei wurden massive Verstöße gegen anerkannte Regeln der Hygiene und der gesetzlichen Bestimmungen vor allem des Medizinproduktegesetzes und der Medizinproduktebetreiberverordnung festgestellt: Beispielsweise wurden in einem Gefrierfach Lebensmittel (Fische) unmittelbar neben einer Spritze mit aufbereitetem Blut für die Orthokinbehandlung gelagert. Im OP-Bereich und in den Behandlungsräumen waren keine leicht zugänglichen Waschgelegenheiten mit handlos bedienbaren Seifen- und Händedesinfektionsmittelspendern und Einmalhandtücher in einem geschlossenen Behälter vorhanden. Die Flächendesinfektion erfolgte völlig sachwidrig mit einem ungeeigneten und hierfür nicht zugelassenen Hautdesinfektionsmittel. Die im veralteten Hygieneplan vorgesehenen Desinfektionsmittel waren nicht vorrätig. Entzug der Approbation (Erheblicher Verstoss gegen Hygienevorschriften berufswidriges Handeln) Folie Autor
12 Unterlassen einer Desinfektion vor Injektionen ist ein grober Behandlungsfehler OLG Naumburg, 2009, Az. 1 U 86/08 Injektion im Hals-Schulter-Bereich (Quaddeln) zuhause durch Notärztin. 5 Tage später Sepsis, Staph. au. im Blut, Leber- und Nierenversagen, Beatmungspflichtigkeit, nekrotisierende Fasziitis an den Unterarmen. Vorwurf: Keine Reinigung und Desinfektion der Hände vor dem Quaddeln (unstreitig). Kurzes Abtupfen der Einstichstellen mit einem Alkoholpad (unstreitig) Einwirkzeit nicht eingehalten. Grober Behandlungsfehler. Schmerzensgeld in Höhe von Folie Autor
13 Wiederholte Infiltrationsbehandlung der Wirbelsäule mit Abszessbildung (Staph. au.) Infiltrationen am 3., 7., 9., 10, 13., 15., 17, 20., 24. und 28. des Monats. Durchgeführt im OP-Saal des Krankenhauses, in der Klinik für Diagnostische Radiologie, in der Praxis für Computertomographie und in der orthopädischen Ambulanz. Hygieneplan für Krankenhaus: Kumulierte Einwirkzeit maximal 2 Minuten. Die hintere Schweissrinne zählt zu den talkdrüsenreichen Regionen Einwirkzeit entsprechend talkdrüsenreicher Haut, meist 10 Minuten oder nach Herstellerangaben für talkdrüsenreiche Haut. Folie Autor
14 Propofol Probleme mit Propofol werden seit 1999 auch in deutschsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Sehr fetthaltig, keine Konservierungsmittel hohes Risiko der Keimbesiedelung. Sepsis (septischer Schock), meist in Folge von Endotoxinen. BGH hat 2007 einen Fehler im Umgang mit Propofol als vorsätzliche Körperverletzung eingestuft. Beipackzettel eindeutig: Unverzüglich geben, nur für einen Patienten, danach sofort zu verwerfen. Folie Autor
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17 Infektionsschutzgesetz (IfSG) 23: Die Leiter der Einrichtungen haben sicherzustellen, dass Maßnahmen, um nosokomiale Infektionen zu verhüten, nosokomiale Infektionen und MRE auswerten, Schlussfolgerungen ziehen und Präventionsmaßnahmen umsetzen, Hygienepläne Folie Autor
18 Hygieneplan Muss für den beklagten Zeitraum vorliegen, d.h. jährlich 1 x auf CD brennen! Regelungen im Hygieneplan müssen kongruent sein: Nicht unterschiedliche Desinfektionsmittel an verschiedenen Stellen des Planes nennen! Keine unterschiedlichen Präparate in Desinfektions- und Hygieneplan! Konzentration und Einwirkzeit klar regeln! Gegebenenfalls Hinweis auf eine schlechte Hygieneorganisation! Folie Autor
19 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Hauptamtlicher Krankenhaushygieniker: 400 Betten Hygienefachkraft pro ca Betten Hygienebeauftragte mit Schulung Jährliche Schulungen, dokumentiert: Alle Mitarbeiter, z.b. NRW Alle, die Infusionen richten und Spritzen aufziehen (KRINKO) Folie Autor
