Gregor Steiger-Bächler Neuropsychologe FSP. Riehen, 09. Mai 2006
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- Adrian Artur Heinrich
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Transkript
1 Wir sind Erinnerung Grundlagen der Gedächtnisfunktionen Gregor Steiger-Bächler Neuropsychologe FSP SONNENHALDE Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Riehen, 09. Mai 2006
2 Einflussfaktoren auf die Gedächtnisleistungen Kognitive Funktionen Intelligenz Wahrnehmung / Sprache Aufmerksamkeit k Lernen / Gedächtnis Emotionale und motivationale Funktionen
3 Psychologische Gedächtnisforschung Kognitive Psychologie und Neuropsychologie Methoden Experimente Bildgebung Klinische Fälle Wichtige Erkenntnisse Erinnern Erinnern als Rekonstruktionsprozess Gedächtnisleistungen sind komplex Mehrere Arten von Gedächtnis Modellbildung
4 Zeitachse des Gedächtnisses
5 Multi-Speicher-Modell Modell (1) Unabhängige Speicher Sensorischer Speicher Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Informationserhaltung im KZG durch Wiederholen Informationsübertragung vom KZG zum LZG Informationsübertragung vom KZG zum LZG mittels Wiederholung oder Enkodierung
6 Multi-Speicher-Modell Modell (2)
7 Multi-Speicher-Modell Modell (3)
8 Weitere Prozessmodelle Levels of processing: nur ein Speicher; je tiefer die Verarbeitung, desto besser das Behalten. (Craik & Lockhart, 1972) Transfer appropriate processing: nicht Tiefe der Verarbeitung sondern Grad der Überlappung zwischen Enkodierungs- und Abrufprozedur entscheiden. (Morris, 1977) Dual coding: zwei separate aber verbundene Routen der Informationsverarbeitung: it visuell und verbal; Bilder sind einfacher zu erinnern, weil sie holistisch h und parallel l verarbeitet t werden. (Paivio i 1986)
9 Gedächtniseinteilung Gedächtnis Arbeitsgedächtnis Nichtdeklaratives Gedächtnis Deklaratives Gedächtnis
10 Nichtdeklaratives Gedächtnis Basalganglien Cerebellum Cortex Fertigkeiten/Skills Cerebraler Cortex Priming Cerebellum Konditionieren i??? Nicht -Assoziatives
11 Deklaratives Gedächtnis Episodisches Wissen Hippocampale Formation Diencephalon Cortex Semantisches Wissen
12 Limbisches System Lat. Limbus = um den Balken gelegene Hirnanteile Dazu gehören Septum, Amygdala, Hippocampus, anteriorer Thalamus, Mamillarkörper Funktionen: Emotion/Motivation, Gedächtnis Zwei gedächtnisrelevante Schaltkreise Papez scher Schaltkreis Basolaterale limbische Schleife
13 Gedächtnisrelevante Schaltkreise Papez-Kreis Hippocampus Fornix Thalamus Mamillarkörper Basolaterale limbische Schlaufe Orbitofrontaler Cortex Amygdala - Thalamus
14 Episodisches Gedächtnis (1) Typ Bewusst Inhalte Erinnern persönlicher Erfahrungen in ihrem zeitlich-räumlichen Kontext ( Zeitreise ) Gehirnstrukturen Einspeichern: basolateraler und Papez scher Schaltkreis Ablagerung: neocorticale und limbische Strukturen (rechts > links) Abruf: fronto-temporales temporales System (rechts > links)
15 Episodisches Gedächtnis (2) Alter Deutlicher Alterseffekt Beispiel Was? Wo? Wie? Wann? Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen? Was wissen sie noch von der gelernten Wortliste? Alltag Sehr hohe Relevanz
16 Semantisches Gedächtnis (1) Typ Bewusst Inhalte Faktenwissen über die Welt (zeit- und kontextunabhängig) Gehirnstrukturen Einspeichern: basolateraler und Papez scher Schaltkreis Ablagerung: neocorticale und limbische Strukturen (links > rechts) Abruf: fronto-temporales System (links > rechts)
17 Alter Semantisches Gedächtnis Lange Zunahme bis ins hohe Alter möglich Beispiel Wie heisst die Hauptstadt von England? Können sie mit einer Hand ein Auto anheben? 2+2=4 2 Alltag Hohe Relevanz
18 Aktuelle Aktuelle Gedächtnissysteme Nach Tulving und Markowitsch (2003)
19 Gedächtnisleistungen (1) Zeit Ultrakurzzeit, Kurzzeit, Langzeit Inhalt deklarativ, non-deklarativ, prozedural Prozesse Enkodieren, Speichern und Konsolidieren, Abrufen, Wiedererkennen Zeitliche Richtung prospektiv, retrospektiv
20 Gedächtnisleistungen (2) Bewusstheit (Encodierung) inzidentell, intentional t Bewusstheit (Abruf) implizit, explizit Ergebnis: Erinnern, Vergessen
