Begleitetes Fahren ab 17

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1 Wolfgang Bertram Seite 1 von 5 Arbeitspapier für die Ausbildung von Moderatoren der Verkehrswachten Begleitetes Fahren ab 17 Allgemeines 1. Im Jahr 2001 sind auf deutschen Straßen rund 7000 Menschen ums Leben gekommen, davon waren 1606 zwischen 18 und 24 Jahre alt. Diese Altersgruppe umfasst die am stärksten gefährdete Teilgruppe der 18- bis 20-Jährigen. Dort sind die meisten Fahranfänger zu finden, deren fahrleistungsbezogenes Unfallrisiko etwa fünf mal so hoch ist wie im Gesamtdurchschnitt aller Altersgruppen, 1 während das entsprechende Risiko der 21- bis 24-jährigen etwas mehr als doppelt so hoch ist. Der Risikoverlauf bei deutschen Fahranfängern zeigt nach etwa neun Monaten eine Halbierung, nach 2,6 Jahren eine Verringerung auf 10% des Anfangsrisikos 2. Diese Verlaufsform ist auch in anderen Ländern erkennbar. Der Rückgang des Unfallrisikos ist demnach auf einen kontinuierlichen fahrpraktischen Erfahrungszuwachs zurückzuführen. Die Fahrpraxis in der Fahrschule ist auf Fahrleistungen zwischen 500 und 1200 km begrenzt. Routine wird erst nach Erhalt des Führerscheins gewonnen. Damit fällt der Erfahrungszuwachs in die Zeit des höchsten Risikos und wird mit vielen Unfällen bezahlt. Dieser Widerspruch soll mit dem Begleiteten Fahren aufgelöst werden. 2. Das Modell geht u.a. von folgenden Voraussetzungen aus: Die Fahrausbildung ist professionellen Fahrlehrern vorbehalten. Ab dem 18. Lebensjahr besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B/BE Um für den Maßnahmenansatz einen Zeitpuffer zwischen Aushändigung des Führerscheins und selbständiger Teilnahme als motorisierter Fahrzeugführer zu erhalten, wird das Mindestalter auf 17 Jahre herab gesetzt. Diese Absenkung zielt nicht auf die Ausweitung individueller Mobilität, sondern verlängert die Lernzeit; sie ist ein Hilfsmittel, kein Geschenk. 3. Auch wenn das Begleitete Fahren nicht wie in anderen europäischen Ländern 3 Teil der Fahrausbildung ist, sondern nach Erwerb der Fahrerlaubnis am Beginn der Fahrerkarriere einsetzt, ist eine besondere Unfallbelastung nicht zu erwarten, weil die Fahranfänger zwar rechtlich verantwortliche Fahrzeugführer sind, aber auf Grund der Anwesenheit einer wesentlich älteren Person emotionale und soziale Schranken bestehen. Der in Niedersachsen seit dem durchgeführte Modellversuch hat gezeigt, dass nach erster wissenschaftlicher Auswertung die Unfallhäufigkeit der Jugendlichen um 40 % gesenkt werden konnte. 1 Hautzinger/Tassaux Schade, KBA, Norwegen, Schweden, Österreich, Frankreich, Belgien

2 Wolfgang Bertram Seite 2 von 5 Führen von Kraftfahrzeugen in Begleitung Begleitetes Fahren ab 17 (Stand: August 2005) (Auszüge / Begründungen / Anmerkungen) 6e StVG (1) Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) wird ermächtigt, [ ] zur Senkung des Unfallrisikos junger Fahranfänger [ ] Vorschriften zu erlassen, insbesondere über 1. das Herabsetzen des [ ] Mindestalters zum Führen von Kfz [ ] der Klassen B und BE, 2. die [ ] Auflagen, insbesondere, dass der Fahrerlaubnisinhaber [ ] von einer namentlich benannten Person begleitet sein muss, 3. die Aufgaben und Befugnisse der begleitenden Person nach Nr. 2, insbesondere über die Möglichkeit, dem Fahrerlaubnisinhaber als Ansprechpartner beratend zur Verfügung zu stehen, 4. die Anforderungen an die begleitende Person [ ], insbesondere über a) das Lebensalter b) den Besitz einer Fahrerlaubnis [ ] c) ihre [ ] Eintragungen im Verkehrszentralregister d) über Beschränkungen oder Verbot des Genusses alkoholischer Getränke und berauschender Mittel, 5. die Ausstellung einer Prüfungsbescheinigung, die [ ] ausschließlich im Inland längstens bis drei Monate nach Erreichen des allgemein vorgeschriebenen Mindestalters zum Nachweis der Fahrberechtigung dient 6. die Kosten [ ] 7. das Verfahren Begründung: Durch die Vorschrift wird das BMVBW ermächtigt eine Verordnung zum Begleiteten Fahren ab 17 zu erlassen und darin zu regeln, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis ab Vollendung des 17. Lebensjahres möglich