Die Darstellung der Gravitation als Phänomen im Unterricht
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- Kasimir Carsten Fuhrmann
- vor 7 Jahren
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1 Wenn ein Lehrer eine Pädagogik entwickeln möchte, die den Schüler in seiner gesamten Entwicklung als Mensch fördert, so kann er sich zum Beispiel darum bemühen, das Wesen einer Sache möglichst gut zu erfassen und dieses Wesen auch dem Schüler nahe zu bringen. Diese Möglichkeit soll hier am Beispiel des Themas Schwerkraft oder Gravitation skizziert werden: Wie kann das Wesen der Gravitation erfasst werden? Die naturwissenschaftliche Sichtweise über die Gravitation wurde 1686 von Newton begründet. Kurze Zeit zuvor hatte Kepler beschrieben, dass sich die Planeten auf elliptischen Bahnen bewegen und Galilei hatte herausgefunden, dass fallende Körper sich gleichmäßig beschleunigen. Newton erkannte, dass ein Körper nicht nur einfach fiel, sondern von einer unsichtbaren Kraft angezogen würde. Er fragte sich, ob diese unsichtbare Kraft dieselbe ist, die die Planeten auf ihren Bahnen hält. Newton schlussfolgerte, dass so wie die Schwerkraft der Erde den Körper anzieht, so würde diese auch den Mond anziehen und die Masse der Sonne würde die anderen Planeten anziehen, sodass sie nicht durch das All davon treiben. Später vervollständigte Newton die Aussage, dass die Masse der Körper und die Intensität der unsichtbaren Kraft- der Gravitation die Bewegung der Körper bestimmen würde. Es bestünde so etwas wie ein Gleichgewicht zwischen Fliehkraft und Schwerkraft, das sich in einem genauen Verhältnis zwischen Entfernung der Körper und Umlaufgeschwindigkeiten ausdrückt. Würde also der Mond zu nah an der Erde sein, so würde er in die Erde fallen, weil ihm die Schwerkraft zu stark anzieht, würde er zu weit weg von der Erde sein, würde er ins All treiben. Newton erklärte, dass diese universelle Kraft, die Gravitation, die Materie zusammenhält und aus der Materie selbst entsteht. Die Gravitation als Kraft, die aus der Materie hervorkommt und die Materie zusammenhält (Newton) Diese heute übliche Sichtweise kann der Lehrer beschreiben. Erweiternd kann er die Zeit, in der Newton lebte, darstellen. Im 17. Jh. kamen allmählich die Naturwissenschaften auf und der Mensch verlor dafür den Zusammenhang mit einem Geistigen. Die Schüler können durch ein gute Darstellung dieser Rahmenbedingungen verstehen, dass eine bestimmte Zeit auch bestimmte Sichtweisen und Wissenschaftler hervorbringt, sie können verstehen, wie der Mensch in dieser Zeit zum Beispiel mehr und mehr auf die Materie ausgerichtet war und diese zerlegte und untersuchte und alles aus ihr erklären wollte und wie es diese Anschauungen in einer Zeit davor, wie etwa im Mittelalter oder der Antike nicht gegeben hat. Da- 1
2 bei sollte natürlich keine Wertung über die Menschen oder Kulturen abgegeben werden, etwa in der Weise die Menschen in früheren Zeiten waren noch nicht so kulturell hochstehend, vor allem sollte der Lehrer derartige allgemeine Urteile vermeiden, die nur aus äußeren technischen oder materiellen Möglichkeiten abgeleitet sind, denn der Siegeszug des naturwissenschaftlichen Denkens, wie es heute in den Schulen gelehrt wird, begründet sich vor allem mit der Umsetzbarkeit und Machbarkeit in der Technik und nicht mit der Bezugnahme auf eine absolute Wahrheit. Wertvoll ist die Darstellung eines geschichtlichen Abrisses zum Beispiel dann, wenn deutlich wird, welche großen Aufgaben die Menschheit in den einzelnen Geschichtsepochen hatte und auch welche Aufgaben es heute sind. In diesem Rahmen kann auch die Vorstellung Newtons über die Schwerkraft beleuchtet werden. Ein gute und aus einer größeren Überschau entwickelte Abhandlung über die Art und Weise, wie sich der Mensch in verschiedenen Zeitabschnitten fühlend und denkend mit der Welt in Beziehung gebracht hat, findet man zum Beispiel in dem Buch von Rudolf Steiner: Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte. Die Zeitepoche der Entstehung der Naturwissenschaft umfasst etwa die letzten 600 Jahre der gesamten