ZUR KARTE "NÖRDLICHES BOCKKARKEES 1979", 1 :10000
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- Ilse Dressler
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1 Band 19, Heft 2 (1983), S MITTEILUNG ZEITSCHRIFT FÜR GLETSCHERKUNDE UND GLAZIALGEOLOGIE 1984 by Universitätsverlag Wagner, Innsbruck ZUR KARTE "NÖRDLICHES BOCKKARKEES 1979", 1 :10000 Von H. SLUPETZKY, Salzburg, R. PURUCKHERR und CH. HOBERG, Bochum Mit I Foto und einer Kartenbeilage ZUSAMMENFASSUNG Vom Nördlichen Bockkarkees in der Glocknergruppe (Hohe Tauern, Ostalpen) wurde eine neue Karte im Maßstab I : hergestellt. Als Grundlage diente eine luftphotogrammetrische Aufnahme vom 18. September 1979, die Originalauswertung erfolgte im Maßstab I : Die Karte ist in vier Farben ausgeführt und hat Höhenlinien mit 10m Äquidistanz. Am Nördlichen Bockkarkees ereignen sich immer wieder Rutschungen der Gletscherzunge und Eislawinen mit einem Volumen bis zu mehreren Millionen m 3 Die Karte zeigt den Stand des Gletschers drei Wochen vor dem Abgang einer größeren Eislawine am 5./6. Oktober Die großmaßstäbige Karte ist ein Beitrag zur Untersuchung der wiederkehrenden Eisstürze an diesem Gletscher und eine der notwendigen Grundlagen für weiterführende Forschungen. A NEW MAP OF "NÖRDLICHES BOCKKARKEES 1979", I: SUMMARY A new map of Nördliche Bockkarkees (Glocknergroup, Hohe Tauern, Eastern Alps) has been produced in ascale of I : As a basis an aerophotogrammetric survey on September 18, 1979 was used. The original photogrammetric stereoplotting was in ascale of I : The map is printed in four coloures with 10m contourlines. Rapid motion of the glacier tongue and ice avalanches up to several million cubic meters occure on Nördliches Bockkarkees frequently. The position of the glacier is shown three weeks before a glacier avalanche broke off the tongue on October 5./6., The large-scale map represents a contribution to the investigation of the recurrent ice avalanches at this glacier and is one of the necessary preconditions for further research. Die Gletscher im Ferleitental haben durch ihre Lage unweit des alten Tauernüberganges zwischen dem Fuschertal über das Fuschertörl und das Hochtor in das Mölltal schon immer die Aufmerksamkeit auf sich gezogen; seit Bestehen der Großglockner Hochalpenstraße und der Aussichtsstraße auf die Edelweißspitze ist das Ferleitental ein Anziehungspunkt für die vielen Benützer des Alpenüberganges und Besucher der Glocknergruppe geworden. Die Gletscher an den Osthängen des Kapruner-Fuscherkammes, der im Wiesbachhorn mit 3564 m kulminiert, haben einen prägenden Anteil am hochalpinen Charakter der Gebirgsumrahmung. Um das Wiesbachhorn sind es steile, vielfach lawinenernährte Hängegletscher, wie das Walcher-, Sandboden- und
2 164 H. Slupetzky, R. Puruckherr und eh. Hoberg Teufelsmühlkees, die mit spaltenzerrissenen Fronten hoch über dem Talboden enden und von denen häufig Eislawinen abgehen. Südlich davon bieten hochgelegene, flache Altformen - deren größte Ausdehnung in der zentralen Glocknergruppe im Firnbekken des Obersten Pasterzenbodens erreicht wird - die morphologische Voraussetzung für die beiden Kargletscher Hochgruber- und Nördliches Bockkarkees (Abb. 1). Südöstlich des Bockkarkeeses liegt das steile, nordexponierte Fuscherkarkees, ein weiterer Hängegletscher im Trogschluß von Ferleiten. Abb. 1: Das Nördliche Bockkarkees in der Glocknergruppe, im Hintergrund der Oberste Pasterzenboden mit dem Glocknerkamm. Aus dem hochgelegenen Firnbecken fließt das Eis über eine glatte, abschüssige Felsfläche und bildet eine zerrissene, hängegletscherartige Zunge. Der sichelförmige Eisabbruch, die hellen Lawinenkegel unterhalb und die großen