Die kosmische Häufigkeit der Elemente
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- Anneliese Bergmann
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1 Christof Uhlmann 16. März 2007
2 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung Der Blick über den Tellerrand Warum interessiert uns das heute noch? Messmethoden und Ergebnisse Von Staubwolken bis zu Sternen Der interstellare Raum Sterne Meteoriten Spektroskopie Plancksches Strahlungsgesetz Fraunhofers Entdeckung und ihre Weiterentwicklung Probleme und Störeffekte in der Spektroskopie Ergebnisse Nukleosynthese Die Primordiale Nukleosynthese Interstellare Nukleosynthese Stellare Nukleosynthese Literaturverzeichnis und Bildnachweis 13 2
3 1 Einführung 1.1 Der Blick über den Tellerrand Eine der grundlegendsten Fragen, die sich Menschen schon immer gestellt haben, ist die Frage nach den Bausteinen unserer Welt. Aus was besteht die Erde? Die Sonne? Das Universum? Und nicht zuletzt auch wir selbst? Und wie kam es dazu? Gab es einen Anfang, wenn ja, was war davor? Abbildung 1: Kopernikus blickt über den Tellerrand Wie und aus Was letztlich alles entstand, wird Teil dieser folgenden Abhandlung sein. Aber zunächst wollen wir noch einmal auf die einleitende Frage zurückkommen: Aus was besteht die Welt? Hier kommen wir schon zum ersten Problem: Interessiert uns das, was wir sehen und anfassen können, wenn wir dafür vielleicht auch ein bisschen buddeln müssen, also im Wesentlichen die Erdkruste? Man könnte noch weiter gehen und fragen, aus was denn unser Heimatplanet insgesamt besteht? Oder man stellt sich gleich die Frage nach der gesamten Zusammensetzung des Universums. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts nahm man sich dieser Frage an, und begann zunächst, irdische Gesteine und Meteoriten zu untersuchen. Letztere waren ja sozusagen schon ein Teil des außerirdischen Universums und konnten noch nicht durch physiochemische Prozesse (so wie Schmelzen oder Kristallisieren) verändert worden sein. So veröffentlichte der deutsche Physiker Goldschmidt 1938 die ersten Geochemischen Verteilungsgesetze der Elemente. Sein Ergebnis: Metalle zu Sulfiden zu Silicium treten etwa im Verhältnis 2 zu 1 zu 10 auf. Zur gleichen Zeit entwickelte sich eine neue Messmethode, die bis heute eine der wichtigsten in der Astrophysik ist: Die Spektroskopie. Joseph von Fraunhofer hatte 1813 im Spektrum der Sonne Absorptionslinien entdeckt und damit den Grundstein für die Untersuchung von elektromagnetischen Spektren gelegt. Diese Methodik erlaubte es nun, die chemischen Zusammensetzungen eines Objekts wie beispielsweise der Sonne anhand des Spektrums zu bestimmen. Eines der ersten Ergebnisse dieses neuen Verfahrens war die Feststellung, dass Sonne und Erde ähnlich zusammengesetzt sind, bis auf den Anteil von Wasserstoff und anderen flüchtigen Elementen veröffentlichten der Österreicher Hans E. Suess und der Amerikaner Harold C. Urey eine neue Häufigkeitstabelle, basierend auf Absorptionsspektren der Sonne und Nukleosynthese-argumenten. Bis heute stammen die wichtigsten Daten zur Bestimmung der Elementverteilung aus den Untersuchungen von terrestrischen, meteoritischen und spektroskopischen Quellen. 3