Menschheitsgeschichte. Die naturwissenschaftliche Anschauung über die Gravitation kann durch diese kulturelle Bezugnahme in einem größeren Entwicklungszusammenhang gebracht werden und muss nicht mehr als absolute Wahrheit gesehen werden. Diese Art der Bezugnahme entspricht der Pädagogik des Mars, die Heinz Grill im ersten Teil des Buches in Der Mars und die Entwicklung geeigneter Denkvorstellungen für eine gesunde Aktivität des Bewusstseins im Kapitel 6 beschreibt. Es wird ein Sachverhalt so freilassend beschrieben, dass bei dem Zuhörer nicht mehr der moralische Druck entsteht, den Sachverhalt oder seine Darstellung als ewig gültig annehmen zu müssen. Die Schüler können sich dann freier dem Wesen einer Sache, in diesem Fall dem Wesen der Gravitation annähern und offener die Tatsachen beobachten. Die naturwissenschaftliche Sichtweise ist eine mögliche aber nicht zwingende Sichtweise. Ihr Erfolg ist vor allem durch die Umsetzung in der Technik begründet. Nun kann der Lehrer bewusst einen Gegenstand fallen lassen und fragen, warum fallen alle Dinge nach unten. Warum wirkt die Schwerkraft? Wie entsteht sie? Ist sie automatisch für alle Ewigkeiten da? Auf die Frage, warum Dinge nach unten fallen, antwortet heute die Naturwissenschaft, 2
3 dass die Schwerkraft dafür verantwortlich sei, die aus der Materie selbst entstehen würde, aber warum gibt es sie, wie entsteht sie? Wie kommt es, dass zunächst fein verteilte Materie sich zu einem Schwerezentrum zusammenballt? In einer höheren Klasse oder in der Erwachsenenbildung kann der Lehrer diese Frage zum Beispiel an Hand der mit den heutigen Vorstellungen über die Entstehung des Sonnensystems verbundenen Probleme weiter ausbauen, in dem er diese Vorstellungen und die aus ihnen hervorgehenden Fragen darstellt: Die von der Materie oder Masse hervorgerufene Gravitation lässt die im Weltraum fein verteilte Materie sich zu Planetenkörpern zusammenballen und bestimmt dann auch deren Abstände und Bewegungen. Hat das entstandene Sonnensystem einen einigermaßen stabilen Zustand erreicht, so kann man die Bewegung der Planeten als Ausdruck eines Gleichgewichts zwischen Anziehungskraft oder Gravitation und Zentrifugalkraft sehen: die Massen und Abstände der Planeten erfordern eine bestimmte Umlaufgeschwindigkeit oder Bewegung, damit die beiden Kräfte sich die Waage halten und die Bahnen der Planeten stabil bleiben (Kant-Laplace`sches Modell). Warum wirkt die Schwerkraft, wie entsteht sie? In einem ersten Tafelbild kann dieses Gleichgewicht zum Beispiel an einem Zweikörpermodell erläutert werden: Gleichgewicht der physischen Kräfte als Ursache für eine stabile Planetenbahn: Schwerkraft und Zentrifugalkraft halten sich die Waage. Er kann dann weiter darauf hinweisen, dass diese Darstellung schon deswegen eine gewisse Problematik zeigt, weil nicht erklärt wird, wie anfänglich die Verdichtung der fein verteilten Materie an bestimmten Stellen beginnt und woher eine anfängliche Drehbewegung der gesamten Materie- 3
4 wolke kommt. Selbst wenn man annimmt, dass das Schwerezentrum, der gesamte Drehimpuls der Materie und die Materie selbst von einem explodierten Vorläuferstern stammen, so bleibt die Frage, woher hat dieser seine Drehung und seine Materie, wie konnte er ein Zentrum bilden und man kann die Beantwortung der Frage ad Infinitum immer weiter in die Vergangenheit zurückschieben, bis man zu dem punktförmigen Ereignis eines wie auch immer gearteten Urknalls kommt. Die letzte Erklärung über Herkunft von Energie Materie und Bewegung wird heute durch verschiedene theoretische Urknall- Modelle gegeben. Auf diese Weise kann dem Schüler oder Zuhörer deutlich werden, dass eine in einem bestimmten Zeitabschnitt oder bestimmten kulturellen Rahmen entstandene Theorie oder ein Denkmodell nicht unbedingt eine absolute Wahrheit oder die Wirklichkeit selbst darstellt. Später kann der Lehrer fragen, warum wächst ein Baum, eine Pflanze aber nach oben, warum kann sich ein Mensch aufrichten? Kann man das nur so erklären, dass man zum Beispiel sagt, es würde Zelle auf Zelle getürmt werden, bis so ein Gebilde wie