Spalten oberhalb lassen eine Zungenrutschung erkennen. Drei Wochen nach der Aufnahme (am 20. September 1979) löste sich ein Teil der Zunge und stürzte als große Eislawine in die Tiefe. (Foto: H. Slupetzky.) Die vom Nördlichen Bockkarkees immer wieder abgehenden Eislawinen und Eisstürze waren der eigentliche Anlaß zur Herausgabe der neuen Karte. Die Eisstürze sind seit Jahrzehnten in der Bevölkerung des Fuschertales bekannt, vor allem bei den Besitzern der Almen im hinteren Ferleitental. Der größte bekannte Eissturz ereignete sich im Sommer 1945: Aus einer Höhe von m löste sich eine große Eismenge, stürzte bis ins Rotmoos in 1300 m Seehöhe und legte dabei eine Strecke von rund 4 km zurück. Das Volumen der abgebrochenen Eismenge dürfte mehrere Millionen m 3 betragen haben.
3 Zur Karte "Nördliches Bockkarkees 1979", 1 : Seit der Errichtung der Möll-Überleitung vom Speicher Margaritze - unterhalb der Pas terze - zum Mooserboden im Kaprunertal und der Bachfassungen im Fuscher Eiskar durch die Tauernkraftwerke AG zu Beginn der 50er Jahre weiß man besser über die Häufigkeit und Auswirkungen der Eislawinen Bescheid. Größere Lawinen, die über die Bachfassung des Käferbaches in 2050 m Seehöhe hinweggehen, verursachen Unterbrechungen in der Überleitung und/oder fallweise Beschädigung der Einlaufbauwerke. Erste systematische Beobachtungen und die Sammlung und Aufarbeitung von Material (Fotos) über frühere Eisstürze wurde 1975 (von H. Slupetzky) begonnen. Am 7. Oktober 1975 hatte sich ein größerer Eissturz mit einem Volumen von über 1 Million m 3 ereignet, der Eislawinenkegel reichte bis in 1650 m am Fuße der Karwand. Nach vier Jahren, in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober 1979, gab es neuerlich einen Eissturz, wobei die vordersten Ausläufer der Lawine nur wenige 100 m vor dem Eisbichl zum Stehen kamen. Es ist einem glücklichen Umstand zu verdanken, daß drei Wochen vor diesem Eissturz eine luftphotogrammetrische Aufnahme im Bereich der Hohen Tauern stattfand. Mit dem Bildflug "Nationalpark Hohe Tauern, 1979" vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien, am 18. September 1979 lagen geeignete Luftaufnahmen des Nördlichen Bockkarkeeses zur photogrammetrischen Auswertung vor. Die Herstellung einer großmaßstäbigen Karte hatte folgende Hauptziele: 1. Vergleich mit der vor 10 Jahren hergestellten Gletscherkarte (Gesamtbefliegung Österreichischer Gletscher 1969), um vor allem die Volumensveränderungen und Massenverlagerungen quantitativ erfassen zu können. 2. Kartierung der früheren Eisstürze und Lawinen in die neue Kartengrundlage für weiterführende Auswertungen. 3. Schaffung einer der notwendigen Voraussetzungen für Modellrechnungen der Eisstürze. 4. Dokumentation des Gletscherstandes für zukünftige Vergleiche. Die Karte des Nördlichen Bockkarkeeses 1979 hat den Maßstab 1: und wurde in vier Farben gedruckt; sie hat das Gesamtformat 70 x 40 cm. Da sie vorwiegend für glaziologische Themen konzipiert ist, wurde auf eine vollständige Darstellung des sonst in topographischen Karten dieses Maßstabes üblichen oder möglichen Inhalts verzichtet (vgl. dazu auch R. Finsterwalder, 1972; M. Kuhn, 1980; A. Lechner, 1982). Sie liegt als Inselkarte vor, die Größe des abgebildeten Geländeausschnittes ist ganz auf die gletscherkundliche Problemstellung zugeschnitten. Im Firngebiet wurde die unmittelbare Umgebung zumeist über die Wasserscheide hinaus einbezogen. Die Auswertung und Darstellung des übrigen Geländes bis in den Talbereich war durch die Auslaufstrecke der großen Eislawine von 1945 vorgegeben. Teile des Fuscherkarkeeses wurden miterfaßt, da auch von diesem Eislawinen abgehen und vor allem deswegen, weil