4 Abbildung 2: Eine Briefmarke zu Ehren von Fraunhofer mit einem Schema seiner Absorptionslinien 1.2 Warum interessiert uns das heute noch? Das Wissen um die Häufigkeit und das Verhältnis der Elemente ist wichtig für das Verständnis der (chemischen) Entwicklung von Galaxien. Nahezu alle Elemente, die schwerer als Wasserstoff sind, sind Reste von Sternensystemen. Die Untersuchung der Häufigkeitsverhältnisse bringt somit neue Erkenntnisse für: Das Verständnis der Farbentwicklung von Galaxien. Die Farben von Sternenhaufen hängen von deren Alter und Metallgehalt ab. Je genauer das Wissen über letzteres, desto besser kann man die Farben der Galaxien interpretieren. Stellare Massenverlustraten. Sonnenwinde hängen ebenfalls vom Metallgehalt ab. Das Abkühlungsverhalten von interstellarem Gas. Auch das thermische Gleichgewicht hängt vom Metallgehalt ab. Die Schlüsselfragen, die dabei den Leitfaden bilden sind: Wie entwickeln sich Elementhäufigkeit und Metallgehalt innerhalb von Galaxien? Wie wirken sich die Veränderungen auf die Entwicklung des Gasgehalts und des stellaren Lichts aus? Welche Größen bestimmen die Zusammensetzungen von Galaxien? Wie beeinflusst die Dynamik der Galaxien die Metallizität? Wie sind schwere Elemente in den interstellaren Raum gelangt? (Supernova-Winde, aus Galaxienfusionen herausgeschleudert, von prägalaktischen Sternen,...) Wie gut geben unsere Simulationen von Galaxienformationen oder -entwicklungen den Metallgehalt und die Elementhäufigkeiten wider? 2 Messmethoden und Ergebnisse 2.1 Von Staubwolken bis zu Sternen Der interstellare Raum ISM steht für interstellare Materie. Sie macht den größten Teil unseres Universums aus und beschreibt den Raum zwischen den Sternen, einschließlich des Bereichs direkt 4
5 um die Sterne. Die Hauptbestandteile der ISM sind sehr dünnes Gas ( H-Atome pro cm 3, zum Vergleich: Erdatmosphäre: H-Atome pro cm 3 ) und Staub. Das Gas besteht aus atomaren und mehratomaren Ionen, Radikalen und Molekülen. Dabei dient die sogenante Wasserstoffform zur Beschreibung der Natur der ISM: Ionisiert (H + ), atomar (H) und molekular (H 2 ). Letztere Form ist die häufigste, erstere die seltenste. Der Staub besteht hauptsächlich aus C, O, Mg, Si und festem Fe. Er macht nur etwa 1% der ISM aus. In den Staubwolken wird Licht absorbiert und gestreut, welches wiederum durch Infrarotspektroskopie untersucht werden kann. Dabei beobachtet man Absorption bei kaltem Staub (T 20 K) in Richtung entfernter Sterne und Emission durch heißen Staub (T einige 100 K) in sternnahen Regionen. Innerhalb von dichten Wolken treten auch Moleküle wie H 2, H 2 O, CO, CO 2 oder CH 3 OH auf. Zudem lassen die Spektren auf C-H und C-C-Bindungen schließen. Deren genaue Zusammensetzung ist jedoch unbekannt. Unser Sonnensystem ist einst aus einer solchen Staubwolke entstanden. Deshalb kann man von einem engen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der ISM und der des Sonnensystems als Gesamtheit ausgehen. Eine entscheidende Entdeckung war dabei der präsolare Staub in Meteoriten. Bei einer genauen Analyse der ISM stößt man auf eine große Isotopen-Variation Sterne Eine Wolke aus interstellarer Materie kann instabil werden und kollabieren. Die Masse ballt sich zu einem Klumpen zusammen und wird zu einem Stern. Die chemische Zusammensetzung eines Sterns ist also der des gesamten Universums sehr ähnlich. Der Stern, der