Der unvollendete Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft
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- Hans Schräder
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1 Der unvollendete Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft Vortrag auf dem 8. Berliner VGR-Kolloquium 18. und 19. Juni 2015 in Berlin
2 Gesamtwirtschaftlicher Befund nach 25 Jahren Entwicklung Ost im vereinten Deutschland These 1: Hohe Angleichung des materiellen Wohlstands bei persistenten Leistungsrückständen einer im Kostenwettbewerb erfolgreichen Wirtschaft.
3 Gesamtwirtschaftliche Indikatoren des Aufholprozesses der ostdeutschen Wirtschaft Anteil an Deutschland in % Einwohner 16,7 16,2 15,5 Produktion (BIP_nom) 11,1 11,2 11 Erwerbstätige im Inland 14,7 14,4 13,9 Erwerbstätige Inländer 15,8 15,4 14,9 Arbeitslose 32,7 26,6 22,4 Ost-West-Relation in % (ABL=100) Pro-Kopf-Produktion ,1 Pro-Kopf-Einkommen 82,4 82,5 83,7 Beschäftigungsgrad 89,7 91,3 96,3 Arbeitslosenquote 232,3 181,4 158,9 Arbeitsproduktivität 72 74,8 76,4 Arbeitnehmerentgelt 74,4 75,9 77,6 Quellen: VGR der Länder (Berechnungsstand: 2014); Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Berechnungsstand: 2014); Berechnungen des Autors.
4 Lohn- und Produktivitätslücke in Ostdeutschland a - Westdeutschland = a) Ostdeutschland ohne Berlin, Westdeutschland einschließlich Berlin. Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder ; Berechnungen des IWH.
5 Lohnstückkosten im Unternehmenssektor im Ost-West-Vergleich a - Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer in Relation zur realen BWS je Erwerbstätigen - 75,0 70,0 Ostdeutschland 65,0 60,0 55,0 Westdeutschland 50, a) NBL ohne Berlin; ABL mit Berlin. Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder ; Berechnungen des IWH.
6 Persistente Ungleichgewichte zwischen Produktion und Nachfrage sowie selbsterwirtschafteten Einnahmen der öffentlichen Haushalte und Ausgaben Produktionslücke wird durch Güterimporte aus den alten Bundesländern ausgeglichen. Das Defizit in der regionalen Güterbilanz wird durch West-Ost-Transfers finanziert. Haushaltslage durch Mehreinnahmen aus Ausgleichssystemen gestützt. Der Solidarpakt II läuft 2019 aus, Schuldenbremse tritt in Kraft!
7 Produktionslücke in Ostdeutschland a - Mrd. Euro in jeweiligen Preisen Bruttoinlandsprodukt Privater Konsum Staatskonsum (B)Anlageinvestitionen a) Ostdeutschland ohne Berlin. Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder ; Berechnungen des IWH.
8 Angleichung der Investitionsaktivitäten Investitionen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt a - in %, Westdeutschland = Ausrüstungen Bauten Nichtwohnbauten a) Ostdeutschland ohne Berlin, Westdeutschland einschließlich Berlin. Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder (Veröffentlichung: März 2013). Nichtwohnbauten und generell ab 2010 Schätzung des IWH.
9 Ungleichgewichte beim Konsum Konsumausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt a - in %, Westdeutschland = Private Konsumausgaben Staatskonsum a) Ostdeutschland ohne Berlin, Westdeutschland einschließlich Berlin. Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder (Veröffentlichung: Mai 2014); eigene Berechnungen.
10 Prozent Prof. Udo Ludwig Produktionswachstum und Pro-Kopf-Produktion im Ost-West-Vergleich - Wachstumsrate bzw. Niveaurelation in % - Prozent 16,0 70,0 12,0 65,0 8,0 60,0 4,0 55,0 0,0 50,0-4,0-8,0 Integrationsphase Aufbauphase Konsolidierungsphase ,0 40,0 BIP NBL (% gg. Vorjahr) BIP ABL (% gg. Vorjahr) BIP pro Einwohner, ABL = 100 (rechte Skala) Quellen: Statistisches Bundesamt; Arbeitskreis VGR der Länder.
11 These 2: Modernisierungsdilemma 1. Der ordnungsökonomische Umbau der früheren DDR-Wirtschaft hat eine einmalige Modernisierungswelle der Produkte und des Kapitalstocks ohne Fortsetzung ausgelöst. 2. Die Ursachen des Dilemmas liegen bei der Etablierung eines strukturschwachen Unternehmensbestandes. 3. Eine Schlüsselrolle spielte die Privatisierungsstrategie der Treuhandanstalt.
12 135 Modernitätsgrad der Anlagen in der ostdeutschen Wirtschaft a,b - in %, Westdeutschland = Anlagen insgesamt Ausrüstungen und sonstige Anlagen Bauten a) Ostdeutschland ohne Berlin, Westdeutschland einschließlich Berlin. b) Verhältnis von Netto- zu Bruttoanlagevermögen zu Wiederbeschaffungspreisen (Bestand am Jahresende). Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder (Veröffentlichung: März 2014); eigne Berechnungen.
13 These 3: Strukturschwächen des Unternehmensbestandes lassen anfänglichen Modernisierungsvorsprung abschmelzen und stehen einer neuen Modernisierungswelle durch Innovationen im Wege.
14 Kleinteiligkeit des Unternehmenssektors Kleine und mittelgroße Betriebe sind wegen der geringen Kostendegression weniger produktiv und zahlen niedrigere Löhne, sie orientieren sich auf den Inlandsmarkt und unterhalten wenig eigenes Potential für FuE. Das Expansionspotential von Klein- und Mittelbetrieben wird zudem vom demografischen Wandel auf dem Inlandsmarkt beschränkt.