das Bockkar- und das Fuscherkarkees im vorigen Jahrhundert in einer vereinigten Gletscherzunge bis an die Karwand und vermutlich darüber hinaus reichten; Gletscherspuren und Moränen sind an vielen Stellen im Vorfeld sichtbar. Das dargestellte Areal hat eine maximale Länge von 6,3 km und eine maximale Breite von 3,3 km, es umfaßt zwischen dem Talboden (P 1280 m) im Rotmoos und dem Gipfel des Mittleren Bärenkopfes (3357 m) emen relativen Höhenunterschied von 2077 m. Die kartographische Gestaltung der Karte setzt sich aus folgenden Elementen zusammen:
4 166 H. Slupetzky, R. Puruckherr und eh. Hoberg a) Farben Trotz der Einschränkung auf vier Farben (unter Aufrasterung von Schwarz in Grau) wurde eine befriedigende Differenzierung erreicht. Im einzelnen sind die gewählten Farben zugeordnet: Blau Höhenlinien am Gletscher (und auf Schneefeldern), Höhenkoten, Gletschergrenze, Firngrenze, Altschneelinie, Gletscherspalten, Eisabbrüche und Eiswände, Eislawinentätigkeit, Namen; Bäche; Firngrate Schwarz Höhenlinien im Felsgelände, Höhenkoten, Namen, Legende, Felsblöcke, Rinne, Fahrweg, Gebäude (Alm, Hütte), Bachfassung (Möl1stollen), Gradnetz, Signaturen für Wald, Gebüsch, Krummholz Grau Braun Grün Höhenlinien im schuttbedeckten Gelände, Moränen- und Schuttsignaturen Höhenlinien mit Vegetationsdecke, Höhenknoten Wald b) Geländedarstellung Das Gelände und die Gletscheroberfläche sind mit Höhenlinien von 10 m Äquidistanz dargestellt, die 50 m- und 100 rn-höhenschichten sind verstärkt. 10 rn-isohypsen gewährleisten bei der stark gegliederten Topographie eine Dichte, die eine gute Scharungsplastik entstehen läßt (vgl. E.Imhof, 1965); auf eine Schummerung konnte damit verzichtet werden. In den Felsstufen und SteilstelIen war ein Zusammenlaufen der Höhenlinien in Kauf zu nehmen, da von einer Felszeichnung im Hinblick auf die Konzeption der Karte Abstand genommen wurde. c) Situation Für die Gletschergrenze wurde eine blaue, gerissene Liniensignatur verwendet. Die Grenze war zumeist zweifelsfrei feststellbar, jedoch trennt sie nicht überall Eis vom aperen Gelände, sondern im Akkumulationsgebiet Firn- bzw. Altschnee vom Gelände; an manchen Stellen umgrenzt die Linie Altschnee- und Firnfelder. Die Altschneelinie (temporäre Schneegrenze) vom wurde als strichpunktierte Linie eingetragen. Die Gletscherspalten sind in Blau gehalten. Bis 3 m breite Spalten und nicht offene, aber durch die Einsenkung an der Gletscheroberfläche deutlich erkennbare Spalten wurden in Strichdarstellung, solche von größerer Breite durch blaue FlächendarsteIlung ausgewiesen. Eisabbrüche haben eine eigene Signatur. Lawinen unterhalb von Eisabbrüchen sind blau, schuttbedeckte, "schmutzige" Gletscherpartien grau punktiert. Firngrate sind durch eine punktierte Linie hervorgehoben. Für die (Gletscher-)Bäche und die Fuscher Ache wurde das gleiche Blau verwendet; die unterbrochene und je nach den Zuflüssen erst allmählich wiedereinsetzende Wasserführung unterhalb von Bachfassungen wurde mit einer gerissenen blauen Linie kenntlich gemacht. Die Firste von markanten Moränenwällen - meist vom l850er Hochstand - sind grau punktiert, die Böschungen durch eine graue Punktsignatur wiedergegeben. Schutt wurde darüber hinaus nur bei großflächigem Vorkommen ausgeschieden. Die lagerichtige Eintragung markanter Felsblöcke, besonders im Käfertal, sollen die Kartierung und Rekonstruktion von früheren Eislawinen aus Fotos erleichtern. Die mit einer grünen Flächenfarbe ausgewiesenen Zonen stellen annähernd geschlossene Waldflächen dar, die zusätzlichen Signaturen in Schwarz sollen nur qualitativ die Durchmischung und Übergänge des (Nadel-)Waldes zu Krummholzund Gebüschflächen anzeigen.