sich am Besten für derartige Untersuchungen eignet, ist unsere Sonne. Durch die große Lichtintensität lässt sich sehr leicht ein Spektrum erzeugen und dann auch untersuchen. Demnach besteht die Sonne hauptsächlich aus Wasserstoff (91,2% der Atome, 71% der Masse) und Helium (8,7% der Atome, 27,1% der Masse). Dies entspricht auch in etwa der Zusammensetzung des Universums als Ganzes. Weitere Bestandteile in der Sonne sind O, C, N, Si, Mg, Ne, Fe, Su. Abbildung 3: Diese dunkle Wolke aus Gas und Staub absorbiert das Licht. Solche Wolken sind die Geburtsstätten neuer Sterne 5
6 Ausbildungsseminar Die kosmische Ha ufigkeit der Elemente Meteoriten Als Himmelsboten wurden sie oft bezeichnet, diese Gesteinsbrocken, die immer wieder aus heiterem Himmel auf die Erde fallen und im Laufe der Erdgeschichte das Gesicht der Erde oft recht spektakula r vera ndert haben. Allein in Deutschland fallen ja hrlich etwa 2 Meteoriten. Oft wurden sie als heilig verehrt, als Botschaft einer Gottheit. Die wissenschaftliche Untersuchung ist da weit weniger spektakula r. Man unterscheidet zwischen differenzierten und undifferenzierten Meteoriten. Letz tere sind Teile von Planeten, Asteroiden oder des Erdmondes, die aufgrund hoher Temperaturen geschmolzen und in Kern, Mantel und Kruste umgewandelt wurden. Bei diesen Gesteinsbrocken ist es sehr schwierig, noch etwas u ber die Zusammensetzung des Herkunftsortes zu erschließen. Weit interessanter sind die differenzierten Meteoriten. Diese Planetenteile wurden nie bis zu ihrer Schmelztemperatur erhitzt. Deshalb spiegelt deren chemische und isotopische Zusammensetzung den Mutterplaneten und auch das gesamte Sonnensystem recht gut wider. Solche Fragmente machen den gro ßten Teil der gefundenen Meteoriten aus. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Chondriten, die ihren Namen von den sogenannten Chondren haben. Chondren sind kugel- oder ellipsenfo rmige, maximal mm-große Einschlu sse und machen etwa 70% der Masse des gesamten Steines aus. Die beste U bereinstimmung bezu glich der chemischen Zusammensetzung von Sonnensystem und Meteoriten beinhalten die CI-Chondriten. Sie bestehen aus bis zu 20% Wasser und enthalten auch einige organische Verbindungen. Diese geben den CI-Chondriten auch ihren Namen: Kohlenstoff-Einschlu sse (C-Inclusions). Abbildung 5: Barringer Krater in Arizona, USA, Durchmesser 1,5 km, Tiefe 170 m, Alter: ca Jahre Abbildung 4: CI-Meteorit 2.2 Spektroskopie Plancksches Strahlungsgesetz Ein schwarzer Ko rper absorbiert die gesamte einfallende Strahlung. Nimmt man nun eine Kiste mit schwarzen Wa nden, in die man durch eine kleine O ffnung Strahlung eintreten la sst, so befinden sich die Wa nde im Gleichgewicht mit der Strahlung. Diese wird nach einigen Reflektionen vollsta ndig absorbiert. Nun sei die Temperatur der Wa nde variabel. Die Eigenschaften der Strahlung sind dann nur von der Temperatur abha ngig. Zwischen 600 und 700 C ist die thermische Strahlung des schwarzen Ko rpers als dunkelrote Strahlung, bei ho heren als hellrote oder als weißglu hend sichtbar. Tra gt man die abgestrahlte Leistung P gegen die Wellenla nge an, so erha lt man die Spektralverteilungsfunktion. Das Maximum liegt, in Abha ngigkeit von der Temperatur, bei verschiedenen 6