21 Semantische Netzwerke?
22 Semantische Netzwerke N O Adria? Italien
23 Semantische Netzwerke Napoleon?
24 Semantische Netzwerke? La Fenice Italien Carnevale San Marco Marco Polo
25 Semantische Netzwerke N O Napoleon Adria Venedig La Fenice Italien Carnevale San Marco Marco Polo
26 Semantische Netzwerke N O Herbst 2004 Napoleon Adria Venedig La Fenice Italien Carnevale San Marco Marco Polo
27 Abrufen / Erinnern
28 Erinnern als Rekonstruktion Erinnern stellt keine Wiederbelebung von unzähligen, leblosen und fragmentarischen Spuren dar. Es ist eine imaginative Rekonstruktion oder Kon- struktion, die sich aus unserer Beziehung zu einer grossen Menge vergangener bereits organi- sierter Reaktionen oder Erfahrungen ergibt und sich dabei auf ein kleines herausragendes Detail bezieht, das oft bildlich oder sprachliche Form hat. Kaum jemals ist es wirklich exakt, auch in den einfachsten Fällen auswendig gelernten und reproduzierten Wissens. (Bartlett 1932, S ).
29 Vergessen (1) Nicht-Bereitstehen von Information, derman schon begegnet ist Mögliche Mechanismen, ua u.a. Enkodierungsstörung Zerfall im Speicher Interferenz (proaktiv, retroaktiv) Dekodierungsstörung Speicherdefizit und Abrufdefizit Interessant: nicht vergessen können, bewusst selektieren, motiviertes Vergessen
30 Vergessen (2) Das alternde Hirn gewinnt Weisheit durch Vergessen!
31 Amnesie (1) Anterograde Amnesie Unvermögen, nach einer Hirnschädigung neue Informationen zu erlernen Retrograde Amnesie Unvermögen, Erinnerungen, die vor einer Hirn- schädigung ins Gedächtnis gelangt waren, wieder abzurufen Fokale retrograde Amnesie Retrograde Amnesie ohne, bzw. mit relativ geringer anterograder Amnesie Modalitätsspezifische Gedächtnisstörung Modalitätsspezifische Gedächtnisstörung Verbal oder visuell bei unilateralen Läsionen
32 Amnesie (2) Amnestisches Syndrom Schwere permanente anterograde Amnesie; retrograde Amnesie unterschiedlicher Ausprägung; normale Erfassungsspanne und implizite Gedächtnisleistungen; normale übrige kognitive Leistungen Sekundäre Gedächtnisstörung Im Vordergrund stehen die Störungen der Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen Quellen Amnesie Verlust des zeitlich-örtlichen Kontext, während der Inhalt erinnert wird
33 Amnesie (3) Posttraumatische Amnesie Gedächtnisverlust (meist) nach einem SHT Transitorische Globale Amnesie Amnestische Episode mit plötzlichem Beginn und kurzer Dauer (in der Regel nicht mehr als 24h), mit meist schwerer anterograder Amnesie und weniger ausgeprägten retrograden Störungen.