ein Baum entsteht? Woher wissen die Zellen, in welche Richtung sie sich türmen müssen? Der Lehrer sollte hier vielleicht auch deutlich machen, dass die meisten Pflanzen sich tatsächlich nach der radialen Richtung zur Erdoberfläche, also nach der Schwerkraft und nicht etwa nach dem Sonnenstand ausrichten. Die Zypresse zeigt besonders deutlich die radiale, der Schwerkraft entgegengesetzte Wuchsrichtung. Die Umkreiswirkungen des Kosmos erwecken in der Erde eine Aufrichtekraft, die in den Pflanzen ihren ersten Ausdruck findet. Es wird dann deutlich, dass es Kräfte gibt, die nach unten wirken, aber dass es auch Kräfte gibt, die nach oben streben und die sogenannte Schwerkraft überwinden und es eröffnet sich vielleicht die Frage: Haben die beiden miteinander etwas zu tun? 4
5 Wie wirken die Kräfte, die die Schwerkraft überwinden? Stehen sie in einem Zusammenhang mit der Schwerkraft selbst? Die gestellten Fragen können an der Tafel stehen und ein zweites Tafelbild kann erste, Antwort gebende Vorstellungen verdeutlichen. Man kann zum Beispiel erst einen isolierten Punkt als angenommenes Zentrum auf die Tafel setzen und ihn dann durch einen Umkreis wirklich zum Zentrum erheben: Punkt und Umkreis; Zentralkräfte und Sphärenkräfte. Die Schüler werden sehen, dass es einen Kreis mit einem Mittelpunkt gibt und ahnen, dass es einen Mittelpunkt ohne einen Umkreis nicht geben kann, und schlussfolgern, dass es eine Schwerkraft oder aus der Mitte heraus wirkende Kraft ohne einen Umkreis nicht geben kann. Die Schwerkraft wird also nicht vom Punkt oder dem Massenzentrum selbst hervorgebracht, sondern entsteht im Zusammenhang mit seinem Umkreis. Der Lehrer kann sagen, wenn diese Vermutungen ausgesprochen werden, dass der Umkreis nun gehörig groß gedacht werden muss, bis an die Grenze des Planetensystems und dass es der Kosmos ist, der zentrierend auf die Erde wirkt, das heißt ein Zentrum entstehen lässt und gleichzeitig die Aufrechte schafft. Die Schwerkraft kann ohne einen Umkreis nicht entstehen. Der Autor Heinz Grill beschrieb zu dieser Umkreiswirkung Folgendes: Der letzte der sogenannten klassischen Planeten, Saturn, ist es, der aus der umliegenden Sphäre mit einer zentripetalen, zentrumschaffenden Kraft 5
6 auf die Erde wirkt und gleichzeitig die Pflanzen aufrecht wachsen lässt. Diese Kraft ist im Menschen auch angelegt, aber er muss sich mit seiner Entwicklung um diese Kraft bemühen, da er sonst der äußeren Schwerkraft unterliegt und dies nicht nur physisch im gebeugten Gang, sondern in der gesamten Ausrichtung seines Wesens. Mit diesem weiteren Gedanken wird neben dem historischen Rahmen auch ein tieferer geistiger Bezug in das Thema hereingeführt, der zum Beispiel auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Menschen und dem Phänomen, hier der Schwerkraft, hinweist. Auf diese Weise wird den Schülern oder Zuhörern das Wesen der Sache auf einer weiteren Ebene herangeführt. Diese Ebene ist aber kein Anthropomorphismus oder ein pädagogischer Trick, sondern sie bezieht sich auf eine tiefere geistige Wahrheit, die sich mit der Seele des Zuhörenden viel leichter und dauerhafter verbindet als etwa nur eine formal-intellektuelle Erklärung. Sie nimmt auf die im ersten Teil des Buches dargestellte Pädagogik Bezug (siehe erster Teil, Die Pädagogik des Saturn, Kapitel 4.) durch die ein Begriff in seinem ursprünglichen einzigartigen Phänomen mehr und mehr ins Bewusstsein rücken kann. In der geistigen Welt besteht ein tieferer Zusammenhang zwischen Schwerkraft, Mensch und Kosmos Die Vorstellung, dass ein Zusammenhang zwischen einem Mittelpunkt, in dem Fall, der Erde als Gravitationszentrum und einem Umkreis, dem Planetensystem besteht und eine Gravitation praktisch hervorgebracht wird, belebt in dem Schüler das eigenständige Denken, denn er kann diese Vorstellung in sich weiterbewegen und sich forschend betätigen und muss nicht fertige Aussagen lernen. Die Seele wünscht sich ein selbständiges Forschen und der Schüler benötigt Anregungen, die er tatsächlich in sich weiterdenken kann. 6
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