7 Wellenlängen. Dieses λ max wird durch das Wiensche Verschiebungsgesetz festgelegt. Das Plancksche Strahlungsgesetz vereinigt für diese Spektralverteilungsfunktion die Theorie (Rayleigh-Jeans-Gesetz) mit der Praxis. Abbildung 6 zeigt das Plancksche Strahlungsgesetz graphisch. Diese Formel erlaubt es der Astrophysik, aus dem Spektrum der emittierten Strahlung die Oberflächentemperatur von Objekten zu berechnen. Daraus lässt sich wiederum bei bekannter Oberfläche die abgestrahlte Leistung und damit die Entfernung berechnen. Zumindest in der Theorie. Praktisch ist dies aufgrund vieler störender Effekte nahezu unmöglich. Abbildung 6: Spektralverteilung der Hohlraumstrahlung für T = 1600 K Fraunhofers Entdeckung und ihre Weiterentwicklung Bricht sich das Sonnenlicht beispielsweise in einem Prisma, so wird das weiße Licht in seine Spektralfarben aufgespalten. Das Sonnenlicht musste also nach damaliger Meinung alle sichtbaren Farben, also alle Wellenlängen enthalten. Fraunhofer wies bei seinen Untersuchungen jedoch Lücken im Spektrum des Sonnenlichts nach. Woher kommt diese seltsame Erscheinung? 1859 formulierte G. Kirchhoff die drei Spektren-Regeln : Ein weißglühender fester oder flüssiger Körper oder ein Gas mit ausreichender Absorption (also unter hohem Druck) emittiert ein kontinuierliches Spektrum mit allen Wellenlängen. Ein weißglühendes Gas unter niedrigem Druck emittiert ein diskretes, also ein Emissionslinienspektrum. Dieses ist charakteristisch für das Gas. Ein kühles Gas, durch das weißes Licht strahlt, absorbiert die Wellenlängen, die es emittieren würde, wenn es heiß wäre. Dadurch kommt es zu sogenannten Absorptionslinien. Da wir wissen, dass die Sonne nicht komplett gasförmig ist, bleibt nur eine Erklärung für die dunklen Linien. Die Sonne an sich erzeugt ein kontinuierliches Spektrum. Sie ist jedoch von einer Gashülle umgeben, der sogenannten Photosphäre, die dann die Absorptionslinien erzeugt. Das geschieht folgendermaßen: Die Elektronen der Gasatome werden unter Apsorption von Licht einer bestimmten Wellenlänge auf ein höheres Energieniveau gehoben und fallen anschließend wieder unter Emission von Licht dieser Wellenlänge auf ihren Ausgangszustand zurück. Eigentlich erscheint es paradox: Das Licht einer bestimmten Wellenlänge wird erst absorbiert und dann wieder emittiert, eigentlich also eine 7
8 Nullrechnung. Die Abstrahlung erfolgt jedoch gleichmäßig in alle Richtungen (isotrop), weshalb uns nur ein Bruchteil der Strahlung erreicht. Dadurch kommen die dunklen Linien im Sonnenspektrum zustande. Heute wissen wir, dass das Sonnenspektrum etwa Linien aufweist, ca davon sind identifiziert. Die Charakteristika von Spektren hängen von der Temperatur, der chemischen Zusammensetzung und dem Gasdruck der stellaren Atmosphäre ab. Da Sterne unseres heutigen Wissens alle recht ähnlich aufgebaut sind, hängen die Spektrallinien in erster Linie von der Temperatur ab. Für diesen Zusammenhang gibt es Tabellen, in denen die Linien mit O, B, A, F, G, K und M bezeichnet und Temperaturbereichen von insgesamt etwa K bis über K zugeordnet werden. Fast alle Planeten haben Gasatmosphären, die das Sonnenlicht absorbieren, reflektieren oder streuen. Das Spektrum dieser Himmelskörper enthält daher immer die Absorptionslinien der Sonne plus einige weitere, aus denen man Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Planetengases