5 d) Namen Zur Karte "Nördliches Bockkarkees 1979", 1 : Die Namen und topographischen Bezeichnungen wurden der Österreichischen Kartei: entnommen. Die Herstellung einer Karte, auch mit modernen Hilfsmitteln, beinhaltet noch immer eine umfangreiche, kostspielige Kombination aerophotogrammetrischer und terrestrischer Vermessungsarbeit (K. Brunner, 1978). Gerade in schwer zugänglichen Gebirgsregionen, wie auch in der vorliegenden Karte dargestellt, gestaltet sich der terrestrische Teil der Vermessungen sehr zeit- und kostenintensiv. Es wurde hier versucht, aus vorhandenen Luftbildern eine den gewünschten Anforderungen entsprechende Karte im Maßstab I : mit möglichst geringem Kostenaufwand zu erstellen. Zur Orientierung und Kontrolle standen l1 koordinaten- und höhenmäßig bekannte Festpunkte zur Verfügung; es sind trigonometrische Ausgangspunkte des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Wien und Punkte der Tauernkraftwerke. Teilweise wurde auf die Gletscherkarte 1969 des Österreichischen Gletscherkatasters zurückgegriffen. Bei guter Bildqualität bietet die Kartierung des Grundrisses keine Schwierigkeiten. Diese treten jedoch regelmäßig bei der Höhenlinienauswertung auf, und zwar in Waldgebieten, an Steilstufen und besonders in kontrastarmen Firngebieten. Das Auswertegebiet ist nur zu rund 6 % von Wald bedeckt, der zudem keine zusammenhängende Vegetationsdecke bildet, so daß mit den üblichen Verfahren - photogrammetrisches Messen der Baumhöhen an den Waldrändern und Überprüfung der gefundenen Linien im Bereich von Lichtungen - gute Ergebnisse erzielt werden konnten. In Steilstufen, besonders wenn sie schwer einzusehen sind oder im Schatten liegen, ist ein genaues Abfahren der Höhenlinien oft unmöglich. Terrestrisch-photogrammetrische Ergänzungsmessungen würden diese Schwierigkeiten ausräumen. Auf solche Hilfen sollte hier jedoch aus Kostengründen ausdrücklich verzichtet werden. Stattdessen wurden die Linien mehrfach abgefahren und gemittelt. Die Ergebnisse konnten beim Austritt der Meßmarke aus dem Problembereich überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Die Unsicherheiten der Höhenbestimmung in kontrastarmen Bereichen der Firngebiete sind allgemein bekannt (E. Konecny, 1972). Man kann den Auswertungsschwierigkeiten entgehen, indem Farbmarkierungen von Hand oder aus der Luft auf die Gletscheroberfläche aufgebracht werden. So wurden beispielsweise zur Vorbereitung der Aufnahme des Aletschgletschers Farbmarken mit einem Durchmesser von je 3 m auf dem Gletscher verteilt (R. Kasser et al., 1966). Auch solche Maßnahmen kamen hier nicht in Frage, da auf bestehendes Bildmaterial zurückgegriffen werden sollte. Die Höhenlinien im kontrastarmen Gletschergebiet zwischen 2900 und 3200 m ü. NN wurden wie in den schwierigen Steilstufen mehrfach abgefahren und fortlaufend gemittelt. Die Größte der Abweichungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Mitteln gibt ein Maß für die Güte der Annäherung (eine Anwendung der aus der Statistik geläufigen Nullhypothese). Beim Übergang in kontrastreichere Gebiete ergeben sich zusätzliche Kontrollen. Als Auswertemaßstab wurde I : 5000 gewählt, und die Auswertung anschließend auf I: verkleinert, so daß verbleibende Fehler ebenfalls vermindert wurden. Zwar lassen die beschriebenen Maßnahmen eine befriedigende Kartenqualität erwarten, geben jedoch keine Aussage über die absolute Genauigkeit der Darstellungen. Eine exakte Bestimmung ist nur durch Vergleich mit wesentlich genaueren Kartierungen oder Meßergebnissen desselben Aufnahmegebietes möglich (G. Hake, 1976 und