ist. Die Nummer 2 regelt, dass bestimmte Auflagen auferlegt werden sollen bzw. können: Wichtigste Auflage ist die, dass Fahrzeuge der Klassen B und BE nur in Begleitung geführt werden dürfen. Die namentliche Benennung der Begleiter ermöglicht eine genaue Auswahl geeigneter Personen, dies erleichtert die Arbeit der [Polizei]. Die Nummer 3 ermächtigt dazu, die Aufgaben und Befugnisse der begleitenden Person zu regeln. Die Nummer 4 ermächtigt und verpflichtet dazu, Mindestanforderungen (Auswahlkriterien) an den potenziellen Begleiter zu bestimmen, Mindestalter (zur Vermeidung des Peer -Effektes), Fahrerlaubnis (Verkehrserfahrenheit), Anzahl von Punkten im VZR (Zuverlässigkeit). Promillegrenze. [ ] Der von der Anwesenheit eines Begleiters ausgehende mäßigende Einfluss auf das Fahrverhalten wird durch diese Vorgaben gefördert und unterstützt. Die Nummer 5 enthält die Ermächtigung, Regelungen über die Ausstellung von Prüfungsbescheinigungen zu erlassen. Mit Übergabe der Prüfungsbescheinigung beginnt die Probezeit ( 2a StVG). Ab Vollendung des 18. Lebensjahres kann ein Führerschein im Kartenformat ausgehändigt werden. [ ]. Spätestens drei

3 Wolfgang Bertram Seite 3 von 5 Monate nach Vollendung des 18. Lebensjahres verliert die Prüfungsbescheinigung ihre Gültigkeit als Fahrerlaubnis. [ ]. Auch nach Ablauf der Frist ist die Ausstellung eines Führerscheines im Kartenformat möglich,. (2) [ ] (3) Eine [ ] Fahrerlaubnis der Klasse B oder BE ist zu widerrufen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber einer vollziehbaren Auflage [ ] über die Begleitung durch mindestens eine namentlich benannte Person während des Führens von Kraftfahrzeugen zuwiderhandelt. Ist die Fahrerlaubnis widerrufen, darf eine neue Fahrerlaubnis [ ] nur erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweist, dass er an einem Aufbauseminar (ASF) [ ] teilgenommen hat. (4) Begründung: Diese Vorschrift schreibt den zwingenden Widerruf der Fahrerlaubnis vor, wenn der Fahrerlaubnisinhaber gegen eine Auflage verstößt. [Fahrt ohne Begleitperson. Eine solche liegt auch vor, wenn die Begleitperson nicht die Anforderungen erfüllt. (z.b. 0,5 -Grenze)] Anmerkung: Ein Verstoß gegen die genannten Auflagen stellt eine mit Bußgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Entsprechende Regelungen finden sich in der Fahrerlaubnisverordnung. Verkehrszuwiderhandlungen 17-jähriger als Fahrzeugführer stellen kein Novum dar, weil sie bereits heute Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse A1 und M, in der Ausbildung zum Berufskraftfahrer der Klassen B, C1 und C1E, im Übrigen in Ausnahmefällen der Klasse B sein können. Auf sie ist bei Straftaten Jugendstrafrecht anzuwenden. Da der 17-jährige die Fahrerlaubnis erworben hat, ist die strafrechtliche und ordnungswidrige Verantwortlichkeit zu bejahen. Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten gilt grundsätzlich dieses Gesetz (OwiG), insbesondere können Geldbußen und Fahrverbote auch gegen Jugendliche verhängt werden. Fahrerlaubnisverordnung (FeV) Begleitetes Fahren ab 17 Jahre 48 a Voraussetzungen (1) das Mindestalter für die Erteilung der Klassen B und BE [beträgt] 17 Jahre. 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 findet keine Anwendung. (Beibringung eines MPU-Gutachtens) Anmerkung: Eignungszweifel können sich ergeben, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken an der körperlichen oder geistigen Eignung des Bewerbers begründen. Dann kann die Behörde (wie bei allen Bewerbern) durchaus ein MPU-Gutachten fordern. 74 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. (Ausnahmen vom Mindestalter setzen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters voraus) Niedersachsen: Die Erziehungsberechtigten müssen dem Modellversuch als auch der Benennung der Begleiter zustimmen. Darüber hinaus ist einzuwilligen, dass auf Grund der wissenschaftlichen Begleitung Kontaktdaten erhoben werden. Erfolgt keine Zustimmung vom Antragsteller, ist die Teilnahme am Modellversuch ausgeschlossen. Bei Verweigerung des Begleiters wird dieser als Begleitperson nicht zugelassen.

