Europäisches Krisenmanagement und die Folgen für die Lohn- und Tarifpolitik in Europa
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- Ruth Magdalena Albert
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1 Europäisches Krisenmanagement und die Folgen für die Lohn- und Tarifpolitik in Europa Thorsten Schulten IG Metall / Wissentransfer Debattenforum Steinbach, März 2015
2 Inhalt 1. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit: Rahmendaten zu Krise in Europa 2. Schulden und Wettbewerbsfähigkeit: Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise 3. Krisenmanagement in der EU: New European Economic Governance 4. Race to the bottom? Lohn- und wirtschaftspolitische Folgen des EU-Krisenmanagements 5. Wege aus der Krise: Alternative Ansätze für eine solidarische Lohn- und Tarifpolitik in Europa
3 Wirtschaftswachstum in der EU 28 BIP in % zum Vorjahr
4 Wirtschaftswachstum in der EU 28 BIP in % zum Vorjahr
5 Wirtschaftswachstum in der EU 28 BIP in % zum Vorjahr
6 Arbeitslose in der EU 28 in Millionen Quelle: AMECO
7 Arbeitslosequote in der EU , in % (Eurostat-Definition)
8 Jugendarbeitslosequote in der EU , in % (Eurostat-Definition)
9 Inhalt 1. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit: Rahmendaten zu Krise in Europa 2. Schulden und Wettbewerbsfähigkeit: Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise 3. Krisenmanagement in der EU: New European Economic Governance 4. Race to the bottom? Lohn- und wirtschaftspolitische Folgen des EU-Krisenmanagements 5. Wege aus der Krise: Alternative Ansätze für eine solidarische Lohn- und Tarifpolitik in Europa
10 Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise in Europa Diagnose: Finanzkrise Schuldenkrise Wettbewerbskrise Therapie: Regulierung der Finanzmärkte (???) Austeritätspolitik (Sparen, Sparen ) Strukturelle Reformen vor allem auf dem Arbeitsmarkt
11 Ökonomische Ungleichgewichte in der EU Leistungsbilanzen (in Mrd. Euro) Überschuss- Länder Defizit- Länder
12 Mario Draghi auf dem Euro Gipfel 14 März
13 Mario Draghi auf dem Euro Gipfel 14 März 2013 Löhne und ökonomische Ungleichgewichte Überschussländer sind wettbewerbsfähiger wegen moderater Lohnentwicklung Defizitländer sind nicht wettbewerbsfähig wegen zu hoher Lohnentwicklung Konsequenz: Defizitländer müssen wettbewerbsfähiger werden, indem sie ihre Arbeitskosten reduzieren!!!
14 Nominale Lohnstückkosten 2000 =
15 Inhalt 1. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit: Rahmendaten zu Krise in Europa 2. Schulden und Wettbewerbsfähigkeit: Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise 3. Krisenmanagement in der EU: New European Economic Governance 4. Race to the bottom? Lohn- und wirtschaftspolitische Folgen des EU-Krisenmanagements 5. Wege aus der Krise: Alternative Ansätze für eine solidarische Lohn- und Tarifpolitik in Europa
16 Europäisches Krisenmanagement New European Economic Governance Als Reaktion auf die Krise 2008f. entwickeln sich neue Formen einer verbindlicheren Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU 2010: Europe 2020: Europäische Semester als jährlicher Koordinationszyklus
17 Europäisches Semester: Wirtschaftspolitische Koordinationszyklus
18 Europäisches Krisenmanagement New European Economic Governance Als Reaktion auf die Krise 2008f. entwickeln sich neue Formen einer verbindlicheren Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU 2010: Europe 2020: Europäische Semester als jährlicher Koordinationszyklus 2011: Euro-Plus Pakt: Fixierung auf Strukturreformen 2011: Neues Verfahren zur Vermeidung von makroökonomischen Ungleichgewichten 2013ff. In der Diskussion: Neue Wettbewerbspakte: Verträge zwischen der EU und nationalen den Regierungen über Strukturreformen
19 Politik der Troika: Vorläufer 1980ff. : IWF-Strukturprogramme in Lateinamerika, Afrika und Asien Vorläufer: 1990ff.: IWF-Strukturprogramme in Mittel- und Osteuropa 2008ff: Memoranden zwischen den nationalen Regierungen und der Troika aus EU Kommission, EZB und IWF 2010ff: Intervention der EZB: Aufkauf von Staatsanleihen nur gegen strukturelle Reformen