6 168 H. SIupetzky, R. Puruckherr und eh. Hoberg 1982). Dazu müßten einige repräsentative Testgebiete im Auswertebereich sehr genau aufgemessen werden, am besten durch eine topographische Geländeaufnahme. Da diese aufwendige Methode hier auszuschließen ist, müssen die Genauigkeitsaussagen aus den Bildflugelementen, der Auswertegenauigkeit des Gerätes und aus dem Vergleich mit den wenigen bekannten Geländepunkten (Kontrollpunkten) hergeleitet werden, die für die absolute Orientierung der Modelle nicht benutzt worden sind. Äußere Genauigkeit: Die gegebenen Höhen dieser Kontrollpunkte wurden als fehlerfreie Sollwerte angenommen, photogrammetrisch wurden die Höhen je zehnfach bestimmt. Aus den Unterschieden E zwischen photogrammetrisch bestimmter Höhe und Sollhöhe ermittelt man die Höhengenauigkeit mh der Auswertung (äußere Genauigkeit) in den Kontrollpunkten mit mh = ]l[ee]/n, n = Anzahl der Einzelbestimmungen, zu mh = ± 0,76 m. Innere Genauigkeit: Um ein Maß für die innere Höhengenauigkeit im Gletscherbereich zu erhalten, wurden photogrammetrisch Höhenmessungen an gut identifizierbaren Punkten (z. B. Ende einer Gletscherspalte) und an schlecht zu erkennenden Punkten im Firngebiet durchgeführt. Die Abweichungen v der Einzelmessungen vom Mittelwert ergaben mit mh = V[vv]/n-u, u = Anzahl der Mittel, Höhengenauigkeit von mh = ± 0,58 m für gut erkennbare und mh = ± 0,68 m für schwererkennbare beliebige Geländepunkte. Diese Werte entsprechen 0,14 %0 bzw. 0,17 %0 der Flughöhen hg über Grund bei der Aufnahme. Die mittlere Flughöhe über dem gesamten Aufnahmegebiet betrug 4600 m. Mit dem Mittelwert 0,15 %0 erhält man mh = ± 0,15 %0, hg = ± 0,69 m als Maß für die Höhengenauigkeit eines beliebigen Punktes im Gletscherbereich. Lagegenauigkeit: Da keine Kontrollmessungen im Gelände durchgeführt wurden, läßt sich die Lagegenauigkeit eines Punktes nur theoretisch auf Grund der bekannten photogrammetrischen Auswertegenauigkeit abschätzen. Bei der photogrammetrischen Auswertung geht man von Lagegenauigkeiten von 5 ~m. mb für gut einstellbare Punkte aus. Für topographische Auswertungen muß man jedoch mit wesentlich unsichereren Werten bis 30 ~m' mb rechnen. mb bedeutet die Bildmaßstabszahl, die für die vorliegenden Aufnahmen im Mittel beträgt. Legt man den ungünstigsten Wert 30 ~m' mb zugrunde, erhält man für die Lagegenauigkeit ml eines Punktes ml = ± 0,90 m, so daß die Lagegenauigkeit der Kartiergenauigkeit von ± 0,2 mm im Auswertemaßstab 1 : 5000 entspricht. Höhenliniengenauigkeit: Die Genauigkeit einer Höhenlinie wird bekanntlich durch die Koppesche Formel angegeben: mh = ± (a+b tana) für die Höhe und ml = ± (b + a cot a) für die Lage. Der Winkel a gibt die