4 Wolfgang Bertram Seite 4 von 5 (2) Die Fahrerlaubnis ist mit der Auflage zu versehen, dass von ihr nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn der Fahrerlaubnisinhaber während des Führens von Kfz von mindestens einer namentlich benannten Person, die den Anforderungen der Absätze 5 und 6 genügt, begleitet wird [ ]. Die Auflage entfällt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber das Mindestalter (18. Lebensjahr) [ ] erreicht hat. Anmerkung: Fährt ein Fahranfänger vor Vollendung des 18. Lebensjahres ohne Begleiter, ist die Fahrerlaubnis zu widerrufen. Vor Wiedererteilung ist an einem Aufbauseminar für Fahranfänger (ASF) teil zu nehmen. Die Probezeit verlängert sich in diesem Fall nicht um 2 Jahre. Sollte bereits aus anderen Gründen ein Aufbauseminar angeordnet worden sein, so muss (als pädagogischer Warnschuss ) noch einmal an einem ASF teilgenommen werden. Besonderheit: Wird ein ASF angeordnet, ohne dass die Fahrerlaubnis widerrufen wurde, darf die Beobachtungsfahrt nur in Begleitung eines zugelassenen Begleiters erfolgen. Ist die Fahrerlaubnis widerrufen, fährt der Betroffene unter der Verantwortung des Fahrlehrers. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung darf der Fahranfänger ab Vollendung des 18. Lebensjahres ohne einen Begleiter fahren, obwohl ggf. noch kein Kartenführerschein ausgehändigt worden ist. (3) Über die Fahrerlaubnis ist eine Prüfungsbescheinigung [ ] auszustellen, die bis drei Monate nach Vollendung des 18. Lebensjahres im Inland zum Nachweis der Fahrberechtigung dient. Die Bescheinigung ist im Fahrzeug mitzuführen und zur Überwachung [ ] auszuhändigen. In der Bescheinigung sind die zur Begleitung vorgesehenen Personen namentlich aufzuführen. Niedersachsen: Fährt der Betroffene nach Ablauf des Gültigkeitsdatums der Prüfungsbescheinigung, handelt es sich nicht um Fahren ohne Fahrerlaubnis ( 21 StVG), sondern um eine Ordnungswidrigkeit nach 75 Nr. 4 FeV. (Mitführen von Führerscheinen, Verwarnungsgeld 10 ) Grundsätzlich genügt eine Person, die die Voraussetzungen erfüllt und bereit ist, als Beifahrer ständig zu begleiten. Weder die Anzahl der Begleitpersonen, noch deren Höchstalter ist limitiert. Die Erziehungsberechtigten sollten aber wissen, dass sie nach Erteilung der Fahrerlaubnis keinen Einfluss mehr auf den Ausschluss einer Begleitperson haben. Sollten nachträglich Begleitpersonen benannt werden, ist eine Neuausstellung der Prüfungsbescheinigung notwendig. (4) Die begleitende Person soll dem Fahrerlaubnisinhaber 1. vor Antritt einer Fahrt und 2. während des Führens des Fahrzeuges, soweit die Umstände der jeweiligen Fahrsituation es zulassen, ausschließlich als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um ihm Sicherheit beim Führen des Kfz zu vermitteln. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe soll die begleitende Person Rat erteilen oder kurze Hinweise geben. Anmerkung: q Der BGH hat ausgeführt, dass die Einwirkung auf das Verkehrsgeschehen nicht notwendig ein Handeln ist, sondern auch ein Unterlassen sein kann, wenn dadurch eine Rechtspflicht zum Tätigwerden verletzt wird. Eine Pflicht zum Tätigwerden kann sich z.b. aus der Position der Begleitperson als Fz-Halter gem. 31 (2) StVZO ergeben. q Falls ein Elternteil die Begleitung übernimmt, ergibt sich daraus allein noch keine Garantenstellung gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, denn Eltern sind nicht ohne weiteres für ein Fehlverhalten ihrer an der Grenze zur Volljährigkeit stehenden Kinder verantwortlich. Da der Beifahrer keine Garantenstellung innehat, ist dies auch grundsätzlich für die Begleitperson zu verneinen, weil deren Funktion mit einer gewährenden, passiven, reaktiven Hilfestellung zu umschreiben ist.