20 BGH, Urteil vom , VI ZR 119/80 Wird ein Krankenhauspatient an seiner Gesundheit geschädigt, weil die ihm verabreichte Infusionsflüssigkeit bei oder nach ihrer Zubereitung im Krankenhaus unsteril geworden ist, dann muß der Krankenhausträger dartun und beweisen, daß der Fehler nicht auf einem ihm zuzurechnenden Organisations- oder Personalverschulden beruht. Sachverständig beraten stellt das BerGer dazu fest, die Infusionsflüssigkeit dürfe, gerade um eine für den Patienten gefährliche Bildung von Bakterien in ihr zu vermeiden, äußerstenfalls eine knappe Stunde vor der Applikation angesetzt werden Folie Autor
21 Folie Autor Ethoxysklerol in Gefässambulanz
22 28 Fälle. Ausbruch mit Pseudomonas oxytoca 1997 in der Neonatologie Gießen Diverse Hygienefehler z.b. Eintauchen von Infusionsflaschen in Lösung mit Flächendesinfektionsmittel Zu geringe Konzentration des Desinfektionsmittels: 0,25 % Aldehyd-haltiges Präparat 4-Stunden-Wert Nachweis von Klebsiellen-Wachstum darin Kein Wachstum in 0,5 % - 1-Stunden-Wert Publikation in Lancet Klage der Eltern Folie Autor
23 Einmaltuchspender Vorteile: Deckel keine Geruchsbelästigung, Kein Schmutzeintrag, Kurze Handschuhe möglich. Probleme: Die Einmaltücher können Desinfektionsmittel absorbieren ungenügende Desinfektionsleistung. Polyesterfasern besser als Naturfasern. Die Eimer müssen immer verschlossen sein (auch die Entnahmeöffnungen) - Verdunsten und Konzentrationsabnahme möglich. Sauerstoffabspalter sind grundsätzlich nicht zur Befüllung der Eimer geeignet. Kompatibilitätsbescheinigungen der Hersteller (Eimer, Präparat) erforderlich. Gegen Ende der Entnahme können Tücher trocken sein - Weiterverbreitung von Keimen über die Tücher möglich. Grundsätzlich Handschuhe erforderlich. Vor Wiederbefüllung desinfizierend auswischen. Folie Autor
24 Trennung Rein - unrein Folie Autor
25 Aufbereitung MP z.b. Eiweissfehler Folie Autor
26 Aufbereitung MP Schriftliche Arbeitsanweisungen Validierte Verfahren Vorherige Risikobewertung Personal: benannt, qualifiziert Folie Autor
27 Validierung Jährlich. Grundsätzlich gesamter Prozeß. Derzeit RDG, Steri, Folienschweißgerät, RDG-E. Folie Autor
28 Einstufung von Medizinprodukten bezüglich ihrer Aufbereitung nach RKI RKI-Erklärung Weiterführende RKI- Erklärung Besondere Anforderungen laut RKI Beispiel Unkritisch Kontakt mit intakter Haut Kontakt mit Haut Reinigung/Desinfektion ausreichend Stethoskop RR-Manschette EKG-Elektroden Beatmungsmaske Semi-kritisch Kontakt mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut A) Ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung B) Mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung Mind. Desinfektion Ggfs. mehr Spekulum HNO-Mundspatel Flexibles Endoskop Larynxmaske Tubus Guedeltubus Kritisch Anwendung von Blut, Blutprodukten, sterilen Arzneimitteln, Haut und Schleimhäute durchdrin- gend, Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen A) Ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung B) Mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung Hohlräume, schwer zugängliche Oberflächen; Probleme der Funktionssicherheit durch empfindliche Oberflächen, Knicken usw.; Anwendungen und Aufbereitungszyklen durch Hersteller begrenzt Dampfsterilisation Immer maschinelle/ thermische Reinigung/Desinfektion; Dampfsterilisation aller Teile mit Gewebekontakt Wundhaken Chir. Pinzette Chir. Schere Skalpellgriffe MIC-Trokar Phakohandstücke Endoskopzangen C) Mit besonders hohen Anforderungen an die Aufbereitung Folie Autor Kritisch B-Produkte, die zusätzlich nicht dampfsterilisierbar sind Sterilisation; Zertifizierung und Risikoanalyse nach DIN ISO Flußmesser intravasal
29 Folie Autor
30 Folie Autor
31 Folie Autor
32 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie Autor
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