jeweilige Geländeneigung an, die Parameter a und b werden im allgemeinen aus dem oben genannten Vergleich der Kartierung mit wesentlich genaueren Ergebnissen für Teilbereiche durch Ausgleichsrechnung ermittelt. Das Fehlen solcher Testmessungen läßt sich nur mit der Hypothese überbrücken, daß eine Höhenlinie im Grunde auch nur eine Punktmenge ist, so daß die oben gefundenen Genauigkeitsmaße mh und ml für mh und ml in die Koppesche Formel eingeführt werden und diese dann nach a und b aufgelöst wird. Damit erhält man die Parameter zu a = + 0,57 mund b = + 0,36 m, so daß die Höhenliniengenauigkeit angegeben werden kann mit mh = ± (0,57 + 0,36 tan a) und mr = ± (0,36 + 0,57 cota). Bei allem Vorbehalt gegenüber den aufgezeigten Theorien kann somit gesagt werden, daß die vorliegende Karte im Maßstab 1: den Ansprüchen der meisten Benutzer gerecht wird. Selbst für die exakte Bestimmung von Volumensänderungen werden z. B. in G. Konecny (1972) Höhenliniengenauigkeiten von 1 bis 2 m gefordert.
7 Zur Karte "Nördliches Bockkarkees 1979", 1: Die Karte des Nördlichen Bockkarkeeses ist ein Beispiel dafür, daß sich aus vorhandenem Bildmaterial, wenn ausreichend Paßpunkte und einige Kontrollpunkte zur Verfügung stehen, auf wirtschaftlich vertretbare Weise brauchbares Kartenmaterial gewinnen läßt. Die terrestrischen Arbeiten zum Feldvergleich lassen sich weitgehend reduzieren, wenn vorhandene ältere Karten als Interpretationshilfe herangezogen werden können. Aus der Gletscherkarte können glaziologische Daten und Parameter gewonnen und Erkenntnisse zur Entstehung der Eisstürze abgeleitet werden. Die Fläche des Nördlichen Bockkarkeeses beträgt ,621 km 2 gegenüber 3,482 km 2 (mit Firnkragen) im Jahre 1969 (Österreichischer Gletscherkataster). Die (geringe) Flächenzunahme ist in erster Linie auf eine Vergrößerung des Ablagerungsgebietes von Eistrümmerkegeln zwischen 2300 und 2700 m gegenüber 1969 zurückzuführen. Damals war am 2. September 1969, kurz vor der Befliegung am 12. Oktober, eine Eislawine abgegangen und hatte Teile des Felsuntergrundes zwischen 2600 und 2800 m entblößt. Der Gletscher erstreckt sich über 1236 Höhenmeter, der tiefste Punkt liegt bei 2121 m, der höchste (Mittlerer Bärenkopf) bei 3357 m. Da für den Bereich oberhalb ca m die maximale Ausaperung am 21. September, also 3 Tage nach der Flugaufnahme, erreicht war, ist die in der Karte eingetragene (temporäre) Altschneelinie weitgehend mit der Gleichgewichtslinie dieses Jahres gleichzusetzen (unterhalb 2600 m ging die Ablation, wenn auch nur gering, bis maximal 10. Oktober weiter). Der Gletscher war 1979 weniger stark ausgeapert als 10 Jahre zuvor, die unterschiedlichen Ernährungsbedingungen sind zahlenmäßig wie folgt zu beschreiben: 1969* 1979 Mittlere Höhenlage der Altschneelinie Sc/S Sc/Sa Akkumulationsfläche Sc Ablationsfläche Sa Gletscherfläche S 2960 m 0,64 1,81 2,243 km' 1,239 km' 3,482 km' * Österreichischer Gletscherkataster 1969; G. Gross, 1983 und pers. Mitt.) m 0,81 4,26 2,933 km' 0,688 km' 3,621 km' Am Stubacher Sonnblickkees wurde für das Haushaltsjahr 1978/79 eine mittlere spezifische Nettornassenbilanz von kg/m 2 und für 