15 Verteilung der Betriebe im Unternehmenssektor Ost- und Westdeutschlands a im Jahr Anteil in der Region in % - 90,0 80,0 80,5 80,6 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 NBL ABL 20,0 15,8 15,4 10,0 0,0 Kleinstbetriebe (1 bis 9) Kleinbetriebe (10 bis 49) 3,5 3,7 Mittelbetriebe (50 bis 499) 0,1 0,2 Großbetriebe (500 und mehr) a) Ostdeutschland ohne, Westdeutschland mit Berlin. Quellen: IAB-Betriebspanel (2010); Berechnungen des IWH.
16 Verteilung der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe Ost- und Westdeutschlands a im Jahr Anteil in der Region in % - 60,0 53,2 50,0 NBL ABL 40,0 41,1 37,1 30,0 23,9 20,0 15,5 13,9 10,0 8,9 6,3 0,0 Kleinstbetriebe (1 bis 9) Kleinbetriebe (10 bis 49) Mittelbetriebe (50 bis 499) Großbetriebe (500 und mehr) a) Ostdeutschland ohne, Westdeutschland mit Berlin. Quellen: IAB-Betriebspanel (2010); Berechnungen des IWH.
17 Verlängerte Werkbänke Die Privatisierung der DDR-Staatsbetriebe führte zu einem Abfluss an Eigentumstiteln und zur Dominanz von Arbeitsplätzen in Industriebetrieben mit auswärtigen Eigentümern. Gemessen am Unternehmensstatus überwiegen die Arbeitsplätze in Industriebetrieben mit ostdeutschen oder auswärtigen Eigenständlern. Verlängerte Werkbänke gebietsfremder Mutterunternehmen sichern Arbeitsplätze, schränken jedoch regionale Entwicklungschancen ein.
18 Verteilung der Beschäftigten auf Eigentümergruppen der Industriebetriebe in % aller Betriebe (ab 20) Verarbeitendes Gewerbe Ernährungsgewerbe Quellen: Statistisches Bundesamt; IAB-Betriebspanel; Berechnungen des IWH.
19 Industrielle Lücke Das neu entstandene Verarbeitende Gewerbe hat Vorteile im Kostenwettbewerb erzielt, seine Bedeutung für die Gesamtwirtschaft ist aber vergleichsweise gering. Die Auslandsorientierung des Verarbeitenden Gewerbes ist schwach. Allerdings ist ein großer Teil der Produktion in die Wertschöpfungsketten mit Endproduktherstellern im Westen integriert.
20 Industrialisierungsgrad im Ost-West-Vergleich - Erwerbstätige im Verarbeitenden Gewerbe je Einwohner - Quellen: Arbeitskreis VGR der Länder ; Berechnungen des IWH.
21 Auslandsorientierung der Industrie -Exportquote des ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbes in %- Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
22 Zulieferungslastiges Produktionsprofil Der transformationsbedingte Umbau der ostdeutschen Wirtschaft hat zur Dominanz von Vorleistungsgüterindustrien geführt. In der westdeutschen Industrie dominiert die Herstellung von Investitionsgütern. Marktmacht der Endprodukthersteller schwächt die Realisierung des vor Ort geschaffenen Wertes.
23 Unterschiede der Umsatzstruktur zwischen ost- und westdeutschen Industriebetrieben a - Differenz der Anteile in Prozentpunkten - a) NBL ohne Berlin; ABL mit Berlin. Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IWH.
24 Verteilung der Beschäftigten auf Status der Industriebetriebe (ab 20) und Eigentümergruppen 2007 in % Verarbeitendes Gewerbe Produktions- u. Vorleistungsgütergewerbe Quellen: Statistisches Bundesamt; IAB-Betriebspanel; Berechnungen des IWH.
25 Forschungs- und Entwicklungsschwäche der Wirtschaft Kleine Unternehmen verfügen über wenig finanzielle und personelle Ressourcen für FuE. Staatliche Förderprogramme mildern die Nachteile, ersetzen aber nicht die Eigeninitiative. Großbetriebe von der Art verlängerter Werkbänke betreiben in der Regel keine FuE vor Ort. Staatliche Förderung öffentlicher Forschungseinrichtungen bietet keinen vollwertigen Ausgleich für das fehlende innovatorische Unternehmertum.
26 Innovationsindikatoren der Industrie im Mittel der Jahre 2006 bis 2010 in Ost- und in Westdeutschland - in Prozent - Indikatoren Ostdeutschland Westdeutschland Innovationsausgaben je Umsatzeinheit 3,4 4,3 FuE-Anteil an den Innovationsausgaben Umsatzanteil mit neuen Produkten 15,3 22,9 Umsatzanteil mit Marktneuheiten 3,1 5,3 Umsatzanteil mit Sortimentsneuheiten 3,7 3,9 Quellen: ZEW: Mannheimer Innovationspanel. Berechnungen des ZEW.
27 Fazit und Ausblick 1. Aufbau Ost - eine zeitlich begrenzte Erfolgsgeschichte! 2. Persistente Rückstände in der Gegenwart Spätfolgen der Vergangenheit vor und nach der Wiedervereinigung! 3. Nahziel: Erreichte Angleichung der Lebensverhältnisse muss durch die Herstellung gleichwertiger Produktivitätsverhältnisse gesichert werden, andernfalls geht die Bereitschaft der Bürger zur Finanzierung des Ostens verloren. 4. Was tun? Eigendynamik der ostdeutschen Wirtschaft stärken, Illusion der baldigen Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse aufgeben!
28 Danke für die Aufmerksamkeit.
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