5 Wolfgang Bertram Seite 5 von 5 (5) Die begleitende Person 1. muss das 30. Lebensjahr vollendet haben, 2. muss mindestens seit 5 Jahren im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis der Klasse B sein, die [ ] mitzuführen [ ] ist, 3. darf zum Zeitpunkt der Erteilung der Prüfungsbescheinigung [ ] im VZR mit nicht mehr als drei Punkten belastet sein. Die Fahrerlaubnisbehörde hat [ ] die Auskunft beim VZR einzuholen. Begründung: Das Mindestalter für die Begleitperson wird auf 30 Jahre festgelegt. Damit wird die Begleitperson deutlich älter sein und nicht mehr zu der stark mit Unfällen belasteten Gruppe der 18- bis 24-jährigen Fahrer zählen. Der fünfjährige ununterbrochene Besitzt der Fahrerlaubnis wird als ausreichend im Hinblick auf ausgereifte Fahrerfahrung und Zuverlässigkeit gesehen. Das gilt auch noch bei einem Stand von höchstens drei Punkten im VZR. 4 Eine Altersobergrenze ist nicht festgesetzt, weil Erfahrungen in den anderen europäischen Ländern keine Hinweise auf Probleme mit älteren Begleitpersonen ergeben haben. Niedersachsen: Die Formulierung zum Zeitpunkt der Erteilung der Prüfungsbescheinigung ist erweitert auszulegen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll der Begleiter zum Zeitpunkt des Erteilungsverfahrens nicht mehr als 3 Punkte im VZR haben. Das Anfordern der Auskunft ist Sache der Behörde. Ergeben sich später zusätzliche Punkte auf dem Konto des Begleiters, so führt das nicht zum Ausschluss als Begleiter. Bei einem Fahrverbot ändert sich ebenfalls nichts am Begleiterstatus, da die Fahrerlaubnis erhalten bleibt. Die Begleitperson darf jedoch in diesem Zeitraum nicht begleiten, da sie keinen Führerschein mitführen und vorweisen kann. (6) Die begleitende Person darf den Inhaber einer Prüfungsbescheinigung [ ] nicht begleiten, wenn sie 1. 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt, 2. unter der Wirkung [ ] eines berauschenden Mittels steht. Satz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall vorgeschriebenen Arzneimittels herrührt. Niedersachsen: Verstößt der Begleiter gegen o.a. Regelungen, ist der Verstoß dem Fahrerlaubnisinhaber zuzuordnen. Das Verwarnungsgeld beträgt i.d.r. 35. Diese (geringe) Sanktionshöhe trägt dem Umstand Rechnung, dass einerseits der (angetrunkene) Begleiter keine Sanktionen zu befürchten hat, andererseits der Fahranfänger in der schwierigen Lage ist, ohne Hilfsmittel beurteilen zu müssen, ob der Begleiter begleitfähig ist. Das Verwarnungsgeldverfahren hat zur Folge, dass bei einer die Promillegrenze nur leicht übersteigende Alkoholisierung des Begleiters der Widerruf der Fahrerlaubnis nicht in Betracht kommen wird. Ist die Promillegrenze deutlich überschritten, muss über erhöhte Sanktionen und den Widerruf der Fahrerlaubnis anhand der konkreten Umstände im Einzelfall entschieden werden. (7) Mit Erreichen des Mindestalters [ ] händigt die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber auf Antrag einen Führerschein [ ] aus. (Kartenführerschein) 4 Auswertung KBA v. Februar Bei einer Null-Punkte Regelung würden ca. 7 Mio. Personen von der Begleitung ausgeschlossen. Bei der Obergrenze 3 Punkte werden ca. 1,1 Mio. Personen nicht als Begleiter in Betracht kommen.