20 Der neue lohnpolitische Interventionismus Lohnpolitische Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters und dem Verfahren zur Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte. Lohnpolitische Vorgaben in den Programmen der Troika (EU-Kommission, EZB und IWF)
21 Inhalt 1. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit: Rahmendaten zu Krise in Europa 2. Schulden und Wettbewerbsfähigkeit: Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise 3. Krisenmanagement in der EU: New European Economic Governance 4. Race to the bottom? Lohn- und wirtschaftspolitische Folgen des EU-Krisenmanagements 5. Wege aus der Krise: Alternative Ansätze für eine solidarische Lohn- und Tarifpolitik in Europa
22 Beschäftigungsfreundliche Reformen in der Tarifpolitik Dezentralisierung des Tarifvertragssystems Einführung/Ausdehnung v on Öffnungsklauseln für betriebliche Abweichungen von Flächentarifverträgen Begrenzung/Abschaffung des Günstigkeitsprinzips" Reduzierung von Allgemeinverbindlicherklärungen Reduzierung der Tarifbindung allgemeine Reduzierung der Lohnsetzungsmacht der Gewerkschaften
23 Bedeutung der Lohn- und Tarifpolitik DG ECFIN 2015: Moreover, major reforms in the labour market, such as decentralised wage bargaining and more flexible wage arrangements, as well as past wage moderation will also support job creation
24 Der neue lohnpolitische Interventionismus 1. Senkung der aktuellen Lohnkosten Kürzung/Einfrieren der Löhne im Öffentlichen Sektor Kürzung/Einfrieren nationaler Mindestlöhne Allgemeine Lohnmoderation Eingriffe in die Tarifautonomie 2. Neoliberaler Umbau der Tarifvertragssysteme: Radikale Dezentraliserung/Abschaffung des Günstigkeitsprinzips Reduzierung der Tarifbindung Reduzierung gewerkschaftlichen Einfluss
25 Tarifpolitik in den Ländern unter Troika-Diktat Veränderungen in den Tarifvertragssystemen Beendigung/Abschaffung nationaler Tarifverhandlungen Mehr Möglichkeiten für betriebliche Abweichungen Priorität für betriebl. Tarifverträge; Abschaffung des Günstigkeitsprinzps Striktere Regeln für die Allgemeinverbindlicherklärung Reduzierung der Nachwirkung von Tarifverträgen Betriebl. Tarifverträge auch durch nichtgewerkschaftliche AN-Gruppen
26 Tarifverträge in Griechenland Seit 2012: 80% aller Unternehmenstarifverträge sind über Lohnkürzungen!!! Dr. Thorsten Schulten
27 Tarifverträge in Spanien ( ) Anzahl der tarifgebundenen Arbeitnehmer in registrierten Tarifverträgen Dr. Thorsten Schulten
28 Tarifverträge in Portugal ( ) Flächentarifverträge Anzahl der AVEs Anzahl der tarifgebundenen Beschäftigten 1,7 Mio. 1,3 Mio. 1,4. Mio 1,2 Mio. 306, ,0 00 Quelle: Portugiesisches Arbeitsministerium
29 Entwicklung der Reallöhne vor der Krise ( , in %) Quelle: AMECO, Berechnungen des WSI -6 Angaben für 2013: Prognose der Europäischen Kommission RO EE LV LT CZ BG SK SI HU IE UK FI DK MT EL NL PL CY SE ES FR PT BE IT AT LU DE
30 Entwicklung der Reallöhne nach der Krise ( , in %) In 14 von 28 EU Staaten gehen die Reallöhne zurück!!! Quelle: AMECO, Berechnungen des WSI Angaben für 2014: Prognose der Europäischen Kommission BG LT PL LV SE EE DE SK FR HR BE DK FI NL LU AT CZ MT IT SI UK HU ES PT IE RO CY EL
31 Lohnpolitik und Deflation Entwicklung der Verbraucherpreise
32 Lohnpolitik und Deflation Any further reduction of wages risks being counterproductive because then we would run into a vicious circle of deflation, lower consumption and lower investment. Stefano Scarpetta, Director, Employment, Labour and Social Affairs OECD zit.n. Financial Times vom 3. September 2014 Dr. Thorsten Schulten
33 Lohnpolitik und Deflation Wage hikes key to escaping deflation Haruhiko Kuroda, Präsident der Bank of Japan zit.n. Asian Review vom 17. März 2015 Dr. Thorsten Schulten
34 Lohnpolitik und Deflation Es sei zu begrüßen, dass die Löhne wieder steigen Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank zit.n. FAZ vom 30. Juli 2014 Dr. Thorsten Schulten