ziehen kann Probleme und Störeffekte in der Spektroskopie So praktisch und einfach das Prinzip der Spektroskopie stellenweise klingt, so viele Probleme und Störungen treten bei der letztlichen Auswertung dann auf. Hier nur eine kleine Auswahl an Effekten, die die Auswertung von Spektren so kompliziert machen: Der Dopplereffekt: Wir haben auf der Erde bei der Beobachtung von Himmelskörpern immer ein bewegtes Bezugssystem. Durch die relative Bewegung von strahlungsaussendendem zu empfangendem Objekt kommt es zu Verzerrungen der Wellenlängen. Der Zeeman-Effekt: Magnetische Felder, die die Strahlung auf ihrem Weg zu uns passiert, spalten die Spektrallinien auf. Aus der Größe der Aufspaltung lässt sich jedoch wiederum die Größe des Magnetfeldes bestimmen. Der Stark-Effekt: Ähnliche Auswirkungen haben die (nicht so häufig vorkommenden) elektrischen Felder auf die Strahlung. Stoßverbreiterung: Oft kommt es vor, dass das Atom, während es gerade emittieren will, einen Stoß erleidet. Dadurch wird der gleichmäßige Wellenzug unterbrochen. Molekülbindung: Die Ultraviolette Strahlung der Sterne zerstört viele Molekülbindungen. In dichten Molekülwolken ist jedoch die Abschirmung der Moleküle oft so effektiv, dass sich beispielsweise H 2 -Moleküle detektieren lassen. Die Bindungsenergie verändert zum Einen die Lage der Energieniveaus. Zum Anderen sind die Energieniveaus und die damit verbundenen Spektrallinien nicht leicht zu interpretieren: Es gibt Energieniveaus aus der Elektronenhülle, aus der Schwingung der Atome zueinander sowie von der Rotationsenergie. Man beobachtet hierbei oft Bandenspektren. 2.3 Ergebnisse In Abbildung 7 ist die relative Häufigkeit der Elemente in Abhängigkeit von der Massenzahl dargestellt. Dabei wird die Häufigkeit relativ zur Häufigkeit von Silizium angetragen, wie es in der Astrophysik häufig der Fall ist. Das Maximum ist sehr deutlich bei 8
9 Wasserstoff zu erkennen, gefolgt von Helium. Alle weiteren Elemente nehmen nur eine untergeordnete Rolle ein. Das Maximum bei Eisen hat seinen Ursprung in der Entstehungsgeschichte der Elemente. Die Elemente mit kleineren Massenzahlen (bis etwa A = 56) entstehen hauptsächlich durch Kernfusion. Die Bindungsenergie pro Nukleon (B/A) wird bei Eisen maximal (Vergleiche Abb.8). Es kann also keine Energieerzeugung mehr durch Kernfusion stattfinden. Da zudem die Coulombbarriere hin zu größeren Massenzahlen zunimmt, hört die Nukleosynthese durch Reaktionen zwischen geladenen Teilchen für Elemente schwerer als Eisen auf. Diese werden durch Neutroneneinfang erzeugt. Abbildung 7: Die Häufigkeitsverteilung der Elemente im Sonnensystem, relativ zur Siliziumhäufigkeit, die willkürlich auf 10 6 festgelegt wurde. 9
10 Abbildung 8: Die Bindungsenergie pro Nukleon in Abhängigkeit der Massenzahl A. Abbildung 9: Vergleich der Elementhäufigkeiten von CI-Chondriten mit der Photosphäre der Sonne, normiert auf Si (10 6 ). 3 Nukleosynthese Die Nukleosynthese beschreibt die Entstehung der Atomkerne, beginnend bei Wasserstoff. Nahezu alle Atomkerne entstehen im Inneren von Sternen. Einige wenige stammen aus der Zeit kurz nach dem Urknall, vor allem leichte Elemente, oder sind in der ISM entstanden. Man unterscheidet bei der Entstehung von neuen Elementen zwischen primordialer, interstellarer und stellarer Nukleosynthese. 