34 Mögliche Ursachen von Gedächtnisstörungen Schädelhirnverletzungen, cerebrale Infarkte, Aneurysmen, vaskuläre Erkrankungen, intracranielle Tumore, degenerative Erkrankungen des ZNS, Hypoxien, Mangelkrankheiten, Avitaminosen, Intoxikationen, Alkohol, bakterielle oder vi- rale Infektionen, Pilz- oder Wurmerkrankungen, Autoimunerkrankungen, Organinsuffizienzen, Epilepsie, Drogenmissbrauch, Schizophrenie, dissoziative Zustände, Konversionssyndromen, psychogene Amnesie, mnestische Blockaden, Schmerzzuständen, Endokrine Störungen u.a.
35 Demenzen nach DSM-IV Gedächtnisstörungen tö Eine (oder mehrere) der folgenden Funktionsstörungen Aphasie Agnosie Apraxie Exekutive Funktionen Die kognitiven Defizite verursachen eine bedeut- same Störung im beruflichen und sozialen Alltag und stellen eine Verminderung gegenüber früher dar.
36 Modell episodisches sc es Gedächtnis eistung Kompensation Geringer und relativ stabiler Gedächtnisverlust in der frühen präklinischen Phase. pisodisc che Gedä ächtnisl Neuropathologische Prozesse Bäckman et al. Chen et al. Lange et al. Schwerer und schneller Ge- dächtnisabbau in der späten präklinischen Phase. E Präklinische i Jahre Klinischei Phase Phase
37 Alzheimer-Demenz Hippocampus
38 Subcortical-vaskuläre Demenz
39 Gedächtnisleistungen bei der Alzheimerdemenz Episodisches Gedächtnis Enkodierung + / - Speicherung + / - Unmittelbarer Abruf - - Verzögerter Abruf ---- Wiedererkennen Semantisches Gedächtnis --- Autobiographisches Gedächtnis + / - Prozedurales Gedächtnis +
40 Gedächtnisleistungen bei der subcortical vaskulären Demenz Episodisches Gedächtnis Enkodierung - Speicherung - Unmittelbarer Abruf Verzögerter Abruf ---- Wiedererkennen + + Semantisches Gedächtnis - (> AD) Autobiographisches Gedächtnis + / - Prozedurales Gedächtnis +
41 Take-home messages (1) Es gibt bewusste und unbewusste Lernprozesse und Gedächtnisleistungen Episodisches Gedächtnis ist ein Erinnern persönlicher Erfahrungen Semantisches Gedächtnis ist das Faktenwissen Amnesie ist ein Gedächtnisverlust unterschiedlicher Ursache und Form Erinnern ist ein Prozess der Rekonstruktion
42 Take-home messages (2) Das Gedächtnis verbindet die zahllosen Einzel- phänomene zu einem Ganzen, und wie unser Leib in unzählige Atome zerstieben müsste, wenn nicht die Attraktion der Materie ihn zusammen- hielte, so zerfiele ohne die bindende Kraft des Gedächtnisses unser Bewusstsein in so viele Splitter, als es Augenblicke zählt. (Hering 1870). Unsere Erinnerungen machen uns zu Menschen. Über selektives und obsessives Gedächtnis, über Erinnern, Verdrängen und Vergessen. Wir sind Erinnerung. (Schacter 1999).
43 Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
44 Literatur Daniel L. Schacter Wir sind Erinnerung. Gedächtnis und Persönlichkeit. Rororo Sachbuch Angelika Thöne-Otto und Hans J. Markowitsch Gedächtnisstörungen nach Hirnschädigungen. Hogrefe Armin Schnider Verhaltensneurologie. Die neurologische Seite der Neuropsychologie. Thieme 2004.
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