1968/69 eine von kg/m 2 gemessen (H. Slupetzky, 1979, 1981). Eine Firngrenze war 1979 über einer Seehöhe von ca m zumeist nicht vorhanden, stellenweise war sie ident mit der Altschneelinie oder begleitete diese als ganz schmaler Saum. Erst unter 2600 m war die Firngrenze deutlicher abgesetzt, sie wurde vom Firn des vorhergehenden Jahres 1977/78 gebildet. Beim Nördlichen Bockkarkees ist bei der Verwendung der Flächenverhältnisse (der Höhenlage der Altschneelinie) als Kenngrößen für Rückschlüsse über den Massenhaushalt und die klimatischen Bedingungen Vorsicht geboten. Einerseits kann die jährliche Massenbilanz, wenn größere Eislawinen oder Eisstürze vorkommen, sehr "gestört" werden, andererseits erhebt sich auch die Frage, welche Teile des "Ablationsgebietes" überhaupt als zur Gletscherzunge zugehörig betrachtet werden können. Mit der Karte des Bockkarkeeses wurde die Situation des Gletschers wenige Wochen vor dem Eissturz am 5./6. Oktober 1979 dokumentiert (Abb. I). In der Hauptsache sind es die topographischen Gegebenheiten und der Eisnachschub in ihrer
8 170 H. Slupetzky, R. Puruckherr und Ch. Hoberg gegenseitigen Wechselwirkung und Abhängigkeit, die immer wieder zum Entstehen der Eislawinen und Eisstürze führen. Aus dem relativ großen, flachen, hochgelegenen Firnbecken fließt das Eis unter topographisch bedingter Einengung und Vers teilung abwärts und bildet eine kurze spaltenzerrissene Gletscherzunge. Sie ist als Eisbruch ausgebildet und endet gegenwärtig hängegletscherartig. Verursacht durch eine Versteilung im Untergrund entsteht immer wieder in 2700 bis 2900 m Seehöhe eine Abbruchkante, wo das Eis sicheiförmig abreißt und eine Felsinsel zum Vorschein kommt (P. 2742, P. 2779). Darunter schließt eine glatte, abschüssige Felsfläche an, auf der das Eis mehr oder weniger aufgelöst weiterfließt und gleitet. Unterhalb einer Felsstufe (in einer Seehöhe von 2450 m) erstreckt sich zwischen 2480 mund 2121 m ein schmaler, regenerierter Gletscherfleck. Eine der Größe des Akkumulations- bzw. Nährgebietes entsprechende Gletscherzunge kann sich auf Grund der derzeitigen Dimensionen des Gletschers wegen der vorgegebenen topographischen Verhältnisse nicht bilden. Bei einer bestimmten Position der Zunge kommt es immer wieder zu Rutschphasen, die in Eisstürze übergehen können. Als wichtige Komponente, ob es bei einer Rutschung zu einem Gletscherabbruch (H. Röthlisberger, 1978) kommt oder nicht, ist die Abstützung des nachfließenden Eises im Bereich der sicheiförmigen Verwerfung anzusehen. Verursacht durch den Massenzuwachs der Alpengletscher seit Mitte der 60er Jahre wurde bei einer erheblichen Zahl eine Vorstoßphase eingeleitet. Beim Bockkarkees kam es zu einer zunehmenden Eislawinentätigkeit. In den Jahren 1967, 1971, 1975 und 1979 ereigneten sich größere Eisstürze mit Volumina von jeweils größenordnungsmäßig über 1 Million m 3 Wieder nach vier Jahren ging am 15. September 1983 eine Eislawine mit ca. Vz Millionen m 3 ab, wobei ein Mehrfaches dieser Eismenge eine Rutschphase mitmachte, aber nicht zum Absturz kam. Die Herstellung dieser Karte geht auf die Anregung von H. Slupetzky zurück, der die