35 Inhalt 1. Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit: Rahmendaten zu Krise in Europa 2. Schulden und Wettbewerbsfähigkeit: Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Krise 3. Krisenmanagement in der EU: New European Economic Governance 4. Race to the bottom? Lohn- und wirtschaftspolitische Folgen des EU-Krisenmanagements 5. Wege aus der Krise: Alternative Ansätze für eine solidarische Lohn- und Tarifpolitik in Europa
36 Mario Draghi auf dem Euro Gipfel 14 März
37 Bereinigte Lohnquote in % des Volkseinkommens
38 Lohnentwicklung und Eurokrise Alternative Erklärung: Reallöhne hinter der Produktivität Zunahme sozialer Ungleichheit Kredit finanziertes Wachstumsmodell Strukturelle Nachfrageschwäche Bedingen sich gegenseitig!!! Export getriebenes Wachstumsmodell
39 Lohnentwicklung und Eurokrise Alternative Erklärung: Löhne sind nicht der Hauptgrund für einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit Löhne beeinflussen die wachsende ökonomische Ungleichgewichte in Europa nicht als Wettbewerbs-, sondern primär als Nachfragefaktor die aktuelle EU-Krisenpolitik mit ihrem Fokus auf Austerität und strukturelle Reformen beschleunigt einen europäischen Lohnsenkungswettlauf, verschärft das Problem mangelnder Nachfrage und fördert Defaltion und ökonomische Stagnation
40 Alternative Agenda für eine Stärkung der Tarifpolitik in Europa Ich betrachte den Zunahme von Tarifverhandlungen als essentiell. Ich befürworte den Mindestlohn und die Regulierung der Arbeitszeit. Ich war insgesamt auf Ihre Seite, als Sie eine generelle Politik der Lohnkürzungen als unter gegenwärtigen Umständen als nutzlos ablehnten. Brief von John Maynard Keynes an Franklin D. Roosevelt vom 1. Februar
41 Alternative Agenda für eine Stärkung der Tarifpolitik in Europa Internationale Arbeitsorganisation (ILO) Tarifverhandlungen als wichtiges Instrument für die Gestaltung der Wirtschafts-, Industrie-, Beschäftigungsund Sozialpolitik Stärkung von Tarifverhandlungen auf allen Ebenen Einführung/Stärkung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen auf sektoraler Ebene zur Erhöhung der Tarifbindung stärkere Ausrichtung der Löhne an Produktivitätssteigerungen & Verringerung von Armut trotz Arbeit Stärkung von Mindestlöhnen zum Schutz von Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala Trotz der Krise sollen Regierungen sich nicht in die Lohnsetzung einmischen Thorsten Schulten
42 Flankierende Projekte für eine solidarische Lohnkoordinierung Ein Schlüssel liegt in Deutschland Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Stärkung der Tarifautonomie Ausbau des Entsendegesetzes Reform der AVE
43 Flankierende Projekte für eine solidarische Lohnkoordinierung Europäische Mindestlohnpolitik für angemessene Mindestlöhne Europäische Initiative zur Stärkung der Tarifautonomie
44 Nationale Mindestlöhne in Euro (Januar 2015) Quelle: WSI-Mindestlohndatenbank
45 Relative Wert des Mindestlohns Mindestlöhne in % des Medianlohns,
46 Das relative Niveau des Mindestlohns Alle Mindestlöhne liegen unterhalb der offiziellen Niedriglohnschwelle (66% des Median) Viele Mindestlöhne liegen unterhalb der Armutsschwelle (50% des Median)
47 Relative Wert des Mindestlohns Mindestlöhne in % des Medianlohns,
48 Beschäftigte mit einem Lohn unterhalb von 60% des Median (2010) Insgesamt 28 Millionen Beschäftigte könnten von einer Europäischen Mindestlohnpolitik profitieren!!! Quelle: Eurofound
49 Europäische Initiative zur Stärkung der Tarifautonomie Keine weiteren Eingriffe in die Tarifautonomie Förderung/Stärkung von sektoralen Flächentarifvertragsstrukturen Ausbau des Instruments der Allgemeinverbindlicherklärung
50 Tarifbindung und AVE in Europa
51 Fazit: Beitrag der Lohn- und Tarifpolitik zur Überwindung der Krise Ende aller Lohnkürzungen und Lohnstopps Höhere Lohndynamik (insbesondere in den Überschussländern) zur Stärkung der Nachfrage und Bekämpfung von Deflation Stärkung der lohnpolitischen Institutionen Europäische Mindestlohnpolitik Europäische Initiative zur Stärkung der Tarifautonomie/Flächentarifverträgen
52 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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