3.1 Die Primordiale Nukleosynthese Nach dem Urknall expandierte das Universum und kühlte sich dabei ab. Etwa drei Minuten nach dem big bang hatte die Temperatur des Universums 7, K erreicht. Zu diesem Zeitpunkt begannen sich die Quarks zu den Protonen und Neutronen zu vereinigen. Da Neutronen schwerer als Protonen sind, war es leichter, Neutronen in Protonen zu verwandeln als umgekehrt. So entstanden also etwa 87% Protonen und 13% Neutronen. Als diese in ausreichender Zahl vorhanden waren, begann die Entstehung der leichten Elemente. Das erste davon war das Deuteron 2 H d. Ein Proton und ein Neutron schlossen sich in der ersten chemischen Reaktion des Universums - welches inzwischen noch weiter abekühlt war - zu einem Element zusammen. Aus diesem Grundstein wiederum konnten bald darauf das Triton 3 H t, das Helion 3 He τ, das α-teilchen 4 He sowie die Atomkerne 7 Li und 7 Be entstehen. Einige dieser neuen Teilchen hatten jedoch nur eine kurze Freude an ihrem Dasein: n, 3 H und 7 Be sind instabil gegenüber β-zerfall. Deshalb stammen die heute vorhandenen leichten Elemente 1 H, 2 H, 3 He, 4 He und 7 Li fast alle aus dem frühen Universum. Aus den Erkenntnissen über die Primordiale Nukleosynthese lassen sich Rückschlüsse ziehen auf Alter, Ausdehnungsgeschwindigkeit und Dichteschwankungen des Universums. Ebenso interessant ist dieser Bereich für die Elementarteilchenphysik, da hier nahezu beliebig hohe Energien am Werk waren, wovon man selbst mit den besten Teilchenbeschleunigern heute nur träumen kann. 10
11 3.2 Interstellare Nukleosynthese Diese Art der Nukleosynthese hat als Grundlage die kosmische Strahlung. Darunter versteht man hochenergetische Teilchen wie Protonen, α-teilchen oder andere Atomkerne, die sich im interstellaren Raum bewegen. Deren Ursprung ist sehr unterschiedlich. Sie können von der Sonne, von anderen Sternen, von Supernova-explosionen, Neutronensternen oder schwarzen Löchern kommen. Treffen nun solche Teilchen auf Atomkerne der ISM, kommt es zu sogenannten Spallationen, also Absplitterungen von leichteren Atomkernen. So entstehen beispielsweise aus einem Zusammenstoß von Protonen mit 12 C-Atomkernen die Atomkerne von Li, Be und B. Dies lässt sich auch an der Häufigkeitsverteilung der Elemente in der kosmischen Strahlung, verglichen mit der Verteilung im Sonnensystem, erkennen (Abbildung 10). Abbildung 10: Die Häufigkeitsverteilung der Elemente in der kosm. Strahlung (gestrichelt), verglichen mit der Häufigkeitsverteilung des Sonnensystems, normiert auf den Wert Kohlenstoff = Stellare Nukleosynthese Bei diesem Vorgang entstehen nicht nur neue Elemente, sondern auch riesige Energiemengen. Die Stellare Nukleosynthese wird in vier sogenannte Brennphasen eingeteilt: Wasserstoffbrennen Heliumbrennen Kohlenstoff-, Neon-, Sauerstoff- und Siliziumbrennen s-, r- und p-prozess Zur Verbrennung eines Atomkerns sind immer mehrere Reaktionen möglich. Meist dominiert jedoch eine Reaktion, oder es entsteht eine Verzweigung, wenn die Reaktionsraten von zwei Reaktionen etwa gleich groß sind. Wasserstoffbrennen Dies ist die erste Phase im Leben eines Sterns und zugleich auch die längste. Erreichen Temperatur und Dichte einen bestimmten kritischen Wert, so beginnt die Verbrennung von Wasserstoff zu Helium. Dabei werden große Energiemengen frei, was wir an unserer Sonne sehen können. Sie befindet sich, wie die meisten beobachtbaren Sterne, gerade in dieser ersten Phase. 11