glaziologisch-geographischen Fragen bearbeitete und auch die Gesamtleitung innehatte. R. Puruckherr zeichnete für den geodätisch-photogrammetrischen Teil verantwortlich und betreute die Diplomarbeit von eh. Hoberg (1983), der die Auswertung und die kartographische Herstellung besorgte. Den Druck der Karte übernahm in dankenswerter Weise Ud. Vermessungsdirektor Suhre, Vermessungs- und Katasteramt der Stadt Bochum. Für die Bewilligung zur Auswertung der Luftbilder danken wir dem Amt der Tiroler Landesregierung (Photogrammetrisches Institut) und dem Bundesamt für Eichund Vermessungswesen in Wien, sowie Herrn Dipl.-Ing. G. Schlegel, Abteilung Vermessung, der Tauernkraftwerke AG für die Bereitstellung der Daten der Festpunkte. Der Salzburger AG für Elektrizitätswirtschaft (SAFE) sind wir für einen finanziellen Beitrag zu den Auswertekosten sehr zu Dank verpflichtet. LITERATUR Brunner, K., 1978: Zur neuen Karte "Gepatschferner 1971" im Maßstab 1 : Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 14 (2): Finsterwalder, R., 1972: Begleitworte zur Karte des Vernagtferners 1 : vom Jahre Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 8: 5 -I O. Grass, G., 1983: Die Schneegrenze und die Altschneelinie in den österreichischen Alpen. Innsbrucker Geographische Studien. Bd. 8: Arbeiten zur Quartär- und KIimaforschung Hake, G., 1976 und 1982: Kartographie Bd. I, Berlin 1982,342 S., Bd. II, Berlin 1976,307 S. Hoberg, Ch., 1983: Auswertung von drei Luftbildern des Nördlichen Bockarkeeses. Diplomarbeit, Fachhochschule Bochum.
9 Zur Karte "Nördliches Bockkarkees 1979", I: Imhof, E., 1965: Kartographische Geländedarstellung. Berlin. 425 S. Kasser, P. und H. Röthlisberger, 1966: Some problems of glacier mapping experienced with the 1 : map of the Aletsch Glacier. Canadian Journal of Earth Sciences, Vol. 3, No. 6, Paper No. 8: Konecny, G., 1972: Gletscherphotogrammetrie. Handbuch der Vermessungskunde Bd. UI a/2, Stuttgart Kuhn, M., 1980: Begleitworte zur Karte des Hintereisferners 1979, I: Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 16 (I): Lechner, A., 1982: Topographische Hochgebirgskarten I: Geowissenschaftliche Mitteilungen 20: Räthlisberger, H., 1978: Eislawinen und Ausbrüche von Gletscherseen. Jahrbuch der Schweizerischen N aturf orschenden Gesellschaft, wissenschaftlicher Teil. Birkhä user Verlag: Slupetzky, H., 1979: Massenhaushaltswerte vom Stubacher Sonnblickkees für die Jahre 1971/72 bis 1977/78. Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 15 (1): Slupetzky, H., 1981: Massenhaushaltswerte vom Stubacher Sonnblick- und Filleckkees für die Jahre 1978/79 und 1979/80. Zeitschrift für Gletscherkunde und G1azialgeologie 17 (2): Karte erhalten am 23. Februar 1984; Manuskript erhalten am 30. März 1984 Anschrift der Verfasser: Ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz Slupetzky Institut für Geographie der Universität Salzburg Akademiestraße 20 A-5020 Salzburg Prof. Dr. Dipl.-Ing. Rolf Puruckherr, Dipl.-Ing. Christoph Hoberg Fachhochschule Bochum, Fachbereich Vermessungswesen Lennershofstraße 140 D-4630 Bochum 1
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