12 Heliumbrennen Ist der Wasserstoff aufgebraucht, bleibt als Asche 4 He übrig. Aus diesen Atomkernen entstehen nun Atomkerne bis zu einer Massenzahl von A = 16, wie Kohlenstoff oder Sauerstoff. C-, Ne-, O- und Si-brennen Diese Phase erreichen nur große Sterne, zu denen unsere Sonne nicht zählt. Nach den ersten beiden Brennphasen wird der Druck immer Schwächer. Dies hat zur Folge, dass sich der Stern kontrahiert und dabei aufheizt. Zuerst setzt dann das Kohlenstoffbrennen mit der Erzeugung von 20 Ne, 23 Na und 23 Mg ein. In darauffolgenden Reaktionen entsthen dann schwerere Atomkerne mit Massenzahlen von A = Dabei gilt: Je schwerer die Atomkerne des Endproduktes sind, desto höher muss die Temperatur sein, damit die kinetische Energie die Coulombbarriere überwinden kann. Abbildung 11: Der Katzenaugennebel NGC 6543 im Sternbild Drache (Hubble Space Telescope). Stößt ein Stern seine äußeren Hüllen sanft ab, so entstehen solche farbenprächtigen Bilder. s-, r- und p-prozess Atomkerne mit A 56 können nicht durch Brennen erzeugt werden. Sie entstehen durch schnellen (r) oder langsamen (s) Einfang von Neutronen, gefolgt von einem β-zerfall. Da beim Neutronen-Einfang A um 1 erhöht wird, beim β-zerfall jedoch gleich bleibt, entstehen immer schwerere Kerne. Beim p-prozess, der im Vorstadium von Supernovaexplosionen massereicher Sterne entsteht, werden vor allem protonenreiche Elemente erzeugt. Der s-prozess findet schon während der He-Brennphase statt, der r-prozess bei Supernovae. 12
13 4 Literaturverzeichnis und Bildnachweis Verwendete Literatur Sterne und Kerne - Einführung in die nukleare Astrophysik, H. Oberhummer, 1993 Barth Verlagsgesellschaft Leipzig/Berlin/Heidelberg, ISBN Element Abundances in nearby galaxies, Donald R. Garnett, Steward Observatory, University of Arizona, USA, Garnett/Garnett contents.html Nucleosynthesis and chemical Evolution of Galaxies, Bernard E. J. Pagel, 1997 Cambridge University press Principles of Stellar Evolution and Nucleosynthesis, Donald D. Clayton, 1968 McGraw-Hill Book Company, NY/St.Louis/San Francisco/Toronto/London/Sydney Physik, Gerthsen, 18. Aufl, 1995 Springer-Verlag H - Solar Wind Elemental and Isotopic Fractionation, genesis/documenth.htm University Oulu, Finnland, Bildnachweis Abbildung 2: Homepage der NASA, locations/spectroscopy.php Abbildung 3: Max Planck Institut f. Astrophysik: HIGHLIGHT/2003/highlight0307 d.html Abbildung 4: Abbildung 5: redirectfrom=meteoritenkrater Abbildung 6: Paul A. Tipler, Physik, S Abbildung 7: TU München: lectures/seminare/02talks/nukleosynthese.pdf Abbildung 8: Max Planck Institut Garching: Nicolay Hammer, Tübingen, Prof. Dr. Clement: hammer/lager/nucleosynthesis.pdf Abbildung 9: Produkte der Solaren Kosmischen Strahlung in Meteoriten: Aufbau und Erprobung einer Laser-Extraktionsanlage für Edelgase Dissertation in Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Matthias Pätsch Mainz 2000: var=d1&dok ext=pdf&filename= pdf 13
14 Abbildung 10: Sterne und Kerne - Einführung in die nukleare Astrophysik, H. Oberhummer Abbildung 11: nebel.htm 14
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